50JAHREBUNDESLIGA DasBayern-GenwirdentdecktHelmut Schneider Hermann Lindemann 18.Offenbach 10 S, 8...

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Tor Abwehr Abwehr Abwehr Abwehr Mittelfeld Mittelfeld Mittelfeld Angriff Angriff Angriff Sammelbilder (Bergmann-Verlag) aus dem Archiv Raimund Simmet (www.stickerfreak.de) DIE ELF DER SAISON 1968/1969 8. 5. 12. 2. 1. 3. 9. 11. 13. 15. 16. 18. 4. 10. 14. 6. 7. 17. Jürgen Moll ist 30, als er am 16. Dezem- ber 1968 mit seiner Frau Sigrid auf eis- glatter Auto- bahn verun- glückt. Das Ehepaar stirbt und hinter- lässt die Töchter Caroline (1) und Alke (4). Die Liga steht still vor Trauer, der Braun- schweiger war einer der bes- ten und beliebtesten Profis. Zum Benefizspiel tritt am 14. April 1969 die Weltmeister- Elf von 1954 in Braunschweig an; zum ersten und einzigen Mal vollzählig. 100 000 DM kommen zusammen. GROSSE SPIELE 17. 8. 1968, 1. Spieltag: Sensation zum Start: Der Meister läuft in die Aachener Konter, Gerd Klostermann trifft dreimal. Für den Club ist es der Anfang vom Ende, die Alemannia ist am Ende Vizemeister – auch eine Sen- sation. 7. 9. 1968, 5. Spieltag: Startrekord: Noch nie hat ein Team die Saison mit fünf Sie- gen eröffnet. Gegen den Auf- steiger tut der FCB nach ei- ner schnellen Führung nicht mehr als nötig; der Bayern- Stil zeichnet sich ab. 26. 10. 1968, 11. Spieltag: Entrüstung nach der ersten Niederlage. „Das war keine Härte, das war Brutalität“, schimpft Bayern-Spielma- cher Gustl Starek. 35 000 peitschen Werder an, Libero Heinz Steinmann erzielt das Tor des Tages. Als die Bayern die anderen Ergebnisse er- fahren, legt sich der Ärger: Die Verfolger Gladbach (0:1 gegen Hertha) und Braun- schweig (0:2 in Köln) verlie- ren ebenfalls. 30. 10. 1968, 12. Spieltag: Nicht wegen der zwei Tore von Uwe Seeler, sondern we- gen einer legendären Kaprio- le seine Kumpels Gert („Char- ly“) Dörfel ist die Partie un- vergesslich. Zwölf Minuten vor Schluss verwarnt Schiedsrichter Edgar Deus- chel (Ludwigshafen) den HSV-Linksaußen und fragt den ligabekannten Glatzkopf nach dessen Namen. „Meier“ antwortet Dörfel zwei Mal, danach schickt ihn Deuschel runter mit den Worten: „Vom Platz, Herr Dörfel.“ Zwei Spiele Sperre … 16. 11. 1968, 15. Spieltag: Nur 10 000 kommen zum Verfolgerduell; sie sehen den großen Tag von Willi Enten- mann: Der „Erpel“ schaltet Günter Netzer aus und erzielt drei Tore. Als er verletzt aus- gewechselt wird, steht es 4:2 für den VfB – dann treffen Netzer und Berti Vogts. 8. 3. 1969, 25. Spieltag: Vorentscheidung im Titel- kampf: Die Bayern schütteln in einem Rassespiel den star- ken Meister von 1967 ab, des- sen Trainer Helmut Johann- sen gerade von Juventus Tu- rin umworben wird. Kurios: Im Duell der beiden besten Torhüter patzt sowohl Sepp Maier als auch Horst Wolter. 31. 5. 1969, 33. Spieltag: Trainer-Benjamin Erich Rib- beck, mit 31 jüngster Coach der Liga, schafft den Klassen- erhalt mit der Eintracht. Der HSV hat nur einen Grund zur Freude: Der unverwüstliche Uwe Seeler erzielt sein 100. Bundesliga-Tor. 1. FC Nürnberg 1 Alem. Aachen 4 Bay. München 3 Hertha BSC 0 Hamburger SV 2 1860 München 0 M‘gladbach 4 VfB Stuttgart 4 Werder Bremen 1 Bay. München 0 Bay. München 2 Braunschweig 1 Hamburger SV 1 E. Frankfurt 4 KÖPFE DES JAHRES 1968/1969 DIENSTAG, 1. MAI 2012 # 50 JAHRE BUNDESLIGA Erst im No- vember 1968 bekommt der Torschützen- könig von 1967/68 die Kanone über- reicht: Eine Tuberkulose hat Johannes Löhr erwischt, in einem badischen Sanatori- um wird der Kölner Stürmer aufgepäppelt, kehrt erst nach knapp vier Monaten zurück. „De Nas“, wie er wegen seiner markanten Nase genannt wird, braucht nur acht Minu- ten für Tor Nr. 64 – bis 1978 lässt er 102 folgen, alle für den FC, dessen Rekordschüt- ze er bis heute ist. „Der ist ja be- soffen“, ruft 1860-Profi Bernd Patzke, als Schieds- richter Walter Horstmann in Dortmund ei- nen Elfmeter gibt. Kapitän Petar Radenk- ovic fordert von Horstmann lautstark eine Blutprobe. Weil Journalisten bereits bei Kellnern recherchieren, was Horstmann beim Essen ge- trunken hat, fährt er nach dem Spiel ins nächste Kran- kenhaus und unterzieht sich einer Blutprobe. Ergebnis: 0,0. Startorwart „Radi“ wird vier Wochen gesperrt. Tod auf der Trainerbank: Oswald Pfau ist der einzige Fußballlehrer der Liga-His- torie, der wäh- rend eines En- gagements stirbt. 1967/68 hat der aus Pommern stammende Trai- ner die Dortmunder als „Feu- erwehrmann“ vor dem Ab- stieg gerettet. Der Borsig- platz ist seine erste Bundesli- ga-Station. Im Herbst 1968 erleidet er einen Herzinfarkt, erholt sich, kehrt ins Amt zu- rück. Der zweite Infarkt am 3. Januar 1969 trifft ihn tödlich, im Alter von 54. Er schickt die Spieler früh- morgens zum Lauf an Zeche Consolidation vorbei, veran- staltet Hea- rings für Fans, 500 kommen. Rudi Gutendorf hat Erfolg: Der extrovertierte Coach hat in der wilden US-Liga die PR-Kunst gelernt und mischt nun Schalke auf. Bestes Rückrundenteam, DFB-Po- kalfinale – nur den histori- schen ersten Sieg in Dort- mund (1:0 am 11. März 1969) seit 1958 verpasst er: Er liegt mit Grippe im Bett, es coacht Assistent Günter Diegel. Gerade mal 43 281,26 DM Gewinn weist die Bilanz des neuen Meisters aus. Erfolg zahlt sich beim FC Bayern München nur für die Spieler aus: 10 000 DM Prämie gibt es für die Meisterschaft, 10 000 DM für den Gewinn des DFB-Pokals. Zu verdan- ken hat der Club den kleinen Überschuss im 4-Millionen- DM-Etat der Tatsache, dass man sich einen Billig-Trainer geholt hat: Branko Zebec ver- dient 6000 DM und damit nur ein Drittel der Gage, die „Tschik“ Cajkovski kassierte. Die beiden haben früher zusammen in der großen ju- goslawischen Elf gespielt, doch viel mehr Gemeinsam- keiten gibt es nicht. Zebec ist streng, er führt ein hartes Re- giment, nicht nur auf dem Trainingsplatz. „An die Stelle der Improvisation trat die Methodik“, urteilt die „Sport-Illustrierte“ und be- schreibt, wie Zebec aus der wilden, fröhlich stürmenden Mannschaft ein disziplinier- tes, kühl und berechnend auftretendes Rasenschach- Ensemble formt. Das Bay- ern-Gen war gefunden. „Tschik war für uns der richtige Trainer gewesen, aber seine Platte war nach fünf Jahren abgelaufen“, er- innerte sich Franz Becken- bauer an seine erste Meister- saison, „jetzt war Zebec ge- nau der Richtige.“ Der Unter- schied zwischen dem lebens- frohen Genussmenschen „Tschik“ und dem distanzier- ten Asketen Zebec ließ sich ablesen an der Entwicklung von Gerd Müller. „Kleines, dickes Müller“, hatte Cajkovski den stämmi- gen Mittelstürmer liebevoll genannt. Zebec gab Müllers Ehefrau Uschi einen Diät- plan und forderte den stäm- migen Naturburschen aus Nördlingen im Einzeltrai- ning. Bald wog er 78 statt 84 Kilogramm und schoss 30 Tore. Seinen Wert lernten al- le zu schätzen, als er wegen einer Tätlichkeit gegen Jupp Heynckes (damals bei Han- nover 96) acht Wochen ge- sperrt wurde: Der Vorsprung der Bayern schmolz, sie ge- wannen in dieser Zeit kein Spiel – bis Müller zurückkam und beide Tore zum 2:1 bei Hertha BSC erzielte. Der Erfolg schlug sich nur mäßig an den Bayern-Kassen nieder: Der Besucherschnitt stieg um 3000 auf 24 000. Die meisten anderen Vereine meldeten Verluste, am ersten Spieltag blieb die Hälfte der Plätze in den neun Stadien leer. Über 20 Spiele der Sai- son sahen weniger als 10 000 Zuschauer, nur drei Vereine übertrafen den Zuschauer- schnitt von 25 000. „Leere Kassen Schreckgespenst der Bundesliga!“, titelte der „Kicker“. Der schlechte Kom- fort in den Stadien und ge- stiegene Eintrittspreise wur- den als Gründe genannt. Hennes Weisweiler, der mit der Mönchengladbacher Bo- russia wegen des mutigen Angriffsstils Sympathien, aber keinen Titel gewann, sah die Ursache auf dem Ra- sen: „Die Bundesliga ist spie- lerisch schlechter geworden, alles spielt auf Abwehr und Unentschieden. Die meisten Mannschaften spielen gegen die Zuschauer statt für sie. Das ist langweilig.“ Dass der Zuschauerschnitt nicht unter die 20 000er- Marke rutschte, sondern bei 22 000 ausschlug, lag an der Rückkehr einer verruchten Dame: Hertha BSC, 1965 we- gen illegaler Zahlungen aus der Liga verwiesen, lockte nach dem Aufstieg durch- schnittlich 44 000 Zuschauer und war unumstrittener Zu- schauerkrösus. Die letzten Wochen der Saison prägte der Abstiegs- kampf. Vier Spieltage vor Schluss war noch nicht mal der MSV Duisburg auf Platz neun gesichert. Die größt- mögliche Zuspitzung gab es in der finalen Runde, als die vier auf den letzten Plätzen unter sich waren: Mit einem 3:0 gegen Neuling Kickers Offenbach verhinderte Bo- russia Dortmund drei Jahre nach dem Europapokal-Tri- umph den Abstieg. In Köln stieß der FC im zweiten Abstiegsendspiel den amtierenden Meister in den Abgrund. Als die Nürn- berger weinend vom Platz gingen, sagte der Stadion- sprecher unter dem Applaus des Publikums: „Wir wün- schen diesem ruhmreichen Verein einen baldigen Wie- deraufstieg.“ Es dauerte neun Jahre, bis der 1. FC Nürnberg zurückkehrte. Und es blieb einmalig, dass der amtierende Meister ab- stieg. Über die Gründe kann man mit älteren Nürnber- gern noch heute diskutieren. Sicher ist: Es drehte sich alles nur ums Geld, um die „Ma- rie“, wie Meistertrainer Max Merkel es nannte. Als er im März 1969 entlassen worden war, sollte der 54er-Welt- meister Max Morlock als Be- treuer moralische Aufrüs- tung betreiben. Er schaffte es sogar, den legendären Alt- bundestrainer Sepp Herber- ger vor einem Spiel für eine Ansprache in die FCN-Kabi- ne zu lotsen. Doch Morlock resignierte bald und beant- wortete die Frage, ob es wei- terer Streicheleinheiten be- dürfe, gallig: „Hier sind eini- ge dabei, die wollen nur mit Geldscheinen gestreichelt werden.“ Begonnen hatte die Saison in Nürnberg damit, dass beim Training ein Eintritts- geld von einer DM erhoben wurde. Nächste Folge: Eine neue Borussia begeistert Das Bayern-Gen wird entdeckt Serie (6) – 1968/69: Auf Papa „Tschik“ folgt der strenge Herr Zebec – Abstieg des Meisters Der Rekordmeister und Ti- telverteidiger steigt ab, in der Fußball-Hauptstadt schafft der Emporkömmling die Wachablösung mit dem Double. In den spannends- ten Abstiegskampf seit 1963 ist alles verstrickt, was Rang und Namen hat. Und dennoch: Es kriselt in der Bundesliga. Zuschauerzah- len sinken, Schulden stei- gen. „Macht die Bundesliga pleite?“, fragt ein Magazin. Von Harald Pistorius Beginn einer Ära: Die Bayern feiern 1969 die erste von 21 Meisterschaften in der Bundesliga. Die Väter des Erfolgs waren (kleines Foto) Trainer Branko Ze- bec (links) und Manager Robert Schwan. Foto: Imago Nürnberger Tränen: Luggi Müller (links) und Horst Leupold nach dem Abstieg des Meisters. Foto: Horstmüller

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Page 1: 50JAHREBUNDESLIGA DasBayern-GenwirdentdecktHelmut Schneider Hermann Lindemann 18.Offenbach 10 S, 8 U, 16 N 28:40 Pkt., 42:59 Tore Trainer: Paul Oßwald 13 S, 11 U, 10 N 37:31 Pkt.,

Horst Wolter

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Gerd Müller

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Angriff

Bernd Rupp

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Angriff

Sammelbilder (Bergmann-Verlag) aus dem Archiv Raimund Simmet (www.stickerfreak.de)DIE ELF DER SAISON 1968/1969

13 S, 8 U, 13 N34:34 Pkt., 46:43 Tore Trainer: Erich Ribbeck

Eintr. Frankfurt8.

= Punke-Abstand = Pokalsieger= Aufsteiger➡= Trainer-

Entlassung = Absteiger

14 S, 8 U, 12 N36:32 Pkt., 60:54 Tore Trainer: Gunther Baumann

VfB Stuttgart5.

MSV Duisburg12.8 S, 16 U, 10 N32:36 Pkt., 33:37 Tore Trainer: Robert Gebhardt

Alem. