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originalarbeiten Österr Wasser- und Abfallw 2017 · 69:340–345 DOI 10.1007/s00506-017-0406-z 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer Heidemarie Schaar · Norbert Kreuzinger Online publiziert: 21. Juni 2017 © Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation. Zusammenfassung Über die letzten Jahre entwickelten sich die Überlegun- gen zu einer über den derzeitigen Stand der Technik hinausgehenden Abwasser- reinigung von reinen forschungsorien- tierten Ansätzen hin zu einer großtech- nischen Implementierung, sodass es heute für die unterschiedlichen verfah- renstechnischen Varianten einer wei- tergehenden Abwasserreinigung zur Entfernung von organischen Spuren- stoffe bereits großtechnische Umset- zungen gibt. Vor allem in der Schweiz hat aufgrund der gesetzlichen Rah- menbedingungen die Umsetzung einer 4. Reinigungsstufe bereits begonnen, wenngleich auch noch eine Reihe von Detailfragestellungen für eine techni- sche Implementierung offen ist. Dieser Beitrag fasst die heute anerkannten Op- tionen für Verfahren zur weitergehen- den Abwasserreinigung zusammen und ergänzt sie durch Erkenntnisse aus ei- nem vom BMLFUW geförderten natio- nalen Forschungsprojekt „KomOzAk“, das dazu beiträgt, die Umsetzung ei- ner 4. Reinigungsstufe technisch und betrieblich zu optimieren. Advanced treatment steps for a further removal of organic trace pollutants from municipal wastewater Abstract Over the last years, consid- erations for an implementation of ad- vanced treatment steps for the removal of organic trace pollutants shifted from a rather research oriented approach focusing on the removal potential of considered technologies towards a full- scale implementation. As an accord- ing legislation is put into place, es- pecially in Switzerland full-scale units Dr. H. Schaar () · Dr. N. Kreuzinger Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft, Technische Universität Wien, Karlsplatz 13/226-1, 1040 Wien, Österreich [email protected] comprising different technologies and combinations of technologies already are realized and in place. This paper gives an overview on treatment tech- nologies that proved to be suitable for tackling the topic of further removal of organic trace pollutants from mu- nicipal wastewater. This overview is supplemented by results of an Austrian research project looking into details on technical and operational optimiza- tion of ozonation and activated carbon application. 1 Herausforderungen an die Abwasserreinigung Die Anforderungen an die Reinigungs- leistung von Kläranlagen lassen sich historisch gesehen direkt aus den An- forderungen des Gewässerschutzes ab- leiten. Der hohe Standard der Abwas- serreinigung in Österreich hat wesent- lich zur Verringerung der Gewässer- belastungen mit Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor und damit zum heutigen guten Zustand der Gewässer beigetra- gen. Heutzutage resultieren an Kläran- lagen gestellte Anforderungen jedoch nicht mehr ausschließlich aus Aspek- ten des Gewässerschutzes. Themen wie Energieeffizienz und eine Betrachtung des Abwassers als wertvolle Ressource im Sinne des NEW-Ansatzes (Nährstoff- Energie-Wasser-Recycling aus Abwas- ser) sind heute ebenso wichtig wie das traditionelle Vorsorgeprinzip und die weitergehende Entfernung anthropo- gener Verunreinigungen, um potenziell adversen Effekten im Gewässer entge- genzuwirken. Sowohl der Reuse-Aspekt, als auch der Schutz des Gewässeröko- systems und der Schutz von Trinkwas- serressourcen sind die Ausgangspunkte für die Diskussionen der Implemen- tierung einer 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen. Seit den frühen 2000er-Jahren be- schäftigt sich die Wissenschaft mit ver- fahrenstechnischen Möglichkeiten zur Entfernung organischer Spurenstof- fe aus dem Abwasser. Ausgangspunkt davon war die Thematik hormonell wirksamer Substanzen und ihre Aus- wirkungen auf Gewässerorganismen, wie sie z. B. in Großbritannien oder an- deren Ländern mit damals traditionell nur Kohlenstoff entfernenden Kläran- lagen beobachtet wurden. Ausgehend von den unterschiedlichen Standards der Abwasserreinigung wurde zudem der Frage nachgegangen, inwieweit be- stehende Kläranlagen nach dem Stand der Technik diese Substanzen bereits entfernen. Die in Österreich umgesetz- ten Schwachlastanlagen mit Nitrifika- tion und Denitrifikation entfernen na- türliche weibliche Sexualhormone wie Estradiol sowie synthetische Hormo- ne wie Ethinylestradiol zu etwa 90 %. Die emittierten Rest-Konzentrationen liegen dennoch über den definierten Wirkkonzentrationen. Neben hormo- nell wirksamen Substanzen finden sich zahlreiche andere organische Spuren- stoffe, wie im Haushalt eingesetzte In- dustriechemikalien oder pharmazeu- tische Wirkstoffe im Ablauf von Klär- anlagen. Teilweise entziehen sich or- ganische Spurenstoffe den klassischen Abbaumechanismen und verlassen die Kläranlagen gegenüber dem Zulauf in unveränderten Konzentrationen. 2 Verfahrenstechnische Möglichkeiten für eine 4. Reinigungsstufe zur weitergehenden Entfernung organischer Spurenstoffe aus kommunalem Abwasser Die Forschung konzentrierte sich zu- nächst auf das Entfernungspotenzial von Verfahren, die aus der Trinkwas- seraufbereitung bekannt sind, wobei Membransysteme, Ozonung und Ak- tivkohlefiltration im Mittelpunkt der Betrachtungen standen. Eine hohe zeit- liche Variabilität, Schwankungen der Abwasserzusammensetzung und Ma- trix aus saisonalen Gründen sowie Ver- dünnung bei Regenereignissen führen jedoch zu einer starken qualitativen und quantitativen Dynamik, sodass 340 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer

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    Österr Wasser- und Abfallw 2017 · 69:340–345DOI 10.1007/s00506-017-0406-z

    4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehendenBehandlung kommunaler AbwässerHeidemarie Schaar · Norbert Kreuzinger

    Online publiziert: 21. Juni 2017© Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation.

    Zusammenfassung Über die letztenJahre entwickelten sich die Überlegun-gen zu einer über den derzeitigen Standder Technik hinausgehenden Abwasser-reinigung von reinen forschungsorien-tierten Ansätzen hin zu einer großtech-nischen Implementierung, sodass esheute für die unterschiedlichen verfah-renstechnischen Varianten einer wei-tergehenden Abwasserreinigung zurEntfernung von organischen Spuren-stoffe bereits großtechnische Umset-zungen gibt. Vor allem in der Schweizhat aufgrund der gesetzlichen Rah-menbedingungen die Umsetzung einer4. Reinigungsstufe bereits begonnen,wenngleich auch noch eine Reihe vonDetailfragestellungen für eine techni-sche Implementierung offen ist. DieserBeitrag fasst die heute anerkannten Op-tionen für Verfahren zur weitergehen-den Abwasserreinigung zusammen undergänzt sie durch Erkenntnisse aus ei-nem vom BMLFUW geförderten natio-nalen Forschungsprojekt „KomOzAk“,das dazu beiträgt, die Umsetzung ei-ner 4. Reinigungsstufe technisch undbetrieblich zu optimieren.

    Advanced treatment steps for afurther removal of organic tracepollutants from municipalwastewater

    Abstract Over the last years, consid-erations for an implementation of ad-vanced treatment steps for the removalof organic trace pollutants shifted froma rather research oriented approachfocusing on the removal potential ofconsidered technologies towards a full-scale implementation. As an accord-ing legislation is put into place, es-pecially in Switzerland full-scale units

    Dr. H. Schaar (�) · Dr. N. KreuzingerInstitut für Wassergüte,Ressourcenmanagement undAbfallwirtschaft, TechnischeUniversität Wien, Karlsplatz13/226-1, 1040 Wien, Ö[email protected]

    comprising different technologies andcombinations of technologies alreadyare realized and in place. This papergives an overview on treatment tech-nologies that proved to be suitable fortackling the topic of further removalof organic trace pollutants from mu-nicipal wastewater. This overview issupplemented by results of an Austrianresearch project looking into detailson technical and operational optimiza-tion of ozonation and activated carbonapplication.

