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f 1'"tr:jfi r,iillii:ri I 5ch icksa I M u lti p e S kl e rose Trotz bes<hwerlichem [ebenswegs macht der M5-Patient sich selbst und anderen Menschen unermüdlich lt/lut. Werner David Wiechenthaler ist 18 Jahre a1t und besucht die 4. Klasse Tiefbau der HTL Saalfelden, als er urplötz- lich Probleme mit den Augen bekommt. Seine Sehkraft ver- schlechtert sich drastisch, der Pinzgauer ist beinahe blind. An seinem Geburtstag kommt er ins Krankenhaus, wo eine Entzündung des Sehnervs festgestellt wird. Ein typi- sches Anfangssymptom von Multipler Sklerose - doch das lichen Störung, verheimlicht sie im Freundes- und Bekan:,- tenkreis. ,,Ich habe mich sehr geschämt, wollte leistungsst'1::, sein wie die anderen und mein Leben leben, so wie es vorh.: war". Mit der Zeit kann er das nicht mehr.,,Erst als ich a-: Rehab Menschen getroffen habe, die ebenfalls unter dies.: Erkrankung ieiden, habe ich mich ihr geste11t. Das war zr.-.: schlimm und belastend, aber auch ein ganz entscheideni.: Punkt in meinem Leben", res*- miert der Saalfeldner. VON DER UNI IN DEN RUHE. STAND. Werner David Wiechenth'a-.: hat Pech. Er zäh\t zu jenen --' Prozent der Patienten, die an i.: selteneren, primär progredie:-- I i d I tr 1 ; ahnt der junge Mann zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst eini- ge Wochen später erhä1t Werner David Wiechenthaler, nach einem gründlichen Check, die endgülti- ge Diagnose: MSI Der Pinzgauer ist geschockt. ,,Ab diesem Zeit- punkt war mein Leben nicht mehr wie vorher. Plötzlich war da ein ,,\MER SCHWACHE ZEIGEN KANN, ZETGT AUCH STARKE. DAS HAT MICH MEINtr KRANKHEIT GELEHRT.- WF],RNER ])AVTD \,V]ECHENTHAI,ER Schatten, der mich einhüllte", erinnert sich der Saalfeldner. Was er damals über Multiple Sklerose weiß, ist nicht viel: ,,Ich war darüber informiert, dass es sich um eine unheilbare Krankheit handelt, die viele, die darunter leiden, in den Roll- stuhl zwingt, und dass sich das Leiden eher verschlechtert a1s verbessert, aber nicht tödlich ist", fasst er zusammen. Zu Anfang verdrängt er das Vorhandensein seiner gesundheit- 60161 platzhirseh ten Form von MS leiden, bei der es von Beginn an zu eir--=: kontinuierlichen Verschlechterung kommt. Ständig gese11. sich neue Beschwerden zu den bereits vorhandenen: Gleic:.- gewichtsprobleme, spastische Beine, Gefühlsverluste in d.- Händen, Blasenprobleme, Konzentrationsschwierigkeit.- oder starke Müdigkeit und Erschöpfung, die ihn - ähnli:. wie bei einem starken grippalen Effekt - lähmen. Dire.":

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f 1'"tr:jfi r,iillii:ri I 5ch icksa I M u lti p e S kl e rose

Trotz bes<hwerlichem [ebenswegs macht der M5-Patient sich selbst und anderen Menschen unermüdlich lt/lut.

Werner David Wiechenthaler ist 18 Jahre a1t und besuchtdie 4. Klasse Tiefbau der HTL Saalfelden, als er urplötz-lich Probleme mit den Augen bekommt. Seine Sehkraft ver-schlechtert sich drastisch, der Pinzgauer ist beinahe blind.An seinem Geburtstag kommt er ins Krankenhaus, woeine Entzündung des Sehnervs festgestellt wird. Ein typi-sches Anfangssymptom von Multipler Sklerose - doch das

lichen Störung, verheimlicht sie im Freundes- und Bekan:,-tenkreis. ,,Ich habe mich sehr geschämt, wollte leistungsst'1::,

sein wie die anderen und mein Leben leben, so wie es vorh.:war". Mit der Zeit kann er das nicht mehr.,,Erst als ich a-:Rehab Menschen getroffen habe, die ebenfalls unter dies.:Erkrankung ieiden, habe ich mich ihr geste11t. Das war zr.-.:

schlimm und belastend, aber auch ein ganz entscheideni.:Punkt in meinem Leben", res*-miert der Saalfeldner.

