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5. Auflage Bamberger Lösungsorientierte Beratung E-BOOK INSIDE + ONLINE-MATERIAL ARBEITSMATERIAL

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Bamberger

Lösungsorientierte Beratung

E-BOOK INSIDE + ONLINE-MATERIALARBEITSMATERIAL

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Bamberger

Losungsorientierte Beratung

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Günter G. Bamberger

Losungsorientierte Beratung

Praxishandbuch

5., überarbeitete Auflage

Mit Arbeitsmaterial

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Anschrift des Autors:Dipl.-Psych. Günter G. BambergerObere Schillerstr. 4572076 Tübingen

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5., überarbeitete Auflage 2015

1. Auflage 1999, Psychologie Verlags Union, Weinheim2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2001, Beltz PVU, Weinheim3., vollständig überarbeitete Auflage 2005, Beltz PVU, Weinheim4., vollständig überarbeitete Auflage 2010, Beltz, Weinheim

! Beltz Verlag, Weinheim, Basel 2015Programm PVU Psychologie Verlags Unionhttp://www.beltz.de

Lektorat: Dr. Svenja WahlHerstellung: Sonja FrankUmschlaggestaltung: Federico Luci, OdenthalUmschlagbild: mauritius images/Ikon ImagesSatz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza

E-Book

ISBN 978-3-621-28226-0

Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich (ISBN 978-3-621-28110-2).

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Nicht müde werdensondern dem Wunderleisewie einem Vogeldie Hand hinhalten.

Hilde Domin

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Inhaltsubersicht

Geleitwort 15

1 Lösungsorientiert beginnen! 17

2 Von den Anfängen der systemischen Therapie 27

3 Woran erkennt man einen lösungsorientierten Berater? 58

4 Ein erster Blick auf die Werkzeuge des lösungsorientierten Beraters 71

5 Ein lösungsorientierter Leitfaden: Phasenmodell der Beratung 80

6 Erste Beratungsphase: Synchronisation 84

7 Zweite Beratungsphase: Lösungsvision 100

8 Dritte Beratungsphase: Lösungsverschreibung 148

9 Vierte Beratungsphase: Lösungsbegleitung 183

10 Fünfte Beratungsphase: Lösungsevaluation 193

11 Sechste Beratungsphase: Lösungssicherung und das Ende der Beratung 215

12 Fallbeispiel: Herr E. und seine Promotion zum »Dr. vitae« 225

13 Beforschte Beratung: Qualitätsmanagement als Prozesskontrolle 252

14 Effektivität der lösungsorientierten Beratung: Einige kritische Fragenund einige (auch provozierende) Antworten 269

15 Selbstfürsorge des Beraters:Von der ClientCare zur SelfCare und zur InterCare 302

16 Zum Schluss: Ausblick statt Rückblick 321

17 Was ich Ihnen ganz zum Schluss noch sagen wollte … 325

18 Ein Spickzettel für Lösungsorientierung 326

Anhang 327

Glossar lösungsorientierter Fragen 328Hinweise zu den Online-Materialien 335Literaturverzeichnis 336Sachwortverzeichnis 354

Inhaltsübersicht 7

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Inhalt

Geleitwort 15

1 Losungsorientiert beginnen! 17

2 Von den Anfangen der systemischen Therapie 27

2.1 Grundbausteine der systemischen Theorie 302.1.1 Selbstorganisation 312.1.2 Kybernetik 322.1.3 Zirkularität 342.1.4 Konstruktivismus 352.2 Steve de Shazer und die Entwicklung der lösungsorientierten

Kurztherapie 392.3 Das lösungsorientierte Beratungskonzept: Ausblick statt

Rückblick 482.3.1 Der »Problem-Talk« als Problem 502.3.2 Vom »Problem-Talk« zur »Sehnsucht nach Zukunft« 552.4 Lösungsorientiertes Denken auch in der Medizin:

Salutogenese 56

3 Woran erkennt man einen losungsorientierten Berater? 58

3.1 Zukunft fokussieren 583.2 Wahlmöglichkeiten schaffen 593.3 Ressourcen identifizieren 603.4 Kooperation realisieren 653.5 Erste Schritte begleiten 673.6 Selbstwirksamkeit unterstützen 683.7 Selbstfürsorge sichern 683.8 Zusammenfassung: Das Profil des lösungsorientierten Beraters 69

4 Ein erster Blick auf die Werkzeuge des losungsorientiertenBeraters 71

4.1 Zuhören – der gute Anfang 724.2 Fragen und nichts als Fragen 754.3 Wertschätzung macht Beratung menschlich 774.4 Ermutigung zu Lösungsaktivitäten 774.5 Zusammenfassung: Ein Blick in den Werkzeugkoffer 78

Inhalt 9

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5 Ein losungsorientierter Leitfaden: Phasenmodell der Beratung 80

5.1 Konzeptionelle Überlegungen 805.2 Sich gemeinsam auf den Weg machen: Synchronisation 815.3 Ein vorläufiges Phasenmodell der lösungsorientierten Beratung 81

6 Erste Beratungsphase: Synchronisation 84

6.1 Vorgaben des Beraters 856.2 Lösungsorientierte »Problemanalyse« 866.2.1 Respektierung des Klienten und seines Problems 886.2.2 Externalisierung des Problems 896.2.3 Ein erstes Kompliment 906.2.4 Weckung von Optionsphantasien 906.2.5 Wenn die Lösung das Problem ist 916.2.6 Das Problem als der Beginn der Lösung 916.2.7 Eine Neuorientierung auch für den Berater 926.3 Die Vereinbarung von Kooperation 926.4 Lösungs-Motivierung 97

7 Zweite Beratungsphase: Losungsvision 100

7.1 Über Visionen und den Zauber der Sprache 1007.1.1 Die lösungsorientierte Zentralfrage 1017.1.2 Lösen als ein »Mehr des Unterschiedlichen« 1027.1.3 Lösungsschlüssel zum Unterschiedlichen 1037.2 Lösungstendenzen: Veränderung schon vor der Beratung 1037.3 Ausnahmen: Die unbewusst funktionierenden Lösungen 1077.3.1 Kein Problem ohne Ausnahme! 1077.3.2 Positive Konnotation von Ausnahmen 1097.3.3 Verschreibung der Ausnahme(n) 1107.3.4 Wenn es keine Ausnahmen zu geben scheint 1117.3.5 Skalierungsfragen – der Königsweg zu Lösungsvisionen 1157.4 Hypothetische Lösungen: »Was wäre, wenn …?« 1177.4.1 Entwicklung einer hypothetischen Lösung 1187.4.2 Von den Phantasien zu konkreten Verhaltensbeschreibungen 1237.4.3 Von den Verhaltensbeschreibungen zum Verhalten 1247.5 Reframing: Dem Problem eine neue Bedeutung geben 1267.5.1 Verhaltensdiversifizierendes Reframing: »Viele Wege führen

nach Rom!« 1297.5.2 Motivationsdiversifizierendes Reframing:

»Alles ist Ansichtssache!« 1307.5.3 Situationsutilisierendes Reframing:

»Alles ist zu etwas nütze!« 1357.6 Universallösung: »Mach, was Du willst, aber ander(e)s!« 1397.6.1 Ansatzpunkte für »etwas ander(e)s« 140

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7.6.2 Motivation für »etwas ander(e)s« 1417.6.3 Effekte von »etwas ander(e)s« 1467.6.4 Universallösung auch für Berater? 147

8 Dritte Beratungsphase: Losungsverschreibung 148

8.1 Rapport: Gerne bei sich selbst Klient sein 1498.1.1 Rapport und nichts als Rapport 1508.1.2 Rapport unter lösungsorientierter Perspektive 1518.1.3 Rapport ist immer wieder anders 1558.1.4 Rapport ist nicht alles! 1558.1.5 Rapport im Verständnis von Steve de Shazer 1568.2 Nachdenkpause: Eine Zäsur, bevor Neues beginnt 1568.2.1 Wie sich der Klient auf Neues einstellt 1578.2.2 Wie der Berater Neuem den Weg bereitet 1588.3 »Stärken stärken«: positive Konnotation und mehr 1598.3.1 Positive Konnotation durch Komplimente 1608.3.2 Von den Komplimenten zur Ressourcenaktivierung 1648.3.3 Von der Ressourcenaktivierung durch den Berater zur

Ressourcenutilisierung durch den Klienten 1678.3.4 »Stärken stärken« als systemischer Prozess 1708.4 Der eigentliche Lösungsvorschlag: Hausaufgaben 1718.4.1 Der Klient als Hausaufgabengeber 1728.4.2 Der Berater als Hausaufgabengeber 1738.4.3 Registrierung von Commitment 1758.4.4 Operationalisierung des Lösungshandelns 1768.4.5 Sicherung der Handlungsplanung 1798.5 Abschluss der Beratungsstunde 181

9 Vierte Beratungsphase: Losungsbegleitung 183

9.1 Briefe, die etwas vertiefen 1849.2 Briefe, die etwas festhalten 1849.3 Briefe, die etwas nachtragen 1869.4 Briefe, die etwas fortsetzen 1879.5 Briefe, die um Entschuldigung bitten 1889.6 Beratung mit Hilfe neuer Medien: »E-Beratung« 188

10 Funfte Beratungsphase: Losungsevaluation 193

10.1 Fokussierung der Verbesserungen 19310.1.1 Ein Breitband-Screening der Veränderungen 19610.1.2 Identifizierung und Verstärkung der relevanten Ressourcen 19710.1.3 Lösungsevaluation als Prozess 19810.1.4 Eine neue Lösungsverschreibung 19910.2 Wenn es nicht besser geworden ist 201

Inhalt 11

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10.2.1 Wenn die Hausaufgabe nicht gemacht wurde 20110.2.2 Wenn sich nichts bzw. zu wenig verändert hat 20210.2.3 Wenn es zu einem »Misserfolg« gekommen ist 20310.3 Wenn der Berater den Beratungsprozess ins Stocken bringt 20410.4 Wenn Beratung ins Leere läuft: Knoten statt Lösungen 20810.5 Wenn etwas als »unlösbar« respektiert werden muss 213

11 Sechste Beratungsphase: Losungssicherung und das Endeder Beratung 215

11.1 Annäherung statt Vollendung: Das Ende vor dem Ziel 21511.2 Sichern des Erreichten – und die Ermutigung zu neuen

Lösungsprojekten 21711.3 Abschlussformen und Abschiedsrituale 21811.4 Lieber kurz und effektiv! 222

12 Fallbeispiel: Herr E. und seine Promotion zum »Dr. vitae« 225

12.1 Anmeldung: Alles ist Depression 22512.2 Erste Sitzung: Der Beginn von Veränderung 22512.3 Zweite Sitzung: Wie Ideen wachsen 23112.4 Dritte Sitzung: Das Leben wieder selbst gestalten 23612.5 Vierte Sitzung: Der steigende Einflussquotient 24112.6 Über die weiteren Sitzungen: Auf dem Weg zum »Dr. vitae« 24512.7 Nachtrag: Ein guter Weg 250

13 Beforschte Beratung: Qualitatsmanagement alsProzesskontrolle 252

13.1 Selbstkontrolle des lösungsorientierten Beraters 25313.2 Eine Analyse der Wirkfaktoren 25413.3 Das Ratinginventar lösungsorientierter Interventionen 25613.4 Die Sequentielle Plananalyse 25913.5 Die Ressourcenorientierte Mikroprozess-Analyse 26113.6 Prozessqualität aus der Sicht des Klienten 26113.7 Lösungsorientierter Stundenbogen 265

14 Effektivitat der losungsorientierten Beratung:Einige kritische Fragen und einige (auch provozierende)Antworten 269

14.1 Steve de Shazers Plädoyer fürMinimalismus und Pragmatismus 27014.2 Sprachphilosophische Gründe für die Wirksamkeit

lösungsorientierter Beratung 27214.3 Der Klient als Experte der Wirksamkeitsbeurteilung 27514.4 Neurobiologische Erklärungskonzepte zur Wirksamkeit

beraterischer Interventionen 278

Inhalt12

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14.5 Lösungsorientierte Beratung als konsistenzförderndeIntervention 287

14.6 Wirksamkeit aus der Sicht anderer Beratungsschulen 29414.7 Eine lösungsorientierte »Universalantwort« 29714.8 Selbstkritisches eines lösungsorientierten Beraters 29914.9 Eine persönliche Arbeitsdefinition von lösungsorientierter

Beratung 301

15 Selbstfursorge des Beraters:Von der ClientCare zur SelfCare und zur InterCare 302

15.1 Von den Lösungstendenzen zur Selbst-Achtung 30315.2 Von den Ausnahmen zur Selbst-Stärkung 30615.3 Vom Hypothetischen zur Selbst-Entwicklung 31015.4 Vom Reframing zur Selbst-Befreundung 31115.5 Von der Universallösung zur Selbst-Herausforderung 31515.6 Lösungsorientierte SelfCare im Überblick 31715.7 InterCare als Ergänzung der SelfCare 318

16 Zum Schluss: Ausblick statt Ruckblick 321

17 Was ich Ihnen ganz zum Schluss noch sagen wollte … 325

18 Ein Spickzettel fur Losungsorientierung 326

Anhang 327Glossar lösungsorientierter Fragen 328Hinweise zu den Online-Materialien 335Literaturverzeichnis 336Sachwortverzeichnis 354

Inhalt 13

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Geleitwort

Fünf Auflagen zeigen den Bedarf und die Nachfrage für dieses Buch, das erstmals 1999erschienen ist. Ich habe den Erfolg des Buches über die Jahre begleitet und freue michsehr, auch zur fünften Auflage ein Geleitwort zu schreiben. Dieses Buch erweitertwieder das Spektrum derWissenschaft Psychologie. Beschäftigt sich Psychologie meistnoch mit »Verändern über Problemfokussierung«, so wird hier das »Verändern überRessourcenfokussierung« aufgezeigt.

Warum ist das wichtig?Innere Veränderung betrifft die innere Selbstorganisation, d.h., wie wir Wirklichkeitin uns organisieren. Diese wieder neu zu organisieren, ist Sinn und Zweck einerpsychologischen Beratung. Dabei geht es darum, wie wir derWelt gegenübertreten, wiewir Erfahrungen einordnen und wie flexibel wir in unseren Sichtweisen sind. Es betrifftauch die Haltung uns selbst gegenüber. Wenn wir diese innere Selbstorganisationerweitern, wirkt sich das handfest aus bis ins praktische Umgehen mit der äußerenRealität. Der lösungsorientierte Ansatz ändert diese innere Selbstorganisation.

Wie das?Kommunikation ist dasMedium der Veränderung, sei es in Beratung, Psychotherapieoder Coaching. Der Klient trägt inhaltlich sein Anliegen und das mitgebrachteProblem vor und so beginnt die Kommunikation zunächst inhaltlich. Der Beratergeht darauf allerdings in einer Art und Weise ein, die die innere Selbstorganisationverändert, und so wandelt sich auch das Mitgebrachte. Aus »Krisen« werden »Lebens-situationen«; das »Problem/Symptom« wird zu einem »Thema«; aus einem »Opfer-Erleben« wird ein »Gestalter-Erleben« – und der »behandelnde« Therapeut und»Fach«-Berater wird zum »rahmenden« Therapeuten und Berater. Und auf diesemWeg entdeckt sich der Klient selbst neu und vor allem seine schon vorhandenen bzw.die dadurch entstehenden Ressourcen. Das wurde von Insoo Kim Berg und Steve deShazer als Wunder bezeichnet: Wir kommen wieder in Kontakt mit der Vielzahl vonMöglichkeiten, erweitern uns und damit entsteht letztendlich andereWirklichkeit. DerBerater wird zum Erzeuger dieser Möglichkeiten und Ressourcen. Genau davonhandelt dieses Buch.