    1 Herausforderungen an dieAbwasserreinigung

    Die Anforderungen an die Reinigungs-leistung von Kläranlagen lassen sichhistorisch gesehen direkt aus den An-forderungen des Gewässerschutzes ab-leiten. Der hohe Standard der Abwas-serreinigung in Österreich hat wesent-lich zur Verringerung der Gewässer-belastungen mit Kohlenstoff, Stickstoffund Phosphor und damit zum heutigenguten Zustand der Gewässer beigetra-gen. Heutzutage resultieren an Kläran-lagen gestellte Anforderungen jedochnicht mehr ausschließlich aus Aspek-ten des Gewässerschutzes. Themen wieEnergieeffizienz und eine Betrachtungdes Abwassers als wertvolle Ressourceim Sinne des NEW-Ansatzes (Nährstoff-Energie-Wasser-Recycling aus Abwas-ser) sind heute ebenso wichtig wie dastraditionelle Vorsorgeprinzip und dieweitergehende Entfernung anthropo-gener Verunreinigungen, um potenzielladversen Effekten im Gewässer entge-genzuwirken. Sowohl der Reuse-Aspekt,als auch der Schutz des Gewässeröko-systems und der Schutz von Trinkwas-serressourcen sind die Ausgangspunktefür die Diskussionen der Implemen-tierung einer 4. Reinigungsstufe aufKläranlagen.

    Seit den frühen 2000er-Jahren be-schäftigt sich die Wissenschaft mit ver-fahrenstechnischen Möglichkeiten zurEntfernung organischer Spurenstof-fe aus dem Abwasser. Ausgangspunkt

    davon war die Thematik hormonellwirksamer Substanzen und ihre Aus-wirkungen auf Gewässerorganismen,wie sie z. B. in Großbritannien oder an-deren Ländern mit damals traditionellnur Kohlenstoff entfernenden Kläran-lagen beobachtet wurden. Ausgehendvon den unterschiedlichen Standardsder Abwasserreinigung wurde zudemder Frage nachgegangen, inwieweit be-stehende Kläranlagen nach dem Standder Technik diese Substanzen bereitsentfernen. Die in Österreich umgesetz-ten Schwachlastanlagen mit Nitrifika-tion und Denitrifikation entfernen na-türliche weibliche Sexualhormone wieEstradiol sowie synthetische Hormo-ne wie Ethinylestradiol zu etwa 90%.Die emittierten Rest-Konzentrationenliegen dennoch über den definiertenWirkkonzentrationen. Neben hormo-nell wirksamen Substanzen finden sichzahlreiche andere organische Spuren-stoffe, wie im Haushalt eingesetzte In-dustriechemikalien oder pharmazeu-tische Wirkstoffe im Ablauf von Klär-anlagen. Teilweise entziehen sich or-ganische Spurenstoffe den klassischenAbbaumechanismen und verlassen dieKläranlagen gegenüber dem Zulauf inunveränderten Konzentrationen.

    2 VerfahrenstechnischeMöglichkeiten für eine4. Reinigungsstufe zurweitergehenden Entfernungorganischer Spurenstoffe auskommunalem Abwasser

    Die Forschung konzentrierte sich zu-nächst auf das Entfernungspotenzialvon Verfahren, die aus der Trinkwas-seraufbereitung bekannt sind, wobeiMembransysteme, Ozonung und Ak-tivkohlefiltration im Mittelpunkt derBetrachtungen standen. Eine hohe zeit-liche Variabilität, Schwankungen derAbwasserzusammensetzung und Ma-trix aus saisonalen Gründen sowie Ver-dünnung bei Regenereignissen führenjedoch zu einer starken qualitativenund quantitativen Dynamik, sodass

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    http://crossmark.crossref.org/dialog/?doi=10.1007/s00506-017-0406-z&domain=pdf

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    Abb. 1 Varianteneiner 4.Reinigungsstufe aufKläranlagenzurweitergehendenBehandlung kommunaler Abwässer

    eine direkte Umlegung der Verfahrenaus dem Trinkwassersektor nicht mög-lich ist.

    Bei den untersuchten Verfahrenzeigte sich, dass die in der Abwasser-reinigung eingesetzten Membranver-fahren (Mikrofiltration) nicht geeignetsind, organische Spurenstoffe zurück-zuhalten, sodass sich die Forschung inden letzten Jahren auf oxidative (Ozo-nung und AOP-Advanced OxidationProcesses) sowie adsorptive Verfahren(Aktivkohleanwendung) fokussierte. Beiden oxidativen Verfahren kommt eszu einer Zerstörung der Zielsubstan-zen, wogegen sich bei den adsorptivenVerfahren die Zielsubstanzen an dieAktivkohle anlagern und so aus demWasserstrom entfernt werden. Heutewerden die in Abb. 1 skizzierten Verfah-ren für großtechnische Umsetzungender 4. Reinigungsstufe herangezogen,wobei vermehrt der biologischen Stufenachgeschaltete Verfahren zum Einsatzkommen.

    2.1 Pulveraktivkohle – PAK

    Bei der PAK-Anwendung wird dem Rei-nigungsprozess pulverförmige Aktiv-kohle (Partikelgröße im µm Bereich)zugegeben. Die Zugabe der Aktivkohle

    kann etwa direkt im Belebungsbeckenerfolgen (PAK-V1). Die Kohle wird da-bei in den Belebtschlamm eingelagertund weitgehend mit dem Überschuss-schlamm entfernt. Auf Grund der ge-ringen Partikelgröße der PAK erfolgtjedoch kein quantitatives Absetzen derKohle im Nachklärbecken und es mussdurch einen nachgeschalteten Filter(Sand- bzw. Anthrazitfilter) verhindertwerden, dass mit Spurenstoffen bela-dene Kohle ins Gewässer ausgetragenwird. Die Zugabe der AK kann auchunmittelbar vor diesem Filter erfolgen(PAK-V2) oder in einen separaten Kon-taktor mit anschließender Sedimentati-on (PAK-V3).

    2.2 Granuläre Aktivkohle – GAK

    Die Anwendung von granulärer Aktiv-kohle (Partikelgröße im mm Bereich)erfolgt als Filtrationsstufe, indem daszu behandelnde Rohwasser durch einenmit GAK gefüllten Filter fließt. Die Filterkönnen als offene Filter (GAK-V1) odergeschlossene Druckfilter (GAK-V2) aus-geführt sein und orientieren sich amKonzept, wie es auch in der Trinkwas-seraufbereitung zum Einsatz kommt.Vorhandene, nachgeschaltete Sandfil-ter können relativ einfach auf einen

    Betrieb mit GAK umgerüstet werden.Die GAK-Filter werden rückgespült undbenötigen keine nachgeschaltete Stufezum Rückhalt von feinen Kohleparti-keln, wie dies bei der PAK-Anwendungder Fall ist.

    2.3 Ozonung

    Bei der Ozonungwird vor Ort aus Sauer-stoff gasförmiges Ozon hergestellt, dasüber ein geeignetes Eintragssystem (In-jektoren oder Diffusoren) in den Abwas-serstrom eingetragen wird. Dabei wir-ken sowohl Ozon als auch bei Ozonre-aktionen entstehende OH-Radikale undzerstören die organischen Spurenstof-fe. Je nach Abwassermatrix können beidiesem Vorgang auch unspezifische Ne-benprodukte entstehen, die gemeinsammit eventuell vorhandenemRestozon ineiner abschließenden Einheit entferntwerden sollten. Dafür eignen sich et-wa ein Sand-, Hydroanthrazit oder Ak-tivkohlefilter. Bei der Ozonung kommtes im Gegensatz zur Aktivkohleadsorp-tion auch zu einer Abtötung von Bakte-rien und somit zu einer Teildesinfektiondes Abwassers um mehrere Zehnerpo-tenzen.

    Beide heute als geeignet betrachte-ten Verfahren (Ozonung und Aktivkoh-

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    Abb. 2 ÜbersichtskarteSpurenstoffeliminationaufKläranlagen; Legende: türkis . . . Ozonung, rot . . . PAK,gelb . . . GAK,violett . . . Verfahrenskombination;Rechteck . . . inBetrieb;Raute . . . inPlanung/Bau (ergänzt undmodifiziert aus:VSA-Plattform„VerfahrenstechnikMikroverunreinigungen“ https://www.micropoll.ch/anlagen-projekte/Übersichtskarte/)

    leanwendung) können aufgrund derenphysikalisch-chemischen Eigenschaf-ten für sich alleine nicht alle organi-schen Spurenstoffe entfernen. Beideweisen Vor- und Nachteile auf, sodasskeine der beiden Technologien a prio-ri zu präferieren ist. Zu den verfah-rensimmanenten Aspekten kommenzusätzlich länderspezifische Aspektezum Tragen, die bei einer Verfahrens-auswahl eine wesentliche Rolle spielen.Im Projekt KomOzAk „WeitergehendeReinigung kommunaler Abwässer mitOzon sowie Aktivkohle für die Entfer-nung organischer Spurenstoffe“ wurdenVerfahrensvarianten und -kombinatio-nen näher untersucht, welche die inÖsterreich gegebenen Rahmenbedin-gungen auf Kläranlagen berücksichti-gen. Für Österreich wird eine aus Ozo-nung und nachgeschalteter, biologischaktivierter granulärer Aktivkohlefiltrati-on bestehende Verfahrenskombinationals sinnvollste Lösung erachtet. DieseKombination (siehe Abb. 1) kompen-siert die Nachteile der Einzelverfahrenund stellt zudem ein Multibarrierensys-tem dar, das neben einer Maximierungder Spurenstoffentfernung vor allem inHinblick auf die Investitionssicherheit

    für die Betreiber als nachhaltige Lösungerachtet wird.