VON DER UNI IN DEN RUHE.

STAND.

Werner David Wiechenth'a-.:hat Pech. Er zäh\t zu jenen --'Prozent der Patienten, die an i.:selteneren, primär progredie:--

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ahnt der junge Mann zu diesemZeitpunkt noch nicht. Erst eini-ge Wochen später erhä1t WernerDavid Wiechenthaler, nach einemgründlichen Check, die endgülti-ge Diagnose: MSI Der Pinzgauerist geschockt. ,,Ab diesem Zeit-punkt war mein Leben nicht mehrwie vorher. Plötzlich war da ein

,,\MER SCHWACHE ZEIGEN KANN,ZETGT AUCH STARKE.

DAS HAT MICHMEINtr KRANKHEIT GELEHRT.-

WF],RNER ])AVTD \,V]ECHENTHAI,ER

Schatten, der mich einhüllte", erinnert sich der Saalfeldner.Was er damals über Multiple Sklerose weiß, ist nicht viel:

,,Ich war darüber informiert, dass es sich um eine unheilbareKrankheit handelt, die viele, die darunter leiden, in den Roll-stuhl zwingt, und dass sich das Leiden eher verschlechterta1s verbessert, aber nicht tödlich ist", fasst er zusammen. ZuAnfang verdrängt er das Vorhandensein seiner gesundheit-

60161 platzhirseh

ten Form von MS leiden, bei der es von Beginn an zu eir--=:

kontinuierlichen Verschlechterung kommt. Ständig gese11.

sich neue Beschwerden zu den bereits vorhandenen: Gleic:.-gewichtsprobleme, spastische Beine, Gefühlsverluste in d.-Händen, Blasenprobleme, Konzentrationsschwierigkeit.-oder starke Müdigkeit und Erschöpfung, die ihn - ähnli:.wie bei einem starken grippalen Effekt - lähmen. Dire.":

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,,lliemals aufhören ru lemen und Spaß zu haben!" lautet das

lebenrmotto von wemer David Wiechenthaler. Dann häftsich der z7iähdge §aalfaldner trotr der Diagnose ,'itluhipleSklerose", die *ar* an relnen Energien rehrt und lhn ln denRollstuhl zrvang.

nach Beendigung seines Studiums an der

Pädagogischen Hochschule Steiermark, an

der sich der Pinzgauer für seinen Traum-beruf Volksschullehrer ausbilden lässt, muss

er in Pension gehen. Ihm geht es körperlichsehr schlecht. Dazu kommt - unabhängigvon der Grunderkrankung - noch ein Tir-mor in der Schulter, der den Patienten stark

belastet und drei Operationen erforderlichmacht. Glücklicherweisestellt sich das Gewächsaber als gutartig heraus.

Wie sich seine Krank-heit weiter entwickelnwird, kann ihm niemandsagen. Der Verlauf derMultiplen Sklerose, diegerne als ,,Krankheit mit1 000 Gesichtern" be-

,,ALLES HAT SEINENSINN, ALLES WIRD GUT.MAN MUSS VERTRAUEN

INS LEBEN HABEN."WERNER DAVID WIECHENTHALER

Vorteile seines ,,Ferrari", wie er ihn bezeich-net, vor Augen hält. Außerdem versucht der

MS-Patient so oft wie möglich aufzustehen

und ein paar Schritte zu gehen, um den

Bewegungsapparat aktiv zu halten. ,,In den

Rollstuhl zu kommen ist leichter, als wiederheraus. Vielleicht gelingt es mir trotzdem,ihn eines Tages wieder in die Ecke stellen

zu können", hofft der Saalfeldner, der neu-

erlichen Schüben mit einer Mischung aus

einer schulmedizinischen Basistherapie

und alternativen Behandlungen, wie Aku-punktur und Darmspülungen, vorzubeugenversucht.