Das Buch zeigt in Philosophie und Interventionen auf, worum es gehtEs ist verständlich und sehr beliebt, dass Berater/Therapeuten zur Veränderungsarbeitkonkrete Anleitungen suchen im Sinne eines Handwerkskoffers. Aber ein Mensch istkein Auto. Veränderung als technische Intervention zu sehen, greift zu kurz. AlleInterventionen erwachsen erst aus der Beschäftigung mit der dahinter liegenden»Verwandlungs-Philosophie«. Und die entscheidende Frage ist: Wie werden diesesWunder und diese Wandlung bewerkstelligt? Wie wird der Klient zu mehr Zuversicht,

Geleitwort 15

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zumehr Aktivität, zumehr Selbstverantwortung kommen und sich wieder als Gestalterseiner Lebenssituation erleben? Das geht im lösungsorientierten Vorgehen nicht überdie Beschäftigung und Ausdifferenzierung von Probleminhalten, sondern über dasrespektvolle Wieder-Aufwecken der vorhandenen Lösungs-, Bewältigungs- und Ge-staltungsstrategien des Klienten, also seiner eigenen Ressourcen.

Steve de Shazer, der sich wiederum auf Milton Erickson bezieht und in dersystemischen Tradition steht, geht es um die Rahmung der persönlichen Selbst-organisation solcherart, dass neue Einordnung erzeugt wird, die wiederum zu erwei-terten Sichtweisen, neuen Ideen, verändernden Aktivitäten führt.

Am eigenen Beispiel lernenGleich zu Beginn des Buches können Sie am eigenen Beispiel erfahren, wie diesesVorgehen mit seinen besonderen »Frage-Interventionen« wirkt. Selbst wenn diesesSelbstcoaching eine Fachberatung ist – da Sie ja hier durch die Lektüre des Buchesetwas Fachliches über Beratung lernen wollen –, funktioniert es! Hier wird schonVorhandenes gehoben und damit auch konstatiert. Es geht um Vorstellungen, umErgänzungen von Ansätzen, um Andenken, Vorausdenken, Bestätigung.

Am Fallbeispiel lernen!Worte drücken oft zu wenig aus, was genau gemeint ist und was den Unterschied zumBekannten ausmacht. Daher ein Fallbeispiel am Ende des Buches. Hier können Sie denProzess einer Veränderung mitverfolgen und mit den Ihnen bekannten Vorgehens-weisen abgleichen. Empfehlenswert: Sie lesen dieses Fallbeispiel zuerst, um sich vomZauber dieser Art von Beratung einfangen zu lassen. Nach dieser Veranschaulichungder Wirkung spezifischer Interventionen ist das Studium, wie das Gezeigte im Detailherbeizuführen ist, umso interessanter.

Es ist nicht zufallig und nicht willkurlich, was man als Berater macht. Es ist gut zuwissen, wozu das fuhrt, was man machtKlienten kommen nicht, um zu lernen, wie Beratung geht. Sie kommen, um ihr Leid zubeenden, wieder ein »Pack-An« für eine schwierige Situation zu finden, aus einer Kriseherauszukommen, sich wieder mit einer guten Entwicklung zu verbinden. Letztend-lich geht es immer um das Gleiche, ob es sich nun Therapie oder Beratung nennt:Menschen halten sich für hilflos, für unfähig, sind in einer Sackgasse, haben denÜberblick verloren, haben keine Zukunftsausrichtung mehr. In der Art des lösungs-orientierten Beratungsvorgehens werden sie wieder zu Experten für sich – indem sievon Beginn an so behandelt werden, dass sie das sind und über die Beratung hinaus fürsich bleiben können. Interessant und wesentlich ist dann, was sich in der Beratung undihrem Prozess ändert, wenn man diese Prämisse zugrunde legt. Diese Kunst lehrt dasBuch wie kein anderes auf anschauliche Weise.

Ein wertvolles Buch!

Bonn, im Juli 2014 Anne M. Lang

Geleitwort16

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1 Losungsorientiert beginnen!

Für ein Lehrbuch gehört es sich, zuerst ein theoretisches Konzept zum betreffendenThema vorzustellen. Das wäre hier die Theorie der lösungsorientierten Beratung. Diegibt es schon, wie Sie richtig vermuten, und natürlich vom Erfinder selbst: Steve deShazer (1940–2005), Psychotherapeut aus Milwaukee, Wisconsin, USA. Sein letztesBuch, das in Zusammenarbeit mit YvonneDolan posthum erschienen ist, trägt den vielversprechenden Titel: »Mehr als ein Wunder« (2008). Dort präsentiert er die wesent-lichen Lehrsätze. Sie beziehen sich auf die vier »Systemelemente« einer Beratung: denKlienten, das Problem, die Lösung, den Berater. In aller Kürze lassen sich dieseLehrsätze folgendermaßen zusammenfassen:(1) Klienten sind Experten ihres Lebens. Sie wissen am besten, wie sie ihr Leben bislang

erfolgreich gemeistert haben. Und wenn sie im Augenblick einen Gesprächs-partner suchen, ummit ihm zusammen etwas zu klären, dann spricht das ebenfallsfür Lebensexpertise.

(2) Klienten verfugen uber vielfaltige Ressourcen. Das sind Fähigkeiten, Fertigkeiten,Anlagen, Erfahrungen, Einstellungen, Ziele, Beziehungen usw., um das Leben zugestalten. Klienten haben diese im Moment vielleicht etwas aus den Augenverloren, können aber imGesprächmit dem Berater wieder den Zugang gewinnenbzw. sie durch neue Erfahrungen und Training aktivieren.

(3) Probleme sind etwas Normales. Sie gehören zum menschlichen Leben und kenn-zeichnen Übergänge, wenn man lernen möchte/muss, mit Situationen bzw.Herausforderungen anders umzugehen. Probleme lassen sich insofern als Vor-boten von Neuem verstehen.

(4) Probleme sind nicht die ganze Zeit existent. Es gibt immer auch Ausnahmen, d.h.Zeiten, in denen sie Klienten weniger bis fast gar nicht beeinträchtigen.

(5) Losung heißt, das, was funktioniert, haufiger zu tun. Und Funktionierendes kannman z.B. in den »Ausnahmen« entdecken. Analog gilt: Wenn etwas nicht funk-tioniert, sollte man etwas anderes probieren.

(6) Losung wirkt selbstverstarkend. Aus einem ersten Mehr von dem, was funk-tioniert, resultiert meist ein sich selbst verstärkender Entwicklungsprozess, undKlienten können sich wieder aus der Beratung verabschieden.

(7) Berater erweitern die Optionen. Sie unterstützen Klienten darin, ihr Ressourcen-potential insgesamt zu sehen und autonom zu nutzen.

(8) Berater sind Bewunderer von Autonomie. Sie nehmen den Klienten in dieserAutonomie voller Respekt und Wertschätzung wahr.

Das war’s schon – auch wenn auf den über 200 Seiten von Steve de Shazers und YvonneDolans Buch dieses lösungsorientierte Credo noch detailliert begründet und mitTranskripten vieler Beratungsgespräche sehr anschaulich gemacht wird. Mehr mussman eigentlich nicht wissen, um lösungsorientiert zu beraten. DieserMinimalismus ist

1 Lösungsorientiert beginnen! 17

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geradezu das Qualitätsmerkmal der lösungsorientierten Beratung. Dennoch möchteich Ihnen sehr ans Herz legen, dieses letzte Buch von Steve de Shazer bei Gelegenheitganz zu lesen. Sie werden begeistert sein. Und nach meiner Überzeugung ist für einenlösungsorientierten Berater die Begeisterung mindestens so wichtig wie eine gutetheoretische Konzeptualisierung.