    3 Realisierte Anlagen imDACH-Bereich undRahmenbedingungen

    Mit der Revision der Gewässerschutz-verordnung, die am 1. Jänner 2016 inKraft trat, ist die Schweiz bei der Im-plementierung einer 4. Reinigungsstufezur gezielten weitergehenden Entfer-nung organischer Spurenstoffe welt-weit am weitesten fortgeschritten. SeitAnfang 2014 ist in der Schweiz aufder Kläranlage Neugut (Zürich) mit ei-ner Ozonung die erste großtechnische4. Reinigungsstufe in Betrieb. Auch inDeutschland (v. a. Baden-Württembergund in Nordrhein-Westfalen) gibt es be-reits großtechnische Umsetzungen undzahlreiche weitere Planungen. Abb. 2zeigt die mit Stand Frühjahr 2017 inBetrieb bzw. in Umsetzung befindli-chen 4. Reinigungsstufen in der DACH-Region.

    In diesem Zusammenhang ist eswichtig, auf länderspezifische Rahmen-bedingungen hinzuweisen, die – im Ge-gensatz zu Österreich – in der Schweizund in Deutschland gegeben sind und

    sich auf die Implementierung einer4. Reinigungsstufe auswirken. In beidenNachbarländern sind nachgeschalteteSandfilter weit verbreitet, die histo-risch für einen Partikelrückhalt geplantwurden. Obwohl sich diese oftmalsnicht in Betrieb befinden, existierendie Bauwerke dennoch und eine Um-rüstung in eine 4. Reinigungsstufe istvergleichsweise einfach möglich, zumalauch die damit verbundenen hydrau-lischen Aspekte auf den Kläranlagenbereits berücksichtigt sind. In Deutsch-land kommt zusätzlich der Aspekt derAbwasserabgabe zum Tragen. Diese istvom Betreiber abzuführen und fußtwesentlich auf den emittierten CSB-Frachten. Durch den Einsatz von Aktiv-kohle als 4. Reinigungsstufe wird nunauch an und für sich unbedenklicher,weil nicht mehr biologisch abbaubarerCSB (z. B. Huminstoffe) entfernt, womitsich für den Betreiber die Ausgabenfür die Abwasserabgabe deutlich redu-zieren und diese Einsparungen für die4. Reinigungsstufe gegengerechnet wer-den können. Dieser Aspekt tritt bei derOzonung nicht auf, sodass in Deutsch-land die Aktivkohle einen gewissenmonetären Vorteil genießt.

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    https://www.micropoll.ch/anlagen-projekte/%DCbersichtskarte/

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    Abb. 3 Übersicht über dieKomOzAkAnlage

    4 Ergebnisse aus demösterreichischenForschungsprojekt „KomOzAk“

    Im Rahmen des vom BMLFUW mitfi-nanzierten Forschungsprojektes„KomOzAk“ wurde eine Versuchsanlagezur weitergehenden Abwasserreinigungmittels Ozon und granulärer Aktivkohleuntersucht (Abb. 3), woraus sich fol-gende Erkenntnisse ableiten lassen.

    Wie in vorangegangenen Studienerwies sich die Kläranlagenablaufozo-nung im untersuchten Standardbetrieb(spezifische Ozondosis von 0,7 g O3/gDOCAblauf) als robustes und ausfallsi-cheres Verfahren. Für die Dimensio-nierung einer Ozonung stellt nebender hydraulischen v. a. die organischeBelastung des Abwassers einen wesent-lichen Parameter dar. Die organischeMatrix hat den größten Einfluss auf dieOzonzehrung, da sie zahlreiche ozon-reaktive Verbindungen enthält. Diesimpliziert, dass Ozon bezogen auf dieorganische Hintergrundmatrix des Ab-

    wassers, gemessen als DOC, dosiertwerden sollte.

    Das Entfernungspotenzial von Spu-renstoffen hängt grob gesprochen vonzwei Faktoren ab: einerseits von der Re-aktivität der Spurenstoffe mit Ozon undmit OH-Radikalen und andererseits vonder Ozon- bzw. OH-Radikalexposition,d. h. dem Produkt aus Konzentrationund Expositionszeit. Letzteres wird we-sentlich von der DOC-Konzentrationund -Qualität im Kläranlagenablaufbeeinflusst, was nochmals die Rele-vanz der Organik unterstreicht. Abeiner spezifischen Ozondosis von et-wa 0,4 g O3/g DOC werden ozonaffineIndikatorsubstanzen, wie z. B. Carba-mazepin oder Diclofenac bis unter dieNachweisgrenzen entfernt. Bei mode-rat mit Ozon reagierenden Substanzenzeigt sich ein deutlicher Zusammen-hang zwischen Spurenstoffentfernungund spezifischer Ozondosis, der inAbhängigkeit der Reaktionskonstan-ten mit Ozon variierte. So wird bei0,7 g O3/g DOC für Bezafibrat z. B. eine

    mittlere Entfernung von 70% erreicht,während für dieselbe Entfernung vonBenzotriazol eine spezifische Ozon-dosis von >0,9 g O3/g DOC notwen-dig ist. Basierend auf den Ergebnissenwird eine spezifische Ozondosis von0,7 g O3/g DOC empfohlen, da hierdie ozonaffinen Substanzen vollständigund die moderat affinen im Mittel zuetwa 60% entfernt werden, währenddie Bildung von Oxidationsnebenpro-dukten (Bromat) gering ist. Eine Erhö-hung der spezifischen Ozondosis würdeeinen gegenüber den erzielten Effektenunverhältnismäßig höheren Betriebs-mitteleinsatz erfordern. Mittlerweilewird jedoch vermehrt eine geringereOzondosis unter 0,7 g O3/g DOC dis-kutiert, da z. B. Hormone (v. a. Östro-gene) und schnell reaktive Substanzendadurch bereits beinahe vollständigentfernt werden. Die Dosierung musssich letztendlich nach der gesetzlichgeforderten Reinigungsleistung richten.

    Für Überwachung bzw. Steuerungerwies sich die UV-Absorption als po-

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    tenzieller Kandidat, da die Spuren-stoffentfernung von moderat mit Ozonreagierenden Spurenstoffen gut mitder Reduktion des SAK254 korreliert.Weil Ozon selbst auch einen Adsorp-tionspeak bei etwa 254nm aufweist,wird für eine Steuerung jedoch keinereine SAK254-Messung vorgeschlagen,die bei nur einer Wellenlänge (254nm)erfolgt, sondern eine DOC-Modellie-rung über einen Wellenlängenbereichder UV/Vis-Spektroskopie zwischen250 und 280nm sowie einer Wellen-länge aus dem sichtbaren Spektrumzur Trübungskompensation. Die DOC-Laborwerte können mit einem derar-tigen Modell sehr gut und statistischausreichend genau (R2 = 0,91) abge-bildet werden und stehen sofort zurVerwendung als neuralgischer Steue-rungsparameter der Ozonanlage bereit.Ein Vorteil der DOC-Modellierung übereine spektrometrische UV/Vis-Messun-gen liegt in der Anpassung an einenbreiten DOC-Bereich, um auch Misch-wasserfälle (Verdünnung) abbilden zukönnen, was mit einem einfachen li-nearen SAK254-Modell nicht möglichist.

    Die Untersuchung von zwei Reaktor-konfigurationen zur Simulation einesvoll durchmischten Reaktors bzw. eineskaskadierten Reaktors zeigte hingegenkeine Unterschiede in der Spurenstoff-entfernung oder SAK254-Reduktion. Fürdie bauliche Ausführung bedeutet dies,dass beide Reaktorbauweisen gleich-gestellt werden können. Auch die Va-riation des Eintragsortes für das Ozonin einem kaskadierten Reaktor (Auftei-lung auf alle Reaktoren vs. Eintrag nurim ersten oder im ersten und drittenReaktor) hatte keinen Einfluss auf dieerreichte Entfernung.

    Die Aufenthaltszeit von rund 10minin der Ozonung erwies sich in dendurchgeführten Untersuchungen mehrals ausreichend für die Reaktion derSpurenstoffe und selbst eine Reduktionum 1/3 führte zu keiner Verringerungder Spurenstoffentfernung. Die bislanggeltende Empfehlung von im Mittel20min Aufenthaltszeit im Reaktions-und Abklingbereich erweist sich so-mit als sehr großzügig bemessen undkann ohne Auswirkungen auf die Ent-fernungsleistung auf 15min reduziertwerden, v. a. wenn ein Multibarrieren-system ausgeführt wird.

    In Hinblick auf die untersuchten Va-rianten der Nachbehandlungsstufen fürdie Ozonung (Nachklingvolumen, An-thrazitfilter, nachgeschalteter Aktivkoh-

    le-Druckfilter) kann zusammengefasstwerden, dass Anthrazitfilter und Nach-klingvolumen idente Ergebnisse liefern,was Restozonentfernung, Spurenstoff-entfernung und Keimreduktion betrifft.Der nachgeschaltete GAK-Filter führtjedoch zu einer weiteren, teilweise si-gnifikanten, Spurenstoffreduktion. Diesbedeutet, dass in der Praxis die Verfah-renskombination mit einem nachge-schalteten Aktivkohlefilter empfohlenwird.

    Die Aktivkohlefiltration – sowohl wieeben beschrieben, als eine der Ozo-nung nachgeschaltete Stufe, wie auchals eigenständige Aufbereitungstech-nik zur Entfernung von organischenSpurenstoffen – erwies sich im Pro-jekt jedenfalls als praxistaugliches undrobust zu betreibendes Verfahren. Rele-vante Parameter für die Steuerung undRegelung der Aktivkohle-Druckfiltersind der Behälterdruck und der Vo-lumenstrom. Der Behälterdruck erwiessich im Versuchsbetrieb als praktikablerSteuerparameter für die Rückspülung.

    Ein entscheidendes Kriterium beider Planung einer weitergehenden Ab-wasserreinigungsstufe mittels Aktiv-kohlefiltration ist neben Produktquali-tät bzw. -eigenschaften der verwende-ten granulierten Aktivkohle auch dererreichbare Durchsatz, gemessen inBettvolumina. Das Eliminationspoten-zial der untersuchten Spurenstoffe istvon der Adsorbierbarkeit der jeweili-gen Substanz an Aktivkohle abhängig.Bei der Aktivkohlefiltration als eigen-ständige Aufbereitungstechnik zur Ent-fernung von organischen Spurenstof-fen konnte festgestellt werden, dassdie ausgewählten Indikatorsubstan-zen für sehr gut bis gut adsorbierbareStoffe über die gesamte Filterlaufzeit(ca. 10.000 Bettvolumina) im Mittel zumehr als 85% entfernt wurden unddie Elimination am Ende der Filter-laufzeit immer noch über 60% lag. Beiden Indikatorsubstanzen für mittel bisschlecht adsorbierbare Stoffe war abca. 2000 Bettvolumina ein Rückgang inder Eliminationsleistung zu verzeich-nen und nach etwa 4000 Bettvoluminawurden bei diesen Substanzen erste er-höhte Ablaufkonzentrationen im Filter,d. h. die Ablaufkonzentration lag überder Zulaufkonzentration des jeweiligenStoffes, festgestellt. Solche Desorptions-prozesse können in Vielstoffgemischenwie im Kläranlagenablauf auftreten, woschlechter adsorbierbare Stoffe durchbesser adsorbierbare verdrängt werdenkönnen. So ergeben sich in Abhän-

    gigkeit von der betrachteten Substanzsowie von dem jeweiligen Ausmaß dernotwendigen Entfernung für die Aktiv-kohle-Druckfilter unterschiedlich langeStandzeiten. Betrachtet man die sehrgut bis gut adsorbierbaren Substanzen,so können bei diesen in Abhängig-keit vom notwendigen Mindestelimi-nationsgrad bis zum Filterdurchbruchdeutlich höhere Standzeiten erreichtwerden. Bei einem notwendigen Min-desteliminationspotenzial von 70% be-trägt die Standzeit für sehr gut bisgut adsorbierbare Indikatorsubstanzenmehr als 10.000 Bettvolumina.

    Ein weiteres entscheidendes Krite-rium für die Bemessung von Aktiv-kohlefiltern ist die Kontaktzeit. DerVersuchsbetrieb hat gezeigt, dass esbei Verringerung der Kontaktzeit zueiner Reduktion der Spurenstoffelimi-nation kommt. Daher ist grundsätzlicheine möglichst hohe Kontaktzeit anzu-streben, diese ist jedoch aus betriebs-und kostentechnischer Sicht auf einsinnvolles Maß zu begrenzen. Beim Ak-tivkohlefilter, der parallel zur Ozonungbetrieben wurde, lag die Aufenthaltszeitbei etwa 30min, während diese beimnachgeschalteten GAK-Filter bei etwasmehr als einem Drittel lag.

    Im Vorfeld der Planung sollten Ad-sorptionsversuche in Form von Adsorp-tionsisothermen oder Filterschnelltestsmit der zu behandelnden Abwasserma-trix und der zum Einsatz kommendenAktivkohle durchgeführt werden.

    5 Synopse

    Sowohl Aktivkohle als auch Ozonunghaben ihre Stärken und Schwächen.Für einen effizienten Ressourcenein-satz und die Entwicklung sinnvollerKonzepte für eine weitergehende Rei-nigung ist es unabdingbar, verfahrens-technische, umsetzungsorientierte undbetriebliche Erfahrungen wissenschaft-lich abgesichert zu erheben und fürVariantenstudien bereitzustellen. Dies-bezügliche Untersuchungen laufen zurZeit im Rahmen des vom BMLFUW(Projektnummer B601389) gefördertenNachfolgeprojekts „KomOzAk II“.

    Danksagung Das Projekt KomOzAk„Weitergehende Reinigung kommuna-ler Abwässer mit Ozon sowie Aktivkohlefür die Entfernung organischer Spuren-stoffe“ wurde aus Mitteln des Bundes-ministeriums für Land- und Forstwirt-schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft(Projektnummern B202770 & 100927)

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    gefördert. Das Projekt wurde gemein-sam mit den Projektpartnern DonauChemie AG, Messer Austria GmbH, VATECH WABAG GmbH und Xylem Ser-vice GmbH durchgeführt. Ein speziellerDank für deren Unterstützung sei andieser Stelle auch an die begleitendeKläranlage gerichtet, an deren Standortdie Versuchsanlage betrieben wurde.

    Weiterführende Links

    Open access funding provided by TUWien (TUW).

    Open Access Dieser Artikel wird unterder Creative Commons Namensnen-nung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung,

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    Projektbericht KomOzAk: https://www.bmlfuw.gv.at/service/publikationen/wasser/KomOzAk-Langfassung.htmlThemenband „Spurenstoffe in der aquatischenUmwelt“ der Fachzeitschrift „ÖsterreichischeWasser- und Abfallwirtschaft“ (ÖWAV); Springer

    Verlag; Volume 65, Issue 5–6, Juni 2013 http://link.springer.com/journal/506/65/5/page/1ÖWAV-Positionspapier „Anthropogene Spuren-stoffe in der aquatischen Umwelt“ (2013) http://www.oewav.at/home/Service/Download – Posi-tionspapiere

    DWA-Themenband „Möglichkeiten der Eli-mination von anthropogenen Spurenstoffen– T 3/2015“ http://www.dwa.deVSA-Plattform „Verfahrenstechnik Mikroverun-reinigungen“ https://www.micropoll.ch

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    http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.dehttp://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.dehttp://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.dehttps://www.bmlfuw.gv.at/service/publikationen/wasser/KomOzAk-Langfassung.htmlhttps://www.bmlfuw.gv.at/service/publikationen/wasser/KomOzAk-Langfassung.htmlhttps://www.bmlfuw.gv.at/service/publikationen/wasser/KomOzAk-Langfassung.htmlhttp://link.springer.com/journal/506/65/5/page/1http://link.springer.com/journal/506/65/5/page/1http://www.oewav.at/home/Service/Downloadhttp://www.oewav.at/home/Service/Downloadhttp://www.dwa.dehttps://www.micropoll.ch

    4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler AbwässerZusammenfassungAbstractHerausforderungen an die AbwasserreinigungVerfahrenstechnische Möglichkeiten für eine 4. Reinigungsstufe zur weitergehenden Entfernung organischer Spurenstoffe aus kommunalem AbwasserPulveraktivkohle – PAKGranuläre Aktivkohle – GAKOzonung

    Realisierte Anlagen im DACH‑Bereich und RahmenbedingungenErgebnisse aus dem österreichischen Forschungsprojekt „KomOzAk“SynopseWeiterführende Links