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K. Zilch; J. Lingemann Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton Seite 1 von 13 Die D AfS tb-Richtlinie St ahlfaserbeton Wesentliche Entwicklungen, Anwendung, bauaufsichtliche Einführung Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München Dipl.-Ing. Jan Lingemann Büchting+Streit GmbH (ehemals: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München) Einleitung Die Anwendung von Stahlfasern zur Verbesserung der Nachbrucheigenschaften von Beton ist bereits seit den 1960er Jahren Gegenstand der Forschung. In den 1990er Jahren sind die ersten offiziellen Bemessungsregeln für Stahlfaserbeton veröffentlicht worden (RILEM Recommendations, SIA 162/6, DBV-Merkblatt). In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland durch den Deutschen Ausschuss für Stahlbeton die Richtlinie Stahlfaserbeton [1] erarbeitet. Gegenüber dem DBV Merkblatt von 2001 werden hierin neue Erkenntnisse berücksichtigt und die Nachweisformate vereinfacht. Die Richtlinie soll voraussichtlich Ende 2009 oder Anfang 2010 veröffentlicht werden. Außerdem ist die bauaufsichtliche Einführung vorgesehen. Allgemeines über Stahlfaserbeton Stahlfasern können die mechanischen Eigenschaften des Betons beeinflussen. Sie haben dabei im Wesentlichen Einfluss auf das Nachbruchverhalten des Betons. Im ungerissenen Zustand haben die Stahlfasern nur einen geringen Einfluss, der in der Regel vernachlässigt wird. Deshalb werden hinsichtlich der Druck- und Zugfestigkeit sowie des E-Moduls eines Stahlfaserbetons die Werte von Beton ohne Stahlfasern angenommen.

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Die DAfStb-Richtlinie StahlfaserbetonWesentliche Entwicklungen, Anwendung,

bauaufsichtliche Einführung

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch

Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München

Dipl.-Ing. Jan Lingemann

Büchting+Streit GmbH (ehemals: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München)

Einleitung

Die Anwendung von Stahlfasern zur Verbesserung der Nachbrucheigenschaften von Beton ist

bereits seit den 1960er Jahren Gegenstand der Forschung. In den 1990er Jahren sind die erstenoffiziellen Bemessungsregeln für Stahlfaserbeton veröffentlicht worden (RILEM

Recommendations, SIA 162/6, DBV-Merkblatt). In den vergangenen Jahren wurde in

Deutschland durch den Deutschen Ausschuss für Stahlbeton die Richtlinie Stahlfaserbeton [1]

erarbeitet. Gegenüber dem DBV Merkblatt von 2001 werden hierin neue Erkenntnisse

berücksichtigt und die Nachweisformate vereinfacht. Die Richtlinie soll voraussichtlich Ende

2009 oder Anfang 2010 veröffentlicht werden. Außerdem ist die bauaufsichtliche Einführung

vorgesehen.

Allgemeines über Stahlfaserbeton

Stahlfasern können die mechanischen Eigenschaften des Betons beeinflussen. Sie haben dabei

im Wesentlichen Einfluss auf das Nachbruchverhalten des Betons. Im ungerissenen Zustand

haben die Stahlfasern nur einen geringen Einfluss, der in der Regel vernachlässigt wird.

Deshalb werden hinsichtlich der Druck- und Zugfestigkeit sowie des E-Moduls eines

Stahlfaserbetons die Werte von Beton ohne Stahlfasern angenommen.

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Das Verhalten von Stahlfaserbeton im Nachbruchbereich ist in Bild 1 dargestellt. Beim

unbewehrten Beton führt das stark entfestigende Nachbruchverhalten zu einem spröden

Versagen. Im Prüfkörper aus Stahlbeton kann, abhängig vom Bewehrungsgrad, die Lastdeutlich über die Risslast hinaus gesteigert werden. Stahlfaserbeton hingegen zeigt im

Nachbruchbereich bei üblichen Faserarten und -dosierungen in der Regel auch ein

entfestigendes Materialverhalten. Allerdings ist gegenüber unbewehrtem Beton eine deutlich

gesteigerte Restfestigkeit vorhanden.

Bild 1: Verhalten von unbewehrtem Beton, Stahlbeton und Stahlfaserbeton im

Biegezugversuch

Das Tragverhalten von Stahlfaserbeton wird unter anderem durch folgende Faktoren

beeinflusst:

•  Verankerung bzw. Ausziehverhalten der Stahlfasern

•  Streuung der Nachrisszugfestigkeit von Stahlfaserbeton

•  Orientierung der Stahlfasern

Verankerung bzw. Ausziehverhalten der Stahlfasern 

Zur Herstellung von Stahlfaserbeton können die unterschiedlichsten Arten von Stahlfasern

eingesetzt werden. Bild 2 gibt einen Überblick über die meisten gebräuchlichen Faserarten. In

der ersten Spalte sind Stahldrahtfasern mit Endverankerungen dargestellt. Die heute üblichste

Art der Endverankerung sind Endabkröpfungen. Das unterste Bild zeigt eine Endverankerung

in Form von abgeplatteten Enden. In der mittleren Spalte sind Stahldrahtfasern mit

kontinuierlicher Verankerung dargestellt. Hier sind heute im Wesentlichen gewellte Fasern

üblich. Im mittleren Bild ist die kontinuierliche Verankerung mit einer Endverankerung

kombiniert. Im unteren Bild sind profilierte Fasern dargestellt. In der rechten Spalte sind

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Faserarten dargestellt, die für normalfeste Faserbetone in der Regel nur selten verwendet

werden, wie Blechfasern, gespante Fasern oder Mikrofasern.

Bild 2: Übliche Formen von Stahlfasern (aus [2])

Der Einfluss der Stahlfasern auf das Nachbruchverhalten von Beton ist dadurch zu erklären,

dass die Stahlfasern im Nachbruchbereich Risse im Beton überbrücken und somit Zugkräfte

über Risse hinweg übertragen können (Bild 3). Hierfür ist eine ausreichende Verankerung der

Fasern im Beton erforderlich. Die Lastübertragung vom Beton in die Fasern erfolgt zum Teil

im Bereich des Rissufers, an dem die Stahlfasern umgelenkt werden. Der maßgebende Teil der

Lastübertragung erfolgt bei Endverankerten Fasern jedoch im Bereich der Endverankerung.Die Wirksamkeit der Fasern hängt wesentlich von der Verankerung ab. Diese wiederum ist

stark von der Faserart, dem Beton sowie dem Zusammenwirken von Fasern und Beton

abhängig.

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Bild 3: „Vernadelung“ von Rissen durch Stahlfasern und Lastweiterleitung vom

Beton in die Fasern

Aufgrund der zahlreichen Einflussparameter hinsichtlich der Wirksamkeit der Stahlfasern ist

für jede Betonrezeptur mit einer speziellen Betonzusammensetzung und einer speziellen

Faserart eine neue Erstprüfung erforderlich. Anhand einer pauschalen Angabe von

Fasergehalten ist keine Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Stahlfaserbeton möglich. Die

Gleichung

höherer Fasergehalt = höhere Nachrisszugfestigkeit  

ist ebenso nicht in allen Fällen korrekt.

Streuung der Nachrisszugfestigkeit von Stahlfaserbeton 

Bei der Bestimmung der Nachrisszugfestigkeit an balkenartigen Prüfkörpern mit

Querschnitten von 15 cm x 15 cm werden häufig relativ große Streuungen mit

Variationskoeffizienten von ca. 25 % festgestellt. Die Ursache hierfür liegt in der Verteilung

der Fasern. Bei kleinen Querschnittsflächen ist es leicht möglich, dass entweder sehr viele

oder sehr wenige Fasern den Rissquerschnitt kreuzen. Hier werden daher häufig große

Streuungen der Nachrisszugfestigkeiten beobachtet. Mit zunehmender Querschnittsgrößenimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass über den ganzen Querschnitt entweder sehr hohe oder

sehr geringe Faseranzahlen vorhanden sind. Bei größeren Querschnitten ist die Streuung der

Nachrisszugfestigkeit daher deutlich geringer. Dieser Zusammenhang wurde durch

experimentelle Untersuchungen am Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität

München belegt [4] (Bild 4).

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0,0

0,2

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0,8

1,0

1,2

0 200 400 600 800 1000 1200

   F  a  s  e  r  n   /  c  m   ²

Fläche [cm²]

Messwerte

Mittelwert derMesswerte

 Bild 4: In Sägeschnittoberflächen ermittelte Faseranzahl je cm² in Abhängigkeit der

Bezugsfläche

Bei der Entwicklung der Richtlinie führte dieses zu kontroversen Diskussionen. Würde man

die Nachrisszugfestigkeit an größeren Prüfkörpern ermitteln, würden sich bei gleichen

Mittelwerten der Nachrisszugfestigkeit der Nachrisszugfestigkeit höhere 5 %-Quantilwerte

ergeben als in kleinformatigen Prüfkörpern. Die Ermittlung der Nachrisszugfestigkeit angrößeren Prüfkörpern ist jedoch unhandlicher, aufwändiger und unwirtschaftlicher.

Andererseits würde der Ansatz der in den kleinformatigen Prüfkörpern ermittelten

5 %-Quantilwerte der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung von größeren Bauteilen zu

sehr unwirtschaftlichen Ergebnisse führen.

In die Richtlinie Stahlfaserbeton wurden die für die Durchführung der Prüfungen günstigeren

kleinformatigen Prüfkörper gewählt. Um dennoch auch für größere Bauteile eine

wirtschaftliche Bemessung sicherzustellen, wird bei der Ermittlung des Rechenwertes der

Nachrisszugfestigkeit  f 

ctR,Li der Korrekturfaktorκ  

G eingeführt. Am Lehrstuhl für Massivbauder Technischen Universität München wurde wissenschaftlich bestätigt, dass der Ansatz des

Korrekturfaktors κ  f G eine wirtschaftlichen Bemessung sowie die Einhaltung des erforderlichen

Sicherheitsniveaus ermöglicht [4] (Bild 5).

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0

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0,4

0,6

0,8

1

1,2

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1,8

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6

     κ     κκ     κ   f   G

   b  z  w .     κ     κκ     κ   f   G

 ,  c  a   l

   [  -   ]

gezogene QuerschnittsflächeAct [m²]

genauer Ansatz für kfG (bei Normalverteilung)

genauer Ansatz für kfG (bei Log-Normalverteilung)

gemäß Richtlinie ''Stahlfaserbeton''

 

κ  fG,cal

κ  fG,cal

κ  fG

 Bild 5: Analytisch ermittelter Faktor κ  κκ  κ  

f G zur Einhaltung des erforderlichen

Zuverlässigkeitsniveaus sowie vereinfachter linearer Ansatz gemäß Richtlinie

Berücksichtigung der Orientierung der Stahlfasern 

Die Orientierung der Stahlfasern hat wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit der Fasern.

Dies zeigt sich z. B. beim Vergleich der Nachrisszugfestigkeiten von liegend und stehendhergestellten Prüfkörpern. Bei liegend hergestellten, flächigen Prüfkörpern werden in den

Richtungen parallel zur Bauteilebene i. d. R. die höchsten Nachrisszugfestigkeiten gemessen.

In allen anderen Fällen (nicht liegend hergestellte oder nicht flächige Bauteile) wird die

Anrechenbare Nachrisszugfestigkeit  f f ctR,Li gemäß Richtlinie um den Faktor κ  

f F = 0,5

reduziert. Hiermit wird die Unsicherheit der Faserorientierung ausreichend berücksichtigt.

Allgemeines zur DAfStb Richtlinie Stahlfaserbeton

Bearbeitungsstand der Richtlinie 

Die Schlussfassung der Richtlinie wurde vom Vorstand des DAfStb verabschiedet und wird in

Kürze veröffentlicht und voraussichtlich Anfang 2011 bauaufsichtlich eingeführt werden. Die

bauaufsichtliche Einführung im Hinblick auf Bauproduktenanforderungen ist in der

Bauregelliste A und im Hinblick auf die Ausführungs- und Bemessungsregeln in der Liste der

technischen Baubestimmungen vorgesehen.

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Gliederung der Richtlinie 

Die Gliederung der Richtlinie entspricht exakt der Gliederung von DIN 1045:2008-08.

Allerdings werden in der Richtlinie nur solche Abschnitte aufgeführt, in denen Änderungengegenüber DIN 1045:2008-08 vorhanden sind. Unveränderte Abschnitte aus DIN 1045:2008-

08 gelten unverändert und werden in der Richtlinie daher nicht erneut aufgeführt. Die DAfStb-

Richtlinien „Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ und

„Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ gelten unverändert parallel zur Richtlinie

„Stahlfaserbeton“.

Geltungsbereich 

Der Geltungsbereich der Richtlinie umfasst:•  Bemessung und Konstruktion von Tragwerken des Hoch- und Ingenieurbaus aus

Stahlfaserbeton sowie Stahlfaserbeton mit Betonstahlbewehrung.

•  Stahlfaserbeton bis einschließlich zur Druckfestigkeitsklasse C50/60.

•  Verwendung von Stahlfasern mit formschlüssiger, mechanischer Verankerung. Glatte,

gerade Stahlfasern sind somit nicht zulässig. Als verankert gelten gewellte Fasern, Fasern

mit Endabkröpfungen und Fasern mit aufgestauchten Köpfchen.

Die Richtlinie gilt nicht für:

• Bauteile aus vorgespanntem Stahlfaserbeton

•  gefügedichten und haufwerksporigen Leichtbeton

•  hochfesten Beton der Druckfestigkeitsklassen ab C55/67

•  selbstverdichtenden Beton

•  Stahlfaserspritzbeton

•  Stahlfaserbeton ohne Betonstahlbewehrung in den Expositionsklassen XS2, XD2, XS3

und XD3, bei denen die Stahlfasern rechnerisch in Ansatz gebracht werden

Grund für diese Einschränkungen ist, dass bislang nur wenig Experimentelle und praktische

Erfahrungen mit den ausgeschlossenen Anwendungsbereichen vorliegen. Die letztgenannteEinschränkung ist durch den Ausfall der Stahlfasern infolge von Korrosion bei Einwirkung

von Chloriden aus Meerwasser bzw. aus Tausalzen begründet.

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Bemessung von Bauteilen nach Teil 1 der Richtlinie

Grundsätzliches Wie oben gezeigt weist Stahlfaserbeton in der Regel ein entfestigendes Materialverhalten auf.

Da die Risslast nicht allein durch die Stahlfasern aufgenommen werden kann, gilt gemäß der

Richtlinie folgender Grundsatz für die Bemessung:

Nach Ausbildung von Rissen bis zum Erreichen des Grenzzustandes der

Tragfähigkeit am Gesamttragsystem (Systemgleichgewicht) muss ein

Gleichgewichtssystem nachgewiesen werden, z.B. durch:

- Schnittgrößenumlagerung innerhalb statisch unbestimmter Systeme

- Kombination mit Betonstahlbewehrung- Normaldruckkräfte infolge äußerer Einwirkungen

Die Anwendung von Stahlfaserbeton ohne Betonstahlbewehrung wird hierdurch auf Fälle

eingeschränkt, in denen nach einer Momentenumlagerung ein Systemgleichgewicht

nachweisbar ist oder in denen die Zugzone durch Normaldruckkräfte klein gehalten wird

(insbesondere im Hinblick auf Tübbinge aus Stahlfaserbeton). Im Regelfall werden

Stahlfasern als Ergänzung zur Betonstahlbewehrung vorgesehen.

Materialien und Herstellung 

Wie im Geltungsbereich der Richtlinie definiert, dürfen nur Stahlfasern mit mechanischer

Verankerung verwendet werden. Die Fasern müssen den Anforderungen von DIN 14899

genügen.

Für Stahlfaserbeton müssen die Fasern nach Teil 2 der Richtlinie im Herstellwerk zugegeben

werden. Hierdurch soll eine kontrollierte Zugabe der Fasern mit exakter Dosierung und unter

Verhinderung von lokalen Faseransammlungen (Igeln) sichergestellt werden.

Da die Abstimmung der Fasern auf den Beton wesentlich für die Leistungsfähigkeit einesStahlfaserbetons ist, darf Stahlfaserbeton nicht als Beton nach Zusammensetzung geliefert

werden. Stahlfaserbeton ist somit grundsätzlich Beton nach Eigenschaften. Die Eigenschaften

des Betons – im Fall des Stahlfaserbetons die Leistungsklassen – sind durch den

Betonhersteller sicherzustellen. Dieser muss für jede Betonsorte eine Erstprüfung durchführen.

Die Einhaltung der Anforderungen entsprechend der Erstprüfung wird durch jährliche erneute

Prüfung sichergestellt.

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Expositionsklassen und Betondeckung 

Hinsichtlich des Korrosionsschutzes sind Stahlfasern im Allgemeinen günstiger zu beurteilen

als Betonstahlbewehrung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei Fasern aufgrund dergeringen Ausdehnung keine Ausbildung von Korrosions-Elementen auftritt. Fasern können

zwar oberflächennah korrodieren und gegebenenfalls Rostverfärbungen verursachen. Eine

Beeinträchtigung der Dauerhaftigkeit ist damit nach Definition in der Richtlinie nicht gegeben.

Außerdem sind die Sprengdrücke infolge der Korrosion der Fasern so gering, dass in der

Regel keine Betonabplatzungen auftreten.

Es ist zu beachten, dass Stahlfaserbeton als Beton mit eingebettetem Metall eingestuft wird

und daher nicht der Expositionsklasse X0 zugeordnet werden darf. In den Expositionsklassen

XS2, XD2, XS3 und XD3 darf die Stahlfaserwirkung nach der Richtlinie nicht angesetztwerden.

Hinsichtlich des konstruktiven Brandschutzes müssen für Stahlfaserbeton nach der Richtlinie

die Anforderungen nach DIN 4102-4:1994-03, Abschnitte 3 oder 4 (Wände) bzw.

DIN 4102-22:2004-11 eingehalten werden.

Bemessungswert der Nachrisszugfestigkeit 

Im Rahmen der Erstprüfung von Stahlfaserbeton wird die Nachrisszugfestigkeit in

weggesteuerten Biegezugversuchen ermittelt. Im Unterschied zum DBV-Merkblatt [3], nach

dem aus der Fläche unter der Last-Verformungslinie des Versuchskörpers die äquivalente

Nachrisszugfestigkeit ermittelt wurde, werden nach der DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton

residuale Nachrisszugfestigkeiten ermittelt. Hierfür werden die vom Prüfkörper aufnehmbaren

Lasten bei Durchbiegungen von 0,5 mm bzw. 3,5 mm direkt aus der Last-Verformungslinie

abgelesen und die Nachrisszugfestigkeiten für die Leistungsklassen L1 und L2 hieraus

ermittelt (Bild 6).

Bild 6: Ermittlung der Nachrissbiegezugfestigkeit im Biegezugversuch

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Mit der Angabe der Leistungsklassen des Stahlfaserbetons kann aus Tabelle R.3 der Richtlinie

(Bild 7) der Grundwert der ansetzbaren zentrischen Nachrisszugfestigkeit  f f ct0,Li für die

 jeweilige Leistungsklasse  Li ermittelt werden. Hieraus wird der Rechenwert der zentrischenNachrisszugfestigkeit  f f ctR,Li gemäß Bild 8 ermittelt.

Bild 7: Grundwerte der Nachrisszugfestigkeiten für die einzelnen Leistungsklassen

(aus [1])

 f f ctR,Li= κ  f F · κ  f G ·  f f ct0,Li

Bild 8: Ermittlung des Rechenwertes der zentrischen Nachrisszugfestigkeit aus dem

Grundwert der zentrischen Nachrisszugfestigkeit (aus [1])

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Der Bemessungswert der Nachrisszugfestigkeit wird gemäß Bild 9 aus dem Rechenwert der

Nachrisszugfestigkeit bestimmt. Für die Bemessung darf einerseits eine Spannungs-

Dehnungs-Linie mit einem von abfallendem Ast entsprechend dem tatsächlichen Verhaltenvon Stahlfaserbeton angesetzt werden. Hierbei ist bei kleinen Dehnungen die

Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 1 (Index L1) und bei höheren Dehnungen die

Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 2 (Index L2) ansetzbar. Alternativ darf mit einem

rechteckigen Spannungsblock gerechnet werden (Index u bzw. s).

Bild 9: Ansatz der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung (aus [1])

Ansatz der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung 

Die Nachrisszugfestigkeit darf bei den Nachweisen der Tragfähigkeit sowie bei den

Nachweisen der Gebrauchstauglichkeit angesetzt werden. Beim Nachweis von

knickgefährdeten Bauteilen oder stabilitätsgefährdeten schlanken Trägern darf die

Stahlfaserwirkung jedoch nicht berücksichtigt werden.

BiegebemessungBei der Biegebemessung von Bauteilen aus Stahlfaserbeton darf die rechnerische Spannungs-

Dehnungs-Linie gemäß Bild 9 angesetzt werden (siehe auch Bild 10). Es muss jedoch darauf 

hingewiesen werden, dass die Wirkung der Stahlfasern bei der Biegebemessung im Vergleich

zur Betonstahlbewehrung sehr gering ist.

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Bild 10: Ansatz der Nachrisszugfestigkeit Biegebemessung von Bauteilen aus

Stahlfaserbeton (aus [1])

Querkraftbemessung

Bei der Bemessung für Querkraft darf der Stahlfasertraganteil V Rd,cf  zu den Tragfähigkeiten

des Betons ohne Bügel V Rd,ct bzw. des Betons mit Bügeln V Rd,sy hinzuaddiert werden (Bild 11).

Bei Verwendung von Stahlfaserbeton darf auch bei balkenartigen Bauteilen (b ≤ 5h) die

Mindestquerkraftbewehrung aus Betonstahl auf null reduziert werden. Bei der Ermittlung desMindestquerkraftbewehrungsgrades darf die Stahlfasertragwirkung nach Bild 11 angesetzt

werden.

mit:

 

Bild 11: Formeln für die Querkraftbemessung von Bauteilen aus Stahlfaserbeton

(aus [1])

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Rissbreitenbeschränkung

Bei den Nachweisen der Rissbreitenbeschränkung wird die Stahlfasertragwirkung durch den

Ausdruck (1 - α  f ) berücksichtigt. Hierin ist α  f  das Verhältnis zwischen dem Rechenwert derzentrischen Nachrisszugfestigkeit und dem Mittelwert der zentrischen Zugfestigkeit des

Betons. Der Ausdruck (1 - α  f ) beschreibt somit den Anteil der Beanspruchung, der nicht durch

die Stahlfasern aufgenommenen werden kann und mit Betonstahlbewehrung abzudecken ist.

mit:

 Bild 12: Ermittlung der Mindestbewehrung zur Beschränkung der Rissbreite (aus [1])

Zusammenfassung

Die Richtlinie „Stahlfaserbeton“ des Deutschen Ausschusses für Stahlfaserbeton steht kurz vor

der Veröffentlichung. Im Anschluss ist die bauaufsichtliche Einführung der Richtlinie geplant.

Die Gliederung der Richtlinie ist direkt an die Gliederung der DIN 1045 angelehnt. In der

Richtlinie werden dabei nur solche Absätze ausformuliert, in welchen sich durch

Berücksichtigung der Stahlfasertragwirkung Änderungen gegenüber der DIN 1045 ergeben.

Mit der Richtlinie wird somit ein durchgehend konsistentes Konzept sowohl zur Bemessung

als auch zur Überwachung des Baustoffes Stahlfaserbeton verfügbar sein.

Literatur

[1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb): Richtlinie Stahlfaserbeton.

Schlussfassung Juli 2009

[2] Holschemacher, K.; Klug, Y.; Dehn, F.; Wörner, J.-D.: Faserbeton. In: Betonkalender2006, Band 1. Berlin: Ernst und Sohn

[3] Deutscher Betonverein: Merkblatt Stahlfaserbeton. 2001

[4] Lingemann, J.; Zilch, K.: Zum Einfluss der Bauteilgröße auf das Tragverhalten von

Bauteilen aus Stahlfaserbeton. In: Münchener Massivbau Seminar 2009