Das, was Sie jetzt in den Händen halten, ist jedoch kein Lehrbuch, sondern, wie dasCover anzeigt, ein Praxisbuch. Das bedeutet, Sie und ich haben die Freiheit, ganzanders zu beginnen – eben nicht mit einer Theorie, sondern mit der Praxis, in diesemFall mit der Praxis der lösungsorientierten Beratung.

Beraterische Praxis ist auf zweierlei Wegen zugänglich: indirekt, indem man Fall-beispiele studiert, und in diesem Buch werden Sie viele finden, oder direkt, indemmanals Berater aktiv wird. Ich möchte Sie einladen, jetzt gleich mit Ihrer ersten lösungs-orientierten Beratung zu starten, und das in der Form, dass Sie sich selbst beraten – einklein wenig mit meiner Assistenz. Der Nutzen ist, dass Sie – unabhängig von allerTheorie – ganz unmittelbar erleben, ob ein solches lösungsorientiertes Vorgehen in derLage ist, neue Perspektiven zu eröffnen und zu neuem Verhalten zu motivieren. UndSie können spüren, ob das die »Beratungswelt« ist, in der Sie sich wohl fühlen und dieSie deshalb zu Ihrer Beratungswelt machen möchten. Ich denke, das ist ein guter, weilehrlicher Anfang. Aber Sie haben natürlich die Wahl:" Wollen Sie sich doch zuerst mit den theoretischen Grundlagen der lösungsorien-

tierten Beratung vertraut machen, dann ist Kapitel 2 mit der Entwicklungsge-schichte dieser Idee der für Sie richtige Startpunkt.

" Wenn Sie sich zuerst einmal einen indirekten Eindruck davon verschaffenmöchten,wie damit in der Praxis gearbeitet wird, dann sollten Sie sich Kapitel 12 vornehmenund die »Lösungsgeschichte von Herrn E.« kennen lernen. Genau diesen Einstieghat Ihnen ja Anne Lang im Geleitwort empfohlen.

" Für Experimentierfreudige, die gerne die Dinge direkt ausprobieren und unmittel-bar spüren wollen, geht es jetzt gleich hier weiter: lösungsorientierte Selbst-Bera-tung in acht Schritten.

(1 ) Einstieg: Was soll das Beratungsthema sein?In allgemeinster Form ergibt sich der Anlass für eine Beratung dadurch, dass im Lebender ratsuchenden Person etwas anders ist, als es nach ihrer Meinung sein sollte, bzw.etwas fehlt, was sie gerne hätte, d.h., es besteht eine Ist-Soll-Diskrepanz. Genau dasstellt zumeist das Einstiegsthema für eine psychologische Beratung dar. Der Prozessder Beratung selbst besteht in der Begleitung der Person von Ist nach Soll. Was könntejetzt Ihr Beratungsthema sein? Noch konkreter: Was ist Ihr »Thema«, das Sie dazugebracht hat, sich mit diesem Buch zu beschäftigen? Möchten Sie vielleicht Ihreberaterischen Fertigkeiten erweitern? Der Wunsch, sich in seinen Kompetenzen zustärken, ist tatsächlich ein häufiges Beratungsanliegen.

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(2) Definition der Ist-LageWie schätzen Sie Ihre gegenwärtige Beratungskompetenz ein? Stellen Sie sich eine Skalavor, die von 1 bis 10 reicht. Diese Skala soll »Beratungskompetenz« messen. DerWert 1steht dabei für sehr bescheidene beraterische Fertigkeiten. Das wäre also ein Berater,der noch absoluter Anfänger ist. DerWert 10 soll das absolute Gegenteil bedeuten, eineberaterische Hochbegabung sozusagen. Und nun die Frage: Wo auf dieser Skala von1 bis 10 würden Sie sich in Ihrer Beratungskompetenz gegenwärtig einstufen?

(3) Suche nach AusnahmenNehmen Sie manchmal auch eine größere Kompetenz bei sich wahr?

Wenn Sie Ihre aktuelle Beratungskompetenz mit »X« einstufen, dann bedeutet dies,wie es meistens ist. Hat es im letzten halben Jahr irgendwann einmal eine Gesprächs-situation gegeben, in der es – sozusagen ausnahmsweise – besser gelaufen ist und Siesich nach dem Gespräch richtig gut gefühlt haben, zum Beispiel »X+1« oder gar»X+2«? Was war in dieser »X+«-Situation anders als sonst? Vor allem: Was haben Siedamals ander(e)s gemacht, als Sie es sonst gewöhnlich tun? Schauen Sie ganz genauhin! Was wäre mir als Beobachter bei Ihnen aufgefallen? Und was war noch anders inIhremVerhalten? Und vielleicht noch ein dritter Unterschied?Wie sind Sie auf die Ideegekommen, es gerade so zu machen? Was für Gefühle haben Sie bei diesem gutenGesprächsverlauf begleitet? Wie haben Sie Ihren Körper in dieser Situation wahr-genommen? Bitte nehmen Sie sich die Zeit, um nicht nur genau, sondern auchmit allerAchtsamkeit hinzuschauen – vielleicht gelingt es Ihnen sogar, sich von einer besonde-ren »Liebe zum Detail« leiten zu lassen.

(4) Identifizierung von RessourcenWas macht dieses »Mehr« möglich? Ich möchte Ihnen vorschlagen, ein Blatt Papierund einen Stift zu holen. Bitte unterteilen Sie das Blatt in vier Spalten. In der erstenSpalte notieren Sie die drei wichtigsten ganz konkreten Verhaltensweisen (IhreVerhaltensweisen, nicht die von Ihrem Gesprächspartner!), die für die »X+«-Situationstehen. Die Spalte daneben ist für die Komplimente vorgesehen, die Sie einer Personmachen würden, die sich genau so verhält. Ein solcher Perspektivenwechsel, einesolche Sicht von außen macht es leichter, sich selbst wertschätzend zu betrachten. Nunzu Spalte 3: Jemand, der über Möglichkeiten verfügt, sich so zu verhalten, wie Sie es inSpalte 1 beschrieben haben, kann offensichtlich auf erweiterte Fähigkeiten, Fertig-keiten und Begabungen zurückgreifen – auf »Ressourcen«. Versuchen Sie dieseRessourcen, die Ihnen die genannten Verhaltensweisen ermöglichen und die Sie inder Ausnahme-Situation zum »X+«-Berater machen, konkret zu benennen und inSpalte 3 einzutragen. Dabei werden für eine einzelne Verhaltensweise in der Regelimmer mehrere Ressourcen bedeutsam sein. Wichtig: Nehmen Sie sich dafür wirklichZeit – im Rahmen einer Beratung würde man dem eine ganze Sitzung widmen.Vielleicht ist dieser Hinweis jedoch überflüssig, denn nach meiner Erfahrung ist eswirklich für alle Klienten etwas sehr Schönes, auf das zu schauen, was sie alsindividuelle Person ausmacht, was ihre besonderen Begabungen sind, wo ihre Stärkenliegen, über welche Potentiale sie verfügen. Ein Beispiel habe ich eingetragen:

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Tabelle 1.1 Ressourcen des Beraters

Verhalten Komplimente Ressourcen Experiment

1 A1, A2, A3 …

2 B1, B2, B3 …

3 C1, C2, C3 …

4 Genau hinhörenauf das, was derKlient beschreibt;beim Klientenbleiben; mich inseiner Welt be-wegen.

Du bist ein achtsamerund einfühlender Zuhö-rer. Klienten wissen ihreSorgen und Problemegut bei dir aufgehoben.Sie können sich mitallem dir anvertrauen –und gewinnen darausKraft.

Eingelassenheit,Empathie,Mitgefühl

Wenn Sie auf diese Weise sich wertschätzend Ihre Ressourcen vergegenwärtigen,begegnen Sie dem grundlegenden Wirkprinzip der lösungsorientierten Beratung:Empowerment.

(5) Aktivierung von RessourcenWie kann das, was manchmal geschieht, häufiger geschehen? Wählen Sie nun einedieser Ressourcen aus. Welche ist für Ihr »X+«-Verhalten am wichtigsten? DieseRessource, nennen wir sie hier »A1«, sollten Sie nun interviewen. Probieren Sie esmit folgenden drei Leitfragen – und lassen Sie sich überraschen von den Ideen, die sichdaraus ergeben werden:" Frage 1: Ressource »A1«, du hilfst mir sehr, mit Menschen in ein gutes Gespräch zu

kommen. Gerne würde ich dich einladen, öfter mit dabei zu sein. Wie könnte ich esanstellen, dass du tatsächlich Lust dazu hast?

" Frage 2: An welchem ganz konkreten Verhalten könnte ein Beobachter feststellen,dass wir gut kooperieren?

" Frage 3: Wenn ich ein Symbol auf meinen Schreibtisch stellen wollte, das mich andeine positive Kraft immer wieder erinnert, was könnte das sein?

Vielleicht mögen Sie jetzt eine kleine Pause machen. Das wäre dann auch dieGelegenheit, um sich eine Tasse Kaffee oder Tee zu holen. Bitte, lesen Sie jetzt nichteinfach darüber hinweg, tun Sie tatsächlich etwas Gutes für sich! Und sei es auch nur,um den jetzt anstehenden Schritt vom Überlegen zum Tun schon einmal konkret zuüben.

(6) ExperimenteEtwas tun!Wissen ist gut, handeln ist besser – sagtman. Natürlich gehört beides immerzusammen! Richtiger müsste es heißen: Wissen ist der erste Schritt, das entsprechende

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Tun der notwendig nächste! Genau darum geht es jetzt: um die Intensivierung IhrerKooperation mit Ressource »A1«. Wie eine gute Kooperation sich hier ausdrückt,haben Sie ja bei Frage 2 beantwortet, und genau das sollten Sie in Spalte 4 auf IhremLösungsblatt festhalten. Das wird ähnlich sein zu dem, was in Spalte 1 steht, vielleichtjedoch noch konkreter und noch spezifischer beschrieben. Für mein Beispiel könntedas so aussehen: »Zwischen dem, was der Klient sagt, und dem, was ich daraufantworte, bewusst eine kleine Pause entstehen lassen … und dann mit dem beginnen,was ich verstanden habe.« Sie mögen vielleicht folgendermaßen formulieren:

»Ich werde einen Tag auswählen, an dem ich meine Ressource »A1« ganz bewussteinlade – und werde dann den ganzen Tag lang darauf achten, mich so zu verhalten,wie ich es in Spalte 4 beschrieben habe.« Und nun das Wichtigste: »Ich möchteherausfinden, was dieses Experiment für Auswirkungen auf meine Gesprächspartnerhat.«Welcher Tag das genau sein soll, können Sie dem Zufall überlassen: Würfeln Sie –und wenn eine Eins kommt, dann wissen Sie, dass nächste Woche am Montag dasExperiment beginnt, bei einer Zwei wäre es der Dienstag usw. Und das machen Sie sojede Woche aufs Neue, drei Wochen lang.

Vielleicht interessiert Sie noch, wie ich Frage 1 und Frage 3 beantworten würde.Also, einerseits nehme ich mir immer wieder ganz bewusst die Zeit, um Klavier-konzerte von Mozart zu hören, und mache dabei die wunderbare Erfahrung, dassdieses Hören – und nichts als Hören – gleichermaßen Ohren und Herz öffnet.Andererseits liegt auf meinem Schreibtisch ein Foto von Ulrike Enders Bronzeplastikin Hannover – es stellt »Momo« dar, die eine große Ohrmuschel vor der Brust hält (imInternet können Sie das leicht finden).

(7) Motivationale InnervierungWie kommt Begeisterung dazu? Bis jetzt haben Sie sich vorwiegend auf einerkognitiven Ebene des Wahrnehmens, Überlegens, Bewertens und Planens bewegt.Das ist gut so – und gleichzeitig sind Sie sich bewusst, dass nachhaltiges Tun mehr alsbloß den Kopf braucht. Sie sollten – bildlich gesprochen – auch mit Ihrem Herzendabei sein! Das stellt die entscheidende psychologische »Zutat« dar. Ein Kollege hat dasmal beschrieben als die »Hefe im Teig des Rationalen«. Hilfreich erscheint mir für einesolche Innervierung, sich mental in die Zukunft zu versetzen und sich zu vergegen-wärtigen, wie Ihre Beratungsarbeit sich durch die intensivere und breitere NutzungIhrer Ressourcen verändert haben wird – und den damit verbundenen Gefühlennachzuspüren! In der Sehnsucht nach dem, wie es sein könnte, entzündet sich dieBegeisterung für das, was zu tun ansteht. Begeisterung heißt, sich in etwas zu verlieben.Und welche Kraft in der Verliebtheit steckt, weiß ja jeder.

Das ist jetzt allerdings wieder von Kopf zu Kopf kommuniziert, und wenn Sie sichdas in einem einsamen inneren Dialog einsagen, dann wird es wohl auf der kognitivenEbene bleiben. Nach meiner Erfahrung wäre es besser, dazu ein Gespräch zu suchenmit jemandem, dem Sie sich sehr nah fühlen. Ganz konkret: Laden Sie solch eineFreundin bzw. solch einen Freund ein zu einem gemeinsamen Spaziergang underklären Sie ihr/ihm, dass Sie ein Zukunftsbild von sich selbst entwickeln möchten

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und sie/ihn um seine Unterstützung bei der bildlichen und emotionalen Vergegen-wärtigung bitten. Wollen Sie das probieren? Wenn ich im Beratungsgespräch mitKlienten mit solchen vorwegnehmenden Imaginationen arbeite, dann höre ich häufigso etwas wie »Jetzt hat es bei mir innerlich Klick gemacht…«Genau um dieses »Ja« derSeele geht es. Viele Klienten verknüpfen den so entstandenen emotionalen Status dannwieder mit einem »Zauberwort«. Wie könnte Ihr Zauberwort lauten?

Und wenn Sie schon mal in der Zukunft sind, könnten Sie sich ja mal umsehen, wasda sonst noch ist und ob sich da womöglich eine weitere Liebe entdecken lässt.

(8) BeendigungSich selbst etwas Gutes tun! Gratulation! Wenn Sie tatsächlich alle Schritte derlösungsorientierten Beratung mitgegangen sind, dann sollten Sie jetzt Ihre Ressour-cen-Liste gleich erweitern! Der Persönlichkeitspsychologe Willibald Ruch (2012) vonder Universität Zürich spricht von »Charakterstärken« und würde Sie jetzt beglück-wünschen zu Ihrer Ausdauer, Ihrer Begeisterungsfähigkeit, Ihrer Liebe zum Lernen…Ich möchte Sie jedoch einladen, dass Sie in Ihren eigenen Worten das beschreiben,worauf Sie wirklich stolz sein können! Und gleich noch ein zweiter Vorschlag: Wennetwas gut gelungen ist, dann sollte man ganz bewusst eine Zäsur machen, für einenMoment aus dem Tätigkeitsfluss heraustreten, achtsam diesen Moment genießen –und sich etwas Gutes tun! Womit? Befragen Sie einfach Ihre Intuition, die weiß dasganz genau! Nochmals: Gratulation! Sie haben begonnen, lösungsorientiert zu be-raten!

Wie geht es Ihnen jetzt? Hat der Blick auf Ihre beraterischen Ressourcen gute Gefühlegeweckt? Spüren Sie womöglich Lust, damit etwas Neues zu beginnen?

Gleichzeitig möchte ich Sie bitten, nachsichtig zu sein und Folgendes zu bedenken:Es fehlen bei einem solchen virtuellen Gespräch zwei ganz entscheidende Dinge: dasDialogische, also der Austausch in einem Miteinander-Sprechen, sowie das Emo-tionale, wenn sich zwei Menschen tatsächlich begegnen und sich in ihrer Seeleberühren. Lösungsorientierte Beratung mag auf den ersten Blick manchmal wie einschematischer Gesprächsleitfaden anmuten. Tatsächlich sind die dargestellten achtSchritte lediglich Konstruktionen, um solche Kontextbedingungen zu schaffen, die –und genau darauf kommt es an – den Klienten seine Ressourcen spüren lassen und ihnmit seinem ganzen Handlungspotential in Kontakt bringen, also auch mit solchenFähigkeiten, Begabungen, Intentionen, Phantasien usw., von denen er bislang wenigoder gar keinen Gebrauch macht. Dazu gehört auch die allen Menschen immanenteLust, Neues auszuprobieren und dadurch die Lebensmöglichkeiten zu erweitern.

Das war jetzt das Modell für ein erstes lösungsorientiertes Beratungsgespräch – unddas unter Verwendung des Lösungsschlüssels »Ausnahmen«. Später werden Sienatürlich noch weitere Schlüssel kennenlernen, mit denen man die Türen, die denWeg zur Lösung bzw. zum »Soll« verschließen, zu öffnen versuchen kann. Zuvor nochmöchte ich Ihnen eine Fallgeschichte vorstellen, die diese lösungsorientierte Vor-gehensweise vielleicht noch anschaulicher macht.

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Beispiel

Eine Kollegin aus dem Sozialpsychiatrischen Dienst, die sehr unter der zuneh-menden Arbeitsverdichtung litt, erinnerte sich bei der Ausnahmefrage an ein»eigenartiges Erlebnis«: Nach einem dreiwöchigen Urlaub, das waren 21 Sonnen-tage auf ihrer Heimatinsel gewesen, kam sie wieder zurück an ihren Arbeitsplatz.Sie wurde erwartet – wie üblich – von einem großen Stapel dringend zu bearbei-tender Fallakten, einer langen Anruferliste mit der Bitte um Rücksprache, unzäh-ligen Mails, vielen Terminvormerkungen für Gespräche mit Patienten … Es war,was die äußeren Rahmenbedingungen betraf, wie immer. Aber: Während sie sonstnach einem Urlaub mit einer konzentrierten und von neuer Tatkraft erfülltenBetriebsamkeit startete, spürte sie an diesem Tag (noch) die beruhigenden Aus-wirkungen von wunderbaren Tagen voller Sonne, Strand, Wind, Meer, Weite …Irgendwie schien sie noch nicht wirklich aus demUrlaub zurück zu sein. Vor allemin den Gesprächen mit den Patienten entdeckte sie Unterschiede: Sie machtehäufigere und längere Gesprächspausen, hörte eher zu, als dass sie stringent auf dieanstehenden Punkte zusteuerte, ließ den Gesprächsbedürfnissen der Patientenfreien Lauf, registrierte dabei achtsam deren individuelle Kompetenzen … undspürte in sich eine ruhige und zufriedene Ausgeglichenheit. Ich konnte mir gutvorstellen, wie diese Patienten sich dabei fühlten. Am nächsten Tag kam esallerdings im Zusammenhang mit einer anstehenden Verwaltungsreform zu einemgroßen Ärger auf der Station, auch unter den Arbeitskollegen, mit den Vorgesetz-ten usw. … und der Alltag war wieder eingekehrt.

Die Suche nach den persönlichen Ressourcen, die diese »Ausnahme« imBeratungsverhalten ermöglicht hatten, brachte der Kollegin schließlich drei ihrerwichtigsten »Leitbilder« wieder stärker ins Bewusstsein: Bescheidenheit, was dieeigenen Einflussmöglichkeiten betrifft, Respekt, was die Kompetenzen der Patien-ten angeht, und Gelassenheit, um das im Augenblick Unabänderliche zu akzeptie-ren. Im nächsten Schritt ging es darum, Mittel und Wege zu finden, um das, washier wieder bewusst geworden war, im Bewusstsein zu halten. Die dabei üblicheFrage nach irgendeinem Erinnerungsanker, der auf dem Schreibtisch platziertwerden könnte, löste bei der Kollegin jedoch eine heftige Abwehr aus. So etwaswürde irgendwann und irgendwo unter den Akten verschwinden. Der Wunsch,dass es etwas seinmüsste, das möglichst schon vor dem Schreibtisch und am bestenschon vor dem Arbeitszimmer seine Wirkung entfalten sollte, brachte uns nachlängerem Brainstorming zu einer etwas verrückten Idee: Wie wäre es, wenn sie dieAlu-Türklinke zu ihrem Arbeitszimmer durch ein anderes, farbiges Modell erset-zen würde, vielleicht sogar in der gelben Farbe eines Meeresstrandes? Eine sand-farbene Türklinke, die den Raum öffnet für Bescheidenheit, Respekt und Gelas-senheit. … Je mehr wir uns diesem Bild hingaben und es verinnerlichten, destomehr verzauberte eine strahlende Kollegin die Atmosphäre – und all meine Sorgen,wie sie zum Beispiel mit einem irritierten Hausmeister umgehen würde, erübrigtensich. Ebenso hatte sich die explizite Formulierung einer Hausaufgabe erledigt – die

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Kollegin signalisierte auf allen Kommunikationskanälen, dass sie nun wusste, waszu tun war. Es gab auch keinen Grund, weitere Beratungsgespräche zu planen.

Einige Zeit später hatte ich in der betreffenden Klinik zu tun. Als ich an einemZimmer mit auffallend gelber Türklinke vorbeikam, fühlte ich mich magischangezogen… und beim Drücken spürte ich mich eingefangen von inneren Bildernder Bescheidenheit, des Respekts und der Gelassenheit …

Zusammenfassung. Beim Versuch, Ihre beraterischen Kompetenzen zu erweitern(sozusagen noch vor der Lektüre dieses Buches!), haben wir gemeinsam acht Schrittegemacht – Schritte, wie sie für ein lösungsorientiertes Vorgehen typisch sind:(1) Klärung des Beratungsanliegens einschließlich der emotionalen Einstimmung

aufeinander(2) Beschreibung der aktuellen Ist-Lage mit Hilfe einer Skala, die von 1 bis 10 reicht(3) Erkundung positiver Ausnahmen, in denen schon ein wenig vom Gewünschten

(»Soll«) sichtbar wird(4) Identifizierung jener Ressourcen, die das Ausnahme-Verhalten ermöglichen(5) Aktivierung und Verstärkung dieser Ressourcen durch ihre wertschätzende

Exploration(6) Wechsel von einer analysierenden zu einer handlungsplanenden Perspektive mit

einem Experiment zur intensiveren Nutzung der identifizierten Ressourcen(7) Motivationale Stimulierung für lösungsbezogenes Handeln durch Begeisterung

für das, was sich entwickeln wird(8) Persönliches Empowerment durch Begeisterung über sich selbst und über das, was

gerade begonnen hat

Ein Leitfaden fur die weitere Lekture.Nach diesem ersten praktischen Kennenlernen derlösungsorientierten Beratung möchte ich Sie nun einladen, mit Hilfe der folgendenKapitel Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen noch zu erweitern. Hier eine Übersicht, wasSie im Detail erwartet, wobei Sie natürlich die freie Wahl haben, in der ReihenfolgeIhre Lektüre fortzusetzen, wie dies Ihren Interessen entspricht:

Im folgenden Kapitel, bei dem es um die theoretische Grundlegung der lösungs-orientierten Beratung geht, treffen Sie auf eine kurze Geschichte der systemischenPsychotherapie, einschließlich einer etwas längeren Begründung, warum aus dieserGeschichte eine Person, nämlich Steve de Shazer, herausragt und was ihn von denanderen unterscheidet und sozusagen einzigartig macht: »Von den Anfängen dersystemischen Therapie« (Kap. 2).

Anschließend wird ganz pragmatisch der Frage nachgegangen, was denn nun diebesonderen Merkmale eines lösungsorientierten Beraters sind: »Woran erkennt maneinen lösungsorientierten Berater?« (Kap. 3).

Diese Merkmale haben natürlich eine unmittelbare Auswirkung auf die Art undWeise, wie er das Beratungsgespräch führt, welche »Techniken« er vorzugsweisebenutzt: »Ein erster Blick auf dieWerkzeuge des lösungsorientierten Beraters« (Kap. 4).

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Noch praxisbezogener wird es im fünften Kapitel, in dem ein Gliederungsschema fürden Beratungsprozess vorgestellt wird, und zwar als ein »roter Faden« gegenüber derunendlichen Vielfalt und Komplexität menschlicher Beratungsbedürfnisse: »Ein lö-sungsorientierter Leitfaden: Phasenmodell der Beratung« (Kap. 5).

Die folgenden Kapitel bieten die Möglichkeit, die so konzipierten Beratungsphasendetaillierter kennenzulernen: »Erste Beratungsphase: Synchronisation« (Kap. 6),»Zweite Beratungsphase: Lösungsvision« (Kap. 7), »Dritte Beratungsphase: Lösungs-verschreibung« (Kap. 8), »Vierte Beratungsphase: Lösungsbegleitung« (Kap. 9),»Fünfte Beratungsphase: Lösungsevaluation« (Kap. 10), »Sechste Beratungsphase:Lösungssicherung und das Ende der Beratung« (Kap. 11).

Nach so vielen theoretischen Erläuterungen folgt eine Kostprobe lösungsorientier-ter Praxis: Ein längeres Fallbeispiel veranschaulicht die konkrete Umsetzung derverschiedenen beraterischen Interventionstechniken. Dabei sind Sie eingeladen, sichin die Position eines Supervisors zu begeben und sich immer wieder die Frage zustellen, wie Sie selbst den nächsten Schritt konzipiert und welche Impulse Sie demBeratungsprozess dadurch wohl gegeben hätten: »Fallbeispiel: Herr E. und seinePromotion zum ›Dr. vitae‹« (Kap. 12).

Derartige Fragen führen vom Terrain der Praxis wieder in den Bereich dertheoretischen Überlegungen und wissenschaftlichen Studien, und zwar zum Thema»Beforschte Beratung: Qualitätsmanagement als Prozesskontrolle« (Kap. 13). In die-semKapitel werden Analysetechniken präsentiert, die als »bildgebende Verfahren« denBeratungsprozess direkt sichtbar machen. Das schafft die Basis für ein effektivesQualitätsmanagement in der psychologischen Beratung.

Damit wäre ich eigentlich mit meinem Buch am Ende – hätte ich nicht doch dieHoffnung, dass das intensive Fragen im Rahmen der lösungsorientierten Beratung Sieangesteckt hat und Sie nun selbst einige kritische Fragen stellen. Vielleicht finden Sie inKapitel 14 sogar Ihre Frage wieder: »Effektivität der lösungsorientierten Beratung:Einige kritische Fragen – und einige (auch provozierende) Antworten«. Hier begegnenSie verschiedenen Ansätzen, die versuchen, die Wirksamkeit der lösungsorientiertenBeratung zu erklären. So lernen Sie z.B. den Philosophen Ludwig Wittgensteinkennen, auf den sich Steve de Shazer gerne beruft. Aber auch aktuelle neuropsycho-logische Überlegungen, für die sich unter anderem Klaus Grawe stark machte, werdenzur Diskussion gestellt.

Nach diesen 14 Kapiteln haben Sie sich einen Überblick über die lösungsorientierteBeratung verschafft, d.h., Sie kennen die konzeptionellen Ideen, sind vertraut mit derkonkreten Beratungspraxis und haben sich in verschiedene Ansätze zurWirksamkeits-forschung eingearbeitet. An diesem Punkt können Sie eigentlich die Lektüre beenden –es sei denn, Sie wollten nochmals einen Schritt weiter gehen, was ich in Analogie zum1. Kapitel dieses Buches (»Lösungsorientiert beginnen!«) als »Lösungsorientiert be-ginnen für Fortgeschrittene!« bezeichnen möchte. Es geht darum, die lösungsorien-tierte Beratung nicht nur als eine Art und Weise des Umgangs mit Klienten zuverstehen (»ClientCare«), sondern darüber hinaus als eine Art undWeise des Umgangsmit sich selbst (»SelfCare«) undmit seinen Kollegen (»InterCare«): »Selbstfürsorge des

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Beraters – von der ClientCare zur SelfCare und zur InterCare« (Kap. 15). Lassen Siemich dafür werben, dass Sie Ihre Praxis der lösungsorientierten Beratung genau damitstarten!

Nun sind Sie endgültig am Ende des Buches angekommen, und es gilt Abschied zunehmen: »Zum Schluss: Ausblick statt Rückblick« (Kap. 16).

Wie immer Sie sich auch entscheiden, ich wünsche Ihnen einen guten Weg durchdieses Buch. Möge das, was Sie beim Lesen für sich persönlich daraus machen, zueinem Ideengeber werden für all die Situationen, in denen Sie nach neuen Perspekti-ven, neuem Mut und neuem Handeln suchen.

Noch ein Hinweis: In diesem Buch ist viel die Rede von dem Klienten und demBerater. Die ausschließliche Verwendung der männlichen Form hat rein praktischeGründe. Selbstverständlich sind damit Klientinnen und Beraterinnen mitgemeint.

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2 Von den Anfangen der systemischen Therapie

Im Rückblick auf die Entwicklung der Wissenschaften und ihrer verschiedenenAnwendungsbereiche lässt sich immer wieder beobachten, dass sich Erkenntnisgewinnund Praxisfortschritt nicht in gleichmäßigen, kontinuierlichen Schritten vollziehen,sondern einem dynamischen Prozess folgen: Phasen der Innovation wechseln mitsolchen der Etablierung ab. Es scheint auch so zu sein, dass solche Innovationen meistvon mehreren Pionieren gleichzeitig und doch (relativ) unabhängig voneinandereingebracht werden. Im Nachhinein ist es dann meist schwierig, den eigentlichen»geistigen Erfinder« auszumachen. Oft scheint die Zeit einfach reif zu sein für einenbestimmten kognitiven Entwicklungsschritt, eine ideologische Wende, einen Paradig-menwechsel. Und wenn dadurch Antworten gegeben werden auf die Fragen undProbleme der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden gesellschaftlichen Bedingungen bzw.wenn sich daraus Impulse ableiten lassen für aktuell anstehende Veränderungspro-zesse, dann finden solche Innovationen eine breite, gesellschaftsprägende Resonanz.VomObjekt zum System. In den 1950er Jahren zeichneten sich in vielenWissenschafts-bereichen (Biologie, Technologie, Psychologie usw.) gleichartige interdisziplinäreVeränderungen ab: »Der Fokus der Aufmerksamkeit verschob sich von der Unter-suchung der Eigenschaften isolierter Objekte hin zur Betrachtung der Wechselbezie-hungen miteinander interagierender Objekte, die gemeinsam eine zusammengesetzteübergeordnete Einheit – ein System – bildeten. Es zeigte sich, dass das Verhalten derElemente solcher Systeme besser durch die Spielregeln der Kommunikation zwischenihnen als durch ihre individuellen Eigenschaften erklärt werden konnte. Das For-schungsinteresse verschob sich dementsprechend zur Untersuchung der Steuerungund Regelung von Verhalten innerhalb solcher Systeme« (Simon & Retzer, 1998,S. 65).Revolution der Therapie. Im psychosozialen Bereich ergaben sich mit dieser veränder-ten Sichtweise viele neue Fragen, und es konnte sich im Weiteren eine ganz neuartigeForm der Psychotherapie entwickeln: die Familientherapie. In Abgrenzung zu den bisdahin vorherrschenden psychoanalytischen Denktraditionen und der therapeutischenKonzentration auf das Individuum, den Patienten, greift die Familientherapie nunsystemtheoretische Konzepte auf. Sie gelangt so zu einem erweiterten Verständnis vonmenschlichen Problemen – und entsprechend zu erweiterten Ideen für psychothera-peutische Interventionen. Zu den Schrittmachern dieser »Revolution der Psycho-therapie« (Guntern, 1980) zählen insbesondere Gregory Bateson, John Weakland, JayHaley, Salvadore Minuchin, Virginia Satir.Systemisches Denken. Dieses neue, erweiterte, ganzheitlichere, systemische Denken inder Psychotherapie basiert auf dem Postulat, dass der Mensch ein beziehungsorien-tiertes Wesen ist und sein Verhalten entsprechend primär als interaktives Geschehen,als Aktion und Reaktion gesehen werden muss und auch nur so in seinem Sinn

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verstanden werden kann. Unter dieser Perspektive wird dann »problematischesVerhalten« nicht mehr ausschließlich mit Eigenschaftenkonstrukten, intrapsychischenDynamiken oder Krankheitsmodellen erklärt, die auf linearen Ursache-Folgen-Kon-zepten basieren, vielmehr fokussiert der Berater/Therapeut das konkrete kontextuelleInteragieren und versucht den kommunikativen Sinn, den systemischen Nutzeffekt zuerfassen, der damit verknüpft ist. Dieser wird meist dann sichtbar, wenn man dieAuswirkungen des »Problemverhaltens« im jeweiligen sozialen System betrachtet. Das,was eben noch als Defizit beschrieben wurde, stellt sich so oft als ursprünglich sinnvollund kompetent im gegebenen Kontext heraus. Aber nicht nur für das Problemver-ständnis bringt diese systemische Sichtweise neue Möglichkeiten ins Spiel, sondernauch für die Bewältigungsarbeit. Jetzt kann man zugleich auf solche Ressourcenzurückgreifen, die das soziale Bezugssystem des Klienten bietet. Helm Stierlin, der»Doyen der Systemischen Familientherapie in Deutschland«, berichtet in einemInterview (2007) von seiner ersten Begegnung mit diesem neuen Therapiekonzept,die für ihn ein »Schlüsselerlebnis« gewesen sei. Er arbeitete damals (1962) in Kalifor-nien und hatte die Möglichkeit, Jay Haley bei der Therapie zuzuschauen: »Er konzen-trierte sich ganz auf die Muster der Kommunikation. An innerpsychischen Konfliktendagegen war er überhaupt nicht interessiert.«

Aus der so veränderten Praxis stellten sich wiederum neue Erfahrungen ein, z.B. die,dass die einzelnen Familienmitglieder die Beziehungen untereinander ganz unter-schiedlich beschrieben, also ganz unterschiedlich wahrnahmen. Daraus ergaben sichneue Fragen, z.B. »Was ist Wirklichkeit?«, und gleichzeitig eröffneten sich damit neuePerspektiven. Schritt für Schritt entstand so eine immer komplexere Theorie, dieSystemtheorie bzw. die Theorie der Systemischen Therapie.

Manche Autoren, u. a. Hans Lieb (2009), interpretieren diesen Blickwechsel auch alsnotgedrungen: Insbesondere in der beraterischen Arbeit mit Personen, die nur wenigintrospektiv veranlagt und nur wenig verbal befähigt waren und bei denen sich dieklassische »Redekur« (Freud) als nur wenig effektiv erwies, blieb dem Berater praktischgar nichts anderes übrig, als nach anderen Bedeutungszusammenhängen Ausschau zuhalten: weg vom Intrapsychischen undhin zu den Interaktionen dieser Klienten in ihrerunmittelbaren sozialen Umwelt, ihrer Familie. Speziell amerikanischen Psychothera-peuten und ihrem Engagement für »Unterschichtpatienten« gebührt dieses Verdienst.

Zwei Perspektiven: »Depression« und »depressives Verhalten«Frau B. berichtet, dass sie oft unter Trauer und Schwermut leide, häufig auch starkeSchuldgefühle habe.Psychodiagnostische Perspektive. Ein Psychodiagnostiker exploriert ausführlich dieDetails zu diesen Gefühlen sowie die Lebensgeschichte von Frau B. Dabei entdeckter beispielsweise, dass es eine »familiäre Vorbelastung« gibt (die Mutter hatte eineZeit lang antidepressive Medikamente genommen). Auch die Möglichkeit eines»Rezidivs« zieht er in Betracht, nachdem Frau B. von einer früheren »depressivenPhase« erzählt. Typisch erscheinen ihm die tageszeitlichen Gefühlsschwankungen

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(»Morgentief«), die Appetitlosigkeit, die Schlafstörungen. Zudem gibt ihm derGewichtsverlust zu denken usw. Ein Fragebogen (Freiburger Persönlichkeitsinven-tar, Fahrenberg et al., 2010) beschreibt Frau B. als »emotional labil, empfindlich,selbstunsicher, ängstlich …«

Nach einem gedanklichen Blick in das »Diagnostische und Statistische ManualPsychischer Störungen« (Saß et al., 2003) ist der Experte sich schließlich in seinerDiagnose sicher: »Major Depression«, d.h. für Frau B., sie hat eine Depression.Daraus folgt natürlich die Art und Weise der weiteren »Be-Handlung«.Systemische Perspektive. Ein systemischer Berater nimmt in gleicherWeise die vonder Klientin geschilderten Symptome zur Kenntnis – tritt dann aber gedanklicheinen Schritt zurück, um aus dieser Distanz die größeren Zusammenhängeerkennen zu können. Insbesondere interessiert er sich für den aktuellen Lebens-kontext von Frau B. und das Zusammenleben mit ihren wichtigsten Bezugsper-sonen. Dabei wird klar: Wenn Frau B. depressive Gefühle zeigt, bewirkt dies beiihrem Partner komplementäre Interaktionen einer liebevoll-helfenden Zuwen-dung. Und dies wiederum ermöglicht Herrn B. eine idealisierte Selbstwahrneh-mung, nämlich dass er eben der psychisch Stabilere ist, so wie es sich für einen»richtigen Mann« seiner Meinung nach gehört. Die Kinder interpretieren die»Depressivität« der Mutter als eine unmissverständliche Aufforderung, ordentlichzu funktionieren, vor allem in schulischer Hinsicht keinen Ärger zu machen. Undje weniger die Mutter damit behelligt werden will, umso mehr Autonomiegewinnen die Kinder. Insgesamt – und damit systemisch gesehen – erscheint dasdepressive Verhalten dem außenstehenden Beobachter wie ein stabilisierenderFaktor in der familiären Dynamik. Eine solche Sichtweise bietet zumindest denNutzen, dass damit etwas psychologisch »verstanden« werden kann. Und daserleichtert es im zweiten Schritt über Alternativen nachzudenken, also überVerhaltensweisen, die nicht mit einem beeinträchtigenden Erleben einhergehen.Neben einer möglichen medikamentösen Behandlung wird sich Frau B. so miteigener Initiative an ihrer Entwicklung und Veränderung beteiligen können. Eshandelt sich also um eine aktivierende Diagnose, für die betroffene Person werdenHandlungsräume eröffnet.

Übrigens: Außer Balance geriet dieses System, als der älteste Sohn sich erstmalsverliebte und durch diese Außenorientierung das emotionale Beziehungsgeflechtinnerhalb der Familie zu einer Neuanpassung herausgefordert wurde. Die Mutterreagierte mit verstärkten Gefühlen der Trauer und Schwermut, was diesen Sohnjetzt veranlasste, nun erst recht … usw.

Von der Familientherapie zur Systemischen Therapie.Mit der Familientherapie war dasbis dahin übliche Zweiersetting in der Psychotherapie, also die abgeschirmte Inter-aktion zwischen einem Therapeuten und einem Klienten, aufgebrochen. Später wurde– in dem Bewusstsein, dass die Familie nur eines von vielen möglichen Systemendarstellt, in denen Klienten leben – statt von »Familientherapie« zunehmend von

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