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1 HEFT 248 / 2002 42. JAHRGANG 42. Woche der Begegnung in Rolduc/NL Wiederbewaffnungsdebatte und katholische Kritik Islam – Naher Osten – arabische Welt

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HEFT 248 / 2002 42. JAHRGANG

• 42. Woche der Begegnung in Rolduc/NL

• Wiederbewaffnungsdebatte und katholische Kritik

• Islam – Naher Osten – arabische Welt

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HEFT 248 – AUGUST 2002 AUFTRAG 42. JAHRGANG

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INHALINHALINHALINHALINHALTTTTTeditorial ................................................................. 3

42. WOCHE DER BEGEGNUNG:»CHRISTEN IN VERANTWORTUNG FÜR EUROPA ZWISCHEN

WÄHRUNGSUNION UND WERTEGEMEINSCHAFT«

Programm-Auszug ................................................... 4Europa zwischen Währungsunion undWertegemeinschaft (Georg Kestel) ........................ 5Tagungsort Rolduc (Richard Schmitt) .................. 9

ISLAM UND WESTLICHE WELT

Teil 3: Islam und Christentum (Dieter Kilian) .... 11Terrorismus im Islam religiös nicht

zu rechtfertigen ................................................. 18

SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Drohende Schatten über Mesopotamien(Volker W. Böhler) ............................................. 20

Erklärung von pax christi: Kein Krieg gegenden Irak! ........................................................... 30

UNOMIG – eine friedenserhaltende Mission inGeorgien (Walter Theis) ................................ 31

BDKJ-Hauptversammlung – Sicherheitsethischeund sicherheitspolitische Beschlüsse:Frieden fördern und gestalten ........................... 34Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschlandist auszusetzen! ................................................. 40

Inneneinsatz der Streitkräfte: Bundeswehr undTerrorismusbekämpfung (Mattias G. Fischer) . 41

Söldnerfirmen im Aufwind (ds/IAP-Dienst) ........ 43„Kämpfen für die Menschenrechte“ (bt) ............ 44Geheime Balkanarmee (bt) ................................ 45Friedensarbeit der Hilfswerke: Chancen und

Grenzen (KNA) .............................................. 46„Friedensarbeiter“ als Beruf – wenn es denn

dem Frieden dient (KNA) ............................... 46Mit Leibwächtern auf den Richterstuhl

(Christoph Strack) ............................................. 47Forderung nach einer „Humanitären Meldestelle”bei der DBK (Klaus Liebetanz) .......................... 48

ZUM BILD DES SOLDATEN

Die Grenzen einer Wanderdokumentation(Gerhard Arnold) .............................................. 49

Eine nicht ganz unzeitgemäße Betrachtung –Gemeinschaft Muslimischer Soldaten (GMS)?

(Thomas R. Elßner) ........................................... 51Philosophie der Menschenführung in militärischenBereichen (Wolfgang Altendorf) ......................... 52Die Erfolgsstory Gottes (Klaus Liebetanz) ......... 54

BLICK IN DIE GESCHICHTE

DIE WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE IN DER ADENAUER-ÄRA UND DIE KATHOLISCHE KRITIK

Vorwort (Baldur Hermans) ................................. 57Die Wiederbewaffnungsdebatte – Kritik und Oppo-

sition auf katholischer Seite (Arno Klönne) .... 58Stellung der katholischen Kirche zum Ost-West-

Konflikt – katho. Unterstützung der Wiederbe-waffnungspolitik Adenauers(Ernst Josef Nagel) ............................................ 60

Diskussionsbericht (Vera Bücker) ....................... 67Biographische Daten zum Diskussionsbericht ....... 70

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Der Nahostkonflikt: Das Drama im Heiligen Land(Erich Maria Fink) ........................................ 73

Versöhnungsarbeit unter der Jugend leisten (bt) .. 76Arabischer Bericht über die menschliche

Entwicklung (bt) ............................................ 76Russland: Justizreform (bt) ................................ 77Anti-Katholikenkampagne in Russland stößt auf

Widerstand (KNA) ......................................... 77Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag hat

am 1. Juli 2002 Arbeit aufgenommen (DT) .... 78Die Aufnahme des Gottesbezugs in die

europäische Verfassung (PS/KNA) ................. 78Freidenker-Vereinigungen ..................................... 79Humanisten-Verband: Günstige Prognose (KNA) . 79Polen: Kritische Sowjetarmee-Ausstellung

(Joachim G. Görlich) ......................................... 80Polens Postkommunisten prangern Diskriminierungvon Katholiken in Russland an (J. G. Görlich) ... 80Die Legende von der Wehrungerechtigkeit (IAP) . 81Bundestagswahl: Wenig über Werte (KNA) ........ 83ZdK-Erklärung zur Bundestagswahl (ZENIT) .... 84UN-Bericht: Demokratie in Entwicklungsländern

stärker fördern (KNA) .................................... 85„Geht zu allen Völkern“ – Der Auftrag der Kirche inder globalisierten Welt“ (Heinrich Dorndorf) ..... 86Menschenrechte: Situation der Religionsfreiheit inder Welt etwas verbessert (ZENIT) .................... 88Ukraine: Christ, Politik und Staatsgewalt.

Die neue Ukraine (Reinhard Kloss) ................ 89Gentechnik: Katholische Männer beklagenmännliche Dominanz (KNA) .............................. 91GKMD-Position: Was darf der Mensch? ................ 92

KIRCHE UNTER SOLDATEN

Bereich Ausland: El Paso,Tx, USA ....................... 93

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42. JAHRGANG AUFTRAG HEFT 248_– JAUGUST 2002

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editorialLiebe Lesergemeinde!

ie Eingaben an den Wehrbeauftragten desdeutschen Bundestages, Wilfried Penner, sindim ersten Halbjahr 2002 gegenüber dem glei-chen Zeitraum des Vorjahres um 43 Prozent

von 2.631 auf 3.750 alarmierend angestiegen. Nach An-gaben Penners spiegele sich in dieser Erhöhung die man-gelhafte Planungssicherheit für den Einzelnen durch dieeingeleitete Bundeswehrreform sowie die Auslandsein-sätze mit ihren Belastungen für die Familien und Lebens-partner wider. So machten „den weitaus größten Teil desZuwachses Eingaben von Berufs- und Zeitsoldaten(1.102) sowie von Soldaten aus dem Ausland (804) aus“.

Wen wundert’s, wenn man bedenkt, dass gerade die-ser Personenkreis seit der Wiedervereinigung – innerhalbvon 12 Jahren – den dritten Umbau der Bundeswehr erle-ben muss. Sind diese Reformen doch stets verbunden miteiner erheblichen Reduzierung der Bundeswehr und ihrerFinanzen, Standortschließungen – dies bedingt zusätzli-che Versetzungen und Umzüge – und diesmal auch nocheine große Veränderung in der Streitkräfteorganisation.Nach der Bundestagswahl kommt es deswegen darauf an,dass die Bundeswehr ihre eingeleitete Reform schnell zuEnde führt, begleitet von rechtzeitiger Information desPersonals über die geplanten Maßnahmen. Außerdemmuss der Verteidigungshaushalt erhöht werden, um dieDefizite in der Ausbildung sowie Modernisierung und In-standhaltung des Materials beheben zu können.

Ihre Redaktion

KLMD Kiel – (ehemals WB I): ............................. 94GKS NS/Bremen– (ehemals WB II ) ..................... 95Bereich Nordrhein-Westfalen – (ehemals WB III) 96GKS-Kreis Unna ................................................... 99KLMD Koblenz ..................................................... 99GKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland –

(ehem. WB IV) ............................................... 100GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler .................. 101Militärbischof Mixa beim Wehrbeauftragten

des Bundestages ............................................. 102Standort Laupheim ............................................. 103GKS Köln ........................................................... 103Leitender Katholischer Militärdekan Ausland ... 104Ökumenischer Gottesdienst im Bendlerblock

in Berlin ......................................................... 106

Aus dem Bundesvorstand der GKS ..................... 106GKS-Akademie Oberst Helmut Korn – 9. Seminar2003: »Soldat – Ehe – Familie –Partnerschaft« .. 108KAS Bonn: Betreuung der Soldaten und

ihrer Familien ................................................. 110GKS – dokumentiert in Bw-Fachinformation ....... 111

PERSONALIA ......................... 53, 81, 110, 112–116

LESERBRIEF ...................................................... 88

BUCHBESPRECHUNG................. 72, 105, 114, 117

GEFUNDEN......................................................... 29

KURZ NOTIERT .................................................. 30

AUTOREN ......................................................... 119

D

Titelbild: Kirche und Moschee in Jerusalem. Im Vordergrund die Zwiebeltürme der russischenMaria-Magdalenen-Kirche in Gethsemane, dahinter der Felsendom, dazwischen die400 Jahre alte türkische Stadtmauer.

Hinweise für das Einsenden von Fotos

In Heft 243 / April 2001 hatte die Redaktion „Tippsfür Presse-Beiträge“ gegeben (S. 103-104). Diese Tippsscheinen bei den meisten Zusendern in Vergessenheit ge-raten oder unbekannt zu sein. Fotos müssen eine be-stimmte Mindestgröße (15 x 10 cm), Qualität (Hochglanz-abzug) und bei digitalisierten Bildern auch Auflösung(300 dpi) haben, damit sie für den Druck geeignet sind.Fotos mit „Internet-Qualität“ entsprechen diesen Anfor-derungen i.d.R. nicht. Ein den Bildschirm füllendes Bildhat oft nur eine Auflösung von 72 dpi und schrumpft beimÜbertrag in eine Druckvorlage auf etwa 4,5 x 3 cm Größe.Deshalb bittet die Redaktion gerade bei der Digitalisie-rung von Bildern darum, dass die erforderlichen Stan-dards eingehalten werden.Diese sind:• Mit einer Digitalkamera aufgenommene Fotos unbear-

beitet übersenden (per Diskette, CD oder Email).• Einscannen von Fotos mit 300 dpi-Auflösung, Größe 1:1

(keinesfalls unter 12 x 8 cm). Bei einer Bildschirmauf-lösung von 72 dpi müsste ein 12 x 8 Foto mit einer Bild-größe von ca. 56 x 42 cm gespeichert werden, damit esfür den Druck geeignet ist!

• Eingescannte Bilder als TIF-Datei (ggf. auch JPG-Formatin maximaler Qualität) speichern und übersenden.

• Fotos nicht in Textdateien einbetten, sondern als Anhän-ge/eigene Bild-Dateien übersenden.

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4 AUFTRAG 248

42. WOCHE DER BEGEGNUNG

»Christen in Verantwortungfür Europa

zwischen Währungsunionund Wertegemeinschaft«

42. Woche der Begegnung: Zentrales Treffen der in Räten undVerband organisierten Laien in der Katholischen Militärseelsorge

vom 15. bis 20. September 2002 im Kongresszentrum Rolduc /Gemeinde Kerkrade/Provinz Limburg/Niederlande

1. Trennung/Einsatz: Familie was nun?2. Lebenskundlicher Unterricht –

ein Auslaufmodell mit Zukunft?3. Der Mensch – göttliches Ebenbild oder

wissenschaftliches Experimentierfeld4. Vielfalt der Kath. Militärseelsorge –

das Beispiel Niederlande18.30 Uhr Heilige Messe mit Militärbischof

Dr. Walter Mixa in der Klosterkirche Rolducanschl. Abend der Begegnung

Dienstag, 17. September 200208.30 Uhr Morgenlob08.45 Uhr Berichte aus den Bezirken der Kath.

Leitenden Militärdekane mit Aussprache11.00 Uhr Wahl eines Vertreters der ZV in das ZdK11.20 Uhr Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse

vom Vortag12.00 Uhr Wort des Vertreters des Priesterrates

Militärpfarrer Thomas Stolz, Calw14.00 Uhr Pressegespräch15.00 Uhr Bericht des Bundesvorsitzenden der GKS,

Oberst Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein, überdie Verbandsarbeit

15.20 Uhr Bericht des Vorsitzenden der ZV, OberstFranz-Josef Pütz, über die Arbeit im Vorstand

15.40 Uhr Verabschiedung von Beschlussvorlagen16.15 Uhr Wort des Katholischen Militärbischofs

zum Abschluss der ZV16.30Uhr Schlusswort des Vorsitzenden der ZV

Programm-Auszug13.-15. September Vorkonferenz der Vorstände

von Zentraler Versammlung (ZV) und Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS)

15.-17. September Zentrale Versammlung (ZV)Sonntag, 15. September 2002–16.00 Uhr Anreise und Empfang

der Delegierten und Gäste17.00 Uhr Eröffnungsgottesdienst in der Kirche

St. Mariä Himmelfahrt, Herzogenrath19.30 Uhr Begrüßung: Vorsitzender der ZV, Oberst

Franz-Josef Pütz, und Eröffnung derBeratungen durch MilitärgeneralvikarPrälat Walter Wakenhut

anschl. Treffen der Delegierten aus den Bereichender Katholischen Leitenden Militärdekane

Montag, 16. September 200208.30 Uhr Morgenlob08.45 Uhr Vortrag mit Aussprache:

„Christen in Verantwortung für Europa –zwischen Währungsunion und Werte-gemeinschaft“, Dr. Thomas Jansen, Brüssel

11.00 Uhr Informationen, Berichte, Wahlen, Beschlüsse– die Arbeit im ZdK,– die Nachbarschaftshilfe 2001/2002,– Vorbereitung der Wahl eines Vertreters

der ZV in das ZdK,– Einbringen von Beschlussvorlagen– Ökumenischer Kirchentag 2003 Berlin– Jahr mit der Bibel 2003

14.45 Uhr Wort des Katholischen Militärbischofs,Bischof Dr. Walter Mixa

15.45-18.00 Uhr Arbeitsgruppen

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5AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

ZV und Bundeskonferenz der GKS–16.00 Uhr Anreise weiterer Teilnehmer und Gäste

der GKS zur Bundeskonferenz18.00 Uhr Pontifikalamt mit Militärbischof Dr. Walter

Mixa in der Klosterkirche Rolducanschl. Empfang und Gästeabend des Katholischen

Militärbischofs aus Anlass der 42. Woche derBegegnung im Congres Centrum Rolduc

Bundeskonferenz der GKSMittwoch, 18. September 200208.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc10.00 Uhr Eröffnung der Bundeskonferenz

Wort des Militärgeneralvikarsdiverse Berichte und Aussprache dazu

13.30 bis Mitgliederversammlung des Förderkreisesder GKS (FGKS)

15.20 Uhr Bericht zum Sachstand „Zukunft der GKS“16.00 bis Sachausschüsse präsentieren sich und ihre

aktuelle Arbeit19.30 Uhr Treffen der Bereiche der GKS

bei den Kath. Leitenden Militärdekanen

Donnerstag, 19. September 200208.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc

Zelebrant MGV Prälat Walter Wakenhut09.45 Uhr Vortrag und Aussprache:

„Europäische Wertestudie“Prof. DDr.Paul M. Zulehner, Wien

14.00-22.00 Uhr Kulturelles Programm EUREGIOFahrt zum 3-Länder-Eck Maastricht –Aachenmit abschl. Abendessen in der Offizierheim-gesellschaft „Gut Neuhaus“

Freitag, 20. September 200208.30 Uhr Heilige Messe in der Klosterkirche Rolduc09.15 Uhr Aussprache zur Zukunft der GKS10.30 Uhr Beschlüsse und Verabschiedungen von

Erklärungen,Die Arbeit der GKS im kommenden JahrUnser Jahresthema,Geplante Veranstaltungen und Aktivitäten,Abschluss der Bundeskonferenz undSchlusswort des Bundesvorsitzenden

12.00 Uhr Mittagessen, anschl. Abreise

Europa zwischen Währungsunion und WertegemeinschaftZum Leitgedanken der Woche der Begegnung 2002

GEORG KESTEL

gemeinschaft voran zu bringen. DasThema der diesjährigen Woche derBegegnung ist deshalb mehr als einWortspiel. Es stellt die ernste Fragenach dem, was Europa wirklich zu-sammenhält, und wie auf Dauer undmit Erfolg zusammenhält, was da zu-sammenwächst.

1. Christen bestimmen ihrePosition

Ein umfassender und lang-dauernder Prozess wie die europäi-sche Einigung stellt die Frage nachdem spezifischen Beitrag der Chris-ten in ihrer gleichzeitigen „Doppel-rolle“ als Glaubende der einen Kir-che und als Bürger der verschiede-nen Nationen. Es gibt keinen Grund,dieser Frage auszuweichen, denn vonwelcher gesellschaftlich-politischenSeite und aus welcher geschichtli-chen Perspektive man das vielgestal-

tige europäische Haus auch betrach-tet, es ist von seinen Fundamentenbis zum Dach, von seinen Anfängenbis zur Gegenwart durchzogen vonden Spuren des christlichen Glau-bens. Dies festzustellen heißt nicht,eine zugegebenermaßen manchmalreichlich unreflektierte Redeweisevom „christlichen Abendland“ zupflegen. Oft wird dieses Prädikat nureinseitig verwendet, um seiner Klageüber den vermeintlich totalen Verlustchristlicher Prinzipien im ehemalsquasi per Naturgesetz vom Glaubengeprägten Europa Ausdruck zu geben.

Notwendige Rückbesinnung musssich verbinden mit dem mutigenBlick nach vorn. Papst JohannesPaul II. wies hier die Richtung, als ersich im Jahr 1988 vor dem Europäi-schen Parlament klar gegen restaura-tive Glaubenstendenzen aussprach:„Der religiöse Integralismus, der kei-ne Unterscheidung zwischen der

„Asterix und Obelix, das sindim Grunde die wahrenEuropäer!“ – Der so spricht,

muss es wissen. Ist es doch der fran-zösische Filmschauspieler GérardDepardieu, der als Darsteller desschwergewichtigen Obelix zu Beginndes Jahres 2002 seinen zweiten Filmvorstellte: „Mission Kleopatra“. DieComic-Figuren, so der Leinwand-Mime, strahlten gerade auch im Hin-blick auf den europäischen Eini-gungsprozess eine gehörige Portion„Kraft und Humor“ aus.

In der Tat könnten unsere Euro-papolitiker solche Energien gut ge-brauchen, die auch mit Hinkelstei-nen federleicht jonglieren sowie jeneRiesenkräfte, die von Zaubertränkenkommen. Denn es ist wahrlich keineleichte Aufgabe, unser Europa aufseinem Weg von der pragmatischenWirtschafts- und Währungsunion zurwirklich zukunftstragenden Werte-

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6 AUFTRAG 248

42. WOCHE DER BEGEGNUNG

Sphäre des Glaubens und jener des zi-vilen Lebens macht und in dieser Ge-stalt heute noch in anderen Gegendender Welt praktiziert wird, ist unverein-bar mit dem europäischen Geist, sowie ihn die christliche Botschaft ge-prägt hat“.

Doch wollen die Kirchen über-haupt noch Teil des „christlichenAbendlandes“ sein? Elisabeth Par-mentier, Professorin für PraktischeTheologie und Vorsitzende der Leu-enberger Kirchengemeinschaft, be-dauert für den evangelischen Bereichnicht, dass sich die Kirchen demGeist der Säkularisierung angepassthaben und nicht mehr über ein ein-heitliches Modell ihres Auftrages imwerdenden Europa verfügen: „Nein,denn das gehört zu ihrem Wesen. Ge-rade die nostalgische, allumfassendeund einebnende Vision vom ‘christli-chen Abendland’ wäre für sie nichtannehmbar. Aus Überzeugung fordernevangelische Kirchen eher eine Positi-on der bewussten Marginalität, umbesser ihre Solidarität mit Menschenin Schwachheit und Unzulänglichkeitzu bezeugen“.1) Das Ziel ist demnachnicht die „Verchristlichung der Ge-sellschaft“, sondern der „zeichen-hafte Dienst von Christen in der Ge-sellschaft“. Gerade die Vielzahl deraus der Reformation erwachsenenkirchlichen Gemeinschaften seiendurch die nicht einfachen Prozesseinnerevangelischer Einheitsbestre-bungen vor idyllischen Visionen fürEuropa gefeit. Sie brächten aber, soParmentier, ihre eigenen Erfahrun-gen aus der Überwindung innererund äußerer Grenzen als Positivummit ein. „Das erst 30 Jahre alte Profilder Leuenberger Kirchen als evangeli-scher Predigt- und Abendmahls-gemeinschaft könnte gerade als Ge-meinschaft in der europäischen Weltein Zeichen einer möglichen und ge-lungenen Versöhnung sein, die weitüber friedliche Koexistenz oder bloßstrukturelle Verbundenheit hinaus-weist“.2)

Andere können diesem vomZweckoptimismus sicher nicht freienCharme der Marginalität weniger ab-gewinnen. Für Bischof Egon Kapel-lari von Graz fördern die Christen dasProjekt einer Erneuerung Europasdadurch am besten, dass sie sichnicht an den Rand der Gesellschaftdrängen lassen, sondern am BauplatzEuropa mitbauen, wo immer Gestal-

tungsmöglichkeit besteht. Gelegent-lich werde das Prinzip der Laizität aufKosten der katholischen Kirche wieeine Mumie konserviert, „während einselbstbewusster Islam sich anschickt,der Gesellschaft ganz neue und unbe-queme Fragen zu stellen“3).

Der Bischof beurteilt die Situati-on nüchtern, aber hoffnungsvoll dif-ferenziert: Europa sei paradoxer-weise ein „Morgenland“ für wissen-schaftliche und ökonomische Innova-tion und zugleich ein demografisches„Abendland“. Gott sei vor vielen Tü-ren ein Fremder, und doch gebe es inEuropa Frischzellen in Gesellschaftund Kirche, neue Aufbrüche, dienoch viel mehr zusammenfindenmüssten. Hier gelte es, Allianzen zuschmieden in den Anliegen wie Men-schenrechte, Demokratie, soziale Ge-rechtigkeit, Lebensschutz, ökologi-sche Verantwortung und Stärkungder Familie. Vor einer vorauseilen-den Resignation wird zu Recht ge-warnt: „Die christlichen Kirchen undGemeinschaften in Europa haben trotzvieler Erosionen des so genannten ka-tholischen und christlichen Milieusviel größere Ressourcen an Spirituali-tät, Solidarität und Barmherzigkeitals andere große Gemeinschaften aufdiesem Kontinent.“4)

Die Päpste, die nationalen Bi-schofskonferenzen sowie verschiede-ne Laienorganisationen und Verbän-de haben seit dem RundschreibenPauls VI. „Über die Evangelisierungin der Welt von heute“ (EvangeliiNuntiandi) von 1975 das Thema despolitisch zusammenwachsenden Eu-ropa sehr stark mit dem Anliegen derNeuevangelisierung in Verbindunggebracht. Durch diese Verklamme-rung haben sie darauf hingewiesen,dass Europa seine Herkunft, seineIdentität und auch seine Zukunftnicht ohne den Bezug zu seinenchristlichen Wurzeln verstehen undgestalten kann.

So hat Papst Johannes Paul II.erst am 25. April 2002 bei der Audi-enz für die Teilnehmer eines vom Ratder Europäischen Bischofskonferen-zen (CCEE) veranstalteten Symposi-ums gesagt: „Europa braucht drin-gend die Begegnung mit diesem Gott,der die Menschen liebt und in all ih-ren Prüfungen und Schwierigkeitengegenwärtig ist. Damit dies gesche-hen kann, müssen die Gläubigen un-bedingt bereit sein, den Glauben mit

ihrem Leben zu bezeugen. Dann wer-den reife kirchliche Gemeinden her-anwachsen, die bereit und willenssind, sich mit allen Kräften für dieNeuevangelisierung einzusetzen.“5)

2. Christliche Bausteine ameuropäischen Haus

„Welches Europa also sollen wirals katholische Christen nach denMaßstäben des Evangeliums erstre-ben?“, so fragt Bischof Kapellari undnennt sechs Desiderate6):• Ein befriedetes Europa, das mehr

und mehr eine Kraft zum Friedenim gesamteuropäischen Raum biszum Ural und Kleinasien werdensoll. Diese Kraft für eine „PaxEuropae“ wird wesentlich von der„Pax Christi“, vom Dienst derChristen Europas an diesem Frie-den abhängen.

• Ein Europa als ein Raum sozialerGerechtigkeit, in dem auch dieKräfte für eine weltweite Solidari-tät besonders mit Völkern in großerNot stärker werden. Dieser Friedewird immer ein Werk der Gerech-tigkeit und eine Frucht der Barm-herzigkeit sein.

• Ein Europa als ein Raum der Ach-tung und Förderung menschlichenLebens von der Empfängnis biszum Tod. Hier ist Widerstand zuleisten gegenüber einer Zivilisationdes Todes, die sich in Europabereits vielgestaltig ausgebreitethat.

• Ein Europa als ein Raum, in demder Auftrag Gottes ernst genommenwird, die Umwelt als Mitwelt zuverstehen und sorgsam zu pflegen.Es ist zu hoffen, dass die Krise ei-ner übertechnisierten Landwirt-schaft ein Umdenken und eine Um-kehr hin zu einer ökosozialen Wirt-schaft fördert.

• Ein Europa als Raum christlicherÖkumene, die katholische Identitätund katholisches Profil nicht aus-höhlt oder relativiert, aber offen istfür die geistlichen Reichtümer an-derer Kirchen und christlicher Ge-meinschaften.

• Ein Europa als Raum befriedeterBeziehungen des Christentumszum Judentum und zum Islam.Allerdings wird ein schwaches, sei-ner selbst nicht gewisses Christen-tum von islamischen Kräften ge-ring geachtet.

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7AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

ZdK-Präsident Hans JoachimMeyer forderte in seiner Eröffnungs-rede beim „Europäischen Kolloqui-um“ Anfang März 2002 in Berlin denAufbau eines „Netzwerkes“ bzw. ei-nes „Freundeskreises von europäi-schen Christen“, um aus unseren Er-fahrungen und Stärken heraus daseine Europa kulturell, politisch, sozi-al und religiös konstruktiv mitzuge-stalten. Der Rückzug aus diesen De-batten sei nichts anderes als ein Zu-rückweichen vor dem christlichenWeltauftrag, den das II. VatikanischeKonzil formuliert hat, und damitletztlich unchristlich. Wer die EU-Mitgliedschaft den Völkern und Nati-onen Mittel- und Osteuropas anbiete,müsse unbedingt die Frage nach demleitenden Ethos beantworten, dieFrage also nach der moralischenGrundlage des europäischen Projek-tes. Wenn es in Zukunft um eineNeuorientierung der Politik imSpannungsdreieck von regionaler,nationaler und europäischer Ebenegehe, so Prof. Meyer, dann müsse dasSubsidiaritätsprinzip zur Anwendungkommen, und zwar nicht nur alsLeitbegriff in der Präambel der euro-päischen Verträge, „es muss vielmehrzum Bauprinzip der europäischenOrdnung werden und durchgängigAnwendung finden“ 7).

Thomas Jansen, Kabinettschefdes Präsidenten des EuropäischenWirtschafts- und Sozialausschussesund ZdK-Mitglied, sieht das Subsidi-aritätsprinzips vor allem wirksam beiFragen und Problemen mit einergrenzüberschreitenden, transnatio-nalen Dimension, und unter diesenbesonders bei jenen, die ethischeEntscheidungen implizieren8):• Bei den sozialen Fragen, die sich

im Zusammenhang mit der Europä-isierung oder Globalisierung derWirtschaftsbeziehungen und Le-bensbedingungen ergeben.

• Bei den Problemen der Wissen-schaft und Forschung, sofern sie inneue Bereiche vorstoßen und dabeiRisiken eingehen, die Menschen-bild und Menschenrechte in Fragestellen (Gentechnologie und Bio-medizin).

• Bei der Behandlung von Flüchtlin-gen (Asylpolitik), der Integrationvon zugewanderten Ausländern,dem generellen Umgang mit Min-derheiten.

• Bei der Befolgung des Gebots dernachhaltigen Entwicklung in allenBereichen der Politik.

3. Schritte auf dem Wegzur Wertegemeinschaft

Jeder Einsatz für den christli-chen Geist in Gesellschaft und Poli-tik muss sich notgedrungen auf ganzbestimmte konkrete Projekte einlas-sen. Dies bedeutet sowohl, Allianzenzu schmieden als auch Kontroversenauszuhalten; es geht nicht ohneKompromisse und nicht ohne klareZielvorstellung. Dabei ist nicht aus-zuschließen, dass sich die einsatzbe-reiten Kämpfer für eine bestimmteIdee vor Leuten aus dem eigenen La-ger des Vorwurfs der Nachgiebigkeitund des Prinzipienverrats erwehrenmüssen. Aber so ist es im Leben fastüberall: Gerade anspruchsvolle Zieleerfordern die Tugenden der Geduldund des forschen Zupackens in glei-cher Weise. Von drei Projekten undProzessen soll im Folgenden kurz dieRede sein.

3.1Die europäische Grund-rechte-DiskussionIm Dezember 2000 wurde in

Nizza feierlich die Charta der Grund-rechte der Europäischen Union ver-kündet, die allerdings noch nicht indas Primärrecht der EuropäischenUnion übernommen worden ist. Ob-wohl in dem Wortlaut der Bezug aufGott fehlt, hat Papst Johannes Paul II.den Versuch gewürdigt, hier an derSchwelle des dritten Jahrtausendseine neue Synthese der Grundwertezu schaffen, an denen sich das Zu-sammenleben der Völker Europasauszurichten habe9). Doch ist dieCharta noch weit von der Einsicht indie Bedeutung des Gottesbezugs fürdie menschliche Existenz entfernt,die der evangelische Theologe KarlBarth vor Jahrzehnten so formulierte:„Würde nennen wir den fallenden Ab-glanz der Ehre Gottes auf den Men-schen“. Auch wird man heute nichtmehr so leicht und so zahlreich Poli-tiker finden, die frei bekennen wieeinst Konrad Adenauer: „Ich fühlemich und meine Weltanschauung ge-prägt von den beiden Komponentender abendländischen Kultur, demChristentum und dem Humanismusder griechisch-römischen Antike“.

3.2Der EuropäischeVerfassungskonventAm 28. Februar 2002 tagte in

Brüssel zum ersten Mal der 105-köp-fige „Konvent zur Zukunft Europas“,dessen Bedeutung manche noch hö-her einschätzen als die Einführungdes Euro als Gemeinschaftswährung.Nachdem viele das System der EU-Gipfeltreffen ihrer politischen Wirk-samkeit nach als gescheitert anse-hen, soll jetzt ein unabhängiges Gre-mium Vorschläge einer Reform unter-breiten, über die dann abschließenddie EU-Regierungen entscheiden.Während die einen auf eine Stärkungder Europäischen Union durch eineninternationalen Verfassungsvertraghoffen, haben andere eher die Begren-zung der zentralen Zuständigkeitendurch einen klar definiertenKompetenzkatalog im Blick.

Die Regierungen haben derweileine Liste von 60 Fragen zusammen-gestellt, auf die der Konvent eineAntwort finden soll. Zu dieser Herku-lesarbeit gehört, den Gedanken Eu-ropas der Jugend näher zu bringen.Aber auch, die arg verschachteltenEU-Verträge zu vereinheitlichen undzu vereinfachen. Insgesamt ist nichtsweniger geplant als eine General-revision von Zuständigkeiten, Insti-tutionen, Vertragssystemen und Ent-scheidungsverfahren. Erwartet wer-den Vorschläge, wie die EU auchnach der Aufnahme von bis zu zehnneuen Mitgliedern handlungsfähigbleiben kann. Der deutsche Bundes-kanzler wünscht sich auf jeden Fall,dass am Ende der Konventsarbeit„der Entwurf einer europäischenVerfassung steht“. Ein wesentlichesElement ist dabei die oben erwähnteGrundrechtecharta, die der ersteKonvent unter Roman Herzog erar-beitet hat.

Das Ganze soll schnell gehen:Der Auftrag an den Konvent ist aufein Jahr beschränkt. Rund zwanzigMal wird er in diesem Zeitraum imEuropaparlament in Brüssel tagen.Im Jahr 2004 wird eine Regierungs-konferenz entscheiden, ob der Ab-schlussbericht des Konvents als fer-tiger Rechtstext oder lediglich alseine Liste politischer Optionen ge-wertet wird. Dann werden die end-gültigen Reformbeschlüsse gefasst.

Die Mühe wird sich sicher loh-nen. Denn ein Verfassungsvertrag

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8 AUFTRAG 248

42. WOCHE DER BEGEGNUNG

könnte nach dem Euro-Bargeld einweiterer Baustein für eine langsamwachsende europäische Identitätwerden. Diese will das in den ange-stammten Regionen verankerte Hei-matgefühl der Bürger nicht verdrän-gen. Vielmehr könnte eine neue Mi-schung aus beiden Bezugspunktengerade für Einwanderer aus nicht-europäischen Kulturkreisen sogarein überzeugenderer Identifikations-horizont sein als die einzelnen natio-nalen Identitäten jeweils für sich ge-nommen. Vielleicht wird es ja einmalso etwas geben wie einen europäi-schen Verfassungspatriotismus!

Die katholische Kirche wird dieArbeit des Konvents konstruktiv be-gleiten und an der europäischenVerfassungsdiskussion aktiv mitwir-ken. In einer Erklärung vor dem letz-ten EU-Gipfel haben die Bischöfeder Kommission der Bischofskonfe-renzen der Europäischen Gemein-schaft (COMECE) als Leitlinien fürden Konvent schon die Grundsätzeder Menschenwürde, Solidarität,Subsidiarität und Transparenz ge-nannt und die Rolle der Kirchen inBildung, Kultur und Sozialarbeit be-tont. Die COMECE bereitet derzeitihre genauere inhaltliche Positionzur Arbeit des Konvents vor.

3.3Das EuropäischeKolloquium in BerlinAuch die katholischen Laien Eu-

ropas wollen sich durch Veranstal-tungen, Gespräche und Erklärungenan der Debatte über Werte und Zieleder Europäischen Union beteiligen.Zu diesem Zweck fand in Berlin An-fang März 2002 auf Initiative desZentralkomitees der deutschenKatholiken (ZdK) und der französi-schen Partnerorganisation Semainessociales de France ein Treffen von120 Delegierten aus 20 Ländernstatt.

In seinem Eröffnungsreferat un-terstrich ZdK-Präsident Hans Joa-chim Meyer die Rolle, die Christenbei der Gründung der EuropäischenUnion gespielt haben. Jetzt kommees darauf an, diesem Ursprungsethos,das in den Werten des Evangeliumswurzelt, auch in Zukunft gerecht zuwerden.

In ihrer Abschlusserklärung de-finiert die Versammlung eine doppel-te Herausforderung, vor der die EUheute stehe: Die Vertiefung der Ge-meinschaft sowie die Offenheit fürdie Erweiterung. „Als Christen kön-nen wir uns nicht zufrieden geben miteinem vereinten Europa in einer zer-rissenen Welt“, sagen die Delegier-ten, „wir wollen dem Risiko entge-genwirken, dass sich unser Kontinent,ermüdet durch die Geschichte, aufsich selbst zurückzieht und sich daringenügt, sich auf den Früchten seinesGeistes und den Meriten seiner Ge-schichte auszuruhen“.

Weiter heißt es: „Unser Beitragzur Erweiterung der Union wird auchdarin bestehen, dass wir Begegnun-gen der auf unserem Kontinent leben-digen katholischen, protestantischen,anglikanischen und orthodoxen Tra-ditionen ermöglichen“. Europa mussnach Auffassung der katholischenLaienvertreter insgesamt stärker„Verantwortung übernehmen bei derMitgestaltung einer menschenfreund-lichen Globalisierung durch die Ge-staltung einer neuen, von Werten ge-tragenen Welt“. Wenn auch ein lu-penreines „christliches Europa“ illu-sorisch sei, so könne doch der euro-päische Bauplan auf die histori-schen, kulturellen, spirituellen undauch religiösen Fundamente nichtverzichten.

„Die Solidarität ist das Herzstückder 50-jährigen Erfahrung der Ge-schichte der Europäischen Einigung“,so die Erklärung, „sie gründet für unsals Christen in der Nächstenliebe undim universellen Charakter unseresGlaubens“ 10).

Es ist gut, dass Christen sichimmer wieder auf ihr Selbstverständ-nis besinnen und dem darin enthalte-nen Anspruch nicht ausweichen. Siekönnen getrost auch beim Aufbau ei-nes vereinten Europa ihre Stimme er-heben. Denn auch bei diesem Vorha-ben gilt, was über jedes Glaubens-engagement zu sagen ist: Der GeistGottes ist es, der jedes gute Men-schenwerk begleitet und im Letztenerst zu dem Erfolg führt, den GottesVorsehung ihm bestimmt hat. Es istdarum sicher nicht die schlechtesteIdee, als Christ und Europäer diehier beschriebenen Anliegen undVorhaben mit in das Gebet zu neh-men. Henri Boulad hat das „Gebeteines Europäers“ formuliert, in demes heißt:

„Geist Gottes, bewahre mich vorFalschwahrheiten, die so zahlreich inUmlauf sind, und vor meiner eigenenBlockade, wenn ich mich Selbstzwei-feln hingebe und mit ihnen endlosVergangenes analysiere. Lass michdir besser helfen, mit allen meinenHerzens- und Geisteskräften, Europaumzugestalten, damit es Jahr umJahr zuversichtlicher, menschlicherund göttlicher werden kann, denn je-der Einzelne ist vom Absoluten –Gott-gezeichnet, nur kann er es noch nichtglauben. Lass mich die Geistflamme,die in mir brennt, weitergeben, siespeist sich aus dem endlosen Verlan-gen nach der Vollendung.“11)

Anmerkungen:1) Elisabeth Parmentier, Nein zum christli-

chen Abendland, in: Rheinischer MerkurNr. 8 vom 22.02.2002 (Merkur Spezial,Seite 7).

2) Elisabeth Parmentier, a.a.O.3) Egon Kapellari, Allianzen schmieden,

in: Rheinischer Merkur Nr. 8 vom22.02.2002 (Merkur Spezial, Seite 7).

4) Egon Kapellari, a.a.O.5) Osservatore Romano (deutsch) Nr. 19

vom 10. Mai 2002, Seite 9.6) Egon Kapellari, a.a.O.7) Hans Joachim Meyer, Das II. Vatikani-

sche Konzil als Basis für den Einsatz ka-tholischer Laien für Europa. Eröffnungs-rede beim Europäischen Kolloquiumvom 28.02.–02.03.2002 in Berlin.

8) Thomas Jansen, Europa ad intra. Identi-tät, Verfassung, Politik. Beitrag zum Eu-ropäischen Kolloquium vom 28.02.–02.03.2002 in Berlin.

9) vgl. Peter J. Tettinger, Christliche Wertein der europäischen Grundrechtedis-kussion. Reihe: Kirche und Gesellschaft,Nr. 287, hrsg. von der KatholischenSozialwissenschaftlichen ZentralstelleMönchengladbach, Köln 2002.

10) Abschlusserklärung des EuropäischenKolloquiums vom 28.02.– 02.03.2002 inBerlin.

11) Henri Boulad, Die tausend Gesichter desGeistes, Otto Müller Verlag, Salzburg2001.

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9AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

ROLDUCTagungsort der 42. Woche der Begegnung

RICHARD SCHMITT

Die Woche der Begegnung wechselt mit ihrem Tagungsort tra-ditionell zwischen den Wehrbereichen und war in den Jahrennach der Wiedervereinigung vielfach in den neuen Bundes-

ländern zu Gast. Höhepunkt dieser Reihe war im letzten Jahr dieAusrichtung in Berlin. Nun ist es an der Zeit auch den „Wehr“-Be-reich Ausland in die Liste der Tagungsorte aufzunehmen.Die Zentrale Versammlung und die Bundeskonferenz der GKS finden2002 erstmals im Ausland statt. Gastgeber ist der für den Bereich Aus-land zuständige Militärdekan Prälat Walter Theis, Leiter des Referats V imKMBA. Zuständiger Standortpfarrer vor Ort ist der Deutsche KatholischeMilitärgeistliche Brunssum, Pater Bernhard Bornefeld SSCC.Das Ziel der diesjährigen Reise zur 42. Woche der Begegnung sind dieNiederlande. Tagungsort ist das Kongresszentrum Rolduc.Wer nun eine ausgedehnte Auslandsreise erwartet dem zeigt ein Blick aufdie Landkarte, dass (vorausgesetzt er findet einen Eintrag) davon nichtdie Rede sein kann. In der Nähe von Aachen, unmittelbar hinter derdeutsch-niederländischen Grenze (aus Herzogenrath kommend) liegt dasCongres Centrum Rolduc in der Gemeinde Kerkrade/Provinz Limburg. Esgehört zur Diözese Roermond und liegt in der Euregio Rhein-Maas.

Das Kloster

Die in ihrem mittelalterlichenBestand gut erhaltene romanischeKirche des ehemaligen Augustiner-chorherrenstiftes Klosterrath, dasseit Mitte des 18. Jh. auch Rolducoder Rolduque (nach dem französi-schen Wort Rode-le-Duc für das be-nachbarte Herzogenrath) genanntwurde ist der Mittelpunkt des heuti-gen Kongresszentrums Rolduc.

Die Gründung Klosterraths gehtauf den Doorniker Kanoniker Ailbertvon Antoing zurück. Er ließ sich imJahre 1104 am Rande einer Hoche-bene über dem Wurmtal nordwest-lich von Aachen nieder und bautedort für sich und seine beiden BrüderTheyemo und Walger eine hölzerneKapelle. Es waren jedoch vor allemdie Grafen von Saffenberg, die zu-nächst das Land für Ailberts eremiti-sche Gründung bereitstellten undden stetig wachsenden Konvent auchweiterhin mit Grundbesitz ausstatte-ten und damit maßgeblich an derEntstehung und dem Fortbestand derAbtei beteiligt waren.

Mit der Weihe der Krypta 1108übernahm Graf Adalbert von Saffen-berg und sein Sohn Adolf die Vogteiüber das Kloster und seine Besitzun-

sen hatte. Der Spanische Erbfolge-krieg brachte die südlichen Nieder-lande 1713/14 in den Besitz Öster-reichs, das sie nach der Eroberungdurch französische Truppen 1801 anFrankreich abtreten musste. Im Kö-nigreich der Vereinigten Niederlan-de, das 1814 nach Abzug der franzö-sischen Truppen aus einem Zusam-menschluss der nördlichen und süd-lichen Niederlande entstand, wurdeschließlich eine Provinz nach demlängst untergegangenen HerzogtumLimburg benannt, die allerdingsneun Jahre nach der Unabhängig-keitserklärung Belgiens (1830) ineine westlich der Maas gelegene bel-gische und östlich angrenzende nie-derländische Provinz Limburg aufge-teilt wurde.

Die Abtei von Klosterrath war imJahre 1797 bereits säkularisiert und1894 endgültig aufgelöst worden. Ab1831 wurden Kirche und Klosterzunächst als Kleinseminar des Bis-tums Lüttich genutzt. Doch nach dervon König Willem I. bewirkten Lö-sung der niederländischen ProvinzLimburg aus dem belgischen BistumLüttich diente Rolduc 1843 als Klein-Seminar des Apostolischen VikariatsLimburg und späteren Bistums Roer-mond, aber auch als katholischesGymnasium mit Internat für die ka-tholische Jugend der Niederlande.

Die ehemalige Augustinerabteivon Klosterrath, die als größte erhal-tene Klosteranlage der Niederlandegilt, liegt heute auf dem Gebiet dersüdlimburgischen Gemeinde Kerkra-de in unmittelbarer Nähe der deutsch-niederländischen Staatsgrenze, nurwenige Kilometer nordwestlich vonAachen. Der weitläufige Komplexbeherbergt neben privaten Wohnun-gen in den einstigen Wirtschaftsge-

gen. Bereits drei Jahre später verließAilbert infolge verschiedener Ausei-nandersetzungen Klosterrath. Nachdem Fortgang Ailberts wurde der Ka-noniker Richer aus dem bayerischenChorherrenstift Rottenbuch zum ers-ten Abt von Klosterrath berufen. Inder Folgezeit avancierte Klosterrathzu einem der bedeutendsten Zentrender Kanonikerreform zwischen Rheinund Maas. 1136 ging die Schutzherr-schaft an die Limburger Grafen undHerzöge über. Damit verband sichdas Schicksal des Klosters mit demdes Herzogtums Limburg, das infolgedes Limburgischen Erbfolgekriegesnach der Schlacht von Worringen1288 zunächst an Brabant, später anBurgund, dann an das Haus Habs-burg und somit schließlich an Spani-en fiel. Der Westfälische Friede von1648 bedeutete für die ehemals lim-burgischen Gebiete eine Aufteilungzwischen der Republik der Vereinig-ten Niederlande im Norden, der zu-nächst auch Rolduc angehörte, undden weiterhin spanisch beherrschtensüdlichen Niederlanden. Erst nachlängeren Verhandlungen konnteRolduc 1662 wieder in die ObhutSpaniens zurückkehren, das den Ge-neralstaaten im Austausch für dieAbtei andere Besitzungen zu überlas-

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42. WOCHE DER BEGEGNUNG

bäuden der Abtei auch das Städti-sche Gymnasium von Kerkrade undein Museum zur Geschichte desBergbaus sowie ein internationalesKongresszentrum und das Priesterse-minar des Bistums Roermond.

Die Euregio Rhein-Maas

Grenzen sind Narben der Ge-schichte, die vor allem den Grenz-regionen zahlreiche Nachteile brin-gen. In der Tat waren Grenzgebieteoft ein Spielball zwischen den Natio-nen. Dies gilt auch – oder gerade –für die fünf Partnerregionen in derEUREGIO MAAS-RHEIN, die – ge-gen ihren Willen – oftmals ihre staat-liche Zugehörigkeit wechselten. His-torisch unverrückbare Fakten, dieder wirtschaftlichen, sozialen undauch kulturellen Entwicklung undKonsolidierung kaum förderlich seinkonnten.

Besonders die kriegerisch-mör-derischen Auseinandersetzungen derersten Hälfte dieses Jahrhunderts inEuropa haben bewirkt, dass sichWirtschaft, Verkehr, Kultur und Be-siedlung von den Zentren zu den po-litischen Grenzen hin abschwächten.Die Grenzlandschaften entwickeltensich von daher nicht selten zu struk-turschwachen, unzureichend er-schlossenen Gebieten. Ein Trend,der mitunter gar mit einem Identi-tätsverlust der Bevölkerung einher-ging.

Heute jedoch haben die Grenzenin Europa ihre nationalstaatlicheSperrwirkung früherer Zeiten weitge-hend verloren. Geblieben sind aberdennoch manche wirtschaftliche undsoziale Unterschiede, die dank einerAnfang der siebziger Jahre angelau-fenen verstärkten euregionalen Koo-peration abgebaut werden könnenund sollen.

Durch die verbesserte Integrati-on unter euregionalen Partnern kön-nen diese Arbeitsgemeinschaften anden Grenzen aus einer drohenden in-dividuellen Isolation ausbrechen undgleichzeitig zu Brückenköpfen undImpulssendern für eine beschleunig-te Einigung Europas werden.

Erste Nutznießer der euregio-nalen Zusammenarbeit sind die rund3,7 Millionen Menschen, die das Ge-biet der EUREGIO MAAS-RHEIN

besiedeln und die dank der grenz-übergreifenden Kooperation zwi-schen der Regio Aachen, der nieder-ländischen Provinz Limburg, denbeiden belgischen Provinzen Lim-burg und Lüttich sowie der Deutsch-sprachigen Gemeinschaft Belgiensverstärkt ihre Ansprüche auf gleich-wertige Lebensverhältnisse im neuenEuropa der Regionen geltend ma-chen können.

In diesem Sinne streben die poli-tischen Verantwortungsträger derEUREGIO MAAS-RHEIN eine akti-ve Beteiligung der Bürger wie auchder gesellschaftlichen Gruppierun-gen an der grenzübergreifenden Ar-beit an. Diese Bestrebungen und Be-ziehungen werden von der gemeinsa-men Überzeugung getragen, dass derDialog zwischen benachbarten Regi-onen, die allein durch Grenzen ge-trennt, jedoch vor die gleichen Pro-bleme gestellt sind, zur europäischenKooperation und Integration beitra-gen kann und wird.

Die Gemeinde Kerkrade

Die Gemeinde Kerkrade mit ih-ren 51.000 Einwohnern war in derVergangenheit geprägt vom Kohle-bergbau. Wie im gesamten rheini-schen Revier wurde auch hier derBergbau im Zuge eines umfassendenStrukturwandels vollständig einge-stellt, so dass der Schacht „Nulland“der letzte sichtbare Ausdruck dieserindustriellen Vergangenheit ist. Miteiner großen Aktion „Aus Schwarzmach Grün“ wurden die Bergbau-gebiete rekultiviert und in attraktiveErholungsgebiete umgewandelt. Ei-nes der herausragenden Zukunfts-projekte ist das deutsch-nieder-ländische Projekt einesEuropean Science und BusinessParks auf der Grenze zu beidenLändern.

Das Bistum Roermond

1559 wurde das erste Bis-tum Roermond als Teil der Kir-chenprovinz Mechelen errichtet.1801 kam der größte Teil zuLüttich. Die Teilung der ProvinzLimburg in einen belgischenund einen niederländischen Teilführte 1839 zur Errichtung eines

apostolischen Vikariates. 1853 wur-de im Zuge einer Kirchenreform derNiederlande daraus das BistumRoermond wieder errichtet.

Der heutige Bischof ist seit 25.September 1993 Monsignore FransJozef Marie Wirtz, geboren am 2. De-zember 1942. Das Bistum zählt offi-ziell 1.082.000 Katholiken, was ei-nem Anteil von ca. 95 % der Bevöl-kerung der Provinz Limburg ent-spricht und verfügt über 254 Pries-ter. In Rolduc befindet sich dasPriesterseminar des Bistums.

Das Kongresszentrum

Das Rolduc von heute ist ein mo-dernes Kongress- und Veranstal-tungszentrum mit historischen Hin-tergrund. Mehrere Jahre hat die um-fangreiche Restaurierung und Reno-vierung gedauert, die Rolduc zu ei-nem sehenswerten monumentalenKlosterkomplex gemacht haben.

Mit einer Unterbringungskapazi-tät von 400 Gästen in 187 Einzel-und Doppelzimmern, mit Konferenz-räumen von 12 bis 200 Personen so-wie einem Theatersaal ist das Kon-gresszentrum Rolduc eine der größ-ten Tagungsstätten der Provinz Lim-burg.

Prachtvolle Gärten, ein großerWald mit vier Teichen, Sportplatz,Tennisplatz u.v.a.m. geben Gelegen-heit zur Entspannung.

Stimmungsvolle Bars im Keller-gewölbe oder auf einer gemütlichenTerrasse geben den Rahmen zu Ge-spräch und Begegnung.

Damit sind in Rolduc alle Vor-aussetzungen gegeben für eine er-folgreiche Woche der Begegnung. ❏

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ISLAM UND WESTLICHE WELT

Islam und westliche WeltAUFTRAG veröffentlicht einen vierteiligen Beitrag von Oberst a.D. DieterKilian, Militärattaché-Verwendungen in islamischen Staaten, zum Thema„Islam und westliche Welt“ (Teil 1 in AUFTRAG Nr. 246/Februar 2002, S.25 ff. „Annäherung und Konfrontation – die muslimische Welt im 21.Jh.“; Teil 2 in AUFTRAG Nr. 247/April 2002, S. 14 ff. „Religiöse Grundla-gen und Rechtssystem“). In diesem Heft befasst sich der Autor mit demschwierigen Verhältnis von Islam und Christentum zueinander. Die Seriewird fortgesetzt im Heft 249 mit einem vierten Teil „SicherheitspolitischeAspekte und Ausblick“ .

Teil 3: Islam und ChristentumDIETER KILIAN

er für das Christentum eine unbe-kannte Welt. Die Auseinanderset-zung mit der neuen Religion wirdlange Zeit allein auf schmaler theolo-gischer Ebene primär von griechi-schen und syrischen Theologen1) ge-führt. Sie betrachten den Islam nochals christliche Sekte, und ihre An-hänger als Häretiker2). Die Gründefür diese geistige Abstinenz sindnicht eindeutig. Ein Grund dürfteaber darin liegen, dass die christli-che Welt in dieser Zeit wegen desendlosen machtpolitischen und theo-logischen Disputs zwischen Westromund Ostrom keine uneingeschränkteHandlungsfreiheit besitzt.

Mit dem 12. Jahrhundert, derZeit der Kreuzzüge, beginnt die zwei-te Periode, die des distanziertenKennenlernens: Petrus Venerabilis3)

lässt den Koran ins Lateinische über-setzen und eröffnet damit zum erstenMal die Möglichkeit, sich direkt mitdem Islam auseinander zu setzen.Später befassen sich weitere Theolo-gen4) mit dem Islam, wobei er erst-mals als eigenständige Religion an-gesehen wird. Papst Innozenz IV.5)

versucht, den sich ausbreitenden Is-lam durch ein Bündnis mit denNachfolgern Dschingis Khans6) ein-zudämmen. Er schickt den Franzis-kaner Giovanni di Pian del Carpine7)

im Jahre 1242 auf eine fünfjährige,abenteuerliche Reise, um die Mongo-len zu einem Bündnis gegen den Is-lam zu gewinnen. Es ist nicht über-liefert, ob und mit welchem der Söh-ne Dschingis Khans er zusammenge-troffen ist, aber man stelle sich dieReaktion vor, als dessen kleine, un-

bewaffnete Delegation am Hofe desGroß-Khans auftaucht und sich alsVerbündeter anbietet. Kein Wunder,dass der Plan scheitert.

Mit der Renaissance beginnt diedritte Periode, die des zaghaftenKontaktes. Nikolaus von Kues8) kannals einer der Vorreiter angesehenwerden. Dennoch bleiben die Fron-ten verhärtet. Auch Martin Lutherzählt zu den Gegnern des Islam.9) Ne-ben der Furcht vor einer InvasionMitteleuropas misstraut das Chris-tentum dem missionarischen Elandes Islam. Zwar erhält die neue Wis-senschaft der Orientalistik Auftrieb,hatte doch bereits 1312 das Konzilvon Vienne10) die Einrichtung vonArabisch-Lehrstühlen gefordert.Doch Jahrhunderte vergehen, ge-prägt von Kriegen, teilnahmslosemMiteinander, aber auch Polemik undHetze. Das kulturelle, zum Teil ro-mantisch geprägte Interesse des eu-ropäischen 18. und 19. Jh. am Is-lam11) ist nur ein Strohfeuer, bringtjedoch keinen ernsthaften Dialog mitdem Islam. Mit dem Zerfall des letz-ten muslimischen Großreiches, demOsmanischen Reich, am Ende des I.Weltkrieges und der Protektorats-politik der Kolonialmächte versinktder Islam in Agonie. Dies wird vomWesten als Beweis für die Überle-

In dieser Darstellung werden nureinige Aspekte des schwierigenVerhältnisses der beiden Weltre-

ligionen mit ihren Missverständnis-sen, Enttäuschungen, aber auchHoffnungen aufgezeigt. Im Alltag, inden Medien und der politischen Aus-einandersetzung wird meist von„dem Islam“ und „dem Christentum“gesprochen. Faktisch entsprechendiese begrifflichen Einheiten denReligionen in keiner Weise und legenvielmehr den Grundstein für stereo-type Verflachungen, durch die eineechte Auseinandersetzung unmöglichwird. Die meisten westlichen Ländersind säkular. Die christlichen Kir-chen kränkeln, und ihr Einfluss aufdie Menschen schwindet. Doch dieMigration Millionen von Muslimenhat die Gesellschaften in den westli-chen Ländern mit einem vitalen Is-lam konfrontiert, deren Glaubensbrü-der ihre Überzeugung demonstrativleben und die religiöse Komponentereaktiviert haben In Deutschland istder Islam heute die drittgrößte Reli-gionsgemeinschaft. Die Reaktion aufdiesen religiösen Pluralismus, der dieTrennung von kirchlichem und säku-larem Bereich durcheinander ge-bracht hat, ist auf beiden Seiten diffusund schwankt zwischen kühler Ab-schottung und tastender Annäherung.

Die geschichtliche Bürde

Die Zeit von der Gründung desIslam bis zum 12. Jahrhundert kannman als Periode der Unwissenheitbezeichnen. Obwohl der Islam be-reits im 8. Jh. Spanien erobert, bleibt

Inhalt Teil 3:

Islam und ChristentumDie geschichtliche Bürde

Die religiöse Kluft

Der einseitige Brückenbau

Die muslimische Zurückhal-tung

Ein langer Weg

Die neue Chance

Fazit und Ausblick

Anmerkungen

Literatur

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

genheit der christlichen Religion ge-nommen, und so versanden die letz-ten Ansätze eines Miteinander. 1925richtet Papst Pius XI. in Rom zwareinen Lehrstuhl für Islamkunde ein,doch nur zur Unterstützung derMissionstätigkeit in muslimischenLändern, nicht aber zur Belebungdes Dialoges. Der französische Theo-loge und Islamwissenschaftler LouisMassignon12) ist der Erste, der im 20.Jh. für einen Dialog zwischen Chris-ten und Muslimen wirbt und diesenin Frankreich umsetzt.

Die religiöse Kluft

Der Schöpfungsglaube ist allendrei Religionen gemeinsam: Gott13)

schuf den Menschen. Jedoch glaubenChristen und Juden, der Mensch seials „Bild Gottes“ erschaffen, wohin-gegen im Islam die Mensch-Gott-Be-ziehung von einer Dienerschaft14) desMenschen ausgeht. Es gibt im Islamkeine Taufe; entweder man wird hin-eingeboren15) oder tritt der „Umma“,der Gemeinschaft der Gläubigen,bei, indem man das muslimischeGlaubensbekenntnis16) ablegt. DerMensch kann den Willen Gottes er-

kennen und befolgen, allerdings be-darf er der Rechtleitung; diese istdurch Koran und Beispiel (Hadith)des Propheten Mohammed gegeben.Der Muslim lehnt den Gedanken anSündenfall, Erbsünde und die sichdaraus ergebende Erlösungsnotwen-digkeit ab.17) Damit gibt es – trotzoberflächlicher Ähnlichkeit – bereitsbeim Menschenbild erhebliche Un-terschiede, die Konsequenzen für dasGottesbildes haben. Die Ablehnungdes Erlösungsgedankens führt zu ei-nem völlig anderen Verständnis derBedeutung Christi: für den Muslimist Jesus, dessen Lehre später ver-fälscht worden sein soll, zwar vereh-rungswürdig, doch er ist nur einerder Propheten18), keinesfalls aberGottes Sohn. Vehement lehnt der Ko-ran an mehreren Stellen die Dreifal-tigkeit Gottes ab19), verweist sie sogarin die Nähe des Polytheismus.

Die Haltung des Islam gegenüberChristentum und Judentum ist zwie-spältig: alle drei bilden aus muslimi-scher Sicht die „Ahl al-Kitab“, die„Familie des Buches.“ Diese geistigeNähe hatte aber bisher weder Aus-wirkungen auf einen Abbau vonZwistigkeiten, noch auf eine Be-

schleunigung des Dialo-ges. Die Begriffe „Unglau-be, Ungläubiger, ungläu-big“ werden im Koranhäufig benutzt20), jedochohne Definition und inunterschiedlichem Kon-text. Der Terminus „Un-gläubiger“ wird dabeibisweilen für Nicht-Musli-me generell, manchmal fürAtheisten, aber auch für

Polytheisten („Götzendiener“) be-nutzt, obwohl es für Letztere im Ara-bischen ein eigenes Wort gibt.21) Esgibt z.T. harte Anweisungen im Um-gang mit Ungläubigen22) und dieWarnung, Juden und Christen nichtzu Freunden zu nehmen.23)

Andererseits steht geschrieben, dassdie Christen den Muslimen am nächs-ten stehen, vor allem die Priester undMönche.24) Der Abfall vom Glauben(Apostasie, arabisch: Irtidad) wirdim Koran mehrfach als besondersverwerflich erwähnt25), dessen Be-strafung erst im Jenseits erfolge.26)

Der Kreuzestod Christi, sowiedie Auferstehung und Erlösung spie-len eine entscheidende Rolle in dertheologischen Auseinandersetzung.Der Koran erwähnt die Kreuzigungnur an einer Stelle.27) Die Formulie-rung ist aber nicht eindeutig, und sogibt es viele muslimische Theorienzu Kreuzestod und Auferstehung.28)

Die These, Jesus habe die Kreuzi-gung überlebt, war erstmals vondeutschen Theologen der rationalenSchule29) aufgestellt und später derAhmediyya-Sekte Ende des 19. Jh.weiterverbreitet worden.30) Vor allemdie Heilswirkung der Kreuzigungwird durch die muslimischen Rechts-gelehrten abgelehnt, da der allmäch-tige Gott keinen Helfer bei der Um-setzung seines Heilsplanes brauche.Sie sehen in der Kreuzigung die Nie-derlage der Mission Jesus. Die Vor-stellung, Gott lasse sich auf unvor-stellbare Weise erniedrigen, um eineHeilswirkung zu erzielen, ist demMuslim fremd: Allah ist stark, nichtschwach. Die göttlichen Handlungenenden mit dem Jüngsten Tag31), demder Auferstehung. An diesem Tagwird jeder nach seinen Taten gerich-tet32), wobei die „Geretteten“ ins Pa-radies eingehen, während die „Ver-dammten“ in die Hölle absteigen.Dabei wird Gott als gnädiger Richterdenjenigen vergeben, die es verdie-nen.

Zu den Gemeinsamkeiten zähltdie Marienverehrung, die im musli-mischen Volksglauben eine bedeu-tende Rolle spielt. Eine eigene Sureim Koran33) trägt ihren Namen.Maria, von Gott ausgewählt und freivon Sünde, ist die Mutter Jesu34), densie jungfräulich geboren hat – letzteswird mit der Allmacht Allahs begrün-det –, aber sie ist nicht die MutterGottes.

Die treibende Kraft iminterreligiösen Dialog –insbesondere auch mit demIslam – ist Papst JohannesPaul II. Unterstützt wird erdabei vom Präsidenten desPäpstlichen Rates für denInterreligiösen Dialog, desheute 69-jährigen FrancisKardinal Arinze, der 1984an die Spitze dieses Ratesberufen und 1985 von Jo-hannes Paul II. zum Kardi-nal ernannt wurde.

(Foto Vatican 1985)

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13AUFTRAG 248

ISLAM UND WESTLICHE WELT

Der einseitigeBrückenbau

Zweiter Weltkrieg und Holocaustzwingen die christlichen Kirchen zurAufgabe ihrer bisherigen Distanz.Die Wende in Richtung auf einen Di-alog beginnt zunächst mit organisato-rischen Ansätzen innerhalb des Pro-testantismus35), und der DialogChristentum – Judentum erhält neueAkzente. Im Jahre 1960 richtet PapstJohannes XXIII. das „Sekretariat fürdie Einheit der Christen” (“Secreta-riato per l’Unione dei Christiani”)36)

ein, das 1988 in „Pästlichen Rat zurFörderung der Einheit der Christen“(„Pontificio Consiglio per la Promo-zione dell’Unita dei Christiani”) um-benannt wird. Doch erst das 2. Vati-kanische Konzil bringt die Wende imHinblick auf einen Dialog auch mitnicht-christlichen Religionen. Auchhier werden zuerst organisatorischeGrundlagen geschaffen: Papst PaulVI. richtet 1964 das „Sekretariat fürdie Nicht-Christen“ („Segretariatoper i Non Christiani”)37) ein, 1988 in„Päpstlichen Rat für den inter-religi-ösen Dialog“ („Pontificio Consiglioper il Dialogo Inter-Religioso“)umbenannt.

Die Konzilserklärung „Nostraaetate“38) über das Verhältnis der rö-mischen Kirche zu den nicht-christ-lichen Religionen wird dann zur Ini-tialzündung für die Eröffnung des Di-aloges. Zum ersten Mal in ihrer Ge-schichte nimmt die römische Kirchezum Islam als Religion Stellung:

„In unserer Zeit, da sich das Men-schengeschlecht von Tag zu Tagenger zusammenschließt und dieBeziehungen unter den verschiede-nen Völkern sich mehren, erwägtdie Kirche mit umso größerer Auf-merksamkeit, in welchem Verhältnissie zu den nichtchristlichen Religio-nen steht.“39)

Nostra Aetate nennt zwar auchandere Religionen, aber im Zentrumstehen Judentum und Islam. Zu letz-terem führt die Erklärung unter Beto-nung der Gemeinsamkeiten aus :

„Mit Hochachtung betrachtet dieKirche auch die Muslime, die denalleinigen Gott anbeten, den le-bendigen und in sich seienden,barmherzigen und allmächtigen,den Schöpfer Himmels und derErde, der zu den Menschen gespro-chen hat. ... Jesus, den sie aller-dings nicht als Gott anerkennen,

verehren sie doch als Propheten,und sie ehren seine jungfräulicheMutter Maria, ... Überdies erwartensie den Tag des Gerichtes, an demGott alle Menschen auferweckt undihnen vergilt.“

Die Konzilserklärung nimmt we-der zum Prophetentum Mohammeds,noch zur Bedeutung des religiösenRechts, der Scharia, Stellung, weistaber auf den geschichtlichen Ballastzwischen den beiden Religionen hin:

„Da es jedoch im Lauf der Jahrhun-derte zu manchen Zwistigkeitenund Feindschaften zwischen Chris-ten und Muslim kam, ermahnt dieHeilige Synode alle, das Vergan-gene beiseite zu lassen, sich auf-richtig um gegenseitiges Verstehenzu bemühen und gemeinsam einzu-treten für Schutz und Förderung dersozialen Gerechtigkeit, der sittli-chen Güter und nicht zuletzt desFriedens und der Freiheit für alleMenschen.“40)

In dieser Betrachtung, die Ju-dentum und Islam als Religionen miteinem gemeinsamen Ursprung be-zeichnet werden, greift die römischeKirche die muslimische Darstellungder „Familie des Buches“ auf. Sie er-klärt ausdrücklich, sie lehne nichtsvon alledem ab, was in diesen Religi-onen wahr und heilig ist.41) Von kei-ner anderen Weltreligion gibt es bisheute eine solch weitreichende Er-klärung. In einem weiteren Bereichnähert sich die Kirche sehr vorsichtigmuslimischer Terminologie. DasKonzil benutzt den Ausdruck„Völkergemeinschaft“42). Alle Völkerseien „eine einzige Gemeinschaft“,da sie „denselben Ursprung“ und„dasselbe Ziel“ hätten, nämlich Gottselbst. Damit greift sie zumindestvom Denkansatz her den muslimi-schen Begriff der „Umma“, der Ge-meinschaft der Gläubigen, auf.

Die treibende Kraft und der un-ermüdliche Motor dieser Bewegungist Papst Johannes Paul II. – keinKirchenführer hat bisher mehr fürden inter-religiösen Dialog getan alser. Seine Reisen in muslimische Län-der, so auch jene 96. Auslandsreise,die ihn in Mai 2002 nach Aserbai-dschan führte, sind die einzige Mög-lichkeit, die Annäherung dort öffent-lich zu machen, da sie trotz Zensureine große Medienwirksamkeit ha-ben. Während des Besuches in Nige-ria 1982 nennt der Papst den Koranzum ersten Mal ein heiliges Buch

und trifft im März 2000 mit dem Kö-nig von Jordanien, Abdullah, unddem Groß-Mufti von Jerusalem,Sheikh Akram Sabri, zusammen. 17Jahre nach dem ersten Synagogen-besuch eines Papstes 1984 schließ-lich besucht er als erster Papst in derGeschichte am 6. Mai 2001 eine Mo-schee, die geschichtsträchtige Omay-yaden-Moschee in Damaskus. Beidiesem Besuch in Syrien richtet derPapst eine Ansprache an die „musli-mischen Freunde“:

„Ich hoffe aufrichtig, dass unserTreffen heute in der Omayyaden-Moschee unsere Entschlossenheitzum Ausdruck bringt, den inter-religiösen Dialog zwischen katholi-scher Kirche und Islam voranzu-bringen. ... Es ist von Wichtigkeit,dass Muslime und Christen damitfortfahren, gemeinsam philosophi-sche und theologische Fragen zuerforschen ... .“

Papst Johannes Paul II. sprichtdabei von der „Menschheitsfami-lie“43) und geht damit über den in derKonzilserklärung benutzten Begriffder „Völkergemeinschaft“ hinaus.Auch die Friedensgebete der Religio-nen von Assisi 1986 und 2002 gehenauf päpstliche Initiative zurück,wenngleich ihr Wert für einen breitenDialog eher beschränkt sein dürfte.

Ergänzende Elemente des Dia-logs sind – wenngleich nur auf diepolitische Ebene beschränkt – diediplomatischen Beziehungen zwi-schen dem Heiligen Stuhl und denmuslimischen Ländern. Auch hier istein stetiger Ausbau der bilateralenBeziehungen zu beobachten. Warenes 1970 nur wenige44), so unterhältder Vatikan heute mit fast allen mus-limischen Staaten diplomatische Be-ziehungen45). Sogar die ArabischeLiga hat im Jahre 2000 ein Verbin-dungsbüro beim Heiligen Stuhl ein-gerichtet.

Zunehmend erkennt auch die Po-litik, dass die Religionen einen gro-ßen Beitrag zu Stabilität und Friedenleisten können und korrigiert ihrebisherige Distanz, spielte doch in derVergangenheit die religiöse Dimensi-on bei weltpolitischen Prognose-szenarien46) kaum eine Rolle. Und solud der Generalsekretär der UN, KofiAnan, im Herbst 2000 rund tausendVertreter aller Weltreligionen erst-malig zu „Jahrhundert-Weltfriedens-gipfel religiöser und spiritueller Füh-rer“ ein.

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14 AUFTRAG 248

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Die muslimische ZurückhaltungVergleicht man die geschilderten

Vorleistungen47) der römische Kircheund des ÖRK seit dem Ende des II.Weltkrieges in Bezug auf die Dialog-ansätze mit der Resonanz in der mus-limischen Welt, so fällt das eklatanteMissverhältnis zu Lasten des Islamauf. Keine der vielen islamischenGruppierungen hat bisher auch nurannähernd die gleiche Bereitschaftgezeigt, im Gegenteil: die Lage derchristlichen Minderheiten in vielenmuslimischen Staaten hat sich in denletzten dreißig Jahren zum Teil mas-siv verschlechtert, selbst in Ländern,in denen vormals ein, wenngleich la-biles Zusammenleben herrschte.48)

In den meisten muslimischenLändern findet die inter-religiöseDiskussion nur in der abgeschottetenAtmosphäre religiöser Fachkreisestatt49). Die muslimische Öffentlich-keit jedoch bleibt ausgeschlossenund uninformiert. Die Ansätze vonmuslimischer Seite gestalten sichwegen des religiösen Absolutheitsan-spruches, aber auch wegen der feh-lenden zentralen Struktur und desnicht vorhandenen verbindlichenLehramtes schwierig. In vielen Fäl-len müssen Muslime, die einem Dia-log aufgeschlossen gegenüberstehen,mit massivem Widerstand der eige-nen Gläubigen fürchten. Ein Beispielist der offizielle Besuch des saudi-schen Verteidigungsministers, PrinzSultan Bin Abdul Aziz Al-Saud, beiPapst Johannes Paul II. am 12.Sep-tember 1997. Der „L’OsservatoreRomano“ berichtet darüber in derRubrik „In Papstaudienz“. In dersaudischen Presse hingegen wirddieser Besuch mit keinem Wort er-wähnt, wahrscheinlich aus Sorge vorder Reaktion der konservativenRechtsgelehrten.

Die Anschläge des 11. Septem-bers 2001 und das Anwachsen desextremistischen Islam mit dem be-dingungslosen Kampf bis zum „heili-ge Krieg“ stellen eine massive Stö-rung des Dialoges dar. Dies ist be-dauerlich, führt es doch zu Ernüchte-rung und Stagnation. Damit wächstauch bei uns der Widerstand derjeni-gen, die einem Dialog skeptisch undablehnend gegenüberstehen. Einnoch schwelender Streitpunkt ist

auch – besonders bei uns – die Frageder politischen Zuverlässigkeit mus-limischer Bürger und ihre Absage zuder von extremen Muslimen postu-lierten Errichtung eines islamischenGottesstaates.50) Ähnliche Vorwürfegab es allerdings auch gegenüber denKatholiken im 19. Jh. (Ultramonta-nismus).

Doch es gibt auch positive Signa-le. Zum einen sind es institutionali-sierte Kontakte, wie der Austauschzwischen der islamischen FakultätAnkara und der päpstlichen Univer-sität Gregoriana, oder jene, die vonder Al-Azhar Universität in Kairound dem jordanischen Königshausforciert werden. Im September 1998erklärt der iranische Staatspräsident,Ayatollah Seyed MohammedChatami in einem Grundsatzartikelin der FAZ51), keine Religion könnein Anspruch nehmen, die absoluteWahrheit zu kennen, eine sensatio-nelle Aussage, die an die Grenze des-sen geht, was einer der höchstenschiitischen Geistlichen, dem vonden Schiiten sogar Unfehlbarkeit zu-geordnet wird, aussagen kann.52)

Chatami wird 1999 von Papst Johan-nes Paul II. empfangen, und ein Jahrspäter, im Juli 2000 besucht er dieGoethe-Stadt Weimar und wirbt dortfür einen Dialog der Kulturen:

„Wir Muslime haben es leichter,mit Ihnen als Christen zurechtzu-kommen als Sie mit uns. Das liegtdaran, dass wir Jesus Christus alseinen Propheten Gottes anerken-nen ... Nach unserer Überzeugunghaben alle Religionen die gleicheWurzel; alle abrahamischen Religi-onen besitzen eine einzige Sub-stanz. So wie wir unseren Prophe-ten respektieren, respektieren wirauch Jesus Christus ... .“53)

Im Weimar greift Chatami einweiteres „heißes Eisen“ auf. Auf dieFrage nach der kritischen Exegesedes Koran, bisher von den meistenmuslimischen Theologen als Tabubehandelt, sehen sie doch im Koranden „Originalton Gottes“, der kei-nerlei Interpretationsspielraum zu-lässt, äußert sich Chatami wie folgt :

„Ich glaube, man kann neuere Auf-fassungen vom Koran und von derReligion haben. Wir haben im Lau-fe der Zeit beobachtet, dass bis-weilen mildere, bisweilen auch ra-dikalere Auffassungen und Ausle-gungen entwickelt wurden.“54)

Dies sind ermutigende, sensatio-nelle Sätze. Doch leider bleiben auchsie innerhalb der muslimischen Weltohne Wirkung, fallen wahrscheinlichstaatlich-religiöser Zensur zum Op-fer. Gleichwohl wirken vor diesemHintergrund Bezeichnungen wie„Schurkenstaat“ und „Achse des Bö-sen“ für den Iran als falsch und kon-traproduktiv. Ist die Vergabe ethi-scher Kategorien durch die Politikohnehin fragwürdig, so drückt sichdarin zusätzlich ein, durch nichts le-gitimiertes, arrogant klingendes poli-tisches Unfehlbarkeitsdenken aus.

Ein langer Weg

Noch nie gab es in Europa und inDeutschland so viel an Zusammenar-beit zwischen Christen und Musli-men.55) In vielen westlichen Ländernsind Dialogbreite und -tiefe fortge-schritten, laufen parallel zur offiziel-len Ebene und haben die Gemeinde-ebene bereits erfasst. Am 14. Mai2001 verlieh die Katholisch-Theolo-gische Fakultät der Universität Tü-bingen die theologische Ehrendok-torwürde an den jordanischen Prin-zen Hassan, bisher einmalig in derGeschichte katholischer Hochschu-len. Trotz dieser Fortschritte – hierzuist u.a. auch die höchstrichterlicheGenehmigung des Schächtens vonTieren in diesem Jahr zu zählen – ge-staltet sich der Dialog in Deutsch-land zähflüssig. Zum einen fehlt eineautorisierte muslimische Repräsen-tanz: der Zentralrat der Muslime inDeutschland (ZMD) vertritt zwar 19Dachorganisationen, aber nur etwa20 % der Muslime in Deutschlandsind in ihm organisiert. Zum anderenwird die Begegnung auch dadurchgehemmt, dass sich die Masse dermuslimischen Mitbürger aus der Ar-beiterschaft rekrutiert: Dialogfähig-keit hängt nicht unwesentlich vomBildungsniveau, sowie dem sozialenund ökonomischen Status ab. Dochauch das Ziel dieses Dialogs ist nochnicht eindeutig bestimmt. Keines-falls ist damit die Schaffung einerweltumfassenden Mischreligion56)

gemeint. Im Zeitalter der Globalisie-rung gibt es gemeinsame Interessen,und der Dialog kann zur Förderungvon Weltgerechtigkeit und Weltfrie-

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15AUFTRAG 248

ISLAM UND WESTLICHE WELT

den beitragen, bedeutet er dochKenntnis, Respekt, Begegnung undpraktische Hilfe für das Zusammen-leben. Ein Problem wird dabei je-doch ausgeklammert bleiben: dasSpannungsverhältnis zwischen Dia-log und Missionierung. Auch dieDialogbereitschaft von Kirche undPolitik ist nicht widerspruchsfrei.Die Erklärung der Kongregation fürdie Glaubenslehre vom 6. August2000 mit dem Titel „Dominus Jesus“ist zwar ein Hindernis für einen kon-struktiven Dialog, sollte aber in ihrerhemmenden Wirkung auch nichtüberschätzt werden. Ähnlich verhältes sich mit manchen westlichen Poli-tikern, die zwischen Terror und Islamnicht klar unterscheiden.

Die neue Chance

Die Europäische Union ist ge-wachsen, hat sich nach Süden undauch nach Osten erweitert. Doch sei-ne Quellen und Traditionen liegennicht allein im Christentum und demHumanismus der Antike. Auch Islamund Judentum haben die europäischeIdentität über Jahrhunderte geprägt.Doch diese Quellen wurden durchAssimilation oder Vernichtung ge-löscht, mit der Folge, dass die euro-päisch-islamische Begegnung nega-tiv geprägt ist. In drei Regionen Eu-ropas hatte der Islam Fuß gefasst: inSpanien, auf Sizilien und auf demBalkan. Die ersten beiden Ansätzescheiterten. Nur auf dem Balkan hat-te das Zusammenleben der Religio-nen, wenn auch mit beträchtlichenSchwierigkeiten57), Bestand. Doch esblieb zerbrechlich, wie sich vor zehnJahren durch den Krieg im ehemali-gen Jugoslawien herausstellte. DieWeichen für einen neuen Versuchdes Zusammenlebens mit dem Islamsind bereits gestellt, jedoch ist imGegensatz zur Vergangenheit die Di-mension beträchtlich gestiegen: seitMitte des 20. Jh. leben allein inDeutschland mehr als drei MillionenMuslime, und europaweit sind esmehr als 10 Millionen. Noch niemalszuvor hatten die europäischen Staa-ten einen so hohen Anteil religiösenMinderheiten. Dialog hat daher aucheine wichtige Funktion für die inner-staatliche Stabilität. Auch für die

Muslime in Europa ist diese Lageeinzigartig: zum ersten Mal leben sie,nach Millionen zählend, in der Dias-pora, außerhalb des „islamischenHauses“ („Dar al-Islam“) und sindin einem, nach ihrer eigenen Defini-tion, feindseligen Umfeld, dem„Haus des Krieges“ („Dar al-Harb“).Gelten im Koran Christen und Judenin muslimischen Ländern als „Schutz-befohlene“ mit eingeschränktenRechten, so fühlen sich die Muslimebei uns nun in dieser Rolle. Sie müs-sen ihren Glauben in einer Umweltleben, die von Lebensformen und ei-nem Staatsverständnis geprägt ist,die den ihren teilweise konträr ge-genüberstehen und ihnen deshalbbedrohlich scheinen. Langfristig istes daher notwendig, den Islam ohneAufgabe fundamentaler Grundsätzemit der westlichen Lebens- undStaatsordnung kompatibel zu ma-chen. Hieran wird sich letztlich aucherweisen, wie reformfähig der Islamist, hat er sich doch bisher als wenigflexibel erwiesen, den Wettbewerbmit der säkularen Welt aufzuneh-men. Jedoch liegt hierin eine großeChance, in Europa einen Islam zuentwickeln, der sich als „DritterWeg“ zwischen Fundamentalismusund Absorption bewähren könnte.Heute erfahren und erleben Muslimevor allem in Europa zum ersten Malin großer Zahl, mit welchen Ein-schränkungen und unter welchen Be-dingungen man als religiöse Minder-heit in der Diaspora lebt. Davon kannlangfristig eine Signalwirkung zustärkerer Toleranz ausgehen, die sichsogar positiv auf islamische Kern-länder auswirken könnte.

Fazit und Ausblick

1.Gemeinsamkeiten des Glaubenserleichtern den Beginn des Dia-logs. Wenn aber dieser Weg beibe-halten wird, führt er schnell in eineSackgasse und damit zu Enttäu-schung und Stagnation. Jede Reli-gion muss wie ein Mosaik in ihrerGanzheit betrachtet werden. EinHeraustrennen und Interpretiereneinzelner Texte ist wenig hilfreich.Christen und Muslime werden nurdann glaubwürdige Dialogpartner,wenn sie sich auf ihren Glaubenberufen und Trennendes nichtüberspielen.

2.Die Muslime müssen erkennen,dass sie Kompromisse schließenmüssen. In vielen muslimischenStaaten herrscht noch Unversöhn-lichkeit und Reziprozität ist nochnicht einmal ansatzweise zu erken-nen; hier besteht großer Nachhol-bedarf. Für uns bedeutet dies, trotznoch unterentwickelter Dialog-bereitschaft das Zusammenlebenmit den muslimischen Mitbürgernin all seinen Facetten58) zu prakti-zieren. Allerdings sollten wir – un-ter Hinweis auf unser Entgegen-kommen – die Gegenseitigkeit stär-ker einfordern.

3.Trotz Schneckentempos und vielerRückschläge sollten wir nicht ver-gessen, wie steinig der Dialog in-nerhalb der christlichen Welt warund ist. Geduld und Denken inlangfristigen Kategorien ist gefor-dert. Dialog vermeidet den Kampfder Kulturen59), und garantiertauch künftigen Generationen einfriedvolles Miteinander; daher ister auch innenpolitisch ein Muss.Wir sollten uns an den pragmati-schen Spruch Friedrichs des Gro-ßen erinnern: „Wenn die Türkennach Berlin kommen, muss man ih-nen Moscheen bauen!“60) Dialog istFriedensarbeit und muss in denVölkern verwurzelt werden, um er-folgreich und lebensfähig zu blei-ben.

4.Sehr hilfreich wären auch Fort-schritte der verfahrenen Lage imNahen Osten. Arabische Christenstehen – religionsübergreifend –unisono auf Seiten ihrer palästi-nensischen muslimischen Nach-barn.

5.Die römische Kirche ist der Vorrei-ter des Dialoges mit dem Islam.Der Zerfall des Kommunismus inOsteuropa wurde auch durch einenPapst beeinflusst, der die kommu-nistische Weltanschauung aus ei-genem Erleben kannte. So könnteauch der inter-konfessionelle Dia-log einmal durch einen Papst ausder Dritten Welt einen weiteren,starken Anstoß erhalten.

Anmerkungen: s.S. 16/17

Literaturhinweise: s.S. 18

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Anmerkungen1) Vor allem Johannes von Damaskus; auch

Damascenus (ca. 650-750); aus arabi-scher, christlicher Familie in Damaskus,sowie Theodor Abu Kurra (auch : Qurra-ca. 750-820). Ihre Abhandlungen ingriechischer und arabischer Sprachezählen zu den ältesten Auseinanderset-zungen mit dem Islam.

2) Hierzu gehört auch die Legende, Moham-med sei durch einen abtrünnigen Mönchnamens Sergius maßgeblich beeinflusstworden.

3) Petrus Venerabilis (1094-1156); aus demHause von Montboissier – 9. Abt vonCluny.

4) Vor allem: Raimund Lullus (*1232 inPalma de Mallorca, †1316?) – Missions-reisen und -tätigkeit in Arabien; gilt alsder größte Missionar des Mittelalters imarabischen Bereich. Raimund Martini,OP (*ca.1220 in Katalonien, †1284)gründet 1250 eine arabische Schule inTunis. Ricoldo del Monte Croce, OP (ca.1243-1320); Missionar; schreibt „Cont-ra legem Sarracenorum” , die 1542 vonMartin Luther ins Deutsche übersetztwird, und Thomas von Aquin (ca. 1225–1274); Kirchenlehrer.

5) Papst Innozenz IV. (ca. 1198 -1254); von1243 bis 1254 auf dem Stuhle Petri.

6) Dschingis Khan (ca. 1162- 1227). SeineSöhne, Tschagatai (†1242), Ögädäi(†1241), Tului und sein Enkel Orda BatuKhan (†1255) erweitern das Reich bis1260 noch beträchtlich. Wenn das Tref-fen überhaupt zustande gekommen ist,kann es nur mit Groß-Khan Orda Batugewesen sein.

7) Giovanni di Pian del Carpine (1182-1252); die Reise führt ihn von Krakauüber Kiew, die Wolga bis ans KaspischeMeer und von dort über den Aral See zumKarakorum-Gebirge.

8) Nikolaus von Kues (1401-1464); 1450Kardinal; schreibt 1460/61 das Buch„Cibratio Alkorani“ (Sichtung des Ko-ran); siehe: Studienausgabe Prof. Dr.Ludwig Hagemann 1989-91.

9) vgl. Bobzin,H.- M. Luthers Beitrag zurKenntnis und Kritik des Islam in: NeueZeitschr. f. system. Theol. & Religions-philos. Nr. 27-1985 S. 262 ff.

10) Vienne a.d. Rhone; das Konzil dauertvon Oktober 1311 bis Mai 1312. Im Zen-trum steht die Auflösung des Templeror-dens, aber das Konzil beschäftigt sichauch mit dem Islam; u.a. sollen an 5 Uni-versitäten je 2 Lehrstühle für orientali-sche Sprachen eingerichtet werden.

11) u.a. Mozart: Entführung aus dem Serail(1782); Goethe: Westöstlicher Diwan(1819).

12) Massignon, Louis-Ferdinand Jules,(1883-1962); Studium in Paris, Kairound Bagdad. Er gründet mit Hilfe desfranzösischen Klerus, vor allem KardinalLiénarts von Lille, 1947 das „Comitéchrétien d´entente France-Islam“.

13) Das arabische Wort „Allah“ ist keinGottesname, sondern bedeutet einfach„Gott“.

14) Abd: arabisch für Sklave, Diener.15) Koran, 3/60: „Abraham war weder Jude

noch Christ; vielmehr war er lauterenGlaubens, ein Muslim.“

16) „Ich bekenne : es gibt keinen Gott außerGott und Mohammed ist sein Prophet.“(in Richtung Mekka gewandt); u.a. Ko-ran, 64/13.

17) Eine gewisse Unklarheit der muslimi-schen Auffassung zur Erbsünde ergibtsich allerdings daraus, dass nach einemHadith (Überlieferung) Mohammed ge-sagt haben soll: „Jedes Kind, das gebo-ren wird, wird vom Satan berührt. Unddiese Berührung lässt es schreien, aus-genommen Maryam(=Maria) und ihrenSohn.“

18) Koran, 19/31 : Er (=Jesus) sprach :„Siehe, ich bin Allahs Diener. Gegebenhat er mir das Buch und er machte michzum Propheten.“ - Koran, 5/79 : „Nichtist der Messias, der Sohn der Maria, et-was andres als ein Gesandter.“ Vgl.auch: Koran, 57/27.

19) Die Trinitätslehre steht nach muslimi-scher Auffassung im Gegensatz zum„Tawheed“, dem Monotheismus. Vgl.dazu Koran, 5/77: „Wahrlich, ungläubigsind die, die da sprechen : Siehe, Allahist ein dritter von drei.“ – Koran, 17/111:„Und sprich : Gelobt sei Allah, der wedereinen Sohn gezeugt noch einen Gefährtenim Regiment hat, noch einen Beschützeraus Schwäche.“ – Koran, 18/3:“ Und umjene zu warnen, die da sprechen, Allahhabe einen Sohn gezeugt.“; Koran, 23/93: „Allah hat keine Kinder gezeugt, undes ist kein Gott bei ihm.“ Vgl. ferner Ko-ran, 9/31 und 16/53.

20) Kafir/Kafirun; abgeleitet vom Wort Kufr(=Unglaube). Insgesamt sind mehr als340 Textstellen nachweisbar, die von Un-glaube/Ungläubigen bzw. ungläubigsprechen. Die Sure 109 trägt sogar dieBezeichnung „Al-Kafirun“ (Die Ungläu-bigen).

21) Schirk, arabisch für: Partnerschaft, Teil-habe, aber auch für Vielgötterei; sieheKoran, 4/51 und 9/ 4 ff., 17; 22/17:„Siehe, die Gläubigen und die Juden unddie Sabier und die Christen und die Ma-gier und die Polytheisten – Allah wirdzwischen ihnen entscheiden am Tage derAuferstehung.“

22) z.B. Koran, 2/187.23) Koran, 4/143; 5/56 und 5/83.24) Koran, 5/85.25) Koran, u.a. 2/214; 3/79; 4/136; 11/22;

16/108.26) Alle vier sunnitischen Rechtsschulen,

Malakiten, Hanafiten, Schafiiten undHanbaliten, sowie die schiitischeRechtsschule der Dschafariten fordernjedoch die Todesstrafe.

27) Koran, 4/156: „Siehe, wir haben denMessias Jesus, den Sohn der Maria denGesandten Allahs, ermordet, doch ermor-deten sie ihn nicht und kreuzigten ihnnicht, sondern einen ihm ähnlichen.“

28) Sie reichen von der Theorie, für Jesus seiein „Ersatzmann“ (z.B. Judas, Barnabas,Simon von Cyrene) am Kreuze gestorben,über die These, Jesus sei zwar gekreuzigtworden, aber aufgrund Gottes´ eigenenEntschlusses, bis hin zu der Annahme,Jesus sei zwar gekreuzigt worden, abernicht am Kreuze gestorben. Andere mus-limische Theologen vertreten die Auffas-sung, Kreuzigung und Heilsgedanke sei-en erst später verfremdend, z.B. durchPaulus, in die christliche Lehre einge-flossen.

29) Karl Heinrich Georg Venturini (1768-1849), Karl Friedrich Bahrdt (1741-1792) und auch Daniel Ernst FriedrichSchleiermacher (1768-1834).

30) Der Gründer der Ahmediyya-Sekte(auch:Qadianis), Hazrat Mirza GhulamAhmad of Qadian, schreibt 1899 einBuch mit dem Titel „Jesus in India –Jesus´escape from death on the crossand journey to India“. Danach sei Jesuszwar gekreuzigt worden, habe jedochüberlebt und sei später, der Verfolgungentkommend, auf der Suche nach denverlorenen zehn Stämmen Judas nach In-dien gegangen, wo er bereits in seinerJugendzeit gewesen und mit dem Bud-dhismus in Berührung gekommen seinsoll. Dort sei er auch eines natürlichenTodes gestorben und in Srinagar/ Kasch-mir begraben. Die Ahmediyyas sind heu-te aus der muslimischen Gemeinschaftausgeschlossen, da sie nicht Mohammed,sondern ihren Glaubensgründer als denletzten der Propheten verehren.

31) Koran, u.a. 1/3; 11/105 ff., 22/68; Sure75 – Die Auferstehung – Al-Qiyamat;81/1 ff.

32) Koran, u.a. 38/53; 50/19 f.33) Koran, Sure Nr. 19 „Maryam“ . Die Sure

3 „Familie Imran“ ist nach Marias Vaterbenannt. Dieser wird nur in den apokry-phen Schriften, nicht aber im Neuen Tes-tament genannt.

34) Koran, u.a. 3/42 sowie 4/156; 23/52;33/7.

35) Der Ökumenische Rat der Kirchen(ÖRK) 1948 in Amsterdam gegründet,versteht sich als organisatorisches In-strument des ökumenischen Dialogs undder interkonfessionellen Zusammenar-beit. Er umfasst 342 Mitgliedskirchen in120 Ländern mit etwa 400 Mio. Gläubi-gen. Die römisch-katholische Kirche ar-beitet seit dem 2. Vaticanum u.a. in Formeiner Gemischten Arbeitsgruppe offiziellmit, gehört aber nicht dem ÖRK an.

36) Annuario Pontificio; der NiederländerJohann Kardinal Willebrands (*1909)wird der erste Präsident. Ihm folgt derspätere Kardinal Cassidy (*1924). ImMärz 2001 übernimmt Walter KardinalKasper (*1933), der vormalige Bischofvon Rottenburg, dieses Amt.

37) ebd.; Paolo Kardinal Marella (1895-1984) wird der erste Präsident; ihm folgt1973 Sergio Kardinal Pignedoli (1910-1980) und diesem Francis KardinalArinze ( *1932). Im Oktober 1974 wird

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17AUFTRAG 248

ISLAM UND WESTLICHE WELT

zusätzlich die „Commissione per i Rap-porti Religiosi con l´Islam” (heute:„Commissione per i Rapporti Religiosicon i Musulmani”) geschaffen, die demPäpstlichen Rat für den Inter-religiösenDialog zuarbeitet.

38) Konzilserklärung „Nostra aetate“ – 28.Oktober 1965 durch Papst Paul VI.

39) Beginn der Konzilserklärung Nostraaetate, Nr. 1.

40) ebd., Nr. 3.41) ebd., Nr. 2.42) ebd., Nr. 1.43) Ansprache am 6.Mai 2001 in der Omay-

yaden-Moschee in Damaskus als Gastdes Groß-Muftis von Syrien, SheikhKuftaro: „Ein besseres gegenseitigesVerständnis wird auf praktischer Ebenegewiss dazu führen, unsere beiden Reli-gionen auf neue Art und Weise darzustel-len: Nicht als Gegner, wie es in der Ver-gangenheit allzu oft geschehen ist, son-dern als Partner für das Wohl derMenschheitsfamilie.“

44) Ägypten, Indonesien, Iran, Irak, Kuwait,Pakistan, Syrien und die Türkei.

45) Ausgenommen sind lediglich : SultanatOman, Emirat Qatar, die Vereinigten Ara-bischen Emirate und das KönigreichSaudi Arabien. In Abu Dhabi residiertder Apostolische Vikar für die ArabischeHalbinsel, dessen religiöse Aktivitätenjedoch nur sehr restriktiv wahrgenom-men werden können. In Malaysia ist Romnur mit einem Apostolischen Delegatenvertreten.

Peter Scholl-Latour beschreibt die Kon-ferenz in seinem Buch „Allah ist mit denStandhaften“ sehr treffend (S. 71 ff.).

50) s. Artikel „Islamische Charta“ in: AUF-TRAG Nr. 247/2002 – S. 22 f.

51) F.A.Z. vom 26.9.1998.52) Dieser Artikel wird die Grundlage für

Chatamis Aufruf zu einem „internationa-len Jahr des Kulturdialogs“, der von derUNO aufgegriffen und für das Jahr 2001proklamiert wird.

53) Weimarer Gespräch am 12. Juli 2000:Präsident Seyed Mohammad Chatami mitBundespräsident Rau und den Professo-ren Josef van Ess und Hans Küng,Tübingen.

54) ebd.55) Einige Beispiele: „Christlich-Islamische

Gesellschaft“ (1982-Köln); „Gemein-schaft Christen und Muslime“ (1990 inder Schweiz); „Children of AbrahamFoundation for Religious and CulturalCoexistence“ (1991- Stockholm); „ThreeFaith Forum“ (1995 in Großbritannien);Projektgruppe „Bedrohung Islam?“ derdeutschen Kommission Justitia et Pax(1995); Friedensinitiative „Abraham“(1998 in Sarajewo).

56) Nicht zu verwechseln mit dem „ProjektWeltethos“ von Prof. Hans Küng, dasdurch eine Erklärung des Parlaments derWeltreligionen in Chicago 1993 bekanntgeworden ist. Hierzu zählt auch der Ent-wurf einer „Allgemeinen Erklärung derMenschenpflichten“ von 1997 (Bundes-

kanzler a.D. Helmut Schmidt und HansKüng). Vgl. dazu H. Küng/K.-J. Kuschel,„Erklärung zum Weltethos“. Die Dekla-ration des Parlamentes der Weltreligio-nen, München 1993 (Serie Piper 1958)und H. Schmidt (Hrsg.), Allgemeine Er-klärung der Menschenpflichten – EinVorschlag; München 1997 (Serie Piper2664).

57) s. Andric, Ivo Nobelpreis 1961; *1892†1975 „Die Brücke über die Drina“(1945).

58) Dazu gehören z.B. inter-konfessionelleKinder- und Jugendarbeit, Religions-unterricht, Hochschularbeit, Beratungbei gemischten Ehen, Betreuung musli-mischer Mitbürger in Krankenhäusernund Seniorenheimen, sowie der Bau vonMoscheen und muslimischen Friedhöfen.

59) Der Direktor des Instituts für Strategi-sche Studien an der Harvard-UniversitySamuel P. Huntington veröffentlicht1996 ein Buch mit dem Titel „Clash ofCivilizations“ . Danach würden die zen-tralen Auseinandersetzungen im 21. Jh.zwischen acht kulturell bzw. religiös de-finierten Zivilisationen verlaufen.

60) Die erste Moschee in Berlin wurde erst1866 gebaut, jedoch war bereits 1798der erste muslimische Friedhof einge-richtet worden. In Deutschland gibt esmittlerweile etwa 2.000 Moscheen, je-doch sind die meisten baulich nicht alssolche zu erkennen, da sie in Wohn- oderLagerhäusern untergebracht sind.

46) So ist in keiner der vielen Prognosen u.a. von H.Kahn (1922-83), W. Fucks (1902), dem Brandt-Palme-Report oder dem Global 2000-Report vonEx-US-Präsident Jimmy Carter z.B. die Revitali-sierung des Islam oder das konfliktverstärkendeAufeinanderprallen der Religionen auf dem Bal-kan erkannt worden. Fucks erwähnt z.B. dieWeltreligionen nur im Zusammenhang mit ihrerHaltung zur Geburtenrate (siehe:„Formeln zurMacht“ - TB, 1967; S. 137).

47) Die protestantischen Kirchen haben ihr Verhält-nis zum Islam erst später revidiert. 1967 legt derÖRK Dialogrichtlinien vor, 1976 folgt die ge-meinsame Erklärung des ÖRK und des Musli-mischen Weltkongresses in Chambésy/Schweiz,1977 werden Empfehlungen für den christlich-islamischen Dialog herausgegeben, und 1982findet das erste Gespräch des ÖRK mit dem Is-lamischen Weltkongress in Colombo statt.

48) Zur Lage der Christen in muslimischen Ländernsiehe “AUFTRAG, Nr. 246/2002, S. 31 ff.

49) 1975/76 vereinbaren der Heilige Stuhl und Li-byen unter Oberst Ghaddafi aus unterschiedli-chen Interessen, den Dialog zwischen Muslimenund Christen zu forcieren. Zunächst nur alsDiskussionsforum unter Theologen konzipiert,wird unter libyscher Regie in Tripolis daraus einMedienzirkus mit etwa 1.000 Beteiligten. DerDelegationsleiter der Kurie, Sergio KardinalPignedoli (1910-1980), wird scharf angegriffen.

Kirche und Moschee in Jerusalem: im Vordergrund die Zwiebeltürmeder russischen Maria-Magdalenen-Kirche in Gethsemane, dahinterder Felsendom, dazwischen die 400 Jahre alte türkische Stadtmauer.

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18 AUFTRAG 248

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Terrorismus im Islam religiös nicht zu rechtfertigenDie islamischen Fundamentalisten sind keine echten Muslime

den muss“, so der libanesische Pro-fessor.

Dr. Sammak erklärte auch, dassunmittelbar nach dem 11. Septemberdie USA verschiedene islamischeLänder aufgefordert hätten, jeneKoranschulen zu schließen, wo dieDoktrin des „Heiligen Kriegs“ ge-lehrt werde. Pakistan gehorchte. InSomalia waren die Warlords zwareinverstanden, aber es sei nichts ge-schehen. Der Sudan habe versucht,gute Beziehungen zu den USA auf-recht zu erhalten, doch jene Schulenwurden nicht geschlossen. In Ägyp-ten lehnte der Kultusminister dieForderung der USA ab, weil dies dieSouveränität und religiöse Traditiondes Landes in Gefahr bringe. FürSammak ist es das Problem der USA,dass sie „in Nahost mit der Strategiedes Kalten Krieges operieren“.

Die angeblich nicht vorhandeneTrennung zwischen Staat und Religi-on in islamischen Ländern ist lautSammak eine Simplifizierung. „Derechte Islam gründet auf Brüderlich-keit, Achtung der Menschenrechteund der Lehren Gottes“.

Er präzisierte ebenfalls, dass„Osama Bin Laden nichts mit der pa-lästinensischen Frage zu tun [hat],die schon seit 50 Jahren andauert.Die Terroristen versuchen, die paläs-tinensische Frage zu manipulieren,

Wer Terroristen verteidigt,darf sich nicht Muslim nen-nen. Das behauptet einer

der größten Vertreter des Islams fürden Dialog mit dem Christentum:„Osama Bin Laden und die Funda-mentalisten, welche Terrorismuspraktizieren, sind keine echten Mus-lime. Sie manipulieren den Koran fürpolitische Zwecke. Sie manipulierendie Religion und repräsentieren dieGläubigen des Islam nicht“, so Dr.Muhammed Sammak am 17. Mai2002 in Rom. Sammak ist der Gene-ralsekretär der Nationalen Kommis-sion für den islamisch-christlichenDialog im Libanon. Er sprach am 17.Mai 2002 auf dem vom PäpstlichenInstitut für arabische und islamischeStudien (PISAI) organisierten Kon-gress über die Position der „Muslimi-schen Welt nach dem 11. Septem-ber“. – Das PISAI wurde 1926 ge-gründet. Sein Hauptsitz befindet sichin Rom. Ziel ist die Spezialisierungin arabischer Sprache und Literaturund des islamischen Glaubens.

„Das grausame Verbrechen des11. September wurde von vielen isla-mischen Führern als ungerechtfertig-ter Terrorismus verurteilt. Sie habenes als unmenschlich definiert und ge-gen den Islam gerichtet. Deshalbglaube ich, dass die amerikanischeEinstellung zum Islam revidiert wer-

und so ihre Aktionen damit zu recht-fertigen. Der echte Islam verurteiltdie Terroristen , welche Verbrechengegen die Menschheit begehen“.

Muslimische Weltligazum Terrorismus

Für die Tötung von Zivilistendurch Terrorakte kann es nach

Ansicht der Muslimischen Weltligakeine religiöse Rechtfertigung geben.Dennoch wollte ihr GeneralsekretärAbdullah bin Abdul Mohsin Al-Turkiam 18. Juni 2002 in einem Interviewder Katholischen Nachrichten-Agen-tur (KNA) den palästinensischen Ter-ror nicht schärfer verurteilen. Was inPalästina geschehe, „gibt dem Unter-drückten und Leidenden das Recht,sich zu verteidigen“. ReligiöseRechtfertigungen von Selbstmordan-schlägen seien aber auch im IslamAusnahmen“ meinte Al-Turki, dersich für mehr Dialog der Religionenaussprach.

Die 1962 in Mekka gegründeteLiga zielt unter anderem auf die Ver-breitung des Islam, den Aufbau isla-mischer Massenmedien, die Verbrei-tung der arabischen Sprache, Hilfenbeim Moscheebau und den religiösenDialog. Der Zusammenschluss, derBeobachterstatus bei den VereintenNationen hat, gilt gemeinhin als vonSaudi-Arabien dominiert. Der Sitzdes Generalsekretariats ist in Mekka.Al-Turki war früher Direktor einerIslamischen Universität in Riad undsaudisches Regierungsmitglied.

Im Gegensatz zum Terror in Pa-lästina verurteilte Al-Turki dieTerroranschläge vom 11. Septemberscharf. Was in New York und Was-hington passiert sei, „ist ungerecht,illegitim, verstößt gegen den Glau-ben, gegen die ganze islamischeWelt“. Auch im Nahen Osten hätten„im Allgemeinen“ beide Seiten un-abhängig von ihrer Religion die glei-che Menschenwürde. Wer bei Unter-drückung und Ungerechtigkeit mit-wirke bleibe aber nicht unbeteiligt“.Der Generalsekretär wörtlich:„Selbstverständlich heißen wir Ter-ror nicht gut. Aber was bleibt derschwachen Partei übrig?“

Al-Turki sprach sich dafür aus,den kulturellen und religiösen Dialogzu verstärken. Dafür sollten Mecha-nismen und Strukturen entwickeltwerden. Die islamische Gemein-

Literatur zu S. 11-17Anmerkung: Die Nummerierung derSuren des Koran weist z.T. Unter-schiede zwischen der dt. Überset-zung von A. Schimmel und der arabi-schen Koranausgabe auf.Abu Ameenah Bilal Philips – The Fund-

amentals of Tawheed (Islamic Mono-theism) – Tawheed Publications Riyadh1990.

Annuario Pontificio – Libreria EditriceVaticana – 1970, 1980, 1990, 2000 &2001.

Ata ur-Rahman, Muhammad – Jesus – A Pro-phet of Islam – MWH London PublisherISBN 0 906 194 08 3 – 2nd Edition1979.

Brissaud, Alain – Islam und Christentum(Originaltitel: Islam et chretienté. Treizesiècles de cohabitation) – Albatros Ver-lag Düsseldorf 2002.

Hazrat Mirza Ghulam Ahmad – Jesus inIndia – Neuauflage 1978 durch Ahmad-diyyas Muslim Foreign Missions Depart-ment – published The London Mosque16 Southfields London SW 18.

Khoury, Hagemann, Heine – Islam-Lexikon –3 Bd. – Verlag Herder Freiburg 1991.

Kuschel, Karl-Josef – Weltreligionen undWeltethos im Zeitalter der Globalisie-rung 2001.

Lexikon für Theologie und Kirche – VerlagHerder Freiburg 1961.

Qur-an, The Holy – Arabic Edition & EnglishTransl. & Commentary – King Fahd HolyQur-an Printing Complex – revised &edited by Islamic Researches IFTA Calland Guidance – o. J.

Schimmel, Annemarie – Der Koran — dt.Ausgabe Philip Reclam jun. Stuttgart1970.

Schirrmacher, Christine – The Crucifixion ofJesus in View of Muslim Theology 1997.

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19AUFTRAG 248

ISLAM UND WESTLICHE WELT

schaft sei bereit, zu kooperieren undMissverständnisse abzubauen. Gera-de Deutschland könne dabei einegroße Rolle spielen. In Europa gibtes nach Ansicht des Generalsekre-tärs eine wachsende Akzeptanz derislamischen Minderheit. Die hier le-benden Muslime bemühten sich be-wusst um die Integration. Zugleichgebe es in aller Welt wachsendes In-teresse am wahren Islam, „aber derWeg ist noch sehr lang“. Auch nachdem 11. September sei die Situationder Muslime nicht schlechter gewor-den so der Generalsekretär.

Auf die Frage, wie er die Ausein-andersetzung der in Deutschland le-benden Muslime mit Pluralismusund Menschenrechten bewerte,meinte Al-Turki: „Wir unterstützendas voll und ganz.“ Die Muslime hät-ten das herrschende System zu befol-gen, „ohne dass es ihre persönlichenund religiösen Freiheiten ein-schränkt“.

Moschee-Bau: Studie zurKonfliktvermeidung

„Terrorzentralen“ und „Brutstättendes Fundamentalismus“, so

hieß es in den aufgewühlten Tagennach dem 11. September über somanche Moschee in Deutschland.Rund 2.000 dieser muslimischenGebetsstätten gibt es, die von denrund drei Millionen Muslimen seitden 60er Jahren zwischen Hamburgund München errichtet wurden. Bauund Gestaltung haben in der Vergan-genheit zu bisweilen heftigen Konf-likten geführt. Wie groß dürfen dieGebäude, wie hoch die Minarette undwie laut der Gebetsruf sein? Wirddurch die Bauten möglicherweise derreligiöse Fundamentalismus unter-stützt? Vorbehalte gab und gibt esviele. Im Mai 2002 hat eine Gruppeum den Gießener Politikwissen-schaftler Claus Leggewie die Ausein-andersetzungen um Moschee-Bautenuntersucht und Vorschläge zur Kon-fliktvermeidung erarbeitet.

Eine der zentralen Forderungender Studie: Die christlichen Kirchensollten ihre Erfahrungen im inter-religiösen Dialog nutzen und als lo-kale Vermittler die unterschiedli-chen Interessen auszubalancierenversuchen. Wie kaum eine andereInstitution verfügten die Kirchenüber so viel moralische Autorität in

den Städten und Gemeinden, dass sieden muslimischen Minderheiten als„herausragende Multiplikatoren“dienen könnten. Oft sei es Pfarrernoder anderen Kirchenvertretern ge-lungen, den kulturellen und religiö-sen Konflikten das „Gift“ zu entzie-hen und pragmatische Lösungen vor-zuschlagen. Nach Ansicht der Gieße-ner Wissenschaftler bietet sich denKirchen in diesen lokalen Auseinan-dersetzungen zugleich die Chance,im interreligiösen Dialog eine„Orientierungsrolle“ für die Gesell-schaft zu übernehmen und damit ihreigenes Profil zu schärfen. Der theo-logisch-spirituelle Austausch unddie Verständigung im täglichen Zu-sammenleben zwischen Christen undMuslimen gingen dann Hand inHand.

Die Forscher sind sich sicher,dass die Zahl der Moscheen in derBundesrepublik weiter ansteigenwird. Deshalb halten sie es für drin-gend erforderlich, schon im Vorfeldder Planungen alle Beteiligten an ei-nen Runden Tisch zu holen unddabei auch nicht vor strittigen The-men zurück zu schrecken. Muslimi-sche Vereine, kommunale Behördenund Kirchenvertreter müssten mit„großer Offenheit“ über alle Pläneinformieren. Oftmals versäumten esgerade die muslimischen Bauherren,Anwohner in ihre Vorhaben einzube-ziehen und über ihre religiösen Vor-stellungen aufzuklären. Wenig hilf-reich sei es beispielsweise, wenn derName einer Moschee als „Kampfan-sage“ an die christliche Kultur miss-verstanden werden könne.

Mit ihrer von der Herbert-Quandt-Stiftung geförderten Studiewollen die Experten Schritte aufzei-gen, wie Religionsfreiheit konkretumsetzbar ist. Einen Zweifel an demRecht auf die Errichtung von musli-mischen Glaubensstätten gebe esnicht mehr. Nur noch über die Fragedes Wie und Wo müsse gestrittenwerden. Manchmal, sind sie sich si-cher, zähle dabei nicht nur das Er-gebnis, sondern auch der Weg. Oftsei ein „klärendes Gewitter“ notwen-dig, ohne das plurale Gesellschaftennicht existieren könnten, heißt es inder Studie. Sie trägt den Titel „DerWeg zur Moschee – eine Handrei-chung für die Praxis“ und ist über diein Bad Homburg ansässige Herbert-Quandt-Stiftung erhältlich. (KNA)

Bischofskonferenzen setzen aufDialog mit „Euro-Islam“

Mehr Dialog zwischen den christ-lichen Kirchen und dem Islam

in Europa haben die Generalsekretä-re der 34 europäischen katholischenBischofskonferenzen bei einer Ta-gung in Istanbul gefordert. Die Be-deutung der zweiten und dritten Ge-neration der muslimischen Immig-ranten in Westeuropa sei gerade fürGespräche zwischen den beidenGlaubensgemeinschaften wichtig,heißt es in einer vom „Rat der Euro-päischen Bischofskonferenzen“(CCEE) am 18. Juni 2002 zum Ab-schluss des Treffens herausgegebe-nen Erklärung. Es gebe Anzeichen,dass sich so etwas wie ein „Europäi-scher Islam“ herausbilde. Insbeson-dere auf dem Niveau der Universitä-ten geben es bereits sehr positive Er-fahrungen des Dialogs, wird in derErklärung betont.

Das äußerst komplexe Spektrumdes Islam in Europa, einschließlichder Türkei, stand im Mittelpunktdes 30. Treffens der Generalsekre-täre. Die Veranstaltung fand erst-mals in Istanbul statt und war vomCCEE organisiert worden. Die Teil-nehmer des Treffens wurden auchvom Ökumenischen PatriarchenBartholomaios I. an dessen Amtssitz,dem Istanbuler Phanar, empfangen.Das Ehrenoberhaupt der Welt-orthodoxie habe „seine tiefe Über-einstimmung mit Papst JohannesPaul II. in einer Palette von Themen“bekundet, so die CCEE-Erklärung.So hielten er und der Papst den Pro-zess der Ökumene für irreversibel.Weiter habe Bartholomaios I. die ge-meinsame Anstrengung von Papstund Ökumenischem Patriarchat fürdie Umwelt hervorgehoben, wie sie inder am 10. Juni in Venedig unter-zeichneten „Erklärung von Venedigzur Bewahrung der Schöpfung“ zumAusdruck komme.

Die Generalsekretäre der europäi-schen Bischofskonferenzen waren auchGäste des armenisch-apostolischenPatriarchen Mesrob II. Mutafyan unddes syrisch-orthodoxen Patriarchalvi-kars Metropolit Yusuf Cetin. Mesrobhabe dabei die Notwendigkeit einerVertiefung des synodalen Prinzipsebenso wie des Primatsgedankens alswesentliche Schritte zur Einheit derKirche betont, heißt es.

(PS nach ZENIT und KNA)

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20 AUFTRAG 248

SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Drohende Schatten über MesopotamienIst ein Angriff auf den Irak im Rahmen des„Krieges gegen den Terror“ gerechtfertigt?

VOLKER W. BÖHLER

Erinnern wir uns: Ende Februar1991 hatte der irakische DiktatorSaddam Hussein die „Mutter allerSchlachten“ kläglich verloren, dasbefreite Kuwait ging wieder als„Familienbesitz“ an den Emir AhmedAl Sabah zurück, und der Irak wurdeeinem rigiden UN-Sanktionsregimeunterworfen, dessen wichtigste Be-stimmungen waren– ein weltweites Im- und Export-

verbot,– das Verkaufsverbot irakischen Erd-

öls,– die Seeblokade zur Absicherung

des Embargos,– die Sperrung aller Auslands-

guthaben.Die Einrichtung zweier Flug-

verbotszonen im Norden und Südendes Landes ist umstritten. Diese Zo-nen, die immerhin 60% desirakischen Luftraumes einnehmen,werden seitens des Irak nicht aner-kannt und führen bis zum heutigenTage immer wieder zu Zwischenfäl-len.2)

Die UN-Abrüstungskommission(UNSCOM) und die mögliche

Bedrohung

Es besteht kein Zweifel, dass dieWaffenkontrolleure der UNSCOMseit Ende des Krieges häufig behin-dert und getäuscht wurden, hielt sichdoch der Kooperationswille der Ira-ker in Grenzen. Dennoch muss fest-gestellt werden, dass die Waffen-inspekteure bis zu ihrem HinauswurfEnde 1998 acht Jahre hindurch ihrerAufgabe nachgingen und durchausrespektable Ergebnisse vorweisenkonnten. So stellte eine der Schlüs-selfiguren der UNSCOM, der Ameri-kaner Scott Ritter, fest, „dass derIrak schon seit 1997 keinerleiMassenvernichtungsmittel mehr be-sitze“, eine Feststellung, die RittersVorgesetzter, der australische Diplo-mat Richard Butler, sicherlich nichtteilte.3) Butler‘s Agieren, das von ei-ner engen Zusammenarbeit mit der

Im Visier

Lange schon vor dem 11. Sep-tember 2001 war klar, dass die neueUS-Administration unter George W.Bush den Irak ins Visier genommenhatte, galt es doch, Versäumnisse derBush-Senior-Administration aus dem2. Golfkrieg endlich ins Reine zubringen. So war es auch nicht ver-wunderlich, dass – nach dem Hin-auswurf der UN-WaffeninspektorenEnde 1998 – die nunmehr entstande-ne 3-jährige ÜberwachungslückeGrund für neue Befürchtungen liefer-te, Saddam Hussein könnte wiederan der Herstellung oder dem Erwerbvon Massenvernichtungswaffen ar-beiten. Der Bundesnachrichten-dienst (BND) ging sogar davon aus,dass der Irak bereits in drei bis sechsJahren zur Produktion von Atomwaf-fen fähig sein könnte.1)

US-Administration geprägt war undnegative Auswirkungen auf die Zu-sammenarbeit mit den Irakern hatte,gab im Dezember 1998 schließlichden Anlass, die UN-Inspekteure desLandes zu verweisen. Mit den Luft-angriffen der Operation DESERTFOX folgte die Reaktion der Ameri-kaner und Briten prompt und heftig.

Volker Perthes, ein ausgewiese-ner Nahost-Experte und Mitarbeiterder Stiftung „Wissenschaft und Poli-tik“, kommt zu dem Ergebnis, dassdas Sanktionsregime mit dem Waf-fenembargo und der mandadiertenAbrüstung den Irak militärisch er-heblich geschwächt hat.4) Die Zerstö-rung der für eine atomare Nutzungnötigen Stoffe war 1998 abgeschlos-sen; der Bestand biologischer undchemischer Waffen sowie derenFabrikationsstätten und Vorproduktewaren weitgehend reduziert und zer-stört worden. Von über 800 SCUD-Raketen waren nach Schätzung derUN-Waffeninspekteure 1999 nochsieben, andere Quellen nannten 25Flugkörper, im Arsenal des Dikta-tors. Eine fliegende Luftwaffe existie-re nicht mehr. Artillerie und Panzerzählten allenfalls noch ein Vierteldes Vorkriegsbestandes.

Folgen der UN-Sanktionen

Großbritannien und die Verei-nigten Staaten blockierten im UN-Si-cherheitsrat jede Humanisierung desSanktionsregimes, sieht man von derspäter eingeräumten Ausnahme „Oilfor food“ ab. Die Einstellung der Zu-sammenarbeit mit den Vereinten Na-tionen durch Saddam Hussein Ende1998 trug natürlich nicht zur Ent-schärfung der Lage bei. Fest stehtaber, dass der UN-Koordinator desProgrammes „Oil for food“, DennisHalliday, 1998 von seinem Amt ausProtest gegen die „Genozid-Folgen“der Sanktionen zurücktrat. SeinNachfolger, der deutsche DiplomatGraf Sponeck, tat dies knapp ein Jahrspäter aus dem gleichen Grunde.5)

Graf Sponeck schätzt, dass zwischen1990 und 1999 eine halbe MillionKinder als Folge der Sanktionen anUnterernährung und Krankheiten ge-storben sind.6) Hierzu stellt PeterScholl-Latour fest: „Unter den dra-konischen Sanktionen, die die Ver-

InhaltIm VisierDie UN-Abrüstungs-kommission (UNSCOM) unddie mögliche BedrohungFolgen der UN-SanktionenDie neue US-AdministrationDie Lage nach dem 11. Sep-tember 2001Die „Achse des Bösen“ReaktionenDie politische Diskussion inDeutschlandWechselbeziehungen zumPalästina-KonfliktZwischenfazitEin mögliches SzenarioFolgenFriedensethische FragenSchlussbetrachtungenQuellen und Anmerkungen

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21AUFTRAG 248

KRIEG GEGEN DEN TERROR

einten Nationen seit zehn Jahren ver-hängt haben, ist die einst blühendeRepublik Irak zum Armenhaus desOrients geworden. 7)

Je halsstarriger sich die USA undEngland gegen eine Lockerung derSanktionen sperrten, desto löchrigerwurden diese, nicht zum Wohle derNot leidenden Bevölkerung, sondernder verbrecherischen Clique umSaddam. Für die arabischen undmuslimischen Bundesstaaten warendie Sanktionen ohnehin „nur“ einRacheakt der Siegermacht. Bei allerFeindschaft zum Regime ist die Ge-meinschaft der Gläubigen, dieUmma, stärker als das von den „Un-gläubigen“ veranlasste Sanktions-regime. Blut ist eben dicker als Was-ser. Sieht man von den unmenschli-chen Folgen für die Schwachen ab,so haben die Sanktionen bis heutenichts bewirkt. Saddam sitzt immernoch fest im Sattel. Das habenFrankreich, Russland und Chinabereits seit längerem erkannt.

Die neue US-Administration

Die neue US-Administration un-ter George W. Bush war seit dem Ja-nuar 2001 im Amt. In ihrem Leitarti-kel vom 17. Februar 2001 gratuliertedie „Washington Post“ dem neuenPräsidenten zu einem „guten Start imIrak“.8) Anlass für die Gratulation wa-ren amerikanisch-britische Luftan-griffe am 16. Februar 2001 naheBagdad, wohlgemerkt außerhalb derFlugverbotszonen im Norden und Sü-den des Irak. Außenminister ColinPowell nutzte wenig später währendseiner ersten Nahost-Reise die Gele-genheit, um nachdrücklich auf dieGefährlichkeit Saddams und seinesRegimes hinzuweisen: „Unsere arabi-schen Freunde müssten die Gefahr er-kennen, die vom irakischen Systemausgeht. Wir müssen sicherstellen,dass er (Saddam) nicht in diese Rich-tung gehen kann, und alles tun, umihn zu beschränken, zu kontrollieren 9)

Von den „arabischen Freunden“der Anti-Irak-Allianz des Jahre1991, der selbst ein als „Schurken-staat“ eingestufter Staat wie Syrienangehörte, war allerdings nicht mehrallzu viel übrig geblieben. Selbst

Saudi-Arabien, dessen Sicherheit jabislang vom „Kauf“ amerikanischerVerteidigung abhing, ging vorsichtigauf Distanz. Im arabischen Lager warspätestens jetzt klar geworden, dassmit dem neuen amerikanischen Prä-sidenten nicht zu spaßen war.

Die Lage nach dem11. September 2001

Noch standen die VereinigtenStaaten unter dem unmittelbarenSchock der verbrecherischen An-

schläge vom 11. September 2001 inNew York und Washington. Eineweltweite „Allianz gegen den Terror“hatte sich formiert. Die Terror-organisation Al Qaida und das ihrGastrecht gewährende Taliban-Re-gime zerfielen im Bombenhagel deramerikanischen Luftangriffe, als derPräsident am Thanksgiving Tag beieinem Truppenbesuch in Fort Camp-bell den Soldaten der 101. Luftlande-division verkündete: „Es gibt andereTerroristen, die Amerika und seineFreunde bedrohen, und es gibt Län-

Karte mit freundlicher Genehmigung desSiedler Verlags aus: Peter Scholl-Latour„Lügen im Heiligen Land“, Berlin1998.

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

der, die sie unterstützen. Wir werdenals Nation nicht sicher sein, bis allediese Bedrohungen beseitigt wordensind. Wir werden das Böse in denkommenden Jahren in der ganzenWelt bekämpfen, und wir werden sie-gen“.10) Wenige Tage zuvor hatteBush in seiner ersten Rede vor derUN-Vollversammlung die Nationengewarnt: „... diese Terroristen sindauf der Suche nach Massenvernich-tungswaffen, um ihren Hass in einenHolocaust umzusetzen. Und sowie siedazu in der Lage sein werden, wer-den sie chemische, biologische undatomare Waffen einsetzen. Diese Be-drohung darf niemand ignorieren...“11) Es war unschwer erkennbar,dass diese Warnung weniger an dieAdresse der Steinzeit-Islamisten derTaliban und ihrer Kamikaze-Freundeaus der Al Qaida ging. Ende Novem-ber 2001 wurde Bush deutlicher. Erforderte die Wiederzulassung derUN-Waffeninspekteure, um zu be-weisen, dass der Irak Massenver-nichtungswaffen entwickele. Befragt,welche Folgen eine Weigerung desirakischen Diktators haben werde,drohte Bush: „Er wird es herausfin-den“12) Die Falken um Bush began-nen, sich zu formieren. Sicherheits-beraterin Condolezza Rice nannteSaddam eine „Bedrohung, weil erfest entschlossen sei, Massenver-nichtungsmittel in seinen Besitz zubringen“ und VerteidigungsministerDonald Rumsfeld sprach von einer„langjährigen Verbindung der AlQaida und dem Irak“. Die Beweis-führung allerdings blieben sie schul-dig. Es war offensichtlich, dass einGeheimdienst, der im Kosovo-Konf-likt nach einem alten Stadtplan irr-tümlich die Zieldaten für dieBombardierung der chinesischenBotschaft – man hielt sie für eineWaffenfabrik – lieferte und nicht inder Lage war, vor den Anschlägendes 11. September 2001 zu warnen,Mängel in seiner Effizienz vermutenlässt.

Bagdad hat bislang jede Verbin-dung zur Terrororganisation Al Qaidaabgestritten, wenn auch der paranoi-de Diktator die Anschläge in NewYork und Washington lauthals be-grüßte. Das angebliche Treffen einesirakischen Agenten mit dem Flug-zeugentführer Mohamed Al Atta inPrag erwies sich als Luftblase, nach-dem Tschechien seine Behauptung

zurückgezogen hatte. Damit war ei-ner der entscheidenden Rechtferti-gungsgründe für einen Militärschlagentfallen, und der Aspekt einer Be-drohung durch Massenvernichtungs-waffen rückte wieder in den Vorder-grund. Condolezza Rice beeilte sich,klarzustellen, dass eine bewieseneVerbindung Irak – Al Qaida nicht imVordergrund der Überlegungen desWeißen Hauses stünde: „Schließlichwissen wir nicht erst seit dem 11.September, dass der Irak gefährlichist.“13)

Auch im Hinblick auf die mut-maßliche Herstellung oder den Er-werb von Massenvernichtungswaffenbleibt die Beweislage dünn. Sie stütztsich u.a. auf die Aussagen fragwürdi-ger Überläufer oder die Erkenntnissebefreundeter Dienste, die eine eigeneInteressenlage an der Darstellung ei-ner Bedrohung durch den Irak ha-ben. Die Tatsache, dass die verbre-cherischen Anthrax-Briefattackendem Irak nicht angelastet werdenkonnten, die Milzbrandviren aus US-Beständen und die Attentäter allerWahrscheinlichkeit nach aus dem ei-genen Land stammten, trug auchnicht gerade zu einer soliden Beweis-lage gegen den Irak bei. Dieser Sach-verhalt wird sich nicht gravierendverändern, bis Inspektionen vor Ortdas Gegenteil beweisen.

Im Januar 2002 werden die Kon-turen für die zweite Phase des Kamp-fes gegen den Terrorismus schärfer.Die Regierungshardliner DonaldRumsfeld, Paul Wolfowitz, DickCheney und Condolezza Rice werdendurch ein hochrangiges Team unterdem Sicherheitsexperten RichardPerle, dem u.a. Henry Kissinger undJames Schlesinger angehören, ermu-tigt, den Irak als nächstes Ziel ins Vi-sier zu nehmen. Kissinger formuliertneben Diplomatie und freiwilligerEinsicht eine dritte Option, die erwohl auch präferiert: „Wir konzent-rieren uns auf den Sturz SaddamHusseins, um das regionale Kräfte-verhältnis zu verändern. Damit wür-den wir die amerikanische Ent-schlossenheit unterstreichen, dieStabilität in der Region, unsere Inter-essen und unsere Freunde zu vertei-digen. Das wäre auch eine deutlicheBotschaft an andere Schurkenstaa-ten.“14)

Mit einer Erhöhung des Vertei-digungsetats um 50 Milliarden auf

379 Milliarden US-Dollar für das USFiscal Year 2003 plant Bush, die fi-nanziellen Voraussetzungen für den„Krieg gegen den Terror“ zu schaf-fen.“Was immer nötig ist, was immeres kostet, die geduldige und ent-schlossene Nation wird den erstenKrieg des 21. Jahrhunderts gewin-nen.“15)

Die „Achse des Bösen“

Am 29. Januar 2002 hielt Präsi-dent Bush seine erste Rede zur Lageder Nation vor dem Repräsentanten-haus, und es überraschte kaum, dasser diese Rede schwerpunktmäßigdem „Krieg gegen den Terror“ wid-mete. Es war kaum ein Zufall, dasssich Bush an Reminiszensen aus demzweiten Weltkrieg anlehnte, als ervon der „Axis of Evil“, der Achse desBösen, sprach: „.. zweitens müssenwir Terroristen und Regime daranhindern, in den Besitz chemischer,biologischer und nuklearer Waffenzu kommen und die USA und dieWelt zu bedrohen. ... Nord-Korea istein Regime, das sich mit Raketenund Massenvernichtungswaffen rüs-tet, während es sein Volk verhungernlässt. Der Iran bemüht sich aggressivum solche Waffen und exportiert Ter-ror, während ein paar Nichtgewähltedie Hoffnung des iranischen Volkesauf Freiheit unterdrücken. Der Irakbrüstet sich mit seiner Feindschaftgegenüber Amerika und unterstütztden Terror. ... Staaten wie diese undihre terroristischen Verbündeten bil-den eine Achse des Bösen und zielendarauf ab, den Weltfrieden zu bedro-hen. ... Die USA werden es den ge-fährlichsten Regimen der Welt nichterlauben, uns mit den zerstöreri-schsten Waffen der Welt zu bedrohen...16)

Der Präsident ließ offen, wie dasZusammenspiel dieser „Achse desBösen“ ablief. Es schien auch so,dass der Iran und Nord-Korea eherals rhetorisches Beiwerk dienten, ge-meint war in erster Linie der Irak, derin der Prioritätenliste des „Kriegesgegen den Terror“ ganz nach obenrückte. Nord-Korea spielt in der„Achse“ als nicht-muslimischerStaat eher eine Alibirolle. Unschwerhätte man aus der Reihe der„Schurkenstaaten“ auch einen weite-ren muslimischen Staat auswählenkönnen. Es galt aber, einen Auf-

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KRIEG GEGEN DEN TERROR

schrei im muslimischen Lager, vorallen Dingen bei den gemäßigten ara-bischen Staaten, zu vermeiden, unddie Administration entschied sich füreinen kommunistisch-konfuziani-schen Bösewicht.

Reaktionen

Die Europäer reagierten teils em-pört, teils erschreckt. SchwedensAußenministerin Anna Lindh nanntebereits wenige Tage vor Bush‘s Rededie Nahostpolitik des US-Präsiden-ten „wahnsinnig“, „dumm“ und „äu-ßerst gefährlich“ und sah sich wohlin ihrer harschen Kritik bestätigt.17)

Bundeskanzler Schröder und seinerot-grüne Regierung nahmen von der„uneingeschränkten Solidarität“graduierlich Abstand, wobei die Kri-tik der grünen Juniorpartner deutlichheftiger ausfiel als die des Kanzlers.Der Staatsminister im AuswärtigenAmt, Ludger Volmer, sprach davon,dass „alte Rechnungen zu beglei-chen“ seien und dafür das Terror-Ar-gument herhalten müsse.18) Schröderließ immerhin verlauten, dassDeutschland „zu Risiken, nicht aberzu Abenteuern bereit“ sei. BeimTreffen der EU-Außenminister imspanischen Cáceres entlud sich derZorn der Europäer. AußenministerFischer gab sich staatsmännisch:„Die Achse des Bösen ist nicht dieArt, wie wir unsere Politik anle-gen“.19) Deutlicher wurde der EU-Außenkommissar Chris Patten: „Essei sehr gefährlich, absolute undzugleich stark vereinfachte Positio-nen zu beziehen, die Strategie derUSA bei der Bekämpfung des Terrorssei mehr Rhetorik als Substanz“.20)

Pattan fügte hinzu: „Selbst die größteSupermacht der Welt kann nicht al-les im Alleingang entscheiden“.21)

Die Briten mochten der europäischenKritik nicht zustimmen; als treuerVasall ist Großbritannien derzeit dieeinzige europäische Macht, die diePolitik der US-Administration vorbe-haltlos unterstützt. Margaret That-cher gratulierte der Supermacht USAzu ihrer „beispiellosen Überlegen-heit“ und empfahl, alle „Energien inMilitäraktionen zu investieren unddie „Sozialarbeit“ anderen zu über-lassen“.22) Die Kritik der Europäerwurde in den USA nicht zur Kenntnisgenommen und war den nationalenMedien kaum eine Erwähnung wert.

Die Rolle der NATO, die jaimmerhin gemäß Artikel 5 ihres Ver-trages den Bündnisfall erklärt hatte,wird sehr treffend in einer Karikaturder „Welt“ dargestellt: Bush stehtbis an die Zähne bewaffnet vor einerZielscheibe mit dem Porträt Saddamsund erklärt den europäischen NATO-Freunden das weitere Vorgehen:„Schlage die übliche Rollenvertei-lung vor: Ich schieße und ihr applau-diert bei den Treffern!“23)

Die Reaktionen der UN werdenstark von der halsstarrigen Haltungdes Irak in der Frage der Waffen-inspektionen beeinflusst. Kofi Annanhat den irakischen Diktator als lis-tenreichen, kaum vertrauenswürdi-gen Autokraten kennen gelernt. Dasunter dem Eindruck der Kriegs-drohung der USA gemachte Angebot,den Dialog mit der UNO ohne Vorbe-dingungen wieder aufzunehmen, magder US-Regierung ungelegen kom-men, darf aber nicht ignoriert wer-den. Auch wenn es Saddam in ersterLinie um Lockerungen des Sank-tionsregimes geht, so ist hier – bei al-ler Vorsicht – eine neue Chance fürdie Diplomatie. Voraussetzung istallerdings die Umsetzung aller rele-vanten Resolutionen des Sicherheits-rates, was den irakischen Außen-minister Nadi Sabri, mehr an dieAdresse der USA als der UN gedacht,veranlasste, daran zu erinnern, dassdie UN-Sicherheitsresolution 687vom April 1991 forderte, der NaheOsten müsse frei von Massenvernich-tungswaffen werden. Der Irak verfügeüber keine solche Waffen, sie seienunter UN-Aufsicht vernichtet wor-den, während Israel über Nuklear-waffen verfüge. Den USA warf Sabrivor, sie messe mit zweierlei Maß.24)

Die Drohung oder Warnung des ira-kischen Vizepräsidenten Taha JassinRamadan, die USA würden im Falleder Fortsetzung ihrer Politk mit ei-nem „sehr viel schlimmeren“ Ereig-nis als dem 11. September konfron-tiert werden, hat eben nicht zu einerEntspannung der Lage beigetragen.Fairerweise aber muss man feststel-len, dass Brachialrhetorik nicht aus-schließlich die Sprache der Irakerist.

Die Reaktionen im arabisch-muslimischen Lager waren eindeutigund für die mühsam geschmiedeteAnti-Terror-Allianz verheerend. Die„Hass-Liebe“ zwischen den USA

und Saudi-Arabien schlug auf beidenSeiten eher in Hass um. Einerseitswurde in den USA sehr wohl regist-riert, dass 15 der 19 Attentäter des11. September aus Saudi-Arabienkamen und das Königreich bei derFinanzierung islamistischer Extre-misten seit langem in vorderster Rei-he stand. Im rigoros muslimisch-or-thodoxen Staat selbst regte sich mas-siver Widerstand gegen die engeZweckehe der Prinzen mit den „gott-losen Kafirun“.25) Eine Umfrage derTageszeitung „Watan“ ergab, dass60% der Saudis die Amerikaner has-sen. Der Hauptgrund dafür liegt vorallen Dingen in der als eindeutigempfundenen Palästina-Politik derUSA; ein möglicher Angriff gegenden Intim-Feind Irak war eigentlichnicht mehr als das fehlende i-Tüpfel-chen, immerhin gehören die Irakerzur Umma, der Gemeinschaft derGläubigen. Saudi-Arabische Intel-lektuelle bezeichneten nicht ohneSpott die Haltung der US-Regierungzur israelischen Militäroffensive inden Besetzten Gebieten als „Schan-de“ und erklärten: „Wir betrachtendie USA und ihre derzeitige Regie-rung als Förderer des internationalenTerrorismus und – zusammen mit Is-rael – als Achse des Terrorismus unddes Bösen in der Welt“.26) Will diesaudische Monarchie überleben, somuss sie auf die Stimmung im LandRücksicht nehmen; andererseits aberist sich das Regime sehr wohldarüber im Klaren, dass es der ame-rikanischen Militärhilfe bedarf, umzu überleben. So ist es derzeit höchstfraglich, ob die Amerikaner ihresaudischen Stützpunkte für einengroß angelegten Militärschlag gegenden Irak nutzen können. Kein Wun-der, dass sich die Bush-Administrati-on nach Stützpunkten in den Emira-ten umsieht, aber auch dort ist dieStimmung nicht amerika-freundlich.

So zeigten denn auch die meistenarabischen Staatschefs VizepräsidentDick Cheney die kalte Schulter, alser während seiner März-Reise durchneun arabische Staaten und die Tür-kei um Unterstützung für die geplan-te Militäraktion warb. Selbst dasEmirat Kuwait, das seine Befreiungaus den Klauen Saddams den Ameri-kanern verdankte, winkte ab. Derbislang eher im terroristischen Lagergesehene Jemen ist nach dem ver-heerenden Anschlag auf die USS-Cole im Hafen von Aden bemüht,

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

sich als Verbündeter im Kampf ge-gen den Terror zu empfehlen.27) Auchwenn die Türkei, der im Falle einesAngriffs auf den Irak eine Schlüssel-rolle zukommt, sich gegen einenFeldzug gegen den Irak ausgespro-chen hat, so kann man davon ausge-hen, dass sie letzten Endes doch zu-stimmen wird, freilich gegen die US-Zusicherung, dass es nach dem Siegüber den Diktator keinen Kurden-staat im Norden des Irak geben wird.Auch das im 2. Golfkrieg auf der„falschen Seite“ gestandene Jorda-nien, das sich seither, nach Überwin-dung der Boykott-Maßnahmen fürsein unbotmäßiges Verhalten, „mus-tergültig“ verhielt, sieht einer ameri-kanischen Militäraktion gegen denIrak mit großem Unbehagen entge-gen. Gleiches trifft für Ägypten zu.Syrien wiederum ist, auch wennimmer noch als Erzfeind angesehen,ein von Saddam Hussein umworbe-ner Partner; die Chancen einer An-näherung, die für den „Schurken-staat“ Syrien fatal wäre, müssenallerdings derzeit als gering einge-schätzt werden.

Die ablehnende Haltung der Ara-ber wurde folgerichtig auf der Konfe-renz der Arabischen Liga Ende Märzin Beirut bestätigt, nachdem derMann aus Tikrit seinen Annexions-gelüsten auf das Emirat Kuwaitvorerst abgeschworen hatte.28) An-sonsten befasste sich der Gipfelschwerpunktmäßig mit der Lage inPalästina, wobei der Friedensplandes saudischen Kronprinzen Abdal-lah – trotz syrischen Störfeuers – denSchwerpunkt der Abschlusserklä-rung bildete. Insgesamt gesehen warBeirut wohl ein „Sieg“ der gemäßig-ten arabischen Staaten.

Die politische Diskussionin Deutschland

Unbeeindruckt von den interna-tionalen Bedenken verstärkten dieUSA ihre Drohkulisse. Bereits wäh-rend der Münchner Konferenz fürSicherheitspolitik Anfang Februar2002 wurde der stellvertretendeVerteidigungsminister Paul Wolfo-witz deutlich: „Wer den Terrorismustoleriert und nicht handelt, wird Kon-sequenzen spüren“.29) Wolfowitz be-fand sich ganz auf der Linie seinesChefs Cheney, der im Rahmen desRechtes auf Selbstverteidigung we-der präemptive noch präventive

Selbstverteidigung ausschloss. Zwei-felsohne ist die präventive Selbstver-teidigung nicht durch Artikel 51 derUN-Charta gedeckt, bestenfalls diepräemptive Verteidigung, bei der einbewaffneter Angriff unmittelbar an-gelaufen ist, sich aber noch nichtentwickelt hat.30)

In Deutschland geriet Bundes-kanzler Schröder mit seiner vollmun-digen „uneingeschränkten Solidari-tät“ in Schwierigkeiten. Er erwartekeinen Angriff der USA auf den Irakund gehe davon aus, dass die europä-ischen Verbündeten bei einem US-Vorgehen konsultiert werden wür-den, ließ der Bundeskanzler am Ran-de einer Sitzung des SPD-Präsidiumsam 18. Februar in Fürth verlauten.31)

Außenminister Joschka Fischerwarnte noch zwei Tage vorher beimTreffen der EU-Außenminister inBrüssel: „Die internationale Koaliti-on gegen den Terror ist für sich alleinkein Freibrief für eine Invasion inirgendein Land“, und im „Spiegel“äußerte sich Fischer: „Mir hat manbis jetzt keine Beweise präsentiert,dass der Terror des Osama Bin Ladenmit dem Regime im Irak zu tunhat“.32) Fischers Äußerungen stießenauf heftige Kritik der Opposition,und Wahlkampftöne waren unschwerbei allen Beteiligten erkennbar.

Währendessen werden die Auf-marschpläne der USA konkreter: Be-richten der britischen Zeitung „Gu-ardian“ zufolge sähen die Planungendes US-Generalstabes vor, dass200.000 Mann Bodentruppen vonKuwait aus auf irakisches Territori-um eindringen sollen.33)

Bei einem Treffen mit Intellektu-ellen am 13. März schließlich rückteSchröder von seiner „uneinge-schränkten Solidarität“ ab: Deutsch-land werde einen Einsatz nur unter-stützen, wenn er durch ein UN-Man-dat gedeckt sei.34) Wie sich dieseAussage mit der gleichzeitigen Versi-cherung, Deutschland werde im Falleeines solchen Einsatzes seine inKuwait stationierten ABC-Abwehr-truppen nicht abziehen, vereinbarenlässt, bleibt des Kanzlers Geheim-nis.35)

Wechselbeziehungen zumPalästina-Konflikt

Im Windschatten des „Kriegesgegen den Terror“ in der Welt war

nach dem 11. September 2001 in Pa-lästina und in Israel eine massive Zu-nahme von Gewalt und Gegengewaltzu beobachten, die in den vergange-nen Monaten furiose Züge annahm.Selbstmordattentäter, beflügelt durchdas verheißene Märtyrertum einerpervertierten, islamistischen Theolo-gie, überzogen mit ihren Mordakti-onen das ganze Land. Jassir Arafat‘sMaßnahmen, die Anschläge zu ver-hindern, waren eher zögerlich.

Ministerpräsident Ariel Sharonwehrte sich in bekannter Art undWeise: Massive Vergeltung, „außer-gerichtliche Tötungen“ oder Liqui-dierungen verdächtiger palästinensi-scher Funktionäre, Zerstörung dergesamten Infrastruktur der Autono-miebehörde, Isolierung, Belagerungund Hausarrest Arafats in Ramallah,Androhung des Zwangsexils und Ein-marsch in alle größeren Städte derAutonomie. Ein Gefühl für die Ver-hältnismäßigkeit der Mittel scheintSharon, je stärker sich die Hassspira-le drehte, völlig abhanden gekommenzu sein, wie die Vorgänge bei derZerstörung des FlüchtlingslagersJenin und die Belagerung eines zen-tralen Heiligtums der Christenheit,der Geburtskirche, erahnen lassen.Neben den Militäraktionen forcierteSharon den völkerrechtswidrigenSiedlungsbau in den Besetzten Ge-bieten und konnte sich bis März die-sen Jahres einer stillen Duldungdurch die Regierung Bush sichersein. Als die Situation um die Oster-zeit und den Wochen danach völligaußer Kontrolle geriet und die pro-westlichen arabischen Staaten immermehr auf Distanz zu Bush‘s „Anti-Terrorkrieg“ gingen, sah sich derPräsident genötigt, eine Kehrt-wendung seiner Politik vorzuneh-men. Wiederholt forderte er den so-fortigen Rückzug der israelischenArmee aus den Autonomie-Gebietenund verlangte von Arafat, der „dieHoffnung seines Volkes betrogen“und die Lage „zum großen Teil selbstverschuldet habe“, eine sofortige undwirksame Waffenruhe.36) In einer ge-meinsamen Pressekonferenz mit dembritischen Premier Tony Blair fügteer hinzu: „Ich erwarte nicht, dass sie(Sharon und Arafat) mich ignorie-ren“.37) Sharon zeigte sich trotz allerAppelle Bush‘s, der EU und der UNuneinsichtig, auch wenn er nach Zer-schlagung der terroristischen Infra-

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KRIEG GEGEN DEN TERROR

struktur seine Truppen so schnell wiemöglich in die Pufferzonen an denGrenzen zu Israel zurückziehen wer-de“.38) Unter diesen Voraussetzungenwar die geplante Nahost-ReiseAußenminister Powell‘s unter keinengünstigen Stern gestellt. Sharon ver-sprach vor seiner Wahl seinenLandsleuten mehr Sicherheit; seitBeginn der Al Aksa-Intifada kamenbis Anfang April 1228 Palästinenserund 420 Israelis ums Leben.39) Eskam, wie es kommen musste, Bush‘s„nachdrückliche“ Forderungen nachRückzug der israelischen Armee wa-ren eher Wortgetöse – schließlichgalt es, auf die im November stattfin-dende Wahl im Kongress Rücksichtzu nehmen. Powell‘s Reise war einMisserfolg, der das Ansehen desAußenministers erheblich schädigte.So blieb denn die Insubordinationdes israelischen Premiers ohne Fol-gen. Bush sah das seinerseits nichtso. Sein Außenminister habe der Re-gion, die „am Siedepunkt gewesensei, den Weg zum Frieden“ gewie-sen.40) Tags zuvor kritisierte Powellbeide Seiten für das Scheitern seinerMission mit deutlichen Worten. DerWiderspruch in Bush‘s Politik,vielleicht auch die Zwänge, in denener steckt, wurde besonders sichtbar,als er Sharon als einen „Mann desFriedens“ pries.41) Immerhin war derPräsident von jüdischen Organisatio-nen und Politikern der Demokratenaufgrund seiner mehrfach ausgespro-chenen Rückzugsforderung scharfangegriffen und des Verrates an Isra-el bezichtigt worden.42)

Den Medien blieb der Zugang zuden Brennpunkten der OperationSCHUTZWALL weitgehend versagt.Einer UN-Kommission zur Untersu-chung der Ereignisse in Jenin wurdedie Einreise verweigert, sodass sichKofi Annan gezwungen sah, die Kom-mission aufzulösen. Die angeseheneisraelische Zeitung „Haaratz“ bringtdie Wiedererlangung der Bewe-gungsfreiheit Arafats mit der Verhin-derung der Untersuchung in Verbin-dung.43) Während seines Besuches inWashington in der zweiten Maiwochebedankte sich Sharon immerhin beiBush und Powell dafür, dass sie dieEntsendung einer Untersuchungs-kommission mitverhindert hätten.44)

Wiederum war eine einstimmig be-schlossene Resolution des Weltsi-cherheitsrates in fragranter Art undWeise verletzt worden.

So haben die turbulenten Wo-chen um und nach Ostern eine Lö-sung des Palästina-Konfliktes in wei-te Ferne gerückt, und der Nahost-Friedensplan des saudischen Kron-prinzen Abdallah, der übrigensnichts Neues darstellte, war in derTragik der Geschehnisse völlig un-tergegangen. Immerhin ist auch inder Bush-Administration die Ein-sicht gereift, dass nur ein palästi-nensischer Staat die heiße Phase desKonflikts beenden kann.

Dem US-Präsidenten aber bleibtder Vorwurf nicht erspart, mit seinemdiffusen Kurs in seiner Nahost-Poli-tik bei den eher gemäßigten Arabernan Glaubwürdigkeit verloren zu ha-ben. Der Allianz gegen den weltwei-ten Terrorismus hat der Präsident im-mensen Schaden zugefügt. Man solltesich aber nicht täuschen lassen; esscheint, dass Bush von all dem nichtsonderlich beeindruckt ist und sei-nen „Krieg gegen den Terrorismus“konsequent weiterplanen und durch-führen wird.

Zwischenfazit

Aus dem bisher Gesagten ergibtsich folgendes Zwischenfazit:– Die Irak-Sanktionen haben mehr

geschadet als genutzt; der Diktatorsitzt fest im Sattel.

– Der Irak ist militärisch gesehen einSchwächling, besitzt aber vermut-lich die „A-Bombe des KleinenMannes“ (chemische, vielleichtauch biologische Kampfstoffe); erverfügt über annähernd keineTrägermittel.

– Eine Verbindung zu einem welt-weiten Terrornetz, insbesondereder Al Qaida, ist nicht bewiesen.

– Eine Wiederaufnahme der Waffen-inspektionen ist dringend erforder-lich, um Klarheit über das Ausmaßeiner möglichen Bedrohung zu er-halten.

– Israel verfolgt im Schatten desweltweiten „Anti-Terror-Krieges“der USA seinen eigenen lokalen„Anti-Terror-Krieg“ und findetdabei weitgehende Duldung durchdie USA; am Sturz Saddams hat esverständlicherweise besonderesInteresse.

– Die Rolle der USA im gesamtenNahost-Konflikt wird im arabi-schen Lager nicht als die eines ehr-lichen Maklers gesehen.

– Das Problem eines islamistisch ge-prägten oder arabisch-säkularenTerrorismus ist nicht mit Bombenzu lösen.

– Im Falle eines Angriffs auf den Irakfehlt ein tragfähiges Modell für dieZeit danach.

– Durch die derzeitige US-Politiksind in der UN, der EU und denarabischen Staaten empfindlicheIrritationen entstanden.

– Die Rolle der NATO wurde margi-nalisiert.

– Der ehemals breite Konsens derAnti-Terror-Allianz ist gefährdet.

– Die einzigen Befürworter der ame-rikanischen Angriffspläne sindGroßbritannien und Israel.

– Saddam Hussein ist ein schwer kal-kulierbarer Gegner, dennoch wird eres nicht wagen – für den Fall, dasser biologische und chemische Waf-fen sowie Trägermittel besitzt –, die-se gegen andere Staaten einzusetzen(auch nicht gegen Israel).

– George W. Bush ist – gestützt aufseine militärische Überlegenheitund überzeugt von der Unfehlbar-keit seines Handels – ein Präsi-dent, der im Falle des Irak vieles zuriskieren bereit ist; für Ratschlägeseiner europäischen und arabi-schen Freunde (falls es letztereüberhaupt gibt) ist er unempfän-glich.

Ein mögliches Szenario

Auch wenn der kuriose Plan, das„Office of Strategic Influence“ dafüreinzusetzen, die öffentliche Meinungim eigenen Land und in den Ländernder Anti-Terror-Allianz im Sinne ei-ner positiven Stimmung für den Krieggegen den Irak zu manipulieren,wieder aufgegeben wurde, so ist seitWochen längst erkennbar, dass einemediale, psychologische Kriegsvor-bereitung längst stattfindet.45) Fasttäglich werden neue „Erkenntnisse“über den „Bösewicht“ im Zweistrom-land wohl dosiert gestreut.

Es steht auch kaum in Frage,dass im Norden, der sich dem Zugriffdes Diktators weitgehend entziehenkonnte, und wo sich die Kurden-Emire Massud Barzani und JalalTalabani um die Macht streiten,Agenten der CIA wieder aktiv gewor-den sind. Erinnern wir uns: ImSchatten der Kurdenhilfe PROVIDECOMFORT und NORTHERN

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

SHIELD schürte die CIA den Auf-stand gegen Saddam und erlebte1996 ein Debakel, das die „New YorkHarold Tribune“ mit dem Schweine-bucht-Desaster während der Kuba-Krise verglich.46) Wechselnde Loya-litäten und Verrat führten schließlichdazu, dass Barzani sich mit Saddamarrangierte und die RepublikanischeGarde im August überraschend inArbil einrückte, wo sie die CIA-Kol-laborateure seines Rivalen Talabanian Ort und Stelle füsilierte. Der grö-ßere Teil dieser Hilfstruppe wurdedurch die US-Air Force ausgeflogen,und Präsident Clinton nahm denshiitischen Süden des Landes (!) un-ter Cruise Misslile Feuer.

Als weiterer „Key Player“ derAmerikaner fühlt sich der Präsidentdes oppositionellen Irakischen Nati-onalkongresses (INC), Ahmed Chalabi,der noch Anfang März des Jahresvollmundig verkündete: „Es kannlosgehen, sobald die USA wollen“.47)

Auch der shiitische Süden verfügtüber einschlägige Erfahrungen: VonBush Senior 1991 zum Aufstand er-muntert, wurde die shiitische Rebel-lion, ohne dass die Amerikaner ein-gegriffen hätten, von Saddams Trup-pen im Blut ertränkt. Ob es zu einererfolgreichen Palastrevolte innerhalbdes Offizierkorps der irakischenStreitkräfte kommen könnte, mussangezweifelt werden.

So ist es eher unwahrscheinlich,dass die irakische Opposition – demAfghanistan-Krieg ähnlich – die Rol-le einer Art Nordallianz übernehmenkönnte. Beide Seiten haben hinsicht-lich der Verlässlichkeit ihrer Partnergelernt. Aufstände, die den Kriegflankierend begleiten, sind denkbar,die Hauptlast aber werden US-Trup-pen zu tragen haben.

Die rahmenpolitischen Bedin-gungen für einen Irak-Angriff sindheute aber weit ungünstiger als1990. Saudi-Arabien, Kuwait unddie Golfkooperationsstaaten Qatarund Bahrain gelten als unsichereKantonisten. Die Türkei hat eben-falls Bauchschmerzen, könnte docham Ende im Norden des Irak einKurden-Staat entstehen. Einen An-lass für die Eröffnung des Angriffeszu finden oder, wenn nicht, zu fingie-ren, dürfte nicht allzu schwer sein.48)

Denkbar wäre folgendes Szena-rio: Die Bedenken der Türkei unddes Emirats Kuwait werden „massiv“

zerstreut. Im Persischen Golf wirdeine große Invasionsflotte, die überein Minimum von sechs Flugzeugträ-gern und amphibische Einheiten ver-fügt, zusammengezogen. Nach einemwochenlangen Luftbombardement,bei dem rund 1.000 Kampfflugzeugeauch wesentliche Teile der zivilenInfrastruktur zerstören werden, be-ginnt die Bodeninvasion im Süden.

Der gebirgsreiche Norden eignetsich nicht für eine größere Operationaus der Türkei. Der Vorstoß aus demSüden könnte teils aus Kuwait, teilsin amphibischen Operationen imShatt Al Arab in Richtung Basra –Naseriyah – Nadshaf – Bagdad erfol-gen. Die Stärke der Bodentruppenläge eher unter 200.000 Mann. DieBriten könnten sich mit 25.000Mann an den Operationen beteili-gen.49) Rebellionen der Kurden imNorden und der Shiiten im Süden desLandes, durch Spezialeinheiten undCIA-Agenten vorbereitet und mitWaffen versorgt, begleiten den An-griff.

Anfang März dementierte Außen-minister Powell eine Angriffsabsicht:„Es gebe keine (Kriegs-)Pläne zumAbzeichnen, weil es keine Pläne aufdem Tisch des Präsidenten gibt, undich weiß auch nichts von Plänen, dieauf seinem Tisch liegen, wenn Blairihn besucht“.50) Allerdings wünschedie US-Regierung einen Regime-wechsel und prüfe, ob dies mit Hilfeder oppositionellen Kräfte möglichsei. Hinzu fügte der Außenminister:„Schließlich und endlich muss sichder Präsident auch Optionen offenhalten, allein zu agieren“.51) Powellselbst scheint wohl von einer Irak-Offensive wenig zu halten, währendCheney, Rumsfeld, Wolfowitz undRice als Befürworter eines Angriffesgelten. Im Aufbau der Drohkulissescheut sich Amerikas treuer Vasall,der britische VerteidigungsministerGeoff Hoon, nicht, dem Irak „im Not-fall“ mit dem Einsatz von Atomwaf-fen zu drohen.52)

Folgen

Im Falle eines amerikanisch-bri-tischen Angriffs auf den Irak wird dieAnti-Terror-Allianz endgültig zerbre-chen. Im arabisch-muslimischen La-ger werden islamistisch geprägteGruppen zum Dschihad gegen den„Großen Satan“ und seine Verbün-

deten aufrufen.53) Der religiös moti-vierte Terrorismus, aber auch ein sä-kularer arabischer Terrorismus wer-den weltweit zunehmen. Europa wirdaufgrund seiner geographischenNachbarschaft zu den Ursprungslän-dern des Terrorismus stärker betrof-fen sein als die USA.

In der säkularen Türkei werdenradikale islamische Kräfte an Bodengewinnen. Die Gefahr einer Ab-wendung von Europa wächst.

Der Irak könnte in einen kurdi-schen Nordteil, einen mittlerenRumpf-Irak und einen shiitischenSüdteil fragmentieren. Dies würdezwangsläufig im Norden die Türkei,Syrien und den Iran auf den Plan ru-fen, die einen Kurden-Staat unter al-len Umständen verhindern wollen.Käme es nicht zu einer Staatsgrün-dung oder einer weitreichenden Au-tonomie, so fühlten sich die Kurdenwieder einmal betrogen. Die Folgenwären ein kurdischer Daueraufruhrin der Region. Ein shiitischer auto-nomer Süden würde sich stark an denNachbarn jenseits von Euphrat undTigris, den Iran, anlehnen. Dies hätteunweigerlich Auswirkungen auf dasVerhältnis zu den sunnitischenNachbarn im Südwesten, Saudi-Ara-bien, Kuwait und den Emiraten. Ei-gentliche Nutznießer einer Auflösungdes Irak aber wären letztlich der Iranund Syrien, die nach der US-Definiti-on zur „Achse des Bösen“ bezie-hungsweise den „Schurkenstaaten“gehören.

Im Falle eines Angriffs könnengravierende politische Verwerfungenfür die gesamte Region nicht ausge-schlossen werden. Dies könnteschlimmstenfalls den Zusammen-bruch der „prowestlichen“ Regimein Saudi-Arabien, in Kuwait, inJordanien und in Ägypten zur Folgehaben. Selbst das syrische Regimedes säkularen Präsidenten Bashar AlAssad wäre nicht sicher, böte sichdoch den Muslim-Brüdern endlichdie Gelegenheit, die Massaker vonHama zu rächen.54) Die Risiken fürein gesichertes Existenzrechtes desStaates Israel wären schwer ab-schätzbar. Es könnte nicht ausge-schlossen werden, dass radikal-isla-mische Regime „Öl als Waffe“ be-nutzen. Die Folgen für die westlichenIndustrienationen wären katastro-phal. Muslimische Minderheiten inEuropa und den USA könnten sichzunehmend radikalisieren.

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KRIEG GEGEN DEN TERROR

Wenn aus diesem Horrorszenarioauch nur Teilstücke zuträfen, sostellt sich die Frage, ob ein Angriffauf den Irak nicht kontraproduktiv istund die Risiken nicht höher sind alsein vermeintlicher Erfolg im „Anti-Terror-Krieg“.

Friedensethische Fragen

Nach dem Entschluss der deut-schen Regierung, Soldaten nach Af-ghanistan zu entsenden, sah sich derVorsitzende der Deutschen Bischofs-konferenz, Kardinal Karl Lehmann,Mitte November 2001 veranlasst,nochmals an die friedensethischenKriterien der Kirche zu erinnern.55)

Danach bleibt militärische Gewaltimmer ein Übel, selbst wenn sie völ-kerrechtlich legitimiert ist. Als „Ulti-ma Ratio“ aber ist ein militärischerEinsatz im Rahmen eines Gesamt-konzeptes zu rechtfertigen. DerGrundsatz der Verhältnismäßigkeitder Mittel und die Schonung der Zi-vilbevölkerung sind oberstes Gebot.Lehmann erklärte weiter: „Außer-dem muss eine hinreichende Aus-sicht bestehen, dass die mit dem Ein-satz verfolgten politischen Ziele auchtatsächlich erreicht werden kön-nen“.56) So warnte der Kardinaldavor, dass weder die Öffentlichkeitnoch der Bundestag „derzeit einenausreichenden Überblick über dieGefahren möglicher Weiterungenund Eskalationen der Militäreinsätzegewinnen könne“.57) Um es andersauszudrücken: Die Informationspoli-tik der USA lässt die Partner überihre Absichten im Unklaren. Manmuss sich daran erinnern, dass dieErklärung des Kardinals unter demEindruck der Entsendung deutscherTruppen nach Afghanistan zustandekam. Um wie viel mehr trifft sie in ih-ren Kernaussagen auf einen mögli-chen Irak-Angriff zu.

Seit dem 11. September 2001war ausgerechnet der katholischeMilitärbischof, Dr. Walter Mixa, alsunbequemer Mahner immer wiederin Erscheinung getreten: „Der Ein-satz militärischer Mittel droht, selbstwenn er kurzfristig erfolgreich zusein scheint, zu einer Spirale der Ge-walt zu führen, die einen gerechtenFrieden letztlich unmöglich macht.Dies gilt zumal dann, wenn derStreitkräfteeinsatz nicht der unmit-telbaren Abwehr einer gewaltsamen

Aggression dient. ... Jeder Einsatzmilitärischer Potentiale darf im Sin-ne einer „Ultima Ratio“ nur bei klargegebenen politischen Zielen undzwar zur Wiederherstellung des wah-ren Friedens in möglichst enger Be-grenzung und unter Wahrung eineshinreichenden Schutzes der unschul-digen Zivilbevölkerung erfolgen...“58) Eine gemeinsame Erklärungder Militärbischöfe beider großenKirchen in Deutschland erinnertenach der Zustimmung des Bundesta-ges zum Einsatz der Bundeswehr im„Anti-Terror-Krieg“: „Die Anwen-dung militärischer Gewalt muss aufein unvermeidbares Maß begrenztbleiben. Sie ist ohnehin allein nichtin der Lage, die Menschen von derFessel des Terrorismus zu befreien.Politische Lösungen müssen im Mit-telpunkt stehen. Alle - Politik, Mili-tär, Medien, Öffentlichkeit - werdendarauf achten, dass die militärischenMaßnahmen ausschließlich der Wie-derherstellung eines gerechten Frie-dens dienen. Es darf von keiner be-teiligten Seite um Vergeltung undMachtgewinn gehen, sondern um denAufbau einer friedlichen, internatio-nalen Ordnung, den Schutz der Men-schenrechte und einen von wechsel-seitigem Respekt getragenen Dialogder Kulturen und Religionen“.59)

In seiner Botschaft zum Welt-friedenstag 2002 bejahte der HeiligeVater ausdrücklich das Recht aufVerteidigung gegen den Terrorismus.„Es ist ein Recht, das sich wie jedesandere bei der Wahl sowohl der Zielewie auch der Mittel an moralischeund rechtliche Regeln halten muss...“60)

Bei all dem Gesagten bestehenZweifel, ob ein möglicher Angriff derAmerikaner und Briten auf den Irakdie Kriterien friedensethischer Maß-stäbe auch nur annähernd erfüllt,ganz davon abgesehen, dass ein sol-cher Angriff nicht durch das vorhan-dene UN-Mandat gedeckt ist und dieVoraussetzungen für Artikel 51 derUN-Charta nicht gegeben sind.

Gibt es vielleicht doch alte offe-ne Rechnungen? Soll eine Pauschal-vergeltung für den 11. September2001 gegen einen aus der „Achsedes Bösen“ erfolgen? In seiner An-sprache an das Diplomatische Korpsanlässlich des Neujahrempfangesstellte Johannes Paul II., sicherlichnicht nur mit Blick auf das Heilige

Land, klar: „Waffen und blutige At-tentate werden niemals ein geeigne-tes Mittel sein, um politische Bot-schaften zukommen zu lassen. DieLogik der Vergeltung ist ebenfallsnicht geeignet, um den Weg zumFrieden zu ebnen“.61)

Fazit: Ein Angriff auf den Irak istunmoralisch und derzeit durch nichtszu rechtfertigen.

Schlussbetrachtungen

Mit den Anschlägen vom 11.September 2001 wurde die Super-macht USA erstmals auf eigenemkontinentalen Territorium getroffenund gedemütigt. Auch wenn Präsi-dent Bush einen weltweiten „Krieggegen den Terror“ zum Wohle derStaatengemeinschaft propagiert, sogeht es Washington doch in erster Li-nie um die Abwendung von Gefahrenim eigenen Land und die Sicherungeigener weltweiter Interessen.„America first“ ist die Devise, unddie Grundzüge einer Bush-Doktrinwerden immer deutlicher erkennbar:Offensive Verteidigung, Vernichtungterroristischer Strukturen und ihrerUnterstützer, Isolierung, Brandmar-kung und gegebenenfalls Kampf ge-gen „Rogue States“, die so genann-ten „Schurkenstaaten“.62) Es verstehtsich von selbst, dass die Beurteilung,wer in diese Negativliste aufgenom-men wird, alleinige Sache der Verei-nigten Staaten ist. Von Freunden undVerbündeten wird Gehorsam erwar-tet; es gibt nur zwei Positionen: Wernicht für die Vereinigten Staaten ist,ist eben gegen sie. Herbert Krempfasst die sich abzeichnende Außen-politik folgendermaßen zusammen:„Als globale Strategie antwortet dieBush-Doktrin auf eine reale Welt-gefahr. Sie enthält zwangsläufig pro-vokative Elemente. Sie diktiert einenVerhaltenskodex am Rande der Un-terwerfung. Sie steht unter Hegemo-nie-Verdacht“.63)

Im Falle des Irak gibt es keineeindeutige Beweislage für Verbin-dungen zum Terrornetz der Al Qaida,und die von dort angeblich ausgehen-de Bedrohung durch Massenver-nichtungswaffen scheint aufgeblasenund konstruiert. Es ist nicht einmalim Ansatz erkennbar, wie der Iraknach einem Sturz des Diktators in dieGemeinschaft „zivilisierter“ Staatenzurückgeführt werden soll. Ob die

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Quellen und Anmerkungen1) Roland Nelles, Saddams langer Arm, Die

Welt, 24. Februar 2001, S. 3.2) Gegen den ausdrücklichen Willen des

UN-Generalsekretärs Perez de Cuellarinstalliert der Weltsicherheitsrat aufDruck der USA nördlich des 36. Breiten-grades zum Schutze der Kurdischen Min-derheit eine Schutzzone. Südlich des 32.Breitengrades war aufgrund der UN-Re-solution 688 bereits vorher eine Flug-verbotszone zum Schutze der shiitischenMinderheit eingerichtet worden. Tatsa-che ist, dass die Shiiten mit ca. 60%Bevölkerungsanteil keine Minderheitdarstellen und über das ganze Land,wenn auch mit einem Schwerpunkt imSüden des Landes, leben.

3) Birgit Cerha, Botschaft unter Palmen,Rheinischer Merkur, Nr.30 – 2000, S.7.

4) Volker Perthes und Jochen Buchsteiner,Wie gefährlich ist Saddam Hussein wirk-lich?, Frankfurter Allgemeine Sonntags-zeitung, 24. Februar 2002, S. 3.

5) Birgit Cerha, Botschaft unter Palmen,Rheinischer Merkur, Nr. 30 – 2000, S. 7.

6) Karl Wendl, Interview mit Hans vonSponeck, 500.000 Kinder wurden Opferder Sanktionen, Welt am Sonntag, 6. Au-gust 2000, S. 32.

7) Peter Scholl-Latour, Der Verlorene Sieg,Welt am Sonntag, 6. August 2000, S. 32

Symbolfigur des von Washington ge-förderten Irakischen National Kon-gresses (INC), der Prophetennachfol-ger Prinz Sharif Ali Bin Al Hussein,ein geeigneter Kandidat für dieNachfolge ist, ist schwer zu sagen.Eines aber ist historisch belegt: BeimMachtwechsel im Irak flossen immerStröme von Blut.

Bei dieser Gemengenlage ist einKrieg gegen den Irak weder völker-rechtlich noch friedensethisch zurechtfertigen. Er ist weit vom Grund-satz der „Ultima Ratio“ entfernt.Dies haben auch die europäischenStaaten mit Ausnahme Großbritanni-ens erkannt. Es besteht offensicht-lich unter diesen Voraussetzungenkeine Neigung, einen „zeitlich unli-mitierten anti-terroristischen Wan-derkrieg“, der heute in Afghanistan,morgen im Irak und übermorgen inirgendeinem „Schurkenstaat“ statt-findet, mitzumachen.64)

Der Schlüssel zur Lösung desIrak-Problems liegt vermutlich in derWiederaufnahme der Waffeninspek-tionen und in deren Folge einer Auf-hebung des unseligen Sanktions-regimes. Dazu muss man notgedrun-gen mit dem Diktator verhandeln,und es wäre ja nicht das erste Mal,dass die USA mit Diktatoren verhan-delt haben. Auch scheint mir einewesentliche Grundlage im Umgangmit arabischen Potentaten bislangnicht genügend beachtet worden zusein: Man muss Saddam die Möglich-keit zur Gesichtswahrung geben, unddies geht nicht unter der derzeitigenDrohkulisse der Bush-Administrati-on. Im Hinblick auf Russland undChina wäre es wünschenswert, wennsich diese zusammen mit Europastärker als bislang einbringen wür-den. Seit Mai gibt es Anzeichen, dassder Irak zur Wiederaufnahme derWaffeninspektionen bereit ist, unddiese Signale gilt es – trotz schlech-ter Erfahrungen in der Vergangenheit– konsequent aufzunehmen.

Sollte es zu einem Waffengangder USA gegen den Irak kommen, somuss Bundeskanzler Schröders „un-eingeschränkte Solidarität“ auf denPrüfstand, denn mit den im Rahmenvon ENDURING FREEDOM amHorn von Afrika und im EmiratKuwait eingesetzten Truppen sindwir möglicherweise schon stärker in-volviert als wir ahnen. NachdemDeutschland im Mai die Führungüber 106 Schiffe und 45.000 Solda-

ten am Horn von Afrika übernommenhat, sind wir auch auf längere Zeit imGolf von Aden und dem ArabischenMeer gebunden und wohl oder übelstärker Bestandteil amerikanischerPlanungen als uns lieb ist. Es warauch kaum ein Zufall, dass deutscheABC-Abwehrtruppen zusammen mitamerikanischen Einheiten in Kuwaitunmittelbar vor der Haustür des Irak„übten“. Es bedarf schon einiger Na-ivität zu glauben, man könne darauskeine Schlüsse ziehen. Die Tatsache,dass der ABC-Panzer „Fuchs“ undentsprechendes Schlüsselpersonaldort auf unbestimmte Zeit stationiertbleiben, spricht dafür, dass derenNutzung auch fest eingeplant ist.

Kommt es zu einer „offensivenVerteidigung“(!), so steht Deutsch-land in einem Dilemma. Kann manunsere, wenn auch bescheideneAnti-Terror-Truppe abziehen? Kannman gar die Nutzung der in Deutsch-land gelegenen Basen der US-Streit-kräfte für einen Irak-Angriff in Fragestellen? Muss man den Export vonRüstungsgütern und „Dual Use“-Ar-tikeln für alle am Konflikt beteiligtenStaaten einstellen? Oder muss man,wie ein forscher Oppositionspolitikeres fordert, die Strategie der USA be-grüßen?65)

Der Kampf gegen den Terroris-mus ist nicht mit Bomben zu gewin-nen; er muss an der Wurzel desÜbels beginnen. Dazu muss der Wes-ten sich von seinem Überlegenheits-wahn freimachen; er muss akzeptie-ren, dass andere Kulturkreise nichtnach seinem Modell leben wollen. Ermuss dafür Sorge tragen, dass Globa-lisierung nicht zu Lasten der Schwa-chen geschieht und diese am Wohl-stand – besser gesagt, einem men-schenwürdigen Leben – Anteil ha-ben. Für die spezielle Variante einesislamistisch geprägten oder isla-misch-säkularen Terrorismus stelltder Nahost-Konflikt eine wesentlicheUrsache dar. Seiner Lösung solltedurch die USA und durch die Euro-päer höchste Priorität eingeräumtwerden, da sich danach einiges vonselbst erübrigt.

Schließlich muss zwischen denKulturen ein Dialog einsetzen, derauf gleicher Augenhöhe stattfindetund von Vertrauen geprägt ist.Unilateralismus und Drohgebärdensind für diesen Dialog wenig hilf-reich, und Verunglimpfungen wie„Achse des Bösen“ und „Schurken-staaten“ werden ihn nicht in Gangbringen.

8) Uwe Schmitt, Der Angreifer, Die Welt,19. Februar 2001, S. 2.

9) pb/DW, Powell wirbt für die Irak-Politikder USA, 26. Februar 2001, S. 7.

10) DW/rid, Afghanistan ist erst der Anfang,Die Welt, 23. November 2001, S. 7.

11) AFP, Gute Terroristen gibt es nicht, DieWelt, 12. November 2001, S. 6.

12) AFP, Bush droht Saddam Hussein mit ei-nem Angriff, Die Welt, 28. November2001, S. 6.

13) Thomas Speckmann, Die Mutter allerSchlachten, Teil II, Rheinischer Merkur,2. Mai 2002, S. 5.

14) Henry Kissinger, Jetzt rückt der Irak insVisier der USA, Welt am Sonntag, 20. Ja-nuar 2002, S. 8.

15) DW, Bush erhöht Wehr-Etat um 50 Milli-arden, Die Welt, 25. Januar 2002, S. 1.

16) George W. Bush/dpa, Die Rede im Wort-laut, Die Welt, 31. Januar 2002, S. 6.

17) Andreas Middel, Schwedens Außenmini-sterin beleidigt die USA, Die Welt, 29.Januar 2002, S. 6.

18) Peter Dausend, Grüne wollen ein „Aben-teuer Irak“ nicht unterstützen, Die Welt,5. Februar 2000, S. 6.

19) Andreas Middel, Fischer kritisiert Au-ßenpolitik von Bush, Die Welt, 10. Feb-ruar 2002, S. 6.

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29AUFTRAG 248

KRIEG GEGEN DEN TERROR

20) ebd.21) Andreas Middel, EU geht auf Distanz zu

den USA, Die Welt, 10. Februar 2002,S. 6.

22) Uwe Schmitt, Die USA nehmen keineNotiz von der Kritik Europas, Die Welt,12. Februar 2002, S. 5.

23) HS 02, Karikatur, Die Welt, 5. Februar2002, S. 6.

24) Ansgar Graw, Iraks Außenminister: USAmessen mit zweierlei Maß, Die Welt, 16.Februar 2002, S. 4.

25) Kafir, MZ Kafirun = Ungläubige, arabi-sches Schimpfwort für Nicht-Muslime.

26) Evangelos Antonaros, Es kriselt in derZweckehe zwischen Riad und Washing-ton, Die Welt, 26. April 2002, S. 7.

27) Thomas Kielinger und Uwe Schmitt, USAbitten Blair angeblich um 25.000 Manngegen den Irak/Cheneys Gastgeber, DieWelt, 11. März 2002, S. 7.

28) Geburtsort Saddam Husseins am Tigris.29) Michael Stürmer, Nicht ob, sondern

wann, Die Welt, 5. Februar 2002, S. 8.30) Thomas Elßner, Im Einklang mit der

Charta, Die Tagespost, 6. Oktober 2001,S. 3.

31) hl/DW, Union greift Fischer wegen Irak-Warnung scharf an, Die Welt, 19. Febru-ar 2002, S. 5.

32) F.A.Z., Bush droht Isolation, FrankfurterAllgemeine Zeitung, 17. Februar 2002,S. 1.

33) DW, USA planen Irak-Invasion mit 200000 Soldaten, Die Welt, 15. Februar2002, S.1.

34) ped/AFP, Schröder: Kein Irak-Angriffohne UN-Mandat, Die Welt, 16. März2002.

35) ebd.36) dpa/afp, Nahost: Die USA stellen sich

der Herausforderung, Schleswig-Holst-einische Landeszeitung, 5. April 2002,S. 5.

37) WS, Israel setzt Offensive fort - trotzWarnung der USA, Die Welt, 7. April2002, S. 1.

38) rid/DW, Sharon widersetzt sich Appellenvon UNO und USA, Die Welt, 9. April2002, S.7.

39) ebd.40) Uwe Schmitt, Bush stellt sich hinter

Ariel Sharon, Die Welt, 20. April 2002,S.6.

41) ebd.42) ebd.43) dpa, Sharons Schachzug: Ramallah ge-

gen Dschenin, Die Welt, 30. April 2002 ,S. 5.

44) Uwe Schmitt, Bush sieht eine Zukunft fürArafat, Die Welt, 8. Mai 2002, S. 5.

45) Office of Strategic Influence = Behördefür Strategische Beeinflussung, Unter-behörde des Pentagon, die im Rahmender Psychologischen Kriegsführung dieöffentliche Meinung beeinflussen soll.

46) Peter Scholl-Latour, Lügen im HeiligenLand, Siedler Verlag, 1998, Berlin, 1.Auflage, S. 65.

47) Severin Weiland, Wie die USA SaddamsSturz planen, Spiegel Online, 8. März2002.

48) Friedrich Mielke, Der Irak im Visier derAmerikaner, Schleswig-HolsteinischeLandeszeitung, 13. März 2002, S. 2.

49) Thomas Kielinger und Uwe Schmitt, USAbitten Blair angeblich um 25 000 Manngegen den Irak, Die Welt, 11. März 2002,S. 7.

50) Holger Kulick, Opposition setzt aufKrieg im eigenen Land, Spiegel Online,7. März 2002.

51) ebd.52) AFP, Minister: Notfalls Einsatz von

Atomwaffen gegen den Irak, Die Welt,22. März 2002, S. 7.

53) Dschihad wird hier im Sinne des „Heili-gen Krieges“ gegen die USA und die ge-samte westliche Werteordnung ge-

braucht. Ayatollah Khomeni bezeichnetewährend der iranischen Revolution dieUSA als den „Großen Satan“.

54) 1982 ließ der Vater des heutigen Präsi-denten, Hafiz Al Assad, die terroristi-schen Ihwan Muslimin, die Muslim Brü-der, in ihrer Hochburg Hama massakrie-ren. Konservative Schätzungen gehenvon mehr als 10 000 Toten aus.

55) Karl Lehmann, Erklärung zur Entsen-dung von Soldaten der Bundeswehr nachAfghanistan (Bischöfe besorgt wegenMilitäreinsatz), Die Tagespost, 10. No-vember 2001, S. 4.

56) ebd.57) ebd.58) rk., Fragen zum Afghanistan-Einsatz, Die

Tagespost, 17. November 2001, S. 2.59) Hartmut Löwe und Walter Mixa, Erklä-

rung zum Bundeswehreinsatz im Afgha-nistan-Konflikt (keine leichte Situationfür unser Land), Die Tagespost, 20. No-vember 2002, S. 2.

60) Johannes Paul II., Kein Friede ohne Ge-rechtigkeit, Keine Gerechtigkeit ohneVergebung, Botschaft zur Feier des Welt-friedenstages am 1. Januar 2002, DieTagespost, 13. Dezember 2001, S. 5.

61) Johannes Paul II., Finsternis kann nurdurch das Licht vertrieben werden –Hass lässt sich nur durch Liebe überwin-den, L’Osservatore Romano, deutscheAusgabe, 25. Januar 2002, Dokumenta-tion, S. 7.

62) Zur Kategorie der „Schurkenstaaten“ ge-hörten bislang Libyen, der Sudan, Syri-en, der Iran, der Irak und Nord-Korea.

63) Herbert Kremp, Die Bush-Doktrinkommt, Die Welt, 27. Februar 2002, S. 9.

64) Herbert Kremp, Amerika überschätztseinen Krieg, Die Welt, 8. Februar 2002,S. 9.

65) Peter Dausend, CDU-Außenpolitiker for-dern engeren Schulterschluss mit USA,Die Welt, 28. März 2002, S. 2.

GEFUNDEN: Islamgeistliche: Selbstmordattentate höchste Form des Martyriums

Selbstmordattentate sind nach Auffassung irakischer Islamgeistlicher „eine derhöchsten Formen des Martyriums“. Dies gelte auch für die Anschläge palästinensi-

scher Kämpfer gegen "zionistische Verbrecher und Usurpatoren", heißt es in einem vonder irakischen Nachrichtenagentur INA zitierten islamischen Richtspruch (Fatwa) vom16. April 2002. Die irakischen Ulemas erteilten demnach Selbstmordattentaten ihrenSegen und forderten alle islamischen Geistlichen auf, Richtsprüche zur Unterstützungdes Heiligen Krieges (Dschihad) zu erlassen.Ende März hatte die höchste religiöse Autorität des sunnitischen Islams, Scheich Mo-hammed Sayyed Tantawi von der Al-Azhar-Hochschule in Kairo, erklärt, solche Attentä-ter seien als Märtyrer zu bezeichnen, auch wenn bei Anschlägen etwa in jüdischenSiedlungen Frauen und Kinder getötet würden. Im Mai 2001 hatte der als moderat gel-tende Scheich noch in einer Fatwa definiert, dass nur Selbstmordattentäter, die gegenKämpfer vorgingen, als Märtyrer verehrt werden dürften. Dafür war er in der islami-schen Weit kritisiert worden. (KNA)

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

ERKLÄRUNG DES GESCHÄFTSFÜHRENDEN VORSTANDES VON PAX CHRISTI

Kein Krieg gegen den Irak!Die Europareise Ende Mai 2002 von US-Präsident George W. Bush hatgezeigt, dass die Amerikaner in nächster Zeit keine militärische Kon-frontation mit dem Irak planen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dassWashington eine Änderung der politischen Verhältnisse in Bagdad an-strebt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die nachfolgende Pax Christi Er-klärung einzuordnen.

hältnismäßige Gewalt, die unab-sehbar viele zivile Opfer fordert,unverantwortliche Risiken birgtund oftmals verdeckten Interessenfolgt.

••••• Die Bundesregierung muss sichstattdessen verstärkt für die Zu-lassung neutraler Waffeninspek-toren im Irak einsetzen.pax christi sieht die Gefahr, diedurch Massenvernichtungswaffenund Fernlenkraketen in der Handeines undemokratischen Regimesin dieser krisenhaften Regiondroht. Diese Gefahr wird aber nichtdurch Militärschläge gebannt, son-dern am ehesten durch eine akzep-tierte, weil international verantwor-tete Rüstungskontrolle – und lang-fristig durch eine weltweite Äch-tung aller ABC-Waffen.

• Die Bundesregierung muss sichfür eine gezielte Aufhebung desEmbargos gegen den Irak ein-setzen.pax christi sieht die verheerendenFolgen dieses Embargos für die Zi-vilbevölkerung, das in der Konse-quenz Saddam Husseins Positioneher gestärkt hat. Es muss jetzt da-rum gehen, Maßnahmen zu erwir-ken, die das Leben der irakischenBevölkerung erleichtern. So kön-nen Hass und Feindseligkeit ge-genüber der westlichen Welt abge-baut werden.

Seit Wochen verunsichern Mit-glieder der US-amerikanischenRegierung auch die deutsche

Öffentlichkeit: mit widersprüchli-chen und teilweise bedrohlichen An-kündigungen, wie die Bekämpfungdes internationalen Terrors fortge-setzt werden solle. Vor allem der Irakerscheint im Visier der US-Regie-rung. Zuletzt bei der Trauerfeier fürdie Opfer des 11. September in NewYork hat George W. Bush sein Volk aufeinen Krieg gegen dieses Land einge-schworen, erneut mit dem ungeheuer-lichen Begriff von der „Achse des Bö-sen“; gleichzeitig wird den Verbünde-ten immer wieder versichert, es gebekeine konkreten Vorbereitungen fürkriegerische Angriffe.

In dieser gefährlichen Situationappelliert pax christi an die Bundes-regierung, allen Überlegungen zu ei-ner kriegerischen Auseinanderset-zung mit dem Irak entgegenzuwirken.Insbesondere fordert pax christi vonder deutschen Regierung:• Die Bundesregierung darf den

Vereinigten Staaten keinerlei Be-reitschaft signalisieren, Kriegs-handlungen gegen den Irak zuunterstützen. Vielmehr muss siealles in ihrer Macht Stehendetun, um weitere Kriege zu ver-hindern, die mit Terrorbekämp-fung begründet werden.pax christi verurteilt solche unver-

• Die Bundesregierung sollte indiesem Sinne Initiativen ergrei-fen, um der UNO ein Verhand-lungsmandat für den Irak zu er-teilen.pax christi ist der Auffassung, dassdie realen Probleme in der Golf-region politisch gelöst werden müs-sen. Ein Einsatz der UNO könnteBemühungen fördern, die demo-kratischen und friedenswilligenKräfte im Irak zu stärken.

• Die Bundesregierung muss dieABC-Spürpanzer-Einheiten derBundeswehr aus Kuwait abzie-hen.pax christi sieht in dieser Maßnah-me ein konsequentes Zeichen derDeeskalation in der Krisenregion,das die Glaubwürdigkeit eines po-litischen Engagements zur Lösungdes Konflikts deutlich erhöht unddas deutsch-amerikanische Ver-hältnis nicht beschädigt.

• Auch weiteren Überlegungenund Planungen eines Krieges ge-gen Somalia muss die Bundesre-gierung eine deutliche Absage er-teilen.pax christi warnt davor, allein denNachweis möglicher Verbindungenvon Staaten zu Terrororganisatio-nen als Legitimation weiterer krie-gerischer Angriffe zu benutzen.

Weitere Kriege werden den Ter-rorismus nicht stoppen können. Siebedeuten mehr Gewalt und denNährboden für immer neuen Terror.Das Gebot der Stunde ist es, politi-sche Maßnahmen zur Bekämpfungdes Terrorismus zu ergreifen. Hiermuss Deutschland eine führendeRolle übernehmen.

Bad Vilbel, den 20. März 2002

KURZ NOTIERT: Militärschlag gegen Irak im Oktober?In Washington und London geht man in Parlamentarier-Kreisen davon aus, dass ein neuer Irak-Feld-zug in der Zeit Oktober 2002 bis Frühjahr 2003 stattfinden könnte. Die Operation zur AbsetzungSaddam Husseins würde rund 250.000 US-Soldaten erfordern. Es gebe Befürchtungen, heißt es,dass der Irak zur Abwehr eines Angriffs chemische und biologische Waffen einsetzen werde. Angeb-lich erwarten die USA auf einem informellen Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 24./25.09.Zusagen der Allianzpartner für eine gemeinsame Militäraktion. Von Deutschland erwarten die Ame-rikaner nach einem „Spiegel“-Bericht keine Bodentruppen, aber logistische und finanzielle Unterstüt-zung wie beim Golfkrieg 1991. – Außenminister Colin Powell gehört zu den Kritikern der Planung.

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31AUFTRAG 248

UNOMIG – eine friedenserhaltende Mission in GeorgienWALTER THEIS

Seit 1994 beteiligt sich die Bundeswehr an derfriedenserhaltenden Mission der Vereinten Natio-nen in Georgien, genannt UNITED NATIONS OBSERVER

MISSION IN GEORGIA (UNOMIG). Die in dieser Mission ein-gesetzten Soldaten sind ein Teil eines 108-köpfigen in-ternationalen Kontingentes aus insgesamt 23 Nationen,darunter Deutschland mit zz. elf Soldaten. Ihr Auftrag istdie Grenzzone zwischen Georgien und dem vonGeorgien abgefallenen Abchasien zu überwachen, umbewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden.

„Golf Nine, this is Four Seven; where is your loca-tion.“ Der deutsche Hauptmann Günter Neuroth,Teamleader des Golf Teams im Gali-Sector beantwortetden Funkspruch: „This is Golf Nine, I am on patrol, stillmobil in the Golf Area.“

Zusammen mit dem Patrouillen-Team ist in denTagen vor Weihnachten 2001 eine Besuchergruppe desZentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr(ZVBw) an Bord der beiden Nyalas (größere gepanzerteund minensichere Geländefahrzeuge südafrikanischerProduktion). Die Gruppe setzt sich zusammen aus demKommandeur des ZVBw, Brigadegeneral Hans Hüb-ner, der wehrübenden Truppenpsychologin des ZVBw,Oberstleutnant Dietlinde Riedel, dem Projektoffizier,Hauptmann Günther Beck, der selbst schon als Obser-ver in Georgien Dienst getan hat und die Besuchsreiseoptimal organisiert hat, und mir, dem Vertreter der Mi-litärseelsorge.

Vor Weihnachten sollten die elf deutschen Solda-ten, unter der Leitung von Oberstabsarzt Sven Jeremiasals Senior Medical Officer (SMO) und DienstältesterDeutscher Offizier (DDO), die in Georgien für sechsMonate über die Feiertage ihre Aufträge als Militärbe-obachter und als Truppenärzte und Sanitätspersonal imRahmen von UNOMIG durchführen, besucht werden.Neben den Grüßen und guten Wünschen hat die Dele-gation auch 23 Kisten mit Weihnachtsgeschenken ausder Heimat im Reisegepäck.

Nun geht es über die Straßen und Wege, die dieseBezeichnung auf weite Strecken nicht verdient haben,durch Georgien und durch die von Georgien abgefalle-ne „Republik Abchasien“. Aufgerissene Asphalt-decken, eingerahmt von riesigen Wassertümpeln, sinddie Ursachen, dass man im Inneren des Fahrzeuges hinund hier geschüttelt wird.

Das Ziel der täglichen Patrouillen-Fahrten sind Pa-trouillen-Punkte, die jeweils täglich vom „Team Lea-der“ festgelegt und bei der Morgenlage bekannt gege-ben werden. Mit guten Wünschen und dem Hinweis,trotz aller Routine vorsichtig zu sein, entlässt der Sec-tor-Commander die Teams, die ihren Namen vomNATO Alphabet abgeleitet haben.

Für das Golf-Team stehen Patrouillenpunkte an,die Gelegenheit bieten, bei abchasischen Zivil- undMilitärbehörden und bei der örtlichen Bevölkerung In-formationen zu erfragen, die das Lagebild vor Ortjeweils ergänzen sollen.

Gelegentlich brauchbare Hinweise, was die Lage inihrem Verantwortungsbereich betrifft, erhält man vonoffiziellen georgischen Amtsträgern. Die Befragung derBevölkerung lässt deren Bedürfnisse, Erwartungen undMentalität erkennen.

„Wie denn die Stromversorgung derzeit ist?“ wirdbeantwortet, „ja es gibt Strom, aber unregelmäßig vierStunden am Tag.“ – „Ob es zu Überfällen oder Ausrau-bungen gekommen ist?“ – „Nein, eigentlich nicht; derRaubversuch vor acht Tagen ist glimpflich verlaufen. Im

ABCHASIEN: Die blutigen militärischen Auseinander-setzungen nach der Unabhängigkeitserklärung von1992 endeten am 30.09.1993 mit einer Niederlageder Georgier. Den Waffenstillstand vom 14.05.1994überwachen seit Juni eine GUS-Friedenstruppe, derausschließlich Russen (rd. 1.500 Mann) angehören,und 108 UN-Militärbeobachter (UNOMIG). Verhand-lungen zur Beilegung des Konflikts blieben bisher er-gebnislos. Rund 250.000 Georgier, die während desBürgerkriegs aus Abchasien geflüchtet waren, konn-ten noch immer nicht in ihre Heimat zurückkehren.Bei einem von der georgischen Regierung nicht aner-kannten und als rechtswidrig bezeichneten Referen-dum am 03.10.1999 (Stimmbeteiligung über 87 %)stimmen 97 % der Teilnehmer für die Unabhängigkeitvon Georgien und für eine neue Verfassung, in derAbchasien zu einem „souveränem, demokratischemund internationalem Recht entsprechenden Staat“ er-klärt wird. Bei den zugleich stattfindenden Präsident-schaftswahlen wird Wladislaw Ardsinba mit 99 % derStimmen ohne Gegenkandidaten im Amt bestätigt.Die sieben UN-Mitarbeiter, die am 13. 10. entführtwurden, werden bis zum 15.10. nach Verhandlungendes georgischen Verteidigungsministers DavidTewsadse mit den Geiselnehmern freigelassen. Fünfam 01.06. 2000 entführte UN-Mitarbeiter kommenbis zum 05.06. wieder frei. Am 08.10.2001 wird einUN-Patrouillenhubschrauber über Rebellengebiet ab-geschossen. Unter den UN-Angehörigen, die dabeiihr Leben verlieren, ist der deutsche OberstabsarztDieter Eißling. (aus: DER FISCHER WELTALMANACH 2001)

UN-FRIEDENSMISSION

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Übrigen muss man sehen, wie manüber die Runden kommt. Jetzt in derErntezeit von Mandarinen und Hasel-nüssen will natürlich jeder seinen Teildavon abhaben, das ist eben so hier.“

Von der eigenen Regierung inTiflis fühlt man sich im Stich gelas-sen „Die wissen nur, was ihnen selbstgut tut“. Auf den PräsidentenSchewardnadse ist keiner gut zusprechen. „Die Deutschen reden na-türlich gut von ihm reden, schließlichverdanken sie ihm die Wiedervereini-gung, zusammen mit jenem unseligenPräsidenten Gorbatschow, der den

Zerfall der Sowjetunionverursacht und durch dieFolgen der Unabhängig-keit der ehemaligen Sowjet-Republiken wie z.B.Georgien Elend, Hass, Bür-gerkriege und Zerstörungin friedliche und durchausertragreiche Gebiete ge-bracht hat. Man muss sichdoch nur einmal umsehen.Nichts ist bisher besser ge-worden, alles ist schwieri-ger.“

Es ist bei der Fahrtdurch Städte wie Suchumiund Zugdidi durchaus er-ahnbar, welchen Charmeund Wohlstand trotz desheutigen Niedergangs, derZerstörung und trotz desZerfalls diese Städte nochausstrahlen. Damals, alsdie wohlhabenden Bürgerder Sowjetunion und derSatellitenstaaten hier nochFerien machten, konnteman es sich hier gut seinlassen.

Aber bei der Frage, vonwelchen Hoffnungen fürdie Zukunft die Bevölke-rung heute getragen wird,gibt es die Antwort: „Ei-gentlich keine, da uns janiemand hilft“. Auf Selbst-hilfe und Eigeninitiativeangesprochen, äußern dieBefragten Unverständnis;dafür sei die UN da. Diesemüsse erst einmal Voraus-setzungen für ein geordne-tes und gesichertesAlltagsleben schaffen. Sie

selbst würden sich dann organisie-ren.

Dies gibt dem PatrouillenführerAnlass, den Auftrag von UNOMIGzum wiederholten Mal zu erläutern,der eine andere Zielsetzung hat. Obman es diesmal verstehen kann oderverstehen will?

General Hübner versucht in dieapathischen Augen einen Hoffnungs-schimmer zu bringen: „Die Hoffnunglebt von vorne“. Er erzählt den auf-merksamen Zuhörern, dass er selbstVertreibung und Flüchtlingsschick-sal als Kriegskind am eigenen Leib

erlebt und erfahren musste. Die Hoff-nung habe ihn aufrecht erhalten. Undwie im eigenen Leben, so sei es auchin der Schicksalsgemeinschaft desdeutschen Volkes gewesen: Hoff-nung habe letztlich nach vielen, oftaussichtslosen Jahren zur Wieder-vereinigung in Deutschland geführt.Damit sind wir wieder beiGorbatschow und Schewardnadse,den „Übeltätern“, die anderen helfenund das eigene Volk dabei vergessen.

Die gewohnte Lethargie, verbun-den mit der Erwartungshaltung anandere, bekommt wieder ihre Recht-fertigung. Wie kann da geholfen wer-den? Die Truppenpsychologin OTLDietlinde Riedel, bestätigt uns ausihrer Sicht ein Verhaltensmuster:„Wer von sich nichts fordert und nichtgefordert wird, der fordert von ande-ren“.

Außer den Erfahrungen aufPatrouillenfahrten, galt unser Inter-esse vor allem der Begegnung mitVerantwortungsträgern für die Missi-on und mit den deutschen Angehöri-gen, um Einblicke in ihre Lebensum-stände, Erfahrungen, Probleme undinternationalen Einbindungen, sowiein deren Arbeitsbedingungen zu er-halten.

Über allen Begegnungen lag derSchatten des Abschusses eines UN-Hubschraubers am 8. Oktober 2001während einer Hubschrauberpatrou-ille im Kondori Tal. Neben anderenUN-Angehörigen und einheimischenÜbersetzern verlor der deutsche Ober-stabsarzt Dieter Eißing sein Leben.

Die Anwesenheit des Sonderbe-auftragten des Generalsekretärs derVereinten Nationen für UNOMIG,Dieter Boden, im Hauptquartier imSuchumi gab Gelegenheit zu Begeg-nung und Gedankenaustausch.

Das Problem, das ihn umtrieb,war und ist der Abschuss im KondoriTal und die politischen Hintergründe.Wurden Informationen von georgi-scher und abchasischer Seite so über-mittelt, dass beide Seiten von Rebel-lentätigkeiten vor Ort wussten und dieLage zum eigenen Vorteil und zur Be-lastung des Gegners, aber zum unver-antwortbaren Schaden der Angehöri-gen der UNO zugespitzt haben?

Verdachtsmomente in dieserRichtung sind sicher nicht zu überse-

FRIEDENSMISSION IN GEORGIEN

Der Kommandeur des Zentrums für Verifikationsauf-gaben der Bundeswehr (ZVBw) BrigGen Hans Hübner(l.) und Militärdekan Walter Theis, KMBA, besuchenden Kommandeur der UN Observer Mission, den pa-kistanischen Generalmajor Anis A. Bajwa (r.) imHauptquartier der UNOMIG.

BrigGen Hans Hübner begleitet den Führer des GolfTeams Hptm Günter Neuroth auf einer Patrouillen-fahrt und verschafft sich einen Überblick über denGali-Sektor. Im Hintergrund die schneebedecktenHänge des Kaukasus-Gebirges, das Höhen von über5.000 m erreicht.

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hen, vor Spekulationen muss mansich jedoch hüten. Unausdenkbarwäre es für das gegenseitige Vertrau-en derer, die gemeinsam in dieser ge-orgischen Region eine Grundlage fürdie Zukunft legen wollen, wenn die-ser Verdacht sich zur Gewissheit er-härten sollte.

Beim Besuch des Kommandeursder UN Observer Mission, dem pa-kistanischen Generalmajor Anis A.Bajwa, waren es die militärischenund die einsatzbezogenen Umstände,die ihn und seinen Stab in Suchumiumtrieben. Fragen wie: „War dieseHubschrauberpatrouille im Hinblickauf die vorausgegangenen Beobach-tungen von Rebellen nötig?“, beweg-ten auch ihn. Zwar gaben die abcha-sischen Stellen Entwarnung und da-mit grünes Licht. Ungewissheit undVermutungen bleiben auch hier.

Natürlich stellte sich für diedeutsche Delegation auch die Fragenach der Motivation der Soldaten, dieam UN-Einsatz teilnehmen. Die Ant-wort auf diese Frage sieht der pakis-tanische General für seine pakistani-schen Kameraden so: „Es ist der Wil-le der Staatengemeinschaft der Verein-ten Nationen, mit militärischen Kräf-ten, wenn auch unbewaffnet, Sicher-heit für die geplagte Bevölkerung zuschaffen. Natürlich sucht man auchinternationale Erfahrungen zu gewin-nen.“ Für unsere deutschen Ohrenklang ein drittes Motiv ungewohnt:„Für die Ehre meines Vaterlandes ein-zustehen und die Professionalität mei-ner Streitkräfte im internationalen Be-reich einbringen zu dürfen.“

Diese bringen die Soldaten, undnicht zuletzt unsere deutschen Solda-ten, in ihren Funktionen als Observerund als Sanitätspersonal für alle An-gehörigen der UN Mission in der Tatein. Kein ungefährlicher Job, deraber mit Sachverstand, Sensibilität,Engagement und internationaler Of-fenheit nicht nur erledigt, sondernTag für Tag gelebt wird.

Englisch ist zur zweiten Mutter-sprache geworden; da spielt die nati-onale Herkunft eine nur untergeord-nete Rolle, nur die gemeinsame Auf-gabe zählt und die dabei erlebte ge-genseitige Verlässlichkeit, die letzt-lich über den Erfolg entscheidet.

Als Außenstehender hat man den

Eindruck, dass auch dieRahmenbedingungen für dieArbeit stimmen. Da die UNsich nicht um die Unterbrin-gung ihrer Angehörigenkümmert, haben diese selbstdiesen nicht unerheblichenTeil ihres sechsmonatigenAufenthalts in Georgien zuorganisieren. Bei georgi-schen Familien haben siesich eingemietet. Traditio-nell übergibt man dieseQuartiere an die nachfolgen-den Kontingentangehörigen.So spricht man mittlerweiledavon, dass man im „Deut-schen Haus“ im „SchweizerHaus“ oder „SchwedischenHaus“wohnt. Die Herzlichkeit zwi-schen Soldaten und den„Gasteltern“ ist unübersehbar.

Für mich, als den begleitendenMilitärgeistlichen war es eine Selbst-verständlichkeit, bei einer solchenBesuchsreise den deutschen Ange-hörigen von UNOMIG adventlich-vorweihnachtliche Gottesdienste an-zubieten. An zwei Standorten bot sichdiese Möglichkeit an, in Gali und inZugdidi:

Der 3. Adventssonntag war zu-gleich das Ende des FastenmonatsRamadan. Die moslemischen Ange-hörigen der UN-Mission versammel-ten sich mit ihrem moslemischen Be-fehlshaber in Gali. Mit einemGebetsgottesdienst am Vormittag imumgestalteten Briefingraum wurdedie „Heilige Zeit“ beendet. Selbst-verständlich wurden wir zu dieserForm islamischer Gottesverehrungals Gäste eingeladen, was wir dank-bar annahmen. Bei der anschließen-den geselligen, fast ausgelassen Fei-er nach dem Gottesdienst durften wirebenso Gäste dieser moslemischenGemeinschaft sein.

Es war schon eine Art von Betrof-fenheit, die man spürte, als dann amAbend dieses Tages im selben Raumunser christlicher Gottesdienst statt-fand. Dazu hatten wir wiederum diemoslemischen Soldaten eingeladen.Ich hatte dabei den Eindruck, dassdiese Einladung nicht nur aus Grün-den der Höflichkeit angenommenwurde. Denn mit großem Interesseverfolgten unsere Gäste unseren Got-tesdienst.

Der gemeinsame Auftrag, dastägliche Miteinander in der nichtimmer risikolosen Erfüllung diesesAuftrags, schafft Nähe und Vertraut-heit sowie gegenseitiges Verständnis.Dadurch wird, trotz der Verschieden-heit der Religionen, die jeweilige re-ligiöse Identität gewahrt. Neugierdewird geweckt, wie der jeweils andereseine Religiosität im gottesdienstli-chen Vollzug realisiert, ohne diesenanderen dabei stören zu wollen.

Ein Erlebnis, das Hoffnung ge-ben kann in einer Situation, die gera-de auch auf diesem Gebiet der kul-turell-religiösen Differenzen zwi-schen den beiden Religionen vieleFragen und Spannungen bietet. –Ähnliches erlebten wir beim Gottes-dienst in Zugdidi.

Wenn vom Einsatz unserer deut-schen Soldaten bei uns in der Heimatkaum geredet und ihr Engagementund ihre Leistungen, aber auch ihrRisiko daher kaum bewertet wird,sollte das Schweigen darüber ausdem gegebenen Anlass unserer Be-suchsreise mit diesem Beitrag unter-brochen werden. Es geschieht ausRespekt und Dankbarkeit vor demDienst der Soldaten und in Würdi-gung des Verzichtes, den die Ange-hörigen dieser Soldaten über einelange Zeit so selbstverständlich tra-gen, der aber zu bestimmten Zeitenwie Weihnachten und dem Jahres-beginn besonders schmerzlich emp-funden wird. ❏

Humanitäre Hilfe spielt bei der Erfüllung vonmilitärischen Friedensaufträgen für den Ethos desSoldaten eine wichtige Rolle. BrigGen Hübnerbesucht einen von UNOMIG betreuten Kindergarten.

(Fotos W. Theis)

UN-FRIEDENSMISSION

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

von politischen Entwicklungen nach-haltig auf die Zukunftschancen undLebensbedingungen von Kindern undJugendlichen auswirken. Beispielhaftdafür steht der Prozess der Erweite-rung, Vertiefung und Integration inEuropa. Mit ihm ist die Hoffnung ver-bunden, dass tiefgreifende Verände-rungen in Europa durch Kooperationund Interessenausgleich erfolgen.

Diese Hoffnung ist um so not-

wendiger, da 1998 in Europa einKrieg ausgetragen wurde, der in sei-ner friedensethischen BeurteilungAnlass für das Positionspapier ist.Der Krieg im ehemaligen Jugoslawi-en, die Lähmung der Vereinten Nati-onen und das Vorgehen der NATOunter Einschluss der BundesrepublikDeutschland machten es notwendig,neue und grundsätzliche Positionenfür eine zukünftige Friedens- und

Einleitung

Frieden fördern und gestalten istHerausforderung und Aufgabe katho-lischer Jugendverbände. Im Interes-se von Kindern, Jugendlichen undjungen Erwachsenen wollen sie dafüreinen friedensethisch und sicher-heitspolitisch begründeten Beitragleisten. Dies geschieht zu einemZeitpunkt, an dem sich eine Vielzahl

Bei der Hauptversammlung vom 25.-28. April 2002in Altenberg verabschiedete der Bund der Deut-schen Katholischen Jugend (BDKJ) u.a. zwei Be-

schlüsse, die sich mit friedensethisch und sicherheits-politisch relevanten Themen befassen. So sprach er sich fürdie Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und die Ein-führung einer Freiwilligenarmee aus. Die Delegiertenstimmten einer Erklärung zu, dass nach Ende des Ost-West-Konflikts die Begründung für größere Streitkräfte hin-fällig sei. Zudem stelle die allgemeine Wehrpflicht einen zustarken Eingriff in die Lebensplanung junger Männer dar.In dem Beschluss „Frieden fördern und gestalten“ fordertder BDKJ die Stärkung einer vorbeugenden Friedens- undSicherheitspolitik. Dazu sei der Ausbau internationalerSicherheitsstrukturen notwendig. Der Einsatz militärischerMittel sei nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigtund an enge Bedingungen gebunden. Beide Beschlüsse –„Friedensethische und sicherheitspolitische Grundlagendes BDKJ“ und zur „Allgemeinen Wehrpflicht“ – werdennachstehend unkommentiert veröffentlicht.

Knuth Erbe als BDKJ-Bundesvorsitzender bestätigtKnuth Erbe (32), Diplomsoziologe, bleibt hauptamt-

lich Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Ka-tholischen Jugend (BDKJ). Erbe wurde im Rahmen deram Sonntag beendeten Hauptversammlung in Odenthal-Altenberg mit 78 von 86 Stimmen in seinem Amt bestä-tigt. Er hatte als Einziger für den Posten kandidiert.

Das Amt des Bundespräses bleibt vakant, nachdemRolf-Peter Cremer nicht wieder zur Wahl angetreten warund es mit dem designierten Nachfolger Meinungsver-schiedenheiten über die Ausgestaltung der Rolle gegebenhatte; Cremer will die Aufgabe bis zur im November ge-planten Wahl eines Nachfolgers kommissarisch wahrneh-men. Wie in den Jahren zuvor konnte auch für das Amteines ehrenamtlichen Bundesvorsitzenden kein Kandidatgefunden werden. Die Amtszeit der zweiten hauptamtli-chen Bundesvorsitzenden Gaby Hagmans endet im nächs-ten Jahr. Beim BDKJ gibt es im Vorstand jeweils einen

Sicherheitsethische und sicherheitspolitische Beschlüsseder Hauptversammlung 2002 des BDKJ

Mann und eine Frau ab hauptamtlichen und ehrenamtli-cher Bundesvorsitzenden sowie einen Präses.

Erbe stammt aus dem schleswig-holsteinischen BadSchwartau. Von 1992 bis 1995 war er BDKJ-Vorsitzenderin dem Bundesland, von 1995 bis 1999 ehrenamtlicherDiözesanvorsitzender im Erzbistum Hamburg. 1999 über-nahm er neben Hagmans den hauptamtlichen Vorsitz desJugenddachverbandes.

„Wahlalter auf 16 heruntersetzen“Der BDKJ forderte auch eine Absenkung des Wahlal-

ters auf 16 Jahre. In diesem Alter seien die Jugendlichenbereits zu einer eigenen Wahlentscheidung fähig, heißt esin einem Beschluss. Weiter seien Ausbildungs- und Qua-lifizierungsmaßnahmen nötig, um Jugendlichen eine Pers-pektive auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Der Verbandsprach sich zudem für einen tragfähigen Generationen-vertrag sowie ein „Bündnis für Bildung“ aller beteiligtenInstitutionen und Verantwortlichen aus. Ganztagsschulenbefürwortet der BDKJ als eine Wahlmöglichkeit unter vie-len. Auch über das Modell der Ganztagsschule hinaus seieine Diskussion über Betreuungsangebote im Nach-mittagsbereich dringend erforderlich.

BDKJ stellt Demokratieförderpreis einDer Verband beschloss, seinen Demokratieförder-

preis einzustellen. Die Auszeichnung zur Förderung einesinnerkirchlichen Demokratisierungsprozesses habe sichnicht etablieren können, sagte Erbe. So sei der erstmals1997 verliehene Preis in der Öffentlichkeit kaum wahrge-nommen worden. Von Anfang an habe Unklarheit überEntscheidungsträger und Verbandsanbindung des Preisesgeherrscht, so Erbe. In den vergangenen Jahren waren dasFrauenforum der Diözese Augsburg, Hans Joachim Meyervom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) so-wie Maria Elisabeth Thoma vom Sozialdienst katholischerFrauen (SkF) ausgezeichnet worden. – Der BDKJ hat alsDachverband von 16 katholischen Kinder- und Jugend-verbänden rund 650.000 Mitglieder. (PS/KNA)

Frieden fördern und gestaltenFriedensethische und sicherheitspolitische Grundlagen des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)

POSITION DES BDKJ 2002

-BESCHLUSS:

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Sicherheitspolitik aus Sicht der ka-tholischen Jugendverbände zu entwi-ckeln. Die Terroranschläge in denUSA am 11. September 2001 und dieanschließenden militärische Aktio-nen haben mit erschreckender Deut-lichkeit gezeigt, wie weit eine globaleFriedensordnung noch entfernt undwie dringend ihr Aufbau ist

Der Beschluss steht in der Tradi-tion der Arbeit katholischer Jugend-verbände, sich mit Fragen der Frie-densethik, der Sicherheitspolitik undder Wehrform zu befassen.

Theologische Orientierung

Der Auftrag, Frieden zu stiftenund Frieden zu erhalten, gehört zuden grundlegenden Aufgaben vonChristinnen und Christen. Er ist be-gründet im Lebensbeispiel JesuChristi. Er hat Gewaltlosigkeit nichtnur gepredigt, sondern gelebt. JesusChristus ist der Botschafter für denFrieden, den Gott schafft (vgl. Eph2,14). Dieser Friede ermutigt Christ-innen und Christen darin, Botschaf-terinnen und Botschafter des Frie-dens zu sein. Gottes Friede ist derumfassende Friede, der im bibli-schen Verständnis des „Schalom“begründet ist. Schalom ist nur denk-bar in der Beziehung zu Gott, dem ei-gentlichen Garant für Frieden, Lebenund Heil. Der Prophet Micha hat die-sen endzeitlichen Schalom in einemBild beschrieben: „Und sie werdenihre Schwerter umschmieden zuPflugscharen und ihre Speere zuWinzermessern.“ (Mi 4,3). Dies istein biblisches Bild, das Grundlageist, wenn Christinnen und Christenvom Frieden sprechen.

Christlich begründetes und ge-leitetes Handeln für Frieden, Ge-rechtigkeit und Bewahrung der na-türlichen Lebensgrundlagen steht ineinem unauflöslichen Spannungs-bogen zwischen dem „schon“ und„noch nicht“. Anders als der verhei-ßene Friede Gottes, den Christinnenund Christen als zugesagte Heilsbot-schaft deuten können, ist der auf Er-den erreichte Friede nie vollkom-men. Er bleibt eine Aufgabe, um diedauerhaft gerungen werden muss.Der Mensch, geschaffen von Gott„nach seinem Bild und Gleichnis“,welches die unveräußerliche Würde

des Menschen aber auch seine Mit-verantwortung begründet, muss füreine politische Weltordnung einste-hen, in der die universalen Men-schenrechte gültig sind.

Für Christinnen und Christen istder Einsatz von Gewalt zur Lösungpolitischer Probleme und zur Über-windung von Konflikten kein an-wendbares Mittel. Gewalt erzeugtimmer Gegengewalt. Aus menschli-cher Hilflosigkeit in einer Situation,in der Menschen leiden, vertriebenoder getötet werden, können sichChristinnen und Christen genötigtsehen, militärische Mittel als äußers-tes Mittel neben den ununterbroche-nen diplomatischen Beziehungeneinzusetzen, damit Menschen nichtweiter Opfer von Gewalt werden.

Dabei darf die Entscheidung fürden Einsatz von Gewalt nicht leicht-fertig getroffen werden.

Um diesem Dilemma, das imErnstfall nie eindeutig auflösbar ist,zu entgehen, muss aus christlicherSicht alles getan werden, Konfliktepolitisch zu entschärfen und zu lö-sen. Dabei kommt dem zivilen Unge-horsam und Strategie der Verweige-rung nicht erst im Extremfall, son-dern schon im Sinne einer Präventionvorrangige Bedeutung zu.

Analysen und Entwicklungen

Weltfriede und Globalisierung zuBeginn des 21. Jahrhunderts

Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes haben sich die Perspekti-ven der Wahrnehmung drängenderFriedensaufgaben verschoben. An-stelle der existenzgefährdenden Be-drohungen zwischen den ehemaligenBlöcken und ihren militärischenKonfrontationen gerade in den Län-dern des Südens steht jetzt eine Viel-zahl von Konflikten, welche die Situ-ation komplexer und unübersichtli-cher machen.

Neben den positiven Folgen derGlobalisierung, wie der immer stär-ker werdenden Vernetzung und demAustausch von Informationen undder immer stärkeren Anerkennungder universalen Menschenrechte be-steht die Gefahr, dass sich der Blickzu stark auf die Verbesserung derRahmenbedingungen weltweitenWettbewerbs verengt. Diese Welt-

sicht bewirkt gleichzeitig einenimmer größeren Konkurrenzdruck,der in allen Lebensbereichen spür-bar wird. Folgen und Auswirkungentreffen in erster Linie die Länder derDritten Welt und ökonomisch be-nachteiligte Gruppen auch bei uns.Die Verantwortung für die daraus re-sultierenden Gefährdungen tragenvornehmlich die hochindustrialisier-ten Staaten des Nordens. In der Be-schreibung von „neuen Bedrohungenaus dem Süden“ setzen sie anstelledes überwundenen Ost-West-Gegen-satzes als neues Feindbild „DritteWelt“ oder den „Islam“ . Dagegenwerden entsprechende Abwehrstrate-gien entwickelt, die zum Beispiel da-rin bestehen können, sich gegen Zu-wanderung abzuschotten.

Zunehmend gerät in den Blick,dass Gefährdungen des Weltfriedensin dem ungezügelten Raubbau anden natürlichen Lebensgrundlagenliegen. Gefährdungen und Zerstörun-gen der natürlichen Lebensgrund-lagen gelten heute schon als Ursachefür Kriege, weil ökonomische Inter-essen weltweit agierender Konzerneweiterhin vorrangig zu Lasten derÖkologie gehen.

Weltweit agierende kriminelle undterroristische Gruppierungen

Die Zukunft von Frieden und Si-cherheit ist nicht mehr ausschließ-lich von Staaten und ihren Regierun-gen abhängig. Neue Akteure, wieweltweit operierende kriminelle Ver-einigungen, werden eine größere Be-deutung erhalten. Bedrohungen erge-ben sich dabei durch eine Auswei-tung der internationalen Kriminalität(z.B. dem Drogenschmuggel), derProliferation von Waffen, insbeson-dere von Massenvernichtungsmit-teln, der Kriminalität im Bereich derInformationstechnik sowie durch dieAusweitung religiösen Fundamenta-lismus.

Der weltweit agierende Terroris-mus als besondere Form privat orga-nisierter Gewalt mit politischer Ziel-setzung stellt die Staatengemein-schaft vor neue Herausforderungen.Die Ursachen für den Terrorismussind vielfältig. Eine der Ursachen ist,dass in den weltweiten Prozessen derGlobalisierung die strukturellen Un-gerechtigkeiten zwischen den Staa-

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

ten instrumentalisiert werden unddamit den Nährboden für fundamen-talistische Bestrebungen bilden. An-dere Gründe liegen in historischenErfahrungen, wie z.B. dem Kolonia-lismus oder den Ängsten vor einerÜberfremdung durch eine westlicheModernisierung.

Der weltweit operierende Terro-rismus als Form der privatisiertenGewalt lässt sich nur schwer in denKategorien der Völkerrechts fassen.Seine Bekämpfung unterliegt aberden gleichen Prinzipien, die generellfür die Vermeidung von gewaltsamenKonflikten gelten.

Zusammenleben in einer Welt mitvielen Kulturen

Ein Zusammenrücken der Weltdurch Medien und reale Kontakte be-deutet auch eine Konfrontation ver-schiedener Kulturen und Religionen.Nichtkennen und Nichtverstehen desanderen sowie Gegensätze in Welt-anschauung und politischer Ausrich-tung führen zu einem Konflikt-potenzial, das über den Einzelnen hi-nausgeht und immer wieder in Kriegezwischen Gruppen oder Staaten ver-schiedener Kultur und Religionmünden.

Sicherheit und Stabilität in EuropaMit dem Ende des Ost-West-

Konfliktes, der Herstellung der staat-lichen Einheit Deutschlands sowieden daraus resultierenden Prozessender Erweiterung und Vertiefung derEuropäischen Union sind hoffnungs-volle Aufbrüche verbunden. Dabeikann mit der Europäischen Unioneine Staatengemeinschaft aufgebautwerden, die sich in den letzten Jah-ren von wirtschaftlichen Zusammen-schlüssen zu einer Gemeinschaft desFriedens und des Rechts entwickelthat.

Trotz dieser positiver Entwick-lungen bei der Kooperation und Inte-gration in Europa bleiben Friedens-gefährdungen bestehen. Die Konflik-te im ehemaligen Jugoslawien habengezeigt, wie brüchig der Friede auchin Europa sein kann. Dies gilt vor al-lem für die Staaten, die nicht am Pro-zess der europäischen Integration be-teiligt sind. Zentrale Ursache fürfriedensgefährdende Entwicklungensind dabei insbesondere nicht-mili-

tärische Risiken, wie sie sich infolgesozialer Verwerfungen, Massen-migration, Unterdrückung von ethni-schen Minderheiten oder als Folgevon Kriegen in der Auseinanderset-zung um Ressourcen und natürlicheLebensgrundlagen ergeben.

Unsere Visionen

Im Interesse der nachwachsen-den Generation, der Kinder und derJugendlichen und für ihre Zukunfts-chancen wollen die katholischenJugendverbände Chancen und Visio-nen für die Überwindung jeder Formdes Krieges formulieren. Ihre Hoff-nung bezieht sich auf eine Welt, inder es keine Waffen mehr gibt und inder Frieden mehr ist als nur diezeitweise Abwesenheit des Krieges,eine Welt, in der Kinder und Jugend-liche in allen Ländern ohne Furchtvor Krieg leben können. Die bibli-sche Friedensvision sowie Jesu Le-ben und Forderungen des Gewaltver-zichtes und der Feindesliebe bleibendabei das Leitbild, wenn sie in deraktuellen politischen Situation eineVision entwickeln, wie dafür eineFriedens- und Sicherheitspolitik aus-sehen muss. Dabei geht die Visionnicht vom Ende der Konflikte aus.Vielmehr sollen Wege aufgezeigtwerden, wie Konflikte zukünftig ohneGewalt ausgeglichen und zivil gere-gelt werden können.

Aus der Perspektive des Evange-liums ist es möglich, Kriterien undBedingungen für einen „politischenFrieden“ zu konkretisieren. In einemdynamischen Prozess ist der „politi-sche Friede“ für die katholischenJugendverbände an einem sechs-fachen Ziel ausgerichtet: gleicheChancen für die Entwicklung allergesellschaftlichen und nationalenGruppen, gleiche Chancen zurmenschlichen Entfaltung von Frauenund Männern, soziale und internatio-nale Gerechtigkeit herzustellen, To-leranz und Akzeptanz unter den ver-schiedenen Religionen und Kulturenzu fördern, eine Völkergemeinschaftohne Krieg und Gewalt aufzubauenund dem Schutz der natürlichenLebensgrundlagen Geltung zu ver-schaffen.

Visionen und Optionen aus derPerspektive der biblischen Botschaft

vom Frieden machen es notwendig,die Lehrtradition, mit der die Kirchehoffte, den Krieg zu humanisieren,abzulösen. Dringlich ist, eine Lehreder Bedingungen und Voraussetzun-gen eines „gerechten Friedens“ fort-laufend theologisch zu begründen.Leitbild der kirchlichen Lehre ist der„gerechte Friede“, welcher die Logikder Gewalt durchbricht und die Ge-wöhnung an das Mittel der Gewaltan-wendung verhindert.

Die Förderung und Sicherungdes politischen Friedens fällt zuallererst in den Kompetenzbereichund in die Verantwortung der Politikder Staaten. Diese sind den ethi-schen Grundsätzen verantwortlichenpolitischen Handelns und Entschei-dens verpflichtet. Die Schaffung ei-ner politischen Friedensordnung istaber auch die Aufgabe aller Kräfteder Zivilgesellschaft.

Prävention vor Intervention

Entwicklung einer gerechtenWirtschafts- und Sozialordnung

Die Herausforderungen der Glo-balisierung, die alle ökonomischen,politischen, sozialen, ökologischenund kulturellen Felder immer mehrdurchdringen, machen es notwendig,umfassende politische Antworten zuformulieren. Es bedarf auch einerneuen und gerechten Weltwirt-schafts- und Sozialordnung, um ge-walttätige Konflikte zu vermeiden.

Eine neue Weltwirtschafts- undSozialordnung kann nur dann er-reicht werden, wenn die Verdichtungder internationalen Zusammenarbeitdurch internationale Institutionenmit verbindlichen Kooperationsre-geln vereinbart wird. Dazu sind Ver-änderungen auf drei Ebenen notwen-dig, die sich wechselseitig bedingen:• eine durchgreifende sozioökono-

mische und politische Struktur-reform in den Entwicklungs- undTransformationsländern,

• die Herstellung fairer weltwirt-schaftlicher Rahmenbedingungen,die den Entwicklungs- und Trans-formationsländern bessere Start-chancen eröffnen und ihnen größe-re Handlungsspielräume für eineökologisch-soziale Entwicklung inden eigenen Regionen ermögli-chen,

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• eine wesentliche und grundlegendeVeränderung in den Interessen-, Be-wusstseins- und Konsumstrukturenin den Industrienationen, die bisherdie Weltwirtschaft dominieren.

Damit eine Weltwirtschafts- undSozialordnung sich gerecht entwi-ckeln kann, müssen demokratischeKontrollmechanismen unter Beteili-gung möglichst vieler ebenso weiter-entwickelt werden. Dazu muss dieSouveränität der Staaten angemessenerhalten bleiben. Das Prinzip derSubsidiarität bleibt wirksam.

KonfliktpräventionDie neuen Herausforderungen der

sich wandelnden friedens- undsicherheitspolitischen Rahmenbedin-gungen machen es notwendig, Frie-dens- und Sicherheitspolitik neu aus-zurichten. Ziel einer solchen Neu-ausrichtung ist es, einer Politik denVorrang zu geben, die durch Kon-flikterkennung und Anwendung vonvertrauensbildenden Maßnahmenfrühzeitig die Eskalation von Konflik-ten in und zwischen den Staaten zuverhindern sucht. Die Prävention setztdort an, wo Konfliktursachen auszu-räumen sind: wirtschaftliche Not, so-ziale, kulturelle, religiöse undgeschlechtertypische Ungerechtigkei-ten und Unterdrückung von Minder-heiten und politisch Andersdenken-den. Es ist die vorrangige Aufgabe derPolitik, Konfliktursachen frühzeitig zubekämpfen, sozialen Ausgleich undGerechtigkeit herzustellen und in derNachsorge von Konflikten verletzteRechte wieder herzustellen, um soden Einsatz von Gewalt überflüssig zumachen. Zukünftige Friedens- undSicherheitspolitik muss das Ziel ver-folgen, im Zusammenwirken staatli-cher und nichtstaatlicher Akteure ei-ner „Strategie der Prävention“ denVorrang vor einer „Strategie der Inter-vention“ einzuräumen.

Zu einer langfristigen zivilenKonfliktprävention gehört insbeson-dere die Stärkung von zivilgesell-schaftlichen Strukturen in den kon-fliktgefährdeten Ländern. Diese be-inhaltet die Förderung von demokra-tischen Elementen wie den Aufbauvon Parteien, Gewerkschaften, unab-hängigen Medien und einer eigen-ständigen Justiz. Zur Stärkung dieser

zivilgesellschaftlichen Elemente istbesonders die Aus- und Fortbildungder Verantwortlichen zu fördern, dievon internationalen Organisationenbzw. den nationalen Regierungenund Nicht-Regierungsorganisationenübernommen werden kann.

VölkerrechtDas grundlegend gewandelte

sicherheitspolitische Umfeld machtStrukturanpassungen sowohl für in-ternationale Organisationen und de-ren regionale Abmachungen als auchder europäischen und nationalenSicherheitsstrukturen erforderlich.Die Errichtung des InternationalenStrafgerichtshofs ist ein großerSchritt in diese Richtung. Jetzt mussdarauf hingearbeitet werden, dassalle Staaten sich seiner Gerichtsbar-keit unterwerfen. Völkermord, Ver-brechen gegen die Menschlichkeitund sexuelle Gewalt als Mittel derKriegsführung sind sanktionsfähigeTatbestände, die international ver-folgt werden müssen und nicht durchHinweis auf die nationale Souveräni-tät der Strafverfolgung entzogen wer-den dürfen.

Bislang sind die inneren Belangeder Staaten, sofern sie nicht im Rah-men von internationalen Verträgengeregelt sind, völkerrechtlich derEinwirkung von außen entzogen. Damit dem traditionellen Hinweis aufdie Souveränität der Staaten häufigein Blankoscheck für alle möglichenWillkürakte im Inneren verbundensind, ist eine Weiterentwicklung indieser Auffassung festzustellen. Zu-nehmend setzt sich die Auffassungdurch, dass die Menschenrechte, wiein der Allgemeinen Menschenrechts-erklärung und den VN-Konventionendefiniert, universal sind, demzufolgedie Menschenrechtssituation in ei-nem Land nicht zu dessen „innerenAngelegenheiten“ zu zählen ist. DasVölkerrecht muss deshalb an dieserStelle weiterentwickelt werden, daeine Vielzahl von Konfliktursacheninnerhalb von Staaten zu finden sind.

Der Verstoß gegen die völker-rechtlichen Regelungen darf nichtweiterhin folgenlos bleiben. Viel-mehr sind die unterschiedlichen For-men der Sanktionen mit dem Zielweiterzuentwickeln, die politischVerantwortlichen zu isolieren und

die Zivilbevölkerung zu schützen.Dazu gehören u.a. Wirtschaftsboy-kotte und der zeitweise Ausschlussaus internationalen Gremien. DieEntscheidung über die Durchführungder Sanktionen muss den dafür zu-ständigen internationalen Organisati-onen vorbehalten werden.

Förderung eines Miteinandersder Kulturen

Die Herausforderung einer Ge-sellschaft, in der unterschiedlicheKulturen und Religionen aufeinan-dertreffen, werden größer und mün-den immer öfter in nicht nur lokaleKonflikte und Krieg ein. Gefragt istein Miteinander, in dem die einzel-nen Religionen und Kulturen ihrRecht und ihre Freiheit haben, so-lange sie sich an den allgemeinenMenschenrechten orientieren undnicht selber zu Unfreiheit, Ungerech-tigkeit und Unterdrückung beitragen.

Toleranz und Akzeptanz sind dieWege, ein friedliches Miteinander zufördern. Voraussetzung dazu sind dieBegegnung, das gegenseitige Ken-nenlernen und Vertrautmachen, dieAuseinandersetzung mit Unterschie-den und Schwierigkeiten und die Su-che nach einer gemeinsamen Basisan Werten. Die Frage der Werte-vermittlung gerade an Kindern undJugendlichen ist dabei ein Ansatz,eine zukünftige Generation als einer„Generation des Friedens“ zu er-zeihen.

Europäische Union (EU)Die notwendige Entwicklung ei-

ner „europäischen Sicherheits- undVerteidigungsidentität“ als Teil deseuropäischen Prozesses der Erweite-rung und Vertiefung darf nicht dazuführen, dass Europa selbst militäri-sche Großmacht in dem Sinne wird,dass neben der NATO ein weiteresMilitärbündnis entsteht. Vorrangigsind europäische sicherheitspoliti-sche Interessen durch die Stärkungder in der VN und der OSZE vorhan-denen Strukturen zu gewährleistenund nicht durch eigene und zusätzli-che Militärpolitik zu unterlaufen. Eineigenständiger europäischer Sicher-heits- und Verteidigungsbeitrag musssich in die Strukturen von VN undOSZE integrieren und diese unter-stützen.

POSITION DES BDKJ 2002

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Prävention vor Intervention be-deutet für die Europäische Unionauch und gerade, dass Austausch undKooperation von Kindern und Jugend-lichen der Mitgliedstaaten unterein-ander und mit denen anderer Staatenweiter und stärker gefördert werden.

Organisation für Sicherheit undZusammenarbeit in Europa(OSZE)

Die VN bedürfen der Ergänzungdurch regionale Organisationen, umeine effektive Friedens- und Sicher-heitspolitik durchzuführen. Für deneuropäischen Raum hat sich dafürdie OSZE für eine verbesserteKrisenprävention erfolgreich etab-liert. Die Chance der OSZE liegt inder Integration aller Staaten dernördlichen Hemisphäre und ihrereindeutigen präventiven Ausrich-tung. Dem Grundsatz folgend„OSZE-first“ gilt es deshalb durcheine verbesserte Organisationsstruk-tur der Option für die OSZE Nach-druck zu verleihen und sie als inte-gralen Bestandteil der Friedens- undSicherheitspolitik stärker zu veran-kern. Ein frühzeitiges Erkennen,rechtzeitiges diplomatisches Gegen-steuern und Regelung der friedlichenKonfliktbeilegung durch Entschei-dungen von Schiedsgerichtshöfensind wirksame Instrumente, die esauszubauen und zu stärken gilt.

North Atlantic TreatyOrganization (NATO)

Die NATO hat die Sicherheit ih-rer Mitgliedsstaaten gegen Angriffevon außen zu sichern. Dieses ist ihrebleibende Aufgabe, solange Risikengegenüber diesen Mitgliedstaatenbestehen. Die NATO darf sich nichtzu einer unabhängigen Parallelstruk-tur gegenüber den VN und anderenkooperativen Sicherheitsstrukturenentwickeln. Sollten die sicherheits-politischen Risiken der Mitglieds-staaten sich weiter verringern, musslangfristig eine Überprüfung der Not-wendigkeit der NATO eingeleitetwerden.

Vereinte NationenEine wirksame und nachhaltige

friedensfördernde Politik der inter-nationalen Staatengemeinschaftmuss darauf abzielen, die Vereinten

Nationen (VN) in der Wahrnehmungihrer Aufgaben zu stärken und dafürdie notwendigen Instrumente bereit-zuhalten. Eine Reform der VN ist vonelementarer Bedeutung, um ihreHandlungsfähigkeit zu stärken. Dazugehört insbesondere die Bereitstel-lung der finanziellen Mittel und dieAkzeptanz der VN als globale Instanzfür die Friedenssicherung.

Eine Reform und Stärkung derVN muss alle ihre Einrichtungen um-fassen. Dazu gehören insbesonderedie Einrichtungen, die präventiveAufgaben haben. Besondere Bedeu-tung hat aber eine Reform des Si-cherheitsrates der VN, der zentralenEinrichtung der Konfliktprävention.

Deutschland soll keinen eigenenSitz, sondern vielmehr eine europäi-sche Präsenz anstreben. Die Strukturdes Sicherheitsrates muss so weiter-entwickelt werden, dass das Veto-Recht von Mitgliedern des Sicher-heitsrates abgeschafft werden kann,um dadurch zu verhindern, dass ein-zelne Großmächte die Politik derVereinten Nationen dominieren kön-nen. Die Entscheidung über Maß-nahmen wie Sanktionen oder militä-rische Interventionen muss einembesonders hohen Abstimmungsquo-rum unterliegen.

Die Entscheidung über dieDurchführung von militärischen Ein-sätzen kann nur dem Sicherheitsratder VN zukommen. Deren Durchfüh-rung kann dann auch regionalenSicherheitsstrukturen übertragenwerden und muss von den VN über-wacht werden. Im Rahmen der Euro-päischen Union sollte die Bundes-republik Deutschland ständige Kräf-te für die Friedensmissionen der VNbereit halten und dem Generalsekre-tär der VN zur Verfügung stellen.

Instrumente einer Friedens-und Sicherheitspolitik

AbrüstungWeltweite und vollständige Ab-

rüstung aller Massenvernichtungs-mittel durch vertraglich vereinbarteRüstungskontrolle muss auch nachdem Ende des Ost-West-Konfliktesfortgeführt werden. Weil das Prinzipder nuklearen Abschreckung zuüberwinden ist, sind alle Rüstungs-vorhaben, die darauf abzielen, beste-

hende Raketenabwehr-Verträge zuunterlaufen, abzulehnen. Weltraum-gestützte Raketenabwehrsysteme de-montieren die bisherigen Abkommenund gefährden die gesamte Rüs-tungskontrollpolitik.

Konventionelle Rüstung, Land-minen und Kleinwaffen sind wegenihrer unterschiedslosen Wirkung zueiner Geißel der Zivilbevölkerung,insbesondere in den von Bürgerkrie-gen geschundenen Staaten, gewor-den. Nur eine Kombination von Rüs-tungskontrolle, Rüstungsexportver-boten und Entwicklungszusammen-arbeit kann verhindern, dass Waffendieser Art weiterhin gegen Zivilbe-völkerung eingesetzt werden. Staa-ten, die derartige Waffen einsetzen,sind durch zielgerichtete internatio-nale Boykotte zu sanktionieren.Abbau von Rüstungsexporten

Ein Risiko für den Frieden ent-steht durch die Verbreitung vonRüstungsgütern. Daran ist auch dieBundesrepublik Deutschland an ent-scheidender Stelle beteiligt. Der Wegzu einer Konversion der Rüstungs-industrie in die zivile Produktionführt auch über eine immer restrikti-vere Handhabung eines Ausfuhrver-botes von Waffen. Der Handel mitRüstungsgütern aus der deutschenProduktion darf nur mit Bündnis-partnern erfolgen. Aber auch dazu istdie Beachtung der jeweiligen Men-schenrechtssituation als Kriteriumnotwendig. Die Produktion und derVerkauf von Massenvernichtungs-mitteln und Landminen müssen in je-dem Fall untersagt und durch Ver-einbarungen auch international un-terbunden werden. Für Rüstungsex-porte dürfen in keinem Fall Hermes-Bürgschaften oder sonstige staatlicheUnterstützungen gewährt werden.

Zivile Konfliktbearbeitungdurch Mediation

Neue Formen der zivilen Kon-fliktbearbeitung müssen ausgebautund in die Strukturen und die Arbeitder VN integriert werden. Einsätzeim Rahmen eines zivilen Friedens-dienstes (ZFD) z.B. durch ausgebil-dete Mediatorinnen und Mediatorenin Konfliktgebieten bieten die Chan-ce, einen Annäherungsprozess derKonfliktparteien wieder in Gang zubringen, zu führen und letztendlich

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zu einer dauerhaften Befriedung bei-zutragen. Zum Ausbau der zivilenKonfliktbearbeitung bedarf es um-fangreicher finanzieller Ressourcen.Eine Sicherheitspolitik wird einerfriedensethischen Aufgabe nur ge-recht, wenn die zivilen Konfliktbear-beitung einem militärischen Einsatzvorgezogen werden.

Einsatz von StreitkräftenSeit dem Ende der Ost-West-

Konfrontation hat sich das Einsatz-spektrum von Streitkräften vermehrtund erheblich verändert. Das giltauch für die Bundeswehr.

Es lässt sich feststellen, dass denStreitkräften Aufgaben übertragenwerden, die in unterschiedlicher Man-datierung in vielen Fällen polizei-ähnlichen Charakter haben. Streit-kräfte unterstützen durch ihren ge-wünschten und erbetenen Anwesen-heit Konsolidierungs- und Friedens-prozesse in Staaten, welche aus eige-ner Kraft dazu nicht in der Lage sind.

In solchen Fällen kann militäri-sche Präsenz auch Teil einer präven-tiven Strategie zur Konfliktvermei-dung oder -eindämmung darstellen.Streitkräfte brauchen dafür die not-wendige Ausbildung, die erheblichmehr zivile Konfliktlösungen umfas-sen muss als bisher. Es ist dabei aberauch zu überprüfen, ob nicht solchepräventiven Maßnahmen stärker vonPolizeikräften übernommen werdenkönnen, die dafür die entsprechendeAusrüstung benötigen.

Der Einsatz von Streitkräfte kannnicht die Antwort auf alle entstehen-den Konflikte sein. Abzulehnen isteine Friedens- und Sicherheits-politik, die sich auf militärische Mit-tel verlässt. Dieses entspricht nichteinem präventiven Friedens- undSicherheitskonzept.

Terror und KriminalitätAls Antwort auf international

agierende terroristische und krimi-nelle Gruppierungen müssen Polizeiund Nachrichten-/Geheimdienste so-wohl auf nationaler, als auch auf in-ternationaler Ebene eng und partner-schaftlich kooperieren, um terroristi-sche und kriminelle Strukturen undAktivitäten frühzeitig aufzudeckenund zu bekämpfen. Dazu notwendigist eine bedarfsgerecht personelle

und finanzielle Ausstattung sowieeine stärkere institutionalisierte Ab-sicherung der (inter)-nationalen Zu-sammenarbeit.

Militärische Intervention ausGründen der Humanität

Von besonderer friedensethi-scher und völkerrechtlicher Tragwei-te sind jedoch Grenzsituationen, indenen sich alle Formen der zivilenKonfliktbeilegung, Sanktionen wieWirtschafts- und Handelsboykotte,außenpolitische Isolierung und Em-bargos als wirkungslos erwiesen ha-ben. Militärische Interventionenmüssen immer der absolute Ausnah-mefall bleiben. Es darf sich kein po-litischer Automatismus entwickeln,an dessen Ende ein militärischerEinsatz steht.

Eine Intervention verbietet sichin jedem Fall, sofern nicht nachfol-gend genannte Bedingungen erfülltsind:– Die Entscheidung über eine Inter-

vention zugunsten der Nothilfe fürGruppen der Bevölkerung derStaaten, die unter den Folgenschwerwiegender Menschenrechts-verletzungen zu leiden haben,muss den VN vorbehalten bleiben.Dabei muss es sich um eine außer-gewöhnliche und sehr ernste Not-situation in einem Staat oder zwi-schen Staaten handeln, dessenMachthabern auf andere Art undWeise als mit militärischen Mittelnnicht Einhalt geboten werdenkann.

– Die intervenierende Macht darfkein besonderes Eigeninteresse ander Situation haben. Der Schutzder Menschenrechte muss das Zielsein und es dürfen keine verdeck-ten politischen oder wirtschaftli-chen Gründe hinzukommen. EineIntervention aus humanitärenGründen muss auf dieses spezifi-sche Ziel begrenzt sein und darfallenfalls geringfügige Auswirkun-gen auf die Autorität des Staateshaben, gegen den sich die Inter-vention richtet. Dabei muss dieAnwendung der Gewalt verhältnis-mäßig und im Interesse des Schut-zes der Bevölkerung stehen.

– Die Intervention selbst darf keineBedrohung des internationalenFriedens und der internationalen

Sicherheit in der Form darstellen,dass damit ein größerer Verlust anMenschenleben und mehr Leidverursacht wird, als ursprünglichzu verhindern die Absicht gewesenwar.

Aus friedensethischer Perspekti-ve steht die intervenierende Macht inder Pflicht, unverzüglich nach derBeendigung Folgen und Auswirkun-gen für die notleidende Bevölkerungrasch und umfassend zu lindern.Dabei ist darauf zu achten, dass Wie-deraufbau und humanitäre Hilfe zurBefriedung und Stabilität beitragen.

Bedingungen für eine vertretbaremilitärische Intervention müssen völ-kerrechtlich verankert werden, um zuverhindern, dass Staaten oderStaatenbündnisse den Einsatz militä-rischer Mittel selbst legitimieren.

Deutsche StreitkräfteDurch die in seiner Geschichte

begründete Verantwortung, seine ge-ografische Lage in Europa und seinerwirtschaftlichen Stellung entspre-chend besteht in Deutschland ein be-sonderes Interesse an einer dauer-haften Friedensordnung, die jedeForm von Instabilität für sich undseine Nachbarn ausschließt. AlsSicherheitsvorsorge und um einenRückfall in militärische Gewaltan-wendung zur Durchsetzung von Inte-ressen zu verhindern, ist dafür durchdie Bundesrepublik Deutschlandauch ein militärischer Beitrag zuleisten, weil dies nicht nur Aufgabeanderer Staaten sein kann.

Die notwendig gewordene kon-zeptionelle Neuausrichtung der deut-schen Streitkräfte folgt einerseits denneuen potenziellen Friedens- undSicherheitsrisiken, sie macht aberandererseits den schnelleren Einsatzder Bundeswehr wahrscheinlich. Esbesteht die Gefahr, dass die deutschePolitik in einen schnellen Automatis-mus von militärischen Einsätzen ge-rät. Um dies zu verhindern, bedarf eskonzeptioneller und rechtlicherSchranken. Ein Einsatz der Bundes-wehr unter dem Mandat der VN soll-te zukünftig von einer breiten Mehr-heit im Deutschen Bundestag getra-gen werden. Über die konkretenEinsätze ist mit 2/3 Mehrheit zu ent-scheiden. ❏

POSITION DES BDKJ 2002

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Kriegsdienstverweigerer aus Gewis-sensgründen (Artikel 4 Abs. 3 GG)Zivildienst leisten als junge Männerden Grundwehrdienst leisten, lässtsich die allgemeine Wehrpflichtauch unter diesem Aspekt nicht mehraufrecht erhalten. Es ist wesentlichfür die Akzeptanz der allgemeinenWehrpflicht, dass die Mehrheit derjungen Wehrpflichten Dienst in denStreitkräften selbst leistet. Zwischen-zeitlich verhält es sich jedoch so,dass die vorgesehene Ausnahme, denKriegsdienst mit der Waffe zu ver-weigern, die Regel geworden ist. DieWehrgerechtigkeit ist damit nichtmehr gegeben.*) Die Fortsetzung derWehrpflicht ist alleine vor diesemHintergrund aus jugendpolitischenGründen nicht haltbar. Außerdemwird die allgemeine Wehrpflichthäufig damit begründet, dass nurüber die Verweigerung des Kriegs-dienstes der Zivildienst in seinersozialstaatlichen Bedeutung aufrechterhalten werden könne. Dieses Argu-ment ist prinzipiell nicht akzeptabel,da damit letztlich die Wehrpflichtmit sozialpolitischen Notwendigkei-ten begründet würde. Zudem könnendurch die Umschichtung der frei-werdenden finanziellen Mittel bei ei-nem Wegfall des Zivildienstes im er-forderlichen Umfang professionelleArbeitsplätze im sozialen Bereich ge-schaffen werden. Die allgemeineWehrpflicht wird deshalb begründet,weil nur über die Verweigerung desKriegsdienstes der Zivildienst in sei-ner sozialstaatlichen Bedeutung auf-recht erhalten werden kann.

Das Leitbild von dem/der„Staatsbürgerin und Staatsbürger inUniform“ und die Konzeption der In-neren Führung bleiben als wehrform-unabhängige Bestimmungsgrößenunverzichtbare Bestandteile in derKonzeption einer Freiwilligenarmee.Sie bilden unter dem „Primat der Po-litik“ den Kerngedanken der Integra-tion von Streitkräften in einer demo-kratischen und pluralen Gesell-

Der BDKJ fordert die Ausset-zung der Wehrpflicht primärim Interessen von jungen

Männern und damit aus jugend-politischen Gründen. Die allgemeineWehrpflicht stellt einen zeitlich be-grenzten drastischen Einschnitt inverfassungsmäßig garantierte Frei-heits- und Grundrechte junger Män-ner dar. Wenn überhaupt, kann einesolche Einschränkung der Grund-rechte nur dadurch legitimiert wer-den, dass ein höheres Gemeinwohl-interesse, wie beispielsweise sicher-heitspolitische Interessen, darübersteht, das ohne die Wehrpflicht nichtzu erfüllen wäre.

Deutschland ist mit dem Endeder Ost-West-Konfrontation nichtmehr unmittelbar und existenzge-fährdend in seiner Sicherheit be-droht. Der Fall der bündnisbezo-genen Landesverteidigung, der langedie Begründung für größere Streit-kräfte darstellte, kann als unwahr-scheinlich gelten. Einsätze außer-halb der bündnisbezogenen Landes-verteidigung, welche zunehmend dasAufgabenspektrum der Bundeswehrbestimmen, sind mit der allgemeinenWehrpflicht unvereinbar. Der Zuge-winn an Sicherheit vor unmittelbarermilitärischer Bedrohung machtStrukturanpassungen auch für dieStreitkräfte erforderlich. Dabei darfdie Wehrform als Rekrutierungsin-strument für das militärische Perso-nal den fortschreitenden Abbau desStreitkräfteumfanges nicht verhin-dern.

Durch die vorgenommenen Struk-turanpassungen der Bundeswehrwurde der Umfang der Streitkräftedeutlich verkleinert. Betroffen wardavon in erster Linie der Bedarf anwehrpflichtigen Soldaten. Zwischen-zeitlich werden deshalb weniger jun-ge Wehrpflichtige benötigt, als diewehrdienstfähigen jungen Männerneines Geburtsjahrganges ausmachen.Weil zwischenzeitlich mehr jungeMänner über die Anerkennung als

schaft. Geeignete Auswahl- undRekrutierungsmechanismen für frei-willig dienende Soldatinnen und Sol-daten müssen dafür Sorge tragen,dass Streitkräfte weiterhin in der Ge-sellschaft integriert bleiben und dasMaß an zusätzlicher Kontrolle ge-währleistet bleibt. Zu den Bedingun-gen für eine Verankerung der Streit-kräfte in die Gesellschaft gehören,dass die Soldatinnen und Soldatenaus allen sozialen Schichten, Regio-nen und Berufsfeldern kommen. Aufdie Verankerung in die freiheitlichdemokratische Grundordnung derBundesrepublik Deutschland ist ver-stärkt zu achten. Freiwillig dienendeSoldatinnen und Soldaten haben diegleichen staatsbürgerlichen Rechtewie andere Staatsbürger. Erfolgrei-che Integration setzt mit voraus, dassdie Übernahme für ehrenamtliche,soziale und politische Verantwortungaußerhalb des Dienstes in der Bun-deswehr gefördert und unterstütztwird.

Die Grundsätze der Inneren Füh-rung, der Rechtsanspruch auf unge-hinderte Seelsorge und einen zeitge-mäßen Führungsstil in Einsätzenaußerhalb der Landesverteidigungund im Zusammenwirken mit ande-ren Streitkräften, müssen gültig blei-ben. Die Gewissensfreiheit für frei-willig dienende Soldatinnen und Sol-daten umfasst das Recht auf Kriegs-dienstverweigerung in jeder Situati-on. Mit Blick auf die ethisch bedeut-same Tragweite des soldatischenDienstes ist dem Recht auf Kriegs-dienstverweigerung für freiwillig die-nende Soldatinnen und Soldaten ingesetzlichen Regelungen Rechnungzu tragen.

*) Anmerkung der Redaktion: Zum ThemaWehrgerechtigkeit siehe Seite ... „Die Le-gende von der Wehrungerechtigkeit“)

Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland ist auszusetzen!Die BDKJ-Hauptversammlung tritt dafür ein, die allgemeine Wehrpflicht umgehend auszusetzen.

-BESCHLUSS:

POSITION DES BDKJ 2002

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ZUR DISKUSSION ÜBER DEN INNENEINSATZ DER STREITKRÄFTE:

Bundeswehr und TerrorismusbekämpfungMATTIAS G. FISCHER

überhaupt keine Notwendigkeit dasEinsatzspektrum der Armee zu er-weitern –, setzen sich die CSU undTeile der CDU dafür ein, das Grund-gesetz der veränderten Sicherheits-lage anzupassen.

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Wie die rechtspolitische Frageeiner Grundgesetzänderung zu be-antworten ist, hängt nicht nur davonab, welche Verwendungsmöglichkei-ten man der Bundeswehr eröffnenwill. Zunächst einmal muss Gewiss-heit darüber bestehen, inwieweit dasVerfassungsrecht den Inneneinsatzder Bundeswehr schon heute zulässt.Wer den Verlauf der bisherigen De-batte verfolgt kann erkennen, dassgerade in diesem Punkt kaum Klar-heit besteht.

Gelegentlich stößt man sogar aufdie Ansicht, die Bundeswehr müsseauf die Aufgabe beschränkt bleiben,die äußere Sicherheit zu schützen. Sovertretbar diese Auffassung im Sinneeiner Meinungsäußerung auch seinmag – das Grundgesetz teilt sie nicht.Vielmehr lässt bereits das geltendeVerfassungsrecht auch jenseitszwischensstaatlicher Konfliktsituati-onen den Einsatz der Streitkräfte imInnern ausdrücklich zu, und zwar inzwei Fällen: zur Katastrophenhilfeund beim so genannten inneren Not-stand.

Katastrophenhilfe durchdie Bundeswehr

Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 desGrundgesetzes, der die Rechts- undAmtshilfe regelt, ermöglicht es, dieStreitkräfte „bei einer Naturkatastro-phe oder bei einem besonders schwe-ren Unglücksfall“ hilfsweise zur Un-terstützung der Polizei einzusetzen.Man spricht insoweit vom so genann-ten Katastrophennotstand bezie-hungsweise zivilen Notstand. Ist dasSchadensereignis räumlich auf einBundesland beschränkt, so könnendie zuständigen Landesorgane dieBundeswehr anfordern. Artikel 35

Absatz 3 bestimmt darüber hinaus,dass auch die Bundesregierung dieStreitkräfte zur Unterstützung derPolizei einsetzen darf, wenn die Na-turkatastrophe oder der Unglücksfallein Gebiet gefährdet, das über dieGrenzen eines Bundeslandes hinaus-reicht.

Ob diese Regelungen den Ein-satz der Bundeswehr auch zur Terro-rismusbekämpfung gestatten, hängtzunächst davon ab, was unter einem„besonders schweren Unglücksfall“zu verstehen ist. Man könnte zu-nächst daran denken, dass hierunternur Schadensereignisse fallen, dieauf menschlichem oder technischemVersagen beruhen – beispielsweisedie durch menschliche Unachtsam-keit herbeigeführte große Explosionin einer Chemiefabrik. Bei nähererBetrachtung ist allerdings keinGrund ersichtlich, nicht auch in ver-brecherischer Absicht herbeigeführ-te Katastrophen, also auch Terrorak-te größeren Ausmaßes, als besondersschwere Unglücksfälle anzusehen,wenn man die möglichen Folgen der-artiger Ereignisse bedenkt.

Das Grundgesetz lässt es folglichzu, die Bundeswehr dann, wenn einTerroranschlag unmittelbar bevor-steht oder bereits stattgefunden hat,etwa zum Aufspüren und Neutralisie-ren biologischer und chemischerWaffen einzusetzen. Nur die Streit-kräfte verfügen über das erforderli-che Personal, Gerät und Know-how,das zur Abwehr terroristischer, mitB- und C-Kampfstoffen durchgeführ-ter Anschläge erforderlich wäre.

Realer Unglücksfallgroßen Ausmaßes

Derartige militärische Einsätzestoßen allerdings in zweierlei Hin-sicht auf verfassungsrechtliche Gren-zen: Zum einen muss es sich umSchadensereignisse größeren Aus-maßes handeln. Es ist also derzeitnicht möglich, Einheiten der ABC-Abwehr im Falle einzelner vermeint-lich oder tatsächlich mit Milzbrand-Erregern kontaminierter Briefe ein-

Angesichts einer verändertenallgemeinen Sicherheitslageseit den Terroranschlägen in

den USA vom 11. September 2001wird immer wieder über neue Ein-satzmöglichkeiten der Bundeswehrauch im Innern nachgedacht. Dabeigeht es vor allem darum, ob und in-wieweit den Streitkräften der Schutzziviler Objekte oder die Abwehr vonAngriffen, die von Terroristen mittelschemischer und biologischer Kampf-stoffe begangen werden könnten,übertragen werden sollte. Entspre-chende Überlegungen gab es in denReihen der Unionsparteien schon inden siebziger und neunziger Jahren.So forderte etwa Wolfgang Schäuble1993, die Armee notfalls „auch beigrößeren Sicherheitsbedrohungen imInnern“ einzusetzen, und verwies ex-plizit auf die wachsende Gefahr desinternationalen Terrorismus. Ein Jahrspäter stellte Jürgen Rüttgers, da-mals parlamentarischer Geschäfts-führer der CDU/CSU-Bundestags-fraktion, ähnliche Überlegungen an.Und im Jahr 1999 warb der Rechts-professor und CDU-Bundestagsab-geordnete Rupert Scholz – er war von1988 bis 1989 Bundesverteidigungs-minister – dafür, die tatsächlichenund rechtlichen Möglichkeiten zuschaffen, um die Bundeswehr auchim Inland zur Terrorismusbekäm-pfung einsetzen zu können. SPD,Grüne und FDP wiesen diese Vorstö-ße damals strikt zurück.

Heute wird das Thema differen-zierter diskutiert. Nach den Terror-anschlägen vom 11. September be-tonte selbst BundesinnenministerOtto Schily im Deutschen Bundestag,in Zukunft werde „ein Ineinander-greifen von militärischen und poli-zeilichen Operationen notwendigsein“ und schloss nicht aus, dass derBundeswehr neue Aufgaben imInnern zu übertragen seien. Unter-schiedliche Ansichten bestehen nunvor allem darüber, ob hierzu dasGrundgesetz geändert werden sollte.Während SPD und Grüne eine Ände-rung der Verfassung durchweg ableh-nen – die Grünen sehen im Übrigen

BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG

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SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG

zusetzen, wie dies in Deutschland imvergangenen Herbst teilweise gefor-dert wurde.

Zum anderen macht es diegrundgesetzliche Beschränkung ei-nes Hilfseinsatzes der Bundeswehrauf den „Unglücksfall“ erforderlich,dass bereits ein Schaden eingetretenist oder zumindest unmittelbar be-vorsteht. Eine bloße Gefährdung odereine „nur“ veränderte allgemeineSicherheitslage genügt nicht.

Infolgedessen wäre derzeit auch– wie in der Tschechischen Republikund in Frankreich geschehen – dieAufstellung von Luftabwehrraketenzum Schutz von Atomkraftwerkenoder ein sonstiger Einsatz von Bun-deswehreinheiten zur Sicherung ein-zelner ziviler Objekte – beispiels-weise von Talsperren oder Flughäfen– verfassungswidrig. Das gilt natür-lich erst recht für den Fall, dass Ein-heiten der Streitkräfte aus Kapazi-tätsgründen, weil die Personaldeckebei Polizei und Bundesgrenzschutznicht ausreicht, gewissermaßen alsallgemeine Risikoreserve für Groß-einsätze eingesetzt werden sollen.

Derartige Verwendungen, etwaein Tätigwerden der Bundeswehr beider Bekämpfung gewaltsamer Mas-sendemonstrationen, wären nach gel-tendem Verfassungsrecht ebenfallsunzulässig. Bei dem häufig diskutier-ten Szenario, dass ein mit Terroristenbesetztes Passagierflugzeug gezieltein Kernkraftwerk ansteuert, um eszu zerstören, wird man hingegen voneinem Fall im Sinne des Artikel 35Grundgesetzes ausgehen können:Ein von der Bundesregierung ange-ordneter Einsatz der Luftwaffe zurAbwehr eines solchen Vorhabenswäre damit durchaus verfassungs-gemäß.

Bestimmung überden inneren Notstand

Die Bestimmung über den so ge-nannten inneren Notstand (Ausnah-mezustand) in Artikel 87a Absatz 4,die nach überaus heftigen Diskussio-nen und außerparlamentarischenWiderständen im Jahr 1968 in dasGrundgesetz eingefügt wurde, er-laubt unter bestimmten Vorausset-zungen den Inneneinsatz der Bun-deswehr zur „Abwehr einer drohen-den Gefahr für den Bestand oder diefreiheitliche demokratische Grund-

ordnung des Bundes oder eines Lan-des“. Diese Formulierung zeigt, dassder Verfassungsgeber Szenarien imBlick hatte, die eine Gefährdung derterritorialen Integrität und Hand-lungsfreiheit nach außen oder/undder rechtsstaatlichen Herrschafts-ordnung Deutschlands bedeuten, wiesie beispielsweise bei einem Bürger-krieg oder Umsturzversuch mit mili-tärischer Gewalt denkbar wären.

Die Streitkräfte dürfen dann, wiees in Artikel 87a Absatz 4 Grundge-setz weiter heißt, „zur Unterstützungder Polizei und des Bundesgrenz-schutzes beim Schutze von zivilenObjekten und bei der Bekämpfungorganisierter und militärisch bewaff-neter Aufständischer“ im Innern ein-gesetzt werden, wenn Polizei undBundesgrenzschutz nicht mehr in derLage sind, die Gefahr zu bekämpfen.Nach der herkömmlichen Lesart desGrundgesetzes begründen terroristi-sche Angriffe noch keinen Ausnah-mezustand. Auch wenn Terroran-schläge in der Regel politisch moti-viert sind – eine wirkliche Gefahr fürdie Verfassungsordnung bergen siewohl nicht.

Wenn man allerdings bedenkt,dass Terroristen zunehmend militäri-sche Strategien anwenden und es seitdem Zusammenbruch des Ostblockskeine Utopie mehr ist, dass sich Ter-roristen in den Besitz von Massen-vernichtungswaffen bringen, so kanneine Existenzgefährdung des Staates,sollte es tatsächlich zu derartigenAnschlägen kommen, nicht mehrausgeschlossen werden. Das giltgleichfalls für die bereits angespro-chenen Attentate auf Atomkraftwer-ke.

Insoweit läge also nicht nur einFall des Katastrophennotstandes,sondern auch eine Notstandslage imSinne von Artikel 87a Absatz 4Grundgesetz vor, so dass der Innen-einsatz der Bundeswehr dann bereitsnach geltendem Verfassungsrechtzulässig wäre. Ein von den Bestim-mungen über den inneren Notstandgedeckter Einsatz der Streitkräfte er-fordert allerdings eine „drohendeGefahr“ (Artikel 87a Absatz 4). Auchinsoweit macht eine allgemein verän-derte Sicherheitslage, hervorgerufendurch den Terrorismus des globalenZeitalters, also noch keineswegs denInneneinsatz der Bundeswehr mög-lich.

Kein Einsatz als Vorsorge

Zusammenfassend ist festzustel-len, dass dem Einsatz der Streitkräftezum Objektschutz heute enge verfas-sungsrechtliche Grenzen gesetztsind. Zwar wäre es zulässig, bei ei-nem unmittelbar bevorstehenden ter-roristischen Angriff etwa die Luftwaf-fe einzusetzen. Demgegenüber ge-stattet das Grundgesetz den rein vor-sorglichen Schutz von Einrichtun-gen, die für die Sicherheit oderFunktionsfähigkeit des Staates vonbesonderer Bedeutung sind, oder dieregelmäßige Kontrolle des Luftrau-mes durch die Luftwaffe bisher nicht.

Nach dieser Verortung der ver-fassungsrechtlichen Grenzen einesEinsatzes der Streitkräfte im Innernstellt sich die Frage, ob und inwie-weit eine Grundgesetzänderungzwecks Erweiterung der Einsatzmög-lichkeiten aus der sicherheitspoliti-schen Perspektive sinnvoll ist. Dabeidürfen auch die tatsächlichen perso-nellen und technischen Gegebenhei-ten nicht außer Acht bleiben; schonjetzt steht die Bundeswehr an denGrenzen ihrer Einsatzkraft. UnterBerücksichtigung des bisherigenEinsatzprofils der Armee ist aller-dings kein Grund dafür ersichtlich,warum die Streitkräfte nicht präven-tiv zum Schutz wichtiger Infrastruk-tureinrichtungen, etwa zur Sicherungvon Atomkraftwerken durch dieFlugabwehr, eingesetzt werden soll-ten. Die Bundeswehr würde insoweitim Rahmen ihrer klassischen Auf-gabenfelder tätig werden. Entspre-chendes gilt für Einsätze gegen biolo-gische und chemische Kampfstoffe.

Neuen Strategien des Terrorsbegegnen

Jenseits des eher theoretischenProblems, ob eine Differenzierungvon innerer und äußerer Sicherheitheute noch sinnvoll ist steht jeden-falls außer Frage, dass Terroristenzunehmend militärische Strategienanwenden. Sollte denkbaren militä-risch-terroristischen Bedrohungender inneren Sicherheit nicht auch mitmilitärischen Mitteln begegnet wer-den können? Die Polizei ist bei der-artigen Bedrohungslagen überfordertund es wäre mit Blick auf die bei denStreitkräften vorhandenen Ressour-cen auch kaum vertretbar – ge-

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Söldnerfirmen im AufwindAuf dem schwarzen Kontinent,

wo die UN-Blauhelmeinsätze kläg-lich versagen, existieren ca. 90Söldnerfirmen. Jüngst hat der briti-schen Außenminister Jack Straw demUnterhaus verkündet, dass nach demKalten Krieg in einer Welt vollerkleiner, schwacher Staaten Söldner-firmen durchaus eine legitime Rollespielen könnten. Straws Gedankenführten zunächst zu einem Aufschreider Entrüstung. Aber angesichts ei-ner allgemeinen globalen Privatisie-rungeinst staatlicher Zuständigkeitenwird die Kritik schwächer. Längstwerden Söldnerfirmen in den Dro-genkriegen in Kolumbien oder beiDiamanten- und Ölfirmen als Schutz-truppen eingesetzt. Sie sind eine bil-lige, risikoarme, wenig auffällige unddiskrete Alternative zum Kriegsein-satz nationaler Streitkräfte.

Private Söldnerfirmen für Kri-sen- bzw. Friedenseinsätze?Diese Option scheint durchaus

denkbar zu sein. Nach dem Endeder Kalten Krieges verzeichnet die-se Firmenbranche jährliche Umsatz-steigerungen von ca. acht Prozent.Die britische Firma „Sandline Inter-national“ mit Sitz in Bermuda unddie südafrikanische Söldnerfirma„Executive Outcomes“ sind die be-kanntesten Privatfirmen, die gegenHöchstgebot zur Kriegsführung be-reit sind. Das Pentagon hat bei-spielsweise Ausbildungsunterstüt-zung für afrikanische Armeen anprivate Firmen vergeben. So auch andas Unternehmen „Military Profes-sional Resources Incorporated“, dasbereits 1994 die Armee Kroatiensauf westlichen Militärstandard ge-trimmt hat.

UN-Generalsekretär Kofi Annanhatte Mitte der 90er Jahre bei derFlucht von einer Million ruandischerHutu in den Kongo mit dem Gedan-ken gespielt, Söldnerfirmen einzuset-zen, um in den Flüchtlingslagern dieZivilisten von den bewaffnetenKämpfern zu trennen. Aber die Weltwar damals für private Friedens-missionen nicht bereit. Heute wäre„unter gewissen Bedingungen“ einsolcher Einsatz für den Weltfriedenschon eher denkbar. Er besitzt dis-krete Vorzüge. Allerdings steht der-artigen Einsätzen das Völkerrechtentgegen. Schließlich darf auch dasGewinnstreben solcher Firmen nichtverkannt werden.

„Executive Outcomes“ hatte fürdie Sicherung der Ölfelder und denKampf gegen die Unita-Rebellen inAngola ca. 60 Millionen Dollar undeine Gewinnbeteiligung an den Bo-denschätzen erhalten.

(ds/aus: IAP 5/02)

schweige denn finanzierbar –, hierpolizeiliche Parallelstrukturen aufzu-bauen. Im Übrigen sei daran erin-nert, dass die Bundeswehr schonheute den Auftrag hat, „Terroristenzu bekämpfen“, wie es in dem Be-schluss des Deutschen Bundestagesvom 16. November 2001 zur Beteili-gung bewaffneter deutscher Streit-kräfte an der Operation EnduringFreedom, dem gegenwärtigen Kriegs-einsatz in Afghanistan, heißt.

Das immer wieder anzutreffendeArgument, die Streitkräfte seien für„neue“ Aufgaben im Innern über-haupt nicht gerüstet beziehungsweiseausgebildet, überzeugt vor diesemHintergrund kaum. Eine andere Fra-ge ist es demgegenüber, ob der Ein-satzrahmen der Bundeswehr überihre spezifisch militärischen Aufga-ben hinaus in Bereiche hinein erwei-tert werden sollte, die bisher der Po-lizei und dem Bundesgrenzschutzvorbehalten sind. Gegen einen Ar-mee-Einsatz bei der Bekämpfung ge-waltsamer Massendemonstrationenoder der organisierten Kriminalitätsprechen schon praktische Überle-gungen: Es fehlt den Soldaten an derhierfür erforderlichen Ausbildung,ganz zu schweigen von dem Gedan-ken, Wehrpflichtige zu derartigenEinsätzen heranzuziehen. EtwaigeNotstände bei der personellen Aus-

stattung von Polizei und Bundes-grenzschutz dürfen nicht dazu füh-ren, die Bundeswehr im Sinne einerallgemeinen Personalreserve als„Notpolizei“ einsetzen zu wollen.

Vertrauen des Volkes

Schließlich ist zu erörtern, obrechtspolitische Erwägungen einersicherheitspolitisch sinnvollen Än-derung des Verfassungsrechtes ent-gegenstehen. In einem verbreiteten,über die Bundes- und Landeszentra-len für politische Bildung vertriebe-nen Kommentar zum Grundgesetzfindet sich die Formulierung, bereitsdie heutigen Regelungen über denzulässigen Einsatz der Bundeswehrim Innern beschwörten „die Gefahreines Staatsstreiches unter dem Vor-wand innerer Unruhen herauf“. Ge-genüber derartigen Befürchtungenhat Dieter Wellershoff, ehemaligerGeneralinspekteur der Bundeswehr,die richtigen Worte gefunden: „DieBundeswehr hat das Vertrauen desVolkes. Hört dies bei der Übertra-gung von Sicherungsaufgaben im In-land auf?“

So wenig der Untergang der Wei-marer Republik entgegen einem ver-breiteten Fehlurteil auf Verfassungs-mängel zurückgeführt werden kann –es fehlte weiten Teilen der Bevölke-

rung vielmehr an der demokratischenGesinnung –, so wenig erhöhen diehier für sinnvoll erachteten Grundge-setzänderungen zur Erweiterung desEinsatzrahmens der Bundeswehr imInnern die Gefahr eines Militärput-sches oder einer Diktatur. Das ändertnichts daran, dass ein Inneneinsatzder Bundeswehr Ultima ratio bleibenmuss und das Gebot, zwischen Streit-kräften und Polizei in organisatori-scher Hinsicht strikt zu trennen,auch weiterhin nicht zur Dispositionstehen darf.

Die „neuen“ Aufgaben derStreitkräfte sind staatsorganisations-rechtlich fest zu umreißen und unterBeachtung des Bundesstaatsprinzipsminuziös in die Kompetenzenkata-loge der Verfassung einzubauen.

Es ist die historisch erste Aufga-be des Staates, für die Sicherheit sei-ner Bürger zu sorgen. Die neuen Be-drohungen durch den internationalenTerrorismus erfordern nicht nur um-fassende sicherheitspolitische Dis-kussionen, sondern vor allem ent-schlossenes Handeln. Hier ist auchder Verfassungsgeber gefragt. ❏

(Der Beitrag wurde mit freundlicherGenehmigung der Konrad-Adenauer-Stiftung der Pubikation „Die Politi-sche Meinung Nr. 390/Mai 2002/47.Jg, S. 51-55, entnommen.)

BW UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG

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44 AUFTRAG 248

SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

„Kämpfen für die Menschenrechte“Der Kosovo- Konflikt im Spiegel der Friedensethik

Eine im Juni erschienene Edition enthält wesentliche Stellungnahmen derchristlichen Kirchen zum Kosovo-Konflikt. Damit werden Probleme solda-tischen Dienens angesprochen, die in einer friedlosen Welt einen immernoch zeitlosen Stellenwert besitzen.

Der Kampf für die Menschen-rechte und ihre Einhaltung inDeutschland und weltweit wurdebereits während der Ost-West-Ausei-nandersetzung auch von den christli-chen Kirchen mit unterschiedlichenAnsätzen und kontrovers geführt.Dabei wurde vielfach der Militär-dienst sehr negativ betrachtet. Diekatholische Kirche sieht das etwasanders. In der Pastoralkonstitutionüber die Kirche in der Welt von heu-te des II. Vatikanischen Konzils Gau-dium et Spes (GS) von 1965, Nr. 79heißt es weit blickend: „Wer als Sol-dat im Dienst des Vaterlandes steht,betrachte sich als Diener der Sicher-heit und Freiheit der Völker. Indem erdiese Aufgabe recht erfüllt, trägt erwahrhaft zur Festigung des Friedensbei.“ Dies unter den grundsätzlichenVorgaben der Ächtung jeglichenKrieges und dass eine von allen aner-kannte öffentliche Weltautorität –heute die VN mit dem Sicherheitsrat– über die wirksame Macht verfüge,um für alle Sicherheit, Wahrung derGerechtigkeit und Achtung derRechte zu gewährleisten. Gleichzei-tig wird jedoch auch auf das Rechtder Staaten verwiesen, wenn allefriedlichen Möglichkeiten erschöpftsind, militärische Mittel zur Verteidi-gung einzusetzen. Gleichzeitig wer-den die internationalen Gremienmehrfach durch GS zur gemeinsamenSicherung des Friedens in der Weltaufgefordert.

In der Einführung zu ihrem Buch„Kämpfen für die Menschenrechte“bemerken die beiden Herausgeber,Ortwin Buchbender und GerhardArnold, dass die optimistische Auf-fassung, nach der Auflösung des Ost-West-Konflikts würde eine Neue Ärades Friedens beginnen, sich als trü-gerisch erwiesen habe. Zwei Ereig-nisse hätten die Wahrnehmung fürstaatlich gebilligte(n) Massenmorde/Völkermord, Vertreibungen und sys-tematischen Terror gegen die Zivil-bevölkerung besonders geschärft: dieVorgänge in Bosnien-Herzegowina

ab 1991 und in Ruanda 1994. Fürden Balkan sei nur an die in diesemZusammenhang besonders hervorste-chenden Ortsnamen Sarajewo, Sre-brenica und Vukovar sowie in Ruan-da an die geschätzten 800 000 syste-matisch ermordeten Tutsis undHutus erinnert. „Vor diesem Hinter-grund mit seinen speziellen Betrof-fenheiten und Erschütterungen inder breiten Öffentlichkeit sind diepolitischen Reaktionen auf den Ko-sovo-Konflikt (ab 1998 – die Red.)überhaupt erst verständlich. Auchdie Kirchen waren von den Massen-vertreibungen aufgewühlt... So hatdas evangelische ‘Deutsche Allge-meine Sonntagsblatt’, früher einekonsequent pazifistische Kirchen-zeitung, seit 1998 eindeutig für mili-tärische Schläge gegen das Milose-vic-Regime plädiert“, schreiben dieAutoren in ihrer Einführung.

Der vorliegende Band schließtsich an die Ausgabe „SpurensucheFrieden: Friedensethische und frie-denspolitische Erklärungen derchristlichen Kirchen seit dem zwei-ten Golfkrieg“ von Ortwin Buch-bender und Gerhard Kupper (Bonn1996) an. So wird ein eindrucksvol-ler und aussagekräftiger Querschnittaus der gesamten Vielfalt der öffent-lichen kirchlichen Äußerungen zumKosovo-Krieg der katholischen undevangelischen Kirche sowie aus derÖkumene dargeboten. Ergänzt wirddieses durch drei Interviews mit– dem damaligen Diözesanbischof

Dr. Hermann Josef Spital und Prä-sident der deutschen Sektion vonPax Christi,

– dem Auslandsbischof der Evange-lischen Kirche in Deutschland, Bi-schof Dr. h.c. Rolf Koppe und

– dem ehemaligen Soldaten, Generala.D. Klaus Naumann, während desKosovo-Konflikts und in der erstenPhase der NATO-LuftoperationVorsitzender des NATO-Militär-ausschusses in Brüssel.

Im Buch „Kämpfen für die Men-schenrechte“ folgt der Einführungein Abschnitt zu der völkerrechtli-chen Diskussion über die NATO-Luftangriffe gegen die Bundesrepu-blik Jugoslawien im Jahr 1998/1999.

Basis für die Menschenrechtesind die Charta der VereintenNationen (VN) vom 26. Juni

1945 und die Allgemeine Erklärungder Menschenrechte vom 10. Dezem-ber 1948 der VN.

Im Grundgesetz (GG) für dieBundesrepublik Deutschland heißtes im ersten Absatz der Präambel:

„Im Bewusstsein seiner Verantwor-tung vor Gott und den Menschen,von dem Willen beseelt, als gleich-berechtigtes Glied in einem verein-ten Europa dem Frieden der Welt zudienen, hat sich das Deutsche Volkkraft seiner verfassungsgebendenGewalt dieses Grundgesetz gege-ben.“

Bereits im ersten Abschnitt desGG über die Grundrechte werden imArtikel 1 die Menschenrechte garan-tiert:„(1)Die Würde des Menschen ist un-

antastbar. Sie zu achten und zuschützen ist Verpflichtung allerstaatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sichdarum zu unverletzlichen und un-veräußerlichen Menschenrechtenals Grundlage jeder menschlichenGemeinschaft , des Friedens undder Gerechtigkeit in der Welt.“Damit wird die weltweite Ach-

tung der Menschenwürde und –rech-te für alle Menschen und Organisati-onen in Deutschland bindend undverpflichtend. „Zum Wesen diesesFriedens gehört eine freiheitlicheGesellschaftsordnung... Wie Friedenist Sicherheit jedoch kein statischerIdealzustand, sondern das Ergebniseines fortwährendes politischen Pro-zesses, der sich vor den Erfahrungender Geschichte an der Erkenntnisorientiert, dass die eigene Sicherheitimmer auch die Sicherheit der ande-ren sein muss“, schreibt der Kom-mandeur der Akademie der Bundes-wehr für Information und Kommuni-kation, Oberst Dr. Rolf P. Zimmer-mann, in seinem Vorwort zu demBuch „Kämpfen für die Menschen-rechte“.

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45AUFTRAG 248

Dabei wird zunächst die Diskussionüber Völkerrechtsfragen der humani-tären Intervention in den 90er-Jah-ren sowohl im Auftrag oder mit Billi-gung des VN-Sicherheitsrats als auchohne VN-Mandat dargestellt. Daranschließt sich ein Kapitel um die Zu-lässigkeit der NATO-Operation nachdem 11. Juni 1998 an, indem einer-seits die Kritiker ihre Gründe darle-gen und andrerseits die Begrün-dungs- und Rechtfertigungsmöglich-keiten der NATO-Luftangriffe erör-tert werden. Der II. Abschnitt endetmit Aussagen zu der völkerrechtli-chen Position der evangelischen Kir-che.

Darauf folgend unter dem Thema„Kultur des Friedens“ werden diePositionen der katholischen Kircheerläutert. Dabei geht es zunächst umdie Rahmenbedingungen. Im nächs-ten Kapitel werden anhand ausge-wählter Dokumente die Verlautba-rungen, Stellungnahmen und Positio-nen aus dem Bereich der katholischenWeltkirche behandelt. Unter derÜberschrift „Die Stimme des Theolo-gen“ wird das o.a. Interview mit Bi-schof Dr. Hermann Josef Spital wie-

dergegeben. Dem schließen sich danndie ausgewählten Dokumente an.

Im vierten Abschnitt des Bucheskommen unter dem Leitwort„Friedensethik in der Bewährung“die Positionen aus der evangelischenKirche zum Ausdruck. Er fängt anmit den öffentlichen Stellungnahmenvor Beginn der Luftangriffe, wirdfortgesetzt mit Äußerungen nach Be-ginn der Luftangriffe und mündet indie kirchliche Nacharbeit nach Endeder NATO-Luftoperation. Im viertenKapitel dieses Abschnitts werden dieethischen Argumentationsmuster inden kirchlichen Erklärungen darge-legt. Das fünfte Kapitel befasst sichmit der evangelischen Militärseelsor-ge, an das sich der Dokumententeilanschließt.

Das Interview mit dem Auslands-bischof der Evangelischen KircheDeutschlands, Dr. h.c. Rolf Koppeleitet den fünften Abschnitt ein, derdie Dokumente der Ökumene bein-haltet. Im sechsten Abschnitt kommtdie Stimme des Soldaten zu Gehör inForm des Interviews mit General a.D.Klaus Naumann. Den Abschluss desWerks bilden die Literaturangaben

und ein Abkürzungsverzeichnis.Hervorzuheben sind auch die um-fangreichen Quellenangaben.

Die Edition „Kämpfen für dieMenschenrechte“ legt mit 113Quellentexten aus dem gesamten Be-reich der Ökumene eine in dieserForm erstmalige Bestandsaufnahmefriedensethischer Positionen vor.Diese Materialsammlung kann mitGewinn von Theologen, Politologen,Politikern, Lehrern, Journalisten,Studenten und Soldaten als Informa-tions- und Orientierungshilfe bei derethischen Bewertung – auch zukünf-tiger – militärpolitischer Entschei-dungen im Spannungsfeld von Kriseund Krieg genutzt werden. Das Buchist für jeden der sich mit dieser Pro-blematik beschäftigt sehr lesenswert.

(bt)

Ortwin Buchbender/Gerhard Arnold(Hrsg.): Kämpfen für die Menschen-rechte. Der Kosovo-Konflikt im Spie-gel der Friedensethik – Nomos Ver-lagsgesellschaft, Baden-Baden 2002,398 Seiten (Schriften der Akademieder Bundeswehr für Information undKommunikation, Bd. 25).

Geheime BalkanarmeeHandfeuerwaffen und einige könnenauch Panzerfäuste sowie Raketen-werfer bedienen. Besonders geeigne-te Leute werden zum Flugtrainingnach Tschechien und Bulgarien ge-schickt.

Ausgewählte junge Islamistenaus der Region erhalten mit 17 Jah-ren in einer geheimen halbmilitä-rischen Organisation dreimal wö-chentlich eine militärischen Ausbil-dung, geleitet von iranischen undirakischen Offizieren sowie al Quai-da-Terroristen aus Afghanistan, diedort gegen US-Truppen im Einsatzwaren. Ausbildungsgebiete sind dasGuerrillatraining für den Häuser-kampf, die Herstellung von Bombenund Minen sowie der Nachtkampf.Nach zweimonatiger Ausbildung be-kommen die irregulären Kämpfereine festen Sold von 500 bis 700 US-Dollar. Gegen Ende des Trainingswerden den Teilnehmern Uniformenund persönliche Waffen ausgehän-digt, die zu Hause versteckt werdensollen.

Die westlichen Geheimdienstesind alarmiert: Auf dem Bal-kan entsteht eine muslimi-

sche Armee unterstützt durch Terror-Experten von al Quaida und Hisbol-lah. Das Ganze wird personell und fi-nanziell von mehreren islamischenStaaten getragen.

Nach einem Bericht der Rheini-schen Post vom 01.07.2002 sollenbereits über 10.000 islamischeKämpfer in Mazedonien, im Kosovo,in Bosnien und Albanien für den„Dschihad“ (Heiligen Krieg) gegenden Westen und insbesondere gegendie USA bereitstehen. Unterstütztwerden die Aktivitäten durch die is-lamischen Staaten, Iran, Irak undSaudiarabien. GeheimdienstexpertenTeherans und Riads sowie Vertreterder aus Afghanistan geflüchtetenBin-Laden-Truppe al Quaida und derpro-iranischen südlibanesischenHisbollah-Miliz sind für die Logistikzu ständig, rekrutieren die jungenMuslime und bilden sie aus. Ausge-rüstet werden sie mit modernen

Die Führer der kommenden isla-mischen Balkan-Armee sind erfahrenund arbeiten absolut konspirativ. DieTrainingsorte und Nachschubwegesind gut getarnt und weitgehend un-bekannt. Verstecke für alle logisti-schen und operativen Planungen er-geben sich aus hunderten neuer Mo-scheen, die von reichen Saudis inden genannten Staaten bzw. Landes-teilen finanziert wurden. Die meistvon saudischen Imams unter Auf-sicht des Geheimdienstes Riads ge-leiteten Moscheen locken die 15 und16 Jahre alten Muslime mit kulturel-len Angeboten an. Ziel ist es, dieseJugendlichen in eine Religions-schule einzugliedern. In diesen sogenannten „Medresses“ soll nachafghanischem Vorbild nicht nur derKoran gelehrt und gedeutet, sonderngleichzeitig auch militärisch ausge-bildet werden.

Der Aufbau dieser islamischenArmee in Südosteuropa ist langfristigangelegt und wird sorgfältig vom isla-mischen Logistik-Zentrum der irani-schen Botschaft im Kosovo auch mitdem Blick auf Zentraleuropa geplantund organisiert. (bt)

BALKAN ...

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46 AUFTRAG 248

SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Chancen und Grenzendie bedingungslose Armutsbekämp-fung und der Aufbau von sozial ge-rechten Strukturen. Als neutralePartner von internationalen Einrich-tungen sollten die Werke ihren Bei-trag zur Vermittlung und Versöhnungleisten. – Eine Vernetzung der Arbeitmüsse Länder bezogen angelegt sein,empfahl Bröckelmann-Simon. In die-sem Zusammenhang verwies er aufbereits stattgefundene gemeinsameProjekte von Misereor und missio,etwa während des Unabhängigkeits-kampfes in Ost-Timor. Beide Werkehätten im Sommer 1999 zur damali-gen Volksabstimmung über die Frage

Die katholischen HilfswerkeMisereor, Adveniat und missiosind seit einiger Zeit dabei,

trotz ihrer spezifischen Ausrich-tungen bestimmte Zukunftsfragen ge-meinsam anzugehen. In der Katholi-schen Akademie des Bistums Essen„Die Wolfsburg“ veranstalteten diedrei Werke am 9./10. Juli eine Fach-tagung zum Thema „Die Kirche alsAnwältin des Friedens“. Auf derGrundlage des Bischofswortes „Ge-rechter Friede“ ging es den Teilneh-mern darum, Möglichkeiten undGrenzen kirchlichen Handelns in re-gionalen und globalen Konfliktenauszuloten.

Friedensarbeit und Konfliktprä-vention sind für Misereor-Geschäfts-führer Martin Bröckelmann-Simoneine Querschnittsaufgabe, bei der dieHilfswerke stärker aufeinander zuge-hen sollten. Friedensförderung müs-se als eine der größten Herausforde-rungen der heutigen Zeit vernetzt ge-schehen, erklärte auch der Präsidentvon missio-Aachen, Franziskaner-pater Hermann Schalück. Eine sol-che Vernetzung sei besonders in derBildungsarbeit in Gemeinden undVerbänden sinnvoll. Allerdings solltenach Meinung Schalücks das Zusam-menwirken nicht so weit gehen, aucheine gemeinsame Öffentlichkeitsar-beit zu betreiben. Der stellvertreten-de Adveniat-Geschäftsführer Micha-el Sommer erinnerte daran, dass dieZusammenarbeit der Hilfswerke eineUnterstützung der Ortskirchen imFalle von kriegerischen, interreligiö-sen und ethnischen Konflikten vorse-he. Die Kirche sei in vielen dieserLänder die einzige Vertrauensinstanzund daher besonders gefordert, zurLösung und Aufarbeitung von Krisenbeizutragen.

Im Verlauf ihres Treffens einig-ten sich die Teilnehmer auf eine ge-meinsame Erklärung, in der einestärkere Zusammenarbeit in derFriedensarbeit vereinbart ist. DieHilfswerke sollten die Ausbildung lo-kaler Friedenskräfte fördern, dieOrtskirchen als Lobby in Deutsch-land unterstützen, die Zusammenar-beit mit den evangelischen Kirchenund anderen Organisationen intensi-vieren sowie für den interreligiösenDialog eintreten. Vorrangiges Ziel sei

„Friedensarbeiter“ als Beruf –wenn es denn dem Frieden dient

Seit 1997 hundert Fachkräfte für zivile Konfliktbearbeitung ausgebildetAus Mitteln des BMZ Zuschüsse von 10 Mio EUR für das Jahr 2001

VON KNA-MITARBEITERIN HILDE REGENITER

fessionellen Ausbildung zur Frie-densfachkraft“, die das Forum Zivi-ler Friedensdienste (forumZFD) alsDachverband von 40 Friedensinitia-tiven seit 1997 anbietet. Den Grund-stein für diesen Zivilen Friedens-dienst hatten 1997 Politiker wieHildegard Hamm-Brücher (FDP),Rita Süssmuth (CDU) und Hans-Jo-chen Vogel (SPD), aber auch derJournalist Franz Alt und der frühereTrierer Bischof Hermann Josef-Spi-tal, mit ihrer so genannten „BerlinerErklärung“ gelegt. Sie forderten da-mals einen „in der Gesellschaft ver-ankerten, gesetzlich abgesicherten,staatlich geförderten und internatio-nal eingebundenen Zivilen Friedens-dienst“. 1999 erhielt das forumZFDerstmals Mittel aus dem Entwick-lungsministerium (BMZ). Für dasJahr 2001 waren es zehn MillionenEuro.

Bei weitem nicht genug, bemän-gelt die stellvertretende Geschäfts-führerin Britta Hohmann. Der Bedarfan Friedensarbeitern sei hoch, dieZahl der Förderungsanträge beimBMZ ebenfalls. Derzeit könne nur ei-

Albanische und serbische Rund-funkredakteure sitzen am Tisch.Gemeinsam beraten sie, wie

man im Radio über das Leben vonFrauen in den serbischen Enklavenim Kosovo berichten kann. Dass Ko-sovo-Albaner und Serben überhauptmiteinander sprechen – keine Selbst-verständlichkeit nach einem blutigenKrieg mit vielen Ressentiments aufbeiden Seiten. Dass sie dann auchnoch konstruktiv zusammenarbeitenwollen – ein kleines Wunder. Dennder Hass sitzt tief.

Dagmar Blickwede hat als Frie-densarbeiterin im Praktikum in derkosovarischen Stadt Prizrin erlebt,wie ein solch zaghaftes Wieder-Auf-einanderzugehen gelingen kann.Während ihrer viermonatigen Aus-bildung in Ziviler Konfliktbearbei-tung arbeitete sie drei Wochen indem Radio-Projekt der katholischenFriedensorganisation Pax Christi mit.Hier erfuhr sie in der Praxis, was siezuvor mit ihren neun Kurskollegen inSeminaren, Diskussionen und Refe-raten erarbeitet hatte.

Die 33-Jährige ist eine von mitt-lerweile 100 Absolventen der „pro-

der Unabhängigkeit von IndonesienWahlbeobachter entsandt.

Ähnliche Projekte sind in naherZukunft allerdings noch nicht zu er-warten, wie Bröckelmann-Simon ge-genüber KNA erläuterte. Währendsich bei Misereor bereits seit zweiJahren eine Arbeitsgruppe aus-schließlich mit Konfliktpräventionund Krisenbewältigung befasse, seibei Adveniat und missio zunächst einKlärungsprozess darüber notwendig,wie viel Raum sie der Friedensarbeitgeben wollten. Um dieser Arbeit eingrößeres politisches Gewicht zu ver-leihen, müssten auch Allianzen imaußerkirchlichen Bereich eingegan-gen werden, fügte er hinzu. (KNA)

Fortsetzung auf Seite 47 u.

FRIEDENSARBEIT DER HILFSWERKE:

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47AUFTRAG 248

Mit Leibwächtern auf den RichterstuhlInternationale Friedenskräfte sollen künftig besser betreut werden

CHRISTOPH STRACK

In der ersten Etage malerten unddübelten noch die Handwerker,ein Stockwerk höher lobte Ludger

Volmer, Staatsminister im Auswärti-gen Amt, das Zentrum für Internatio-nale Friedenseinsätze in hohen Tö-nen. Kurz vor Ende der Legislaturpe-riode bedeutet das Zentrum für inter-nationale Friedenseinsätze (zif) dieRealisierung eines rot-grünen Pro-jekts, das weltweit vorbildhaft seinkann. Denn wer für Deutschland imRahmen internationaler Missionen inKrisengebiete geht und bei Demo-kratisierung und Friedenssicherunghilft, soll künftig besser vorbereitetund betreut werden. Winrich Kühne,Geschäftsführer des Instituts, kenntdie Situation jener, die als Juristen,Wahlbeobachter oder Sicherheits-fachleute in Krisenregionen gehen,um beim Aufbau stabiler Strukturenzu helfen. Anfang der neunziger Jah-re begleitete Kühne den Wandel inSüdafrika. „Wenige Häuser nebenuns wurde das ANC-Hauptquartierin die Luft gesprengt, mehrmalsnachts wurde unser Hotel evakuiert“,erinnerte er sich. Es war, ohne großeVorbereitung, so etwas wie derSprung ins kalte Wasser. Trotzdemspürte Kühne, Krisenprävention seidas richtige Konzept, um Konfliktenzu begegnen.

Einen der heikelsten Jobs unterden bislang eingesetzten Deutschen

hatte Ingo Risch, der als Richter bisEnde März eineinhalb Jahre im Rah-men der Friedensmission der Verein-ten Nationen im Kosovo tätig war. Erwohnte bei der Bundeswehr. Meistwurde der 55 Jahre alte Richter vondrei Leibwächtern begleitet, ging esdoch um Kriegsverbrechen wie umorganisierte Kriminalität. „Das warNeuland“ – so oder so: Risch, mitt-lerweile wieder Vorsitzender Richteram Landgericht Duisburg, hatte alserster Deutscher im Ausland solcherichterlichen Funktionen. Rückbli-ckend nennt er es absolut notwendig,solche Einsätze umfassend vor- undauch nachzubereiten, „damit man imNachhinein nicht so allein gelassenwird“.

„Warum wird man eigentlich un-vorbereitet in solche Einsätze ge-schickt?“ fragte auch Kühne. Er willdas ändern. Dabei liegt ein Engage-ment wie das von Risch oder ein Pro-jekt wie das Zentrum für internatio-nale Friedenseinsätze im Schnittfeldvon Außen- und Entwicklungspoli-tik. Vor kurzem wurde in Bonn diehundertste Fachkraft für zivileKonfliktbearbeitung“ gefeiert, derenAusbildung mittlerweile vom um jedeMark kämpfenden Entwicklungs-ministerium (BMZ) finanziert wird.Wesentliches Kriterium des Zen-trums für internationale Friedensein-sätze ist dagegen die Einbindung in

internationale Missionen. Dieser Rufkommt von den Vereinten Nationen,der Europäischen Union oder der Or-ganisation für Sicherheit und Zusam-menarbeit in Europa. Deshalb ist dasProjekt beim Außenministerium an-gegliedert, das im Bereich der huma-nitären (Not-)Hilfe weiter an Bedeu-tung gewinnt und dessen Etat im Jahr2003 übrigens um über vier Prozentsteigen soll.

Wenn das Zentrum für internati-onale Friedenseinsätze dann so rich-tig etabliert ist, kann sich Deutsch-land mit bis zu dreitausend Fachkräf-ten an internationalen Einsätzen zurFriedenssicherung in Krisenregionenbeteiligen. Bislang stehen gut 700Deutsche für die Zusammenarbeitetwa im Rahmen der Vereinten Nati-onen bereit.

Wahlhilfe im Kosovo, Verwal-tungsaufbau in Afghanistan - Volmerwünscht sich für diese Jobs freiwilli-ge Hilfskräfte aus der gesamten Brei-te der Gesellschaft. Sie werden dannbei der Bundeswehr oder in Polizei-schulen in vierzehn Tagen ausgebil-det, weswegen Volmer bei der Eröff-nung des Zentrums erst der Bundes-wehr und Polizeitrainern und dannerst dem Bundesministerium für diebisherige Zusammenarbeit dankte.Das neue Institut, meinte der Staats-minister, sei ein „wirklicher Durch-bruch in der Unterstützung der zivi-len Krisenprävention“. Ein wenig istes auch sein eigenes Projekt, seitdemdie Bundesregierung 1999 das Ge-samtkonzept der „Krisenprävention,Konfliktlösung und Friedenskonso-lidierung“ formuliert hatte.

(aus: DT 79/29.06.2002)

Fortsetzung von Seite 46

ner von vier Bewerbern für die zweiMal jährlich stattfindende Qualifizie-rungsmaßnahme ausgewählt werden.Daher fordert das forumZFD eineschrittweise Aufstockung der Mittelauf 55 bis 60 Millionen Euro bis zumJahr 2006. Dann könnten etwa 500Friedensleute ausgebildet werden –ein Minimum, um die Wirksamkeitder Einsätze überprüfen zu können.

Chancen bei einer Bewerbunghat, wer mindestens 25 Jahre alt ist,seine Beweggründe überzeugenddarlegen kann und bereits über Be-rufserfahrung verfügt.

In der Weiterbildung stehenTheorie und Praxis in einem sinnvol-len Verhältnis, meint Blickwede:„Erst bekomme ich eine Erklärungzu gewaltfreier Kommunikation. Imanschließenden Rollenspiel erfahreich selbst, was das eigentlich bedeu-tet.“ Voneinander lernen seiebenfalls ein wichtiges Prinzip fürFriedenslehrlinge. Blickwede etwahat für ihre Kollegen ein Seminarüber Presse- und Öffentlichkeitsar-beit gehalten. Teamarbeit, die Analy-se interkultureller Zusammenhänge,Mediation – die Teilnehmer sollenim Kurs das Handwerkszeug für denEinsatz vor Ort bekommen. Grund-

voraussetzung: die Bereitschaft, ansich selbst und am eigenen Konflikt-verhalten zu arbeiten. Jawad Siyamaus Jerusalem, ein weiterer frisch ge-backener Friedensfachmann, fügthinzu: „Die Fähigkeit, die Bedürfnis-se anderer wahrzunehmen.“ Er selbstversucht als Palästinenser, Kinder imZentrum des Nahost-Konflikts zumFrieden mit den Israelis zu erziehen.Ein Tropfen auf den heißen Stein?„Der Frieden ist der Ernstfall, in demwir uns alle zu bewähren haben“steht auf der Homepage desforumZFD – ein Zitat des ehemaligenBundespräsidenten Gustav Heine-mann. (KNA)

ZIVILER FRIEDENSDIENST

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48 AUFTRAG 248

SICHERHEITSPOLITIK UND FRIEDENSETHIK

Forderung nach einer „Humanitären Meldestelle”bei der Deutschen Bischofskonferenz

KLAUS LIEBETANZ

Zielsetzung einerHumanitären Meldestelle

Die Einrichtung einer „Humani-tären Meldestelle“ soll ausschließ-lich dazu dienen, rasch und verzugs-los, zuverlässige und möglichst um-fassende Informationen über einenbeginnenden Völkermord oder ähn-lich gravierende Ereignisse zu erhal-ten. Damit kann die DeutscheBischofskonferenz (DBK) bei derBundesregierung und/oder anderengeeigneten Stellen intervenieren, umden Fortgang eines Völkermordesoder vergleichbare Ereignisse aufzu-halten oder wenigstens zu mindern.Die Bundesrepublik Deutschland hatdie Völkermordkonvention der Ver-einten Nationen 1955 ratifiziert. Siehat sich damit verpflichtet einzugrei-fen, wenn eindeutige Beweise für ei-nen Völkermord vorliegen. Da dieKirche vor Ort mit den Menschenauch in den abgelegenen Gebietenzusammenlebt, ist sie noch eher inder Lage eine realistische Beurtei-lung der Situation vorzunehmen alsdie in „Ghettos“ lebenden Diploma-ten, die sich ihrem Auftrag gemäßzunächst um ihre eigenen dort leben-den Staatsbürger zu kümmern haben.

Begründung für die Notwendig-keit der Humanitären Meldstelle

In der Zeit vom 6. April bis zum31. Juni 1994 wurden in Ruanda ca.850.000 unschuldige Frauen, Kinderund ältere Menschen zumeist in Got-teshäusern in einer der deutschenKatholischen Kirche sehr verbunde-nen Partnerkirche regelrecht abge-schlachtet, ohne dass verantwortli-che Vertreter der deutschen Katholi-schen Kirche rechtzeitig davonKenntnis erhielten und ihren gesam-ten Einfluss hätten geltend machenkönnen, um diese unglaubliche Bar-barei an Glaubensschwestern und-brüdern zu verhindern. Ruanda hat60% Katholiken und 15%Protestan-ten. Viele Missionare, darunter ca.50 Weiße Väter, wurden bei den o.a.Massakern verschont und mussten

teilweise tagelang in kirchlichen Ne-benräumen mitanhören, wie ihrenGemeindemitgliedern Kopf und Glie-der zerschlagen wurden.

Nur einzelne weiße Missionaretraten anschließend an die Öffent-lichkeit. Viele von ihnen waren zugeschockt, um noch zu reagieren.Bei der DBK gab es keine systemati-sche Aufbereitung der ersten Mel-dungen und Zeugenaussagen, umsich ein Gesamtbild des Völkermor-des in Ruanda zu machen. Dadurchist eine entschlossene, rechtzeitigeIntervention bei der Bundesregie-rung unterblieben. Die Bundesregie-rung ihrerseits war über die Vorgän-ge in Ruanda wenig informiert. Sofand am 18. Mai 1994, sieben Wo-chen nach Beginn des Mordens undauf dem Höhepunkt des Völkermordsin Ruanda, eine Sitzung des Auswär-tigen Ausschusses statt, auf der mitkeinem Wort auf den seinerzeit aku-ten und laufenden Völkermord einge-gangen wurde (vgl. AUFTRAG 247,S. 6 f. “Deutscher Bundestag im Glas-haus – Kein Grund zu moralischerÜberheblichkeit”).

Fragen an die DBKAcht Jahre nach dem schreckli-

chen Völkermord im überwiegendkatholischen Ruanda ist es an derZeit, dass sich auch die DBK ernst-haft mit der Frage beschäftigt, wieder Völkermord an 850.000 meistFrauen, Kindern und älteren Men-schen fast ausschließlich in Kirchenhätte verhindert oder wenigstens ab-gekürzt werden können. Dazu könn-ten folgende Fragen hilfreich sein:1.Wann hat die DBK zum ersten Mal

vom o.a. Völkermord in Ruanda er-fahren?

2.Wann wurde die Bundesregierungals Unterzeichnerstaat der Völker-mordkonvention zum ersten Malüber den Völkermord in Ruandadurch die DBK informiert?

3.Wann hat die DBK der Bundesre-gierung nachvollziehbare Beweise(z.B. durch glaubwürdige Zeugen-aussagen) für den Völkermord inRuanda vorgelegt?

4.Welche Reaktion hat es von Seitender damaligen Bundesregierunggegeben?

5 Welche Konsequenzen hat dieDBK aus ihrem Verhalten bezüg-lich des Völkermordes in Ruandagezogen, um einer zukünftigenähnlichen Katastrophe besser zubegegnen?

Schlussfolgerung

Die Einrichtung einer Humanitä-ren Meldestelle bei der DBK könntedazu beitragen, dass eine rechtzeitigerkannte menschliche Katastrophegrößeren Ausmaßes verhindert oderwenigstens gemindert werden kann,weil Priester und Ordensleute häufigdie letzten Zeugen vor Ort sind. Wemnutzt z.B. das Kommissariat derDeutschen Bischöfe bei der Bundes-regierung in Berlin, wenn es im Falleines Völkermordes oder einer ähnli-chen humanitären Katastrophe nichtin der Lage ist, beweiskräftige Infor-mationen vorzulegen. Vage Vermu-tungen und unbewiesene Einzel-meldungen werden das AuswärtigeAmt nicht überzeugen. Dort ist manfroh, wenn die Bundesregierung ihreVerpflichtung aus der Völkermord-konvention nicht einhalten muss(vgl. AUFTRAG 247, a.a.O.). Nachdem hervorragenden, jedoch mehrtheoretisierenden Wort der deut-schen Bischöfe „Gerechter Friede“wäre es durchaus angebracht, wenndie DBK mehr „Bodenhaftung“ hätte(vgl. AUFTRAG 244, S. 51 ff., „Ge-danken zur Krisenprävention – einekritisch-positive Betrachtung“). Diebisherigen ersten Bemühungen derDeutschen Kommission „Justitia etPax“ in einzelnen ausgewählten Län-dern ein Frühwarnsystem zu instal-lieren sind sicher hilfreich, sie erset-zen jedoch nicht eine generelle „Hu-manitäre Meldestelle“, da Völker-mord oder ähnliche humanitäre Ka-tastrophen jederzeit an vielen ande-ren Orten der Welt geschehen kön-nen. Mit der Aufstellung einer „Hu-manitären Meldestelle“ bei der DBKwürde die Kirche einen weiteren gu-ten Dienst an der Menschheit leisten,die Pastoralkonstitution „Gaudium etspes“ mit zusätzlichem Leben erfül-len und als praxisnaher Anwalt derunschuldig zum Tode Verurteiltenauftreten, so wie das jetzt schon beimungeborenen Leben geschieht. ❏

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49AUFTRAG 248

Die Grenzen einer WanderdokumentationDie Wehrmachtsstellung in neuer Präsentation

GERHARD ARNOLD

Die neue Wehrmachtsausstellung zieht erneut große Besucher-scharen an. Am 28. November des letzten Jahres öffnete sie nacheiner weitgehenden Neubearbeitung in Berlin wieder ihre Pforten.

Der Name wurde nur unwesentlich geändert. Jetzt heißt sie: VERBRECHEN

DER WEHRMACHT. DIMENSIONEN DES VERNICHTUNGSKRIEGES 1941-1944.

Bekannte FaktenOb die alte und jetzt neue Wehr-

machtsausstellung überhaupt nötigist, darf man bezweifeln. Wer sachli-che Information suchte, konnte ausder Fachliteratur seit den 70er Jah-ren wissen, dass Hitler den Russ-landfeldzug als einen Weltanschau-ungskrieg konzipiert hat. Die Wehr-macht sollte mithelfen, die „slawi-schen Untermenschen“ zu unterjo-chen, die Juden in den besetzten Ge-bieten zu vernichten, die Bevölke-rung praktisch zu Sklaven der „ari-schen Herrenmenschen“ zu machen.Die Arbeitskraft der unterworfenenVölker sollte rücksichtlos und bar je-der Menschlichkeit ausgebeutet, dieKriegsgefangenen, wo als notwendigerachtet, schutzlos dem Tod überant-wortet werden. Wehrmachtsverbändesollten mit den SS-Einsatzgruppenzusammenarbeiten, um die barbari-schen Pläne des sog. Führers umzu-setzen. Ein furchtbares Kapitel derdeutschen Geschichte, dem allein imGebiet der früheren Sowjetunionrund 26 Mio. Menschen zum Opfergefallen sind.

Die neue PräsentationIst die neue Ausstellung seriöser

als die alte? Um es in einem Satz zusagen: Ja und nein. Der Besucher be-tritt einen Raum in Weiß. Eigentlichkein Ausstellungsraum. Es gibt keineExponate zu sehen, die in die Augenstechen, sondern Stellwände mit Do-kumenten. Die Wehrmachtsausstel-lung ist an die Grenzen einer übli-chen Ausstellung angekommen. Siewurde zur Wanderdokumentation,museumsdidaktisch eine kühne Ent-scheidung. Von der ursprünglichenMasse der Fotos, die den Besucheremotional erdrückten, mit Grausenerfüllten und wohl erdrücken sollten,sind nur wenige geblieben.

Was gibt es zu sehen? Vor allemDokumente, die sieben Themen zu-geordnet wurden:1.Krieg und Recht. Kein Krieg im

herkömmlichen Sinne2.Völkermord3.Repressalien und Geisel-

erschießungen4.Sowjetische Kriegsgefangene5.Ernährungskrieg6.Partisanenkrieg7.Deportationen und Zwangsarbeit

Der Besucher braucht also vielGeduld und viel Zeit, wenn er dieDokumente zu den einzelnen The-men lesen will, Befehle, Vollzugs-meldungen usw. Fotos wurden nurspärlich eingesetzt. Man kann davonausgehen, dass die kleine Zahl derjetzt gezeigten Bilder wissenschaft-lich korrekt ist, was die Zuordnungvon Bild, Bildunterschrift und histo-rischen Zusammenhang angeht. DieThemen der neuen Ausstellung sindalso die gleichen wie bei der alten.Sie decken die Dimensionen der ver-brecherischen Kriegführung ab, dieHitler der Wehrmacht beim Krieg imOsten und auf dem Balkan auferlegthat. Doch handelt es sich um Verbre-chen der Wehrmacht als ganzer, zuder immerhin rund acht MillionenSoldaten an der Ostfront gehört ha-ben? Das ist die entscheidende Frage.

Die gleichen altenund neuen Fragen

1.Wie viele Wehrmachtsangehörigewaren an verbrecherischen Taten1941 bis 1944 beteiligt? Die Aus-stellung verzichtet auf jede Quanti-fizierung. Wenn es keine verlässli-chen Zahlen gibt, dann darf manauch keine nennen. Aber die Fragenach den Zahlen ist nicht unwich-tig. Angenommen, es wären200.000 Soldaten gewesen, die un-mittelbar und wissentlich an derVorbereitung, direkten Unterstüt-zung oder Ausführung verbrecheri-scher Befehle beteiligt gewesenwaren, dann wären etwa 2,5 Pro-zent der Wehrmachtsangehörigenim Osten direkt in den verbrecheri-schen Auftrag Hitlers verstrickt ge-wesen. Stehen diese Soldaten stell-vertretend für die Wehrmacht alsganze?

Zur ErinnerungDie alte Ausstellung des Ham-

burger Instituts für Sozialforschung,von Hannes Heer verantwortet, hatvier Jahre lang von 1995 bis zum Ab-bruch im November 1999 für sehremotionale Kontroversen gesorgt.Das lag weniger an den erst später imEinzelnen kritisierten Mängeln vorallem im Umgang mit den vielen Fo-tos, sondern an der Präsentation. Diealte Ausstellung wollte emotionali-sieren, sie wollte – wenngleich vonden Ausstellungsmachern bestritten– die Wehrmacht pauschal als ver-brecherische Organisation vorführen.Sie wollte auch, wenngleich nie zuge-geben, den Soldatenberuf zumindestin Deutschland diskreditieren. Ver-mutlich ist dies sogar die Hauptab-sicht gewesen. Insofern hatte die alteAusstellung Propaganda-Charakterund war unseriös. Es war überfällig,dass sie Ende 1999 abgesetzt wurde.Philipp Jan Reemtsma gebührt des-halb in dieser Hinsicht Respekt.

Die bisherige KritikWer an der alten Ausstellung

Kritik übte, tat dies in der Regel, ab-gesehen von den Ewiggestrigen,nicht aus emotionaler Abwehr gegen-über der furchtbaren historischenWahrheit. Es geschah wegen deremotionalisierenden Grundanlage,die nichts davon wusste, dass dieWehrmachtssoldaten zunächst Opfervon Hitlers barbarischer Kriegs-führung im Osten und auf dem Bal-kan waren, bevor sie, in Teilen, zuTätern wurden. Das Ganze aber unterRahmenbedingungen, von denensich heute kein Nachgeborener einehalbwegs realistische Vorstellungmachen kann: Hunger und Kälte, Er-schöpfung und Gefahr, Angst undVerzweiflung, massenhaftes Sterbenin den eigenen Reihen, Bedrohungdurch die Partisanen und existentiel-ler Kampf ums Überleben.

ZUM BILD DES SOLDATEN

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50 AUFTRAG 248

ZUM BILD DES SOLDATEN

2. Eine eigene kleine Abteilung derneuen Wehrmachtsausstellungwidmet sich der wichtigen Fragenach den Handlungsspielräumendes Einzelnen. An einem interes-santen und zuverlässig dokumen-tierten Beispiel eines einzigen Ba-taillons wird gezeigt, dass die Ver-weigerung eines Erschießungs-befehls zu keinen Zwangsmaßnah-men gegen den Befehlsempfängerführte. Ein anderes Bataillons-mitglied befolgte den verbrecheri-schen Befehl ohne Zögern. SolcheBeispiele sind bekannt. BereitsChristopher R. Browning hat in sei-nem wichtigen Buch über „das Re-serve-Polizeibataillon 101“ ge-zeigt, dass Polizisten dieses Batail-lons, die sich weigerten, an Er-schießungen teilzunehmen, in derRegel nicht bestraft wurden. Dochwelche Schlussfolgerung soll ausdiesem Befund gezogen werden?Dass alle Soldaten, die verbreche-rische Befehle ausführten Feiglingeund Versager gewesen sind? Wer sodenkt, reagiert überheblich. Sinn-voller wäre die Frage: Wie hätte ichmich mit meiner mir bekannten be-sonderen Charakterstruktur ver-halten? Wie hätte ich mich verhal-ten in der allgemeinen psychischenund körperlichen Ausnahmesitua-tion, die ich nicht selber geschaf-fen habe, sondern die der Krieg miraufgezwungen hat? Vielleicht sindgerade ein paar Kameraden, guteFreunde, von Partisanen gefangengenommen und bestialisch ermor-det worden. Ihre Leichen hat manbei einem Vorstoß gefunden. DerHass auf den Feind, der auch gna-denlos und bestialisch war – das istkeine Aufrechnung, nur eine Fest-stellung – kann schnell Sicherun-gen durchbrennen lassen. Was hatdieser Krieg unter den heute un-vorstellbaren und zermürbendenBedingungen gerade an der Ost-front aus vielen Soldaten gemacht!Viele haben versagt, viele habenSadismus gezeigt, völlige Gefühllo-sigkeit im Umgang mit dem Feind.Nicht wenige sind darüber erschro-cken und manche haben es in denFeldpostbriefen auch geschrieben.Auch die Zahl derjenigen Soldatenist unbekannt, die angewidert undempört waren, als sie von denJudenerschießungen gehört haben.Es gibt Regimentsberichte, die

über die Gefährdung der Truppen-moral durch die Judenerschießun-gen 1941 und 1942 schreiben undauf Abhilfe drängen.Wie hätte ich mich verhalten? Werdieser Frage standhält, ist davorgefeit, sich in selbstgerechter Poseanklagend vor die damaligen „ar-men Teufel“ zu stellen, die ganzüberwiegend meinten, sie müsstenfür Führer, Volk und Vaterland dieihnen auferlegten Torturen durch-stehen. Ihr Glaube an die MissionDeutschlands im Osten Europaswar falsch, ihr Vertrauen in denFührer war falsch. Viele haben erstnach dem Krieg erfahren, dass sievon einem verbrecherischen Re-gime missbraucht worden sind unddass sie in schwer entwirrbaremMaß ein Rädlein im Getriebe desUnrechtsregimes waren. Über die-se Dimension des Vernichtungs-krieges sagt auch die neue Ausstel-lung nichts.

3. Sie hat darauf verzichtet, und dasist der Hauptvorwurf auch an dieneue, die verbrecherische Krieg-führung von Wehrmachtsteilen undeinzelnen Soldaten im Osten undauf dem Balkan einzuordnen ineine historische Anthropologie.Wozu sind Menschen in Extrem-situationen fähig?Die Geschichte der Unmenschlich-keit ist bekanntermaßen nicht am8. Mai 1945 zum Stillstand gekom-men. Wie ist es möglich gewesen,dass militärische Befehlshaber undihre Stäbe und im Vollzug ihrer Be-fehle normale Soldaten auchanderwärts Verbrechen größerenAusmaßes begangen haben? DerBürgerkrieg in Algerien von 1956bis 1962 war unvorstellbar grau-sam. Erst jetzt beginnt in Frank-reich langsam die Aufarbeitung.Die verdrängte Erinnerung an die-sen Krieg hat übrigens dazu ge-führt, dass mancher französischerGeneralstabsoffizier sich über dieerste Wehrmachtsausstellung ab-lehnend geäußert hat („Wenn wirdamit anfangen würden ...“). Fran-zösische Soldaten eines demokrati-schen Landes haben in Algerienversagt, genauso amerikanischeSoldaten in Vietnam. Wie ist esmöglich gewesen, dass in Ruandaim April 1994 das größte Massen-verbrechen der Nachkriegszeit in-

nerhalb weniger Stunden beginnenkonnte? In einem Land mit 7,9Mio. Einwohnern wurden in etwaacht Wochen 800.000 Menschenermordet. Über 100.000 Ruander,durchwegs Hutus des Mehrheits-volkes, sitzen als mutmaßliche Tä-ter in Untersuchungshaft. Im Wo-chendurchschnitt wurden 100.000Menschen massakriert, meist mitMacheten erschlagen; zigtausendewurden an Händen und Füßen ge-bunden und dann ertränkt. Es warein Blutrausch unvorstellbarenAusmaßes, ein reiner Bürgerkrieg,natürlich mit Vorgeschichte, ausge-führt von Milizen, die zuvor gewor-ben worden waren. Wie ist dasmöglich? Der Firnis menschlicherZivilität scheint dünner zu sein alswir Zeitgenossen vielfach meinen.Er scheint schneller und einfacherabzukratzen zu sein als wir möch-ten. Darüber sagt die neue Wehr-machtsausstellung nichts. Sie stehtin der Gefahr, dass sie die Verbre-chen beim Russlandfeldzug und inSüdosteuropa auf ein deutschesProblem reduziert, von der Sorgegeleitet, irgendjemand könnte siedurch Vergleiche verniedlichen.Doch damit sorgt auch die neu prä-sentierte Ausstellung dafür, dassder Blick für die furchtbare Wirk-lichkeit von Massker und Völker-mord in der Gegenwart verschleiertwird.

Christopher R. Browning gab sei-nem schon genannten Buch über dasPolizeireservebataillon 101 denHaupttitel „Ganz normale Männer“.Er wollte damit zum Ausdruck brin-gen, dass nicht ganz besondersschlimme Bestien eines speziellenVolkes, der Deutschen also, zu Ver-brechen wie in Russland fähig gewe-sen sind. Er wollte zeigen, dass esganz normale Männer waren und erruft damit zunächst bei den briti-schen Lesern, für die das Buch ur-sprünglich geschrieben ist, die be-klemmende Einsicht wach, dassMenschen in Extremsituationen of-fenbar zu schlimmsten Untaten fähigsind.

Die neue Wehrmachtsaus-stellung stößt zu dieser Sicht derDinge nicht vor. Vielleicht wird esnoch eine dritte Ausstellungsvariantegeben, die diese wichtige Dimensionberücksichtigt. ❏

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SACHAUSSCHUSS „SICHERHEIT UND FRIEDEN“

Eine nicht ganz unzeitgemäße Betrachtung –Gemeinschaft Muslimischer Soldaten (GMS)?

THOMAS R. ELß NER

Am 18. Januar 2002 traf sich im Albertinum zu Bonn der Sachausschuss„Sicherheit und Frieden“ der Gemeinschaft der Katholischen Soldaten(GKS) zu einer Arbeitstagung mit dem Schwerpunktthema „Islam“. Dabeiging es neben Fragen nach der geschichtlichen Entstehung und Ausbrei-tung vor allem auch um die normativen religiösen Grundlagen der Musli-me. In diesem Zusammenhang äußerte der Verfasser folgende Überle-gung:

zurzeit mehr als 3,2 Millionen Musli-me in der Bundesrepublik leben.Dieser Quelle ist ebenfalls zu ent-nehmen, dass 500.000 Muslime ei-nen deutschen Pass besitzen. Zudemdiskutiert man beispielsweise zurZeit besonders in muslimischenKreisen in Deutschland die Voraus-setzungen und Bedingungen eines sogenannten Euro-Islams3). Dabei darfauch nicht vergessen werden, dass esaußerdem einige von ihrer Abstam-mung her Deutsche gibt, die zum Is-lam konvertiert sind und somit eben-falls in Erinnerung rufen, dass sichder Islam nicht ethnisch oder regio-nal eingrenzen lässt und dass diesletztlich seinem Selbstverständnisauch widerspricht.

Wenn nun aber jemand die deut-sche Staatsbürgerschaft erworben hatbzw. sie bereits von Geburt an be-sitzt, ergeben sich daraus bekannter-maßen grundsätzlich auch Pflichtenwie z.B. die Wehrpflicht für männli-che Jungendliche beim Erreichendes 18. Lebensjahres. Wie wird es inein paar Jahren aussehen, wennvielleicht männliche Jugendlichemuslimischen Glaubens in nennens-werterer Zahl zur Bundwehr einberu-fen werden, ja mehr noch, wenn sievielleicht ob mit oder ohne Wehr-pflicht die Bundeswehr für sich ent-decken, um Zeit- und/oder Berufs-soldat zu werden. Dieser Weg kannfür männliche Jugendliche muslimi-schen Glaubens insofern attraktivsein, als sie über diesen Weg viel-leicht die gesellschaftliche Anerken-nung im gewissen Grade tatsächlichauch erfahren, die ihnen in anderenBereichen meist vorenthalten bleibt.Außerdem hält die Bundeswehr nachwie vor nicht unattraktive Karriere-chancen bereit, die zugleich für ei-

nen muslimischen Jugendlichennicht unerhebliche gesellschaftlicheAufstiegschancen bedeuten können.Kurzum: Soldatsein muslimischerJugendlicher in der Bundeswehr alsStärkung des eigenen gesellschaftli-chen Selbstbewusstseins und wirksa-me Integration mit nachhaltiger undanhaltender Wirkung.

Wie sieht es aber dann mit struk-turierter seelsorglicher Begleitungvon Bundeswehrsoldaten muslimi-schen Glaubens aus, vor allem wennsie sich in Auslandseinsätzen befin-den?

Von daher kann es insgesamtnicht ganz überraschen, wenn in der„Islamischen Charta“ unter „20.Eine würdige Lebensweise mitten inder Gesellschaft“ u.a. die „Beschäf-tigung muslimischer Militärbetreu-er“ gleichsam gefordert wird. Derweltanschaulich neutrale Staat wirdsich dem auf Dauer auch nicht ver-schließen. Sollte es dann aber musli-mische Militärbetreuer in der Bun-deswehr geben, wird dies letztlichauch Auswirkungen auf den Lebens-kundlichen Unterricht (LKU), aufUnteroffiziers- und Offiziersarbeit-gemeinschaften und nicht zuletzt aufdie Gelöbnisgottesdienste beiderchristlichen Konfessionen haben.

Als Gegenargument wird meis-tens nicht unberechtigt angeführt:Solange muslimischen Gruppen undOrganisationen der Status einer Kör-perschaft öffentlichen Rechts nichtzuerkannt worden ist, solange wird esauch keine strukturierte muslimischeMilitärseelsorge mit muslimischenMilitärbetreuern als staatliche Beam-te auf Zeit in der Bundeswehr geben.Dieses Argument ist ein juridisches,und wenn man so will, von zeitlichbegrenzter Haltbarkeit. Es entbindetjedoch keinesfalls von bereits viel-leicht jetzt schon anzustellendenÜberlegungen auch auf Seiten derGemeinschaft Katholischer Soldaten(GKS), sich auf die Begegnung mitSoldaten muslimischen Glaubensund muslimischen Militärbetreuernvorzubereiten. Denn in dem Augen-blick, indem einer muslimischenGruppierung der Status einer Kör-perschaft öffentlichen Rechts verlie-hen wird, hat sich jenes juridischeArgument grundsätzlich eo ipso erle-

Leider haben erst wieder diedramatischen Ereignisse des11. Septembers 2001 in New

York, Washington und Pennsylvaniaund die sich daran anschließendennicht weniger dramatischen Entwick-lungen sowie die daraus resultieren-den, aber in ruhigeren Bahnen ver-laufenden Diskurse auch in weitenKreisen Europas unbeabsichtigter-weise nachhaltig in Erinnerung geru-fen, dass die Integration der Muslimeaus unterschiedlichen Gründen bis-her noch nicht wirklich gelungen ist,man bestenfalls erst am Anfang einerEntwicklung steht, die tatsächlichden Namen Integration verdient.Freilich wird es nicht unwesentlichdarauf ankommen, sich darüber klarzu werden, worin realistischerweisedas Ziel von Integration wird beste-hen können und worin nicht. Einesdürfte vielleicht jetzt schon deutlichsein, dass „der Islam“ eine wachsen-de Religion in Europa ist. Nach einerStatistik des Zentralinstituts Islam-Archiv, welches sich in Soest befin-det, wurden in Europa Ende Juli2001 nicht nur 51 Millionen Musli-me gezählt, sondern es wird zudemprognostiziert, dass „der Islam“ imJahre 2014, also in 12 Jahren, diezweitstärkste Religion in Europa seinwird. Untermauert wird dies mit demFaktum, dass in Belgien, Frankreich,Italien und Spanien „der Islam“schon den so genannten Protestantis-mus als zweitstärkste Religion abge-löst habe1). Zwar zeichnet sich dieseEntwicklung so in Deutschland (noch)nicht ab, aber aus dem Vorwort der„Islamischen Charta“2), welche vomZentralrat der Muslime in Deutsch-land e.V. am 20. Februar 2002 unter-zeichnet und herausgegeben wordenist, darf entnommen werden, dass

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digt. Sollte es aber trotzdem so sein,dass zwar keine muslimische Organi-sation den Status einer Körperschaftöffentlichen Rechts erhält, aber einedauerhafte bzw. eine ständige nen-nenswerte Anzahl Soldaten muslimi-schen Glaubens in der Bundeswehrihren Dienst verrichtet, so stünde esihnen dennoch wohl grundsätzlichfrei, gewissermaßen eine „Gemein-schaft Muslimischer Soldaten“(GMS) im Sinne einer Dachorganisa-tion für ihre entsprechenden Interes-sen zu gründen. Eine nun nicht ganzunwesentliche Aufgabe könnte esdann aber wiederum für die Gemein-schaft der Katholischen Soldaten(GKS) sein, von sich aus von Beginnan den Dialog mit dieser „Gemein-schaft Muslimischer Soldaten“(GMS) zu suchen, deren Mitglieder jadie eigenen Kameraden sind, und ih-nen vielleicht sogar mit erfahrungs-erprobten Ratschlägen beim Aufbaueiner GMS behutsam zur Seite zu ste-hen.

Im Hirtenwort der katholischenBischöfe „Gerechter Friede“ vom 27.September 2000 wird zum inter-religiösen Dialog und zur Begegnungzwischen den Religionen deutlich er-

muntert. „Wo dies möglich ist, sollteüber den Dialog hinaus Zusammen-arbeit gesucht werden, ohne Berüh-rungsangst und ohne Unterschei-dungsangst“ (Gerechter Friede Nr.189). Besondere Bedeutung kann ei-nem solchen Dialog und einer sol-chen Zusammenarbeit dann zukom-men, wenn Auslandseinsätze derBundeswehr dort stattfinden, wo sichein nicht unerheblicher Teil der Be-völkerung zum islamischen Glaubenbekennt.

Insgesamt wäre aber nichts fata-ler, als wenn Soldaten christlichenund muslimischen Glaubens in derBundeswehr ein Bild der Dialog-unfähigkeit oder Dialogverweigerungabgäben, sodass sich außerdem dienicht wenigen religiös indifferentenSoldaten in der Bundeswehr in dervielleicht vorhandenen festen Über-zeugung noch einmal umso mehr be-stätigt sähen, dass letztlich Christen-tum und Islam „ihrem Wesen nachintolerant und friedensunfähig“ sei-en“ (Gerechter Friede Nr. 192). Diesbedeutet christlicherseits nicht,„christliche Maßstäbe zurückzustel-len, um Konflikten aus dem Weg zu-gehen“ (Gerechter Friede Nr. 189).

Ein konstruktiver Dialog spart not-wendige sachliche Streitpunkte nichtaus, sondern spricht sie offen und ge-prägt von der Achtung vor dem Dia-logpartner an.

Bevor es aber soweit in der Bun-deswehr ist, gilt es vorher, sichgrundsätzlich auf eine dauerhafteZeit mit Soldaten muslimischenGlaubens und gegebenenfalls mitmuslimischen Militärbetreuern vor-zubereiten. Dabei muss man nichtam Punkte Null beginnen. Vereinzel-te Erfahrungen gibt es ja bereits;denn so grundsätzlich neu ist dasPhänomen von Soldaten muslimi-schen Glaubens in der Bundeswehrja nicht. Wie sieht es übrigens mitentsprechenden Erfahrungen in derfranzösischen, belgischen oder briti-schen Armee aus? Ziel sollte es zu-mindest sein, dass in der Bundes-wehr eine „Gemeinschaft Muslimi-scher Soldaten“ einen wirklichenund vorbereiteten Dialogpartner inder „Gemeinschaft Katholischer Sol-daten“ von Anfang an findet. ❏

1) Vgl. Die Tagespost, Samstag 18.08.2001, S. 4.

2) Siehe: http://www.islam.de.3) ebd.

Philosophie der Menschenführungin militärischen Bereichen

WOLFGANG ALTENDORF

in die Gemeinschaft der Gruppe,des Zuges, der Kompanie, des Ba-taillons, des Regiments zu integrie-ren, sie jenen Bedingungen zuzuord-nen, wie sie die Eigentümlichkeitdes Auftrags erfüllbar machen.

Die Konfrontation ist unmittel-bar, zumeist über 24 Stunden amTag, und sie gewichtet die Verant-wortung von daher weitaus umfas-sender, als in den übrigen gesell-schaftlichen Bereichen einer demo-kratisch funktionierenden Gemein-schaft. Zwar fußen die Kriterien aufeiner Jahrhunderte dauernden Tra-dition, doch gerade diese Traditionlehrt die Veränderlichkeit, wie siedie Politik in ihrer epochegestalten-den Fluktuation hervorbringt. Dabeiblieb der Zielauftrag unverändert,nämlich der Gesellschaft Sicherheit

In sicherlich keiner humanitärenGemeinschaft werden derart hoheAnsprüche an den umfassenden

Begriff „Menschenführung“ gestellt;weder in der Arbeitswelt noch in an-deren menschlichen Gemeinschaf-ten vollzieht sich das Miteinanderderart unabdingbar und gleichzeitigumfassend, wie in der militärischen.Die Wehrpflicht zudem mischt dieunterschiedlichsten Charaktere ineine Zugehörigkeit, die im Ernstfallan letzte Dinge rührt. Während sichein Betrieb die Mitarbeiter nach ih-rer Qualifikation sorgfältig aus-wählt, werden die „Leitenden“ beimMilitär mit allen charakterlich undmentalen Unterschiedlichkeiten –dies bei jedem neuen Jahrgang –konfrontiert. Ihre Aufgabe ist es,derart verschiedenen Temperamente

zu gewähren, wie er heute wohl imbesten friedlich geordnetem Sinneinterpretiert wird.

In einem demokratischen Land,wie dem unseren, behält der Soldatzudem ihm zugesprochene humani-täre Würden. Er ist volljährig, er-wachsen also und von da „ebenbür-tig“ im Rahmen der notwendigeHierarchie eines militärischen Ver-bandes. Dem entgegen steht die Zu-ordnung in sich vom zivilen Lebenstark unterscheidenden Notwendig-keiten, wie etwa die Unterordnungunter den Befehl. Denn die militäri-sche Gemeinschaft spiegelt notwen-digerweise die Möglichkeit von Auf-trägen wider, wie sie (auch überra-schend) in der Weltpolitik auftau-chen können. Die stetige Bereit-schaft derartige Aufträge „aus demStand heraus“ zu übernehmen, cha-rakterisiert den „Alltag“ etwa in derKaserne. Gerade einberufene Bür-ger zudem sind fachlich nicht fürdas, was sie schon vom ersten Tag

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an vorstellen – Soldat – kompetent.Sie ähneln hier dem „Eingeschul-ten“ – und werden, wie dieser,zumeist vor dem, was sie erwartet,unsicher. Gerade diese Anfangs-phase ist die schwierigste in der Pa-lette notwendig verschieden anzu-setzender Menschenführung. Dieunterschiedlichsten Eindrücke, wie(zumeist) fremde Gegend, neue Um-gebung, entschieden veränderte Le-bensgewohnheiten (Schlafen, Essenin Gemeinschaft), müssen verkraf-tet, akzeptiert werden.

Für den Ausbilder kommt zu-sätzlich die Gefahr einer Überforde-rung. Viele der jungen Leute sindkaum Härte gewöhnt, müssen an dieAnforderungen der unvermeidlicherKonfrontation mit „außerzivilisato-rischen“ Einsatzkriterien erst ge-wöhnt werden, sich damit günsti-genfalls identifizieren. Das provo-ziert Krisensituationen, die mit denMitteln bloßer Befehlsgewalt eherverstärkt werden.

Die Geschichte der Armeen inaller Welt, die Versuche menschli-che Schwächen in notwendigeSchlagkraft effektiv einzuformen,zeitigten viel beschriebene Aus-wüchse inhuman-seelischer wie kör-perlicher Misshandlung, im Jargon„Schleiferei“, um dieses Ziel auf ge-radem, dabei psychologisch äußerstfragwürdigem Weg zu erreichen.Derartige „Holzhammermethoden“gehören bei modernen Armeen zumGlück der Vergangenheit an. Dienötige Intelligenz zur Bedienunghäufig elektronisch justierter Waf-fen, erhöhte die qualitative Voraus-setzung in allen Dienstgraden, dasintelligente Niveau, das sich ebensogünstig auf die Menschenführungauswirkte. Und gerade von da, voneiner strikt der puren Notwendigkeitangepassten Führung, können güns-tige Nachwirkungen auf demokrati-sche Ordnungsprinzipien, auchnach Abschluss der Dienstzeit, er-wartet werden. ❏

ZUM BILD DES SOLDATEN

PERSONALIA

Hohe Auszeichnungen für katholische SoldatenStabsfeldwebel Konrad Becker(45) vom Wehrbereichskommando IIin Mainz und OberstabsfeldwebelAlois Schmidt (50) vom VBK 71Erfurt haben von BundespräsidentJohannes Rau den Verdienstordender Bundesrepublik Deutschlandverliehen bekommen. – Die Aus-zeichnung wurde beiden von Bun-desverteidigungsminister RudolfScharping am 17. April 2002 wäh-

rend eines Festaktes im Bundes-ministerium der Verteidigung inBerlin (Bendlerblock) ausgehän-digt.

Konrad Becker (Foto l. mitBMVg Rudolf Schaping nach derOrdensverleihung) hat sich hoheVerdienste in der katholischen Kir-che und in der Katholischen Militär-seelsorge erworben. Seit vielen Jah-ren ist er Vorsitzender des Seel-sorgebezirksrates beim KatholischenStandortpfarrer Mainz. Jahrelangwar er auch Vorsitzender der Ge-meinschaft Katholischer Soldaten(GKS) in Mainz. Weiterhin enga-giert sich der zweifache Familienva-ter bei der Leprahilfe in Bingen undzudem als Vorsitzender des Förder-vereins des Malteser Hospizdienstesin Bingen.

Alois Schmidt (Foto r.)wurdefür sein vielfältiges soziales Engage-ment im Inland wie auch im Aus-land (Ungarn) ausgezeichnet. In derKatholischen Militärseelsorge warSchmidt viele Jahre in Sachaus-schüssen des Vorstandes der Zen-

tralen Versammlung der katholi-schen Soldaten und als Mitglied inderen Vorstand tätig. Zurzeit enga-giert er sich als Vorsitzender derGemeinschaft Katholischer Soldaten(GKS) im Bereich Ost (ehem. Wehr-bereich VII).

(M. Beyel, KMBA; Fotos BMVg u. KMBA)

Hans-Georg Marohl (79) – zurGründergeneration des KönigsteinerOffizierkreises (KOK) gehörenderOberst a.D., bis Anfang der 90-erJahre Vertreter der GKS in derGKMD (Gemeinschaft der katholi-schen Männer Deutschlands) undfür diese Mitglied im ZdK – wurdevom Katholischen Militärbischof fürdie Deutsche Bundeswehr, Dr. Wal-ter Mixa, wegen seiner Verdiensteum die Laienarbeit in der Militär-seelsorge mit der Ehrenmedaille desMilitärbischofs ausgezeichnet. Die-se wurde ihm am 29. Mai 2002 imKatholischen Militärbischofsamt inBerlin von Militärgeneralvikar Prä-lat Walter Wakenhut im Rahmen derjährlichen Mitgliederversammlungder KAS überreicht. (PS)

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Die Erfolgsstory GottesDer nachkonziliare Glaube der Kirche und der Beitrag der Bundeswehr auf dem Weg zur Vollendung der Welt

KLAUS LIEBETANZ

fasst. Wörtlich heißt es in dieserKonzilsschrift in Ziffer 45 „Wirschreiten der Vollendung dermenschlichen Geschichte entgegen,die mit dem Plan der göttlichenLiebe zusammenfällt. Alles inChristus zu erneuern, was im Him-mel und auf Erden ist“ (Eph 1.10).

2.Bei meiner Tätigkeit als „Fachbe-rater für Katastrophenmanage-ment“ erkenne ich – trotz intensi-ver Beschäftigung mit dem Völker-mord in Ruanda und Srebrenicaund nach Durchsicht von 50 MeterAkten über weltweite humanitäreKatastrophen während meiner Be-schäftigung im Auswärtigen Amt –deutliche Anzeichen auf dem Wegzur gottgewollten Vollendung derWelt. Bei der täglichen Zeitungs-lektüre werde ich auf jeder Seite indieser Auffassung bestätigt. DieVollendung der Welt scheint mirdabei keine Aufgabe von Jahrzehn-ten, sondern eher von weiterenJahrhunderten zu sein. Ferner seheich die Kirche erst am Anfang ei-nes sich entwickelnden Christen-tums. Ich rechne also nicht soschnell mit dem Weltuntergangund/oder der Zerstörung derLebensgrundlagen durch ökologi-sches und militärisches Fehlver-halten der Menschen, wie es gele-gentlich von jüngeren Gesprächs-partnern befürchtet wird. Dies wür-de der Zusage Gottes an die Men-schen widersprechen (vgl. Kol1.13-20).

Der entwickelte Glaube derKirche – Der Aufbau und die

Vollendung der Welt

Mit der bedeutenden Konzil-schrift über „Die Kirche in der Weltvon heute“, besser bekannt unterdem Namen „Gaudium et spes“ (GS)(Freude und Hoffnung), manifestiertsich ein neuer Geist in der Kirche.Sie soll zum Sauerteig und gleichsamzur Seele der menschlichen Gesell-schaft werden (GS Nr. 40). Fernerlehnt das Konzil die bloße individu-elle Frömmigkeit und Privatisierungdes Glaubens mit folgenden Worten

ab: „Hüten wir uns davor, beruflicheund soziale Tätigkeit hier und religiö-ses Leben dort verkehrterweisezueinander in Gegensatz zu bringen.Ein Christ, der seine irdischen Pflich-ten vernachlässigt, versäumt damitseine Pflichten gegenüber dem Nächs-ten, ja gegen Gott selbst und bringtsein ewiges Heil in Gefahr“. Die Spal-tung zwischen dem Glauben, denman bekennt, und dem täglichen Le-ben vieler sei zu den größten Verir-rungen unserer Zeit zu rechnen (GS43). Des Weiteren sollen die Chris-ten in der politischen Gemeinschaftjene Berufung beachten, die ihnenganz besonders zu Eigen ist. Sie sol-len beispielgebend dafür sein, wieman aus Gewissensverantwortunghandelt und sich für das Gemeinwohleinsetzt (GS 75). Damit kommt denLaien (Nicht-Klerikern), den Fach-leuten und Akteuren in dieser Welt,eine herausragende Bedeutung beimAufbau und der Vollendung der Weltzu. Sie sollen Arme und Füße JesuChristi sein, wie dies im Pavillon derKirche anlässlich der EXPO 2000bildhaft dargestellt wurde. Gott alsein „Deus ex machina“ (ständig vonoben korrigierend in die Welt ein-greifend) gilt nicht mehr als Alibi fürNichtstun. Ferner fordert das Konzileine internationale Autorität (Verein-te Nationen), die mit ausreichendenMachtmitteln ausgestattet ist, um denKrieg, eine der schlimmsten Geiselnder Menschheit, als Fortsetzung derpolitischen Auseinandersetzung ab-zuschaffen. Es nimmt somit bereits1963 die Grundgedanken der „Agen-da for Peace“ der Vereinten Nationenvon 1991 voraus. In diesem Zusam-menhang wird die Aufgabe der Sol-daten bis zur Erreichung dieses Zielswie folgt definiert: „Wer als Soldat imDienst des Vaterlandes steht, betrach-te sich als Diener der Sicherheit undFreiheit der Völker. Indem er dieseAufgabe recht erfüllt, trägt er wahr-haft zur Festigung des Friedens bei“(GS 79). Des Weiteren werden alleGläubigen aufgefordert, sich an in-ternationalen Institutionen zu beteili-gen, was den Katholiken per se ge-mäß sei und das Bewusstsein wahr-

Gaubenszweifel

Zu Beginn jeden Kirchenjahreswerden wir mit folgenden Aussagendes Propheten Jesaja konfrontiert:„Am Ende der Tage wird es gesche-hen: Dann schmieden sie Pflugscha-ren aus ihren Schwertern und Winzer-messer aus ihren Lanzen. Man ziehtnicht mehr das Schwert, Volk gegenVolk, und übt nicht mehr für denKrieg“ (Jes 2,4-5) oder „Jeder Stiefel,der dröhnend daherstapft, jeder Man-tel, der mit Blut befleckt ist, wird ver-brannt, wird ein Fraß des Feuers.Denn uns ist ein Kind geboren, einSohn ist uns geschenkt. Die Herr-schaft liegt auf seinen Schultern; mannennt ihn: Wunderbarer Ratgeber,Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürstdes Friedens“ (Jes 9,4-5). Diese Le-sungen werden durch den Zusatz:„Wort des lebendigen Gottes“ feier-lich bekräftigt. Diese Prophetenwortewerden von nicht wenigen Gläubigenals eine symbolische Beschreibungdes himmlischen Jenseits gesehen.Nach deren Meinung hätte die Pro-phetie jedoch nichts mit unserer rea-len Welt zu tun. Man brauche dochbloß die tägliche Zeitung aufzuschla-gen, um auf jeder Seite die Worte desPropheten widerlegt zu bekommen.Der Mensch sei und bliebe unvoll-kommen und deshalb würde es auchimmer große Ungerechtigkeit undKriege geben. So oder ähnlich lautendie Argumente. Dieser auf den erstenBlick plausibel erscheinenden Auf-fassung kann ich mich nicht an-schließen, weil sie erstens dem „neu-en“ Glauben der Kirche und zwei-tens weil sie auch meiner persönli-chen Erfahrung widerspricht.1.Mit der Pastoralkonstitution „Gau-

dium et spes“ (GS) des II. Vatikani-schen Konzils (1963-65) über die„Kirche in der Welt von heute“verabschiedet sich die Weltkirchevom Mittelalter und entzieht damitendgültig den Boden für eine Lehreder „Jenseitsvertröstung“. DasKonzil hat damit nicht einen neuenGlauben konstituiert, sondern dietheologische Entwicklung der letz-ten Jahrhunderte zusammenge-

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haft weltweiter Solidarität und Ver-antwortung fördere (GS 90). Ab-schließend werden in dieser Konsti-tution alle Christen aufgefordert, imGeiste Christi am Aufbau und derVollendung der Welt mitzuwirken.Es nimmt nicht wunder, dass dieChristen in den Entwicklungsländerndiese befreiende Botschaft des Kon-zil am ehesten begriffen und prakti-ziert haben.

Bewusst Zeichen der Hoffnungwahrnehmen

Im historischen Vergleich lassensich die Zeichen der Zeit besser er-kennen. Zur Veranschaulichung sol-len einige wichtige von den zahlrei-chen Beispielen für den Fortschritt inDeutschland und in der Welt aufge-zählt werden:• Aus der bitteren Erfahrung des 1.

und 2. Weltkriegs hat sich nichtzuletzt mit tatkräftiger Unterstüt-zung christlicher Politiker die Eu-ropäische Union entwickelt. DieLänder Europas werden zuneh-mend strukturell daran gehindert,gegeneinander Krieg zu führen.

• Die Bundeswehr trägt in vorbildli-cher Weise zur Friedenskonsolidie-rung in der Konfliktfolgezeit aufdem Balkan und in Afghanistan beiund hilft damit der Zivilbevölke-rung. Im Gegensatz dazu sorgte dienationalsozialistisch geführte Wehr-macht dafür, dass die besetztenLänder systematisch und ohneRücksicht auf die Zivilbevölkerungausgeplündert und schließlich aufhöheren Befehl beim Rückzug in„verbrannte Erde“ verwandelt wur-den. Während die Wehrmacht inden besetzten Gebieten, vornehm-lich in Weißrussland und in derUkraine sich dazu missbrauchenließ sicherzustellen, dass SS- undPolizeieinheiten Minderheiten wieJuden, Zigeuner und andere Volks-gruppen der Vernichtung zuführ-ten, verwendet die Bundeswehrheute auf dem Balkan jeden 3. Sol-daten für die Sicherung von Min-derheiten, wie Serben, Sinti, Romaund andere Ethnien.

– Ferner haben sich in den letzten 50Jahren weltweit ca. 45.000 größereNichtregierungsorganisationen(NGO’s) entwickelt, die sich nichtselten im Gegensatz zu ihren Re-gierungen für humanitäre Hilfe,

Menschenrechte und eine verant-wortliche ökologische Entwicklungeinsetzen. Zahlreiche Aktivistensterben jährlich für ihre Ziele, wer-den gefoltert und/oder landen inden Gefängnissen von Unrechts-staaten. Diesen NGO’s kommt beider Entwicklung der Welt eine be-sondere Bedeutung zu, weil sieweitgehend unabhängig von staatli-chen Interessen agieren.

• Trotz großer Rückschläge in eini-gen vom Bürgerkrieg heimgesuch-ten afrikanischen Staaten hat sichin den letzten 50 Jahren dieLebenssituation der meisten Men-schen in den Entwicklungsländernnachweislich verbessert. Die Le-benserwartung, das Gesundheits-wesen und die Bildungsmöglich-keiten konnten deutlich gesteigertwerden. Dies gilt besonders für dieasiatischen und südamerikani-schen Länder. Nicht zu leugnen ist,dass viele Entwicklungsländerauch heute noch einen großenNachholbedarf haben.

• Die Vereinten Nationen haben aufdem Milleniumsgipfel beschlossen,die Weltarmut in den nächsten 15Jahren zu halbieren. Vor hundertJahren wäre wohl niemand auf denGedanken gekommen, so etwas zuverlangen. Der VN-Generalsekre-tär hat dabei die Pflicht, in zeitli-chem Abstand qualifizierte Zwi-schenberichte zu geben, wobei diequantifizierbaren Indikatoren be-kannt sind. Bei der Überwachungder Erreichung dieses ehrgeizigenZieles werden die zahlreichen nati-onalen und internationalen Nicht-regierungsorganisationen einewichtige Rolle spielen. Schließlichwollen die Politiker wieder gewähltwerden. Die zunehmende Demo-kratisierung in der Welt wird zumMotor der Entwicklung.

• Die Entwicklung der Menschen-rechte hat seit der französischenRevolution in Europa eine rasanteEntwicklung genommen. Man ver-gleiche nur die Situation einesLeibeigenen mit den Rechten einesBürgers im 21. Jh. Auch in denEntwicklungsländern werden Män-ner und Frauen zunehmend ihrerMenschenrechte bewusst. Hierspielen die NGO’s und die Welt-öffentlichkeit eine herausragendeRolle. Gleichfalls darf dabei nichtübersehen werden, dass in vielen

Entwicklungsländern fundamenta-le Menschenrechte noch mit Füßengetreten werden. Es wird denMachthabern aber immer schwieri-ger Menschenrechtsverletzungenzu kaschieren, da es immer weni-ger Staaten gibt, die sich von derAußenwelt total abschirmen kön-nen. Die weltweite Medienpräsenzist dabei von größter Bedeutung.Die NGO „Reporter ohne Grenzen“berichten jährlich von ca. 20-30getöteten Journalisten, die in Aus-übung ihrer Berichterstattung li-quidiert wurden.

• Seit dem II. Vatikanischen Konzilhat sich in überwiegend katholi-schen Entwicklungsländern dieMenschenrechtlage deutlich ver-bessert. Der Glaube wurde zurTriebfeder der Demokratisierung.Man denke nur an die Rosenkranz-Revolution auf den Philippinenund den Sieg des katholischenMenschenrechtlers und Friedens-nobelpreisträgers Kim Dae Jung inSüdkorea. In Südamerika wurdenalle Militärdiktaturen abgelöst;auch in diesen Ländern bleibt nochVieles zu tun.

Die Anemonen unddie Vollendung der Welt

Die Vollendung der Welt ist ei-nem Anemonenfeld im Wald zu ver-gleichen. Sie geschieht täglich fastunbemerkt und ist nicht aufzuhalten.Jesus Christus bringt viele ähnlicheBeispiele aus der Natur. Im Frühjahrgehört es zu den besonderen Freu-den, das Wachsen und Ausbreitender Anemonen im Wald zu beobach-ten. Mit beginnendem Vorfrühlingsind nur Einzelne dieser Buschwind-röschen zu erkennen. Mit der kräfti-ger werdenden Sonne bilden sichlangsam ganze Inseln dieser Sternen-blumen auf dem Waldboden aus.Kälteeinbrüche können das Wachs-tum verzögern, aber nicht endgültigverhindern. Schließlich wird der gan-ze Waldboden mit dieser zauberhaf-ten Blütenpracht bedeckt.

„Anemonen“ in der Zeitung

Beim täglichen Lesen der Zei-tung findet man fast auf jeder Seiteeine oder mehrere „Anemonen“, sozum Beispiel heute am 26. März2002:

ZUM BILD DES SOLDATEN

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ZUM BILD DES SOLDATEN

• „Black is beautiful“ – Denzel Was-hington erhält 38 Jahre nachSidney Poitier (Lilien auf demFeld) wieder als Farbiger den Oscarals bester Hauptdarsteller. Er be-ginnt seine Dankesrede mit denWorten: „Gott ist groß. Gepriesensei der Herr“.

• „Wut als Antriebskraft“ – 6,85 MioEuro für Böhmhilfe. Gespräche mitWeggefährten und Filmeinspie-lungen geben einen Eindruck überdie Arbeit der Organisation undüber den Menschen KarlheizBöhm, der sein Leben seit mehr als20 Jahren in den Dienst Äthiopiensstellt: „Ich habe immer eine Wutüber die ungeheure Diskrepanzzwischen Reichtum und Armut ver-spürt“. Insgesamt flossen nach An-gaben seiner Organisation „Men-schen für Menschen“ etwa 185Mio. Euro nach Äthiopien. Darüberhinaus gelang es Böhm nach Ab-sprache mit den örtlichen Religi-onsführern die grausame genitaleVerstümmelung von jungen Mäd-chen in den von ihm betreuten Re-gionen zu unterbinden.

• „Nigerianerin entgeht Steinigung“– Die zum Tode durch Steinigungverurteilte Nigerianerin SafyiatuHussaini ist gestern in einem welt-weit beachteten Prozess im Beru-fungsverfahren freigesprochen wor-den. Die Verurteilung hatte Protes-te von Frauenorganisationen ausge-löst. Die mittelalterliche Ausle-gung der „Scharia“ kommt zuneh-mend in die Kritik der Welt-öffentlichkeit und kann sich aufDauer nicht halten.

• „Schulbesuch wieder möglich“–Kabul. Etwa eineinhalb Millionenafghanische Mädchen und Jungendürfen landesweit wieder zur Schu-le gehen.

Es gibt noch mehr „Anemonen“in dieser Zeitung. Sie verstecken sichteilweise unter Negativmeldungen,weil Aufklärung und öffentliche Be-kanntgabe in der Regel Besserungzur Folge hat. Auch die heutigeZeitungsausgabe enthält wieder zahl-reiche Berichte über menschlichesFehlverhalten, was in der Regel amehesten unsere Aufmerksamkeit an-zieht und Vorurteile verfestigt. „Badnews are good news!”“

Nichtchristen mit Christenvereint

Während meiner Tätigkeit als

Fachberater für Katastrophenmana-gement hatte ich ständig engen Kon-takt zu den großen deutschen Hilfs-organisationen, was u.a. damit zu tunhat, dass ich für das Deutsche RoteKreuz, das Technische Hilfswerk,die Johanniter und für die Malteserdas jeweils an die Organisation adap-tierte „Taschenbuch für den Aus-landseinsatz“ geschrieben habe.Dabei habe ich erfahren, dass diemeisten ehrenamtlichen Helfer, dieu.U. bereit sind, erhebliche Risikenund große Einschränkungen auf sichzu nehmen, um Menschen in Not zuhelfen, mit Religion und „Gott“ herz-lich wenig zu tun haben. Ich hattez.B. große Schwierigkeiten in die Ta-schenbücher ein Kapitel einzufügen,dass mit „Gebete/Meditation im Ein-satz“ (Ein Angebot) überschriebenwar.

Ein anderes Beispiel: Seit mei-nem Ausscheiden aus dem Arbeits-stab Humanitäre Hilfe im Auswärti-gen Amt im Jahr 1995 habe ich michaus nahe liegenden Gründen beson-ders intensiv für die Erhöhung desvöllig unzureichenden Haushaltstitelfür humanitäre Soforthilfe eingesetzt.Fehlende Geldmittel verhindernnachweislich das Retten von Men-schenleben. Dabei hatte ich intensi-ven Kontakt mit einflussreichenCDU-Abgeordneten und legte ihnenals intimer Kenner der Fakten be-weiskräftige Unterlagen vor. Der„Lebensretter“-Haushaltstitel wurdejedoch weiter abgesenkt. Erst im Jahr2000 wandte ich mich an die konfes-sionslose SPD-Abgeordnete UtaTitze-Stecher (Fürstenfeldbruck).Dieser menschenfreundlichen undengagierten Haushaltsexpertin ge-lang es trotz erheblicher Widerstän-de im Sparhaushalt, den Titel Huma-nitäre Hilfe im Auswärtigen Amt in-nerhalb von zwei Jahren von 58 Mio.auf insgesamt 103 Mio. DM (52,5Mio. Euro) zu steigern. Sie vertritternsthaft – also nicht nur in Sonn-tagsreden – die Auffassung, dass GGArt. 1(1) „Die Würde des Menschenist unantastbar“ auch für Afrikanergilt. Mit diesen beiden Beispielensoll nicht geschmälert werden, dassvon den gläubigen Katholiken jähr-lich in den großen Spendenaktionenwie Adveniat, Misereor, Missio, Ren-ovabis und den Sternsingern fast einehalbe Milliarde DM (250 Mio. Euro)aufgebracht werden – und dasteilweise seit 40 Jahren. Darüber hi-

naus leisten die christlichen Hilfs-organisationen wie Caritas, Diakonie,Johanniter, Malteser sowie Tausendevon kleineren Organisationen undAktivitäten eine gute Aufbauarbeitweltweit, dabei nicht zu vergessendie religiösen Orden und gleich gear-tete Glaubensgemeinschaften.

Mit diesem Beitrag soll nur auf-gezeigt werden, dass auch außerhalbder Kirche große vorbildliche An-strengungen unternommen werden,die dem Aufbau der Welt dienen. DerHl. Geist wirkt auch in Nichtchris-ten, der offiziellen Kirche Fern-stehenden, in Agnostikern und sogarin erklärten Atheisten. Um mit demHl. Augustinus zu sprechen: „Viele,die sich in der Kirche wähnen, sindaußerhalb derselben, und viele diescheinbar außerhalb stehen, befindensich in ihr.“ (vgl. dazu die dogmati-sche Konstitution über die Kirche„Lumen gentium“ Nr. 16 des II.Vatikanums)

Überlegungen zum Zeitfaktor

An der Frage, wann die Welt einegewisse Stufe der Vollendung er-reicht hätte, scheiden sich seitmindestens 2.000 Jahren die Geister.Selbst im Neuen Testament gibt esdarüber gegensätzliche Auffassun-gen. Es würde den Rahmen dieseskleinen Beitrages sprengen, zu dieserspannenden Frage einen Geschichts-abriss zu geben. Es soll daher erstmit der jüngsten Geschichte begon-nen werden. Nach dem 1. und 2.Weltkrieg gingen viele Menschendavon aus, dass mit der Gründungder Vereinten Nationen, die Zeit derKriege endgültig überwunden seiund nur noch die Zusammenarbeitder Völker zum Wohle aller Men-schen im Vordergrund stehen würde,so wie es in der UNO-Charta veran-kert ist. Diese Annahme hat getro-gen. Zahllose Stellvertreterkriegewurden geführt. Was die Fehlein-schätzung der Zeit anbelangt soll derVollständigkeit halber erwähnt wer-den, dass Nikita Chruschtschow, derehemalige Generalsekretär derKPdSU, Anfang der Sechziger Jahreverkündete, dass die Sowjetunionbereits im Jahr 1980 den Zustanddes Kommunismus erreichen werde.Auch diese Prognose ging gründlichdaneben. Nach dem Fall der BerlinerMauer und nach dem Ende des Ost-

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West-Konflikt verbreitete sich dieMeinung, eine lange Zeit des Frie-dens sei angebrochen. Ein bedeuten-der Berater des Präsidenten der Ver-einigten Staaten, Francis Fukuyama,sprach sogar vom „Ende der Ge-schichte“. Die „Agenda for Peace“der Vereinten Nationen von 1991geht auf diesen Irrtum ein und analy-siert, wie kaum je zuvor, die neueund alte Lage der Welt und schlägtrealistische Schritte vor, die Geiseldes Krieges einzudämmen undschließlich ganz verschwinden zulassen, ohne einen Zeitrahmen fest-zulegen. In diese Überlegungen sinddie Gedanken von über fünfzig Staa-ten eingegangen. Der deutsche An-teil mit der langjährigen Erfahrungvom „Wandel durch Annäherung“ istdeutlich zu erkennen.

In größeren Zeitabständendenken

Im Auswärtigen Amt habe ichwie bereits erwähnt eine große An-zahl von Akten humanitärer Kata-strophen studiert und dabei die Ein-schätzung der jeweiligen Hilfsorga-nisation und der entsprechendenBotschaft zu den Ursachen in überhundert Konflikten kennen gelernt.Dieser kleine Einblick in einen Aus-schnitt der Hauptursachen für Pro-bleme in Welt hat genügt, um zu er-kennen, dass die wesentlichen Ursa-chen der Konflikte nicht in Jahrzehn-ten, sondern eher in Jahrhundertengelöst werden können. Vgl. hierzu inAUFTRAG 244/Juli 2001, S. 51 ff.,den Beitrag „Gedanken zur Krisen-prävention – eine kritisch-positiveBetrachtung“. Man muss sich darangewöhnen, in ganz anderen Zeit-dimensionen zu denken, um nicht dieÜbersicht zu verlieren. Unterschied-liche Entwicklungsstufen solltennicht ignoriert werden, Wunschden-ken darf nicht zu falschen Schlüssenführen. In dieser Frage scheint auchein wesentlicher Unterschied zwi-schen einigen Auffassungen derBefürworter der Bundeswehr und der„Friedensbewegung“ zu liegen. DieKonzentration auf Probleme, die ineiner bestimmten Zeit gelöst werdenkönnen, sollte im Vordergrund ste-hen. Dazu gehört in jedem Fall die„Friedenskonsolidierung in derKonfliktfolgezeit“, welche im derzei-tigen Weltalter nachweislich die er-

folgreichste Krisenprävention dar-stellt. Die Entstehung der Bundes-republik Deutschland ist dafür dasbeste Beispiel.

Vorurteile durch den Glaubenüberwinden

Gelegentlich hört man von ausdem Balkan zurückkehrenden Bun-deswehrsoldaten: „Unsere Einsatz istvöllig sinnlos! Wenn wir uns eines Ta-ges zurückziehen, dann schlagen sichdie verschiedenen Ethnien wieder dieKöpfe ein. Die Bewohner des Balkanshaben über Jahrhunderte Krieggegeneinander geführt und werdendas weiterhin so tun. Die sind ebenso.“ Gerade wir Deutschen solltenmit solchen Vorurteilen vorsichtigsein. Nicht wenige Deutsche habenin ihren Köpfen Jahrzehnte ge-braucht, um von einem faschistischgeprägten Obrigkeitsstaat zu einerentwickelten Demokratie zu gelan-gen, die dem Frieden in der Welt die-nen will (Präambel GG).

Langfristige Abschaffung desKrieges

Die Vereinten Nationen sind gutberaten, die internationale Friedens-truppe in absehbarer Zeit nicht völligvom Balken abzuziehen. Noch hatsich keine stabile Zivilgesellschaftentwickelt. Es ist sicher nicht über-mäßig optimistisch, wenn man davonausgeht, dass Kriege zur Lösung vonzwischenstaatlichen und innerstaatli-chen Problemen in den nächstenzwei- bis dreihundert Jahren durchintelligentere Formen der Konflikt-bearbeitung abgelöst werden, so wiedas jetzt schon in großen Teilen Eu-ropas und Amerikas der Fall ist.Dabei kommt der Demokratisierungvon Staaten eine bedeutende Rollezu, weil rechtsstaatliche Demokrati-en erfahrungsgemäß keine Kriegemiteinander führen. Die Zonen desFriedens müssen ständig erweitertwerden.

Schlussfolgerung für die GKSund die katholische

Militärseelsorge

1.Die Mitglieder der GemeinschaftKatholischer Soldaten (GKS) soll-ten sich nicht davon abbringen las-sen, ihren Dienst mit großer Gelas-

senheit und Freude durchzuführen,auch wenn die Früchte ihres mühe-vollen und teilweise gefährlichenDienstes erst in Jahrzehnten geern-tet werden, so wie sie jetzt Früchteernten, die von anderen vor Jahr-zehnten mit großen Anstrengungengesät wurden.

2.Die katholische Militärseelsorgesollte sich neben der Einzelseel-sorge, wo sie sich um die persönli-chen Belange der Soldaten küm-mert, auch auf die Sinnhaftigkeitdes soldatischen Tuns in derFriedenskonsolidierung hinweisen,um so zur Motivation beizutragen.

3.Es wäre sinnvoll und wünschens-wert, wenn sich noch mehr Mitglie-der der GKS und der kath. Militär-seelsorge mit der Pastoralkonsti-tution „Gaudium et spes“ und der„Agenda for peace“ der VereintenNationen vertraut machten. BeideDokumente haben eine herraus-ragende Bedeutung für das 21. Jh.und darüber hinaus.

4.Die Deutsche Bischofskonferenzhat einen Vorschlag des Katholi-schen Militärbischofsamts befür-wortet, eine personelle Verstärkungder Militärseelsorge – vornehmlichPastoral- und Gemeindereferenten– vorzunehmen, damit Priester ver-stärkt die Soldaten in den Aus-landseinsatz begleiten können.Den Militärpfarrern kommt in die-sem Zusammenhang eine besonde-re – wie es sogar im Weißbuch1994 heißt – eine unverzichtbareAufgabe zu: Sie haben die Soldatengeistlich vorzubereiten und sie inGefahr zu begleiten, ihnen wo not-wendig beizustehen und Trost zuspenden. Einerseits sollte den Sol-daten in Gottesdiensten, wo mög-lich in Eucharistiefeiern, angebo-ten werden, sich mit der Energie-quelle des Friedens zu verbinden.Andererseits werden die Militär-pfarrer durch persönliches Beispielund durch Nähe zu den Soldaten –wie es jetzt schon in bewunderns-werter Weise geschieht – auch kon-fessionell nicht gebundene Solda-ten für den wahren Friedensdienstgewinnen.

5. Der Hl. Geist ist es, der die Vollen-dung der Welt betreibt. Sie ist des-halb nicht aufzuhalten. Das sollteallen am Friedensprozess Beteilig-ten die notwendige Gelassenheitund innere Sicherheit geben. ❏

ZUM BILD DES SOLDATEN

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

auch im Katholizismus der WeimarerRepublik nicht die Mehrheit dar.Aber sie hatten bis 1933 ihren Statusin und ihren Anteil an der katholi-schen Öffentlichkeit und waren nicht„diskriminiert“, was sich etwa an derStellung des „Friedensbundes Deut-scher Katholiken“ ablesen lässt.

Warum war dies nach 1945 und– auf die konkrete historische Ent-scheidungslage hin – ab etwa 1952so ganz anders? Und um welche Mo-tive, Argumente, Perspektiven ginges der minderheitlichen und dannperipher werdenden katholischenOpposition gegen die Wiederbewaff-nung in der Bundesrepublik?

Thesen

1.Soweit zwischen 1950 und 1956,also ab dem Weg in die Wiederbe-waffnung“, katholischerseits Kritikund Opposition auftraten, warensie in ihren Inhalten sehr hetero-gen, etwa: prinzipielle Verneinung

Die Wiederbewaffnungsdebatte –Kritik und Opposition auf katholischer Seite

ARNO KLÖNNE

Sechs Thesen

In der katholischen Jugendzeitung„Die Wacht“ stand im Frühjahr1950 zu lesen: „Sollen wir mor-

gen wieder mit Gewehr in Vorhalte zuFüßen brüllender Sklavenhalter imDreck hocken? Deutschlands Jugendsagt in ihrer überwiegenden Mehr-heit: Nein! Wenn man uns in denSumpf stoßen will, hört jede Höflich-keit auf. Wer von Remilitarisierungspricht, verdient Kinnhaken.“

Diese Meinungsäußerung ent-sprach einer um diese Zeit im deut-schen Katholizismus, insbesondereseiner jungen männlichen Genera-tion, weit verbreiteten Stimmung.Schon wenige Jahre später war derBund der Deutschen KatholischenJugend eine der zuverlässigsten Stüt-

zen der Wiederbewaffnungspolitik,ähnlich die Katholischen Männer-werke, die KAB und Kolping. ImLaufe der Auseinandersetzung umeinen westdeutschen „Wehrbeitrag“wurden die anfänglich durchaus be-achtlichen Gegentendenzen im Ka-tholizismus rasch schwächer. Mitteder fünfziger Jahre war diese katholi-sche Opposition zur Wiederbewaff-nungspolitik auf eine Randgruppen-position oder gar Außenseiterexis-tenz zurückgedrängt. Dieser histori-sche Sachverhalt bedarf der Erklä-rung.

Zuvor ein weiter zurückgreifen-der Hinweis: Die katholischen Pazi-fisten, Antimilitaristen, Kritiker dernationalen militärischen Machtpoli-tik allgemein und der deutschen„Wehrtradition“ speziell stellten

VorwortBALDUR HERMANS

Wiederbewaffnung – das war ein Reizwort inder noch jungen Bundesrepublik Deutsch-land mit spalterischer Kraft bis in die kirchli-

chen Gemeinschaften hinein. Heute mutet die Dis-kussion jener Zeit bereits eher befremdlich an, auchwenn im Bogenschlag zu unserer Zeit Elemente derdamaligen Argumentationen pro und contra nach-klingen bei der Diskussion um den Zivildienst im Ver-hältnis zur Wehrpflicht, um die Neuorientierung derNATO mit möglicherweise erheblichen Konsequenzenfür die Auftragsbestimmung der Bundeswehr, bei derKritik an deutschen Rüstungsexporten, nicht zuletztbei der „Entsorgung“ von DDR-Kriegsgerät, das oftnicht in den Hochöfen, sondern auf den Kampfplät-zen Asiens und Afrikas gelandet ist.

Aber alle aktuelle öffentliche Diskussion umFriedensbewahrung und Friedenssicherung heutestellt sich im Vergleich zur Wiederbewaffnungsde-batte der 50er-Jahre fast harmlos dar.

Wie intensiv, mit welchem Hintergrund und mit

Die Wiederbewaffnungsdebatte in der Adenauer-Äraund die katholische Kritik

Kritik und Zustimmung im katholischen Spektrum von Verbänden und Amtskirche

welchen Argumenten theologischer, moralischer undpolitischer Art seinerzeit die Debatte pro und contrageführt wurde, sollte in einer historischen Fach-tagung am 25. März 1998 geklärt werden. Da der sogenannte „Essener Kreis“ im Bund der Deutschen Ka-tholischen Jugend eine besonders engagierte Rolle inder damaligen Auseinandersetzung einnahm, warenvor allem auch Zeitzeugen jener Jahre wichtige Ge-sprächspartner während der Fachtagung.

Die Tagung ergab zudem, dass es bereits drin-gender Initiative bedarf, das Quellengut jener Zeit zusichern und die Generation der Beteiligten und Ver-antwortlichen auf ihr Zeitzeugnis hin zu befragen.Und was sich noch ergab, war die Erkenntnis, dass esin der jungen Generation an einem brennenden undkämpferischen Interesse für die politischen Grundfra-gen unserer Zeit fehlt. Ob und mit welchem denkba-ren „Erfolg“ sei dahin gestellt, denn auch das ju-gendliche Protestpotential der 50er- und der späten60er-Jahre wurde letztlich vom gesellschaftlichen„Establishment“ bewältigt – aber doch nicht ganzohne Veränderungsprozesse!

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

von Krieg und Kriegsdienst, „ur-christlich“ begründet (z.B. ReinholdSchneider, Johannes Fleischer);Warnung vor dem Wiederauflebender spezifischen preußisch-deut-schen Militarismustradition (z.B.in der Zeitschrift „Besinnung“, z.T.auch in den „Frankfurter Heften“);Wiederanknüpfung an die Kriegs-und Militärkritik des „Friedens-bundes“ aus den Weimarer Zeiten(z.B. Nikolaus Ehlen, Josef Rüther,Josef Emonds); konkrete histo-risch-situative Kritik an der Wie-derbewaffnung unter innen- undaußenpolitischen Aspekten (z.B.einige ZentrumspolitikerInnen,insbesondere Helene Wessel, derWindthorstbund, auch Autoren der„Werkhefte katholischer Laien“,hier mit Kritik an der „Kriegs-theologie“ verbunden); auf derKriegserfahrung 1935-45 und derKritik an der damaligen „amts-katholischen“ Loyalität beruhendeOpposition (z.B. literarisch Hein-rich Böll, gefühlsmäßig manchekatholische Jugendgruppe); Oppo-sition gegen die Wiederbewaff-nung, weil sie den Kalten Krieganheize, explosiven Antikommu-nismus fördere und die deutscheWiedervereinigung vereitele (diesu.a. zu finden im „Arbeitskreis ka-tholischer Jugend gegen dieWiederaufrüstungspolitik“, in„Glaube und Vernunft“ – LudwigZimmerer, Essen); Kritik an derWiederbewaffnung als Ausdruckder „Adenauerpolitik“ generell –und alternativ dazu die Forderungnach dem Gespräch mit dem Os-ten“ (z.B. Joseph Wirth, WilhelmElfes).Dieser oppositionelle Komplex warin sich widersprüchlich, und zumTeil enthielt er kaum vereinbareMotive, was auch heißt: Er war nurwenig „politikfähig“.

2.In den politischen Konsequenzeneiner Ablehnung des „Wehrbei-trags“ aufseiten der katholischenOppositionskreise zeichnete sichkeine vereinheitlichende Perspek-tive ab. War die absolute Verwei-gerung gegenüber jedwedem Mili-tär anzuzielen? Oder eine „kon-trollierte“ Bewaffnung Deutsch-

lands nach einer Wiedervereini-gung? Oder die „Entnationalisie-rung“ der Politik, der Übergangzum supranationalen Gewalt-monopol? Die denkbaren Alterna-tiven ließen sich vermehren ...Ging es um prinzipiellen Pazifis-mus? Oder um Opposition speziellgegen den deutschen Militarismusbzw. dessen Wiederkehr? DasSpektrum der Politikbilder warhier sehr weit angelegt. Hinzu ka-men Mentalitätsunterschiede beiden beteiligten Generationen. Diekatholischen „Altpazifisten“ aufder einen Seite; die durchKriegserfahrungen grundskeptischgewordenen ehemaligen jungenSoldaten auf der anderen Seite ...

3.Ein Teil der spezifisch katholi-schen Opposition gegen den„Wehrbeitrag“ war in sich relativiertdurch die besonderen historisch-politischen Umstände der west-deutschen Wiederbewaffnung. VonWiederkehr „preußischer“ Ambiti-onen konnte kaum die Rede sein,wenn es um einen „Wehrbeitrag“ inder Adenauerschen westeuropä-isch-atlantischen Einbindung ging.Das Recht auf Kriegsdienstverwei-gerung (das sich gegen Widerstän-de, aber immerhin auch dank ka-tholischer Einflüsse durchsetzte)kam traditionell-katholischen Vor-behalten entgegen. Und: Erstmalsin der Geschichte der deutschenPolitik seit 1871 war der Katholi-zismus Hauptteilhaber der politi-schen Macht ...

4.Die katholische Opposition gegendie westdeutsche Wiederbewaff-nung brach sich nicht zuletzt ander kommunistischen Politik – undan der demagogischen Verwertungderselben durch die Befürworterdes „Wehrbeitrags“. Die Politik inder DDR lief früh auf Militarisie-rung im dortigen Kontext hinaus.Das legitimierte wiederum diewestdeutsche Wiederaufrüstung.In der aufgeheizten Stimmung desKalten Krieges konnten Oppositio-nelle in Westdeutschland nur zuleicht als „Freunde der Kommunis-ten“ diffamiert werden. Inner-katholisch wurde dies zum wich-

tigsten Instrument der Ausgren-zung von Kritikern; z.B. der „FallReinhold Schneider“: der damalsprominenteste katholische Literatwurde binnen kurzer Zeit zur „Un-person“ gemacht.

5.Die katholischen Bischöfe setztensich ab 1952 eindeutig für denwestdeutschen „Wehrbeitrag“ ein –anders als die evangelischen Kir-chenleitungen. Das Gewicht derepiskopalen Stellungnahme warbei den katholischen Verbänden inSachen Politik weitaus höher, alses bis 1933 gewesen war. Unterden besonderen Umständen desNS-Staates waren fast alle katholi-schen Verbände – anders als vor1933 „amtskirchlich“ transfor-miert. Diese Struktur dauerte nach1945 weiter an. Der BDKJ ist einwichtiges Beispiel dafür. Dies ließ„politischen“ Minderheiten kaumeinen Raum. Die enge Verbindungmit der CDU/CSU als führenderRegierungspartei kam hinzu.

6.Historisch und mentalitätsge-schichtlich war m.E. für dieSchwäche der „innerkatholischen“Pazifisten und Wiederbewaffnungs-gegner nach 1945 entscheidend:Für alle kirchlich stark gebunde-nen Katholiken gab es ein „unbe-wältigtes“ Kapitel der Geschichteder katholischen Kirche inDeutschland. Völlig eindeutig hat-ten die deutschen Bischöfe zur Zeitdes NS-Regimes zur „eifrigenPflichterfüllung“ im Hitlerdeut-schen Militär- und Kriegsdienstaufgerufen. Die Traditionslinie ei-nes katholischen Pazifismus bzw.einer katholischen Militärkritikwar in Deutschland damit kirchen-amtlich gebrochen – und dies inZeiten einer nationalsozialisti-schen Militär- und Kriegspolitik.Diesen Vorgang „aufzuarbeiten“,hätte nach 1945 bedeutet: Diekirchlichen Autoritäten hätten imHinblick auf die jüngste deutscheVergangenheit prinzipiell in Fragegestellt werden müssen ...Diejenigen, die dies taten, gerietenunter den damals bestehenden Be-dingungen an der Rand der Kir-che.

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

Stellung der katholischen Kirche zum Ost-West-Konflikt –katholische Unterstützung der Wiederbewaffnungspolitik Adenauers

ERNST JOSEF NAGEL

vate der SPD vor 1933. Katholikenhingegen bekannten sich in ungleichstärkerem Maße zur Bundesrepublik,zumal als die Verhältnisse in derDDR bekannter wurden und sich of-fensichtlich negativ stabilisierten (5/36).

Diese Spannung, so scheint mir,trennte nicht nur die kirchliche, son-dern in ganz ähnlicher Form auchdie politische Szene. Jedenfalls äh-neln sich die Argumente, die etwavon Kirchenpräsident Niemöller undvom SPD-Vorsitzenden Schumacherkamen, in auffälliger Weise.

In der Kürze der hier gegebenenZeit möchte ich auf vier Differenz-punkte aufmerksam machen:1.Die Bundesrepublik ist klerikalis-

tisch-katholisch.2.Aus dieser klerikalistischen Sicht

ist die Einheit ganz Deutschlandsunerwünscht.

3.Die einseitige Betonung der Frei-heit unter Vernachlässigung der so-zialen Gerechtigkeit führt zu einemkapitalistischen Modell europäi-scher Einigung und transatlanti-scher Komplizenschaft.

4.Gesamtdeutsche Interessen kön-nen auch vom besetzten West-deutschland aus wirksamer vertre-ten werden, als Adenauer es willund tut.

1. Die Bundesrepublik, einklerikalistisch-katholischer Staat

Schumacher äußerte sich zwarbisweilen positiv, doch in der Regelsehr geharnischt speziell gegen diekatholische Kirche (2/63). Schonseine Ablehnung des Schuman-Plansverdeutlicht die Richtung: DerMontanvertrag umfasse nicht Euro-pa, vielmehr nur den Teil Europas,der „die Brutstätte des Kapitalismus,des Klerikalismus und der Kartelleist“ (zit. n. 1,I/423).

Die Verbindung von Klerikalis-mus und Kapitalismus im Zusam-menhang mit der Politik der Bundes-regierung gehört zu SchumachersAlltagsvokabular. Er sah die CDUals eine reine Interessenvertretung,„die nicht viel mehr verbindet als ihre

Feindschaft gegenüber dem Sozialis-mus sowie die Furcht vor grundlegen-den Neuerungen in Wirtschaft undGesellschaft ... Konsequentes demo-kratisches Denken ist ihr fremd. Siedenkt in den Kategorien des Stände-staates der veralteten katholischenSoziallehre, ... wie sie heute in Spani-en begriffen wird.“ (Zit. n. 16/302)Adenauer rückt so in die Nähe vonFranco.

Dass diese Einstellung Schuma-chers in der Kirche sehr wohl wahr-genommen wurde, zeigt das Gemein-same Hirtenwort der Bischöfe vom14. Juli 1949 zur ersten Bundestags-wahl: Der Text erinnert an manchunerfüllte Wünsche der katholischenKirche im Hinblick auf die Konfessi-onsschule. Die liberalistischen undsozialistischen Hintermänner tragenSchuld daran. In diesem Zusammen-hang steht auch folgende Klage: „Wirmüssen noch auf einen Angriff hin-weisen, der von sozialistischer Seitegegen die Kirche und gegen die Bi-schöfe erfolgt ist. Man hat sich nichtgescheut, die Tatsache, dass die Bi-schöfe pflichtgemäß zu wesentlichenFragen des öffentlichen Lebens vomStandpunkt unseres Glaubens ausStellung genommen haben, zum An-lass zu nehmen, die Kirche mit einerfünften Besatzungsmacht zu verglei-chen.“ (10/59) Letzteres, so die Fuß-note von Heinz Hürten, war ein Aus-spruch Kurt Schumachers: Die ka-tholische Kirche war fünfte Besat-zungsmacht.

Ganz ähnlich distanziert sichMartin Niemöller von der Bundes-republik. Bekannt ist sein Spruchden er um 1950 ab der Synode inLund tat, „die Bundesrepublik sei einKind, das im Vatikan gezeugt und inWashington geboren wurde“ (3/256).Niemöller war gewiss kein Philo-kommunist, vielmehr ein – sagen wirdeutscher Patriot. Nur so ist jene Si-tuation verständlich, die sein Bio-graph wie folgt darstellt: „Als er er-klärte, ihm wäre ein vereintesDeutschland unter kommunistischerHerrschaft immer noch lieber als einauf Dauer geteiltes Vaterland, glaub-ten viele, er habe den Verstand verlo-

Natürlich kann man Argumentepro und contra in der Wieder-bewaffnungsfrage analytisch

voneinander trennen. In der Wirk-lichkeit aber sind es zwei hochkom-plizierte Begründungswelten, diesich hier gegenüberstehen und dereneine man ohne das Spiegelbild deranderen kaum versteht.

Anselm Doering-Manteuffelschreibt unter dem Titel „Die Kirchenund die EVG“ den Satz, der m.E.zum hermeneutischen Schlüssel die-ser Jahre werden kann: „Die Haltungder beiden Kirchen in der Bundes-republik in der Frage der politischenund militärischen Westintegrationwar ... im Anfang ein direktes Spie-gelbild ihrer Einstellung gegenüberdem neugegründeten Staat“ – gegen-über der Bundesrepublik Deutsch-land (6/317).1) Die heikle Westinte-gration, verbunden mit deutschenVerteidigungskräften, korreliertedemnach mit der Bejahung bzw. derAblehnung des „Provisoriums“Bundesrepublik und der Aussichtauf eine schnelle Umwandlung in ei-nen vereinigten deutschen Staat.Wie wörtlich der provisorische Cha-rakter der Bundesrepublik um 1949genommen wurde, erhellt der Vor-schlag, den Carlo Schmid (16/354)zur provisorischen Bundeshauptstadtgenüsslich in seinen Erinnerungenerwähnt: „Ich ... meinte, um klarzu-machen, wie ernst es uns mit dem pro-visorischen Charakter der Bundes-republik war, sollten wir in einerBarackenstadt an der Demarkations-linie tagen. Ich wurde ausgelacht.“2)

Geradezu im Kontrast hierzustand wenigstens beim hohen Klerusnicht so sehr das Provisorium, son-dern die Bundesrepublik als wenigs-tens vorläufiges Definitivum im Vor-dergrund. Im Gegensatz dazu distan-zierten sich erhebliche Teile derevangelischen Tradition von derBundesrepublik und legten den Ak-zent auf die Wiedervereinigung. Diesfiel ihnen umso leichter, als die pro-testantischen Stammlande – Bran-denburg, Thüringen, Sachsen – inder SBZ lagen. Und nebenbei: Dieswaren auch die großen Wählerreser-

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

ren.“ (3/57f) Bischöfe jedenfalls wieDibelius oder Lilje konnten Niemöl-ler in seiner Ablehnung der Bundes-republik nicht folgen. NiemöllersSpruch jedoch verdeutlicht, wie sehrer die Bundesrepublik Adenauersablehnte. Sie war nicht weniger ab-stoßend als ein kommunistischesDeutschland.

Damit ging Niemöller über dieVorbehalte Schumachers hinaus.Schumacher hat Grotewohl nie ver-ziehen, die SPD in die SED3) geführtzu haben. Schumacher war sich derGefahr des Kommunismus sehr wohlbewusst und wollte in dieser Hin-sicht keinerlei Risiko eingehen. Undin dieser Frage bestand auch zwi-schen ihm und Carlo Schmid volleÜbereinstimmung: „Ich hatte keineIllusionen: Die Unterhändler derSowjetzone würden die Annahme ihrervolksdemokratischen Rezepte zur Be-dingung einer jeden ‘gesamtdeut-schen’ Einigung machen. Und dieseRezepte schienen mir nach den Erfah-rungen, die man in der Ostzone ge-macht hatte nicht annehmbar zusein.“ (16/287)

2. Aus klerikalistischer Sicht istdie Einheit ganz Deutschlandsunerwünscht

In seinen „Erinnerungen“ zitiertCarlo Schmid4) einen Bericht desfranzösischen VatikanbotschaftersWladimir d’Ormesson vom 19. Sep-tember 1948. Adressat war der loth-ringische Katholik AußenministerSchuman, Gegenstand bildete einGespräch mit Msgr. Tardini über daskonfessionelle Schulwesen und dieGeltung des Reichskonkordats in derfranzösisch besetzten Zone. Tardiniwarnte davor, in Deutschland nachfranzösischem Modell die laizisti-sche Schule einzuführen. Die Bevöl-kerung würde sich dem entgegenstel-len. Dies könne nicht im InteresseFrankreichs liegen.

Das nun untermauert Tardini mitfolgendem Argument: Man könne„ausschließlich auf die katholischenKreise die einzige vernünftige Hoff-nung gründen, dass in DeutschlandFriede herrscht. ‘Der ganze Rest’,sagte mir mit einer ganz besonderenHeftigkeit Monsignore Tardini, ‘istnationalistischer und sogar nazisti-scher als je. Täuschen Sie sich darinnicht. Zehn Jahre hitlerischer Erzie-

hung haben starke Spuren hinterlas-sen. Die Niederlage bringt das Gefühlzur Verzweiflung. Da gibt es nichts zumachen, da gibt es von dem preußi-schen oder verpreußten Bevölkerungs-teil nichts zu hoffen (sic). Das sindBarbaren. Sie haben nichts gelerntund nichts begriffen. In den Gegen-den Westdeutschlands oderSüddeutschlands, wo das Christen-tum tief eingedrungen ist, ist jedochder Geist nicht derselbe. Mit diesenBevölkerungen und mit ihren christli-chen Elementen muss man arbeiten...’“ (398)

D’Ormesson fügt dem seine Ein-schätzung der vatikanischen Sichthinzu: Im Vatikan hege man „keiner-lei Illusion über den wirklichen Geis-teszustand der Deutschen. Das beweistwiederum, dass man im Vatikan sichbewusst bleibt, welche verhängnisvolleGefahr für Deutschland und den Frie-den die Wiederherstellung der völli-gen deutschen Einheit bedeuten wür-de. Es ist aber zu bemerken, dass manseit einiger Zeit dem Heiligen Stuhlden Ruf angehängt hat, er betreibedie Rückkehr zur deutschen Einheit jasogar dass er diese offen verlange.Mehrere Indizien führen mich dazu,zu glauben, dass diese Einschätzungein wenig zu summarisch ist.“ DerBotschafter verspricht, am Ball zubleiben.

Carlo Schmid hat dieses Doku-ment drei Männern gezeigt: Schuma-cher, Adenauer und von Brentano.Er wollte keine „Kulturkampfatmos-phäre erzeugen“. Mir geht es nunnicht darum, den historischen Gehaltdes Berichts zu prüfen. Hat Tardinidies wirklich gesagt, und wie reprä-sentativ ist es für die damalige Posi-tion des Vatikans? Dies will ich nichtklären. Vielmehr verdeutlicht mirder Bericht die Position von Zeitge-nossen wie Schumacher oder Nie-möller in der Wiederaufrüstungs-debatte. Und auch für Adenauermusste es klar sein: Wenn wirklichfreie Wahlen in Thüringen oderSachsen stattfänden, hätte die SPDdie Nase vorn. Dass dort einmalCDU-Ministerpräsidenten regierenwürden, war um 1950 unvorstellbar.Und mit einer gesamtdeutschenSPD-Regierung hätte die katholischeKirche ihre Vorstellungen überStaat-Kirche-Beziehungen – vor al-lem die Konfessionsschule, damalseines ihrer ernstesten Anliegen –

nicht absichern können.Allemal und unabhängig davon

bestand zwischen Rom und Adenau-er große Übereinstimmung über denwahren Charakter des Stalinsystems.Adenauer: „Meine Überzeugung, dassStalin von jeher die Absicht gehabthatte, Westdeutschland möglichstunzerstört in seine Hände zu bekom-men, hatte sich immer mehr gefestigt...“ (1/348) Darum seine Sorge, dassdie 60.000 kasernierten VOPOSnach dem Vorbild von Korea dieBundesrepublik erfolgreich „befrei-en“ könnten5). „Ich war fest über-zeugt, dass Stalin für Westdeutsch-land das gleiche Vorgehen plante wiein Korea.“ (1/349) Diese Sicht ent-spricht den Vorstellungen der päpst-lichen Weihnachsbotschaften undder auch in der deutschen Bevölke-rung vorherrschenden Angst vor„dem Russen“.

Zugleich aber setzt auch Ade-nauer auf einen möglichen deutsch-landpolitischen „Deal“ der Groß-mächte. Nur gelänge er aus einer Po-sition gleicher Stärke eher als auf derBasis einseitiger Wehrlosigkeit:„Man darf niemals den Glauben da-ran verlieren, dass es doch möglichsein wird und sein muss, Schwierig-keiten zwischen den einzelnen Län-dern auf friedlichem Wege beizule-gen. Aber ich war und bin fest davonüberzeugt, dass die Neigung, Mei-nungsverschiedenheiten auf friedli-chem Wege zu bereinigen ... wesent-lich stärker ist, wenn jeder der Betei-ligten weiß, dass ein Krieg auch fürihn ein ungeheures Risiko in sichbirgt.“ (1/356)

3. Die Betonung der Freiheitunter Vernachlässigung dersozialen Gerechtigkeit führt zueinem kapitalistischen Modelleuropäischer Einigung undtransatlantischer Komplizen-schaft

Auch in einer dritten Hinsichtähnelten sich die Positionen Nie-möllers und Schumachers: „DerSchreck über die Atomwaffen saß unsseit 1945 in den Knochen, kommen-tierte (Niemöller). In jenen Jahrenkam ich zu der Überzeugung – undbin bis heute dabei geblieben – dass,nach Hitler, Truman der größte Mas-senmörder aller Zeiten war.“ (3/259)

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

Die USA und deren Pläne waren fürNiemöller wie für Schumacher stetsmit Argwohn zu behandeln. Bei sei-ner Ablehnung des Deutschland-vertrags urteilt Schumacher vor derUnited Press, dies sei „eine plumpeSiegesfeier der alliierten-klerikalenKoalition über das deutsche Volk“.„Wer diesem Generalvertrag zu-stimmt, hört auf, ein guter Deutscherzu sein.“ (1,I/533) Bei der Unter-zeichnung des Deutschlandvertragsam 26. Mai 1952 war denn auch keinSPD-Repräsentant im Bundesrats-saal zugegen.

Hier schlug Schumachers gebro-chene Erinnerung an seinen erstenUSA-Besuch durch: Im August 1947hatte Schumacher die USA besucht,doch den SPD-Plänen schenkten sei-ne Gesprächspartner damals wenigBeachtung. Carlo Schmid kommen-tiert dies so: „Diese Enttäuschungwirkte lange nach. Sie war einer derGründe, warum er nur selten bereitwar, Ratschlägen aus den VereinigtenStaaten zu folgen.“ (16/300).6)

Bis zu seinem Tod am 22. August1952 hat Schumacher seinen Arg-wohn gegen die westlichen Staatennicht verhehlen können. AuchFrankreich unter dem dann auchnoch katholischen AußenministerSchuman verdiente höchste Vorsicht.Darum seine Ablehnung des Schu-man- wie des Plevenplans: „Durchden Schuman-Plan werde die Wirt-schaftskraft Deutschlands, durch denVertrag über die EuropäischeVerteidigungsgemeinschaft das Men-schenpotential Deutschlands in denDienst einer französischen Diplomatiegestellt.“ (16/482) Ganz anders erin-nert Felix von Eckhardt die PositionAdenauers: Dieser habe ihm immerwieder gesagt „Der Gedanke Schu-mans sei es gewesen, das alte Miss-trauen zwischen Frankreich undDeutschland dadurch zu beseitigen,dass man gemeinsam über die Roh-materialien – Kohle und Stahl – ver-füge, die für jede Rüstung unentbehr-lich seien Damit sei jeder Gedanke anheimliche Rüstungen erledigt ... AchtMonate dauerten die Verhandlungen,dann konnte der Vertrag unterzeich-net und schließlich im Januar 1952ratifiziert werden.“ (7/183) Die Fragewar, ob der deutsche Katholizismuseher den Aussöhnungsgesten Ade-nauers und Schumans oder dendunklen Warnungen Schumachersfolgen würde.

Hier verbindet sich die Kritik ander Bundesrepublik mit Schuma-chers Vorbehalt gegen westlich-kapi-talistische Staaten. Bei der Debatteum die Petersberger Abkommen am22.11.1949 fiel Schumachers Wortvom „Bundeskanzler der Alliierten“(16/453f). Es führte zu einem regel-rechten Aufruhr im Bundestag, zurAussperrung Schumachers, dannaber doch zu einer schriftlichen Ent-schuldigung, die Adenauer annahm.Den Streitpunkt bildete für Schu-macher, dass Deutschland mit denwestlichen Alliierten einen Vertragerst eingehen könne, wenn die De-montage definitiv gestoppt wäre. DieBundesrepublik dürfe zu keinerleiVorleistungen bereit sein. Hier wirdbereits deutlich, wie sehr Schuma-cher überzeugt war, deutsche Inter-essen sozusagen im Clinch gegenü-ber den Siegermächten durchzuset-zen zu können.

Noch tiefgreifender als die natio-nale Komponente war die Differenzbei der europäischen Einigung. Imdeutschen Katholizismus loderte dieBegeisterung für Europa. Gerade dieAussöhnung mit Frankreich wurdezum Zenit der Zukunftshoffnung. Dievölkerverbindende Brücke zu denKatholiken der westlichen Länder,besonders zu Frankreich, manifes-tierte sich bereits auf dem KölnerDombaufest August 1948: Der Pari-ser Kardinal Suhard richtete einenbrüderlichen Brief an KardinalFrings. Zur Versöhnung der Deut-schen mit ihren Kriegsgegnern riefder Bischof von Roermond auf. Die-ser Impuls zeigte sich sehr stark beiPax Christi und in der für dendeutsch-französischen Austausch en-gagierten Zeitschrift „Dokumente“.

Im Hintergrund steht bei denKatholiken der Aufbau eines „christ-lichen Abendlands“ ohne präzise in-haltliche Füllung. Doch umso leich-ter war diese Europaidee politischauf der emotionalen Schiene ver-wendbar (11/88f). Hier traf sich diedeutsche Grundsehnsucht mit demvon Pius XII. nicht endenden Aufrufin all seinen Weihnachtsbotschaften:Das friedliche Europa der Zukunftmusste von Christen geprägt sein –Atheisten, vor allem solche Moskau-er Prägung, fanden in ihm keinenPlatz.

Schumacher war keineswegs ge-gen eine europäische Einigung,7) Siewar bereits im Heidelberger SPD-

Programm von 1925, wenn nicht garschon im Erfurter Programm von1891 angezeigt. Dort aber war sie ge-rade verbunden mit der Entkonfes-sionalisierung der Schule und mitder Verdrängung der Kirche aus derÖffentlichkeit (2/63), SchumachersZiel war ein „sozialistisches Euro-pa“, das mit dem christlichen Euro-pa eines Pius XII. unvereinbar blieb.Es fällt leicht, sich vorzustellen, wo-hin die Neigung der Katholikentrieb.

Das Petersberger Abkommen er-möglichte 1949 den Zutritt zum Eu-roparat8), die Integration der Bundes-republik in das freie Europa. DochSchumacher lehnte ab. Sein Argu-ment war die Saarfrage. Der Beitritt„bedeute die völkerrechtliche Aner-kennung der einseitigen machtpoli-tischen Separation dieses Gebietesvom deutschen Staatskörper durchFrankreich. Die Zustimmung zumEintritt der Bundesrepublik in denEuroparat käme einer Billigung die-ses Gewaltaktes gleich ...“ Auch kön-ne Adenauer die Abtrennung derOstgebiete dann nicht mehr als Un-recht anprangern. Ein weiteres, m.E.das entscheidende Argument gegendas Petersberger Abkommen bildetedie Idee hinter dem wirklichenStraßburg: Es sei nicht mehr die so-ziale Gerechtigkeit, sondern „eherAusfluss von Traditionen der europäi-schen Schwerindustrie“. Ein anderes,ein nationales Argument ergab derSPD-Parteitag im Mai 1950 in Ham-burg: Die sicherheitspolitischen Ent-scheidungen würden nicht mehr vonDeutschen für Deutschland gefällt.Sie fielen transatlantisch, d.h. wirblieben dabei wehrlos dem Willenanderer anheim gestellt. Daher dieEntscheidung gegen einen deutschenBeitritt zum Europarat (16/457f).

4. Gesamtdeutsche Interessenkönnen auch vom besetztenWestdeutschland aus wirksamervertreten werden, als Adenaueres will und tut

Carlo Schmid schreibt: „KurtSchumachers Beurteilung der politi-schen Problematik des Jahrs 1947lässt sich in den folgenden Sätzen zu-sammenfassen: Die Sowjetunion istder Hauptfeind eines demokratischenDeutschlands; sie will Deutschlandunter ihre Kontrolle bringen, um die

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

alles beherrschende Macht in Europazu werden. Damit verträgt sich nicht,dass die Staaten Europas enge Bin-dungen mit den USA eingehen.“ (16/302) Diese Argumentation ist auf ei-nen ersten Blick nur schwer ver-ständlich, zumal Schumacher stetsäußerst negativ zur These von einerdeutschen Brücke zwischen Ost undWest stand: „Kurt Schumacher hörtenie auf, vor der Auffassung zu war-nen, Deutschland habe die Funktionder Brücke und des Vermittlers zwi-schen ‘russischem Sozialismus’ und‘westlichem Kapitalismus’ wahrzu-nehmen.“ (16/303) Ebensowenig warSchumacher für deutsche Neutrali-tät, einer These, der Carlo Schmid zuBeginn der Nachkriegszeit noch an-gehangen hatte, von der er sich aberbereits 1946 trennte – bezeichnen-derweise schon 1946 mit dem Argu-ment, dann müssten die Weststaatenallzu stark aufrüsten, um Deutsch-land verteidigen zu können. Dazuwären sie wohl kaum bereit, alsobliebe als Alternative nur, dass sieuns Stalin überlassen (16/417). Diesaber konnte man nicht wollen.

Schumacher argumentierte also– im Gegensatz zu anderen FDP –und SPD-Politikern nicht neutralis-tisch. Er war jedoch fest überzeugt,durch die Lage Deutschlands an derBlockgrenze ein Faustpfand zu besit-zen, mit dem man erheblichen Druckauch auf die USA ausüben könnte.McCloy wandte sich warnend gegenSchumachers These: „Wir bekommensowieso alles. (Die Westalliierten)müssen uns gegen den Osten verteidi-gen, sonst werden wir kommunis-tisch.“ (zit n. 16/482) McCloy ver-wies warnend auf isolationistischeStrebungen im amerikanischen Se-nat, vor allem auf eine nicht unwich-tige Gruppe um Senator Taft, die nurauf einen Anlass warte, um ihre Vor-stellungen mehrheitsfähig zu ma-chen. Erler hielt diese Gefahr 1952für nicht gegeben.

Doch Schumacher wie auch ex-plizit Erler sahen mehr Chancen füreine selbstbewusste deutsche Au-ßenpolitik. Im Vorfeld der BrüsselerNATO-Ministertagung von Dezember1950 fordert Schumacher, die USAmüssten 60 Divisionen in Deutsch-land und zwar an der Elbe aufstellen,sonst würden die USA uns nicht ver-teidigen, vielmehr das Ruhrgebietbeim Rückzug vernichten, damit es

nicht in die Hände der Sowjets fällt.In einer deutschen Armee sah er kei-ne Chance: Als Wiedergutmachungsollten unsere Truppen für die USAsterben. Und deutsche Offiziere wür-den mit ihren Truppen überlaufen,„da sie eine zwecklose Vernichtungihrer Truppen zur Deckung des alli-ierten Rückzugs nicht verantwortenkönnten“ (16/413ff). Das war garnicht so anders bei Adenauer. Dochfür Schumacher stand fest: AlleWünsche Deutschlands müssten vorder Aufrüstung erfüllt sein. Deutsch-land dürfe keinerlei Vorleistungenerbringen (16/422). Darin unter-schied er sich von Adenauer.

Auswirkungen dieser Forderung„keine Vorleistungen“ zeigten sichbei der Unterzeichnung des Montan-Vertrags (18.04.1951) Schumachersah darin den endgültigen Verzichtauf das Saarland. Anders Adenauer:Mit der ihm eigenen Zähigkeit9) be-gab er sich auf den Weg hartnäckigerVerhandlungen. Und mit der Unter-zeichnung des Saarstatuts am 23.Oktober 1954 in Paris hatte er er-reicht, was alle in Deutschland woll-ten: Die Saarbevölkerung stimmtemit 67,7 % dafür, das zehnte deut-sche Bundesland zu werden (16/559).10)

Adenauers Ausdauer-Politik wur-de mehrheitsfähig, erschien realisti-scher als die Alles-oder-Nichts-Posi-tion Schumachers. Einer der frühenErfolge Adenauers – immer im Geleitmit McCloy – war, dass sich dieWestalliierten auf der Außenminis-terkonferenz 1950 in New York ver-pflichteten: „Sie werden jeglichenAngriff gegen die Bundesrepublikoder Berlin, von welcher Seite er auchkommt, als einen gegen sich selbst ge-richteten Angriff behandeln.“ (1/364)Interessant ist dabei auch, dass dieSchumachersche Ablehnung der Po-litik Adenauers in dieser Härte inder SPD selbst auf Widerstand stieß.

Generell gab es Konflikte zwi-schen Schumacher und den SPD-Mi-nisterpräsidenten. Diese wollten ei-nen schwachen Bund. Vor allemWilhelm Högner (Bayern) entfrem-dete sich in dieser Frage vonSchumacher. Schumacher fand Wi-derspruch etwa von Wilhelm Kaisen(Bremen): Wir sollten erst das eige-ne Haus bestellen und das in engerAnlehnung an die Westmächte.Europapolitik sei ohne Westbindung

so unmöglich wie ohne die Ein-beziehung der Bundesrepublik. Dar-um solle die SPD dem Bestreben derWestalliierten nach einem festenWeststaat folgen. Am schärfsten ge-gen Schumacher trat Ernst Reuter(Berlin) auf (16/320): Reuter plä-dierte für einen starken Staat im frei-en Teil Deutschlands, das auf dieSBZ wie ein Magnet wirken würde:„Über kurz oder lang werde dies dieRussen zwingen, ihre der Wiederher-stellung der Einheit eines demokrati-schen Deutschlands widerstrebendePolitik zu revidieren. Von dieser Ge-wissheit aus leistete Ernst Reuter derPolitik Kurt Schumachers erbittertWiderstand, soweit sich dieser derUmwandlung der drei Westzonen ineinen westdeutschen Staat widersetz-te.“ (16/323) Und Reuter hatte star-ken Einfluss auf die Militär-befehlshaber, besonders auf GeneralClay. Darum blieb SchumachersEinfluss auf die Alliierten wiederumbegrenzt.

Carlo Schmid sekundierteSchumacher in diesem Punkt: „Jeweniger die durch die widersprechen-den Interessen der Besatzungsmächtegeschaffenen Tatbestände konsoli-diert werden, desto wahrscheinlichersei, dass die Verhältnisse einenZwang auf die Besatzungsmächteausüben werden, in Viererverhand-lungen über Deutschland einzutre-ten.“ (16/328) Vierer-Konferenzenwaren die große Hoffnung. Dass anihrem Ende freie gesamtdeutscheWahlen stünden, schien machbar.Die Vorbehalte der Sowjetunion,aber auch Frankreichs gegen einfreies, dann auch noch bewaffnetesGesamtdeutschland schienen über-windbar.

Sobald die Währungsreform am20. August 1948 geschehen war, er-öffneten die Alliierten denMinsterpräsidenten11) – die Partei-führer wurden nicht eingeladen – biszum 1. September 1948 eine verfas-sunggebende Versammlung zur Er-richtung eines westdeutschen Staateinzuberufen. Sie wollten einen „derSubstanz nach ‘richtigen’ westdeut-schen Staat“ (16/330). General Claybeklagte sich (16/331), die Deut-schen wollten keine Verantwortungübernehmen und sich auf dieBesatzer verlassen – gerade auchwas Berlin angeht. Dies sei fürDeutschland gefährlich. Im Juli

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

1948 trafen sich die Ministerpräsi-denten auf dem „Rittersturz“ beiKoblenz. Die Parteivorsitzenden wa-ren als Gäste eingeladen. Man konn-te sich für den Weststaat nicht er-wärmen. Die Alliierten nahmen sichdie Ministerpräsidenten einzeln vor.Bei Reuter hatten sie den besten Er-folg. Er war es auch, der bei einemerneuten Treffen der Ministerpräsi-denten den Ausschlag gab: Ein west-deutscher Staat sei schon wegenBerlins unbedingt erforderlich.Reuter überzeugte die Ministerpräsi-denten. Carlo Schmid widersprachvergebens.

Von März 1948 bis April 1949lag Schumacher krank im Bett. Tref-fen in seinem Krankenzimmer erga-ben, es solle kein deutscher West-staat gegründet werden, der nunauch deutscherseits die Spaltungverewigte. Der Akzent sollte auf Eu-ropa außerhalb Deutschlands liegen.„Auf dem Düsseldorfer Parteitag1948 warnte (Schumacher) vor einerEuropapolitik, die zu einem Ost-block und einem Westblock führenkönnte.“ (16/305)

Diese Hoffnung verblieb, wenn-gleich die Hochkommissare im Juni1949 die westdeutschen Politikerüber die Ergebnisse, besser die Er-gebnislosigkeit der Pariser Vierer-Konferenz, unterrichteten. Man warzur eigentlichen Deutschlandfragegar nicht vorgedrungen. Schumacheräußerte sich danach in aller Deut-lichkeit: „Es sei ausschließlich Schuldder Sowjets, dass es nicht zu einer Ei-nigung über Deutschland gekommenist. Ihre Parole von der EinheitDeutschlands, die sie anstrebten, seieine Schwindelparole. Die Deutschensollten begreifen, dass aus einer mitHilfe der Russen zustande gekomme-nen Vereinigung Deutschlands nichtsanderes herauskommen kann als einedas ganze Deutschland umfassenderussische Provinz’.“ (16/403)

Dennoch wurde der Versuch wei-ter betrieben, die Siegermächte zueiner für die deutsche Einheit favo-rablen Lösung zu bewegen. Knappein Jahr später, im Mai 1950, ging esum den Schuman-Plan. Schumacherbegründete seine Ablehnung mitdem Argument, die Mächte hinterdem Europarat hätten bewiesen, dasssie die deutsche Frage nicht als„Menschheitsfrage“ ernst nehmen.Diese Vision – so auch immer wieder

Erler – müsse deutsche Politik derWelt vermitteln. Nötig seien deut-sche Einheit und Einheit ganz Euro-pas (16/460). In seinen Erinnerun-gen merkt Carlo Schmid (492) hiererstmals an, er habe im Schuman-Plan viele Vorteile gesehen. Undnach seiner Rede im Bundestag, inder er die Montan-Union für dieSPD-Fraktion abgelehnt hatte,schreibt er: „Ich gestehe, dass mir beidiesen Ausführungen nicht ganz wohlwar.“ (1 6/519)12)

Nur einen Monat später, im Juni1950, kam es dann zur Koreakrise.Die Außenminister der westlichenDrei trafen sich im September 1950in New York. Dort betonte McCloystarke US-Truppen seien in Deutsch-land notwendig. Dazu sei dann auchein deutscher Beitrag erforderlich,wenngleich nicht in der Form einereigenen nationalen Armee. Dies tater auf dem Hintergrund eines Memo-randums, das er von Adenauer erhal-ten hatte. Gustav Heinemann trat zu-rück und gründete die GVP.Schumacher erklärte zu den NewYorker-Beschlüssen, er stimme zu,wenn die Alliierten das gleiche Risi-ko tragen würden wie wir; wenn star-ke US-Einheiten, 60 Divisionen „ander Elbe“ stünden. Damit reagierteer mit Adenauer gegen mögliche US-Ideen, Europa sei am Rhein zu ver-teidigen (16/498ff).

Am 24. Oktober 1950 folgtedann der Pleven-Plan. In einer Re-gierungserklärung vierzehn Tagespäter vor dem Bundestag plädierteAdenauer für Annahme. Schumacherreagierte u.a durch kritische Anmer-kungen zu den Alliierten: DeutscheSoldaten dienten deren Interessen.Frankreich wolle nur ein sicheresGlacis im Kampfgebiet zwischenElbe und Rhein. Ähnlich vertrete dieUSA nur eigene Interessen. Deutsch-land brauche die waffentechnischeÜberlegenheit der Angelsachsen:„Ein Kampf ohne Aussicht sei einKampf ohne Sinn.“ Dies trafsicherlich zu; nur, welcher US-Präsi-dent würde 60 Divisionen eigenerSoldaten an die Elbe entsenden,wenn die Deutschen ihre und nurihre nationalen Interessen verträten?

In diesem Zusammenhang er-wähnt Hermann Graml HerbertWehner, der „wie so viele unter Schu-machers starrer Obstruktionspolitikleidende Sozialdemokraten ein parti-

eller Anhänger der Außenpolitik derBundesregierung (9/315) war.“ DochWehner wie auch Ollenhauer hieltensich mit Kritik zurück, da sie „bereitsdamit rechneten, dass Schumacherdie Forderung nach einer Vier-Mäch-te-Konferenz aufgreifen wolle, um dieselbstverständlich unvermeidliche Ab-lehnung durch die Alliierten gegenBundeskanzler Adenauer auszuspie-len“ (9/318). McCloy beruhigt Was-hington, die Kritik bei der SPD werde„nur jenes Maß erreichen, das not-wendig sei, um einen Fall gegen Ade-nauer zu konstruieren“. So wurde bisin die SPD-Spitze hinein klar, dassSchumachers Kurs die eigenen Kräf-te überschätzt hatte, um an der effek-tiven Gestaltung eines dauerhaftfriedlichen Nachkriegseuropas eineSpur zu ziehen.

Schumachers Position Ende1950 war nicht mehrheitsfähig. Dochebenso wenig blieb Adenauer in dereigenen Regierung ohne Wider-spruch. Im Gegenteil, nach Auffas-sung von Carlo Schmid war der Wi-derstand von Minister Kaiser damalsstärker als der der SPD. AdenauersWestpolitik schien sich von der Wie-dervereinigung wegzubewegen. Sosuchte Kaiser verzweifelt nach einemanderen Konzept. Deutschland sollteals Brücke zum Osten dienen, waspraktisch die Neutralisierung forder-te. Dieses vereinte Deutschland kön-ne sowjetischen Avancen widerste-hen. Ökonomisch jedoch sollte es imWesten integriert sein und auch denmilitärischen Schutz des Westensbehalten. Kaiser glaubte, die Gunstder Stunde sei so zu nutzen. Es kamzu harten Kontroversen mit Adenau-er.

Auf diesem Hintergrund mussman die Diskussion im deutschenKatholizismus sehen, beispielsweiseim immer wieder verwendetenWeberschen Begriffspaar „Gesin-nungsethik vs. Verantwortungsethik“(5/42). So kam es, dass Kaiser in derCDU nicht mehrheitsfähig wurdeund dass es selbst in dem hoch in-dustrialisierten Bundesland Nord-rhein-Westfalen der SPD in den50er-Jahren nicht gelungen (war), inLandtagswahlkreisen mit mehr als40 % Katholiken ein Direktmandatzu erringen“ (2/68). Die PositionAdenauers schien an der Basis über-zeugender zu wirken.

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

Wenn ich nun die vier Punktenoch mit der Urteilsbildung unterden deutschen Katholiken in Bezie-hung setzen darf, so ergibt sich fol-gendes Bild:1.Sahen die Katholiken in den anti-

klerikalen Attacken der Gegner ei-ner Westintegration einen Angriffauf sich selbst. Schumacher wieNiemöller oder der Abgang Heine-manns haben das katholische La-ger konsolidiert.

2.Wuchs spätestens seit der Berlin-blockade 1948 das Bewusstsein,dass der Bedrohung aus Moskaunur im Verbund mit den West-mächten begegnet werden konnte.Zu einer negativen EinschätzungStalinscher Politik trug wesentlichdie Kirchenpolitik im Ostblock bei– seien es die Verfolgungen von Po-len bis Ungarn13), sei es die 1946erzwungene Eingliederung derunierten Kirche der West-Ukrainein die Orthodoxie.

3.Glaubte man, das Konzept einer„sozialen Marktwirtschaft“, wie esMüller-Armack entwickelte undMinister Ehrhard propagierte, seinicht nur von den gegebenen Mög-lichkeiten die relativ beste. DieVersuche vor allem der Walberber-ger Dominikaner um PP. Siemerund Welty, einen „christlichen So-zialismus“ zu entwerfen, bliebenbald nur noch in kleinen oppositio-nellen Kreisen lebendig. DieGerechtigkeitsvorstellungen Schu-machers, einschließlich der Verge-sellschaftung der Schlüsselindus-trien, jedenfalls kamen gegen dasEigentumsrecht in der katholi-schen Soziallehre nicht an. InsZentrum rückte die Bewahrung derbedrohten Freiheit. „Frieden umjeden Preis“14) fand keine Zustim-mung, die Freiheit durfte jedenfallsnicht der Preis des Friedens sein.Verantwortungsethik verlangte –dies war immer wieder der Aufrufder Weihnachtsbotschaften: Vertei-digung der Freiheit als Recht undals Pflicht, der sich niemand ent-ziehen darf, auch nicht der Staat,dessen Freiheit momentan nichtbedroht ist. Weltweite Solidaritätaller demokratischen Staaten in ei-nem System, das man später „kol-lektive Sicherheit“ nennen wird,sei das Gebot der Stunde. Um die-ser Freiheit willen verlegte derBDKJ dann auch nach Elmstein1952 alle Energie darauf, eine

deutsche Armee zu konzipieren,die preußischem Militarismusebenso entging wie der bedin-gungslosen Bindung der Wehr-macht an den Befehl des Führers.Die Bundeswehr sollte nichtwieder Staat im Staate sein, son-dern der Freiheit und Demokratieder Bundesrepublik dienen.

4.Fand die Opposition zur Westbin-dung der Bundesrepublik kaumZustimmung, wenn man politischund realistisch die Chancen deut-scher Sicherheitspolitik einschätz-te. Adenauers zähe Verhandlungs-politik erhielt viel Glaubwürdig-keit, jedenfalls mehr als die großenTöne Schumachers oder Erlers.Erler (52) wendet sich gegen dieUN-Untersuchungskommission,die in Gesamtdeutschland feststel-len soll, ob Bedingungen für wirk-lich freie Wahlen bestehen: „DieAufgabe ist nicht die Untersu-chung, sondern die Schaffung derVoraussetzungen für freie Wahlenin allen vier Zonen.“ WelchesDeutschland hätte Stalin oder auchnur Frankreich zwingen können?Adenauers Politik war umsichtigerund hatte ja Erfolge. Wenn es ernstwurde wie in Berlin oder in Korea,erfuhr man, auf wen Deutschlandangewiesen war.

Erlauben Sie mir abschließendnoch – auch in gewisser Weise alsBestätigung eine Begebenheit, diesich im Vorfeld der Bundestagswahl1953 abspielte, zu schildern. Im No-vember 1951 gründen Heinemann,Niemöller und Helene Wessel (Zen-trum) die „Notgemeinschaft für denFrieden Europas“, eine Sammlungs-bewegung gegen militärische undsonstige Westintegration, pro deut-sche Einheit, pro Neutralität undAussöhnung mit dem Osten. Adenau-er war besorgt, dass die CDU in deröffentlichen Wahrnehmung als ka-tholische Partei erscheinen könne.So kam es im März 1952 in Siegenzur Gründung des „EvangelischenArbeitskreises“ in der CDU. Initiatorwar Herrman Ehlers, der immerschon Niemöller und Heinemanndeftigen Widerstand entgegengesetzthatte. Die Schlussrede hielt Adenau-er. Eine knappe Woche zuvor hatteStalin in der ersten Note dieses Jah-res den Vorschlag unterbreitet,Deutschland zu neutralisieren undmit einer gesamtdeutschen Armee

auszustatten. Adenauer lehnte die-sen Vorschlag ab. Zu deutscher Ein-heit führe kein Weg außer über dieStärke Gesamteuropas, von dem ausauch eine Neuordnung Osteuropasermöglicht würde! Dies warsicherlich auch taktisch gegenHeinemann und Niemöller gedacht.Tatsächlich aber gewann Adenauerdamit auch die mehrheitlich evange-lischen Vertriebenen.

Die CDU festigte sich interkon-fessionell. Heinemann verwandeltedie Notgemeinschaft im November1952 in die „Gesamtdeutsche Volks-partei“. Ihre Ziele blieben die derNotgemeinschaft: keine Westbin-dung, Neutralität, Aussöhnung.Heinemann wollte die GVP als dieevangelische Partei profilieren: DieRede war nur noch von der katholi-schen CDU, vom katholischen Kanz-ler deren Ziel das einheitlich-katho-lische Westeuropa sei. Hilfe erhieltdie GVP von der Bekennenden Kir-che, jetzt den „Bruderräten“ vonMartin Niemöller. Das Organ „Stim-me der Gemeinde“ unter PfarrerMochalski titelte: „Die Wehrmachtdes Herrn Frings.“ Für die zweiteBundestagswahl vom 17. Juni 1953erwartete Pfarrer Mochalski einen„Erdrutsch“. Der aber blieb aus. DieCDU gewann 14 % hinzu, erstaun-licherweise auch in mehrheitlichevangelischen Gebieten. Die GVPendete bei 1,1 %! Dies war eine Be-stätigung der katholischen Ver-bandsentwicklung zur Frage wie einSieg für beide Amtskirchen – auchfür Bischöfe wie Dibelius oder Liljein der EKD. So war die Ratifizierungder Verträge gesichert. Doch – soschließt Doering-Manteuffel 1985 -„national-neutralistische Feindschaftgegenüber der Bundesrepublik unddie nicht selten gesinnungsethischmotivierte Aversion gegen die Grund-prinzipien der westdeutschen Sicher-heitspolitik sind bei einzelnen Grup-pen bis heute erhalten geblieben undnach wie vor virulent.“ (6/335) 1985war noch die Zeit der Friedensbewe-gung, eines Eppler, der 1951 als As-sistent für Gustav Heinemann in dieGVP eingetreten war.

Glücklicherweise haben wir heu-te das vereinte Deutschland. Undaus heutiger Distanz steht es uns gutan, uns in die damalige Lage zurück-zuversetzen und an uns selbst dieFrage zu richten, welche Fehler wirwohl damals gemacht hätten.

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

Anmerkungen1) Die Zitation ist wie folgt zu lesen erste

Zahl = Titel im Literaturverzeichnis;zweite Zahl ist die Seitenangabe.

2) Aus dem gleichen Grund war CarloSchmid gegen die Einrichtung des Amteseines Bundespräsidenten. Der Bundes-tagspräsident sei Repräsentanz genug(16/382). Doch auch dafür fand er keineMehrheit.

3) 1946 gegründet. Bei der Wahl 1949 ei-nigte man sich auf „Einheitslisten“: 25% SED, je 15 % CDU und LDP. Dochüber die Verbände (10 % FDGB, 5 %FDJ ... erhielt die SED 55 % der Manda-te (1/28 f).

4) Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern-Mün-chen-Wien 1979

5) Adenauer hatte nie Angst, die Rote Armeewürde angreifen (1/353). Im Gegenteil,Stalin würde diese zurückziehen und derauf 120.000 Mann geplanten VOPO denEingriff überlassen. Dagegen stand Ade-nauers Forderung nach einer freiwilligen,gut bewaffneten Bundespolizei von bis zu150.000 Mann (1/351). Eine Aufrüstungder Bundesrepublik lehnte Adenauer lan-ge Zeit ab (1/354) – so auch im Adenau-er-Memorandum für Außenministerkon-ferenz in New York (1/358).

6) Dabei waren Adenauers frühe Erinnerun-gen an die Alliierten alles andere als po-sitiv. Als die Briten ihn nach dem Wahl-sieg Labours aus dem Amt des OB vonKöln trieben, bestellten sie ihn ein, botenihm nicht einmal einen Stuhl an. AlsAdenauer sich unaufgefordert setzenwollte, wurde ihm befohlen, stehen zubleiben. Er mäkelt über die Gründungs-zeit der Bi-Zone Ende 1946: „Es wurdeuns sehr viel Demokratie gepredigt, aberes wurde wenig demokratisch gehan-delt.“ (1,105) Zur gleichen Zeit kritisierter die Sowjetpolitik der Westmächte:„Die Politik der Westalliierten uns ge-genüber zeigte leider deutlich, dass siedas Ziel der Sowjetunion noch nicht vollerkannt hatten. Die Vereinigten Staatenvon Amerika befanden sich im alleinigenBesitz der Atombombe, und hier sahensie in kurzsichtiger Weise eine absoluteGarantie ihrer Überlegenheit gegenübereiner eventuellen, von Sowjetrusslandher drohenden Gefahr.“ (1/95 und mehr-mals: 106/410) Häufig kritisiert er denschieren Unsinn der bedingungslosenKapitulation (1/183) und der sinnlosenDemontage, die häufig nur betriebenwurde, um deutsche Industriekonkurrenzauszuschalten. So wurde die Kamm-fabrik Kolibiri von einem britischen Offi-zier demontiert, der in England eine glei-che Fabrik betrieb (1/185).

7) Auch hinsichtlich der europäischen Eini-gung bestanden um die Jahreswende1946/1947 in der SPD noch weitgehen-de Hoffnungen: „In der ersten Phase die-ser Überlegungen war ich irrigerweisenoch der Meinung, dass wenigstens einTeil der späteren Satelliten der Sowjet-union noch für Europa gewonnen werdenkönnte.“ (16/417)

8) Mit der ersten Revision des Besatzungs-statuts vom März 1951 wird die Bundes-republik Vollmitglied des Europarats.Der Preis war: Die Bundesrepublikmusste die Auslandsschulden des Deut-schen Reiches übernehmen. Der Gewinnbestand u.a. darin, dass die Bundes-republik nun erstmals einen „regulärenAuswärtigen Dienst“ (1/464) aufbauendurfte, wenngleich sich die AlliiertenEingriffsrechte vorbehielten, falls dieEntwicklung in der Bundesrepublikdemokratieabgewandte Wege einschlug,

9) Carlo Schmid (490f) berichtet, inDeutschland herrsche Anfang der 50er-Jahre die Meinung vor, die UNO wäreimstande „jeden potentiellen Angreiferentsprechend rasch und wirksam zurOrdnung zu rufen“. Die SPD war zu kei-ner militärischen Beteiligung bereit, so-lange die Einheit Deutschlands nichthergestellt wäre. Die USA und Englandwollten aus der militärischen Verantwor-tung für ein fremdes Land heraus. Sieverlangten deutsche Streitkräfte undzugleich, dass Deutschland sich mit sei-ner vorläufigen Teilung abfinde. Ihnenwar klar, dass Stalin keine deutsche Ein-heit zu akzeptablen Bedingungen erlau-ben würde (16/494). Zu allem Überflussschloss de Gaulle mit Stalin einenFreundschaftsvertrag ab. Dies war dasUmfeld, im dem die für Deutschlandbestmögliche Politik konzipiert werdenmusste.

10) Von 1951 bis 1952 stieg die Zustim-mung zu Adenauers Politik von 30 auf52 %. (1/108)

11) Wie wenig Kompetenzen die Minister-präsidenten für eine Bundesregierungvorsahen, zeigt u.a. die Herrenchiem-seer Expertentagung (10.-23.08.1941:Bundeseigene Stäbe sollten nur für dieAußenpolitik, für die Post und für dasEisenbahnwesen entstehen (16/334).Auch die Finanzaufteilung zwischenBund und Ländern verlief ausgesprochenkontrovers. Doch um allen Deutschen inetwa gleiche Lebenschancen zu sichern,siegte die Bundesfraktion.

12) Dies entsprach jedoch dem Selbstver-ständnis Schmids: Sozialdemokrat istman „dadurch, dass man jedes Mal,wenn die Partei vor eine Entscheidunggestellt wird, sich an eine persönlicheEntscheidung wagt und dann für die Ent-scheidung einsteht, für die sich die Parteiausgesprochen hat.“ (16/460)

13) Am zweiten Weihnachtstag nach der be-rühmten Weihnachtsbotschaft 1948 wur-de Kardinal Mindszenty festgenommen.Seinen Leidensweg verfolgte die West-presse mit Hingabe und Anteilnahme.

14) Erst recht konnte man sich in den frühen50ern nicht mit den „Rückversicherern“(1/453) abfinden, die aber ein deutlichesLicht warfen auf die Stimmung in der Be-völkerung der Bundesrepublik: Man fühl-te sich dem Osten wehrlos ausgesetzt.

Literatur1) Konrad Adenauer, Erinnerungen, Band I:

1945-1953, Stuttgarter 1987, Band II:1953-1955, Stuttgart 1966

2) Jürgen Aretz, Katholizismus und deut-sche Sozialdemokratie 1949-1963, in:Langner 61-81

3) James Bentley, Martin Niemöller, EineBiographie, München 1985

4) Anselm Doering-Manteuffel, Katholizis-mus und Wiederbewaffnung: Die Haltungder deutschen Katholiken gegenüber derWehrfrage 1948-1955, Mainz 1981

5) Anselm Doering-Manteuffel, Friedens-diskussion und innerkatholisches Selbst-verständnis: ein Rückblick auf die Wehr-debatte 1950-1952, in: Wilhelm Korff(Hrsg.), Den Frieden sichern, Düsseldorf1982, 32-47

6) Anselm Doering-Manteuffel, Die Kircheund die EVG. Zu den Rückwirkungen derWehrdebatte im westdeutschen Protes-tantismus und Katholizismus auf die po-litische Zusammenarbeit der Konfessio-nen, in: Militärgeschichtliches For-schungsamt (Hrsg.), Die EuropäischeVerteidigungsgemeinschaft. Stand undProbleme der Forschung, Boppard 1985,317-335

7) Felix von Eckardt, Ein unordentlichesLeben, Düsseldorf 1967

8) Fritz Erler, Soll Deutschland rüsten? DieSPD zum Wehrbeitrag, o.O., o.J.

9) Hermann Graml, Die Legende von derverpassten Gelegenheit. Zur sowjeti-schen Notenkampagne des Jahres 1952,in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte29 (1981), 307-341

10) Heinz Hürten (Hrsg.), Katholizismus,staatliche Neuordnung und Demokratie:1945-1962, Paderborn 1991

11) Heinz Hürten, Zur Haltung des deut-schen Katholizismus gegenüber der Si-cherheits- und Bündnispolitik der Bun-desrepublik Deutschland 1948-1960,in: Langner 83-102

12) Albrecht Langner (Hrsg.), Katholizismusim politischen System der Bundes-republik 1949-1963, Paderborn 1978

13) Rudolf Morsey, Katholizismus undUnionsparteien in der Ära Adenauer, in:Langner 33-59

14) Peter Nellen, Reden und Aufsätze, hrsg.v. Heinz Robert Schlette, Düsseldorf1980

15) Josef Rommerskirchen, Den Frieden si-chern: die Kirche in den Auseinanderset-zungen um den Verteidigungsbeitrag inden 50er-Jahren, in: Kehret um undglaubt – erneuert die Welt: 87. Deut-scher Katholikentag vom 1. Septemberbis 5. September 1982 in Düsseldorf,Paderborn 1982, 165-176

16) Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern-Mün-chen-Wien 1979

17) Franz Josef Strauß, Die Erinnerungen,Berlin 1989

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

DiskussionsberichtVERA BÜCKER

in deutscher Haft gewesen war, zumWeißen Sonntag 1948 einzuladen.Ohne sie davon zu unterrichten, sei-en auch die Bischöfe von Münsterund Köln eingeladen worden. Beidem Treffen habe Bischof Théas einegroße Friedensansprache gehaltenund zum ersten großen Pax-Christi-Kongress nach Lourdes eingeladen.Viele Jugendliche der Diözese Müns-ter seien daraufhin im Sommer 1948,kurz nach der Währungsreform, derEinladung gefolgt.

Bis Anfang der 50er-Jahre habees bei den offiziellen Organen derkatholischen Jugend kaum Tenden-zen gegeben, die die Wiederaufrüs-tung stärkten. So habe im Januar1949 im „Fährmann“ ein Artikel„Kriegsgeschrei“ den „RheinischenMerkur“ wegen dessen Befürwortungder Wiederbewaffnung angegriffenund ihm Wecken der schlummern-den Militaristen und Blasen auf derKriegstrompete vorgeworfen. DieElmsteiner Erklärung des BDKJführte Harry Neyer daher zu einemgroßen Teil auf Rommerskirchen zu-rück. Sie habe innerverbandlich Dis-kussionen ausgelöst, in derbesonders die „Schar“ in Oppositionzum neuen Kurs geraten sei. Dochhätte die politische Großwetterlageden Stimmungsumschwung unter-stützt. Besorgt seien die militärischeAusbildung der Volkspolizei derDDR seit 1948, die Einbeziehungder ostmitteleuropäischen Staaten indas sowjetische System, die BerlinerBlockade sowie die zunehmendenKontaktschwierigkeiten mit denMenschen in der SBZ und 1950 derKoreakrieg registriert worden.

Den Kurswechsel befürworteteebenfalls Kardinal Joseph Frings,der auf dem Diözesankatholikentagim Juli 1950 in Köln sich gegen denPazifismus aussprach und damit deDiskussion als Vorsitzender der Bi-schofskonferenz im Laienkatholizis-mus beeinflusste. Bei Bischöfen wieLorenz Jäger von Paderborn habeeine hohe Wertschätzung des Solda-ten weiterhin vorgeherrscht; so hät-ten „alte Kameraden“ anders als an-dere keine Schwierigkeiten gehabt,bei ihm einen Gesprächstermin zu

erhalten. Auch einzelne Geistlichehätten ihre Kriegserlebnisse glorifi-ziert. So erzählte ein Zeitzeuge voneinem Jugendseelsorger, der ihn insein Zimmer mitgenommen, die Uni-form angezogen und ihm seine Ordengezeigt habe. Auch ein Regens imPriesterseminar habe immer wiedergern über seine Kriegserlebnisse ge-sprochen. Diese persönliche Erleb-niswelt sahen die Zeitzeugen in ei-nem Spannungsverhältnis zu denkirchlichen Ausführungen zu Kriegund Frieden, wie sie Papst Pius XII.äußerte.

Auch Josef Orgass, damals imKolpingwerk tätig, bestätigte, dassdie weltpolitische Entwicklung einenallmählichen Meinungsumschwungeingeleitet habe. Er sei durch diepersönlichen Erfahrungen von ehe-maligen russischen Kriegsgefange-nen gestützt worden, die die Bedro-hung aus dem Osten für eine ehergroße Gefahr gehalten hätten. So hät-ten auch ihm sowjetische Politoffi-ziere gesagt, dass es nur noch eineFrage der Zeit sei, bis sie die Welt-herrschaft hätten. Doch erst die ge-änderte weltpolitische Lage habe denBefürwortern der Wiederbewaffnungdie Argumente geliefert, um sich ge-gen die heimgekehrten Soldaten undihre „Ohne-uns-Bewegung“ durch-zusetzen. Ein weiteres Argument, soHans Schroer, sei gewesen, dass dieDeutschen sich nicht ohne eigenesEngagement von amerikanischenoder französischen Soldaten verteidi-gen lassen könnten.

Bei der Einführung der Wieder-bewaffnung habe es Kommissionenfür Kriegsdienstverweigerer gege-ben. Als Bürgervertreter war HansSchroer in Köln daran beteiligt. DieKommision habe nur diejenigen alsWehrdienstverweigerer anerkannt,die durch schreckliche Erlebnissebei der Vertreibung aus dem Ostenoder in langjähriger russischer Ge-fangenschaft psychisch belastet wa-ren.

Die Vertreibung habe freilichnicht unbedingt im Sinne des Pazi-fismus gewirkt. So habe nach demBericht von Herrn Orgass – imEssener Kolpinghaus ein Flücht-lingsvertreter die Meinung geäußert,

Der Zeitzeuge Hans Schroer*)

berichtete, dass er als Diöze-sanleiter der katholischen Ju-

gend des Erzbistums Köln in den30er-Jahren viel mit dem Oberhau-sener Kaplan Rossaint zusammen-gearbeitet habe. Noch 1934 hättensie in Mülheim eine Tagung mit demThema „Das Vierte Reich“ abgehal-ten, worin sich ihre Überzeugung vonder zeitlichen Begrenztheit des Drit-ten Reiches niedergeschlagen habe.Sechs Wochen vor Kriegsbeginn1939 sei er bei einem Bataillon inKöln Soldat geworden und dies biszu seiner Entlassung aus russischerKriegsgefangenschaft 1949 geblie-ben. Im August 1944 sei er in Gefan-genschaft geraten und durch insge-samt 14 Lager gegangen. Als katholi-scher Jugendführer habe er zu denwenigen Offizieren gehört, die keineNationalsozialisten gewesen seien,und sei von daher früh ins Gesprächmit den sowjetischen Politoffizierengekommen. Auf Lehrgängen, die erseit 1946 besucht habe, hätten siedeutlich gemacht, dass die Sowjet-union, nachdem sie Polen und dieDDR ihrem Einflussgebiet einver-leibt habe, darauf ziele, in den 50er-Jahren am Atlantik zu stehen. Daherwürden die Sowjets die Antikriegs-bewegung in der Bundesrepublik mitallen Mitteln unterstützen. Nach sei-ner Entlassung habe er diese Erfah-rungen auf Konferenzen, in der Ju-gendarbeit und beim Verbandsorgandes BDKJ „Der Jungführer“ weiter-gegeben. Damit wirkte Schroer imSinne der Adenauerschen Wieder-bewaffnungspolitik am Stimmungs-umschwung zugunsten einer Wieder-bewaffnung mit und unterstützte denKurs des Vorsitzenden Josef Rom-merskirchen.

Unmittelbar nach dem Krieg seider Gedanke „nie wieder Krieg“ inder katholischen Jugend weit ver-breitet gewesen, verbunden mit demBestreben nach einer Aussöhnungmit den ehemaligen Kriegsgegnern.Der damalige Jugendführer der Diö-zese Münster, Harry Neyer, berich-tete, dass der Wallfahrtsleiter vonKevelaer versucht habe, den Bischofvon Lourdes, Pierre M. Théas, der*) Biographische Daten zu den fett gedruckten Namen im Anschluss an diesen Beitrag.

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

dass die Amerikaner, wenn sie klugwären, den Deutschen Waffen gä-ben, damit sie die Russen hinter denUral jagen würden.

Die Frage der deutschen Einheittrat, so die Zeitzeugen übereinstim-mend, hinter dem Gefühl der Bedro-hung durch den Bolschewismus zu-rück. Sie galt – in Übereinstimmungmit der Regierung Adenauer – alslangfristiges Ziel, das erst einmal inden Hintergrund geriet. Die Gegnerder Wiederbewaffnung argumentier-ten damit, dass eine Integrationwestdeutscher Truppen in die Euro-päische Verteidigungsgemeinschaft(EVG) die Wiedervereinigung un-möglich machen würde. Die Befür-worter hielten dagegen, dass diewestliche Freiheit ein höheres Gutals die Einheit sei. Das Misstrauengegenüber der Sowjetunion war soausgeprägt, das auch die verschiede-nen sowjetischen Neutralisierungs-angebote der 50er-Jahre zumindestim BDKJ keine Resonanz mehr ge-funden hätten.

Im Antibolschewismus wie auchin verklärenden Erinnerungen anden Krieg wurden kritisch Kontinui-täten der Mentalität gesehen. Eswurde die Frage aufgeworfen, ob derAntibolschewismus nahtlos an dennationalsozialistischen Antikommu-nismus anknüpfen konnte. Der Krieggegen die Sowjetunion hatte der Kir-che die Trennung zwischen National-sozialismus und Wehrmacht einer-seits und die Akzeptanz des Kriegesandererseits erleichtert, denn nunhabe in ihren Augen die Wehrmachtnicht nur gegen ein fremdes Land ge-kämpft, sondern auch gegen eine an-dere unchristliche Ideologie zur Ver-teidigung des christlichen Abendlan-des. Hieran konnte man anknüpfen;die Erfahrung des Zusammenbru-ches und der NS-Gräuel schienendagegen zu verblassen. Mit einempersönlichen Erlebnis bestätigteHerr Orgass die neue Qualität desKrieges durch den Angriff auf dieSowjetunion. Er berichtete von ei-nem Gespräch zwischen Soldaten,das er als Hitlerjunge zufällig gehörthabe. Sie sagten, dass es mit ihrerVersetzung an die Ostfront anderswürde, denn bisher hätten sie es jamit Kulturvölkern zu tun gehabt.Auch Betstunden für die BekehrungRussland hätten das Gefühl der An-dersartigkeit verstärkt. Ein weiterer

Aspekt des fortgesetzten Antikom-munismus dürfte gewesen sein, dassdie Katholiken sich nicht als Verlie-rer des Krieges verstanden, sondernzumindest auf der weltanschaulichenEbene als heimliche Sieger. Daherkonnten sie das alte Motiv des Anti-christen im Kommunismus ungebro-chen weitertragen. Die deutschenKatholiken konnten sich durch dieUnterstützung von Pius XII. mit sei-ner deutlichen Zurückweisung derKollektivschuldanklage, die die ka-tholische Jugend teilweise stark be-schäftigt habe, bestätigt sehen.

Die Zeitzeugen hatten unter-schiedliche Erinnerungen an das ka-tholische Verhältnis zum Militär. Ne-ben positive Erinnerungen seien ge-rade im katholisch geprägten rheini-schen Teil des Ruhrgebietes Einstel-lungen getreten, die das preußischeMilitär nur als Karikatur vermittel-ten. Sie repräsentierten zwei idealty-pische Strömungen im Katholizis-mus: Die eine war antimilitärisch,weil sie antipreußisch war; die ande-re, für die Lorenz Jäger als Beispielgelten mag, identifizierte sich mitdem preußischdeutschen Militär,weil sie auf den Kulturkampf nachseiner Beendigung seit ca. 1900 mitdem Bestreben geantwortet hattedazuzugehören, um nicht weiter Bür-ger zweiter Klasse zu sein. DieWiederbewaffnung bot nun demdeutschen Katholizismus die einma-lige Chance dazuzugehören, ohne dieals fremd empfundene preußischeTradition übernehmen zu müssen,sondern erstmalig selbst den Geistdes deutschen Militärs beeinflussenzu können.

Trotz der offiziellen Unterstüt-zung der Wiederbewaffnung durchden BDKJ seien, so die Zeitzeugen,die jungen Kapläne und die Jugendstärker gegen sie eingestellt gewe-sen. In der DPSG beispielsweise seiin Düsseldorf über die Frage desWehrbeitrages nicht gesprochenworden. Größere Unterstützung habesie bei den Sozialverbänden gefun-den, denn diese hätten sich stärkermit dem Antimarxismus identifiziert,da er ihnen durch Schulungs- undBildungsveranstaltungen vertraut ge-wesen sei. Sie seien auch stärker indie Meinung der Amtskirche einge-bunden gewesen. Doch 1950 hättedie Zeitschrift „Mann in der Zeit“eine Leserumfrage zum Wehrbeitrag

mit dem Ergebnis durchgeführt, dass92 % ihn ablehnten Zwei Jahre spä-ter habe die Zeitschrift Adenauer sobedingungslos unterstützt, dass sieals sein Sprachrohr gelten konnte.Die katholischen Sozialverbändehätten so als erste die Opposition ge-gen die Wiederbewaffnung aufgege-ben. In der DPSG-Zeitschrift sei dasThema Wiederbewaffnung erst imFebruar 1952 aufgetaucht, zwei Jah-re nachdem Churchill – im August1950 – die Beteiligung Deutschlandsan einer europäischen Armee gefor-dert und Adenauer die Notwendig-keit eine Woche später in einemamerikanischen Zeitungsinterviewanerkannt hatte.

Hans Sobek berichtete, dass imBDKJ die Frage der Wiederbewaff-nung kaum kontrovers diskutiertworden sei. Der oppositionelle Esse-ner Kreis habe in seiner Zeit als De-kanats- und Stadtjugendführer in Es-sen, 1953-1958, quantitativ keineRolle gespielt Die Schar, aus dersich der Essener Kreis teilweise rek-rutierte, sei im Führerring des BDKJnie vertreten gewesen. Das Wie derWiederaufrüstung sei wohl diskutiertworden. Dabei hätten Nebenkriegs-schauplätze eine große Rolle ge-spielt, die sich aus der Essener Kom-munalpolitik ergeben hätten. 1955,am 23. Februar, bei einer Kundge-bung des DGB in der Essener Grugaunter der Überschrift „Wiederauf-rüstung oder gewerkschaftliches Ak-tionsprogramm“ habe Theo Pirker,seinerzeit Leiter des Wirtschaftswis-senschaftlichen Instituts des Deut-schen Gewerkschaftsbundes, gespro-chen. Der BDKJ habe gemeinsammit der Evangelischen Arbeiter-jugend zu einem Boykott der Veran-staltung aufgerufen (s. Kasten gegen-über).

Das „Essener Tageblatt“ habediesen Aufruf in seiner Ausgabe vom24.02.1955 als „eine entschlosseneAntwort“ bezeichnet. Er habe sicher-lich dazu geführt, dass an der Ta-gung statt der erwarteten mehrerenTausend nur ca. 600 Personen teil-genommen hätten.

Die Essener Jesuiten, besondersPater Schröder, hätten den katholi-schen Boykott besonders gefördert.Das deute darauf hin, dass es sichauch um einen Nebenkriegsschau-platz eines anderen Konfliktfeldesder Katholiken mit dem DGB gehan-

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

delt habe. In den Tagen vorder DGB-Kundgebung habeder Führungsrat der deut-schen katholischen Jugendöffentlich erklärt, dass erprüfen lassen müsse, obangesichts der einseitigenStellungnahmen des DGBden Mitgliedern der ka-tholischen Jugend ein Ver-bleib im DGB zuzumutensei. Auch habe PaterSchröder in zeitlicher Nähezu der DGB-Veranstaltungeinen Vortrag in den Städti-schen Werken Essen zumThema „Christ und Gewerk-schaft“ gehalten und ver-sucht, eine Art christlicherBetriebskerne als Vorläuferder späteren wiedergegrün-deten Christlichen Gewerk-schaften ins Leben zu rufen.

Im BDKJ habe insge-samt die Frage der Wieder-bewaffnung keine sehr gro-ße Rolle gespielt. AndereThemen wie die Jugendpä-dagogik, die Jugendsozial-arbeit, die Betreuung derFlüchtlinge oder die auf-kommende Internationali-sierung wären auf viel mehrInteresse gestoßen. DasJahresthema „Christen inaller Welt“, zu dessen Zen-tralveranstaltung im Esse-ner Saalbau KoreanerInnen,JapanerInnen und andere geladengewesen seien, hätten die Arbeit imFührerring viel mehr beschäftigt alskonkrete politische Fragen wie dieWiederbewaffnung. Erst als sie ent-schieden war, sei Interesse an derFrage entstanden, wie sich das inne-re Gefüge der neuen Armee gestaltenwürde. Am 04.07.1955 habe Sobekan das im Juni 1955 installierte Ver-teidigungsministerium einen Briefmit der Bitte geschrieben, einen Re-ferenten für einen Führerschaftstagdes BDKJ zu stellen. Thema diesesTages, der zeitlich bewusst in dieNähe des 20. Juli gelegt worden seisei das innere Gefüge einer aufzu-bauenden Bundeswehr gewesen. Am13.07.1955 habe er Antwort vomspäteren ersten Generalinspekteurder Bundeswehr, Heusinger, be-kommen:

„Sehr geehrter Herr Sobek!Ihr an Herrn Karst gerichteter Briefvom 4.7. ist der zuständigen Stelledes Hauses zur Beantwortung über-geben worden. Zu meinem großenBedauern muss ich Ihnen mitteilen,dass die Gestellung eines Referen-ten für den 17. Juli leider nichtmöglich ist. Infolge der außeror-dentlichen Inanspruchnahme kannin diesen Wochen eine Anforderungleider nicht berücksichtigt werden,zumal die infrage kommenden Her-ren auf längere Zeit hin vergebensind. Ich bitte Sie um Verständnisfür die Situation.Hochachtungsvolli.A. Heusinger

Daraufhin setzte sich Sobek miteiner ihm aus der Jugendarbeit be-kannten Referentin der CDU/CSU-

Fraktion in Verbindung,die ihm aus der FraktionPeter Nellen für das The-ma „Inneres Gefüge – Bür-ger in Uniform“ vermittel-te. Seine Kernthese sei ge-wesen: „Verteidigt EureFreiheit nach innen undnach außen dann gibt es niewieder Kommiss“.

Die innere Ausgestal-tung der Bundeswehr habesomit, anders als ihre Grün-dung, das Interesse desBDKJ gefunden. Bis in diegesetzlichen Maßnahmenhinein habe der BDKJ aufBundes- und Landesebenemitgearbeitet.

Die Innere Führung, soin der weiteren Diskussion,sei in der Bundeswehrdurchaus nicht unumstrit-ten gewesen. So habe inden 60er-Jahren ein Gut-achten gefordert, die Inne-re Führung „fortzuschrei-ben“, was, wie jeder Insi-der gewusst habe, ihre Be-seitigung bedeutet hätte.Das von Verteidigungs-minister Schröder in Auf-trag gegebene Gutachtenhabe eindeutig gefordert,den Wehrbeauftragten ab-zuschaffen. Inzwischenhatte die Regierung ge-wechselt – zur soziallibera-len Koalition. Der neueVerte idigungsminis ter

Helmut Schmidt habe sich dem ausder SPD-Fraktion an ihn herangetra-genen Wunsch widersetzt, die fürdas Gutachten verantwortlichen Ge-neräle zu entlassen. Schmidt habedie Reformideen dann in einer Formaufgegriffen, an deren Ende dieGründung der Bundeswehruniversi-täten gestanden habe.

Die Möglichkeit der Wehrdienst-verweigerung sei in den 50er-Jahrenin katholischen Kreisen als notwen-diger Schutz des irrenden Gewissensdiskutiert woden. Ihre Beratung hät-ten anfangs Studentengemeindenund Pax Christi übernommen. DieAnnahme sei selbstverständlich ge-wesen, dass Kriegsdienstverweigererein irrendes Gewissen hätten.Dahinter habe in der deutschen Kir-che bei vielen die – falsche – Vor-stellung gestanden, das Zweite Vati-

Aufruf desBundes der Deutschen Katholischen Jugend

und des Ortsausschusses derEvangelischen Arbeiterjugend in Essen

Der Ortsausschuss Essen des Deutschen Gewerk-schaftsbundes führt am Mittwoch, dem 23. Februar1955, eine Jugendkundgebung durch, die unter demThema „Wiederaufrüstung oder gewerkschaftliches Ak-tionsprogramm“ steht. Wir rufen die uns angeschlosse-ne Jugend auf, dieser Kundgebung fernzubleiben. Nachunserer Auffassung gehört die Behandlung der Wieder-aufrüstung allein in die Zuständigkeit des vom Volke ge-wählten Parlaments. Die Gegenüberstellung von Wie-deraufrüstung und gewerkschaftlichem Aktionspro-gramm, wie sie im Thema vorgesehen ist, kann nachLage der Dinge nicht zu einer Klärung, sondern nur zuweiterer Verwirrung führen. Aus diesen Gründen for-dern wir die uns angeschlossene Jugend auf, an dieserVeranstaltung nicht teilzunehmen.

Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Essen,mit den Gliederungen:Katholische Jung-Männergemeinschaft (Stamm)Deutsche Kolpingfamilie, Bezirksverband EssenJugend der Katholischen ArbeiterbewegungChristliche Arbeiterjugend (CAJ)Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG)Bund Neudeutschland (ND)Jung-KKV, Bezirk RuhrBund der Katholischen Kaufmann-JugendDeutsche Jugendkraft (DJK)Katholische FrauenjugendStamm Christlicher ArbeiterjugendPfadfinderinnen St. Georg (PSG)Heliand-Bund der Deutschen Mädchen an HöherenSchulenDJK-FrauensportgemeinschaftAktion junges Schlesien

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

kanische Konzil habe die Kriegs-dienstverweigerung als mögliche Al-ternative gewertet. Die Beratungs-stellen sind in den meisten deut-schen Diözesen in die Jugendämterintegriert worden.

In der Bundesrepublik hättendie Pazifisten somit lange Zeit inder katholischen Kirche einenschweren Stand gehabt. Viele Dis-kussionsteilnehmer meinten, dassauch der Friedensbund DeutscherKatholiken in der Weimarer Zeitdiskriminiert worden sei, wenn manim Blick habe, wie der Kölner Kar-dinal und sein Generalvikar mitdem Generalsekretär des Friedens-bundes umgegangen sei. Der Domi-nikaner Franziskus Stratmannhabe es wohl leichter gehabt, weil erseinen Orden im Rücken gehabthabe. Nach 1945 sei aus dem Frie-densbund nur noch eine Gebets-gemeinschaft geworden, die nichtmehr politisch gedacht habe. Ausihm sei Pax Christi hervorgegangenmit dem Selbstverständnis als Ge-betsgemeinschaft. Die Versöh-

Biographische Daten zum DiskussionsberichtChurchill, Winston LeonardSpencer

1874-1965; Offizier im Buren-krieg; 1900 Eintritt in die Politik alsMitglied der Konservativen, wech-selte 1904 zu den Liberalen undkehrte 1924 zu den Konservativenzurück; bekleidete von 1906-29 ver-schiedene Regierungsämter: u.a.Handels- und Innenminister, ErsterLord der Admiralität, Kriegs- undKolonialminister und von 1924-29Schatzkanzler; in den 30er-Jahren ininnerparteiIicher Opposition; durchden Verlauf der ersten Kriegsmonateradikale Wende in der britischen Po-litik. Als Premierminister von 1940-45 verkörperte Churchill britischenWiderstandsgeist und Durchhalte-willen, legte mit Roosevelt undStalin die Neuordnung für die Nach-kriegsära fest und versuchte vergeb-lich, die aggressive Expansionspoli-tik der UdSSR einzudämmen. Nachder Wahlniederlage 1945 Oppositi-onsführer im Unterhaus; prägte imsich verschärfenden Ost-West-Konf-likt („Kalter Krieg“) den Begriff des„Eisernen Vorhangs“ inmitten Euro-

pas; 1951-55 erneut Premierminis-ter; erhielt 1953 den Nobelpreis fürLiteratur.

Frings, Joseph1887-1978; Dr. theol.; 20 Jahre

Pfarrer in Köln, 1937 Regens amPriesterseminar Bensberg; 1942 zumBischof geweiht; 1942-69 Erzbischofvon Köln, 1945-1965 Vorsitzenderder Deutschen Bischofskonferenz;1946 zum Kardinal ernannt. AlsWortführer des deutschen Katholi-zismus nahm er Einfluss auf die Poli-tik und rief bedeutende katholischeHilfswerke ins Leben: 1959 Misere-or, 1961 Adveniat. Frings war maß-geblich am Zweiten VatikanischenKonzil beteiligt, dessen Präsidium erangehörte.

Heusinger, Adolf1897-1982; Berufssoldat seit

1915; 1931 Hauptmann im General-stab, 1940 Generalleutnant und Chefder Operationsabteilung des Heeres;nach dem Attentat auf Hitler vorü-bergehend in Haft; am Widerstandwar er nicht beteiligt. Seit 1950 als

militärischer Berater Adenauers füh-rend am Aufbau der Bundeswehr be-teiligt; seit 1952 Leiter der Militäri-schen Abteilung der „DienststelleBlank“ (dem späteren Verteidigungs-ministerium); 1957 erster Generalin-spekteur der Streitkräfte; 1961-64als erster Deutscher Vorsitzender desMilitärausschusses der NATO).

Jaeger Lorenz1892-1975; 1926-39 Religions-

lehrer in Herne und Dortmund; Ob-mann der katholischen Religionsleh-rer an den Höheren Schulen Westfa-lens; Divisionspfarrer im ZweitenWeltkrieg; 1941-73 Erzbischof vonPaderborn, 1965 zum Kardinal er-nannt. Dem ökumenischen Gedan-ken verpflichtet, gründete er 1957das Johann-Adam-Möhler-Institutfür Ökumenik in Paderborn; regte inder Vorbereitungsphase des ZweitenVatikanums die Einrichtung desPäpstlichen Rates für die Förderungder Einheit der Christen an (bis1988 Sekretariat für die Einheit derChristen).

Aufstellung der Bundeswehr 1956 in Andernach. Bundeskanzler Konrad Adenauerspricht zu den ersten freiwilligen Soldaten. (Archivfoto)

nungsinitiativen seien vor allem in-ternationale Friedenswallfahrten ge-wesen. Sowohl in Deutschland wiein Frankreich habe Pax Christi seinunpolitisches Selbstbild betont.

Dementsprechend habe die Wieder-bewaffnungsdebatte bei Pax Christinicht stattgefunden. Erst in den60er-Jahren seien friedenspolitischeThemen aufgegriffen worden. ❏

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WIEDERBEWAFFNUNGSDEBATTE

Nellen, Peter1912-1969; seit 1940 Ober-

schullehrer, Soldat im Zweiten Welt-krieg 1946 Regierungsrat und Dezer-nent für Volkshochschulwesen, Ju-gendpflege und Sport im Regierungs-präsidium Münster; trat der CDU beiund war seit 1949 Mitglied des Bun-destages; 1960 wechselte er wegenwehrpolitischer Konflikte mit seinerPartei zur SPD und wurde 1965 fürdiese in den Bundestag gewählt.

Neyer, Harry*l930 in Düsseldorf; seit 1947

Mitglied der Deutschen Pfadfinder-schaft Sankt Georg (DPSG); Redak-teur; 1960-65 Chefredakteur derZeitschrift „Fährmann“ in Freiburg;1965-71 Bundesvorsitzender derDPSG, 1969-71 stellv. Bundesvor-sitzender des Bundes der DeutschenKatholischen Jugend (BDKJ); lang-jähriger Vorsitzender des BDKJ-Aus-schusses für Friedensdienste (zu-nächst Landesverteidigung); achtJahre Mitglied im Beirat für Fragender Inneren Führung beim Verteidi-gungsministerium; 1971-95 tätig beider durch die Deutsche Bischofskon-ferenz und das Zentralkomitee derdeutschen Katholiken (ZdK) getra-genen Kommission „Justitia et pax“,zuletzt als Geschäftsführer und ver-antwortlicher Redakteur der Kom-missionspublikationen; engagiert inverschiedenen Friedens- und Ent-wicklungsprojekten.

Orgass,Josef*1927 in Essen; Soldat, Ende

1945 aus russischer Kriegsgefangen-schaft entlassen; 1954-58 Landes-geschäftsführer des Kolpingwerkesin Nordrhein-Westfalen, danachDiözesanreferent des Kolpingwerkes– Diözesanverband Essen; 1963-92Diözesanreferent im Bistum Essen,Leiter der Abteilung Männer im De-zernat für pastorale Dienste (Seelsor-geamt), verantwortlich für den Öf-fentlichen Dienst und für die berufs-ethische Bildungsarbeit, Geschäfts-führer der Arbeitsgemeinschaft ka-tholischer Mannesorganisationen imBistum Essen, Vertreter des Dezer-nenten; Vorstandsmitglied der Ge-meinschaft der katholischer MännerDeutschlands; 1980-90 Mitglied der

Vollversammlung des Zentralkomi-tees deutscher Katholiken (ZdK),Mitarbeit in der Kommission 8 „Pas-torale Grundfragen“.

Papst Pius XII.1876-1958; bürgerlicher Name:

Eugenio Pacelli; trat nach seinerPriesterweihe 1899 in den Dienst derKurie; 1917-25 Nuntius für Bayern,1920-29 Nuntius für das DeutscheReich. Das Reichskonkordat (1933)und die Konkordate mit Bayern,Preußen und Baden tragen maßgeb-lich seine Handschrift; seit 1929Kardinal, seit 1930 Staatssekretärunter Papst Pius XI., seit 1939Papst; bemühte sich um Friedens-initiativen und humanitäre Hilfs-programme während des Krieges;verkündete 1950 das Dogma derHimmelfahrt Marias. Pius XII. äu-ßerte sich zu fast allen grundsätzli-chen Fragen der Kirche und der Ge-sellschaft.

Pirker, Theo1922-1995; Soziologe; Redak-

teur der katholischen Zeitschrift„Ende und Anfang“, Mitarbeit an derZeitschrift „Sozialistische Politik“;in den 60er-Jahren Lehrauftrag inDakka (Ost-Pakistan); Promotion inHeidelberg, 1972 auf den Lehrstuhlfür industriesoziologische Forschungan der Freien Universität Berlin be-rufen.

Rommerskirchen, Josef*l916 in Odenkirchen; Ausbil-

dung im Verlags- und Zeitschriften-wesen; Mitglied des Bundes Neu-deutschland (ND) und der Sturm-schar, Sekretär des Reichsobmannsdes Katholischen Jungmännerver-bandes, Albert Steiner 1937-47Reichsarbeits- und Wehrdienst,Kriegsgefangenschaft; 1947 Mitbe-gründer des Bundes der DeutschenKatholischen Jugend (BDKJ), bis1952 BDKJ-Bundesführer; 1949Mitbegründer des Deutschen Bun-desjugendringes (DBJR), bis 1952dessen Vorsitzender; seit 1952Referatsleiter der Bundeszentrale fürpolitische Bildung in Bonn, 1977-81Direktor dieser Institution; 1960-76CDU-Abgeordneter im Bundestag,Mitglied des Verteidigungsausschus-

ses; 1982-92 im Vorstand der Stif-tung Bundeskanzler Adenauer-HausRhöndorf.

Rossaint, Joseph Cornelius1902-1991; Dr. theol., Priester

des Erzbistums Köln; trat 1928 demFriedensbund Deutscher Katholikenund der Zentrumspartei bei; 1927-32Kaplan in Oberhausen, danach inDüsseldorf; engagierte sich stark inder Jugendarbeit und -seelsorge,insbesondere im katholischen Jung-männerverband, und kümmerte sichum arbeitslose Jugendliche; galt alseiner der „roten“ Kapläne im Ruhr-gebiet. Nach einer gemeinsamenFlugblattaktion mit dem Kommunis-tischen Jugendverband gegen diewiedereingeführte Wehrpflicht wur-de er 1936 verhaftet und zu elf Jah-ren Zuchthaus verurteilt. Infolgegrundsätzlicher Differenzen mit derKölner Kirchenleitung übte er nachdem Krieg sein Priesteramt nichtmehr aus, starb aber versöhnt mit derKirche; 1947 Mitbegründer der Ver-einigung der Verfolgten des Nazi-regimes, wurde 1961 ihr Vorsitzen-der, 1971 ihr Präsident.

Schmidt, Helmut*1918 in Hamburg; Diplom-

Volkswirt; 1953-62 und 1965-87 fürdie SPD Mitglied des Bundestages,während der Großen Koalition 1966-69 Vorsitzender der SPD-Bundes-tagsfraktion; 1968-83 stellv. Vorsit-zender seiner Partei. Er wandte ichin den 50er-Jahren entschieden ge-gen die atomare Bewaffnung derBundeswehr, in der er als Verteidi-gungsminister von 1969-72 Reformendurchführte; 1972-74 Wirtschafts-(für sechs Monate) und Finanz-minister; nach dem RücktrittBrandts im Mai 1974 zum Bundes-kanzler gewählt. Seine größten Her-ausforderungen waren innenpolitischdie Bekämpfung des RAF-Terroris-mus, außenpolitisch die Durchset-zung des NATO-Doppelbeschlussesangesichts der Hochrüstung derUdSSR. Nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition wurde Schmidtdurch ein konstruktives Misstrauens-votum des Bundestages am 1. Okto-ber 1982 als Bundeskanzler abge-löst.

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BLICK IN DIE GESCHICHTE

Schröder, Gerhard1910-1989; Rechtsanwalt in

Berlin, 1934 zum Dr. jur. promo-viert; Mitglied der NSDAP, wandtesich jedoch später angesichts der na-tionalsozialistischen Kirchenpolitikder „Bekennenden Kirche“ zu; 1945Mitbegründer der CDU, 1955-1978Vorsitzender des EvangelischenArbeitskreises der CDU/CSU, 1969-73 stellv. Bundesvorsitzender derUnion; 1949-1980 Mitglied des Bun-destages, leitete 16 Jahre drei wich-tige Ministerien: 1953-1961 Innen-minister, 1961-1966 Außenminister,1966-69 Verteidigungsminister inder Großen Koalition. Bei der Wahlzum Bundespräsidenten 1969 unter-lag er Gustav Heinemann; leitete1969-80 den Auswärtigen Ausschussdes Bundestages.

Schröder, P. Paul SJ1910- 1996; geboren in Watten-

scheid-Sevinghausen; Jesuit (SJ)1940 Priesterweihe in Valkenburg,Niederlande; wirkte sei 1947 in Es-sen als Männer- und Betriebsseelsor-ger und als Leiter des Betriebs-seminars; stand in inhaltlicher Op-position zu den Sozialauffassungenvon Oswald von Nell-Breuning SJ;geistlicher Begleiter der „Töchtervom Herzen Mariä“; seit 1977 Seel-sorger am St. Elisabeth-Kranken-haus in Hattingen-Niederwenigern.

Schroer, Hans* 1913 in Mülheim/Ruhr; jour-

nalistische Tätigkeit bei der „Mül-heimer Zeitung“, 1936 entlassenaufgrund seines ehrenamtlichen En-gagements als Pfarrjugend- und Be-zirks-Sturmscharführer; widmetesich fortan beruflich der Jugendar-beit und -bildung; Mitarbeit im Ju-gendhaus Düsseldorf, 1937 der erstehauptamtliche Diözesanführer derkatholischen Jugend im ErzbistumKöln; 1939-50 Soldat und Kriegsge-fangenschaft; seit 1950 Religions-lehrer an Berufsschulen; 1959-79Diözesanreferent im Bistum Essen,zuletzt Leiter der Abteilung Ehe undFamilie im Dezernat für pastoraleDienste (Seelsorgeamt). Schroer warVorsitzender der Bundesarbeitsge-meinschaft der Katholischen Fami-lienbildung und Vizepräsident des

Familienbundes der Deutschen Ka-tholiken; Mitbegründer der Zeit-schrift „Neue Gespräche“; widmetsich lokalgeschichtlichen Forschun-gen und Studien.

Sobek, Hanns* 1928 in Essen; Anfang 1945

zum Reichsarbeitsdienst eingezogen;seit 1953 Lehrer an der Volksschule(später: Grundschule); 1963-90 Rek-tor der Stiftsschule in Essen; Mitgliedder Katholischen Jungmännerge-meinschaft (später: Katholische JungeGemeinde – KJG); 1952-58 Stadt-jugendführer des Bundes der Deut-schen Katholischen Jugend (BDKJ)in Essen, 1959-62 hauptamtlicherDiözesanjugendführer des BDKJ imneu gegründeten Bistum Essen,zugleich Referent im BischöflichenJugendamt; 1959 Mitbegründer vonPax Christi im Bistum Essen; gehörteviele Jahre dem Katholikenausschussin der Stadt Essen an, 1995-98 alsVorsitzender. KommunalpolitischeTätigkeit: 1961-94 Ratsmitglied derStadt Essen für de CDU, langjährigerVorsitzender des Sportausschusses,1984-94 Bürgermeister.

Stratmann, P. Franziskus OP1883-1971; Jurastudium in Lau-

sanne; 1905 Eintritt in den Domini-kanerorden, 1912 Priesterweihe inKöln; Lehrer am ordenseigenenGymnasium in Vechta; seit 1914Studentenseelsorger in Berlin; Mitar-beit im Friedensbund der DeutschenKatholiken, wird eine der führendenPersönlichkeiten dieser Bewegung;zahlreiche Vorträge und Artikel zur

Friedensfrage, empfindet seine„Hinwendung zum Pazifismus wieeine Konversion“; 1933 von der Ge-stapo verhaftet und für mehrere Mo-nate inhaftiert; nach Rom versetzt,dort Beichtvater an Santa MariaMaggiore; geht im Herbst 1938 nachHolland und arbeitet im Komitee vonUtrecht mit, das sich um die Opferdes Nationalsozialismus sorgt. Vordem Einmarsch der deutschen Trup-pen flieht er nach Flandern und fin-det Unterschlupf im Kloster der Do-minikanerinnen in Lint; 1947 Rück-kehr nach Deutschland, lässt sich imKloster Walberberg nieder; widmetseine ganze Kraft schriftstellerischerArbeit und intensiver Predigt- undVortragstätigkeit; seit 1965 Seelsor-ger bei den Dominikanerinnen inHochdahl, Rheinland.

Théas, Pierre MarieBischof von Lourdes/Tarbes,

Frankreich; Initiator der internatio-nalen katholischen Friedensbewe-gung Pax Christi (PC). Die Idee derVersöhnung der verfeindeten Länderentstand, als Théas 1943/44 imStaatsgefängnis von Compiègne in-haftiert war, nachdem er in einerPredigt den Abtransport von Judenangeprangert hatte. Gegründet wurdePC durch einen von ihm angeregtenGebetsaufruf für den Frieden und zurVersöhnung mit Deutschland, den 40französische Bischöfe der Résistanceam 10. März 1945 unterzeichneten.Die deutsche Sektion wurde am 3.April 1948 in Kevelaer ins Leben ge-rufen. PC war in den Anfängen spiri-tuell, später auch zunehmend poli-tisch ausgerichtet. ❏

BUCHBESPRECHUNG:Jürgen Kleindienst Hrsg.: Zwischen Kai-ser und Hitler. Kindheit in Deutschland1914–1933. 47 Geschichten und Berich-te von Zeitzeugen. – Berlin: JKL Publi-kation 2002, Reihe ZEITGUT, Bd 15;345 Seiten m. vielen Abb., Chronologie,Ortsregister, geb.In der Reihe ZEITGUT erzählen Zeitzeugenihre persönliche Geschichte, die damit einenlebendigen Einblick in die faszinierendejüngste Geschichte eines ganzes Volkes ist.Das vorliegende Buch gibt einen Einblick,wie Kinder ihre Zeit erfahren, wie sie aus derFerne den Ersten Weltkrieg erleben, wie eineneue Zeit hereinbricht. Hunger, Steckrüben,Quäker-Speisung, Inflation und neues, stabi-les Geld. Es folgen Aufschwung, die goldeneZwanziger, Völkerbund und „Schwarzer Frei-

tag“, der die Weltwirtschaftskrise einläutet.Schiefertafel und Griffel sind ebenso Themader Erzählungen wie die Suche der Kindernach dem Nachrichtensprecher im Radio.Angesichts der leeren Staatskasse, einer ka-tastrophalen Versorgungslage und des wach-senden Arbeitslosenheeres fallen HitlersHeilsversprechungen auf fruchtbaren Boden.Anfang 1933 wird die erste deutsche Repub-lik abgeschafft, Deutschland wir zur Diktaturund steuert auf den nächsten Weltkrieg zu.„Ich erinnere mich noch genau an den Tag,als in den Hamburger Straßen nur noch roteFahnen mit dem Hakenkreuz zu sehen waren.Zu Hause ... hörten wir im Radio Marschmu-sik und Berichte über den neuen Reichskanz-ler. Es war der Tag nach meinem zehnten Ge-burtstag, der 30. Januar 1933.“ (PS)

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DER NAHOSTKONFLIKT

Das Drama im Heiligen Land

Der Nahostkonflikt beschäftigt die Welt mehr denn je. Wie könnenwir aus christlicher Sicht die Eskalation der Gewalt im HeiligenLand bewerten? Ein heikles Thema. Die katholische Kirche hat in

einem Fünf-Punkte-Programm ihre Forderungen an beide Konfliktpartei-en zum Ausdruck gebracht. Lässt sich die gegenwärtige Zuspitzung desKonflikts nicht als heilsgeschichtlichen Prozess der Läuterung Israels ver-stehen? Es geht um die Frage der Erwählung des Volkes Gottes, aus demder Erlöser hervorgegangen ist. Der Beitrag ist mit freundlicher Genehmi-gung der Redaktion der Monatszeitschrift „Kirche heute“, Nr. 5/Mai2002, entnommen.

ERICH MARIA FINK

teiligten abgegeben wurden. Der Is-lam hat einen Umwandlungsprozesseingeläutet. Wichtige religiöse Füh-rer haben sich nun eindeutig von al-len fundamentalistischen Gruppendistanziert, die im Namen der Religi-on Gewalt anwenden und rechtferti-gen und die Religion für ihre fragli-chen politischen Ziele missbrau-chen. Der Islam gelangt dann zu ei-nem neuen Selbstverständnis, wenner die Jahrhunderte alte Traditiondes „heiligen Krieges“ überwindetund sich in den internationalen Kon-sens der Menschen- und Völkerrech-te insbesondere im Hinblick auf dieGewissens- und Religionsfreiheit in-tegriert. Man muss der islamischenWelt Zeit für diese Neubesinnung ge-ben, darf aber auch nicht müde wer-den bei jeder Gelegenheit immerwieder neu an die allgemein gültigenPrinzipien zu appellieren. – DiesesThema soll hier nicht weiter vertieftwerden. Vielmehr richtet sich unsereAufmerksamkeit nun auf Israel, dasauf ähnliche Weise zur Entscheidunggerufen ist, wie unter anderen Vor-zeichen der weltweite Islam.

Die wachsende Kritik am Ver-halten Israels gegenüber den Palästi-nensern und an seiner Ignoranz ge-genüber den Forderungen der Völ-kerfamilie lässt immer deutlicherwerden, dass für das auserwählteVolk Israel eine geschichtliche Stun-de der Läuterung begonnen hat. Ent-weder reinigt Israel sein Selbstver-ständnis, oder es ist in seiner Exis-tenz ernsthaft bedroht. Der Umden-kungsprozess, zu dem Israel durchdie Zuspitzung der Lage gezwungen

ist, hat aus christlicher Sicht durch-aus heilsgeschichtlichen Charakter.

Im Folgenden versuchen wir unsan einen Gegenstand heranzutasten,der sehr schnell missverstanden wer-den kann. Es geht darum, die Weltvor einer neuen Welle des Antisemi-tismus zu bewahren. Das christlicheVerständnis von göttlicher Erwäh-lung kann dazu eine Hilfe bieten.

Der Anspruch Israelsauf das Heilige Land

Auf der einen Seite steht Israelmit seinem Anspruch auf das HeiligeLand. Dabei versteht Israel dieStaatsgründung nach dem ZweitenWeltkrieg nicht nur als unabdingba-re und berechtigte Antwort der inter-nationalen Staatengemeinschaft aufden Holocaust. Es beruft sich dar-über hinaus wesentlich auf die Land-verheißung Gottes, wie sie im AltenTestament formuliert ist. Dabei ha-ben sich unter den Verantwortlichenzwei Richtungen herausgebildet.

Die orthodoxen Juden deutendiese Zusage im streng religiösenSinn. Sie glauben an einen persönli-chen überzeitlichen Gott, der damalswie heute das auserwählte Volk Isra-el sein Eigen nennt. Auf dieser Liniewenden sie die Jahrtausende altenWorte Gottes unmittelbar auf denKampf gegen das palästinensischeVolk an.

Die andere Richtung begründetden besonderen Status Israels ohneRückbindung an einen überzeitli-chen und persönlich ansprechbarenGott. Sie hat eine zwar religiös moti-vierte, aber letztlich politische Ideo-logie geschaffen, die in einem ge-schichtsphilosophischen Ansatz ver-wurzelt ist. Aus dem Lauf der Ge-schichte leitet diese Ideologie dasRecht Israels auf das Heilige Landab. Es handelt sich um einen Natio-nalismus, der mit einem Rückgriffauf eine über allem stehende Ge-schichtsmächtigkeit eine in die isra-elische Seele eingewurzelte Sendungfür die übrige Welt abzulesen ver-sucht. Hier ist unter anderem der zio-nistische Ansatz anzusiedeln.

Historische Stunde für Israel

Für Israel ist eine historischeStunde angebrochen. Der Nahost-konflikt hat Dimensionen angenom-men, welche die unmittelbar betrof-fenen Parteien weit übersteigen. Dieganze Menschheitsfamilie sieht sichherausgefordert. Sowohl den Palästi-nensern als auch dem Volk Israel giltdie internationale AufmerksamkeitEs wird über die berechtigten An-sprüche beider Seiten nachgedacht,aber auch an beiden Seiten Kritik ge-übt. Und gerade die Reflexion überdie konkrete Situation im Nahen Os-ten führt zu einem tieferen Verständ-nis der allgemein gültigen Prinzipi-en, die menschliches Zusammenle-ben in Gerechtigkeit und Frieden ga-rantieren.

Die kritische Auseinanderset-zung mit den Palästinensern zwingtdie internationale Staatengemein-schaft zu einer einmütigen Verurtei-lung jeder Art des Terrorismus, ins-besondere wenn er sich auf religiösesGedankengut abstützt. Die Selbst-mordattentate sind ein durch nichtszu rechtfertigendes Phänomen, dasdie islamische Welt noch lange be-schäftigen wird. Dabei haben dieTerrorakte vom 11. September 2001zu einer echten Gewissenserfor-schung in der islamischen Welt ge-führt. Der Islam als Ganzes beginntzu verstehen, dass er sein Selbstver-ständnis als Religionsgemeinschaftläutern und neu finden muss. ErsteAnzeichen dafür sind die Erklärun-gen, die am 24. Januar beimFriedensgebet in Assisi von allen Be-

NAHER OSTEN

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74 AUFTRAG 248

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Das also durchaus verschiedenbegründete Festhalten am VorrechtIsraels auf den Besitz des HeiligenLandes ist letztlich das einzige Mo-ment das beide Richtungen im kultu-rellen Pluralismus des modernen Is-raels zusammenhält und vereint.Hervorzuheben ist gleichzeitig, dassviele Israelis einen religiös verbräm-ten Anspruch auf das ganze HeiligeLand nicht teilen. Neben fanatischenSiedlern gibt es die vielen Israelis,die nichts anderes wollen, als in Si-cherheit zu leben, und deshalb jedeBemühung um Frieden gutheißen,die zu einem gerechten und würde-vollen Zusammenleben von Israelisund Palästinensern führt.

Trotzdem verbirgt sich im An-spruch Israels auf das Heilige Landauch heute noch der biblischeErwählungsgedanke. In ihm lebt dieÜberzeugung, dass Israel ein Erbeträgt, das es vom Rest der Mensch-heit unterscheidet. Dies prägt ohneZweifel das politische Ringen imheutigen Staat Israel. Sei es dieSiedlungspolitik, sei es das Für undWider zu einem echten Friedens-prozess, sei es die Diskussion um dieHauptstadt Jerusalem, immer äußertsich dabei ein Selbstverständnis derIsraelis, das ohne Rückgriff auf diebiblische Verwurzelung und die Ein-heit von Nation, Religion und Politiknicht zu verstehen ist.

Diese Verbindung führte in denvergangenen Jahrzehnten auch zu ei-ner dezidierten Akzentsetzung in derisraelischen Armee. Weithin wurdendie israelischen Soldatinnen und Sol-daten in einem Geist gedrillt, der inder aktuellen Tötungsmaschinerieseinen Ausdruck findet. Die erschre-ckende Bereitschaft zu töten, wie wirsie heute beim israelischen Militärbeobachten, ist das Ergebnis einerlangen geistigen und gesellschafts-politischen Entwicklung. Leider hatsie bei den Verantwortlichen der in-ternationalen Organisationen bisdato wenig Kritik hervorgerufen. Wasdiese Bereitschaft betrifft, um einerideologischen Zielsetzung willen zutöten, so ist dieser Geist seinem We-sen nach jedenfalls als fundamenta-listisch zu bezeichnen. Denn offen-sichtlich geht es längst nicht mehrnur um Selbstverteidigung. Vergel-tung mischt sich mit dem Bedürfnis

nach Sicherheit, aber dem Anscheinnach ebenso mit dem politischenKalkül, den gegenwärtigen Krieg füreinen neuen Vorstoß in die palästi-nensischen Gebiete auszunützen.

Der Anspruch derVölkergemeinschaft

Auf der anderen Seite steht dieVölkerfamilie mit ihrer historischenErrungenschaft der allgemeinenMenschenrechtserklärung. Es ist of-fensichtlich, dass das Selbstver-ständnis Israels mit dem Verständnisder allgemeinen Menschenrechte inKonflikt geraten musste. Gerade dielaufende Auseinandersetzung machtden tiefen Mangel offenbar, den dieisraelische Politik seit einem halbenJahrhundert aufweist. Will Israel inder internationalen Staatengemein-schaft als Partner seinen Fortbestandsichern, so muss es sich mit einemneuen Selbstverständnis in die allge-mein gültigen Regeln der Menschen-rechte einfügen. Bisher jedoch zeigtdas Verhalten Israels den Palästinen-sern gegenüber, dass es die eigenenZiele über die Rechte des palästinen-sischen Volkes stellt. Daraus erge-ben sich echte Menschenrechtsver-letzungen, ja ein im Widerspruch zuden Menschrechten stehender politi-scher Status dieser Bevölkerung.Beides stellt letztlich die Ursache fürdie Gewaltspirale im Heiligen Landdar und kann von der internationalenStaatengemeinschaft nicht länger zu-gelassen werden.

Das christliche Verständnisder Erwählung Israels

Als Christen sind wir davonüberzeugt, dass das Volk Israel amBeginn seiner Geschichte von Gottauserwählt und berufen worden ist.Gleichzeitig glauben wir, dass Gottseinem Wort treu bleibt und die be-sondere Erwählung dieses Volkes niezurücknimmt. So gesehen stellt Israelauch heute gegenüber allen anderenVölkern etwas Besonderes dar. Dassdie Israeliten als ganzes Volk den Er-löser nicht erkannt und angenommenhaben, ändert daran nichts. Der hei-lige Paulus sieht darin den geheim-nisvollen Plan Gottes, nach dem dieFrohe Botschaft für alle Menschen

bestimmt ist und über die Grenzendes auserwählten Volkes Israel hin-ausgetragen werden muss. Für die„Endzeit“ aber erwartet Paulus fürdas Volk Israel eine neue Aufgabe.Er hat die sichere Hoffnung dass Is-rael den Herrn erkennen und ein be-sonderes Werkzeug zum endgültigenAufbau des Reiches Gottes werdenwird.

Wir brauchen uns darüber keineGedanken machen, wie und wannsich diese Verheißung erfüllen wird.Doch muss das Festhalten an derErwählung des Volkes Israel unserVerhältnis zu ihm prägen.

Als Christen verteidigen wir denbesonderen Status Israels aus einemzweifachen Grund. Zum einen möch-ten wir der göttlichen Berufung Isra-els gerecht werden, zum anderengeht es um die Kirche selbst. Denndie Erwählung des Volkes Israel istdas Fundament für die Erwählungdes neuen Gottesvolkes, der Kirche.Wie Gott seinen Plan dem Stammva-ter des auserwählten Volkes Israelgeoffenbart hat, so ist dieser Plan inJesus Christus zur Vollendung ge-langt. Gott hatte Abraham verheißen,dass durch ihn alle Völker der ErdeSegen erlangen werden. Christus istnicht um seiner selbst willen erschie-nen, sondern damit die Welt durchihn gerettet werde. In der NachfolgeChristi versteht sich in gleicher Wei-se auch die Kirche, das Volk Gottes,in dem die Erwählung Israels auf be-sondere Weise weiterlebt. Das II. Va-tikanische Konzil hat sich zum Zielgesetzt, dieses Selbstverständnis neuherauszuarbeiten. Ein Ergebnis istdie bekannte Formulierung: Die Kir-che ist „Sakrament, das heißt Zei-chen und Werkzeug für die innigsteVereinigung mit Gott wie für die Ein-heit der ganzen Menschheit“ (LG 1).Der entscheidende Gedanke dabeiist, dass die Christen nicht in ersterLinie um ihrer selbst willen berufensind, sondern dafür, dass sie in derHand Gottes ein Werkzeug bilden,durch das die ganze Welt Erlösungund Heil empfangen soll.

Die Läuterung des Selbstver-ständnisses Israels

Ist Israel bereit, einen eigenenStaat der Palästinenser mit allen in-

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ternational garantierten Rechten aufdem Gebiet des historischen Heili-gen Landes als Partner anzuerken-nen? Ist Israel bereit, die heiligenStätten als Erbe der ganzen Mensch-heit zu schützen und die damit ver-bundenen Rechte und Ansprüche derAnhänger aller drei monotheisti-schen Religionen zu achten? Dassind zwei entscheidende Fragen, diesich aus der jetzigen Situation erge-ben und die gleichzeitig die Erwar-tung der Völkergemeinschaft Israelgegenüber zum Ausdruck bringen.

Israel hätte jetzt die historischeChance, sich von einemselbstbezogenen Erwählungs-verständnis zu trennen undsich zu einem neuen Sen-dungsbewusstsein im ur-sprünglichen Sinn seiner Be-rufung hin zu entwickeln,nämlich ein Segen für alleVölker zu werden. Würdesich Israel vor den Augender ganzen Welt bereit er-klären, um der allgemeinenMenschenrechte willen, so-wohl den Palästinensern alsauch den Anhängern andererReligionen entgegenzukom-men, so würde es nichts vonseinem einzigartigen Erbeverlieren. Vielmehr würde esZeugnis dafür ablegen dassdie Menschenrechte als Er-rungenschaft der Mensch-heitsfamilie Frucht der jü-disch-christlichen Offenba-rung sind. Benötigt der heu-tige Angriff auf das Lebennicht mehr denn je dieseGrundlage, um die funda-mentalen Rechte eines jedenMenschen zu sicheren? Kann es sichIsrael, das von Gott als Werkzeugund Wegbereiter einer friedlichenKoexistenz aller Völker auf derGrundlage der Menschenrechte be-rufen worden ist, leisten, auf Dauerdurch sein eigenes Verhalten ein„Gegenzeugnis“ zu dieser für die Zu-kunft der Menschheit unentbehrli-chen Basis zu geben?

Was würde es bedeuten, wenn Is-rael ganz bewusst und entschiedendiesen Schritt vollziehen würde? DieExistenz eines eigenen Palästinen-serstaates auf dem Boden des Heili-

gen Landes wäre nicht ein Zeichender Schwäche Israels, nicht Aus-druck seines Versagens, nicht einAufgeben einer göttlichen Verhei-ßung, sondern ein bleibendes undsichtbares Zeugnis für seine Pro-existenz unter den Völkern, sein„Dasein“ für die anderen, seine Be-reitschaft, der Staatengemeinschaftzu dienen.

Es wäre auch ein Dienst am Ver-ständnis der christlichen Erwählungdie durch das Verhalten des auser-wählten Volkes Israel verdunkeltwird. Gleichzeitig würde sich Israel

selbst dem Verständnis von Erwäh-lung annähern, das Christus als Erlö-ser aller Menschen in die Welt ge-bracht hat. Ist vielleicht die gegen-wärtige weltpolitische Herausforde-rung an Israel ein Ruf Gottes, der Is-rael für eine neue Aufgabe in derMenschheitsfamilie und im ReichGottes vorbereiten und formen will?

Israel kann gestärkt aus demNahostkonflikt hervorgehen wenn esim Vertrauen auf Gott die Forderun-gen der Gerechtigkeit erfüllt, die sichaus dem derzeitigen Stand der Dingeergeben. Es wäre zugleich ein Zeug-

nis für seinen Glauben an einen per-sönlichen Gott, der den Lauf der Ge-schichte in seiner Hand hält.

Forderungen der Kirche

Im Sinn des bisher Dargelegtenhat die katholische Kirche in knap-per Form eine Stellungnahme zumNahostkonftikt vorgelegt, die in derÖffentlichkeit bislang wenig Beach-tung gefunden hat. Es handelt sichum Anforderungen in lediglich fünfSätzen (siehe Kasten). Die Kirche istdavon überzeugt, dass darin alles

Notwendige zur Lösungdes Nahostkonflikts ent-halten ist. Gleichzeitigstellt es in den Augen derKirche den einzig mög-lichen Weg aus dieserweltpolitischen Tragödiedar. Noch nie hat der Papstwährend seines Pontifikatsdie ihm zur Verfügung ste-henden politischen Hebelso eingesetzt wie in diesemFall. Nicht nur der OSZEund anderen internationa-len Einrichtungen wurdedas Fünf-Punkte-Pro-gramm übermittelt, Auchwurden die Botschafter al-ler involvierten Ländereinberufen und mit demLösungsvorschlag konfron-tiert Dabei brachte derPapst deutlich zum Aus-druck, dass jetzt kein poli-tischer oder religiöserFührer mehr schweigenoder untätig bleiben dürfeAlle Menschen guten Wil-lens sollten es als ihre

Pflicht betrachten, mit der Kirchean einem Strang zu ziehen und die-sen Forderungen Nachdruck zu ver-leihen. Es darf nicht passieren, dasssie wie eine diplomatische Margina-lie behandelt und totgeschwiegenwerden. Natürlich bieten sie keinefertige Lösung, sondern stellen Prin-zipien dar, nach denen jedes politi-sche Vorgehen zu bewerten und ein-zuordnen ist. Es gilt jede Gelegen-heit zu nutzen, um diese fünf Punktezur Sprache zu bringen und auf ak-tuelle Fragen und Ereignisse anzu-wenden. ❏

Fünf Forderungen derkatholischen Kirche zur

Beilegung des Nahostkonflikts

1. Unmissverständliche Verurteilung desTerrorismus, egal woher er kommt.

2. Missbilligung ungerechter und demüti-gender Verhältnisse die dem palästi-nensischen Volk aufgezwungen wer-den, sowie der Repressalien und derRache, welche Frustration und Hass nurnoch mehr schüren.

3. Beachtung der UNO-Resolutionen vonSeiten aller Beteiligten.

4. Verhältnismäßigkeit bei der Anwen-dung legitimer Verteidigungsmittel.

5. Pflicht der Konflikparteien, die HeiligenStätten zu schützen, die eine funda-mentale Bedeutung für alle drei mono-theistischen Religionen besitzen undein Kulturerbe der ganzen Menschheitdarstellen.

NAHER OSTEN

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

NAHER OSTEN:

Versöhnungsarbeit unter der Jugend leisten

„Unter der jungen GenerationVersöhnungsarbeit zu leis-ten – das können die

Christen durch Christi Auftrag dieVergebung zu verkünden, am bes-ten“. Dies erklärte Abt BenediktLindemann OSB der Benediktiner-abtei Hagia Maria Sion auf demJerusalemer Zionsberg im Juli gegen-über der Zeitung Die Tagespost.

Es sei zwischen Palästinensernund Israelis in der Vergangenheit soviel Leid geschehen, dass es um einAufrechnen der Gewalt nicht gehe.Die Frage, wer zuerst angefangenhabe, sei in der jetzigen Situation soüberflüssig, wie die Frage nach demHuhn und dem Ei. „Was soll es,immer nur in die Vergangenheit zuschauen? Es ist auf beiden Seiten soviel Leid geschehen“, unterstrich derOrdensobere in einem Interview zuraktuellen Lage in Jerusalem. BeideParteien versuchten die Ausländerauf ihre Seite zu ziehen und er habeoft Besucher erlebt, die entweder ra-dikal pro-palästinensisch oder pro-israelisch waren. Deswegen ärgertenihn ausländische christliche Bericht-erstatter, die nur einseitig Stellungbezögen, um sich hier oder dort be-

liebt zu machen. Dies diene nicht derVersöhnung und dem Frieden – „jadiese Haltung spaltet“, betonte AbtLindemann. Es gehe jetzt darum indie Zukunft zu blicken und zu lernen,einander zu vergeben. Besonderswichtig sei es, die Kinder und Ju-gendlichen zu unterstützen und ih-nen eine gute Erziehung und Ausbil-dung zu ermöglichen. „Ihre verletz-ten Seelen kennen nur Krieg undTerror und haben die andere Seitenur als Feind wahrgenommen“. Des-wegen sei die Versöhnungsarbeit dievornehmste Aufgabe neben dem Ge-bet um den Frieden.

Zur allgemeinen Lage äußerteder Benediktinerabt, der seit April2002 auch Mitglied im Ad-hoc-Ko-mitee für den Frieden des Lateini-schen Patriarchen von Jerusalem ist,in den letzten Wochen sei es relativruhig gewesen. Dennoch gebe esauch Terroranschläge, ohne dass siein den Medien veröffentlicht würden,wenn dabei nicht mehrere Menschengestorben seien. In Israel wolle mandamit wohl vermeiden, dass die Bür-ger noch nervöser würden, vermutetLindemann OSB. Hoffen lässt, dassderzeit auf verschiedenen Ebenen,

etwa der diplomatisch-politischen,der wirtschaftlichen aber auch dergesellschaftlichen, miteinander ge-sprochen werde über die Zeit, wennFrieden Wirklichkeit im HeiligenLand sein werde.

Im Zusammenhang mit denchristlichen Friedensappellen wür-den zum Beispiel Gebetstreffendurch die Franziskaner oder den La-teinischen Patriarchen von der Be-völkerung als moralische Unterstüt-zung empfunden.Die Menschen sei-en von der zögerlichen Haltung derUSA und der Europäischen Unionenttäuscht. Deswegen seien dieFriedensappelle von Papst JohannesPaul II. und die Anwesenheit auslän-discher Christen beispielsweise inden Ordensgemeinschaften ein nichtzu unterschätzendes Signal, dasdankbar zu Kenntnis genommen wer-de. Allerdings werde der LateinischePatriarch Michel Sabbah wegen seinerpalästinensischen Abstammung oftund bewusst missverstanden. Aberman müsse ihn ernst nehmen, wenn ersage: „Vor allem bin ich Christ undPatriarch – das ist meine erste Aufga-be – und ich bin da, um mich für denFrieden einzusetzen.“ Nach Meinungvon Abt Benedikt Lindemann wirdder Patriarch oft äußerst ungerechtund tendenziös kritisiert. (bt)

Arabischer Bericht über die menschliche Entwicklung

Die Lebenssituation der 280Millionen Menschen in den22 Mitgliedsstaaten der Ara-

bischen Liga in den letzten 20 Jahrenist in einem von den Vereinten Natio-nen in Auftrag gegebenen und vorkurzem in Kairo veröffentlichten Be-richt mit wenig hoffnungsvollen Er-gebnissen untersucht worden.

Die unabhängigen arabischenSozialwissenschaftler stellten dabeifest, dass sich die Lebenserwartungin den vergangenen drei Jahre-zehnten um 15 Jahre erhöht habe,während die Kindersterblichkeits-rate um zwei Drittel gefallen sei, wiees in der Rheinischen Post vom 3.Juli 2002 hieß. Gleichzeitig wirddamit gerechnet, dass sich bis 2022die Bevölkerungszahl auf 560 Milli-onen verdoppeln werde. 38 Prozentder Bevölkerung dieser Länder sei-

en unter 14 Jahre alt, was weit überdem Weltdurchschnitt liege.Wegender fehlenden Chancen zu Hausewolle die Hälfte aller Jugendlichenauswandern. 65 Prozent der erwach-senen Araber sind Analphabeten,davon zwei Drittel Frauen, und zehnMillionen Kinder besuchten keineSchule. Moderne Informationstech-nologie sei nur wenig verbreitet. Esgebe nur 0,6 Prozent Internet-Nut-zer und 1,2 Prozent Computer-Be-sitzer.

Es werde befürchtet, dass diewirtschaftliche Lage mit der Bevöl-kerungsentwicklung nicht mithaltenkönne. So lag das Bruttosozialpro-dukt aller Staaten der ArabischenLiga 1999 bei 531,2 Milliarden Dol-lar, während Spanien es zur gleichenZeit auf 595,9 Milliarden Dollarbrachte. Ein Fünftel der Araber müs-

se heute mit weniger als zwei Dollaram Tag auskommen. Bei einemdurchschnittlichen Wachstum von0,5 Prozent im Jahr werde sich darannicht viel ändern, stellt der Arabi-sche Bericht zur menschlichen Ent-wicklung fest. Dabei gebe es vonLand zu Land krasse Unterschiede.Nach den Kriterien der UNO liegeKuwait direkt hinter Kanada in derSpitzengruppe, wogegen Dschibutikurz über Sierra Leone das Schluss-licht bilde.

Der Wassermangel stelle einweiteres Risiko dar. So zählten 15arabische Staaten zu den 22 Län-dern, die nach den Weltbank-Kate-gorien unterhalb der Wasserarmuts-grenze vegetierten; d.h. deren Ein-wohner verfügten jährlich über weni-ger als 1000 Kubikmeter Wasser.

Fortsetzung auf Seite 77 u.

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77AUFTRAG 248

RUSSLAND:

JustizreformBisher ordneten die Staatsanwältedie Verhaftungen an. Die Rechtsan-wälte dürften jetzt bereits vor demersten Verhör ihre Klienten beraten.Die Strafrechtsreform erfordert zuden vorhandenen 160.000 weitere3.000 Richter.

Das bisher seit 1961 gültige sow-jetische Strafrecht hatte praktisch alsoberstes Ziel, die Ansprüche der dik-tatorischen Sowjetunion gegenüberden Rechten der Bürger durchzuset-

Der Europarat in Straßburg hatals Voraussetzung für dieJustizreform in Russland den

neuen Strafkodex gebilligt. Damitkonnten nach neunjähriger Verzöge-rungstaktik durch den Gesetzgeberund die Justiz in dem postkommunis-tischen Staat die Grundsätze derwestlichen Welt in der Rechtspre-chung am 1. Juli 2002 in Kraft tre-ten, wie die Rheinische Post einenTag später berichtete. StaatpräsidentPutin hatte zu seinem Amtsantritteine Neuordnung des Rechtswesensangekündigt. Damit sollten die Rech-te der Verdächtigten und Angeklag-ten gestärkt und die Staatswillkür zu-rückgedrängt werden.

Die Oberstaatanwaltschaft inMoskau rechnet damit, dass aufGrundlage des neuen Strafgesetzbu-ches die Zahl der Verfahren um 25bis 50 Prozent abnehmen werden.„Wir werden bis Ende 2002 etwa100 000 Menschen aus der Untersu-chungshaft entlassen“, versprichtJustizminister Jurij Tschajka. Damitkönnten endlich in den durchschnitt-lich zu 150 Prozent belegten Unter-suchungsgefängnissen halbwegs nor-male Bedingungen geschaffen wer-den. Die Dauer der Untersuchungs-haft werde bis auf wenige Ausnah-men auf zwei Monate beschränkt undmüsse durch Richter auf Basis be-gründeter Haftanträge der Ermitt-lungsbehörden genehmigt werden.

Auf dem Gebiet der Politik bemän-gelten die Wissenschaftler das enormeDefizit an „demokratischer und effizi-enter Regierungsführung“. Fast nir-gendwo gebe es geordnete Verfahrenüber die Wahl von Regierungen, ihreÜberwachung und Absetzung.

Der Bericht schließt mit derFeststellung, die arabische Welt seiheute vor die Wahl gestellt, ob ihreEntwicklung weiter von Trägheit ge-kennzeichnet sei und den großen He-rausforderungen durch wenig erfolg-reiche Politik begegnet werde oderob es eine Art arabischer Renais-sance gebe, in der die menschlicheEntwicklung tatkräftig angegangenwerde. (bt)

Fortsetzung von Seite 76

zen. In 99,6 Prozent der Fälle ende-ten die Prozesse mit Schuldsprüchen.

Eine weitere rechtliche Revoluti-on zielt auf die russische Verkehrs-polizei GAI. Nach dem geändertenOrdnungswidrigkeitenkatalog dürfensich die Beamten nicht mehr beste-chen lassen. Bisher konnte man sichbei angeblichen oder echten Ver-kehrsverstößen gegen ein Beste-chungsgeld von umgerechnet drei bisfünf Euro „freikaufen“. (bt)

RUSSLAND

Anti-Katholikenkampagne in Russlandstößt auf Widerstand

Grund der in der Verfassung veran-kerten Trennung von Staat und (or-thodoxer) Kirche müssten die Behör-den zum Beispiel Eingaben gegen dieErteilung von Visa für katholischeGeistliche oder gegen die Genehmi-gung katholischer Kirchbauten igno-rieren. Sie kommen de facto aller-dings vor und werden auch bearbei-tet. Die Doppelgleisigkeit der amtli-chen Einstellung erschwert die Stel-lung des katholischen Episkopats.Untergeordnete Behörden agierenohne Anweisung von „oben“ offen-sichtlich nach eigenem Gutdünken –so geschehen in diesem Jahr bei derAusweisung des italienischen Pries-ters Stefano Caprio wie des polni-schen Bischofs Jerzy Mazur vonIrkutsk.

Inzwischen hat auch die Presseeinen Brief von Intellektuellen veröf-fentlicht, die eine „organisierte Kam-pagne gegen die katholische Kirche“erkennen. Sie appellieren besorgtauch an das Ausland, für den Schutzder Religionsfreiheit in Russland ein-zutreten. Generalstaatsanwalt Wladi-mir Ustinow will alle Möglichkeitenzum Durchgreifen gegen politischenund religiösen Extremismus ausnut-zen. Für die Orthodoxie bedeutet dasZurückhaltung und Wohlverhalten.Patriarch Alexij II. signalisiertebereits ein Einschwenken auf denRegierungskurs. (KNA - ID Nr. 24 )

Bemerkenswert ist in diesemKontext das Antwortschreiben desGouverneurs für die Region Saratow,D. A. Ajazkow, auf eine Eingabe desdortigen katholischen BischofsClemens Pickel, den Katholikenwährend der orthodoxen Kundgebun-gen am 28. April Schutz zu gewäh-ren. Ajazkow teilt darin dem Bischofmit, er habe dem örtlichen Vorsitzen-den der „Russischen Volkspartei“als Veranstalter der Kundgebungklar gemacht, dass der Katholizismusim Gebiet Saratow als „traditionelleReligion“ anerkannt sei. Die „tradi-tionelle religiöse Lebensweise Russ-lands“ sei der interkonfessionelleFrieden, so der Gouverneur. Er be-tont unter Hinweis auf die Verfas-sung, dass die Behörden im Gebietvon Saratow „ihre Beziehungen zuden religiösen Vereinigungen auf derstrikten Einhaltung der Gesetze auf-bauen“. Ajazkow gehört auch derersten Parlamentskammer, dem Fö-derationsrat, an.

Offiziell wird über die „Kampag-ne gegen die Katholiken“ geschwie-gen. Mit großer Mehrheit hat es dieDuma abgelehnt, das Thema auf dieTagesordnung zu setzen. Verschiede-ne Eingaben an Präsident WladimirPutin blieben bisher ohne Reaktion.Dem Kreml ist nicht an einer Belas-tung der „konstruktiven“ Beziehun-gen zum Heiligen Stuhl gelegen. Auf

Die Kampfansage des orthodoxen Moskauer Patriarchats an diekatholische Kirche in Russland zeigt bisher nur mäßigen Erfolg. Anden Kundgebungen am orthodoxen Palmsonntag (28. April) betei-

ligten sich vergleichsweise wenige Menschen. Nicht mehr als 55.000 Per-sonen landesweit haben einen Protest gegen die „katholische Expansion“unterschrieben. Inzwischen mehren sich sogar Stimmen, die das geltendeReligionsgesetz von 1997 für verfassungswidrig halten.

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78 AUFTRAG 248

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Internationaler Strafgerichtshof in Den Haaghat am 1. Juli 2002 Arbeit aufgenommen

Ein langer Traum wird endlich wahr

George W. Bush erfährt dabei auchUnterstützung von vielen Demokra-ten. Kofi Annan versucht, diese Be-denken indes zu zerstreuen: Der Ge-richtshof wird nur in den, Fällen ein-schreiten, in denen das betroffeneLand entweder nicht in der, Lageoder nicht willens ist, eine Verfol-gung einzuleiten“. Länder mit, einemfunktionierenden Gerichtssystemhätten hingegen nichts zu befürch-ten. „Ich denke nicht, dass der Ge-richtshof Amok laufen wird“, betonteder Generalsekretär.

Damit ist die Funktionsweise desGerichtshofes umschrieben, der sei-nen Sitz in Den Haag hat, nur wenigeSchritte vom dortigen Jugoslawien-tribunal entfernt: Seine achtzehnnoch zu wählenden Richter werdennur einschreiten, wenn im Her-kunftsland des oder der Täter keine

Mehr als ein halbes Jahrhun-dert nach Ende des ZweitenWeltkrieges wird ein Wunsch-

traum der internationalen Staatenge-meinschaft wahr: Am 1. Juli 2002 istdas Statut des Internationalen Straf-gerichtshofes in Kraft getreten. Abdiesem Zeitpunkt können Kriegsver-brechen, Völkermord und Verbre-chen gegen die Menschlichkeit stär-ker als je zuvor juristisch geahndetwerden. Entsprechende Vergehen –es muss sich dabei um systematischeund verbreitete Verbrechen handeln– können ab diesem Zeitpunkt vorden ständigen Internationalen Straf-gerichtshof getragen werden – soweitsie in den Ländern begangen wur-den, die das Statut ratifiziert haben.

Das Statut konnte in Kraft treten,nachdem insgesamt bisher 66 Staa-ten bei den Vereinten Nationen ihreRatifikationen für das Römer Statutdes Internationalen Strafgerichtshofseingereicht haben. Insgesamt warensechzig Ratifikationen erforderlich.Das Statut zur Errichtung des Ge-richtshofes war 1998 am Tiber aus-gehandelt und von 120 Staaten ver-abschiedet worden. Weitere neunStaaten stimmten später zu, darunterdie Vereinigten Staaten, deren Präsi-dent Clinton es am 31. Dezember2000 unterzeichnete – dem letztenTag seiner Amtszeit. Kofi Annan, derGeneralsekretär der Vereinten Natio-nen hatte damals in Rom davon ge-sprochen, ein lang gehegter Traumwerde nun Wirklichkeit.

Allerdings wurde das Statut bis-lang nur von etwa einem Drittel derMitgliedsländer der Vereinten Natio-nen auch ratifiziert. Andere habendiesen Schritt noch nicht vollzogendarunter die Vereinigten Staaten,Russland, China, Japan, Indien, Isra-el und viele islamische Staaten. InWashington wird das Statut vomWeißen Haus blockiert, weil be-fürchtet wird, dass amerikanischeSoldaten vor den Gerichthof gestelltoder politisch motivierte Verfahrengegen die Vereinigten Staaten ge-führt werden könnten. Präsident

Die Aufnahme des Gottesbezugs in dieeuropäische Verfassung

nationalen Gerichte existieren oderdiese den Fall nicht aufgreifen wol-len. Entsprechende Verbrechen kön-nen dem Gericht entweder von ein-zelnen Regierungen, von Sicher-heitsrat der Vereinten Nationen oderaber vom Ankläger selbst zur Beur-teilung vorgelegt werden. Entschei-dend ist dabei, dass das Verbrechenin einem der am Gerichtshof – derkein Tribunal der Vereinten Natio-nen, sondern der Vertragsstaaten ist– teilnehmenden Länder begangenworden sein, muss.

Menschenrechtsorganisationenwerten das In-Kraft-Treten des Rö-mer Vertrags als Meilenstein. ... DerInternationale Strafgerichtshof hatwichtige Vorläufer: Die Verbrechenwährend des Zweiten Weltkriegesund der Nazi-Zeit wurden währendder Nürnberger Strafprozesse aufge-rollt – beziehungsweise auf japani-scher Seite auch in Tokio. Im Gegen-satz zu diesen beiden Tribunalenschließt aber das Statut des neuenGerichtshofes die Todesstrafe aus-drücklich aus.

(aus: DT/kgm Nr.45/13.04.2002)

Lehmann und Kock fordern Rol-le der Religion zu würdigen

Die Kirchen in Deutschland ha-ben die Aufnahme einesGottesbezuges und eines Be-

kenntnisses zu den religiösen Wur-zeln in die künftige europäische Ver-fassung gefordert. Zugleich verlang-ten sie in einem 28. Juni in Bonn undHannover veröffentlichten Brief dieVerankerung der Grundrechte-Char-ta in den neuen Verfassungstext. DasSchreiben des Vorsitzenden derDeutschen Bischofskonferenz, Kardi-nal Karl Lehmann, und des Vorsitzen-den des Rats der Evangelischen Kir-che in Deutschland (EKD), PräsesManfred Kock, richtet sich an diedeutschen Mitglieder des europäi-schen Konvents. Lehmann und Kockunterstreichen, die Grundrechte-

Charta trage im Grundsatz dem christ-lichen Menschenbild Rechnung.

Zudem müsse die Verfassungeine Verpflichtung der Mitgliedsstaa-ten enthalten, den Status der Kirchenund religiöser Vereinigungen nachden nationalen Rechtsvorschritten zuachten und nicht zu beeinträchtigen.Das Selbstbestimmungsrecht derKirchen müsse auch auf europäi-scher Ebene gewährleistet werden,heißt es weiter in dem Schreiben. ImVerfassungstext soll nach dem Wil-len der Kirchen ausdrücklich die„besondere Rolle und positive Be-deutung von Kirche und Religion fürdie Integration Europas“ gewürdigtwerden. Schließlich leisteten die Kir-chen einen wichtigen Beitrag zur In-tegration auch für die zukünftigenMitgliedsstaaten. Darüber hinaussprachen sich Lehmann und Kock für

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79AUFTRAG 248

FREIDENKER-VEREINIGUNGEN

Humanisten-Verband: Günstige PrognoseMehr als zehn Jahre nach der „Wende“ von 1989 haben sich nicht nurdie Hoffnungen der Kirchen auf ein Wiederaufblühen im Osten Deutsch-lands zerschlagen. Auch die traditionellen „kirchenkritischen Organisati-onen“ konnten nach Erkenntnissen der Evangelischen Zentralstelle fürWeltanschauungsfragen (EZW) davon kaum profitieren, obwohl sich dieMehrheit der Bevölkerung in den neuen Bundesländern als atheistischversteht. Eine Ausnahme macht der Humanistische Verband Deutsch-lands (HVD), wie aus einer Studie des EZW-Mitarbeiters Andreas Finckehervorgeht.

Die zumeist vor einem Jahrhun-dert gegründeten und bis zurVerfolgung im Dritten Reich

öffentlich durchaus beachteten Frei-denker-Organisationen sind „politischeinflusslos“ geworden, so die BilanzFinckes. Die bis zu 60 Gruppierun-gen zählten häufig nur wenige hun-dert Mitglieder, seien überaltert unduntereinander zerstritten. Alle kirchen-kritischen Organisationen zusammenverzeichneten derzeit nur noch weni-ger als 100.000 Anhänger. In derWeimarer Zeit seien es dagegen rund600.000 gewesen. Die Ursache desNiedergangs sieht Fincke darin, dassdie traditionellen Freidenker-Vereini-gungen weitgehend in antikirchlicherPolemik verharrten. Damit seien die„praktischen Atheisten“ in Ost-deutschland kaum ansprechbar. Siehätten oft bereits seit mehreren Ge-nerationen keinerlei – also auch kei-ne schlechten – Kontakte zu und Er-

fahrungen mit den Kirchen, schreibtFincke in seiner Broschüre „Freiden-ker – Freigeister – Freireligiöse“, diebei der EZW in Berlin (www.ezw-berlin.de) erschienen ist.

Zu einer anderen Prognosekommt Fincke, der auch Pfarrer undSektenbeauftragter der evangelischenKirchenprovinz Sachsen ist, für den1993 von Mitgliedern von Freiden-ker-Verbänden in mehreren Bundes-ländern gegründeten Humanisti-schen Verband Deutschland (HVD).Dieser Dachverband habe nach eige-nen Angaben derzeit zwar bundes-weit nur 10.000 Mitglieder. Durchseine sozialen Angebote könnte ersich jedoch zu einem „ernst zu neh-menden Konkurrenten“ für die Kir-chen entwickeln, prognostiziertFincke. Bei weitgehendem Verzichtauf plumpe Verunglimpfung von Re-ligionen strebe der HVD den Aufbaueiner kirchenähnlichen Struktur mit

öffentlich geförderten sozialen Ange-boten an. So ist der HVD in BerlinTräger von bald elf Kindertagesstät-ten und „Jugendfeiern“ in der Tradi-tion der „Jugendweihe“. Zudem bie-tet er in den Schulen einen Lebens-kundeunterricht, an dem derzeit rund30.000 Jugendliche teilnehmen.Ähnliches strebt der HVD auch inBrandenburg an. Der Status einerKörperschaft öffentlichen Rechtswurde dem Berliner HVD-Landes-verband mit Verweis auf die nachAuffassung des Verwaltungsgerichtszu geringe Mitgliederzahl von derzeit1.400 bislang aber verweigert.

Bei einer Fortführung seinesKurses könnte der HumanistischeVerband nach Einschätzung Finckeswie ähnliche Organisationen in denNiederlanden zu einem „bedeuten-den weltanschaulichen Faktor“ wer-den. Dort seien humanistische Bera-ter gleichberechtigt neben kirchli-chen Seelsorgern in Kranken-häusern, Gefängnissen und beim Mi-litär tätig. Der HVD habe vor allemdann Chancen, das von ihm erhoffte„Sammelbecken aller weltlich-huma-nistischen Kräfte“ zu werden, wenner den überwiegend kirchenfern sozi-alisierten Akademikern in den neuenBundesländern eine neue geistigeHeimat bieten könne.

(KNA - ID Nr. 14 / 03.04.02)

die Entwicklung einer sozialen Iden-tität der Europäischen Union aus.Eigenverantwortung und Solidaritätmüssten dabei „gerecht austariert“werden.

Europapolitiker von Union undSPD begrüßten die Stellungnahmeder Kirchen, warnten aber zugleichvor zu großen Erwartungen.

EU-Konvent will eigenständigeStaat-Kirchen-Regelungen

Der Vertreter der Bundesregie-rung im Konvent zur Reform der Eu-ropäischen Union (EU), Peter Glotz,sieht allerdings keine Chancen fürdie Aufnahme eines Gottesbezugs indie geplante EU-Verfassung. Nach

seiner Einschätzung ist sich das Gre-mium jedoch darin einig, dass dieEU nicht in die kirchenrechtlichenRegelungen der einzelnen Mitglieds-staaten eingreifen darf, wie Glotz am23. Juli in Berlin in einem Interviewder Katholischen Nachrichten-Agen-tur (KNA) sagte. Im Grundgesetz undin Verfassungen anderer europäi-scher Länder wird ausdrücklich aufGott Bezug genommen. Dies habendie Kirchen auch für die EU-Verfas-sung gefordert.

Glotz sagte, der Konvent wolledie bereits verabschiedete Grund-rechte-Charta nicht wieder auf dieTagesordnung setzen. In der Chartawird nur an das spirituelle und religi-öse Erbe Europas erinnert. Ihre Wie-

dervorlage würde jedoch „nur in un-fruchtbare Diskussionen“ führen, er-klärte Glotz. In Polen und Italien seidie Anrufung Gottes in der Verfas-sung zwar etwas Verständliches,Franzosen würde dies wegen derstrikten Trennung von Kirche undStaat „nie akzeptieren“. Glotz erklär-te zugleich, er werde sich für einenErhalt von Rechten der Kirchen zueigenständigen Regelungen einset-zen. Europa dürfe „da nicht hinein-pfuschen“. Darauf müsse bei derendgültigen Formulierung des Ver-fassungsvertrags genau geachtet wer-den. Die 105 Delegierten des Kon-vents wollen bis Mitte 2003 Vor-schläge zur Reform der EU vorlegen.

(PS/KNA)

FREIDENKER

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80 AUFTRAG 248

GESELLSCHAFT NAH UND FERN

POLEN:

Kritische Sowjetarmee-AusstellungJOACHIM GEORG GÖRLICH

Obwohl Polen Verbündeter derUdSSR war, benahm sich dieSowjetarmee in Polen nicht

selten genau so schlimm, wie nachder Besetzung Deutschlands. Zu die-ser Feststellung kommt in Polen einegeplante Ausstellung, die sich mitder Sowjetarmee in Polen ab 1944befasst. „’Mögen dich die Deutschenbesetzen und die Russen dichdanach befreien’, wünschte man inden Jahren 1944-45 seinen ärgstenFeinden“, schreibt dazu das postkom-munistische Magazin „Wprost“, dasvon einer „Befreiungsbesatzung“spricht. Die Sowjetarmee habe hintersich eine Spur von „Gewalt, Mord,Raub und Volksangst“ hinterlassen.Sie habe auch an der physischen Li-quidierung nationalpolnischer Ein-heiten der „Heimatarmee“ (AK) mit-gewirkt. Ja, es seien auch Juden er-schossen worden, die gerade sich ausihren Verstecken wagten,in denen siedie NS-Ära überlebt hatten.

Ganze Stadtteile seien von dersowjetischen Soldateska niederge-brannt worden, wie im schlesischenLiegnitz das kulturhistorische Zen-trum, im oberschlesischen Oppelnder kulturhistorische Ring (Markt)usw. Es gab organisierte und nichtorganisierte Horden. Wie in Deutsch-

land, so habe man in Polen Jagd aufUhren und Pretiosen gemacht. Eswurden Brücken, ganze Eisenbahn-strecken, Fabriken und E-Werke de-montiert, in die Sowjetunion abtrans-portiert. Den polnischen MenschenFahrräder konfisziert, ebenso Kunst-werke und komplette Wohnungsein-richtungen.

Schon der exilpolnische Schrift-steller Roman Orwid-Bulicz hatte inseinem Buch „Wenn morgen derKrieg beginnt“ (London, 1960) denSowjets vorgehalten dass von ihnenreihenweise polnische Mädchen undFrauen vergewaltigt wurden.„Wprost“ bestätigt dies heute undschreibt, dass es in Lodz wegen derVergewaltigung und Ermordung ei-ner Studentin zu Demonstationen derpolnischen Bevölkerung gegen dieneuen Besatzer kam.

Sehr arg war es mit der Hygienein der Sowjetarmee bestellt gewesen.In der Regel wusste ein einfacherRotarmist nicht, was er mit einemSpülklo anfangen sollte. Und wegender Vergewaltigungen stieg die Zahlder Syphiliserkrankungen unter denPolen nach 1946 rapide. Die Sowjet-armee zahlte keinen Rubel für Trans-porte auf den polnischen Staatsbah-nen. Sie besaß eigene Staatsdomä-

nen, deren vorherige deutschen oderpolnischen Besitzer enteignet wordenwaren. Ein Großteil der polnischenLebensmittelindustrie sorgte gratisnur für die Versorgung der Sowjet-armee und einige Lodzer Textilfabri-ken stellten zum Nulltarif Uniformenfür diese her. Die Kommunen warengehalten Gas, Strom und Wassergratis zu liefern.

Wie es heißt, wird in der Ausstel-lung auch darauf hingewiesen wer-den, dass zum Kriegsende Hundertevon Sowjets mit ihren Familien zuPolen umgeschult wurden,die manspäter zynisch als „Popen“ bezeich-nete. Sie atheisierten und sowjeti-sierten dann als polnische Offiziere,Generale und Admirale PolensStreitkräfte. Oder sie sorgten in derMilitärjustiz dafür, dass nichtkommu-nistisch Offiziere gesäubert, ja sogarphysisch liquidiert wurden.

Als dann zu Beginn der 90-erJahre die Sowjetarmee abzog, ließ sieeinen Schuldenberg, ganze Landstri-che verseuchter Erde und marodeGeisterstädte oder nur Stadtteile zu-rück. So habe sich kaum eine fremdeArmee in Polen benommen, vor allenDingen nicht eine verbündete.

Fazit: Nur auf Bajonetten konnteder atheistische Kommunismus nebstKirchenkampf Jahrzehnte bestrittenwerden. ❏

Polens Postkommunisten prangernDiskriminierung von Katholiken in Russland an

JOACHIM GEORG GÖRLICH

Für Polens Postkommunisten istdie Diskriminierung der katho-lischen Kirche in Russland un-

erträglich. „Der Konflikt ist zwarnicht neu, jetzt zieht aber die Ortho-doxe Kirche den russischen Staat mithinein“, kritisiert ihr Flaggschiff„Polityka“, und fügt hinzu, dass eine„neue Phase der Schikanen gegendie katholische Geistlichkeit began-nen hat.“ So sei dem GeistlichenStefano Caprio die Einreise verwahrtworden und der Bischof von Irkutzk,

Jerzy Mezur, wurde sozusagen nachPolen ausgewiesen. Hier seien „anti-westliche Parlamentskräfte“ der rus-sischen Orthodoxie zur Hilfe geeilt,um neue Strukturen zu schaffen. Dieansonsten für eine russland-freundliche Politik plädierende Illus-trierte brandmarkt, dass in Russlandgegenüber den Katholiken die „altePlatte von der Kolonisierung durchden Westen und seine V. Kolonne,der römisch-katholischen Kirche,abgespielt wird,“ gegen die man sich

wehren müsste. Und dieses „Wehren“sehe denn so aus: „Visumkonfiszie-rung und Annullierung von Aufent-haltsgenehmigungen, was katholi-sche Priester anbelangt, Stopp desKirchenbaus, Organisierung ständi-ger antikatholischer Demos, Illegali-sierung von vier katholischen Bistü-mern, und am besten alle Tätigkeitder Kirche untersagen. Den das istdas Rezept für eine Visionskatas-trophe des neuen Russlands in derWelt“. Das kenne man nur von denchinesischen Kommunisten. „Warumschweigt dazu der Kreml? Regiertdas neue Russland bereits der Vete-ran der UdSSR, Patriarch AlexyIII.?“

Für unerträglich hält diesen Zu-stand auch das zweite Flaggschiff

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„Wprost“ (Chefredakteur und Her-ausgeber ist der letzte Vize-KP-ChefPolens, Marek Król). Die Illustriertefragt, ob die Orthodoxie in Russlandwieder Staatsreligion werden soll undbrandmarkt die permanenten (orga-nisierten) Demos vor der PäpstlichenNuntiatur in Moskau. Gleichzeitigkritisiert „Wprost“ das „Finanz-imperium“ der orthodoxen Kirche inRussland, deren Vertreter sie als„Oligarchie in der Soutanne“ be-zeichnet. Die neueste Parole in Russ-land laute: „Der Katholik, DeinFeind!“ ❏

Grafiken und Schaubilder wie dieses (DER SPIEGEL) wurden inletzter Zeit mehrfach in den Medien gezeigt. Sie suggerieren einBild der „Wehrungerechtigkeit“. Die Tatsachen (Ausschöpfungeines Geburtsjahrgangs) sprechen eine andere Sprache.

Die Legende von derWehrungerechtigkeit

Wehrpflichtige (= 28 %) für dieBundeswehr und den Grundwehr-dienst verfügbar sind. Diese 117.800sind der eigentliche und einzige rich-tige Maßstab für die Frage der Wehr-gerechtigkeit. Da der Bedarf derBundeswehr (Grundwehrdienstleis-tende und für freiwillig zusätzlichenWehrdienstleistende) 101.500 Wehr-pflichtige beträgt, werden von diesen117.800 – nach Adam Riese – nuretwa 13 Prozent nicht benötigt. DerGrad der „Wehrgerechtigkeit“ liegtdamit bei 87 Prozent.

Nun ist bei diesem Modell(BMVg) die Zahl der Kriegsdienst-verweigerer nur mit 159.600 (38 Pro-zent) angesetzt. Diese Zahl ist aber -auch im Schnitt über mehrere Jahrelängst überschritten. Sie lag 2001erstmals über 180.000 (182.400, s.Grafik IAP 04/02).

Legt man bei der Modellberech-nung 180.0000 Kriegsdienstverwei-gerer zu Grunde, so ergibt sich, dassder Bedarf der Bundeswehr schonnicht mehr zu decken ist. Damit istdas Bild der „Wehrungerechtigkeit“,mit dem in der laufenden Debatteoperiert wird, endgültig ad absurdumgeführt.

Wie steht es um die

In der neuerlichen Debatte um dieFrage Wehrpflicht oder Freiwilli-genarmee stützen sich die Vertre-

ter einer Freiwilligenarmee im We-sentlichen auf zwei Hauptargumente:

Zum ersten wird auf die Aus-landseinsätze der Bundeswehr ver-wiesen, die zur Hauptaufgabe gewor-den seien und für die Wehrpflichti-gen nicht herangezogen werden kön-nen. Fazit: wir brauchen eine Frei-willigenarmee.

Zum zweiten wird behauptet,dass mittlerweile nur noch etwa 20Prozent der Wehrpflichtigen einesGeburtsjahrganges zum Wehrdienstherangezogen werden. Dies zeige,dass Wehrpflichtige eigentlich kaummehr gebraucht werden. Noch wich-tiger: Das damit erreichte Ausmaß„Wehrungerechtigkeit“ verstoße ek-latant gegen das im Grundgesetz ver-ankerte Gleichheitsgebot, das auchvom Bundesverfassungsgericht alsVerpflichtung und Messlatte betontwurde.

Auch in einem Teil der Medienwird mit dieser angeblichen „Wehr-ungerechtigkeit“ zu Gunsten der Ab-schaffung der Wehrpflicht argumen-tiert.

Ein Beispiel ist die Grafik ausdem SPIEGEL 15/2002, die zeigt,dass von 303.765 wehrdienstfähigenMännern des Geburtsjahrgangs 1980„nur“ 70.655 zum Wehrdienst her-angezogen werden. Das sind etwa 23Prozent, auf den ersten Blick ein inder Tat erschreckend geringer An-teil.

Ähnliche grafische Darstellun-gen sind in letzter Zeit auch im Fern-sehen aufgetaucht. Die genanntenZahlen sind zwar nicht falsch, siestellen aber nur eine Teilwahrheitdar. Eine genauere Darstellung derZahlen für die einzelnen Verwendun-gen eines Geburtsjahrganges führt zueinem völlig anderen Bild.

Modelljahrgang 420.000

Die durchschnittliche Jahrgangs-stärke der Geburtsjahrgänge 1983bis 1985, die derzeit zur Bundeswehreingezogen werden, liegt bei 420.000jungen Männern.

Die Grafik zeigt (nach den Zah-len des BMVg) – die Schichtung undAusschöpfung dieses Modelljahr-gangs.

Die Zahlen zeigen, dass vom Mo-delljahrgang 420.000 nur 117.800

PERSONALIA

MAG. JOACHIM GEORG GÖRLICH,Haan bei Düsseldorf, hat die Wür-de eines Ehrenbürgers der heutepolnischen Stadt Oberglogau/Glogówek sowie die Medaille „fürbesondere Verdienste um die Stadtund Großgemeinde Glogówek“ er-halten. Görlich, der als Publizistund Komponist arbeitet, ist inOberglogau geboren. Er wurde1959 wegen „staatsfeindlicher

Umtriebe“ mit seiner NS-geschä-digten Ehefrau aus Oberschlesiennach Deutschland ausgebürgert.Die EVP-Parteien im Europa-Parla-ment haben ihn wegen „besondererVerdienste um die Einigung Euro-pas, insbesondere wegen seinerVerdienste um die deutsch-polni-schen Beziehungen“, mit derEuropamedaille ausgezeichnet.

(aus: GKP-InformationenVII/VIII 2002)

WEHR(UN)GERECHTIGKEIT

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

„Dienstgerechtigkeit“?

Die Zahlen für den Modell-jahrgang 420.000 zeigen auch, dassdie weit wichtigere Frage, die nachder Dienstgerechtigkeit ist. Hierzeigt sich, dass von den 420.000 An-gehörigen eines Geburtsjahrgangsfolgende Dienste geleistet werden:• 126.000 Bundeswehr• 12.600 Polizei, BGS und Entwick-

lungshilfe• ca. 143.000 Ersatzdienst

Insgesamt leisten somit ca.293.000 junge Männer (69 Prozent)eines Geburtsjahrgangs einen der an-geführten Dienste. Diese Zahlen sindals Maßstab für die Beurteilung der„Dienstgerechtigkeit“ heranzuzie-hen.

Anders ausgedrückt, es leisten:• 126.500 (31 Prozent) junge Män-

ner Dienst bei der Bundeswehr,• 139.100 (33 Prozent) der jungen

Männer Dienst bei der Bundes-wehr, der Polizei, dem BGS oderbei der Entwicklungshilfe.

• 298.700 (71 Prozent) leistenDienst bei den genannten Instituti-onen plus beim Ersatzdienst.

Keinen Dienst leisten – aus vie-lerlei Gründen – ca. 161.000 Ange-hörige eines Geburtsjahrganges (29Prozent).

Die „Gerechtigkeitsdebatte“ mussdaher bei der Dienstgerechtigkeitallgemein und beim Ausmaß derNichtdienstleister ansetzen.

Die entscheidende Frage dabeiist, warum von rund 180.000 Kriegs-dienstverweigerern derzeit nur rund143.000 Ersatzdienst leisten, obwohl188.000 Ersatzdienstplätze zur Ver-fügung stehen.

Hohe „Wehrgerechtigkeit“dank KDV

Zu betonen ist allerdings auch,dass sich der heute sehr hohe Gradan Wehrgerechtigkeit, ebenso wieder Grad der Dienstgerechtigkeit vorallem aus der hohen Zahl der Kriegs-dienstverweigerer ergibt. Auch wennes vom Grundsatz her bedenklich istund die Wehrpflicht als Grundpflicht(gegenüber dem Ersatzdienst alsAusnahme) längst in Frage steht, diePolitik kann zufrieden sein. Sie hateinen hohen Grad an „Wehrgerech-tigkeit“ und den für unverzichtbargehaltenen Ersatzdienst als Faktorder Kostendämmung im Sozial- undGesundheitswesen. Und um die„Dienstgerechtigkeit“ insgesamt istes so bestellt, dass sie bislang nie-mand zum Problem erklärt.

Problem bei stärkerenGeburtsjahrgängen?

In der Argumentati-on gegen die Wehrpflichtwird auch darauf verwie-sen, dass bei den stärke-ren Geburtsjahrgängen,die ab 2005 zum Dienstanstehen (s. Grafik) dieSchere zwischen Jahr-gangsstärke und Bedarfder Bundeswehr sichnoch weiter öffnet unddie Lage damit – angeb-lich – vollends untragbarwird.

Auch hier ist einegenauere Betrachtung er-forderlich. Der Bedarfder Bundeswehr wirdnicht ansteigen. Wohlaber wird in etwa ent-sprechend der bisherigen

Prozentsätze - die Zahl der Nicht-wehrdienstfähigen sowie der Wehr-dienstausnahmen ansteigen. Bei denKriegsdienstverweigerern ist davonauszugehen, dass sich der prozentua-le Anteil und damit die absolute Zahlpro Jahrgang weiter erhöhen. Somuss beim zahlenmäßig stärkstenJahrgang, dem Geburtsjahrgang1988 mit einer Stärke von 453.800,mit mindestens 200.000 Kriegs-dienstverweigerern gerechnet wer-den. Dies muss den Blick auch derPolitik – vor allem auf die Frage derDienstgerechtigkeit bei den Kriegs-dienstverweigerern und damit aufAufgabenstellung, Organisation undzahlenmäßigen Umfang des Ersatz-dienstes lenken.

Für die „Wehrgerechtigkeit“entsteht auch bei dieser hohen Jahr–gangsstärke kein Problem. Im Ge-genteil: der Bedarf von ca. 90.000bis 100.000 kann bei rund 102.000verbliebenen verfügbaren Wehr-pflichtigen gerade noch gedeckt wer-den.

Der Anstieg der Jahrgangs-stärken ist aber ohnehin nur eineZwischenphase. Ab 2008 sinken dieJahrgangsstärken deutlich. Ab 2010– in nur acht Jahren – wird sich dieFrage stellen, ob und wie bei gleicheroder höherer Quote der Kriegsdienst-verweigerung der Bedarf der Bundes-wehr noch gedeckt werden kann.

Unterstellt man, dass die Bun-deswehr nicht verringert wird, dieAnteile der nicht Gemusterten undnicht Wehrdienstfähigen sowie derexterne Bedarf in der absoluten Zahletwa gleich bleiben und der Anteilder KDV moderat auf etwa 42 Pro-zent steigt, so ergibt sich, dass beimGeburtsjahrgang 1994 für die Einbe-rufung in 2012 nur noch knapp84.000 Wehrpflichtige zur Verfü-gung stehen.

Schon in der nächsten Legisla-turperiode wird dies vorbedacht wer-den müssen. Spätestens in der über-nächsten Legislaturperiode könnenkonkrete Maßnahmen zur personel-len Bedarfssicherung der Bundes-wehr erforderlich werden.

Alles in allem ergibt sich: Manmag manche Gründe für den Verzichtauf die Wehrpflicht und den Über-gang zur Freiwilligenarmee diskutie-ren, die behauptete „Wehrungerech-tigkeit“ kann als Grund nicht heran-gezogen werden. (aus: IAP 5/02)

Bedarfsdeckung bei 180.000 KDV

– Bedarf Bundeswehrca. 101.500

– Für den Grundwehrdienstverfügbar ca. 97.400

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83AUFTRAG 248

BUNDESTAGSWAHL AM 22. SEPTEMBER 2002

Wenig über WerteKNA-Analyse der Wahlprogramme der Parteien

Grundwerte sind out. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wernach solchen in den Wahlprogrammen der Parteien sucht. Ausdrückliche Passagen, gar ganze Kapitel über das, was die Par-

teien für grundsätzlich gesellschaftlich erstrebenswert halten, gibt esnicht. Das Interesse scheint gering, Rechenschaft über die Orientie-rungsmaßstäbe des konkreten politischen Handelns und Entscheidensabzulegen. Wer obendrein Visionen erwartet, befindet sich im falschenZeitalter. So bleibt dem Wähler nur, Werte und Normen zwischen denZeilen zu suchen.

Bei der SPD ist der praktischeNutzen Programm: Die Kanzler-Par-tei lädt alle Gesellschaftskräfte ein,„mit uns an der Verwirklichung un-serer pragmatischen Vision für einmodernes und gerechtes Deutsch-land mitzuwirken“. Es gehe um „so-zialen Zusammenhalt“ und eine „hu-mane Gesellschaft“. Chancengleich-heit, Gerechtigkeit und Solidaritätsind Begriffe, die sich im bewusstunideologisch und nüchtern gehalte-nen „Regierungsprogramm“ der SPDwiederholen. Traditionell sozialde-mokratische Ideen bleiben außenvor. Eine Option für eine bestimmteGesellschaftsschicht vermeidet dasProgramm. Als hohen Wert bezeich-net die SPD-Schrift stabilen Wohl-stand als Garant für soziale Sicher-heit.

Die Bündnisgrünen verwendenin ihrem Wahlprogramm an wenigenStellen das Wort „Grundwert“: DerBegriff gilt zuvorderst der Ökologie,realisiert nach dem entwicklungs-politischen Leitbild der „Nachhaltig-keit“. Grundwert Nummer zwei sindGerechtigkeit und Solidarität, wobeider kleine Koalitionspartner vor al-lem für „sozial Schwache“ Partei er-greifen will. Gerecht soll es zwischenJung und Alt, Männern und Frauensowie auf der internationalen Globa-lisierungsbühne zugehen. Ein weite-rer Wert findet sich im Programm derehemals pazifistischen Partei ver-schämt am Schluss: „Frieden fördernbleibt Kern der Politik“, heißt esnach vier Jahren Regierung undmehreren Beschlüssen zu Auslands-einsätzen der Bundeswehr.

„Deutschland braucht jetzt eineRegierung, die Werte verkörpert“,schreiben CDU und CSU am An-

fang ihres „Regierungsprogramms“ -Werte als Thema zur Abgrenzung vonRot-Grün. Dazu zähle „das christli-che Menschenbild“ und – in einemAtemzug – „die Liebe zu unseremLand“. Denn Heimat gebe Halt,menschliche Bindungen und Zusam-mengehörigkeitsgefühl.

Die Union setzt in ihrem Pro-gramm stärker als alle anderen aufGefühl und Wärme. Der Einzelnedürfe in der Massengesellschaft nichtverloren gehen, sein Glück hängevon Werten „jenseits des Euro“ ab.Scheu vor dem Begriff „Leistung“haben die Christdemokraten dabeinicht. Dieser wird als Wert gehandeltund taucht beim Thema Soziales –gerne gepaart mit dem Wort„Pflicht“ – auf.

Die FDP bleibt sich treu. Ihroberster Wert lautet Freiheit. Diewird im „Bürgerprogramm 2002“ er-läutert wie eh und je: Der Staat seinicht „Vormund“, sondern „Wäch-ter“ über die Fairness mündiger Bür-ger. Entsprechend wollen die vor ei-nigen Jahren als Besserverdiener-Partei getauften Liberalen Ort füralle sein, die sich für ihre Gemeinde,ihr Land, ihr Volk einsetzen, „stattimmer gleich nach dem Staat zu ru-fen“. Die FDP wünscht sich Men-schen mit „mehr Selbstverantwor-tung, mehr Veränderungsbereit-schaft, mehr Mut“. Unter der Katego-rie „Tugend“ firmiert hier die „klas-sische soziale Marktwirtschaft“, diedurch den „marktlichen Preismecha-nismus“ verwirklicht werden soll. ImZusammenhang mit der liberalenTradition der Freiheitsrechte werden„Toleranz und Weltoffenheit“ be-schworen.

Die Partei des Ostens definiert

sich ex negativo: Keine der übrigenParteien stehe so sehr für Politik-wechsel wie die PDS. Sie opponiertgegen Krieg, gesellschaftliche Er-starrung und soziale Kälte. Im Um-kehrschluss heißen die oberstenWerte Frieden, Gerechtigkeit, Ar-beit. Als Partner im Kampf gegen„Neoliberalismus“ und „Vorherr-schaft des Großkapitals“ fassen diedemokratischen Sozialisten die „Be-troffenen“ auf – in Gewerkschaften,Kirchen, Verbänden und Initiativen.Wünschenswert sei eine „Gesell-schaft, in der die freie Entwicklungdes Einzelnen zur Bedingung derfreien Entwicklung aller wird“.

Prüfstein Gentechnik:SPD und FDP lassen sich aus-

führlich über die notwendige Förde-rung dieser „Schlüsseltechnologie“aus. Ethische Aspekte tauchen beider FDP gar nicht auf, bei den Sozi-aldemokraten heißt es am Schlussknapp: „Forschung im Dienste derMenschen beachtet die moralischeund ethische Grenze.“ Eine ethischeDebatte sei daher begrüßenswert.Union, Bündnisgrüne und PDSwarnen dagegen ausführlich vor denethischen Gefahren der Biotechnik.Sie verweisen auf Lebensschutz,Menschenwürde, das Recht aufSelbstbestimmung der Frau, auf mo-ralische Grundwerte.

Familie und LebenspartnerschaftenIn einem sind sich alle Parteien

auffallend einig: Die Familie unddas, was bei der FDP „andere Ver-antwortungsgemeinschaften“ heißt,seien für den gesellschaftlichen Zu-sammenhalt entscheidend. Strittigbleibt dabei, welche Lebensform wel-chen Rechtsstatus haben soll. Ein-helligkeit auch beim Ehrenamt.Bürgerschaftliches Engagement er-heben alle Parteien zum hohen Wert.Übereinstimmung ebenso beim The-ma Bildung und Erziehung: Es gehenicht nur um Wissen, sondern auchum die Vermittlung „unserer Werte“an die Jugend, heißt es so oder soähnlich in dem Wahlpapieren.

(KNA - ID Nr. 29 / 17. Juli 2002)

BUNDESTAGSWAHL 22. SEPT. 2002

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

ZENTRALKOMITEE DER DEUTSCHEN KATHOLIKEN (ZDK)

Erklärung zur BundestagswahlUmfassender Katalog zu Fragen der Weltordnung, der Rechte, der Werte

Vor der Bundespressekonferenz in Berlin haben der Präsident desZentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. HansJoachim Meyer und die ZdK-Sprecherin für Politische Grundfra-

gen, Karin Kortmann MdB, am 28. Juni die politische Erklärung desZdK aus Anlass der Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag vorgestellt.

tionen weltweit sowie zwischen derjetzigen und den nachfolgenden Ge-nerationen anstreben. Die Herausfor-derung bestehe darin, zu klären, wieunter den heutigen Bedingungen einfriedliches, gerechtes, leistungsfähi-ges und menschliches Zusammenle-ben organisiert werden könne, ohnedass dadurch kommenden Generatio-nen Lasten aufgebürdet würden.

An einigen Politikfeldern führtdie ZdK-Erklärung die Grundforde-rungen aus.

FriedenspolitikFür die Friedens-, Sicherheits-

und Außenpolitik fordert das ZdKeine Politikkonzeption, die einem ge-rechten Frieden dient. Ein gerechterFriede entstehe, wo die tiefgreifen-den Ursachen des Krieges angegan-gen würden. Das Gebot der Stundesei Gewaltvorbeugung verbunden mitmehr Zugangs- und Verteilungs-gerechtigkeit. So fordert das ZdKkonkret die Einhaltung der Selbst-verpflichtung der Industrienationen,0,7 % des jährlichen Bruttosozial-produktes für Entwicklungszusam-menarbeit aufzubringen und die Rea-lisierung des Ziels, die Armut in derWelt bis zum Jahr 2015 zu halbieren,sowie die Einführung eines internati-onalen Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus setzt sich dasZdK für eine wirksame Kontrolle derKleinwaffenproduktion und des -ex-portes ein.

EuropapolitikIn der Europapolitik bekennt

sich das ZdK zur EU-Erweiterung alseiner moralischen und politischenVerpflichtung. Hierzu bedarf es nachseiner Auffassung einer Neubestim-mung des der Integration zugrunde-liegenden Gesamtkonzeptes. Die Eu-

Neuer gesellschaftlicherKonsens

Nachdrücklich warnt das ZdK indieser Erklärung vor überzogenerKritik und Erwartungshaltung an Po-litik und staatlichem Handeln. Poli-tik werde durch die Vorstellung, alleProbleme ließen sich lösen, wenn nurdie „richtige“ Politik gemacht werde,unmöglich. Geboten sei vielmehreine realistische Einschätzung derMöglichkeiten und Grenzen politi-schen Handelns. Deshalb plädiertdas Zentralkomitee für einen neuengesellschaftlichen Konsens, in demdie Aufgabenverteilung zwischenStaat, Markt, Zivilgesellschaft undder je eigenen Verantwortung für dieLebensgestaltung klar geregelt wird.

Wettstreit und Kompromiss Darüber hinaus sieht das ZdK in

Deutschland zur Zeit einen Mangelan politischem Streit um die richti-gen Ideen und eine Dominanz parti-kularer Interessen. Wo der demokra-tische Streit fehle, werde das Ge-meinwesen beschädigt, der notwen-dige Ideenwettbewerb finde nichtstatt und folglich bliebe politischeInnovation aus. Zudem hält das ZdKfest, dass die Werteordnung desGrundgesetzes einen festen Bezugs-punkt für die notwendige Findungvon Kompromissen darstelle.

Nachhaltigkeit alsethisches Kriterium

Durchgehendes ethisches Prin-zip für das politische Handeln mussnach Auffassung des ZdK das Prinzipder Nachhaltigkeit sein. NachhaltigePolitik suche eine Balance des Gan-zen und habe bei Entscheidungen dielangfristigen Folgen im Blick. Nach-haltige Politik müsse Gerechtigkeitinnerhalb der jetzt lebenden Genera-

ropäische Union, so betont das ZdK,sei nicht nur eine Wirtschafts-, son-dern vor allem eine Wertegemein-schaft. Besonders fordert das ZdKeine eigenständige europäische Si-cherheits- und Verteidigungspolitik.

Wirtschafts- und SozialpolitikNeben dem Schuldenabbau und

einer Reform des Gesundheitswesenbleibt die Arbeitsmarktpolitik für dienächsten Jahre die zentrale Heraus-forderung. Besonders weist die Er-klärung auf das Problem der Lang-zeitarbeitslosen hin. Hier wird mehrGestaltungsspielraum für die Kom-munen gefordert.

Bildung und ErziehungGute Schule hängt nach Über-

zeugung des ZdK vor allem von Men-schen ab. „Wenn Deutschland dieDefizite im Bildungsbereich ausglei-chen will, braucht es dafür mehr Per-sonal, mehr Aufwand für qualifizierteAus- und Fortbildung sowie mehrMittel für die Modernisierung vonSchule und Hochschule“, heißt esdazu wörtlich in der Erklärung.

FamilienpolitikZentrale Forderungen an die Fa-

milienpolitik richten sich insbeson-dere auf „spürbare Umverteilungender Lasten zu Gunsten von Eltern –insbesondere in der Altersversorgung...“ und eine Neuregelung des Fa-milienlastenausgleichs, „damit dieErziehung von mehreren Kindernnicht zu einem Armutsrisiko wird“.Darüber hinaus erinnert das ZdK anseine Forderung nach Schaffung vongünstigen Rahmenbedingungen fürdas gleichberechtigte Miteinanderder Eheleute als Voraussetzung undTeil einer ganzheitlichen Familien-politik. Konsequent lehnt es daheralle Überlegungen ab „ehebezogene“Leistungen zu Gunsten „familienbe-zogener“ zurückzufahren.

Zuwanderung, IntegrationIm Bereich der Zuwanderung

und Integration lenkt die ZdK-Erklä-rung den Blick in besonderer Weise

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auf die Problematik der illegal inDeutschland lebenden Ausländer.Auch ohne Aufenthaltsrecht oderDuldung müssten Menschen, die inder Illegalität leben, die ihnen zur Si-cherung eines sozialen Mindest-standards zustehenden Rechte wahr-nehmen können. Das betreffe ins-besondere den Schulbesuch der Kin-der, den Zugang zu medizinischerVersorgung und die Durchsetzungvon Lohnansprüchen.

LebensschutzBesondere Herausforderungen

sieht das ZdK beim Schutz desmenschlichen Lebens angesichts derFortschritte in der biomedizinischenForschung. Wo solche Forschung indie Rechte Dritter oder gar in das

Lebensrecht Dritter eingreift, ist sienach Auffassung des ZdK ethischnicht zu rechtfertigen. Daher sprichtes sich in seiner Erklärung gegensogenannte verbrauchende Embryo-nenforschung und gegen Klonierungmenschlicher Embryonen aus. Esfordert die Erarbeitung eines Fort-planzungsmedizingesetzes, welchesden neuen Entwicklungen Rech-nung trägt und nicht hinter dasSchutzniveau des geltenden Embry-onenschutzgesetzes zurückfällt.Darüber hinaus lehnt das ZdK we-gen der Gefahr der Selektion die Zu-lassung der Präimplantationsdiag-nostik in Deutschland ab.

Nicht zuletzt fordert es dringendpolitische Initiativen zur Vermei-dung sogenannter Spätabtreibungen.

Abschließend ruft der Text zurWahlbeteiligung auf. Der Text fasstzentrale Anliegen und Forderungender gesellschaftspolitischen Arbeitdes ZdK aus der zurückliegendenZeit zusammen. Er bietet für die Ka-tholiken in Deutschland eine Ver-gewisserung, nach welchen ethi-schen Kriterien und nach welcheninhaltlichen Gesichtspunkten die zurWahl stehenden Kandidaten in derVorwahlzeit befragt und die persönli-chen Wahlentscheidungen getroffenwerden können. Der Wortlaut der Er-klärung ist auf der Homepage desZdK unter www.zdk.de/Erklärungeneinzusehen.

(ZENIT.org 02070209)

UN-BERICHT:

Demokratie in Entwicklungsländern stärker fördernnet knapp sieben Milliarden Euroleisteten.

In den Demokratien der Indus-trieländer engagieren sich die Men-schen laut UNDP politisch mittler-weile lieber in NRO als in Parteien.So hätten die etablierten politischenParteien in Frankreich, Norwegen,Italien und den USA nur noch halb soviele Mitglieder wie vor 20 Jahren.

Um die Entwicklungsziele vomNew Yorker Millenniumsgipfel zu er-reichen, muss laut UNDP die staatli-che Entwicklungshilfe von durch-schnittlich 0,25 Prozent des Brutto-sozialprodukts der jeweiligen Indus-trieländer verdoppelt werden. ImJahr 2000 hatten 146 Staaten be-schlossen, die Zahl der weltweit 800Millionen Hungernden bis 2015 zuhalbieren. Beim derzeitigen Tempowäre der Hunger auf der Welt erst in130 Jahren besiegt, heißt es imEntwicklungsbericht. Darin wird ge-fordert, den armen Ländern freienMarktzugang zu gewähren und ihnenihre Schulden zu erlassen.

Sierra Leone ärmstes LandSpitzenreiter in der UN-Welt-

rangliste für menschliche Entwick-lung (HDI) ist wie auch im vergange-nen Jahr Norwegen, gefolgt von

Die Demokratie ist weltweit aufdem Vormarsch. Das geht ausdem am 23. Juli 2002 in Bonn

vorgestellten UN-Bericht über diemenschliche Entwicklung 2002 her-vor. Mittlerweile würden in 140 derweltweit knapp 200 Länder Wahlenmit mehreren Parteien durchgeführt,heißt es in der Studie. Davon seienallerdings nur 82 Staaten wirklichdemokratisch. In 106 Ländern wer-den laut UN-Entwicklungsprogramm(UNDP) nach wie vor bürgerlicheund politische Freiheiten einge-schränkt. Dabei sei die Demokratiefür die Entwicklung eines Landesgenauso wichtig wie Gesundheit, Bil-dung und Einkommen.

Eine größere Teilnahme der Be-völkerung an politischen Entschei-dungsprozessen wie in der weltweitgrößten Demokratie Indien kann demBericht zufolge Hungersnöte verhin-dern. Darum müsse die Förderungvon „democratic governance“ zentra-les Anliegen von Entwicklungspolitikwerden. Laut Studie kommt Nicht-regierungsorganisationen (NRO) eineSchlüsselrolle in der Demokratieför-derung in Dritt-Welt-Ländern zu. Sogab es im Jahr 2000 rund 37.000NRO auf der Welt, die Entwick-lungshilfe im Umfang von umgerech-

Schweden, Kanada und Belgien. DerIndex erfasst die Lebenserwartung,Einschulungs-, Alphabetisierungs-und Einkommensrate von in diesemJahr 173 Ländern. Die USA undDeutschland behielten mit Platz 6und Platz 17 ihre Einstufungen vomVorjahr. Alle 24 Länder, die im Be-richt am schlechtesten abschneiden,liegen in Afrika südlich der Sahara.Den letzten Platz belegt wie 2001 Si-erra Leone.

Die Studie verzeichnet für die90-er Jahre einen Anstieg der Zahlder Bürgerkriege im Vergleich zuKriegen zwischen Staaten. 220.000Menschen starben bei zwischenstaat-lichen Konflikten im Vergleich zu3,6 Millionen bei innerstaatlichenUnruhen. Zudem wuchs die Zahl derFlüchtlinge und Binnenvertriebenenum die Hälfte. UNDP kritisiert, dassimmer öfter nationale Streitkräfte ininnerstaatliche Konflikte eingriffen.Die Organisation fordert eine strikteTrennung von Polizei und Militär,damit Zivilpersonen Menschen-rechtsverletzungen durch Regierun-gen ahnden könnten. Den Angabenzufolge töteten im Verlauf des 20.Jahrhunderts Regierungen 170 Milli-onen ihrer Bürger. Das seien weitmehr, als bei Kriegen zwischen Staa-ten gestorben seien. (KNA)

BUNDESTAGSWAHL 22. SEPT. 2002

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

„Geht zu allen Völkern“ – Der Auftrag der Kirche in der globalisierten Welt“Jubiläumskongress „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“

HEINRICH DORNDORF

sierten Welt“. „Wie können wir heu-te Salz der Erde sein, in unserer Kir-che, wo doch der Anteil der Katholi-ken in Deutschland nur noch 34%beträgt?“, war seine Frage. Multi-re-ligiös und multi-kulturell als kleins-ter gemeinsamer Nenner? – Nur anein höheres Wesen zu glauben sei zuwenig, denn dies wäre Selbsttäu-schung und Verleugnung unseresGlaubens. So empfiehlt der Bischof(besonders jungen Leuten) das LukasEvangelium zu lesen. Hier fänden wirdas Fundament unseres Lebens. Daschristliche Menschenbild sei in derGenesis Lesung zu finden: Gott schufden Menschen als Mann und Frau,als sein Ebenbild. Diese Aussage ste-he im Gegensatz zu anderen Kultu-ren.

Spannungen zwischenIslam und Christentum

Die Rede von Bischof Mixa zogsich wie ein roter Faden durch dengesamten Kongress. Immer wiederwurden die Differenzen gerade zwi-schen Christentum und Islam deut-lich. Der Dialog mit dem Islam müsseehrlich sein und zur Wahrhaftigkeitführen. Voraussetzung allerdingsnach Prof. Dr. Andreas Laun, Weih-bischof von Salzburg,: „Ich möchteFragen stellen und ehrliche Antwor-

ten haben. Wenn es möglich ist inRom eine Moschee zu bauen, solltees möglich sein eine Kirche in Mek-ka zu bauen“.

Ein besonderes Problem ist dasder Christen im Heiligen Land. Sieleiden besonders im Konflikt zwi-schen Palästinensern und Juden. DerBerater des Päpstlichen Rates fürden Interreligiösen Dialog Prof. Dr.Ghaleb Bader – in Jordanien gebo-ren, Priester des Lateinischen Patri-archats von Jerusalem, lehrt heuteRechtswissenschaften an der Univer-sität Bethlehem – fand keine Ant-wort, wie der Konflikt zu lösen sei.Nur der Friede sei dazu in der Lage,aber wie?. Lebten im 19.Jh. noch65.000 Christen in Jerusalem, so sei-en es heute nur noch 5.000-6.000bei abnehmende Tendenz. Da Chris-ten keine Zukunft sähen, wandertensie aus.

In der weiteren Diskussion wur-de deutlich, dass es sehr unter-schiedliche Auffassungen, im Hin-blick auf Demokratie in islamischenStaaten gibt, denn eigentlich sei derIslam mit der Demokratie nicht ver-einbar. 50 % des islamischen Volkes(Frauen) seien von der Mitwirkungausgeschlossen. „So ist auch nachAuffassung des Islams Gott der Ein-same, der Herr der Schöpfung, derGesetzgeber und Richter“, so derBenediktinerpater Anselm Günthör.Werde z.B. in Saudi-Arabien fürChristen keine Religionsfreiheit ge-währt, so gebe es in Jordanien dreiChristen mit Ministerposten in derRegierung und im Parlament neunchristliche von 81 Abgeordneten.

„Kirche in Not“ ist in erster Li-nie pastoral tätig, gibt aber auchpraktische Hilfen. So gibt es finanzi-elle Unterstützung für koptische

Vor 50 Jahren hatte PaterWerenfried van Straaten, be-kannt unter dem Namen

„Speckpater“, zum ersten Mal einenKongress veranstaltet, um mit Vertre-tern aus vielen Ländern die Lage derverfolgten Kirche in Osteuropa zuberaten. Es ging vor allem darum,wie dieses katholische Hilfswerk, das1947 von ihm gegründet worden warund heute in 16 Ländern mit nationa-len Sekreteriaten vertreten ist, weiterwirken kann. Am diesjährigen Jubi-läumskongress vom 28. bis 30. Juninahmen für die Gemeinschaft Katho-lischer Soldaten der Bundesvor-sitzende Oberst Karl-Jürgen Kleinund Hptm a.D. Heinrich Dorndorfteil

„‘Geht zu allen Völkern’ – DerAuftrag der Kirche in der globali-sierten Welt“, so lautete das Themadieses Kongresses, ausgehend vomPfingstthema. In den Grussworten –u.a. von Kardinal Karl Ratzinger,Kardinal Karl Lehmann und demhessischen MinisterpräsidentenRoland Koch – kam immer wiederzum Ausdruck, dass dieses Hilfswerkheute wie damals notwendig sei.

Der Eichstätter Diözesanbischofund Militärbischof Dr. Walter Mixahielt einen beachtenswerten Er-öffnungsvortrag zum Thema: „Salzder Erde – die Kirche in der globali-

Der Vorsitzende der deutsche Sektiondes internationalen katholischen Hilfs-werks Kirche in Not/Ostpriesterhilfe,Hans Graf Huyn im Gespräch mit demBundesvorsitzenden der GKS, OberstKarl-Jürgen Klein (r.) und dem Verfasserdes Beitrags, Hptm a.D. Heinrich Dorn-dorf (l.). (Foto Th. Pinzka)

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Christen in Ägypten, Nahrungsmittelund Medikamente für Kriegs-flüchtlinge im Sudan. Mit Unterstüt-zung von „Kirche in Not“ hat PaterHans Stapel OFM ein Projekt fürDrogenabhängige in Brasilien aufge-baut, Jazenda da Esperanca“ (Bau-ernhöfe der Hoffnung). Auf diesenBauernhöfen leben ca. 800 Jugendli-che, die dort praktische Lebenshilfeerhalten, um später ein Leben ohneDrogen, ohne Alkohol meistem zukönnen. Wichtig dabei ist Zusam-menarbeit mit den Eltern. Die Er-folgsquote ist hoch, denn ca. 87 %schaffen den Ausstieg. Das Projektmacht Schule. Es liegen Anfragenaus Russland und den Philippinenvor. – In Deutschland wurde 1998die Fazenda Gut Neuhof als Pilotpro-jekt anerkannt. In Markee bei Nauenist das Zentrum für Jungen und jungeMänner, in Riewend zwischen Nauenund Brandenburg liegt das Zentrumfür Mädchen und junge Frauen.

Weltweite Verfolgungvon Christen

Die weltweite Verfolgung vonChristen war ein weiterer Punkt derTagung. Der Vorsitzende der Interna-tionalen Gesellschaft für Menschen-rechte, Karl Hafen, berichtete überVerfolgung, Bedrängung bis hin zurHinrichtung von Konvertiten in Sau-di-Arabien, die sogar von Familien-mitgliedern vorgenommen würden.Er wies auch auf die Radikalisierungder Weltreligionen hin, es sei z.B.auf den Molukken geplant „christen-freie Zonen“ zu schaffen.

Der polnische China-Experte,Prof. Roman Malek, betonte, dass dieVerfolgung in China in den letzten 30Jahren zwar abgenommen, jedoch inden letzten 5-6 Jahren wieder zuge-nommen habe. Als Folge der Ein-kindfamilie lebten ca. 100 MillionenMenschen in China, ohne registriertzu sein. Kinder würden ausgesetzt,Frauen vom Süden zum Norden ent-führt, dies sei die weitaus größereVerfolgung. Die katholische Kirchehabe in China eine gewisse Eigen-

dynamik entwickelt. Priester würden,von Ausnahmen abgesehen, kaumverfolgt, und wenn, mit dem Ziel siezur „offiziellen staatlichen Kirche“zu zwingen, z.B.mit Hilfe von Prosti-tuierten, die in die Gefängnisse ein-geschleust würden, um einen Priesterzu verführen, und ihn dann zu dis-kreditieren, wenn er ihr „Angebot“ablehne.

Bischof Joseph Werth SJ, Bi-schof von Novosibirsk, berichtete vonden Problemen der katholischen Kir-che mit der Orthodoxie. Nach elf Jah-ren der Freiheit setze eine neue Wel-le der Verfolgung ein. Der Staat un-terstütze die Orthodoxie gegen diekatholische Kirche, wenn auch dasVolk, die Basis, anders reagiere.Nach der Erklärung der Administra-turen Novosibirsk und Irkutsk zu Di-özesen durch den Vatikan, kam es zu

Protesten gegen die Katholiken, soauch die Ausweisung des Bischofsvon Irkutsk, Jerzy Mazur; dies be-deute, dass Ostsibirien faktisch ohneBischof ist. Sollte es keine Änderung,bzw. eine weitere Verschlechterungseitens der Orthodoxie geben, so er-warte Deutschland eine neue Aus-reisewelle.

Der Kongress wurde mit derEucharistiefeier beendet, an derauch der erkrankte Gründer desHilfswerks, Pater Werenfried vanStraaten, als Konzelebrant mitwirkte.Mit seinem alten „Sammlerhut“ führ-te er am Schluss des Gottesdienstesdie Kollekte durch. Mit einem Wortvon Pater Werenfried soll dieser Be-richt enden: „Die Geschichte vonKirche in Not/Ostpriesterhilfe be-weist, dass der Glaube auch heutenoch Berge versetzen kann“.

Der Gründer des Hilfswerkes, der nie-derländische PrämonstratenserpaterWerenfried van Straaten, und Hans-Pe-ter Röthling, Präsident des internat.kath. Hilfswerks KINOPH.

(Foto H. Dorndorf)

Großer Spendenzuwachs bei „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“schäftsführer der deutschen Sektiondes Werkes, Klaus Wundlechner, be-kannt.

Das Werk päpstlichen Rechtsunterstützt die katholische Kirchenach eigenen Angaben in mehr als130 Ländern bei der Erfüllung ihrerseelsorgerischen Aufgaben. Schwer-punkte der Hilfe sind die Länder, indenen die Kirche bedroht oder ver-folgt wird, außerdem die Staaten Ost-mittel- und Osteuropas, in denen diekirchliche Infrastruktur nach derWende neu aufgebaut werden muss.

(KINOPH)

„Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“hat im Jahr 2001 das höchste

Spendenaufkommen in seiner Ge-schichte erzielt. Das hatte die deut-sche Sektion des Werkes im April2002 mitgeteilt. Mit 79,15 MillionenEuro lag der Spendeneingang dem-nach um etwa 18,8 Prozent höher alsein Jahr zuvor. Auch in Deutschlandkonnte das Hilfswerk den Angabenzufolge eine um 6,2 Prozent auf jetztfast 12,7 Millionen Euro gestiegeneSpendensumme verbuchen. Zu die-sem Ergebnis hätten etwa 65.000Spender beigetragen, gab der Ge-

KIRCHE IN GLOBALISIERTER WELT

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

MENSCHENRECHTE:

Situation der Religionsfreiheit in der Weltetwas verbessert

“Kirche in Not“ liefert die Daten

Im Allgemeinen ist weltweit eine Verbesserung im Dialog und der Sensi-bilität für die Achtung und Toleranz der Religion festzustellen. Dennochgibt es Länder, in denen die Intoleranz vorherrscht. Das geht aus dem

Bericht 2002 von „Kirche in Not“ hervor, der Ende Juni 2002 in Rom ein-gereicht worden ist.

es praktisch unmöglich, neue Kir-chen zu bauen.

„Kommunistischer“ BereichIn China, Vietnam, Nordkorea

und angeblich auch in Kuba, denletzten schal gewordenen Bollwerkendes Kommunismus, wird der Kult un-ter strengsten Kontrollen vom Staattoleriert, der dennoch nicht selten insehr prekären Entscheidungsan-gelegenheiten interveniert wie zumBeispiel bei Ernennung von Bischö-fen oder bezüglich der Aufnahmenvon Seminaristen. Diskriminiert wer-den hier in politischer und sozialerHinsicht durch die alles beherr-schende kommunistische Partei alle,die sich zu einer nicht vom Staat kon-trollierten Religion bekennen wiezum Beispiel zur katholischen Kir-che.

Buddhistisch-HinduistischerBereich

Die Ausbreitung religiösen Fana-tismus in Ländern wie Indien, SriLanka und Nepal erschwert den reli-giösen Minderheiten das gesell-schaftliche Zusammenleben. Gewalt-

In Ländern wie dem Sudan oderJemen kann der Übertritt zum Katho-lizismus das Leben kosten. In Län-dern wie China und Vietnam wird dieMissionstätigkeit der Kirche strengkontrolliert und im Falle derGesetzesmissachtung mit hartenStrafen geahndet. In Indien und In-donesien verhindern islamistischeTerrororganisationen das Bekenntnisdes eigenen Glaubens, und in Russ-land und der Ukraine wird in admi-nistrativer Hinsicht nichtorthodoxenchristlichen Konfessionen das Lebenerheblich erschwert. Auch zu Beginndes dritten Jahrtausends ist die Reli-gionsfreiheit in der Welt immer nochmit vielen Fragezeichen und Schat-tenseiten behaftet: Verfolgungen,Massaker und Unterdrückung sindleider immer noch an der Tagesord-nung und widersetzen sich diesemGrundrecht des Menschen. Der Be-richt führt fünf Kategorien der Län-der mit Einschränkung der Religi-onsfreiheit an, in denen in unter-schiedlicher Form und Intensität diereligiöse Freiheit eingeschränktwird.

Islamischer BereichExtremfälle wie der Sudan, Je-

men und Saudi-Arabien sind unver-ändert geblieben, wo außer dem Is-lam jegliches andere Bekenntnis undnichtislamischer Kult strengstensverboten sind. Wer nicht dazu ge-hört, (die nichtislamischen Gastar-beiter) ist ein Mensch zweiter Klasseund darf nicht einmal auf islami-schem Territorium (dort) bestattetwerden. Proselytismus ist strengstensuntersagt, selbst den angesehenennichtislamischen Religionsgemein-schaften im Iran. Aber selbst inÄgypten, wo offiziell keine Ein-schränkungen auferlegt werden, ist

akte von Extremisten auf Minderhei-ten nehmen zu und der öffentlicheKult wird mehr und mehr einge-schränkt.

Bereich Örtlicher Konflikte

Bürgerkrieg in Ländern wie Ko-lumbien, Sudan oder Ruanda heißtnicht selten auch Anschläge auf Mis-sionare oder gar Massaker an Mit-gliedern verschiedener Religionsge-meinschaften.

Bereich der politisch-sozialenEinschränkungen

Freie Kultausübung wird in etli-chen Ländern der Erde nicht seltendurch administrative Einschränkungbehindert, wobei hier oft die traditio-nellen Großreligionen oder Konfessi-onen des jeweiligen Landes am Wer-ke sind und Druck auf die Regierun-gen ausüben wie in Russland, derUkraine oder ehemaligen islami-schen Sowjetrepubliken, aber auchin sogenannten „laizistischen“ isla-mischen Nationen wie der Türkeiund dem Irak. Insgesamt jedoch lässtsich eine geringfügige Verbesserungder Lage feststellen. Prof. LucaDiotallevi von der Universität Romwies auf vier positive Anzeichen hin:Zunahme der Länder, in denen Ge-setze zum Schutz der religiösen Viel-falt eingeführt werden, Zunahme derBekehrungen, größerer Pluralismusinnerhalb der Religionen und höhereSensibilität und mehr Beziehungender Religionen für- und untereinan-der. (ZENIT.org)

LESERBRIEF:...Im Urlaub denke ich an Sie und den AUFTRAG! Die Nr. 247 habe ichdabei. Ich freue mich über jede neue Nr. des AUFTRAG. Sie machenIhre Sache großartig wie ein Profi! AUFTRAG schafft und hält imGrunde die einzige Verbindung zu Bundeswehr und Militärseelsorge!Ich möchte AUFTRAG nicht missen und sage Ihnen Dank für die Zu-sendung. Ihnen weiterhin Erfolg und Freude bei der Redaktion vonAUFTRAG.Alles Gute und freundliche Grüße

P. Reinhold Porten,Oblatenkloster

Maria Engelport,56251 Treis-Karden

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Die neue UkraineDas Laienapostolat als Transformator zur Wiederbelebung christlicher

Traditionen in Armee und Gesellschaft

REINHARD KLOSS

In diesem Spannungsfeld bewe-gend, hat sich der „St. WolodymyrFonds“, eine griechisch-katholischeLaienorganisation, zum Ziel gesetzt,mit Unterstützung der Kirche, denTransformationsprozess in eine de-mokratische Zukunft zu forcieren.

Der St. Wolodymyr Fonds isteine Einrichtung, die Impulse fürden Dialog zwischen Kirche undStaat geben will. Neben Aufgabender Familienförderung veranstalteteder Fonds so bereits zum 4. Mal seineinternationale Konferenz „Christ undPolitik“.

Bereits die ersten drei Veranstal-tungen „Christ und gesellschaftlicheOrganisationen“, „Christ und politi-sche Parteien“ und „Christ undStaatsorgane“ fanden große Resonanzbei höchsten Würdenträgern und derPresse. So war es keine Überra-

schung, dass auch beim diesjährigenThema, „Die Würde des Menschen inUniform“ der Andrang groß war.

In Zusammenarbeit mit derLemberger theologischen Akademie,dem Innenministerium und demMilitärgymnasium erstreckten sichthemenbezogene Veranstaltungenüber acht Monate. Sie beinhaltetenVorlesungen an Schulen und Univer-sitäten und endeten mit einer 3-tägigen Konferenz in Lviv (Lemberg),die unter Beteiligung von Vertreternaus den USA, Österreich, Kroatienund der Bundesrepublik Deutsch-land durchgeführt wurde.

Die Arbeit im Verlauf der Konfe-renz zeichnete sich durch eine großeOffenheit aus, in der über alles ge-sprochen wurde. Bereits in seinemGrußwort stellte der ukrainischeMilitärbischof, Bischof von Ssokal,Mychajil Koltun, die derzeit im Lan-de herrschenden Probleme deutlichheraus.

Obwohl ein Militärseelsorgever-trag existiert, wird er in der Praxis ig-noriert. Ein Problem zwischen Theo-

Das Land im Südwesten Ost-europas, mit über 50 Millio-nen Einwohnern, erklärte sich

1991 unabhängig und wurde Grün-dungsmitglied der GUS. In der Reali-tät befindet sich das Land immernoch auf dem Weg in die demokrati-sche Unabhängigkeit. Dieser Weg istgekennzeichnet durch den Konfliktzwischen der neuen Demokratiebe-wegung und der alten Nomenklatura,die teilweise immer noch Schlüssel-stellen des Staates besetzt und des-sen Entwicklung damit maßgeblichmit beeinflusst.

Die Bevölkerung, die zu ca.72 % aus Ukrainern und 21 % ausRussen besteht, lebt derzeit im Span-nungsfeld der Kulturen, welche denOsten und den Westen teilt und istgeprägt von der Jahrzehnte dauern-den Sowjetherrschaft.

Christ, Politik und Staatsgewalt

„Die Würde der Person in Uniform“ hatte sicheine Konferenz zum Thema gestellt, dievom 5. – 7. Juni 2002 in Lviv/Ukraine

(ehem. Lemberg) stattfand. Es war die vierte inner-halb einer Reihe von internationalen Konferenzen zurThemenreihe „Christ und Politik“, die im Liver Institutfür Innere Angelegenheiten und in den Räumen derLviver Theologischen Akademie stattfand. Teilnehmerwaren Offiziere der ukrainischen Streitkräfte und derPolizei, Professoren, Dozenten und Studenten staatli-cher Akademien, Abgeordnete des Obersten Rates,Kirchenvertreter und Mitglieder der InternationalenKatholischen Männerbewegung UNUM OMNES, anihrer Spitze der Präsident Heinz-Josef Nüchel, derzugleich Präsident der Gemeinschaft der katholischerMänner Deutschlands ist.Nachdem in den vorausgegangenen Jahren das Ver-hältnis bzw. die Beziehungen der Kirche (vorwiegendder Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche) zurGesellschaft (1999), zu den politischen Parteien(2000) und zu staatlichen Organen (2002) untersuchtworden waren, stand diesmal das Verhältnis der Kir-che zu den Uniformträgern (Polizei und Militär) imMittelpunkt.Über UNUM OMNES hatten die ukrainischen Organi-

satoren aus Deutschland eingeladen– den ehemaligen Leitenden Polizeiseelsorger,

Prälat Siegfried Schindele, Augsburg– als Vertreter der Gemeinschaft Katholischer

Soldaten, Oberstleutnant i.G. Reinhard Kloss,Vorsitzender des Internat. Sachausschusses (IS).

Zum Abschluss der Beratungen wurde in einer Resolu-tion die Notwendigkeit festgestellt, die Kirche an derLösung folgender Fragen zu beteiligen:• Fragen zum Bild, zum Selbstverständnis und zur

Würde der Soldaten und Polizisten, zur Erfüllungihrer Dienspflichten und über ihren Status in derukrainischen Gesellschaft;

• Fragen zur seelsorglichen Betreuung von Militärund Polizei;

• Vorbereitung eines Gesetzes zur Einführung einerMilitär- und Polizeiseelsorge.

Die diesjährige Konferenz wird, wie es im Protokollheißt, „als erster Schritt auf dem Weg einer Wiederge-burt der christlichen Tradition für die ukrainische Ar-mee im neuen demokratischen Staat unter Berück-sichtigung der aktuellen Bedingungen und der Erfah-rungen der ausländischen Gäste“ betrachtet. GKS-Mitglied Reinhard Kloss gibt im Folgenden seine Ein-drücke wieder. (PS)

KIRCHE UND STAATSGEWALT

UKRAINE:

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

rie und Praxis, welches sich auch inanderen Bereichen durch den gesam-ten Alltag des Staates hinzieht.

Die Vergangenheit ist noch zupräsent. Der Bürger merkt es daran,dass z.B. noch häufig, für neue De-mokratien zu häufig, die russischeSprache gesprochen wird und be-wusst auf die eigene Sprache, dasUkrainisch, verzichtet wird.

Der Militärgeistliche merkt esdaran, dass es ihm nicht gelingt, denSoldaten als einen Menschen zu ver-mitteln, der seine Pflicht ausübt. DerSoldat wird immer noch als Instru-ment eines Machtapparates gesehen,der als Staat im Staate neben der Be-völkerung steht und dem deshalb,aus Sicht der Bevölkerung, auch heu-te nicht alle Rechte, die der„Normalbürger“ besitzt, zugestandenwerden müssen.

Die Kirche, die gerne Vermittlerzwischen Staat, Bevölkerung und Mi-litär wäre, kämpft jedoch auch umAnerkennung innerhalb des Militärs.Ein Verständnis für die Notwendig-keit der Militärseelsorge und der Kir-che, wie es in der Bundeswehrinsbesondere nach Beginn der Ein-sätze gewachsen ist, existiert in derUkraine derzeit noch nicht. DasRecht auf Religionsausübung istzwar verbrieft, wird jedoch nochnicht überall anerkannt.

Wenn überhaupt, so gehen Initi-ativen von der Westukraine aus undder russisch-orthodoxe Ostteil desLandes zieht nur langsam nach.

Der Militärbischof der Ukrainesprach für alle, als er abschließend

die Hoffnung äußerte, dass dieseKonferenz für seine Arbeit Zeichensetzen würde. Die erstellten Doku-mente und Vorträge würden die Hier-archien durchwandern und die Not-wendigkeit der Militärseelsorge un-termauern.

Sein Ziel, den Staat zu stärkenund sich wieder der europäischenKultur zu nähern, um die Zusammen-arbeit mit anderen Ländern zu er-möglichen, erscheint nur dann reali-sierbar, wenn es gelingt, im Soldatenden Mensch in Uniform zu sehen, dermit gleichen Rechten und Pflichtenauszustatten ist. Der Uniformträgerist in die Gesellschaft zu integrieren.

Diese vom Militärbischof darge-stellten Probleme und Hoffnungenzogen sich im Verlauf der Konferenzdurch die Beiträge aller Dozenten,die das Thema aus theologischer, po-litischer oder aus Sicht des Organisa-tionskomitees beleuchteten.

Der Staat befindet sich noch ineiner Periode der Selbstfindung, ineiner Phase des Übergangs in der dieKirche helfen kann und helfen will.Das Problem liegt jedoch häufignicht in der Institutionalisierung be-stimmter Strukturen, sondern in derAkzeptanz dieser Gegebenheiten undbedarf daher der ständigen, immerwiederkehrenden Beeinflussung derBevölkerung und der Nomenklatura.

Unter diesen Rahmenbedingun-gen war das Interesse an den Vorträ-gen der deutschen Delegation, dieaus Heinz Josef Nüchel (Präsidentvon Unum Omnes), Prälat SiegfriedSchindele (ehemaliger Polizeiseel-

sorger) und Oberstleutnant i.G.Reinhard Kloss (Vorsitzender des In-ternationalen Sachausschusses derGKS) sehr groß.

So berichtete Prälat Schindelevon seiner Arbeit als Polizeiseelsor-ger und der Stellung des deutschenPolizisten in der Gesellschaft. Insbe-sondere der uns allen bekannte Slo-gan „Die Polizei dein Freund undHelfer“ wurde als wünschenswertesZukunftsziel einer demokratisch le-gitimierten ukrainischen Polizei auf-genommen. Der Weg dahin erscheintjedoch noch weit, da die heutige Poli-zei der Ukraine, schlecht bezahlt,häufig auf „Alternativfinanzierung“angewiesen, als ehemaliges Macht-instrument des Staates in den Augendes Bürgers immer noch einenSonderstatus innehat und diesenhäufig auch noch ausübt.

Ebenso aufmerksam wurden diebeiden Vorträge des deutschen Offi-ziers zu den Themen „Staatsbürger inUniform – Die Integration des Solda-ten in die demokratische Gesell-schaft“ und „Die Lehre der katholi-schen Kirche über den Dienst desSoldaten“ verfolgt und ausgewertet.

So fanden sich in fast allen, imRahmen einer Pressekonferenz vor-getragenen Abschlussstatements,Aussagen aus den Vorträgen wieder,die aufgenommen wurden und derenIdeen sich bereits im ausgesproche-nen Gedankengut wiederfanden.

Insbesondere die Situation desdeutschen Soldaten, der heute inDeutschland ein Staatsbürger in Uni-form ist, der sich in die soziale Ord-nung der Gesellschaft ohne Sonder-rechte eingeordnet hat, dort akzep-tiert wird und dabei unter Wahrungder Menschenwürde die Werte er-lebt, die er unter Einsatz seines Le-bens verteidigen soll, wurde als Zielakzeptiert, welches es zu erreichengilt.

Für die deutschen Teilnehmerder Konferenz tat sich im Verlauf des8-tägigen Aufenthaltes eine Welt auf,die in ihrer Entwicklung vergleichs-weise weit zurück ist, jedoch zumin-

Bischof Julian Woronowsky mit seinemGeneralvikar, dem Militärpfarrer, Dol-metschern, Ihor Matuschewski, Vorsit-zender des St. Wolodymyr Fonds, undder deutschen Delegation in einer gera-de renovierten Militärkirche inDrohobytsch, die zur sowjetischen Zeitals Offiziercasino genutzt wurde

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dest in ihren westlichen Regionenbemüht ist, den Anschluss an Europazu finden.

Neben einer, heute bei uns nichtmehr gekannten Gastfreundschaft er-lebten die deutschen Teilnehmer derKonferenz aber auch eine für West-europäer fremde Welt. So wurdenGeschichtsbücher lebendig und Be-richte von Betroffenen prägten sichin die Herzen ein.

Einzelne Schicksale, wie das der99jährigen Deutschen, Frau Rott, die1945 letztmalig einem deutschenStaatsbürger begegnete und bei un-serem Besuch, mit Tränen in den Au-gen, Prälat Schindele (s. Foto u.) das„Vater unser“ der damaligen Zeit aufDeutsch vorbetete, öffneten denBlick in eine Vergangenheit, die mannur aus Büchern kennt. Trotz vielerSchicksalsschläge, die sie auch nachSibirien führten, hat diese Frau denGlauben an Gott nicht verloren undist dank dessen daran nicht zerbro-chen.

Gerade der Glaube, der langeZeit nur im Untergrund praktiziertwerden konnte, ist heute häufig dieAntriebfeder auf dem Weg in einedemokratische Zukunft geworden.

Mutige Männer, wie BischofWoronowsky der Diözese Sambir-Drohobytsch, der jahrelang nur imUntergrund agieren konnte, tagsüber,als werktätiger Hilfsarbeiter getarnt,am Band arbeiten musste und nurwenigen Eingeweihten als Bischof

bekannt war, leisten Großes auf demWeg in die Zukunft. Sie reißen mit,finden Verbündete in allen Berufen,die den Mut haben mit der Vergan-genheit zu brechen und dies auch of-fen zu bekennen. So betonte derKommandeur der Kadettenakademiein seinem Schlusswort den Wunschund die Notwendigkeit für sein Landso handeln zu können, wie die Bun-desrepublik Deutschland nach derWiedervereinigung. Er griff dabeieine Antwort auf, die im Verlauf derTagung auf eine Frage gegeben wur-de, in der OTL i.G. Kloss den Weg indie Armee der Einheit beschrieb unddabei deutlich machte, dass die ho-hen Dienstgrade der NVA entlassenund durch Offiziere der Bundeswehrersetzt wurden. Er forderte Gleichesfür sein Land, für die Staatsorgane,die noch, von der alten Nomenklatu-ra durchsetzt, die falschen Männer inSchlüsselfunktionen halten. Ein mu-tiges Wort, welches von der Presseaufgegriffen wurde und auf dessenWirkung noch gewartet werden kann.

Der Willen zur Rückkehr in deneuropäischen Kulturkreis, zu christ-lich abendländischen Werten ist er-kennbar, mutige, anpackende Män-ner und Frauen, die dieses forcieren,hat das Land.

Wir können Sie nur dazu ermuti-gen, ihnen Glück auf diesem steini-gen Weg wünschen und sie wo immermöglich durch Information und Kom-munikation unterstützen. ❏

Prälat Siegfried Schindele im Gesprächmit der 99-jährigen Deutschen Rott

GENTECHNIK:

Katholische Männerbeklagen männliche

Dominanz

Die dominierende Stellung vonMännern in der Gentechnikhat die Gemeinschaft der Ka-

tholischen Männer Deutschlands(GKMD) kritisiert. Die eher sach-,ziel- und lösungsorientierte Strukturvon Männern habe in Wissenschaftund Medizin bei allen Erfolgen zu ei-ner funktionalen und zweckhaftenBetrachtung von Mensch und Naturgeführt, heißt es in einem von derGKMD am 8. Mai 2002 in Fulda vor-gelegten Positionspapier zur Bioethik(Wortlaut s.S. 92). Eine solche Sicht-weise könne aber das Wesen desMenschen nicht angemessen erfas-sen. Männer sollten Frauen die Fe-derführung bei der Bewertung vonGentechnik und Fortpflanzungsmedi-zin überlassen, so die GKMD, weilFrauen die besondere Last der an-gewandten Verfahren am eigenenLeib zu tragen hätten.

Die GKMD warnt davor, das gel-tende Embryonenschutzgesetz zu un-terhöhlen, und lehnt eine Forschungan embryonalen Stammzellen striktab. Ethisch nicht zu rechtfertigen istfür die GKMD die Präimplantations-diagnostik (PID). Sie verändere dieEinstellung zu chronisch krankenund behinderten Menschen und füh-re faktisch in die Selektion. Aus-drücklich wird in dem Positions-papier ein „Gen-Diagnostik-Schutz-gesetz“ verlangt. Ein solches Gesetzsolle möglichen Missbrauch verhin-dern. Die GKMD legte das Papierzum Abschluss ihrer diesjährigenHaupttagung vor. Die Tagung hattedas Thema „Ethik im Zeitalter derBiotechnik – Eine Herausforderungfür die katholische Männerarbeit“.

(KNA)

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GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Was darf der Mensch?Positionspapier der Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands (GKMD)

zur Gentechnik und BioethikNach Auffassung der GKMD wirft die aktuelle Entwicklung in der Gentechnologie und Bio-medizin fundamentale ethische Fragen auf, die das Grundverständnis von Leben und Würdedes Menschen berühren.

Wir sind der grundsätzlichen Auffassung, dass Leben immer von Gott geschenkt und unsMenschen anvertraut ist. Diese Verantwortung schließt alle Mitgeschöpfe ein und bezieht sichin besonderer Weise auf den Menschen, der als Ebenbild Gottes unverfügbar ist.

Die dem Menschen verliehene Freiheit und Mitverantwortung für die Schöpfung findet ih-ren Ausdruck auch in wissenschaftlicher Forschung und ihrer praktischen Anwendung. Beidensind jedoch Grenzen gesetzt, insbesondere die Anerkennung der Würde des Menschen in allenseinen Lebensphasen.

Diese Grenzen gelten aktuell genau so in der Gentechnik, Gendiagnostik und Fortpflan-zungsmedizin und für deren Möglichkeiten, gezielt in menschliches Leben – besonders auch indas ungeborene – einzugreifen.

1. Im Hinblick auf die dominierende Stellung der Männerin Wissenschaft und Technik stellen wir fest:

• Die eher sach-, ziel- und lösungsorientierte Struktur von Männern hat in Wissenschaft und Medizin –bei allen Erfolgen – zu einer überwiegend funktionalen und zweckhaften Betrachtung von Menschund Natur geführt. Diese eindimensionale, distanzierte Sichtweise kann das Wesen des Menschennicht angemessen erfassen.

• Das Bewusstsein für die Endlichkeit des Lebens und die Grenzen der Machbarkeit werden oft ver-drängt durch eine nahezu bedingungslose Fortschrittsgläubigkeit.

• In der Bewertung von Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin sollten Männer den Frauen die Feder-führung überlassen, weil diese die besondere Last der angewandten Verfahren am eigenen Leib zu tra-gen haben.

• Männer werden im Zusammenhang der Fortpflanzungsmedizin leicht auf Samenspender reduziert unddamit instrumentalisiert. Wir fordern dazu auf, die Sexualität von Mann und Frau ganzheitlich zu se-hen.

2. Zu Gentechnik und Bioethik vertreten wir darüber hinausfolgende Standpunkte:

• Das in Deutschland geltende Embryonenschutzgesetz, das jegliches Experiment mit dem Keim abVerschmelzung von Ei und Samenzelle untersagt, darf nicht unterhöhlt werden.

• Das Klonen von Menschen – sollte es machbar sein – führt dazu, dass die eine Generation der nach-folgenden diktiert, wer und wie sie zu sein hat. Daher muss es ausnahmslos verboten bleiben.

• Dringend erforderlich ist ein Gen-Diagnostik-Schutzgesetz, das einen möglichen Missbrauch verhin-dert. Die Anwendung von Gentests muss immer auf freiwilliger Basis erfolgen. Das Recht auf Nicht-wissen muss gewährt und gewahrt werden.

• Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bewertet den Menschen nach Gesundheit, Funktionstüchtigkeitund Zweck. Sie führt faktisch in die Selektion und verändert die Einstellung zu chronisch krankenund behinderten Menschen. Deshalb ist sie ethisch nicht zu rechtfertigen.

• Die Forschung an adulten Stammzellen ist ethisch unbedenklich. Forschung an embryonalen Stamm-zellen lehnen wir aber als Verstoß gegen den unbedingten Schutz des Lebens strikt ab.

Fulda, den 8. Mai 2002

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AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

Lumen Christi in der Wüste

Es war noch recht kühl, als dieFamilien, der in El Paso statio-nierten Soldaten, sich zur Auf-

erstehungsfeier in der Wüste, östlichvon El Paso trafen. Da, wo sonst Ko-joten, Klapperschlangen, Skorpione,Wüstenhasen und Roadrunner sichimmer noch heimisch fühlen, hattender kath. Militärseelsorger NorbertAchcenich und der ev. MilitärpfarrerDr. Günter Riedner, zur Osterfeier ein-geladen. 1997 fand die bis dahin tra-ditionelle Auferstehungsfeier letzt-mals dort statt, und man war allseitsneugierig auf die Eindrücke derwieder aufgenommenen Feier.

Die erste Überraschung erlebtendie beiden Militärpfarrer, als sie fest-stellten, dass in ganz El Paso keineOsterkerze aufzutreiben war. Gott seigedankt, hatte man im StandortHolloman Air Force Base, derendeutsche Soldaten auch von denMilitärseelsorgern aus El Paso be-

treut werden, eine Ersatzkerze zurVerfügung. Pfarrer Achcenich, deram Vorabend, in der 90 Meilen vonEl Paso entfernten Air Force Base,die Osterfeier mit den deutschen Fa-milien zelebrierte, brachte die Kerzemit. Damit retteten die Kameradenaus Alamogordo, New Mexico, dieOsterfeier unter dem sternklarenWüstenhimmel von Texas.

Morgens um fünf war die Weltauch in El Paso an diesem Oster-morgen noch in Ordnung. Es war einMorgen mit einem von Sternen über-säten Himmel. Als hätte der Schöpferdie Kulisse zu der Feier besondersdafür geschaffen. Die Anwesendenrückten dicht an das Osterfeuer her-an, denn zu dieser frühen Stunde istes in der Wüstenlandschaft, wo amTage 25 Grad zu erwarten sind, nochempfindlich kalt. Das „Lumen Chris-ti“ und „Deo gratias“ erklang zurKerzenweihe. Als zum „Alleluja“ dieSonne mit ihren prächtigen Farbenüber den Hueco Mountains aufgingund die Landschaft erhellte, bot sichden Gläubigen ein überwältigendesStimmungsbild. Das Evangelium vonder Auferstehung, das Dr. Riedner

Die am geweihten Feuer entzündeteOsterkerze hielt der katholische Militär-pfarrer des Standortes El Paso NorbertAchcenich zum „Lumen Christi” demHimmel in der Morgendämmerung derOsternacht entgegen; neben ihm derevangelische Amtsbruder Dr. GünterRiedner.

vortrug, wurde zur textlichen Gestal-tung einer optischen Darstellung, diejedem renommierten Filmemacheralles abverlangt hätte, diese Szene ineinem Film festzuhalten. Mit derAuferstehung setzte sich auch derkatholische Militärgeistliche in sei-ner Predigt auseinander. Er sagte,„nach dem Motto, jeder Tropfenhöhlt den Stein“, müsse jede Aufer-stehungsfeier immer wieder deutli-cher machen, dass mit dem Tod nichtalles aus sei.

Vorbei soll es nun auch nicht mitden wieder aufgelebten traditionellenAuferstehungsfeiern in der Wüstesein. Die Militärgemeinden wollenkeine vier Jahre mehr darauf verzich-ten, das Taufwasser, wie an diesemOstermorgen, in der Wüste zu wei-hen. – Übrigens, Johannes der Täuferhatte in der Nähe des 30. Breitengra-des mit dem Wasser des Jordans un-ter ähnlichen klimatischen Bedin-gungen wie in der Wüste bei El PasoMenschen getauft. El Paso liegt amRio Grande und zufällig nahe amselben Breitengrad, nur auf der ande-ren Seite der Erdkugel.

Weißer Sonntag in Fort Bliss

Bis auf den letzten Platz war dieChapel 5 in Fort Bliss, anlässlich

einer Erstkommunionfeier besetzt.Die Kirche wurde von den Amerika-nern 1964 der katholischen und derevangelischen Militärseelsorge zurVerfügung gestellt. In den vergange-nen Jahren empfing eine große An-zahl Kinder des deutschen Soldaten-kontingents in diesem Gotteshaus dieErstkommunion. Für Pfarrer NorbertAchcenich, dem für Fort Bliss zustän-digen katholischen Militärgeistli-chen, war es erstmals nach seinemDienstantritt, dass er Kindern amStandort El Paso die Erstkommunionspendete.

Fünf Monate bereitete er die bei-den 9-jährigen, auf den großen Au-genblick ihres neuen christlichenLebensabschnittes vor. Am erstenSonntag nach Ostern, war endlich derTag gekommen. – Aufregend war dieerste Beichte für Bianca Grove undAlexander Zink, die beide Schülerder deutschen Schule in Fort Blisssind. – Mit klaren Kinderstimmen,

BEREICH AUSLAND: EL PASO,TX, USA

Zur gemeinsamen Feier der Osterliturgie hatten sich die Familien der evangelischenund der katholischen deutschen Militärgemeinden in der Wüste östlich von El Pasoversammelt, um in der Morgendämmerung die Auferstehung Christi zu feiern.

(Foto T. Bucher)

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KIRCHE UNTER SOLDATEN

Neuer Rekord bei der Kieler Woche

„Wir glauben“ – „Ja, das wollen wir“, antworteten Bianca undAlexander, auf die Fragen, die Militärpfarrer Norbert Achcenich denErstkommunionkindern bei der Erneuerung ihres Taufversprechensstellte. Hatten doch bei der Taufe die Paten diese Fragen stellvertre-tend für die Täuflinge beantwortet. An diesem Erstkommuniontag be-kannten sie sich nun selbst mit fester Stimme zu ihrem „Taufbund“.

beantworteten sie bei der Erstkommunionfeier die Fragen desPriesters zur Festigkeit ihres Glaubens. Der Herzschlag derjungen Menschen, lag beachtlich über der normalen Frequenz,als sie zum ersten Mal die Hostie aus der Hand des Priestersempfangen durften.

Man sah in strahlende Kindergesichter, als im Anschlussan die Messe, die Gratulationen zur Erstkommunion erfolgten.Sichtlich stolz waren auch die Eltern, OStabsArzt Dr. Andreasund Heide Grove sowie Dipl.-Ing. Axel und Angelika Zink beider Entgegennahme der Glückwünsche, die Verwandte, Freun-de und die vielen an der Feier teilnehmenden Gläubigen über-brachten. (Text u. Fotos Engelbert Morawietz)

Das obere Foto zeigt die Gottesdiensteilnehmer unter ei-nem auf dem Schiffsdeck gespannten Sonnensegel.Die Zelebranten des internationalen Militärgottesdiens-tes (mittleres Foto v.r.) Militärpfarrer Georg Kaufmannaus Plön, Diakon Kamp aus Tarp, der KLMD Kiel PrälatPeter Rafoth und der polnische MilitärpfarrerDr. Arian Wygra.An den Gottesdienst schloss sich noch ein Empfang an,zu dem der Kommandant des Schiffes und Prälat Rafotheingeladen hatten. Umrahmt und mitgestaltet wurdedieser Gottesdienst von den Fahrdorfern Shantysängern(mittleres Foto im Hintergrund) und von der Bläser-gruppe des Marinemusikkorps Ostsee.Prälat Rafoth bedankt sich beim Kommandanten derpolnischen Fregatte „General Kazimierez Pulaski“ undüberreicht das Große Kreuz der Militärseelsorge für dasSchiff. (Text u. Fotos Franz-Josef Hosse)

Mit einer noch nie dagewesenen Anzahl von Besuchernkonnte der Katholische Leitende Militärdekan Kiel,Prälat Peter Rafoth, am ersten „Kieler-Woche“-Sonn-

tag im Juni 2002 einen internationalen Schiffs-gottesdienst feiern. Der Kommandant der polnischenFregatte „General Kazimierez Pulaski“, hatte seinSchiff hierfür zur Verfügung gestellt. Mehr als 200Besucher waren der Einladung zum Gottesdienst ge-folgt. Darunter viele Freunde der Katholischen Mili-tärseelsorge aus Kiel, Soldaten aus Polen, Litauen,Kroatien und natürlich aus Deutschland. DieLandeshauptstadt Kiel war durch die stellvertreten-de Stadtpräsidentin Vernea Schattke sowie durchVertreter der SPD- und SUK-Fraktionen vertreten.Als Konzelebranten wirkten P. Dr. Arian Wygra (Po-len), Pfr. Roland sowie Militärpfarrer Georg Kauf-mann aus Plön und Diakon Kamp aus Tarp mit.

In seiner Predigt ging der Leitende Militärdekanauf den kommenden Festtag des Hl. Johannes desTäufers ein. Er zog eine Parallelle zur Geburt Jesu,die vor einem halben Jahr gefeiert wurde. Kurzvorher fand die Wintersonnenwende statt. Mit derGeburt Jesu werden die Tage länger, er führt uns

Fortsetzung auf Seite 95

KLMD KIEL – (EHEMALS WB I):

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AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

BEREICHSKONFERENZ DER GKS NIEDERSACHSEN/BREMEN – (ehemals WB II )

Führungswechsel – Landeskunde – Palmsonntag

nalen Brigade Südeingesetzt. Er zeigtedas Spannungsfeldzwischen den Religionen, Traditio-nen, Kulturen, der Politik und dergeschichtlichen Entwicklung derEthnien auf. Anhand von Erlebnis-sen schilderte er, wie sensibel derUmgang mit den Ehtnien sein kannund wie schnell sie sich übervorteiltsehen. Er sagte, die Familie im Koso-vo seien wie ein kleines Unterneh-men zu betrachten. Die Familie kön-ne ein ganzes Dorf umfassen. So ver-diene nicht der Einzelne das Geld fürsich, sondern immer für die ganzeFamilie oder das Dorf. Wir Zuhörererkannten wie wichtig eine „Landes-kundliche Beratergruppe“ ist, damitden Soldaten vor Ort beim Umgangmit den Menschen nicht ungewolltFehler unterlaufen, die die Volks-gruppen als Erniedrigung, Benach-teiligung oder dergleichen ausffassenkönnten.

In bewährter Weise bastelte FrauGisela Fischer mit den Damen Oster-gestecke. Die Kinder bereiteten tra-ditionelle Palmstöcke für den Palm-sonntagsgottesdienst vor.

Der Samstagnachmittag wurdenach eigenem Ermessen gestaltet.Die meisten Familien nutzten dieNähe Paderborns für einen Ausflug

Bei der Wehrbereichskonferenzin der Kolpingbildungsstätte„Weberhaus“ in Nieheim (22.–

24. März) übergab Hptm PeterMuermans den Vorsitzend der GKSim Bereich Niedersachsen/Bremenan seinen Nachfolger Hptm VolkerEngelmann. Hptm Muermans wird andie Führungsakademie nach Ham-burg versetzt. Als stellvertretenderVorsitzender rückte OStFw a.D. HansJürgen Lang nach und zum weiterenstellvertretenden Vorsitzender wurdeHptFw Andreas Lohe gewählt. Dochbevor Peter Muermans sein Amt anVolker Engelmann übergeben konn-te, war er noch für den Ablauf derFrühjahrskonferenz verantwortlich.

Im „Arbeitsteil“ berichteteMuermans und der stellv. Bundes-vorsitzende OStFw a.D. Hans-Jür-gen Matthias über die Bundesvor-standssitzung der GKS. Die Dele-gierten trugen aus ihren Kreisen vorund die Damen berichteten überdas Frauenwochenende in Goslar.Es wurden Erfahrungen ausge-tauscht und Termine für gemeinsa-me Veranstaltungen für das Jahr2003 festgelegt.

Der Sonnabendvormittag standunter dem Thema: „Die Bedeutungdes Islams für Einsätze der Bundes-wehr“. Zu diesem Thema referierteMajor d.R. Joachim Engel aus seinenpraktischen Einsatzerfahrungen. En-gel ist Dozent am Zentrum für Inne-re Führung und war mehrfach bei der„Landeskundlichen Beratergruppe“im Kosovo beim Stab der Multinatio-

Vorstand der GKS imBereich Niedersach-sen/Bremen (v.l.):

Hptm a.D. LotharFischer (GeschFhr),Hptm Volker Engel-mann (neuer Vors.),

Hptm Peter Muermans(alter Vors.), Militär-

pfarrer Otto Gäng(Geistl. Beirat derGKS), OStFw a.D.Hans Jürgen Lang

(stellv. Vors.).

in die Bischofsstadt. Abends fandman sich zum geselligen Beisam-mensein zusammen. In gemütlicherRunde bedankte sich Peter Muer-mans bei OStFw a.D. Matthias fürdas jahrelange Engagement als der„2. Mann“ der GKS im WehrbereichII. Hans Jürgen Matthias ist einpasionierter Freizeitfahrradfahrer,und so überreichte ihm der scheiden-de Vorsitzende zum Dank für seineArbeit, einen Satz Radwanderkarten.

Den Sonntag gestaltete unserGeistlicher Beirat, MilitärpfarrerOtto Gäng. Mit einer Palmprozessionzogen wir in die Kappelle ein. DieHeilige Messe wurde wegen der vie-len Kinder von Militärpfarrer OttoGäng kindgerecht gestaltet. SeinePredigt stand unter dem Thema: Esgibt keinen Weg zurück. Die Kollek-te wurde dem Jahresprojekt „Nach-barschaftshilfe“ zur Verfügung ge-stellt.

In der Kolpingbildungsstätte„Weberhaus“ waren wir gut unterge-bracht und der Küche des Hauseskann man nur ein ganz großes Lobaussprechen. Mit dem Mittagessenam Sonntag endete die Frühjahres-konferenz. (Hans Jürgen Lang)

zum Licht. Dass mit der Geburt Jo-hannes des Täufers die Tage kürzerund das Licht weniger werden sollnicht bedeuten, dass Johannes unsins Dunkel führt. Er sagt von sichselber, dass er nicht der Messias sei;

er ist nicht das Licht, sondern derWegbereiter. Er lebte als Asket inder Wüste und mit der kommendenSonnenwende würden wir wieder dasLicht erfahren: Jesus Christus, so derGrundgedanke der Predigt.

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96 AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

BEREICH NORDRHEIN-WESTFALEN – (EHEMALS WB III)

„Nur gemeinsam geht es weiter“Arbeitskonferenz I/2002 des Katholischen Leitenden Militärdekan Köln-Wahn:

Diskussionen über neue Strukturplanungen Schwerpunkt der Beratungen

In seinem Bericht richtete derModerator der Arbeitskonferenz,Hptm Peter Lorber (Köln-Wahn) mit-unter einen kritischen Blick auf dieStellung, die Qualität, den Sinn undden Standpunkt der Laienarbeit imBereich der Katholischen Militär-seelsorge. „Wir sind bereit, zu arbei-ten und unsere Aufgaben zu erfül-len.“ Allerdings, so der Moderator,entstünde oft der Eindruck, dass dieLaienarbeit und die Gremien durchdie militärischen Vorgesetzten unddurch das Katholische Militärbi-schofsamt nicht immer im erforderli-chen Maß „ernst genommen wird“.

Nach einer ausführlichen Dis-kussion dieser Thematik, in derMilitärdekan Schadt dieser Meinungaus Sicht der Militärseelsorge ener-gisch entgegentrat, erstattete derVorsitzende der GKS in Nordrhein-Westfalen, OStFw Johann-A.Schacherl (Köln) seinen Bericht.Auch an der GKS wäre die Einnahmeder neuen Strukturen nicht spurlosvorbeigegangen, sei es durch Stand-ortauflösungen oder -reduzierungenbedingt oder durch Versetzungen vonVorsitzenden und besonders aktivenMitarbeitern aus den GKS-Kreisen.Im Weiteren gab er die wichtigstenTermine der kommenden Wochenund Monate auf der Ebene Nord-rhein-Westfalens bekannt. So ist dieKonferenz der GKS NRW vom 5.-7.Juli in Mülheim und jeweils eineFamilienwerkwoche in Herbst diesenJahres in Roding-Strahlfeld und eineim Frühjahr 2003 in Weißenstadt ge-

„Es war eine äußerst befriedi-gende Arbeitskonferenz.Ich brauche Ihre Mitarbeit,

Ihre Meinungen, Ihren Einsatz undIhr motiviertes Engagement, dennnur gemeinsam können wir die Ka-tholische Militärseelsorge in unse-rem Bereich lebendig und aktiv hal-ten.“ Mit diesen Worten verabschie-dete sich der Katholische LeitendeMilitärdekan KölnWahn, MonsignoreRainer Schadt von den angereistenDelegierten aus den Seelsorgebezirks-räten (SBR) und der GemeinschaftKatholischer Soldaten (GKS). Voraus-gegangen war eine Arbeitskonferenzdes ehemaligen Wehrbereich III, dieals Familienwochenende im Hein-rich-Lübke-Haus der KatholischenArbeiterbewegung in Möhnesee-Günne durchgeführt worden war.

Nach der Begrüßung und einemersten Meinungsaustausch am Abenddes Anreisetages wurde der Samstagmit einem gemeinsamen Gottesdiensteröffnet, bevor die Delegierten inihre Arbeit einstiegen. Die Kinderund die mit angereisten Ehefrauenwurden derweil durch das Team umden Kölner Pfarrhelfer Heinz-WilliJung ausgezeichnet betreut. Basteln,Malen und Spielen standen ebensoauf dem Programm wie ein Ausflugzu einem „Schaf-Hof“, um die Auf-zucht und den Weg der Wolle vomTier bis zum Endprodukt hautnah zuerleben. Darüber hinaus fand ein„Shopping-Ausflug“ in das benach-barte Städtchen Soest vor allem beiden Damen viel Anklang.

plant. Vom 8. bis 10. November 2002soll ein Seminar auf Bundesebenevon neu gewählten Funktionsträgernin GKS-Kreise in Köln durchgeführtwerden.

Es folgte der ausführliche Be-richt des Leitenden Militärdekanszur Lage der Militärseelsorge. Dabeiging Monsignore Rainer Schadt be-sonders auf die personelle Situationder ihm zur Verfügung stehendenMilitärpfarrer und Pfarrhelfer in sei-nem Bereich ein. In dieser Hinsichtsei derzeit ein „raues Fahrwasser“ zubefahren. „Wir kommen an funda-mentale Grenzen und müssen unsereArbeit in allen ihren Facetten quali-tativ massiv beschränken, wenn nochmehr Auslandseinsätze auf unserenBereich zukommen. Es ist zwar nochSaft auf der Maschine, aber wir müs-sen den mitunter stotternden Motordurch erhöhten Einsatz und unver-drossener Weiterarbeit – hier vor al-lem auch durch die Einbindung derLaien in den Standorten – am Laufenhalten.“ Ein von ihm „geschnürtesPersonalpaket“ zur Deckung vonschon feststehenden Vakanzen überlängere Zeiträume nach Ausscheidenvon Militärpfarrern durch Ablauf derVerpflichtungszeit und bei geplan-ten, mehrmonatigen Auslandsein-sätzen liege dem KatholischenMilitärbischofsamt zur Entscheidungvor.

Nachdem das Vorstandsmitgliedder Zentralen Versammlung, HptmHermann Webels (KölnWahn), ausseiner Arbeit berichtet und das ge-plante Programm der Zentralen Ver-sammlung während der kommenden„Woche der Begegnung“ vom 15. bis20. September 2002 in Rolduc/Nie-derlande erläutert hatte (OStFwSchacherl tat dies auch für die Bun-

Das Leitungsteam der gemeinsamenArbeitskonferenz beim KLMD Köln-Wahn und der Bereichskonferenz derGKS in NRW (v.l.) OStFw Johann-A.Schacherl, LKMDMsgr. Rainer Schadtund Moderator der AK, Hptm PeterLorber

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97AUFTRAG 248

AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

deskonferenz der GKS) folgte dieWahl der Delegierten und Ersatz-kandidaten für die Teilnahme an der„Woche der Begegnung“.

Am Nachmittag der Arbeits-konferenz bildete die Umsetzung derStrukturreform der Katholischen Mi-litärseelsorge – und hier speziell imBereich des ehemaligen Wehrbe-reich III – das Schwerpunktthema.Militärdekan Schadt trug den derzei-tigen Planungsstand im Hinblick aufdie organisatorischen Veränderun-gen, die Schwerpunkte und die kon-kreten pastoralen Inhalte vor. Kon-kret erläuterte er, dass es vorgesehensei, die Katholische Militärseelsorgein sieben Dekanaten nahezu analogzu den früheren Wehrbereiche aufzu-teilen, an deren Spitze jeweils einLeitender Militärdekan stehe. DieDekanate würden wiederum in kleine(S), große (L) und extra große (XL)Seelsorgebezirke (SB) in unter-schiedlicher Anzahl aufgegliedert.

Für das „Dekanat West“ (ehem.Wehrbereich III) bedeute dies, dassein SB S (ausgestattet mit einemMilitärpfarrer), zwei SB L (zweiMilitärpfarrer oder je ein Militär-pfarrer/ein Pastoralreferent) undzwei SB XL (3 Militärpfarrer oderzwei Militärpfarrer/ein Pastoralrefe-rent) eingerichtet würden. Hinzukomme ein weiterer SB L im Zusam-menwirken mit dem Dekanat Nord-west (ehemals Wehrbereich II). DiePersonaldecke würde somit 13Dienstposten, aufgeteilt auf elf

Militärpfarrer und zwei Pastoral-referenten, umfassen. Diese sollennach wie vor von einer ganzen Rei-he von Standortpfarrern im Neben-amt unterstützt werden.

Diese Planungen wurden vonden Delegierten intensiv beleuch-tet, hinterfragt sowie durchauskontrovers und kritisch diskutiert.In diesem Zusammenhang wurdeerneut ausgiebig über den Wertund die Anerkennung der Laien-arbeit gesprochen, besonders unterdem Aspekt, dass künftig auch dieBerufsbilder des „Ständigen Dia-kons“ und des/der „Gemeinde-referenten/in“ in der KatholischenMilitärseelsorge eingerichtet wer-den könnten.

Zum Abschluss dieses The-menkomplexes richtete Militär-dekan Schadt die Bitte an die Dele-gierten, sich in den Laiengremienzu diesen Planungen auszutau-schen und bat um konkrete Rück-äußerungen. Hierzu bot er an, aneiner Sitzung in jedem Seelsorge-bezirksrat teilzunehmen, um diesePläne auch an der „Basis“ vorzutra-gen, zu diskutieren und die Meinun-gen der gewählten Räte mit in denEntscheidungsprozess über Festle-gung der künftigen Strukturen derKatholischen Militärseelsorge miteinfließen zu lassen.

Nach einem Familiengottes-dienst am Sonntag in der Hauskapel-le, in den Dekan Schadt besondersdie sehr zahlreich anwesenden Kin-

Mutprobe und zugleich ein toller Spaßfür Stadtkinder, Toben im Heuschobereines Bauernhofes

der mit einbezog, standen abschlie-ßend die Berichte aus den Standortenund den GKS-Kreisen auf dem Pro-gramm, in denen die bunte Vielfaltder Aktivitäten, Projekte, Aktionenund vieles andere mehr aus denStandorten zur Sprache kamen.

(Text und Fotos Wilfried Puth)

„Wir arbeiten guten Mutes weiter“Konferenz der GKS NRW ein toller Erfolg – Auch künftig viel zu tun

„Ich möchte Ihnen Mut machenfür die vor uns liegenden Auf-gaben in der GKS Nordrhein-

Westfalen. Diese Arbeit birgt vielFreude, Zuversicht und Zufrieden-heit in sich, vor allem dann, wennjunge Menschen zur Mitarbeit in die-ser unverzichtbaren Gemeinschaftgewonnen werden können. Deshalbarbeiten wir unverdrossen weiter anunseren Zielen.“ Mit diesen Worteneröffnete der Vorsitzende der GKSNRW, OStFw Johann-A. Schacherl,die Jahreskonferenz dieses Bereichesvom 5.–7. Juli 2002 in Mühlheim/Ruhr. Er machte aber auch deutlich,

dass alle Verantwortlichen ihren Teildazu beitragen müssten, um die GKSin den „Köpfen und Herzen derSoldat(inn)en und ihren Familienpräsent zu halten

Aus fast allen GKS-Kreisen inNRW (dem früheren Wehrbereich III)waren die Delegierten mit ihren Fa-milien zur „Wolfsburg“, der Katholi-schen Akademie der Diözese Essen,nach Mülheim gekommen. Neben ih-nen konnte der Bereichsvorsitzendeden Katholischen Leitenden Militär-dekan (KLMD) Köln-Wahn, Monsig-nore Rainer Schadt, den Bundesvor-sitzenden der GKS, Oberst Karl-Jür-

gen Klein sowie den neuen Bundes-geschäftsführer der GKS, Oberst a.D.Dr. Klaus Achmann, willkommenheißen.

Nach dem traditionellen Entzün-den einer Kerze und dem gemeinsamgesprochenen Gebet der GKS, einerkurzen Vorstellungsrunde und der Be-kanntgabe der Tagesordnung gratu-lierten alle Anwesenden zunächstChrista Schacherl, der Ehefrau desVorsitzenden, zu ihrem Geburtstag.Oberstleutnant Artur Ernst überreich-te ihr stellvertretend für alle Teilneh-mer einen Blumenstrauß und drücktedabei den Dank an sie und in diesemSinne auch an alle Ehefrauen undFamilien aus, die oft auf ihre Ehe-männer und Väter während deren Ar-beit für die GKS verzichten müssten.

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KIRCHE UNTER SOLDATEN

Der nächste Morgen begann nachdem Frühstück mit dem Morgenlobin der Hauskapelle. Danach verab-schiedeten sich die Nicht-Delegier-ten (Ehefrauen und Kinder) aus derRunde, um den Tag unter der Lei-tung von Gerd Kleineickenscheidund Stephanie Schacherl im Zoo inDuisburg zu verbringen.

In seinem Rechenschaftsberichtging Schacherl zunächst auf die Situ-ation in seinem Zuständigkeits-bereich ein. „Es ist nicht zu verken-nen, dass nicht an allen Standortenetwas in Richtung GKS läuft. Dasliegt nicht allein in der Neuaus-richtung der Streitkräfte und derUmstrukturierung der Truppe begrün-det, sondern auch die zunehmendmangelnde Bereitschaft zur Übernah-me von Ehrenämtern vor allem beijüngeren Kameraden ist deutlichspürbar. Es ist daher ernsthaft zuüberlegen, ob nicht Abhilfe geschaffenwerden kann, wenn noch mehr Mit-glieder aus dem Kreis der Reservistenoder Soldaten „außer Dienst“ zurMitarbeit gewonnen werden könn-ten“, so der Vorsitzende, der auchmitteilte, dass in NRW derzeit 11GKS-Kreise, 6 Ansprechpartner und1 Einzelmitglied aktiv in den Stand-orten für die GKS ehrenamtlich tätigseien. Er informierte weiterhin überdie Schwerpunkte der Vorstandsar-beit im zurückliegenden Jahr, diejährlich stattfindenden Familien-werkwochen und kündigte an, dassvom 8. bis 10. November 2002 einSeminar für neue Funktionsträger inder GKS in Köln stattfinden werde,

das vom Bereich NRW organisiertewerde.

Nach einer kurzen Vorstellungder „Wolfsburg“ durch deren Ge-schäftsführer Carsten Ossig folgteeine „Power-Point-Präsentation“ desGeschäftsführers der GKS NRW,OStFw Hubert Berners (in Personal-union auch Schatzmeister derFGKS). Hierin stellte er eine neueSoftware als Hilfe zur Bearbeitungvon Abrechnungen von GKS-Veran-staltungen ebenso anschaulich wieübersichtlich dar und ging besondersauf die einzureichenden Teilnehmer-listen und weitere Formulare desHandbuches ein. Die Software ist absofort bei ihm abrufbar.

In diesem Zusammenhang mach-te der Bundesgeschäftsführer derGKS, Oberst a. D. Dr. Klaus Ach-mann, deutlich, dass es ohnehin ge-plant sei, das Handbuch der GKS ineiner überarbeiteten, gestrafftenForm elektronisch zu erfassen undmöglicherweise schon Ende Jahresals CD-ROM zur Verfügung zu stel-len. Gleichzeitig warb er um Mitar-beit bei diesem großen und wichtigenProjekt. „Wir können durch dieseMaßnahme jährlich mehr als 10.000Euro sparen, Geld das für andereAufgaben der GKS sinnvoll verwen-det werden kann“, so Dr. Achmann,der auch über seine gewonnenen Er-fahrungen aus der persönlichen Prä-senz der GKS beim KMBA (seit An-fang Mai betreibt die GKS ein Bürobei der Kurie) berichtete. Dabeimachte er deutlich, dass die GKS imHinblick auf eine die katholischen

Fortsetzung auf Seite 99 u.

Delegierte, ihre Familien und die Gästeder Bereichskonferenz NRW präsentie-ren sich zum Erinnerungsfoto auf derJugendstiel-Treppe der Wolfburg: Bild-mitte zwischen den Kindern sitzend derKLMD Msgr. Rainer Schadt, links hinterihm hockend der GKS-Vorsitzende NRWJohann-A. Schacherl, vor der Terrassen-tür in der Bildmitte der Bundesvorsitzen-de Oberst Karl-Jürgen Klein und vordem Fenster links von der Tür derBundesgeschäftsführer Oberst a.D. Dr.Klaus Achmann.

Soldaten betreffende Meinungs-bildung in der BundeshauptstadtBerlin aktiv mitwirken und somit dieÖffentlichkeit auf die Arbeit und dieZiele der GKS aufmerksam machenkönne.

In einem kurzen Statement zurLage der GKS auf Bundesebene be-tonte Bundesvorsitzender OberstKarl-Jürgen Klein, dass vor allemdurch persönliches Ansprechen vongeeignet erscheinenden Soldaten/innen neue Mitarbeiter/innen für dieGKS gewonnen werden könnten. Ersetze sich auch weiterhin dafür ein,dass mindestens die Hälfte der finan-ziellen Mittel der GKS den Intensiv-formen der Glaubensvermittlung, wieetwa Familienwochenenden und-werkwochen zur Verfügung stehenmüssen. Daher unterstütze er auchweiterhin zentrale und standortüber-greifende Veranstaltungen auf denEbenen der Bereiche.

Am Nachmittag gab MilitärdekanRainer Schadt einen aktuellen Über-blick zum Sachstand der Diskussio-nen zur Umstrukturierung der Katho-lischen Militärseelsorge. Er legteWert darauf, dass es sich derzeitnoch um Planungen handele undendgültige Entscheidungen nochnicht in allen Bereichen getroffenworden seien. Er stellte weiterhinheraus, dass die Schwerpunkte derArbeit vor allem in der Einsatzbe-gleitung, der Familienpastoral an denStandorten sowie im Lebenskund-lichen Unterricht zu sehen seien. Erdankte bei dieser Gelegenheit allenehrenamtlichen Mitarbeitern derGKS, ohne die „das Schiff Gemeindenicht zu steuern sei.“ Es schlossensich die Berichte aus den Standortenund den GKS-Kreisen in NRW an, indenen neben verschiedenen perso-nellen Veränderungen vorwiegend

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AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

Glaube – Sitz im Leben

Eine Veranstaltungsreihe unterdem Thema „Glaube – Sitz imLeben“ begann im Rahmen ei-

nes Familienwochenendes des GKS-Kreises Unna. Den Auftakt begleite-ten Militärpfarrer Rainer Brouwersund Kreisvorsitzender Hauptfeldwe-bel Ralf Eisenhardt unter dem The-ma „Die Entwicklung der Religiosi-tät – religiöse Kindeserziehung“. DieTeilnehmer eines Familienwochen-endes vom 3. bis 5. Mai 2002 mach-ten die Erfahrung, dass religiöse Le-bensläufe zeitlich oftmals parallelverlaufen. Rückschlüsse zogen siedaraus auf das Interesse an Glaubeund Kirche in der Bundeswehr alsauch in den Familien. „Wir habeneindeutig erkannt, dass ganz jungeSoldaten in der Bundeswehr durchdie Militärseelsorge wieder einenWeg zur Kirche finden können,“ soPfarrer Brouwers. Das Interesse anKirche nimmt in der Jugend etwasab, dadurch geht der Glaube abernicht verloren. Elterlicher Zwangnutzt nicht und zerstört zudem die fa-miliäre Atmosphäre unnötig, ist eineweitere wichtige Erkenntnis derIntensivmaßnahme. Die Militärseel-sorge und Familiengründung sind

ganz wesentliche Motive, die Ge-meinschaft im Glauben in der Kircheerneut aufzunehmen. Mit der kleinenMedaille der GKS wurde der stellv.Vorsitzende des GKS-Kreises Unna,OberstabsfeldwebelFranz-Josef Johlandvom Vorsitzenden derGKS in Nordrhein-Westfalen ausgezeich-net. Eisenhardt, derstellvertretend die Eh-rung vornahm betonteden besonderen Ver-dienst Johlands für dieGründung und denAufbau des GKS-Krei-ses und das unermüd-liche praktische Enga-gement.

(Ralf Eisenhardt)

Hauptfeldwebel Ralf Eisenhardt bei derModeration von Partnerinterviews derTeilnehmer am Familienwochenende, imHintergrund Militärpfarrer RainerBrouwers. (Foto F.-J. Johland)

die Aktivitäten und durchgeführtenMaßnahmen dargestellt und bespro-chen wurden.

Mit einem Familiengottesdienstin der Hauskapelle erlebte die Kon-ferenz einen weiteren Höhepunkt.Die Kollekte wird dem von der GKSunterstützten Projekt der RENOVA-BIS-Nachbarschaftshilfe zur Verfü-gung gestellt, Nach einer abschlie-ßenden Gesprächsrunde mit der Klä-rung noch offener Fragen, fuhren dieDelegierten und ihre Familien nacheinem gemeinsamen Mittagessen ge-stärkt an Leib und Seele in ihreStandorte zurück. „Es war eine guteKonferenz mit greifbaren, vernünfti-gen und durchführbaren Ergebnis-sen. Wir sind in der GKS in Nord-rhein-Westfalen weiterhin auf einemguten Weg. Dafür sei allen, die daranaktiv mitgearbeitet haben und künf-tig mitarbeiten auf das Herzlichstegedankt,“ so schloss Bereichsvor-sitzender Schacherl. (Wilfried Puth)

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KLMD KOBLENZ

Ehemalige zeigten Solidarität mit der MilitärseelsorgeMilitärseelsorger zum Einsatz ge-schieht. Mit großem Interesse und ineiner sich an den Vortrag anschlie-ßenden Diskussion brachten sich dieehemaligen Militärseelsorger mit ih-ren Anfragen ein.

Die Mittagszeit wurde für einenkleinen Stadtbummel durch dieMainzer Altstadt und einen Besuchim altehrwürdigen Mainzer Dom ge-nutzt. Nachmittags setzte man sichnoch mal zusammen um über dieNeustrukturierung der Bundeswehrund Militärseelsorge durch Militär-dekan Ursprung zu erfahren. DenAbschluss des Tages bildete einesehr lebhafte und kontroverse Dis-kussion über Bundeswehreinsätze imAllgemeinen. Hierbei kam zum Aus-druck, dass sich die Anwesenden involler Solidarität mit der Militärseel-sorge und den aktiven Militärseel-sorgern befinden. Gleichzeitig äußer-ten sie jedoch auch ihre Sorge überpolitische Entwicklungen, hier habedie Militärseelsorge auch den Auf-trag sich gesellschaftspolitisch ein-zubringen. Für die meisten der Teil-nehmer stand beim Abschied fest,dass sie sich den Termin zum Ehe-maligentreffen 2003 wieder freihal-ten werden. (Jürgen Strohe)

Ihre Verbundenheit mit der Mili-tärseelsorge zeigten die ehemali-gen Militärgeistlichen und Pfarr-

helfer aus dem Zuständigkeitsbereichdes Katholischen Leitenden Militär-dekans Koblenz, (ehemals Wehrbe-reich IV), die der Einladung vonMilitärdekan Msgr. Carl Ursprung inden Erbacher Hof nach Mainz gefolgtwaren. Ganz besonders freute mansich darüber, dass Weihbischof Ger-hard Pieschl, Bistum Limburg, ehe-mals Katholischer StandortpfarrerDiez/Lahn, sich für diesen Tag in sei-nem engen Terminkalender Zeitnahm, um mit ihnen diesen Tag zubegehen. Militärdekan JoachimSimon, Katholischer StandortpfarrerMünchen, kam auf Einladung vonMilitärdekan Ursprung und referierteüber seine Begleitung während desEinsatzes deutscher Soldaten in Af-ghanistan. In sehr anschaulicherWeise wurden die Teilnehmer überdie Situation in Afghanistan unter-richtet. Besonders betone Militär-dekan Simon, der auch schon die Sol-daten im ehemaligen Jugoslawien be-gleitet hatte, dass die Soldaten in sol-chen Einsätzen ein regelrechtes Be-dürfnis nach Seelsorge haben. Auchlegte er dar wie die Vorbereitung der

GKS-KREIS UNNA:

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KIRCHE UNTER SOLDATEN

BEREICHSKONFERENZ DER GKS RHEINLAND-PFALZ/HESSEN/SAARLAND – (EHEMALS WB IV)

Wünschenswerter Aufbruch – möglicher Neubeginn

Vom 26. bis 28. April fand inLorscheid (Nähe Trier) in derFamilienferienstätte „Friedrich

Spee“ die Konferenz der GKS als Fa-milienwochende des ehemaligenWehrbereichs (WB) IV statt. Mussteeine ähnliche Veranstaltung im De-zember 2001 mangels Masse abge-sagt werden, so war dieses Wochen-ende komplett ausgebucht. In einemherrlichen Tal gelegen waren die Fa-milien im Haupt- und Nebengebäudesowie in Einzelhäusern unterge-bracht. Hervorzuheben ist dass derAnteil der aktiven Soldaten gegenü-ber den Pensionären deutlich über-wog.

Schon am Vorabend traf sich derVorstand, um über die Lage im ehe-maligen WB IV zu sprechen, zumalder 1. Vorsitzende Hptm GünterNeuroth über eine lange Zeit seinerdienstlich bedingten Abwesenheitdiese Funktion nicht wahrnehmenkonnte.

Der Freitagabend war durch einelange Vorstellungsrunde geprägt, dasich viele Familien nicht kannten.

Am Samstagvormittag wurde daszwischen Fell und Thomm gelegeneBesucherbergwerk „Barbara-Hoff-nung“ besichtigt. Es besteht aus zweiübereinander liegenden Dachschie-ferbergwerken aus der Wende vom19. zum 20. Jh. Lebensgroße Figurenvermittelten die gefahrvolle Arbeitder Schieferbergleute. Ein fachkun-diger Führer erklärte die Technik desSchieferabbaus und die Weiter-verarbeitung zu Dachschieferplatten.

Nach dem Mittagessen berichteteein Streetworker vom CaritasverbandWest-Eifel über seine Arbeit.Hierbei handelt es sich um Projektder „aufsuchenden Jugendsozialar-beit“ im Kreis Bitburg-Prüm. Ziel-gruppe sind Jugendliche, die nichtvon der „normalen“ Jugendarbeit derKirchen oder Sportverbände erreichtwerden. Es sind vor allem Jugendli-che, die Konsumente von illegalenund legalen Drogen sind, Obdachloseoder von Wohnungslosigkeit bedroh-te und arbeitslose Jugendliche. Auf-gabe der Streetworker ist es, mit die-sen Jugendlichen Kontakt aufzuneh-men, sie an ihren Bezugsplätzen auf-

zusuchen, mit ihnen zu reden, zuspielen, um sie so letztendlich wiederin die Gesellschaft zu integrieren.

Der Nachmittag und der Abenddiente der eigentliche Wehrbereichs-konferenz. Da seit Bestehen des Vor-stands (1995) keine Neuwahlenstattfanden, sollte dieses Mal gewähltwerden. Der bisherige 1. Vorsitzendestellte sich nicht mehr zur Wahl undauch der 2. stellvertretende Vorsit-zende, StFw Hans-Joachim Oster(Dienstzeitende 31.05.2002) stelltesein Amt ebenfalls zur Verfügung.Nach einer längeren Diskusion unterEinschaltung des stellvertr. Bundes-vorsitzenden, OSF a.D. Hans-JürgenMathias, der dann als Wahlvorstandzur Verfügung stand, stellte sich derbisherige stellvertretende Vorsitzen-de, HBtsm Joachim Riederle, derWahl zum Vorsitzenden. Da für diePositionen der beiden Stellvertreterkeine Vorschläge eingingen, erklär-ten sich Hptm Neuroth und SFw Os-ter bereit, bis zur Herbstkonferenz(06.-08.12.2002 in Maria Engelport)als Stellvertreter zur Verfügung zustehen.Das Ergebnis der Wahl und damitVorstand der GKS im BreichRheinland-Pfalz/Hessen/Saarland:

• VorsitzenderHBtsm Joachim Riederle,

• StellvertreterHptm Günter Neuroth undStFw Hans-Joachim Oster.

• GeschäftsführerHptm a.D. Heinrich Dorndorf.

Der neue Vorsitzende wird demKatholischen Leitenden Militärde-kan Koblenz, Msgr. Carl Ursprung,über die Veränderungen im Vorstandder GKS berichten und versuchen biszum Herbst neue Stellvertreter zufinden.

Da an der Konferenz kein Mili-tärpfarrer als Geistlicher Beirat teil-nahm, besuchten die Konferenzteil-nehmer am Sonntag den Gemeinde-gottesdienst in Farschweiler.

Ein Wort des stellvertretendenBundesvorsitzenden und eine Refle-xion über die vergangenen Tagebeendeten eine Konferenz, die trotzdes schlechten Wetters in angeneh-mer Atmosphäre einen guten Verlaufnahm. Kinder tauschten Adressenaus und auch die Erwachsenen hof-fen auf ein Wiedersehen. – Vielleichtwird nun ein neuer Aufbruch im Be-reich der GKS Rheinland-Pfalz/Hes-sen/Saarland möglich.

(Heinrich Dorndorf)

Die Teilnehmer des Familienwochenendes anlässlich der GKS-Bereichskonferenz inbergmännischer Bekleidung nach dem Besuch eines Dachschieferbergwerkes

(Foto H. Dorndorf)

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AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

GKS-KREIS BAD NEUENAHR-AHRWEILER

Walter Schäffer, neuer Vorsitzender

Zur Jahreshauptversammlungdes GKS-Kreises Bad Neuen-ahr-Ahrweiler, am 9. April

konnte der Vorsitzende Joachim Os-ter eine große Anzahl von Mitglie-dern begrüßen.

In einem Rückblick ließ er dasvergangene Jahr Revue passieren:Zahlreiche Veranstaltungen wurdendurchgeführt, darunter die Wallfahrtnach Rom, Gesprächsrunden undnicht zuletzt die Feste an derLourdeskapelle im Bachemer Tal. ImJanuar 2002 wurde Dechant Molz-berger als Militärpfarrer im Neben-amt im Materialamt des Heeres(MatAH) feierlich verabschiedet. Erfehlt demnächst dem GKS-Kreis, daer in den Ruhestand tritt.

Da auch Joachim Oster im Maiaus dem aktiven Dienst in den wohl-verdienten Ruhestand versetzt wird,musste ein neuer 1. Vorsitzender ge-wählt werden. Vor der Wahl bedank-te sich Oster für die Mitarbeit aller inden vergangenen Jahren. Ganzbesonders dankte er Aloys Mutter,Hans Thiele und dem Ehepaar Kochund überreichte kleine Präsente.

Der 2. Vorsitzende MichaelWilke dankte Joachim Oster für dievielen Jahre im Dienst des 1. Vorsit-

zenden und erinnerte an die vielenAktivitäten, die durch ihn veranlasstund durchgeführt worden sind. AuchEhefrau Margit wurde mit einbezo-gen, viele Veranstaltungen wurdenvon ihr unterstützt und mitgetragen.Zum Dank gab es Blumen und einPräsent.

Die Neuwahl wurde von HerrnGroß geleitet. Zum neuen 1. Vorsit-zenden wählte die Versammlung ein-stimmig Walter Schäffer. Er nahmdie guten Wünsche aller für seineneue Tätigkeit entgegen. – JoachimOster bleibt dem Vorstand als Beisit-zer erhalten. (Michael Wilke)

Verabschiedung – Dank – Führungswechsel bei der Jahresversammlung der GKSBad Neuenahr-Ahrweiler (v.l.): Ehepaar Oster, Hans Thiele, Ehepaar Koch, AloysMutter und der neuen Vorsitzende des GKS-Kreises Walter Schäffer.

„Wir müssen beständig neue Wege gehen“Familienwochenende der GKS im Kloster Engelport war ein toller ErfolgZu einem zweitägigen Familien-

wochenende der Gemeinschaft Ka-tholischer Soldaten (GKS) kamen indem von den „Oblaten der Makello-sen Jungfrau Maria“ geführten Klos-ter Engelport im Flaumbachtalinsgesamt 34 Frauen, Männer undKinder im Alter von 2 bis 16 Jahrenzusammen. Die Gruppe setzte sichgrößtenteils aus Familien des GKS-Kreises Bad Neuenahr/Ahrweiler zu-sammen und wurde durch Einzel-mitglieder der GKS und deren Fami-lien aus den Standorten Büchel,Daun und Koblenz ergänzt. Die Or-ganisation dieser Veranstaltung lagbei Hauptmann Matthias Völkel, An-sprechpartner der GKS der Standorte

Cochem und Büchel, in bewährtenHänden.

Nach einer kurzen Vorstellungs-runde am Samstagvormittag entzün-deten die GKS-Mitglieder zunächsteine von der Internationalen Solda-tenwallfahrt aus Lourdes mitgebrach-te und gesegnete Kerze an derMarien-Grotte in unmittelbarerNachbarschaft des Klosters (s. Foto).Am Nachmittag teilte sich die Grup-pe. Die meisten Kinder und einigeerwachsene Begleiter machten sichauf nach Senheim, um von dort mitder „PINADO 33“ einem Boot desJagdbombergeschwaders 33, die Mo-sel zu befahren. Die restlichen Frau-en, Männer und Kinder unternahmen

bei nahezu idealen äußeren Bedin-gungen einen rund 90-minütigen,teilweise recht anstrengenden Spa-ziergang nach Beilstein, um von dortebenfalls mit der „PINADO 33“ zufahren. Dieser außergewöhnlicheAusflug machte besonders den Kin-dern viel Spaß.

Während die Kinder am Abendspielten, sangen oder bastelten,schauten sich die Erwachsenen ei-nen Videofilm zur Lage der Laien-arbeit in der katholischen Kirche imfranzösischen Burgund an. DieserFilm war die Grundlage für einen an-schließenden Gesprächskreis unterder Leitung des ehemaligen Katholi-schen Militärpfarrers Cochem/Daun,Norbert Reichel (jetzt verantwortli-cher Pfarrer einer Seelsorgeeinheitim Hunsrück). In diesem Gesprächwurde insbesondere die immer stär-

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KIRCHE UNTER SOLDATEN

ker auftretende Problematik durchden stetig wachsenden Priester-mangel auch in Deutschland deutlichgemacht. Unter anderen wurde fest-gestellt, dass die „Institution Kirche“auch hierzulande künftig andere,neue Wege gehen müsse, um „glaub-haft und lebendig“ zu bleiben. DieLaienarbeit müsse noch mehr Auf-wertung erfahren, ohne jedoch zuverkennen, dass es ohne Priester aufDauer nicht gehe. Mehr und mehrwürden daher engagierte und moti-vierte Christen gefordert sein, sichals Laien in die Arbeit der Seelsorgemit einzubringen.

Am Sonntagmorgen konnten die

Erwachsenen unter der sehr fach-kundigen Führung von Bruder Josefdessen angelegten Kräutergarten be-sichtigen und erhielten zudem einenäußerst lehrreichen Exkurs in Sa-chen Naturheilkunde. Die Kinder be-schäftigten sich derweil überwiegendmit Gesellschaftsspielen und dieKleinsten durften auf den kloster-eigenen Eselinnen Trixi und Bini rei-ten.

Nach dem Mittagessen stellte einFamiliengottesdienst einen weiterenHöhepunkt des Wochenendpro-gramms dar. Pfarrer Norbert Reichelbezog dabei die gesamte anwesendekleine GKS-Gemeinde in die Gestal-

tung der Heiligen Messe mit ein. Ineinem Predigtgespräch beschäftigtesich die Gruppe mit dem Evangelien-text (Mt 9,9-13) und einem Bild derKünstlerin Beate Heinen. Gemein-sam kamen sie zu dem Ergebnis,dass im Leben stets neue Wege be-schritten und neue Anfänge im Glau-ben geschaffen werden müssten. DieKollekte des Gottesdienstes, der vondem Obergefreiten Sebastian Völkelsowie den Geschwistern Barbara undMarie-Therese Puth mit ihren Gitar-ren musikalisch umrahmt wurde,wird der Soldatentumorhilfe beimBundeswehrzentralkrankenhausKoblenz zur Verfügung gestellt. AmEnde des Gottesdienstes hatte HptmMatthias Völkel noch eine Überra-schung parat. Er überreichte jederFamilie und auch Pfarrer Reicheleine kleine Flasche mit gesegnetemLourdes-Wasser, das er von der dies-jährigen Soldatenwallfahrt mitge-bracht hatte.

Nach Kaffee und Kuchen mach-ten sich die Familien wieder auf denWeg nach Hause und waren sich ei-nig, ein gleichermaßen erholsames,lehrreiches, nachdenkliches und er-lebnisreiches Wochenende in ent-spannter Atmosphäre bei hervorra-gender Unterbringung und köstlicherVerpflegung verbracht zu haben. Siebedankten sich bei der FamilieVölkel mit einem kleinen Präsent fürdie gelungene Organisation.

(Text u. Foto Wilfried Puth)

Militärbischof Mixa beim Wehrbeauftragten des BundestagesEinen Besuch stattete der Katholische Militär-

bischof und Eichstätter Oberhirte Dr. WalterMixa am 2. Juli 2002 dem Wehrbeauftragten Dr.Wilfried Penner in seinem Berliner Amtssitz ab.

Im Mittelpunkt des ausführlichen Gedanken-austausches standen Fragen der Familien-betreuung und -seelsorge, die Lage der Soldaten-familien und Partnerschaften im Zusammenhangder Auslandseinsätze und ethisch-relevanteRechtsgrundlagen für das soldatische Handeln.Auch Fragen der Verwirklichung von Religionsfrei-heit und freier Religionsausübung angesichts einerwachsenden Anzahl nicht konfessionell gebunde-ner Soldaten kamen zu Sprache. Dazu gehörtauch die Ausstattung der „Feldlager“ mit Kapellenbzw. „Räumen der Stille“. Der Wehrbeauftragtebegrüßte das Engagement des Militärbischofs ge-genüber der Katholischen Arbeitsgemeinschaft fürSoldatenbetreuung (KAS), die sich in diesen Feld-lagern durch die Einrichtung von „Oasen“ an derBetreuung der dort stationierten Soldaten wirksambeteiligt. (M. Beyel, KMBA)

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103AUFTRAG 248

AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

STANDORT LAUPHEIM

„Schrecklich ist die Einsamkeit am Abend und am Wochenende“Werkwoche in Immenstadt für Soldatenfamilien im

Bereich des Katholischen Leitenden Militärdekans (KLMD) Sigmaringen

„Schrecklich ist die Einsam-keit am Abend und am Wo-chenende.“ Dieser Satz fasst

die Erfahrungen einer Frau zusam-men, deren Mann seit Jahren für dieBundeswehr an Auslandseinsätzenteilnimmt. In der Woche nach Osternnahmen Soldaten vom Heeresflieger-regiment 25 aus Laupheim an einerFamilienwerkwoche des KatholischenLeitenden Militärdekans Sigmarin-gen in Immenstadt teil. Im Rahmendieser Veranstaltung fand am Don-nerstag ein Vortrag und eine Diskus-sion mit Vertretern des Zentralinsti-tuts für Familie und Ehe der katholi-schen Universität Eichstätt statt.

Nach einem Referat zum Thema„Krisen in der Familie“ durch denDiplomtheologen Peter Wendl ausEichstätt berichteten die anwesendenFrauen und Soldaten über ihre Erfah-rungen mit der Bewältigung von Kri-sen, die durch Auslandseinsätze derBundeswehr hervorgerufen wurden.Seit Jahren nehmen die Heeresflie-ger aus Laupheim an Einsätzen derUNO und der NATO teil. Überwa-chungsflüge im Irak wurden ebensodurchgeführt wie Einsätze im Kosovound Mazedonien. Diese dauerndeAbwesenheit hat in den FamilienSpuren hinterlassen, die zum größtenTeil nur durch die enge Verbindungder Frauen untereinander gemildertwerden konnten. Auch zum jetzigenZeitpunkt befinden sich Soldaten imAusland oder sind auf dem Weg zumEinsatzgebiet in Afghanistan. Nacheiner kurzen Bedenkzeit berichtetendie Soldatenfrauen über ihre Sorgenund Probleme und über die gefunde-nen Lösungswege.

Bei der Diskussion wurde deut-lich, dass es Berührungsängste zurder Militärseelsorge gibt. Eine stär-kere Präsenz des Seelsorgers in denKasernen wäre daher wünschens-wert. Die Werbung für Veranstaltun-gen durch die Dienststelle desMilitärpfarrers kann aber nicht dieMundpropaganda unter den Soldatenersetzen, die für eine Verankerungder Präsenz der Militärseelsorge von

großer Bedeutung ist. Ebenso helfenaber auch private Bindungen zwi-schen einzelnen Soldatenfamilien,die Probleme der Familien zu lin-dern. Dabei sind es besonders auchprivate Initiativen der Einsatz-soldaten, die helfen, die Kommuni-kation zwischen den Soldaten undden Angehörigen zu verbessern. DieFührsorgepflicht des Dienstherrn fürseine Soldaten stehe dabei in einerdeutlichen Wechselbeziehung zudessen Erwartung, dass die Soldatenihre Dienstpflichten bestmöglich er-füllen.

Auch das Zentralistitut für Eheund Familie an der KatholischenUniversität Eichstätt-Ingolstadt hat

Die Familienwerkwoche leitete der KLMD Sigmaringen,Militärdekan P. Johann Müller SAC, in der Bildmontage mitdem jüngsten zur Militärseelsorge gehörenden Teilnehmer.

es sich zum Ziel gesetzt, die von Aus-landseinsätzen betroffenen Familienbei der konkreten Bewältigung der-entstandenen Situation zu unterstüt-zen. Die Teilnehmer(innen) an derWerkwoche waren sich einig, dassbereits im Vorfeld eines Auslands-einsatzes alle Möglichkeiten genutztwerden müssten, um entstehendeProbleme so weit wie möglich zu ver-meiden oder darauf angemessen rea-gieren zu können. Auch die militäri-schen Verantwortlichen könntendurch die Erleichterung der familiä-ren Situation dafür sorgen, dass diean sich schon schwierigen Auslands-aufenthalte nicht unnötig erschwertwerden.(Edgar Schuler/KLMD Sigmaringen)

GKS KÖLN: Flagge zeigen!Spitze der Fahnenabordnungen in der Kölner Fronleichnamsprozession 2002

Fahnenabordnungen der GKS in NRW unddes Militärseelsorgebezirks Köln nahmen

in diesem Jahr zum zweiten Mal an derFronleichnamsprozession mit Joachim Kardi-nal Meisner um den Kölner Dom teil.Vielleicht sind nach Schaffung des neuenSeelsorgezentrums Köln – Köln/Wahn – Bonnim kommenden Jahr mehr Teilnehmer, als dieacht in diesem Jahr, vor Ort. (Artur Ernst)

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104 AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

LEITENDER KATHOLISCHER MILITÄRDEKAN AUSLAND:

Erste Internetkonferenz unter dem Dach des Militärbischofamtes

Zur konstituierenden Sitzung ei-ner Arbeitskonferenz Auslandhatte der Leitende Bereichs-

dekan Ausland MD Prälat WalterTheis vom 25.-26. Januar 2002 nachRolduc/NL eingeladen. Gleichzeitigwurde am Rande dieser Sitzung ersteVorbereitungen und Absprachen fürdie 42. Woche der Begegnung mitden Verantwortlichen des Tagungs-zentrum in Rolduc getroffen.

Die Konstituierung einer Arbeits-konferenz war von Vertretern ausdem Bereich Ausland während der41. Woche der Begegnung angeregtworden. Trotz vieler Bedenken undUnkenrufen, eine solche Veranstal-tung sei allein schon aus Gründender weiten Entfernungen nicht mög-lich, hat eine kleine Gruppe von Sol-daten und zivilen Angehörigen desMitarbeiterkreises in Brunssum die-se Konferenz zielstrebig vorbereitetund in enger Zusammenarbeit mitdem zuständigen Fachreferaten imKatholischen Militärbischofamtdurchgeführt. Hier gilt unser Dankbesonders unserem MilitärdekanTheis und seinen Mitarbeitern, sowieDipl.-Theol. Manfred Heinz vom Re-ferat IV. Stellvertretend für denMitarbeiterkreis Brunssum ein Dankan Herrn HptFw Scherer, der in vie-len Vorbereitungstreffen und wäh-rend der Veranstaltung mit seinemTeam wesentlich zum Erfolg beige-tragen hat.

Die größte Problematik bei derPlanung bestand darin, den gesamtenBereich Ausland an einer Konferenzzu beteiligen, da eine Anreise vonTeilnehmern aus den USA und Süde-uropa aus Gründen der weiten Ent-fernungen und der damit verbunde-nen hohen Reisekosten nicht in Be-tracht kam. In enger Zusammenar-beit mit dem KMBA haben wir ver-sucht, neue Wege in der Kommuni-kation und Kooperation zu beschrei-ten und haben eine Internetkonfe-renz als zentrales Element dieser Sit-zung geplant. Dazu musste zunächsteine Internetseite geschaffen werden,die als gemeinsame Informations-plattform gedacht war. Für die Sit-zung wurde ein Chatraum eingerich-tet, der die gleichzeitige Kommuni-

kation mit Teilnehmern aus Hollo-man/USA und Neapel/Italien ermög-lichte. Auch wenn eine Einbeziehungder Internetteilnehmer in eine leben-dige Diskussion sich als äußerstschwierig erwies, konnten die Chat-teilnehmer zu zentralen Fragen Stel-lung nehmen und abstimmen. DerChat trug auch zur Erheiterung derAnwesenden bei, insbesondere hatein uns lieb gewonnener Teilnehmermit dem Pseudonym „Licola“ dazubeigetragen. Wurde er zuerst irrtüm-lich als „Störer“ und „unerwünschtePerson“ vom Chat-Master beinaheaus dem Chatraum vertrieben, hat erneben vielen Sachbeiträgen auchimmer wieder für Lacher gesorgt.Hier eine kurze, zusammengestellteKostprobe aus dem Chatprotokoll

(Auszug s.Kasten nächste Seite):Ein Teilnehmer mit dem Namen„Arschdries“ betrat den Chat undstörte die Konferenz erheblichdurch verhöhnende und beleidigen-de Kommentare. Der Chat-Masterveranlasste daraufhin, das alleOnline-Teilnehmer den Chat verlas-sen sollten, um sich kurz danachwieder einloggen. Kurz darauf be-tritt „Licola“ den Chat.

Am Ende haben sich die Anwe-senden sich darauf verständigt eineArbeitskonferenz Ausland einzurich-

Tagungszentrum Rolduc/NL:Ansicht des Hauptgebäudes

ten. Nach der Konstituierung wurdeder Moderator der Arbeitskonferenzgewählt. Zur Wahl standen AndreasRostek aus SHAPE und Hans-DieterScherer aus Brunssum. In geheimerWahl wurde Herr Scherer mit 3 Stim-men als Moderator und Herr Rostekmit 2 Stimmen als Vertreter gewählt.Beide nahmen die Wahl an.MD Theis der bis dahin durch dieSitzung geführt hatte, übergab denVorsitz an H.-D. Scherer. Es wurdenals Tagesordungspunkte neben demBericht des Leitenden Bereichsde-kan, die Berichte aus den Seelsorge-bezirken im Bereich Ausland vorge-tragen. Als letzter Tagesordnungs-punkt wurde der Termin der nächs-ten Arbeitskonferenz Ausland für die11. Kalenderwoche 2003 vorge-merkt. MD Theis hob in seinenSchlussworten heraus, dass er sichsehr darüber gefreut hat über dieEinrichtung einer Arbeitskonferenz,auch wenn er im Nachgang der 41.Woche der Begegnung nicht so rechtdaran geglaubt hatte.

Wir Ausländer wollen nun auchdie mittlere Ebene des Laienaposto-lates mit Leben füllen und damit alswirkungsvolles Beratungsgremiumunseren Bereichsdekan in seinenAufgaben unterstützen. Der Zentra-len Versammlung wollen wir die Be-sonderheiten der Militärseelsorge anunseren Auslandstandorten aufzei-gen. Insgesamt ist diese Internet-konferenz als Grundstein für weitereVorhaben zu sehen und konnte daherauch als Erfolg für die Beteiligten ge-wertet werden. (Andreas Koppers)

Teilnehmer der 1. ArbeitskonferenzBereich Ausland

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105AUFTRAG 248

AUS DEN BEREICHEN UND STANDORTEN

BUCHBESPRECHUNG

Das politische Buch

Jürgen Hogrefe: Gerhard Schröder. EinPorträt. Siedler Verlag, Berlin 2002,224 S.

Reinhard Urschel: Gerhard Schröder –Eine Biographie. DVA, Stuttgart 2002.400 S.

Gerhard Schröder: Instinkte statt VisionenKein Zweifel: Gerhard Schröder ist ein

pragmatischer Politiker. Er hat ausgeprägtepolitische Instinkte, keine Visionen. SeinPolitikstil ist näher bei Helmut Schmidt alsbei Willy Brandt, und genau wie bei Schmidtist das Verhältnis zur eigenen Partei auchmanchmal eher distanziert. Der Beobachterkann das gerade jetzt, auf dem Höhepunktdes Bundestagswahlkampfes, wieder sehen.Bisher haben ihn seine gut funktionierendenInstinkte von Sieg zu Sieg bis ins Kanzleramtgetragen. Reicht das weiterhin? Wer ist die-ser Gerhard Schröder, der so geschmeidig mitden Medien umgeht?

Ein Porträt, keine Biografie, hat der„Spiegel“-Journalist Jürgen Hogrefe ge-schrieben. Er kennt Schröder seit 20 Jahren,auch aus der Nähe. Seine Fähigkeit zur guten„Schreibe“ und die Nähe zur Person verdich-tet Hogrefe zu einem geschliffen geschriebe-nen Bild des derzeitigen Bundeskanzlers.Manchmal verliert dabei der Inhalt gegenden bekannten Schreibstil des „Spiegel“.

Auch Hogrefe sieht Schröder als Politi-ker, der weniger durch Visionen als vielmehrdurch einen funktionierenden Machtinstinktgetrieben wird: „Der so ganz und gar andersgewirkte feinsinnige Alt-Genosse ErhardEppler hat ihn deswegen mit Bewunderungals ‘political animal’ charakterisiert. DieserBegriff meint auch den lauernden Instinktdessen, der ständig auf der Suche nach demrichtigen Zeitpunkt ist, um Beute zu machen,und die ständig lauernde Bereitschaft, sie vorden begierigen Konkurrenten abzusichern.‘Instinkt’, sagt Schröder selbst, ‘ist mindes-tens so wichtig wie der Verstand. Das kannman nicht lernen, das ist ja was Animali-sches.’“ Die Stärke Hogrefes ist, dass er derPerson Schröder nahe kommt. Die hohe Be-deutung der Wirtschaftspolitik in Schröderspolitischem Konzept hat der Autor erkanntund herausgearbeitet. In seiner Zeit alsniedersächsischer Ministerpräsident avan-cierte er gar zum „bestaunten Liebling derWirtschaft“. Und die Wirtschaft faszinierteSchröder: „Hier sah er eine Machtfülle kon-zentriert, gegen die sich seine politischeMacht im Lande Niedersachsen gelegentlichsehr bescheiden ausnahm. Hier wirkte eineMagie der Macht, wie er sie auf seinem poli-tischen Weg nach oben noch nicht kennengelernt hatte. Hier wartete eine neue Heraus-forderung auf Gerhard Schröder.“

Auszug aus dem Chat-Protokoll[16:38:28] Licola: Hallöchen[16:38:30] Koppers: verlassen Sie bitte den Chatraum….[16:38:45] Licola: was, erst soll ich kommen, jetzt soll ich gehen, was als naechstes ???[16:38:28] MKS_Brunssum: Licola wollen Sie auch nur stören.

Bitte verlassen Sie den Chat. Dies ist eine geschlossene Gesellschaft.[16:38:28] Licola: Ich bins doch….[16:39:58] Koppers: … wer ist ich?[16:39:58] Licola: Bin ich nicht erwünscht?

Herr Junge-Bornholt, Pfarrhelfer aus Neapel gibt den entscheidenen Hinweisdas „Licola“ der Militärpfarrer Lückertz aus Neapel ist.

[16:40:27] MKS_Brunssum: Nein. Sie sind natürlich erwünscht. Bedauerliches versehen. Entschuldigung[16:40:43] Koppers: Herzlich Willkommen zur Konferenz![16:41:14] Licola: Ok, alles klar. Komme gerade aus Rom zurück.[16:41:36] Koppers: Es wird gerade durch Herrn Heinz vom KMBA die Ordnung

der Arbeitskonferenz vorgestellt[16:42:13] Licola: Dann seien alle herzlich von mir gegrüßt. Besonders auch Manfred Heinz.[16:42:38] Licola: Buona sera, Hubert...[16:43:09] Licola: Übrigens, ich bin der MilPf von Neapel.[16:43:39] Muenchmeyer: Waren fast schon draufgekommen![16:45:42] Licola: Hubert, ist Hermann auch an der Taste?[16:46:09] Licola: Darf ich mal fragen, wer Koppers sein könnte?[16:46:30] Muenchmeyer: Sollen wir auch rausgehen![16:46:42] MKS_Brunssum: Leider nein. Das Kenntwort die die Abkuerzung der Kurie in Berlin

kleingeschrieben. Das Passwort ein sehr bekannter Wallfahrtsortauch kleingeschrieben

[16:47:01] Licola: Ach so, das weiss ich ja....[16:47:35] MKS_Brunssum: Bitte alle im Chat bleiben. Koppers ist Mitglied des Mitarbeiterkreises Brunsum. Wir haben hier zwei Maschinen und bedienen damit den Chat[16:47:36] Licola: Die Laufzeit ist etwas lahm, oder ...?[16:47:50] Licola: Ach so.[16:47:54] Koppers: Heinz: Aufgaben AK Bereich Ausland: (4 Vertreter), Beratung des

WB Dekans, Foerderung des Laienapostolat, Info und Erfahrungsaustauschuntereinander; spirituelle und fachliche Weiterbildung

[16:49:51] Licola: Man nennt das auch geistigen Diebstahl[16:50:10] MKS_Brunssum: Das sind gute Vorasusetzungen für unser weiteres Vorgehen.

Ich bitte Rechtschreibfehler zu entschuldigen.Wir schreiben mit 2 Finger Suchsystem. Danke

[16:50:46] Licola: Hier findet das „Adler-Such-System“ statt...[16:50:50] MKS_Brunssum: PS Alle Anwesenden lesen Beiträge online über Beamer mit.[16:51:06] Licola: Ups, dann muß ich mich ja benehmen... scusi![16:51:43] Koppers: Heinz: Teilnehmer (Punkt 3 i.d. Ordnung) Seelsorgebezirksrat ersetzte

den ehem. Pfarrgemeinderat Wahlberechtigte:[16:54:06] Licola: Amerika verläßt den Raum; Europa ist mal wieder unter sich.[16:54:33] Licola: Wae schon jemand von SHAPE hier oder Madrid?

Hogrefe vermerkt auch, dass im Regie-rungsalltag schnell – nicht erst seit dem 11.September 2001 – die Außenpolitik diemeiste Zeit im Kalender des Kanzlers bean-sprucht.

Ein anderes Buch hat Reinhard Urschelgeschrieben: eine Biografie, die den Lebens-weg Gerhard Schröders ausleuchtet unddabei immer auch einen Einblick in die Ent-wicklung der deutschen Sozialdemokratie inden letzten zwanzig Jahren gibt. Den Weg insKanzleramt beschreibt der Berliner Korres-pondent der Hannoverschen AllgemeinenZeitung kenntnis- und anekdotenreich. DieKämpfe der Troika Schröder, Lafontaine,Scharping werden von ihm anschaulich ge-schildert. So sehr Urschel die innerpartei-

liche Entwicklung der SPD in den neunzigerJahren nachvollziehbar macht, wird er dochimmer dünner, je näher er der Gegenwartkommt. Der Kanzler Schröder kommt bei ihmzu kurz und damit auch die außen- undsicherheitspolitischen Umbrüche der letztenJahre, die ja erheblichen Einfluss aufSchröders Politik hatten und haben.

Im Vergleich der beiden Bücher lässtsich festhalten: Reinhard Urschel hat bei al-len Verkürzungen einen brauchbaren„Schröder für Anfänger“ geschrieben, wäh-rend Jürgen Hogrefe einiges an Politikwissenvoraussetzt und eine amüsante gehobenePlauderei über Gerhard Schröder, also einen„Schröder für Fortgeschrittene“ anbietet.

(Eckhard Stuff)

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106 AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

Ökumenischen Gottesdienst zur Vorbereitung auf das feierliche Gelöbnisam 20. Juli 2002 im Bendlerblock in Berlin

Rund 500 Rekruten der 5. und6. Kompanie, sowie derSicherungskompanie des

Wachbataillons beim Bundesminis-terium der Verteidigung aus der

Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding sprachen am Samstag, den20. Juli 2002 ihr feierliches Gelöbnisin Berlin, Bendlerblock.

Aus diesem Anlass luden der Ka-tholische Leitende MilitärdekanHartmut Gremler, Erfurt, und derevangelische Militärpfarrer MichaelWeeke, Berlin, vormittags zu einemökumenischen Standortgottesdienstin die Julius-Leber-Kaserne ein. Mu-sikalisch untermalt wurde der Got-tesdienst vom Musikkorps der Bun-deswehr aus Siegburg.

In seiner Predigt zeigte Militär-dekan Gremler auf der Grundlage deralttestamentlichen Textstelle (Sir15,15 – 20) die Kausalität zwischen„Wollen und Können“, gerade imethischen Bereich, auf. „Wollen undKönnen hängen sehr eng zusam-men“, sagte Gremler in seiner Text-auslegung. In unserer Zeit werde vieldarüber gesprochen, dass wir neueWerte brauchten. Besonders immer

Ökumenischer Gottesdienst mit demKLMD Erfurt, Hartmut Gremler (r.), unddem evangelischen Militärpfarrer Mi-chael Weeke, Berlin (r) im Gespräch mitRekruten.

dann, wenn neue Skandale aufge-deckt würden, Skandale in derLebensmittelindustrie, in der Um-welt, in der Wirtschaft, in der Politik.„Jeder von uns ist angesprochen“, soder Militärseelsorger. „Wenn duwillst, kannst du es“, z.B. miteinan-der im Frieden leben, höflich undrücksichtsvoll sein, in den Beziehun-gen die Treue halten, sich jeder Zeitmiteinander versöhnen und dieWahrheit sagen. „Wenn du willst,kannst du es“. Wer sich an die WorteJesu halte und die Gebote befolge,der komme auch besser mit den Wid-rigkeiten des Lebens zurecht, betonteGremler. Gott wolle uns nicht seinenWillen aufzwingen, sondern Gottmöchte, dass wir seine Gebote frei-willig halten mit ganzem Herzen undmit ganzem Willen. „Ich bin gekom-men um Gesetz und Propheten zu er-füllen“, sagt Jesus (Mt 5,17). „Ichbin gekommen, um ganz und gardanach zu leben“. Gott selber ist es,der unser Leben und das Gelingenunseres Lebens will, ermunterteGremler die Wehrpflichtigen. DasZiel heiße: „Wirkliches, erfülltes Le-ben, Glück, Frieden und Gerechtig-keit“. (M. Beyel, KMBA)

AUS DEM BUNDESVORSTAND DER GKS

Neubenennung der Mittleren Ebene der GKSDer Bundesvorstand hat auf seiner Sitzung in Dornstadt am 15. Juni be-

schlossen, die seit 1971 gültige Wehrbereichs-Bezeichnung ihrer mittle-ren Ebene aufzugeben. Damit reagiert der Verband auf die Neuordnung der ter-ritorialen Organisation der Bundeswehr (vier Wehrbereiche statt bisher sieben)sowie die Änderung der Zuständigkeitsbereiche und damit einhergehend dieUmbenennung der dienstaufsichtsführenden Leitenden Militärdekane.Zunächst gilt die folgende Regelung:

Bisherige Bezeichnung Neue Bezeichnung Zuordnung zum KLMDGKS im WB I / See GKS Nord / Küste KLMD KielGKS im WB II GKS Niedersachsen / Bremen KLMD HannoverGKS im WB III GKS Nordrhein-Westfalen KLMD Köln-WahnGKS im WB IV GKS Rh-Pfalz/Hessen/Saarland KLMD KoblenzGKS im WB V GKS Baden-Württemberg KLMD SigmaringenGKS im WB VI GKS Bayern KLMD MünchenGKS im WB VII GKS Bereich Ost KLMD ErfurtGKS Bereich Ausland GKS Bereich Ausland KLMD Ausland

GKS-Handbuch auf CDNach der Absicht des Bundesvor-

standes soll bis Jahresende 2002das Handbuch überarbeitet und alsCD-ROM herausgegeben werden.Zur Vorbereitung fordert der Bundes-geschäftsführer die Bereiche, Kreise,Ansprechpartner und Funktioner derGKS zur Stellungnahme auf. Es sollgeprüft werden, welche Teile beibe-halten, welche verändert und welchegestrichen werden sollen. Ziel ist es,das Handbuch der Praxis anzupassenund möglichst von Balast zu befreien.Vorschläge bitte umgehend an dieBundesgeschäftsstelle Berlin senden• Fax (03020619991) oder• Email: [email protected]

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Vom Rhein an die SpreeBerliner GKS-Büro im KMBA am 3. Juli eingeweiht

Nun hat auch die Gemeinschaft Katholischer Soldaten(GKS) ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin ge-nommen. Aus diesem Grund fand am 3. Juli 2002 die

feierliche Einweihung der neuen GKS-Bundesgeschäftsstelleim Gebäude des Katholischen Militärbischofsamtes statt.

In einem gemeinsamen Gottesdienst hob Militärgeneral-vikar Walter Wakenhut die Wichtigkeit der Zusammenarbeitzwischen Priester und Laien sowie die Bedeutung des Laien-apostolates für die Militärseelsorge hervor: „Sie machen Kir-che unter den Soldaten erfahrbar – sie zeigen, was es heißt,gemeinsam Kirche zu sein.“ Die Gemeinschaft KatholischerSoldaten ermögliche es den Laien an verantwortlicher Stellein der Kirche unter den Soldaten mitzuwirken, sich einzubrin-gen und so selbst ein lebendiger Stein im Bau dieser Kirche zusein. Soldaten seien es gewöhnt, Verantwortung zu überneh-men und es zeichne die Militärseelsorge aus, dass sie Mitar-beiter habe, für die das Ehrenamt nicht Beliebigkeit bedeute,sondern Verpflichtung. Die Präsenz der Gemeinschaft Katho-lischer Soldaten im Haus der Kurie des Katholischen Militär-bischofs sei dafür ein deutliches Zeichen, unterstrich der Ge-neralvikar.

Beim anschließenden Empfang dankte der Bundesvorsit-zende der GKS, Oberst Karl-Jürgen Klein, MilitärgeneralvikarWakenhut, dem Geistlichen Beirat der GKS, MilitärdekanGeorg Kestel und dem Vorstand der Katholischen Soldaten-seelsorge, Detlef Warwas, für die Unterstützung bei der Ein-richtung des GKS-Büros im Gebäude des KatholischenMilitärbischofsamtes: „Wir konnten hier im Amt einen geeig-neten Raum finden, der uns die Möglichkeit bietet, unsere Ar-beit sinnvoll und effektiv zu gestalten und durchzuführen“.Die GKS unterstütze die amtliche Militärseelsorge. Trotz derräumlichen Nähe zum Militärbischofsamt und zur Kurie desMilitärbischofs sei die GKS aber ein selbständiger und unab-hängiger Verband. Oberst Klein bot den Referatsleitern undden Mitarbeiter(inne)n des Katholischen Militärbischofs-amtes eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der GKS und ih-rer Mitarbeiter an, und bat seinerseits für die Zukunft um Un-terstützung für das ehrenamtliche Engagement.

Im Rahmen der Feier wurde Oberst a.D. Dr.Klaus Achmann als neuer Bundesgeschäftsführer derGKS vorgestellt. Er hat diese Tätigkeit von Obersta.D. Jürgen Bringmann übernommen, der über mehre-re Jahre als Referent des Bundesvorstands GKS dieseAufgabe wahrgenommen hatte. Oberst a.D. Dr. KlausAchmann dankte für die guten Worte und für die Se-genswünsche. Er freue sich auf seine neue Arbeit inBerlin, versicherte Achmann, und hoffe zum Wohlealler wirken zu können. (PS/KMBA)

Militärdekan Georg Kestelals Geistlicher Beirat derGKS spendet den Räum-lichkeiten der GKS-Bundes-geschäftsstelle im Beiseinzahlreicher Gäste aus demKMBA den kirchlichen Se-gen (Foto r.u.l.)Oben r.: noch ist derSchreibtisch des Bundes-geschäftsführers übersicht-lich, was sich sicher baldändern wird.Mitte: Blick aus dem Fens-ter der Geschäftsstelle,über den Innenhof des Am-tes hinweg. Im Hintergrunddie Baustelle „Museums-insel“ vor dem BerlinerFernsehturm. (Fotos PS)

AUS DER VERBANDSARBEIT

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KIRCHE UNTER SOLDATEN

Die GKS führt in Zusammenarbeit mit demBonifatiushaus Fulda und dem Zentralinstitut„Ehe und Familie in der Gesellschaft“ (ZFG)der Katholischen Universität Eichstätt das

9. Seminar der „GKS-Akademie Oberst Helmut Korn“durch.Thema: „Soldat – Ehe – Familie – Partnerschaft“Zeitraum: 28. April bis 2. Mai 2002Ort: Bonifatiushaus Fulda

Mit dem gewählten Thema stellt sich die GKS Fragen,die sich vor allem aus den Einsatzaufträgen der Bundes-wehr im Ausland und den dadurch bedingtenmehrmonatigen und wiederholten Abwesenheiten für dieSoldaten, ihre Familien und die Partnerschaften in Eheund Freundschaften ergeben. Das Seminar soll vor allemTrends aufzeigen und nur in zweiter Linie praktischeVerhaltensregeln für die Überwindung von Kriesen geben.Allerdings sollen auch Hinweise erfolgen auf konkreteHilfen, die vom Dienstherrn, von der Militärseelsorge undanderen Organisationen angeboten werden. BestehendeRegelungen sollen hinterfragt und ggf. neue Anregungenerarbeitet werden.

Eingebunden in das Seminar ist die Feier einesFriedensgottesdienstes mit dem Katholischen Militär-bischof und Truppenteilen aus dem Umfeld von Fulda.

Die Akademie Oberst Helmut Korn ist eine 1987 ge-gründete Einrichtung der Gemeinschaft Katholischer Sol-daten (GKS). Sie findet alle zwei Jahre statt. Ab dem Jahr2003 wird der Durchführungszeit von der Woche um denAllerheiligen-Tag (1. November) auf die Woche um den 1.Mai verlegt. Ziel der GKS-Akademie ist es, vor allem Offi-zieren und Unteroffizieren Wege durch das Spannungs-feld zwischen Beruf und Politik, Führungsverantwortungund Individualisierung aufzuzeigen.

Die Akademie ist nach dem Mitbegründer und geisti-gen Vater der GKS, Oberst Dr. Helmut Korn (†1983), be-nannt. Sie wird vom Ehrenbundesvorsitzenden der GKS,Oberstleutnant a.D. Paul Schulz, geleitet.

Im Bonifatiushaus, dem Haus der Weiterbildung derDiözese Fulda, hat die GKS einen in Deutschland zentralgelegenen Ort der Begegnung gefunden, der durch dievom „Apostel der Deutschen“ begründete christliche Tra-dition und die damit verbundene geistig-geistliche Aufge-schlossenheit bestimmt ist.

Karl-Heinz Lather Dr. Antonius GescherGeneralmajor Direktor BonifatiushausKoG II. Korps Wissenschaftlicher Begleiter

Schirmherr der GKS-Akademie der GKS-Akademie

GKS-AKADEMIEOBERST

HELMUT KORN

9. Seminar 2003:

»Soldat,Ehe,

Familie,Partnerschaft«

Programm(Stand Juli 2002)

Montag, 28. Aprilbis 14.00 Anreise, Kaffee14.30 Begrüßung14.40 „Wertekonsens – Wertedifferenz in der

deutschen Gesellschaft“, Vortrag undAussprache: Prof. Dr. Paul M. Zulehner,Wien

17.20 Einführung in das Seminar,Grußworte: Schirmherr, Bundesvorsit-zender GKS, Direktor Bonifatiushaus

18.30 Abendessenanschl. gesellige Runde zum Kennenlernen

Dienstag, 29. April08.00 Morgenlob09.00 „Pluralität der Lebensformen: Ist das

Bewährte und Verbindliche am Ende?“,Vortrag und Aussprache: Prof. Dr.Friedrich Udo Schmelzle, Münster

15.00 „Was tut die Politik für die Familie?“,Vortrag mit Aussprache: Prof. Dr.André Habisch, ZFG Eichstätt

16.00-17.30 Arbeitsgruppen zu verschiedenen As-pekten des Nachmittagsthemas,Moderation der AG: Habisch ZFG, Mit-arbeiter ZFG, Kuhn AGE, KestelKMBA, Ursprung KLMD Koblenz

19.30 „Thesen zur Seelsorge an Soldaten-familien“, Vortrag von MilitärbischofDr. Walter Mixa

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GKS-AKADEMIE OBERST HELMUT KORN

Zielgruppe für die Teilnahme an einem Seminar derGKS-Akademie Oberst Helmut Korn

• Offiziere und Offizieranwärter• Unteroffiziere und Unteroffizieranwärter

Anmeldung• ab Oktober 2002 bis spätestens 1. März 2003• über den Katholischen Standortpfarrer oder den

Vorsitzenden des örtlichen GKS-Kreises/Ansprech-partner der GKS oder unmittelbar beim Bundes-geschäftsführer der GKS

Am Weidendamm 2, 10117 BerlinPostfach 64 02 32, 10048 BerlinTel: 030-2061999-0, Fax: -1eMail: [email protected]

• soll folgende Angaben enthalten:Name, Vorname, Geburtsdatum, Dienstgrad,Truppenteil/Dienststelle mit Anschrift,Privatanschrift, Tel/Fax.

• wird entsprechend ihres Eingangs und der Zugehö-rigkeit zur Zielgruppe berücksichtigt. Kann eine An-meldung z.B. aus Platzgründen nicht angenommenwerden, erfolgt unverzüglich eine Benachrichtigungdurch die Bundesgeschäftsstelle.

Kostenbeitrag:Eine Teilnehmergebühr wird nicht erhoben. Für Unter-kunft und Verpflegung wird der für Veranstaltungen derMilitärseelsorge übliche, gestaffelte Tagessatz für 4 Tageerhoben:

– Wehrsoldempfänger 4 x 5,00 = EUR 20,00– bis Bes.Grp A8 4 x 7,00 = EUR 28,00– Bes.Grp A9-A12 4 x 11,00 = EUR 44,00– Bes.Grp A13-A15 4 x 13,00 = EUR 52,00– ab Bes.Grp A16 4 x 17,00 = EUR 68,00

Der Eigenanteil ist beim Eintreffen am Seminarort zu ent-richten. Sollten Sie Ihre Anmeldung kurzfristig - d.h. nachdem 01.04.2003 - zurückziehen, muss der Veranstaltereine Ausfallgebühr in Höhe des Eigenanteils in Rechnungstellen. Diese kann durch Teilnahme einer von Ihnen be-nannten Ersatzperson vermieden werden.

Hinweis auf Urlaubsregelung:Das Seminar ist eine Veranstaltung der Katholischen Mili-tärseelsorge. Soldaten können Sonderurlaub gem. Ausfüh-rungsbestimmungen der Soldatenurlaubsverordnung(SUV - ZDv 14/5, F511, Nr. 78 u. 79 Abs. 1 beantragen.

An- und Abreise:Die Anreise soll mit der Deutschen Bahn erfolgen. Fürdiese Veranstaltung der Militärseelsorge stellt die zustän-dige Truppenverwaltung eine Militärdienstrückfahrkarte2. Klasse aus, ggf. mit IC-Zuschlägen.Bei Benutzung von Privat-Pkw werden Fahrtkosten inHöhe einer Militärdienstfahrkarte 2. Klasse und ggf.Mitnahmeentschädigung erstattet. Die Benutzung des Pri-vat-Pkw erfolgt auf eigene Gefahr.Das Bonifatiushaus erreicht man ab Busbahnhof mit derLinie 1A und 2 (Richtung Haimbach/Maberzell) bis Hal-testelle Andreasberg. Zum Busbahnhof können Sie mitden Linien 3 und 4 fahren.

Bekleidung während des Seminars:Dienstanzug „Grundform“ der jeweiligen TSK;zum Pontifikalamt und Empfang am MittwochAusgehanzug mit Jacke.

BONIFATIUSHAUSHaus der Weiterbildungder Diözese Fulda

Mittwoch, 30. April07.30 Morgenlob09.00 Empfang durch den Oberbürgermeister

der Stadt Fulda, Dr. Alois Riehl, im ba-rocken Stadtschloss

10.30 Pontifikalamt mit dem Militärbischof imFuldaer Dom für den Weltfrieden

12.30-14.30 Empfang im Bonifatiushaus für die Teil-nehmer am Friedensgottesdienst

16.00 Fahrt zum Kreuzberg, Besichtigung derKlosterkirche, Imbiss

Donnerstag, 01. Mai07.30 Gottesdienst mit dem Militärbischof in

der Kapelle des Bonifatiushauses09.00 „Soldat – Ehe – Familie – Partnerschaft:

Die Position des Dienstherrn“, Vortragmit Aussprache: BrigadegeneralWinfried Gräber, StAL Fü S I, BMVgBonn

10.30 Arbeitsgruppen zum Thema15.00 Vortrag der Arbeitsergebnisse der

Arbeitsgruppen mit Stellungnahmendazu durch StAL Fü S I, Vertreter Mili-tärseelsorge, Fachfrau Familien-betreuung

18.30 Abendessen19.30 Fortsetzung Vorträge der Arbeits-

ergebnisse mit Stellungnahmen

Freitag, 02. Mai08.00 Gottedienst zum Ausklang der Akade-

mieanschl. Frühstück,Ende des Seminars und Abreise

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110 AUFTRAG 248

KIRCHE UNTER SOLDATEN

KATHOLISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR SOLDATENBETREUUNG (KAS BONN)

Betreuung der Soldaten und ihrer FamilienMitgliederversammlung der KAS in Berlin –

Militärpfarrer Simon berichtet über ISAF-Einsatz in Kabul

Die Betreuung der Soldaten beiFriedenseinsätzen im Auslandund die ihrer Familien in der

Heimat stand im Mittelpunkt derMitgliederversammlung der Katholi-schen Arbeitsgemeinschaft für Sol-datenbetreuung (KAS), die am Mitt-woch, dem 28. Mai 2002, im Katholi-schen Militärbischofsamt in Berlinstattfand.

In seinem Rechenschaftsberichthob der Vorsitzende, Generalmajora.D. Winfried Weick, hervor, dassdie KAS vor allem Maßnahmen undVeranstaltungen zur religiösen, geis-tigen, sittlichen, geselligen, kulturel-len und sportlichen Betreuung derSoldaten in ihrer Freizeit fördere.„Betreuung ist Dienst am Leben undAusdruck christlicher Weltverant-wortung. Als KAS unterstützen wirden seelsorglichen Auftrag des Mili-tärbischofs und ergänzen die Fürsor-gemaßnahmen des Dienstherrn“,sagte Weick und betonte noch einmalden überkonfessionellen Charakterdes Betreuungsangebotes sowie dieenge ökumenische Zusammenarbeitder KAS mit der evangelischen Mili-tärseelsorge und vor allem mit derSchwesterorganisation, der Evangeli-schen Arbeitsgemeinschaft für Sol-datenbetreuung (EAS).

Einen besonderen Raum nahmder Erfahrungsbericht des katholi-schen Militärpfarrers ein, der als ers-ter den Einsatz deutscher Soldaten inKabul/Afghanistan begleitet hatte.Militärdekan Joachim Simon (42),Militärpfarrer in München, betreutevon Januar bis März 2002 das ISAF-Kontingent als Seelsorger. Anhandeindrucksvoller Lichtbilder zeigte erauf, unter welchen extremen Bedin-gungen deutsche Soldaten in KabulDienst leisten und dort ihren Frie-denssicherungsauftrag erfüllen müs-sen. Den Mitgliedern der KAS – Ver-treter verschiedener katholischerVerbände sowie aus Politik, Kircheund Bundeswehr – wurde damitdeutlich, welchen Belastungen dieSoldaten im Einsatzland, aber auch

ihre Familien in der Heimat ausge-setzt sind.

Auch unter diesem Eindruckstimmte die Mitgliederversammlungeinhellig einer Satzungsergänzungzu, die nun die Betreuung der Fami-lien von Soldatinnen und Soldatenausdrücklich als Vereinszweck vor-sieht.

Rainer Krotz (32) – bis 2001 Zeit-offizier und Hauptmann, seit 1. No-vember 2001 Geschäftsführer derKAS mit Sitz in Bonn – wies daraufhin, dass die KAS in Anpassung andie Reformmaßnahmen der Bundes-wehr sich umstrukturiere. So würdenden Mitarbeitern, die für die eigentli-

Das „Handy“macht’s möglich:MD Joachim Simontelefoniert währendseines Erfahrungs-berichts mit seinemNachfolger als Ein-satzpfarrer in KabulGeorg Pütz; links imBild der Vorsitzenderder KAS. General-leutnant a.D. Wil-fried Weick.

che Betreuung zuständig seien, be-stimmte Handlungsfelder wie Bildungund Familie, Großmaßnahmen undWettbewerbe, Neuplanungen undÖffentlichkeitsarbeit zugeteilt. Unterdem Motto „Kein Tag wie jeder ande-re“ solle die Betreuung vor Ort ide-enreich, basisnah und subsidiär un-terstützt werden. (Text und Fotos PS)

PERSONALIA:

Hans-Georg Marohl (79), Obersta.D., einer der Väter der 1956 ge-gründeten Katholischen Arbeitsge-meinschaft für Soldatenbetreuung(KAS e.V.) Bonn, wurde nach 25-jäh-riger Vorstandsarbeit – davon sechsJahre als stellvertretender Vorsitzen-der – bei der Mitgliederversammlungin Berlin am 29. Mai zum Ehrenmit-glied der KAS ernannt. Der Vorsit-zende, Generalmajor Winfried Weik,betonte dabei, dass es Marohl bei derBetreuung von Soldaten in ihrer Frei-zeit immer um den Menschen auf al-len Ebenen – konkret um den Solda-ten, seine Familie und Angehörigen –ging, unabhängig von Dienstgrad,Funktion und Dienststellung. Schwer-punkt von Marohls Vorstandstätigkeit,die er nun altersbedingt aufgibt, warder Aufbau von Betreuungsmöglich-keiten und -strukturen in den neuenBundesländern, nachdem die deut-sche Einheit erreicht war. (PS)

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111AUFTRAG 248

GKS – DOKUMENTIERT IN

Bw-Fachinformation, Reihe 26 - 2/02 „Innere Führung“Herausgegeben vom Streitkräfteamt / Abteilung III /Fachinformationszentrum der Bundeswehr

IntranetBw: http://160.3.10.109/

katholischen Kirche in Deutschland unter friedensethischen As-pekten bewertet.

WW 6673Mixa, Walter; Beyel, Marlene„Die Waffen segnen?“ – Legitimation militärischer Ein-sätze der Streitkräfte und Militärseelsorge“: Moral undEthik dürfen in der Stunde militärischen Handelns nichtvon der Bühne abtretenAuftrag, 41, (2001), 244, S. 45-50Der Katholische Militärbischof Walter Mixa umreißt in einemVortrag an der Führungsakademie der Bundeswehrin Hamburg die Aufgaben, Chancen und Grenzen der Militärseel-sorge mit Blick auf die friedensethische Gewissensbildung derSoldaten. Er definiert die Rolle, die die Militärgeistlichen vor al-lem im Zusammenhang mit den aktuellen Auslandseinsätzen derBundeswehr zu übernehmen hätten. Die ethische Legitimationsolcher Einsätze müsse im gesamtgesellschaftlichen Konsens ge-funden werden, wenn die Kirchen den Streitkräfteeinsatz mit tra-gen sollten. Im Rahmen moralischer und friedensethischer Frage-stellungen könnten die Militärgeistlichen dann dazu beitragen,das Problembewusstsein der Soldaten während eines Einsatzes zuschärfen.

WW 6670Landl, KurtChristliche Soldaten als Friedensstifter: eine ethischeHerausforderungAuftrag, 41, (2001), 244, S. 19-21: Ill.Österreichische Soldaten gehören seit 1960 Kontingenten derUN-Friedenstruppen an. Der Verfasser, im Bundesministerium fürLandesverteidigung in Wien zuständig für Auslandseinsätze desBundesheeres, äußert sich als Soldat und Christ in diesem Kon-text zu Fragen der Ethik und Moral sowie zum Selbstverständnisdes Soldaten im internationalen Friedenseinsatz. MilitärischesHandeln unter UN-Mandat sei politisch und rechtlich abgesi-chert. Es gelte aber, diese Einsätze auch ethisch zu legitimieren.Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Bewälti-gung auch Impulse der Katholischen Kirche und der Militärseel-sorge in Österreich nötig und willkommen seien.

WW 6671Theis, Walter„Der katholische Soldat am Beginn des dritten Jahrtau-sends“: geistlicher Beirat des AMI-Generalsekretariatszur AMI-PositionAuftrag, 41, (2001), 244, S. 38-39Der Verfasser äußert sich als katholischer Militärdekan zur Ethikdes Soldatenberufes. Er sieht den Soldaten der Bundeswehr alsbewussten und demokratisch gefestigten Staatsbürger, der seinenDienst in der Gewissheit leistet, auf dem Fundament der kirchli-chen Friedenslehre zu stehen. Die kirchliche Friedenslehre stelltden Soldaten in den Kontext einer positiven Lebensbewältigung,die sich an der Friedensbewahrung und Friedensgestaltung ori-entiert. In der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) undüber die Militärgeistlichen werden diese ethischen Normen undForderungen den Soldaten nahe gebracht.

WW 6672GKS sorgt sich um die Innere Führung: Bundes-konferenz verabschiedet Positionspapier „Innere Füh-rung der Bundeswehr heute und morgen – Herausforde-rung und Chancen“Auftrag, 41, (2001), 244, S. 39-44Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) hat auf ihrerBundeskonferenz im Mai 2001 ein Positionspapier zur InnerenFührung in der Bundeswehr vorgelegt. Vor dem Hintergrund derStreitkräftereform und der neuen Aufgaben der Bundeswehr weistsie auf Problemfelder der Inneren Führung und auf Schwachstel-len im Alltag der Soldaten hin. Die Ethik des Soldatenberufes inDeutschland und das Selbstverständnis der Bundeswehrsoldatenmüssten auch im multinationalen Einsatz in Krisengebieten un-verrückbare Säulen der Inneren Führung bleiben.Als dynamische Konzeption sei sie so angelegt, dass sie auf dengesellschaftlichen Wandel ebenso reagieren könne wie auf neueErkenntnisse und Herausforderungen. Sie mache die Bundeswehrzu einer menschlichen, demokratiefreundlichen, sozial verträgli-chen und international geachteten Armee.

WW 7038Beyel, M.Militärgeneralvikar Wakenhut besucht Militärpfarrer imSFOR-EinsatzAuftrag, 41, (2001), 245, S. 68-69: Ill.Die Autorin berichtet über die Praxis der Militärseelsorge undden Alltag der Militärpfarrer im SFOR-Einsatz. Der Militär-generalvikar Wakenhut besucht Militärpfarrer vor Ort, denn daspersönliche Gespräch mit den Seelsorgern sei sehr wichtig.

WW 7037Bös, WernerWas ich noch sagen wollte ...: Militärseelsorge auf demEvangelischen KirchentagAuftrag, 41, (2001), 245, S. 6: Ill.Der Autor des Artikels ist der Vorsitzende der Zentralen Versamm-lung der katholischen Soldaten (KMBA) Oberst i.G. Werner Bös.Er begrüßt die zahlreiche Teilnahme katholischer Christen, ka-tholischer Soldaten und Mitarbeiter der katholische Militärseel-sorge am 29sten Evangelischen Kirchentag 2001 in Frankfurt so-wie das Forum „Kurs Ökumene“ in dem führende Vertreter beiderKirchen den weiteren Weg ökumenischer Verständigung aufzeig-ten.

WW 7034Wiesmann, HelmutDer Nato-Einsatz „Essential Harvest“ in MAZ : Bewer-tung einer deutschen Beteiligung unter friedens-ethischen GesichtspunktenAuftrag, 41, (2001), 245, S. 16-19Die Operation „Essential Harvest“ war die dritte Interventionvon NATO-Truppen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Siehatte zum Ziel, die Milizen der albanischen Bevölkerungsgruppezu entwaffnen und damit die Bedingung für eine Verfassungs-reform in Mazedonien zu erfüllen. Kern dieser Verfassungsreformsoll die politische und soziale Besserstellung der albanischenMinderheit sein. Die Intervention der NATO wird aus Sicht der

AUS DER VERBANDSARBEIT

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112 AUFTRAG 248

PERSONALIA

Militärgeneralvikar a.D. Protonotar Dr. Martin Gritz

Martin Gritz, Dr. theol., Militär-generalvikar und Leiter des Ka-

tholischen MilitärbischofsamtesBonn in den Jahren von 1962 bis1981, ist am 21. Juni 2002 im Altervon 85 Jahren in München gestorben.

Martin Gritz wurde am 23. Sep-tember 1916 in Namslau/Schlesiengeboren und empfing am 28. Juli1940 in Breslau durch ErzbischofAdolf Kardinal Bertram die Priester-weihe. Nach Kaplansjahren in

Jauernig/Ostsudetenland und Neisse/Oberschlesien wurde ihm 1942 diePfarrei Sörgsdorf im Ostsudetenlandübertragen. Nach der Ausweisung1946 fand er als Seelsorger der Hei-matvertriebenen Aufnahme im Bis-tum Rottenburg. Ab 1947 arbeiteteer zusätzlich als Repetent am Tübin-ger Wilhelmsstift und von 1953 anals Wissenschaftlicher Assistent ander Katholisch-Theologischen Fakul-tät der Universität Tübingen, die ihn1955 zum Dr. theol. promovierte.

1958 begann Martin Gritz seinenDienst in der Militärseelsorge als Do-zent an der damaligen Schule derBundeswehr für Innere Führung inKoblenz. An der Gründung des Kö-nigsteiner Offizierkreises (KOK) imJahr 1961 und seiner Öffnung zurGemeinschaft Katholischer Soldaten(GKS) im Jahr 1971 hatte er ent-scheidenden Anteil. Außerhalb derMilitärseelsorge wirkte er im Amt desGeistlichen Beirats des Heliand-Bun-des Katholischer Frauen Deutsch-lands von 1961-1993; später, bis zuseinem Tod, als dessen Ehrenbeirat.

Militärbischof Dr. Franz Hengs-bach bestellte Martin Gritz 1962 zu

seinem Generalvikar in Bonn, seinNachfolger als Militärbischof, Erzbi-schof Dr. Elmar Maria Kredel, bestä-tigte ihn 1978 in diesem Amt. NachErreichen der Altersgrenze schied er1981 aus der Militärseelsorge aus.Danach erhielt er einen Lehrauftragfür Soziologie an der Julius-Maximi-lians-Universität in Würzburg. Sei-nen Ruhestand verbrachte MartinGritz seit 1990 im Kreszentiastift inMünchen.

Papst Paul VI. ernannte den Rit-ter vom Heiligen Grab zu Jerusalem1964 zu seinem Hausprälaten und1971 zum Apostolischen Protonotar.Bundespräsident Carl Carstens ver-lieh ihm 1976 des Große Verdienst-kreuz der Bundesrepublik Deutsch-land. Er war Träger des Ehrenkreu-zes der Bundeswehr in Gold und der„Médaille de Saint-Louis du Vicariataux Armées Françaises“. Der Bres-lauer Kardinal Henryk Gulbinowiczzeichnete ihn anlässlich seines dia-mantenen Priesterjubiläums mit demEhrenkreuz des Metropolitankapitelsam Breslauer Dom aus.

(Helmut Fettweis)

Mit Trauer und Verehrung nehmendie Zentrale Versammlung der katholischen Soldaten (ZV)

und die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) Abschied vom

Apostolischen Protonotar Dr. theol. Martin Gritz* 23. September 1916 in Namslau/Schlesien † 21. Juni 2002 in München

Katholischer Militärgeneralvikar von 1962 bis 1981,Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem,Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland,des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold undder Médaille de Saint Louis du Vicariat aux Armées Françaises.

Bereits als Militäroberpfarrer hatte Dr. Martin Gritz 1958 die geistigen Grundlagen für ein Laienengagement in der Katholi-schen Militärseelsorge der Bundeswehr gelegt. Den Apostolatsgedanken förderte er besonders dadurch, dass er katholischeOffiziere ermunterte, „höchstpersönliche Verantwortung“ als Katholiken in Bundeswehr, Staat und Gesellschaft und als Sol-daten in der Kirche zu übernehmen. Aus dieser Idee heraus gründete sich 1961 der Königsteiner Offizierkreis (KOK) alseine Gemeinschaft gleichen Wollens und Handelns.Der Militärgeneralvikar Dr. Gritz erschloss dann die geistlichen Grundlagen und die erforderlichen materiellen Quellen, sodass der KOK sich 1971 zur GKS als einer Gemeinschaft entfalten konnte, die offen ist für alle Soldaten – unabhängig vonDienstgrad, Rang und Stellung.Wir danken Dr. Martin Gritz für seine charismatische Wegbegleitung und für seinen priesterlichen Dienst. Die ZV und dieGKS werden ihm im Gebet ein ehrendes Andenken bewahren.Berlin, 26. Juni 2002

Franz-Josef Pütz Karl-Jürgen KleinOberst Oberst Dipl.-Ing.Vorsitzender der ZV Bundesvorsitzender der GKS

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113AUFTRAG 248

PERSONALIA

Die Zentrale Versammlung der katholischen Soldaten (ZV) unddie Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) nehmen Abschied von

ihrem ehemaligen Geistlichen Beirat für die Laienarbeitin der Katholischen Militärseelsorge der Bundeswehr

Militärdekan a.D. Prälat Werner Köster* 18. August 1930 in Dortmund † 25. Juni 2002 in Würzburg

Katholischer Militärgeistlicher von 1965 bis 1972 in Hammelburg und in Washington D.C./USA,als Leiter des Referates „Kirche und Gemeinde“ im Katholischen Militärbischofsamt von 1974bis 1980 Beauftragter des Militärbischofs für die Laiengremien in der Katholischen Militärseelsorge,Personalreferent im Katholischen Militärbischofsamt und Stellvertreter des Militärgeneralvikarsvon 1980 bis zu seiner Zurruhesetzung 1993,Pfarrverweser der Gemeinde St. Johannes der Täufer in Teilheim bei Würzburg von 1993 bis zuseinem Tode,Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland undder Liborius-Wagner-Plakette des Bistum Würzburg.

Werner Köster hatte sich als Militärdekan in der Kurie des Katholischen Militärbischofs besondere Verdienste um dieNeustrukturierung des organisierten Laienapostolats in Räten und Verband nach der Gemeinsamen Synode der Bistümer derBundesrepublik Deutschland erworben. Als Personalreferent galt sein Augenmerk der Problemlösung, wie der gesetzlichgarantierte Anspruch der Soldaten auf Seelsorge trotz herrschenden Priestermangels erfüllt werden konnte.Die in ZV und GKS organisierten katholischen Soldaten danken Prälat Werner Köster für seine unermüdliche Fürsorge, ge-duldige Beratung und mutmachende Begleitung. Sie werden ihm im Gebet ein ehrendes Andenken bewahren.Berlin, 26. Juni 2002

Franz-Josef Pütz Karl-Jürgen KleinOberst Oberst Dipl.-Ing.Vorsitzender der ZV Bundesvorsitzender der GKS

Militärdekan a.D. Prälat Werner KösterIm Alter von 71 Jahren ist am 25.

Juni 2002 Militärdekan a.D. PrälatWerner Köster in Würzburg gestor-ben. Am gleichen Tag wie für seinenehemaligen Chef, Militärgeneralvikara.D. Dr. Martin Gritz, fand seine Bei-setzung am 28. Juni in seiner„Ruhestandsgemeinde“ in Theilheimbei Würzburg statt.

Werner Köster wurde am 13. Au-gust 1930 in Dortmund geboren undempfing am 22. Juli 1956 in Würz-burg die Priesterweihe durch BischofJulius Döpfner. Nach Kaplansjahrenin Johannesberg und Aschaffenburgwurde er 1958 Präfekt am Studien-seminar Ferdinandeum in Königs-hofen. Im folgenden Jahr übernahmer in Königshofen die Aufgaben einesPfarrverwesers und Religionslehrers.

Mit seinem Eintritt in die Mili-tärseelsorge 1965 wurde WernerKöster zunächst Katholischer Stand-ortpfarrer Hammelburg, bevor er1968 in das Amt des Deutschen Ka-tholischen Militärgeistlichen Was-hington D.C. in den USA wechselte.1972 kehrte er nach Deutschland zu-rück und arbeitete im KatholischenMilitärbischofsamt in Bonn zunächst

als Hilfsreferent im Referat „Kircheund Gemeinde“, dessen Leitung ihm1974 übertrage wurde. 1980 über-nahm er im Katholischen Militärbi-schofsamt die Aufgabe des Personal-referenten.

1993 wurde Werner Köster ausder Militärseelsorge in den Ruhe-stand verabschiedet und übernahmals hauptamtlicher Pfarrverweser mitdem Titel Pfarrer die Gemeinde St.Johannes der Täufer in Theilheim beiWürzburg, die er bis zu seinem Todbetreute. – Die Teilnehmer an derGKS-Akademie Oberst Helmut Korn1999 hatten im Rahmen ihrer Exkur-sion „Blick über den Zaun“ am 3.November den früheren GeistlichenBeirat der GKS in seiner Pfarrei be-sucht und einen erlebnisreichenfränkischen Abend mit ihm und Ge-meindemitgliedern im Pfarrheim ver-bracht (s.a. AUFTRAG 238, S. 60 f.).

Werner Köster wurde 1982 vonPapst Johannes Paul II. zum Päpstli-chen Ehrenprälaten ernannt. Für sei-ne Verdienste um die Neustrukturie-rung der Laienarbeit der Katholi-schen Militärseelsorge nach der Ge-meinsamen Synode der Bistümer der

Bundesrepublik Deutschland unddie Personalgewinnung und Perso-nalführung innerhalb der Militärseel-sorge angesichts des herrschendenPriestermangels zeichnete ihn Bun-despräsident Richard von Weizsä-cker 1989 mit dem Verdienstkreuzam Bande des Verdienstordens derBundesrepublik Deutschland aus.1993 ehrte ihn sein HeimatbistumWürzburg mit der Liborius-Wagner-Plakette. (PS/Scherzer, KMBA)

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114 AUFTRAG 248

PERSONALIA

„Militärseelsorger der ersten Stunde“ Prälat Michael Seitz

Im Alter von 84 Jahren ist am 23.April 2002 der ehemalige Wehrbe-

reichsdekan VI, Prälat Michael Seitz,gestorben. Nach seinem Eintritt indie Militärseelsorge 1956 war er zu-

nächst Katholischer StandortpfarrerFürstenfeldbruck. Von 1964 bis1981 wirkte er als Wehrbereichs-dekan in München.

Militärgeneralvikar Prälat WalterWakenhut bezeichnete am 26. Aprilin seiner Predigt zur Beisetzung Prä-lat Seitz als einen „Mann der erstenStunde, des Aufbaus und der neuenIdeen.“ Nach den Erfahrungen desDritten Reiches habe er sich zutiefstden Ideealen einer neuen Militär-seelsorge verbunden gefühlt, die denMenschen ernst nimmt mit seinerWürde und seinen Rechten, darunterden Anspruch auf die freie Ausübungseines Glaubens.

Es sei ihm ein Herzensanliegen-gewesen, so der Militärgeneralvikar,

Herausforderung und Freude über einen „Heimkehrer“Militärdekan Hartmut Gremler als KLMD Erfurt eingeführt

Militärbischof Dr. Walter Mixa,Bischof von Eichstätt, hat am

Mittwoch, den 24. April 2002 Hart-mut Gremler (50) als KatholischenLeitenden Militärdekan Erfurt einge-führt.

Während eines feierlichen Ponti-fikalamtes in der St. Severi-Kirche inErfurt, das durch das Heeresmusik-korps 13 musikalisch untermalt wur-de, überreichte Militärbischof Mixadem neu ernannten Leitenden Mili-tärdekan die kirchliche Ernennungs-urkunde. Mixa bezeichnete Gremlersozusagen als „Mann der ersten

Stunde“, der die Situation der katho-lischen Kirche in der ehemaligenDDR kennen gelernt habe, aber auchdie Probleme, die sich für Menschenmit der politischen Wende ergebenhätten. Gremler, der Priester des Bis-tums Erfurt ist, kehrt somit wieder inseine Heimat zurück und betritt keinNeuland. Generalmajor Josef Priller,Befehlshaber Wehrbereichskom-mando III, bezeichnete beim an-schließenden Empfang die heimatli-chen Wurzeln des neu ernanntenLeitenden Dekans als große Chance,seine seelsorglichen Aufgaben er-folgreich anzugehen. Eine 40 Jahrelange völlig andere Geisteshaltungund Erziehung, gerade auch gegenü-ber den Fragen der Religion und derZugehörigkeit zu Glaubensgemein-schaften, ließe sich nicht so ohneweiteres verändern, sagte der Gene-ral.

Die Zusammenarbeit und das ge-meinsame Verkünden der frohenBotschaft Jesu Christi, stellte Super-intendent Werner Krätschell, Bevoll-mächtigter für die evangelische Seel-sorge in der Bundeswehr in den neu-en Bundesländern als zentrales An-liegen der beiden Zweige der Militär-seelsorge in seinem Grußwort heraus.Krätschell begrüßte sehr, dass

Gremler die Menschen im Osten vonihrer Lebens- und Glaubenserfah-rung her kenne und so „Christusganz anders als in den gewohntenFormen in sehr eigene Lebensläufevon Menschen“ bringen könne.

In seinen Dankesworten zogMilitärdekan Gremler einen humor-vollen Vergleich. Die Einbahnstra-ßen und Sackgassen der Stadt Erfurterinnerten ihn immer wieder an seineAufgaben als Seelsorger, nämlichMenschen aus Sackgassen in Ein-bahnstraßen zu führen. Für ihn als„Heimkehrer“ sei seine neue Aufga-be eine Herausforderung, aber aucheine Freude. (M. Beyel/KMBA)

die Pfarrer, die in den Dienst derMilitärseelsorge traten und häufigals Ungediente vom soldatischenLeben und Auftrag wenig oder keineAhnung hatten, mit dieser neuen Si-tuation vertraut zu machen. Auchwollte er diese befähigen, Kirche inder Kaserne zu repräsentieren, Kir-che lebendig zu machen und diejungen Menschen für die Sache Got-tes und seiner Kirche zu begeistern.Soldatenexerzitien, Familienwochen-enden, Wallfahrten wie alle anderenIntensivveranstaltungen seien vonihm gefördert worden, und so fügtePrälat Wakenhut wehmütig hinzu,„er erreichte in seiner Zeit Zahlenvon Teilnehmern, die wir heute nurnoch erträumen können.“ (PS)

BUCHBESPRECHUNG:

Jean-Marie Kardinal Lustiger imGespräch mit Jean-Louis Missika u.Dominique Wolton: Gotteswahl. Jü-dische Herkunft, Übertritt zum Ka-tholizismus, Zukunft von Kircheund Gesellschaft. St. Ulrich Verlag,Augsburg 2002; 472 S., geb.

Der ungewöhnliche Lebensweg einesSohnes nach Frankreich eingewander-ter polnischer Juden, der heute Kardi-nal der römischen Kirche und Erzbi-schof von Paris ist, wird in diesem Buchnachgezeichnet. Als Stilform wurde dasInterview gewählt. Im Dialog mit einemder bedeutendsten Kirchenführer Eu-

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115AUFTRAG 248

PERSONALIA

Seppl Gerster – Urgestein der GKS im Wehrbereich IV

Am Pfingstsonntag 2002 starb nach kurzer, aber schwerer ErkrankungStabsfeldwebel Franz-Josef Gerster 64-jährig an seinem Wohnort

Mayen, wo er am 27. Mai zu Grabe getragen wurde. Seppl Gerster – wieer im engen Kameradenkreis genannt wurde – war Soldat von 1960 bis1991, wurde bereits 1966 Mitglied im Beratenden Ausschuss beim katho-lischen StO-Pfarrer Fritzlar und wurde 1977 Mitglied der GKS. 1978Gründete er den GKS-Kreis Mayen und gehörte ab 1979 als stellvertre-tender Vorsitzender der GKS im Wehrbereich IV für fast 12 Jahre demBundesvorstand der Gemeinschaft an. Das nebenstehende Foto zeigt ihnbei einem der geselligen Abende bei einer Bundeskonferenz, wie wir SepplGerster immer erlebt haben: lustig, kameradschaftlich, spontan, denSchalk im Nacken und oft einen deftig spritzigen Witz auf den Lippen.Über die GKS hinaus engagierte er sich im Vorstand der Zentralen Ver-sammlung (ZV) in den Sachausschüssen „Gemeinde“ und „PastoraleGrundsatzfragen“. Seit 1987 war er Delegierter der GKS in der Mitglie-derversammlung der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldaten-betreuung (KAS). Bei der Beerdigung würdigte Oberst a.D. Jürgen Bring-mann, der den Bundesvorstand der GKS vertrat, den Verstorbenen:

der Völker. Indem er diese Aufgaberecht erfüllt, trägt er wahrhaft zurFestigung des Friedens bei“. In sei-nem Tätigkeitsbereich als Sanitäterbei den Heeresfliegern hat er diesemAuftrag gedient. Und er hat sich fürdiesen Friedensauftrag des Soldatenin der Gemeinschaft KatholischerSoldaten und in der katholischen Mi-litärseelsorge engagiert.

Schon in Fritzlar, dann inMendig und Mayen galt sein Engage-ment der Laienarbeit in der Gemein-schaft Katholischer Soldaten und inder katholischen Militärseelsorge –und das zusammen mit seiner FrauErika. Von 1979 bis 1991 war er alsstellvertretender Wehrbereichsvor-sitzender der GKS im WehrbereichIV mitverantwortlich für die Laien-arbeit in diesem Bereich. Außerdemwar er lange Jahre Vertreter des Bun-

„... im Namen der GemeinschaftKatholischer Soldaten (GKS) und ih-res Bundesvorstandes sowie, beauf-tragt vom amtierenden Leiter des Ka-tholischen Militärbischofsamtes, imNamen der Katholischen Militärseel-sorge spreche ich Ihnen heute unserMitgefühl und unsere tiefe Anteil-nahme am so frühen Tode von Franz-Josef Gerster aus. Wie Sie müssenauch wir heute Abschied nehmen vonunserem Kameraden und FreundStabsfeldwebel Franz-Josef Gerster,der an Pfingsten verstarb, am Tag derGeistsendung, sicher ein bei allerTrauer Hoffnung gebender Tag.

Franz-Josef Gerster war als Sol-dat dem Frieden verpflichtet, wie esdas zweite vatikanische Konzil ge-sagt hat: „Wer als Soldat im Dienstdes Vaterlandes steht, betrachte sichals Diener der Sicherheit und Freiheit

desvorstandes der GKS in der Katho-lischen Arbeitsgemeinschaft für Sol-datenbetreuung, die unsere Solda-tenheime führt und heute auch Be-treuungseinrichtungen für unsere imAusland eingesetzten Soldaten be-treibt. Nicht zuletzt hat er sich umdie Verbindung zu unseren österrei-chischen Kameraden in der AKS (Ar-beitsgemeinschaft Katholischer Sol-daten) bemüht, die dieses in einemausführlichen Kondolenzschreibenan Frau Gerster gewürdigt hat.

Für dieses Engagement, ehren-amtlich und unentgeltlich, mit gro-ßen Opfern an Zeit und auch an ma-teriellem Aufwand, danke ich Franz-Josef Gerster heute im Namen derGemeinschaft Katholischer Soldatenund im Namen der Katholischen Mi-litärseelsorge.

Wir werden StabsfeldwebelFranz-Josef Gerster in Erinnerungbehalten – als einen engagierten Sol-daten und Christen, einen geselligen,humorvollen Mann, der auch seineEcken und Kannten hatte, der niesein offenes Wort zurück hielt, einenMann, der seine Meinung bis zuletztvertrat und der sich auch nichtscheute, um der Sache willen seineFreunde zu kritisieren – eine guteCharaktereigenschaft, die aber leiderheute in Kirche, Politik und Gesell-schaft immer mehr in Verruf zu gera-ten droht.

Wir werden unseren Kameradenund Freund, Stabsfeldwebel Franz-Josef Gerster, nicht vergessen, undwir werden ihn in unser Gebet ein-schließen.“ (PS, Foto F. Brockmeier)

ropas stehen zwei aufgeklärte Wissen-schaftler, die stellvertretend für eine sä-kularisierte Gesellschaft dem Bischofkritische Fragen zu Kirche und Glaubenstellen. Neben der Lebensgeschichte ei-nes ungewöhnlichen Mannes stehen indieser Publikation Fragen nach demPlatz der Religionen in der heutigen Ge-sellschaft, nach dem Verhältnis von Kir-che und Gesellschaft, Christsein heuteim Mittelpunkt. Aber sie haben auch denUniversalitätsanspruch der Kirche wiedas Verhältnis von Weltgeschichte undHeilsgeschichte im Blick.Jean-Marie Lustiger wurde 1926 in Parisgeboren. Mit 14 Jahren wird er Katholikund lässt sich taufen. Von 1944 an stu-diert er an der Sorbonne in Paris und

schließt sein Studium der Philosophieund Theologie am Institut catholiquede Paris ab. Nach Absolvierung des Mi-litärdienstes, der Lustiger 1950 alsBesatzungsoffizier nach Berlin bringt,wird er 1954 zum Priester geweiht.Nach Jahren als Studenten- undGemeindepfarrer in Paris ernennt PapstJohannes Paul II. ihn 1979 zum Bi-schof von Orléans, 1981 zum Erzbi-schof von Paris und 1983 zum Kardi-nal. 1995 wird Lustiger in die Acadé-mie française aufgenommen. 20 Bü-cher sind von ihm erschienen. Für diefranzösische Ausgabe von „Gotteswahl– Le choix de Dieu (1987) erhielt Kar-dinal Lustiger den Rousseau-Literatur-preis. (PS)

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116 AUFTRAG 248

PERSONALIA

Bonner Katholischer Standortpfarrer auf derHardthöhe verabschiedet

Militärdekan Dr. Wolfgang Fey(43) verließ nach sechsjähriger Tä-tigkeit die Militärseelsorge, um eineneue Aufgabe in seinem Heimatbis-tum Köln zu übernehmen. Aus die-sem Anlass lud der Katholische Lei-tende Militärdekan Köln-Wahn, Mon-signore Rainer Schadt, am 11. Juli2002 zu einem Gottesdienst und zueinem anschließenden Sommerfestim Geistlichen Forum auf der Hardt-höhe in Bonn ein.

Ministerialrätin Alice Greyer-Wieninger, UnterabteilungsleiterinR I im BMVg, lobte das Gespür desscheidenden Militärdekans, die An-liegen der Soldaten im Ministeriumwahrzunehmen und anzugehen. Bri-gadegeneral Joachim Behne, Amts-chef des Logistikamtes der Bundes-wehr, St. Augustin, bat um Nachsichtfür die manchmal „schleppende“Teilnahme der Soldaten an Veran-staltungen der Militärseelsorge.Oberst a.D. Rolf Gotzmann, ehemalsPfarrgemeinderatsvorsitzender imStandort Köln, dankte Fey für seineKooperation und für seine tatkräftige

seelsorgliche Betreuung der katholi-schen Soldaten (Foto). Der Vorsit-zende des Seelsorgebezirksrates inBonn, Oberstleutnant Ralf Richard,gab sein Bedauern über den Ab-schied von Dekan Fey zum Aus-druck. Er hoffe, so Richard, dass dieMilitärseelsorge für die Soldaten inBonn, Düren, Euskirchen, Königs-winter, Mechernich, Rheinbach, St.Augustin, Siegburg und Waldbrölweiter geführt werde. Der Katholi-sche Leitende Militärdekan RainerSchadt dankte Fey für die überaus

Eberhard Gambietz (58), Priesterder Diözese Würzburg, wurde zum 1.Mai 2002 zum Katholischen Stand-ortpfarrer Koblenz III ernannt. Dortist er zuständig für die seelsorglicheBetreuung der Kranken am Bundes-wehrzentralkrankenhaus.

Pfarrer Gambietz, der nach sei-ner Schulzeit zunächst eine Ausbil-

dung als Bergmann machte, holte dasAbitur nach und begann 1965 mitdem Studium der Theologie, 1968mit dem der Psychologie. Sein Di-plom in Theologie erwarb er 1972und ein Jahr später das Diplom inPsychologie. Daran schloss sich dieWeiterbildung zum Psychoanalytikeran. Am 29. Juni 1974 wurde Eber-hard Gambietz in Würzburg zumPriester geweiht. Darauf folgtenKaplansjahre in Marktheidenfeld, inSt. Josef in Würzburg und in Hai-bach. Im Sommer 1980 wurde er zumPfarrer von Ettleben ernannt undzugleich Kuratus von Garstadt. ImHerbst 1991 ließ sich PfarrerGambietz für die Seelsorge deutsch-sprachiger Katholiken im Auslandfreistellen. Indien, Niederlande, Por-tugal und zum Schluss Venezuelawaren seine Stationen, bis PfarrerGambietz im Sommer 2001 in seineDiözese Würzburg zurückkehrte, woer bis zu seiner Einstellung in dieMilitärseelsorge tätig war.

(Texte u. Fotos KMBA)

kompetente Arbeit, die er geleistethabe und für das freundschaftlicheMiteinander.

Militärdekan Wolfgang Fey hatinzwischen die Pfarreien St. Pankra-tius in Köln-Junkersdorf und St.Vitalis in Köln-Müngersdorf über-nommen.

Pfarrer Rudolf Laumann (54),Priester der Diözese Würzburg, wurdezum 1. Juni 2002 zum katholischenPfarrer bei der Marinetechnikschulein Parow bei Stralsund ernannt. Lau-mann studierte Theologie und Philo-sophie in Fulda und in Würzburg.1973 erwarb er sein Diplom und 1975empfing er die Diakonatsweihe. 1976wurde Rudolf Laumann in Würzburgzum Priester geweiht.

Seine Verwendungen als Diakon,Kaplan und Pfarrer waren: von 1975bis 1980 Seelsorger in der Justiz-vollzugsanstalt in Ebrach, anschlie-ßend ein Jahr Kaplan in Ebelsbach/Kreis Haßberge, von 1981 bis 1990Pfarrer in Trossenfurt. In den kom-menden 9 Jahren übte er seine seel-sorgliche Aufgabe wiederum in derJustizvollzugsanstalt aus, zunächst inNeuburg und dann in Würzburg. Be-vor Pfarrer Laumann in die Katholi-sche Militärseelsorge eintrat, hatte ernoch eine Stelle als Pfarrer in derPfarrei St. Albert in Würzburg inne.

Michael Berning (35), Priester derErzdiözese Köln, wurde zum 1. Juli2002 als Katholischer Standortpfar-rer Emmerich eingestellt. Militär-generalvikar Prälat Walter Wakenhutüberreichte dem neuen Militärpfarrerdie Ernennungsurkunden im Rah-men eines Gottesdienstes im Katholi-schen Militärbischofsamt. (Foto PS)

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117AUFTRAG 248

BuchbesprechungenFamilie

Martine und Jürgen Limimski: Abenteu-er Familie – Erfolgreich erziehen: Liebeund was sonst noch nötig ist. – SanktUlrich Verlag GmbH, Augsburg 2002,216 Seiten.

Das vorliegende Buch ist der Erfah-rungsschatz eines glücklichen Elternpaaresaus der Erziehungsarbeit auf christlicherGrundlage an zehn Kindern im Alter zwi-schen 10 und 29 Jahren. Die Autoren gebenin diesem Werk die Erfahrungen und Erleb-nisse aus ihrem „mittelständischen Unter-nehmen“ weiter ohne dabei Patentrezeptevorlegen zu wollen.

Martine Liminski, Jahrgang 1951,stammt aus der Bretagne und war Direktorineiner Grund- und Kindergartenschule inStraßburg. In ihrem Beruf Mutter und Haus-frau versteht sie es auch die Tätigkeiten alsVorstandsmitglied beim Institut für Eltern-bildung sowie als Mitarbeiterin am Europäi-schen Institut zur Aufwertung der Erzieh-ungsarbeit einzufügen. Außerdem veröffent-lichte sie viele Beiträge zu den ThemenFrau, Familie und Kindererziehung. IhrMann Jürgen Liminski, Jahrgang 1950 undAllgäuer, ist Redakteur beim Deutschland-funk. Der diplomierte Informationswissen-schaftler und Politologe (Universitäten Na-varra und Straßburg) ist und war außerdemMitarbeiter u.a. bei Die Tagespost, der Ta-geszeitung Die Welt und beim RheinischenMerkur. Seine Schwerpunkte beschäftigensich mit der Familien- und Gesellschafts-politik, der Medienethik sowie der Entwick-lungs- und Außenpolitik in den hispani-schen und francophonen Staaten.

Die beiden Autoren erläutern in einerleicht verständlichen und humorvollen Spra-che Beispiele aus ihrem Familienalltag ausSicht der Eltern aber auch der Kinder - alsodem familiären Beziehungsgeflecht. DieseMischung aus Schilderungen von Erlebnis-sen, persönlichen Äußerungen, dem Vermit-teln christlicher Werte, den Analysen derErziehungsarbeit sowie der teilweisen wis-senschaftlichen Betrachtung moderner Er-ziehungsarbeit machen das Buch so fesselndund anregend. Viele Aussagen dürften auchandere Eltern zum Überdenken ihrer eige-nen Positionen in der Erziehung bewegen.Aber auch die Politiker aller Parteien kön-nen aus dem Buch auf Grundlage der be-schriebenen Erfahrungen Anregungen zurVerbesserung der gesellschaftlichen Situati-on der Familien gewinnen.

„Wer das Glück sucht, findet die Fami-lie. Glück bedeutet Anstrengung, Zuwendungund Begegnung, Gemeinschaft und Gebor-genheit, Zugehörigkeit und Zusammenhalt,Sicherheit und Anerkennung in gemeinsa-men Werten, vor allem aber Zukunft in deneigenen Kindern., schreibt Paul Kirchhof,Bundesverfassungsrichter a.D., in seinemVorwort zu diesem Band. Er zeichnet danndie Wechselbeziehungen in der Familie zwi-schen Mutter, Vater und Kindern bei derProduktion des „Humanvermögens“ auf.Das Buch sei auch eine Kampfschrift gegenökonomische Enge, ein Plädoyer für dieWiederentdeckung von Humanität, Men-schenwürde und einer Kultur der Freiheit.

Kirchhof nimmt dann kritisch Stellung zumVerhalten von Gesellschaft, Wirtschaft undStaat gegenüber den Familien mit Kindern.Dabei betont er, dass das „Abenteuer Fami-lie“ die Augen öffne für die Bedrohung un-serer Gegenwart, für Fehlleistungen der Po-litik, für existenzgefährdende Gleichgültig-keit allgemeiner Erwerbsfaszination.

Im Teil I behandeln die Autoren dasFamilienmanagement. Zunächst werden dieKinder in ihrer Person und mit der Auf-gabenverteilung in der Familie vorgestellt.Dann wird dargestellt, wie über die Erzie-hung mit Liebe im „Unternehmen Familie“u.a. über das Erziehungsziel, die elterlichePräsenz, den Familienrat, die Idee des Er-ziehungslohns mit einem erfolgreichen Fa-milien-Management das Humankapital bzw.Humanvermögen gebildet werden kann. DasII. Kapitel beschäftigt sich mit den Werten,Festen und Beziehungen. Über die Voraus-setzungen guter Freundschaften gelangt derLeser zum Kapitel „Betriebssystem Liebe“mit seinen Vorbedingungen und Zielen derreligiösen Erziehung. Es geht dann weiterüber Weihnachten und andere große Festezur Schule, dem Schlachtfeld menschlicherBeziehungen. Dabei zeigt der Blick zurückin die eigene Schulzeit nach Ansicht desAutorenehepaars, dass bereits damals dasLeben eingeübt wurde. Der III. Teil nimmtStellung zum Thema Geld und Gesellschaft.Es wird angesprochen wie man mit Geldumgeht, das man nicht hat und wie mangegen die Konsumgesellschaft erziehenkann unter der Überschrift „Wir sind dasZeitalter“. Mit einem Hinweis auf „1984“von George Orwell wird das Kapitel der Um-gang mit den Medien und ihre Wirkung be-trachtet. Wobei auch das Problem der elek-tromagnetischen Strahlung zur Sprachekommt. In dem folgenden Kapitel „Alle oderkeiner und jedem das Seine“ werden dreiForderungen an die Politik erhoben:1. Füllt endlich und wirklich die Gerech-

tigkeitslücke zwischen Familien mitKindern und den Kinderlosen.

2. Nicht nur Familie und Beruf vereinba-ren, sondern auch Familie als Beruf an-erkennen. Und entsprechend honorie-ren. Modelle dafür liegen bereits auf

KircheP. Eligius Heinzmann: Die hl. Messe fei-ern und verstehen. – Langwaden, Ber-nardus-Verlag 2001, 124 S., zahlr. Abb.

Selbst wer regelmäßig die Sonntags-messe besucht, ist sich über das Geschehenam Altar häufig im Unklaren. Das Gewohnteund „Allsonntägliche“ ist nicht unbedingtauch im Wortsinne „selbst-verständlich“.Wie soll man sich ein Gespür für die heiligeHandlungen und das „Geheimnis des Glau-bens“ bewahren? Was kann man als Elternseinen Kinder oder als Katechet und Kate-chetin in der Kommunion- und Firmvorbe-reitung den Jugendlichen erklären und wei-tergeben?

Das Buch des ZisterzienserpatersEligius Heinzmann ist da eine hervorragen-de Hilfe. Seine allgemein verständlichen Er-läuterungen machen zunächst mit dem Auf-bau der Messfeier vertraut und erläuterndann jedes Element in allen Einzelheiten.Einfache, piktogrammähnliche schwarz-weiß Grafiken heben noch einmal das We-sentliche hervor. Das Buch ist für Geistlichewie Laien, zum Selbststudium oder für dieWeiterbildung in Gruppen bestens geeignet.Leider fehlt dem Buch ein Inhalts- oderauch Stichwortverzeichnis, welches dasschnelle Auffinden gesuchter Stelle erleich-tern würde. (PS)

Das politische Buch

Henry Kissinger: Die HerausforderungAmerikas. Weltpolitik im 21. Jh.. Propy-läen Verlag, München 2002, 384 S.

Henry Kissingers Ratschläge für dieamerikanische Außenpolitik

Idealismus und Realismus sind die bei-den Traditionslinien amerikanischer Außen-politik. Ihre Verschmelzung fordert HenryKissinger in seinem neuen Buch „Die Her-ausforderung Amerikas. Weltpolitik im 21.Jahrhundert.“. Der Altmeister amerikani-scher Außenpolitik sieht in der Debatte umdie richtige Außenpolitik der VereinigtenStaaten nur zwei Haltungen: „diejenige mis-sionarischer Rechtschaffenheit einerseitsund jene andere, die besagt, dass sich mitder geballten Macht, über die Amerika ver-fügt, jede weitere Diskussion erübrigt.“Dahinter stehen die zwei Schulen amerika-

dem Tisch.3. Schluss mit den historischen Vorbehal-

ten und Komplexen. Familienpolitikdarf und muss auch geburtenförderndsein.Im IV. Teil, dem Ausblick, wird der My-

thos Familienglück mit der Familie als Ortder Freundschaft und des Friedens erläutertauch unter dem Aspekt Familie gegen Ich-Gesellschaft.

Hervorzuheben ist, dass im Text desBuches häufig auf zutreffende Zitate der ka-tholischen Kirche, von Pädagogen und Wis-senschaftlern aus dem In- und Ausland ver-wiesen wird. Abschließend muss festgestelltwerden: „Abenteuer Familie“ ist für jedenein spannendes, lesens- und nachdenkens-wertes Buch. (bt)

nischer Außenpolitik, Idealismus und Rea-lismus bzw. die Frage, ob ich Außenpolitiknach Werten oder Interessen ausrichte. DazuKissinger: „Die wahre Herausforderung be-steht darin, beides zu verschmelzen; keinernsthafter amerikanischer Außenpolitikerkann den traditionellen Glauben an die Ein-zigartigkeit der amerikanischen Demokratieaußer Acht lassen. Aber ebenso wenig darfein Politiker die Umstände ignorieren, unterdenen amerikanisches Demokratieverständ-nis implementiert werden soll.“

Der frühere amerikanische Außenmi-nister und Sicherheitsberater sieht die der-zeitigen Ursachen im internationalen Systemals „Signale eines unvermeidlichen Wandelsder internationalen Ordnung, der aus Verän-derungen in der internen Struktur vieler ih-rer Hauptakteure sowie aus der Demokrati-sierung der Politik, der Globalisierung derWirtschaft und der Beschleunigung derKommunikation resultiert.“ Da spricht der

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118 AUFTRAG 248

26.08. Sitzung EA in Bonn, Albertinum28.08. Weltfriedenstag in Mühlhausen05.09. Weltfriedenstag in Berlin09.09. Sitzung SA InFü in Bonn, Albertinum15.-20.09. 42. WdB in Rolduc bei Sterkrade (NL)

14.-16.09. Vorkonferenz16.-18.09. ZV18.-20.09. BuKonf GKSFGKS-Mitgliedervers. während BuKonf

27.-29.09. AK KLMD Sigmaringen und BK Baden-Württemberg in Leutkirch/Allgäu

10.-12.10. AK KLMD Erfurt und BK Ost in Berlin11.-13-10 AK KLMD Glücksburg/Kiel und BK Nord/

Küste in Travemünde11.-12.10 AGKOD-Mitgliederversammlung in Bad

Honnef11.-17.10. BK Bayern in Johannistal21.-25.10. 47. Gesamtkonferenz der Militärgeistli-

chen und Pastoralreferenten auf SchlossHirschberg bei Eichstätt

23.-27.10 Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg25.-26.10. Konstituierung AK Bereich Ausland in

Rolduc/NL25.-27.10. AK KLMD Köln-Wahn in Günne Möhnesee28.10. Sitzung SA S+F in Bonn, Albertinum08.-10.11. Seminar für Funktionsträger der GKS in

Köln22.-24.11. AK KLMD Hannover und BK Niedersach-

sen/Bremen in Worphausen

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK KLMD – Arbeitskon-ferenz beim Katholischen Leitenden Militärdekan in ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS imBereich ..., BuKonf – Bundeskonferenz, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaftder katholischen Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachaus-schuss „Innere Führung“, SA S+F – Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“, SA KI – Sachausschuss „Konzeption und Infor-mation“, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, ZV – Zentrale Versammlung, VV ZdK – Vollversammlung des Zen-tralkomitees der deutschen Katholiken

Termine • Termine • Termine

09.12. Sitzung SA InFü in Bonn, Albertinum22.-23.11. Herbst-VV ZdK in Bonn mit Delegierten-

treffen AGKOD am 21.11.06.- 08.12. BK Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland in

Engelport

200305.-07.02. BK Nordrhein-Westfalen in Mühlheim/Ruhr07.02. Neujahrsempfang im KMBA Berlin14.-16.03 BV GKS Berlin19.-23.03. Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg21.-22.03. BK Baden-Württemberg in Roggenburg/Ulm28.-30.03. BK Bayern auf Schloss Hirschberg/Beilngries11.-13.04. AK KLMD Hannover und BK Niedersachsen/

Bremen28.04.-02.05. 9.GKS-Akademie Oberst Helmut Korn

im Bonifatiushaus Fulda28.05.-01.06. Ökumenischer Kirchentag Berlin

„Ihr sollt ein Segen sein“06.-09.06. Bereichs-Familien-Werkwochenende in

Hübingen/Ww25.-29.06. Seminar 3. Lebensphase in Cloppenburg11.-13-07. BK Nordrhein-Westfalen in Mühlheim/Ruhr15.-20.09. 43. WdB Schloss Hirschberg/Beilngries10.-12.10. BK Baden-Württemberg in Rottenburg15.-19.10 Seminar 3. Lebensphase in Nürnberg26.-28.11. Seminar für Funktionsträger der GKS05.-07.12. BK mit Familien in Bendorf / Rhein

(soweit kein Hinweis beim entspr. Beitrag)

Weltpolitiker, größer und leider auch allge-meiner geht es kaum. Aber Kissinger wirddann doch konkret, zum Beispiel wenn es umdie Zukunft des Atlantischen Bündnisses geht.Für ihn ist die Frage, ob die Allianz weiterhinals Schicksalsgemeinschaft angesehen wirdoder ob sie sich „in ein Sicherheitsnetz für imWesentlichen nationale oder regionale politi-sche Wege und Ziele verwandelt“, die wich-tigste Herausforderung für die Regierungenauf beiden Seiten des Atlantiks. Die Entwick-lung der NATO in den neunziger Jahren je-denfalls erfüllt Kissinger mit Sorge: immermehr seien dem ehemals festen BündnisStrukturen eines Systems kollektiver Sicher-heit hinzu gefügt worden und so die einstmalsvorhandene Übereinstimmung in der Zielset-zung aufgeweicht worden: „Zahlreiche neueInstitutionen wurden geschaffen, welche dieNATO in eine Art Mini-UNO umzuwandelnversprechen.“ Mit dieser Sicht steht Kissin-ger nicht alleine da. Die Stimmen im Westenmehren sich, die Angst um die Zukunft desAtlantischen Bündnisses haben. Was ist Ziel

Buchbesprechungenund Zweck der NATO? Kann vielfaches undweltweites Engagement überhaupt mit derNATO ausgeübt werden? Ist sie das geeigneteInstrument?

In einem Punkt schafft Kissinger dannKlarheit: Die NATO wird weiterhin ge-braucht, um bei einer ReimperialisierungRusslands geschützt zu sein. Russland sollnach Kissinger allerdings eine wichtige Rol-le beim Aufbau einer neuen internationalenOrdnung spielen. Es soll eingebunden wer-den, allerdings sei darauf zu achten, dassdie Neuordnung von Westen nach Osten ge-schehe und nicht umgekehrt.

Im weiteren Verlauf des Buches nimmtsich Kissinger auch der anderen Teile derErde an: Asien – und hier insbesondere dieBeziehungen zu China -. Der Nahe Ostenund Afrika werden aus amerikanischer Pers-pektive beleuchtet. Schließlich kommt er zuden Traditionslinien amerikanischer Außen-politik zurück und untersucht alten und neu-en Interventionismus. Dabei entwickelt Kis-singer vier Grundsätze für humanitäre Inter-

vention: „Um humanitäre Interventionen alseine oberste Priorität sinnvoll in ein Konzeptamerikanischer Außenpolitik einbetten zukönnen, müssen vier Bedingungen erfülltwerden: Das dem humanitären Eingreifen zuGrunde liegende Prinzip muss erstens uni-versal anwendbar sein; es darf zweitens nurzu Aktionen führen, die gegenüber der öf-fentlichen Meinung in Amerika vertretenwerden können; es muss drittens Resonanzin der internationalen Gemeinschaft finden;und es muss viertens eine Beziehung zumhistorischen Kontext haben.“

Mit diesen Grundsätzen soll verhindertwerden, dass die USA sich in einen „perma-nenten Sumpf“ begeben. Offensichtlich hatKissinger aus Vietnam gelernt. Abschließendübernimmt Henry Kissinger die Formulierungdes australischen Gelehrten Coral Bell zurBeschreibung der Herausforderung Amerikas:„sich seiner herausragenden Stellung be-wusst zu sein, seine Politik aber so zu betrei-ben, als lebte es immer noch in einer Welt mitvielen Machtzentren.“ (Ekhard Stuff)

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119AUFTRAG 248

Autoren

Altendorf, Prof. Dr. WolfgangPublizist, Gründer der Altendorfstiftung inFreudenstadt/Schwarzwald, gelegentlicheBeiträge im AUFTRAG.

Arnold, Gerhardevangelischer Pfarrer und Philologe an einerGesamtschule in Kitzingen bei Würzburg

Böhler, Volker W.Oberst a.D., bis 1999 Mitglied im Vorstandder Zentralen Versammlung. Von 1992-95Leiter eines Militärattaché-Stabes für dieLänder Syrien, den Libanon und Jordanien.

Hermans, Dr. BaldurBrücker, Dr. VeraKlönne, Prof. Dr. ArnoNagel, Prof. Dr. Dr. Ernst JosefDie Beiträge über die „Wiederbewaff-nungsdebatte in der Adenauer-Ära“ sindErgebnis einer historischen Fachtagung inder „Wolfsburg“. Dokumentiert in„Berichte und Beiträge“ des Dezernatsfür gesellschaftliche und weltkirchlicheAufgaben Bischöfliches GeneralvikariatEssen, Heft 38/1999.

Dorndorf, HeinrichHauptmann a.D., Geschäftsführer derGKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland, ehem.stellvertretender Vorsitzender der GKSim Wehrbereich IV.

Elßner, Dr. Thomas R.Wissenschaftlicher Assistent am Institutfür Theologie und Frieden in Barsbüttel.Dieser Artikel entstand im Anschluss aneine Feldstudie in Jerusalem im Mai 2001im Zusammenhang mit der Bundes-akademie für Sicherheit.

Fink, Erich Mariaseit 1986 Priester der Diözese Augsburg,nach viereinhalb Jahren als Pfarrer dreierLandgemeinden zum Beginn des Jahres2000 für den Dienst in Russland freige-stellt, nun Pfarrer der Gemeinde „Königindes Friedens“ in Beresniki/Ural.

Fischer, Mattias G.geboren 1971 in Göttingen, war wissen-schaftlicher Mitarbeiter an der UniversitätGöttingen und absolviert zz. ein Rechts-referendariat.Der Beitrag wurde mit freundlicher Ge-nehmigung der Konrad-Adenauer-Stiftungder Pubikation „Die Politische MeinungNr. 390/Mai 2002/47. Jg, S. 51-55, ent-nommen.

Görlich, Joachim GeorgMagister, freier Journalist, Schwerpunktmittel- u. osteuropäische Gesellschaften.Publiziert u.a. in „Die Tagespost“ und imAUFTRAG.

Kilian, DieterOberst a.D., in den 80-er Jahren Verwen-dung als Militärattaché an der DeutschenBotschaft in Islamabad/Pakistan; Einsatzbei IFOR und SFOR

Kestel, Msgr. GeorgMilitärdekan, Leiter Referat IV „Seelsorge“im KMBA, Bischöflicher Beauftragter für dieZentrale Versammlung und Geistlicher Bei-rat der GKS auf Bundesebene.

Kloss, ReinhardOberstleutnant i.G. im BMVg, Vorsitzenderdes Internationalen Sachausschusses derGKS.

Liebetanz, KlausMajor a.D., Berater für humanitäre Hilfe imAusland, Dörverden/Aller.

Stuff, EckhardJournalist; am Sender Freies Berlin zustän-dig für die Aus- und Weiterbildung desNachwuchses und der Mitarbeiter. Veröffent-lichungen im AUFTRAG.Theis, Prälat WalterMilitärdekan, als Leiter Referat V im KMBAzuständig für Planung und Organisation derseelsorglichen Begleitung der Bundeswehrbei Auslandseinsätze, zgl. LKMD Ausland;langjähriger Geistlicher Beirat der GKS;Geistlicher Beirat für das Generalsekretariatdes Apostolat Militaire International (AMI).

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ImpressumAUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFTKATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) underscheint viermal jährlich.

Hrsg.: GKS, Breite Straße 25, 53111 Bonnwww.katholische-soldaten.de

Redaktion: verantwortl. Redakteur Paul Schulz(PS), Oberstleutnant a.D., Satz und Layout;Klaus Brandt (bt), Oberstleutnant a.D.,Redakteur; Helmut Fettweis (HF), Obersta.D., Redakteur; Hauptmann Marco Schauff(MS), Redakteur

Zuschriften: Redaktion AUFTRAGc/o Paul Schulz, Postfach 3768,51537 Waldbröl, Tel/Fax: 02291–900461oder 02295–1044 (bt),e-Mail: [email protected]

Für unverlangte Einsendungen wird keineHaftung übernommen. Namensartikel werdenallein vom Verfasser verantwortet. Nichtimmer sind bei Nachdrucken die In-habervon Rechten feststellbar oder erreich-bar. Insolchen Ausnahmefällen verpflichtet sich derHerausgeber, nachträglich geltend gemachterechtmäßige Ansprüche nach den üblichenHonorarsätzen zu vergüten.Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH,Ernst-Robert-Curtius-Str. 14, 53117 Bonn.Überweisungen und Spenden an: Förder-kreis der GKS e.V., Pax Bank eG Aachen,BLZ: 391 601 91, Konto-Nr.: 1009439010.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion und mitQuellenangabe. Nachbestellung gegeneine Schutzgebühr von DM 10,– an denausliefernden Köllen Verlag.

Der Königsteiner EngelDer »siebte Engel mit der siebten Posaune«(Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung,der die uneingeschränkte Herrschaft Gottesankündigt. Dieser apokalyptische Engel amHaus der Begegnung in Königstein/Ts., demGründungsort des Königsteiner Offizier-kreises (KOK), ist heute noch das Tradi-tionszeichen der GKS, das die katholischeLaienarbeit in der Militärseelsorge seitmehr als 40 Jahren begleitet.

Das Kreuz der GKSDas »Kreuz der GKS« ist das Symbolder Gemeinschaft Katholischer Soldaten.Vier Kreise als Symbol für die GKS-Kreisean der Basis formen in einem größerenKreis, der wiederum die Gemeinschaftversinnbildlicht, ein Kreuz, unter demsich katholische Soldaten versammeln.