WERNER DAVID . EIN MOTIVATIONSGENIE.

,,Niemals aufhören zu lernen und Spaß zu

habenl", lautet das Lebensmotto von Wer-ner David Wiechenthaler, der momentan inGrazlebt. Dieses Credo gibt er auch weiter:als Motivationstrainer, der in Firmen undBildungseinrichtungen inspirierende Vor-träge über Lebensmotivation hält, welche

auf eine sinnvolle Lebensgestaltung mitHandicap fokussieren. ,,Ich finde es toll,wenn andere Menschen von meinen Erfah-rungen profitieren, weil sich auf diese Wei-se etvras Negativs plötzlich in etwas Posi-

tives verwandelt",schwärmt er. Ander PädagogischenHochschule Steier-mark bildet WernerDavid Wiechentha-ler zudem regel-

mäßig Lehrer im

,,Beatboxing" aus.

Bei dieser speziellen

zeichnet wird, ist individuell sehr verschie-

den - insbesondere die Art und Schwere

der Symptome und das zeitliche Muster, indem neue Krankheitsbilder auftreten. Diese

Ungewissheit zehrt stark an der Psyche des

Pinzgauers. ,,Als ich in den Ruhestand tre-ten musste, war ich sehr verzweifelt und de-

primiert", gesteht er. Hilfe in dieser schwie-

rigen Situation findet Werner David beimbrasilianischen Heiler ,John of God", den

er mehrmals besucht. ,,Durch ihn konnteich meine geistige Gesundheit stärken undmich trotz wiederkehrender Rückschläge

neu motivieren und an Lebensfreude ge-

winnen", berichtet der Kranke. Der Schat-

ten, der ihn so belastete, ist verschwunden.

Dafür wird die Mobilität immer schlechter,

die Gehstrecke, die er zurücklegen kann,

immer kirzer. Eines Tages wird der Roll-stuhl unausweichlich, was für den 27-Jäh-rigen einer Katastrophe gleichkommt. ,,Ichhabe das rollende Vehikel immer stark ab-

gelehnt", gibt er zu. Aber auch diesmal re-signiert Werner David nicht, sondern fügtsich in sein Schicksal, indem er sich die

Form des A-Capella-Musizierens werden

Percussion-Rhlthmen, aber auch die Lauteanderer Musikinstrumente, mit stimmli-chem Einsatz nachgeahmt - manchmal so-

gar noch kombiniert mit Gesang. Gemein-sam mit dem Pinzgauer Beatboxer ThomasRieder hat er sogar ein Buch für Unterrichtund Selbststudium über dieses Thema ge-

schrieben. Das ein2ige seiner Art weltweitlMusik war immer schon Bestandteil seines

Lebens und ist auch heute ein wichtiges )

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flirfl.n*fl*x*tl { Schicksal Mu lti ple Sklerose

Medikament in \Merner David Wiechenthalers Hausapothe-

ke. Früher spielte der leidenschaftliche Bassist in einer Band'

gewann mii de,, ,,Paraminds" 2009 sogar einen Contest in

är^r.,,Dn ist ieider vorbei, die Hände Yersagen mittlerweile

zr oftl Dafür plant er aber ietzt ein Beatboxing-Projekt mit

einem Cellist"r, .rnd einer Tänzerin' Und er schreibt an ei-

nem neuen Buchl Arbeitstitel: ,,Meine Gedanken sind die

Welt".,,Es geht darum, die eigenen Gedanken positiv einzu-

setzen, um lebensmotivierter und erfolgreicher zu sein"' ver-

rät er.

,,ALLES lM TEBEN HAT EINEN SINN!"

Zur (bislang unerforschten) Ursache seiner Krankheit hatWer-

.r.. Du,ridfrlechenthaler seine eigeneTheorie:,,Aus1ösend war

möglicherweise, dass ich mich immer zu sehr gestresst und

miÄ selbst zu wenig wertgeschätzt habe", meint er' "Aber wie

dem auch sei: Ich bi,, üb.r,..,gt, a1les im Leben hat seinen

Sinn. Alles, was uns passiert, führt zu mehr Erkenntnis' lehrt

uns etvsas. Eine Krankheit ist immer ein Zeichen, etwas an

seinem bisherigen Leben zu ändern'"

,,Warum g.äd. ich?", dieser Gedanke ist dem Saalfeld-

ner fremd. ,Jeder Mensch hat gewisse Belastungen zr ttagefl'

ich eben diese", meint er. ,,Andererseits habe ich sehr vieie

Talente, fär die ich dankbar sein kann'" Was hä1t einer wie

er von Menschen, die - ohne erkennbaren Grund - ständig

nörgeln und jammern? ,,Die sind wesentlich ärmer als ich!"'

Wemer David als begeisteiler BatsistderBand Dersaalfeldnerwohnt zur Zeit in

,naramindstt,mitdJrerroogsogareinen Graz'Drei"Asdstentinnen"untet'

äoit"rt in co, g"*rnn. Heute ,jpielen" stilt:l ihn

darin' ein möglichst

seine ianae nicit metrr mit. 3elbstständiges Leben ru führen'

iacht Werner David Wiechenthaler und ergänzt treffend:

,,Gesundheit ist eben nicht nur die Abwesenheit von Krank-

heit!"

EIN MANN UND SEINE TRAUME.

Soziale Kontakte slnd für den Saalfeldner eine besondere

Qr.11. der Freude. Freunde, Studenten und Familie sind

J.n,ig. Lebensbegleiter' ,,Ich bin ein offener, humorvoller'

zielstrebiger M"rrr."h. Mein höchstes Lebensziei liegt darin'

anderen il4.,-rr.h.r. Herzlichkeit mitzugeben", sagt er über

sich. Werner David Wiechenthaler hat unendlich viele Lei-

denschaften: Fortgehen, Konzerte besuchen, Schwimmen'

Yoga, Sprach.r, l.Irrer-r, Lesen, " ' Seine vielen täume iässt

., Ii.h ,richt .rehmen: ,,Ich möchte wieder Berggehen' ich

möchte das ,Meer der sieben Farben im kolumbianischen

San Andrds sehen, zum Toten Meer und nach Las Vegas

reisen, noch mehr Bücher schreiben und Vorträge halten

...", ,ählt er auf' ,,Ein großer Wunsch ist, wieder ais Volks-

schuilehrerzuunterrichten_vielleichtKindermitMigrati-o,rrfrir-r,.rgrund." Und dann ist da auch die Sehnsucht nach

.i.r., .igä.n Familie, nach einem Kind',,Früher dachte ich:

,WelchJ Frau nimmt mich mit einer solchen Erkankung

äenn schon?'Heute bin ich der Meinung, dass es da drau-

ßen eine Menge Frauen gibt, die mich lieben könnten' weil

ich sehr viele plsitive Ei§enschaften habe", lacht der Single'

,,Man kann ,ich alle, schlecht oder gut denken' So ist das im

T,ebenl"

DIE KRANKHEIT FORDERT IHREN RAUM.

Unermüdlich macht Werner David Wiechenthaler sich

selbst und anderen Menschen Mut' Vieles' das ihn das

Schicksal lehrt, schreibt er sich von der Seele' packt es in

Gedichte und Vorträge. Dennoch braucht der 27-Jähtige

zwischendurch dringÄd seine Pausen, in denen er in sich

hineinhört, sich um iich selbst kümmert' Die Krankheit for-

dert ihren Raum. Aber auch wenn die Kräfte wieder einmal

versagen, die Stimmung in den Keller sinkt.und Energielo-

,igk# und Infektanfiliigkeit sich b.reitmachen' gibt es von

\f,rn.. DavidWiech.nÄulet stets die Ztsage ans Leben' so

wie es gerade ist. I

An der Pädagogirchen Hodtdule Steiermark hält der musikbegelstede Wahl'Grazer

Beatboxing-(une ab.

WFREUND

-EffiF,=-"www,freu nd-natu rholz. at

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Text: Silke Burgsteiner I Fotos: platzhirsch, Privat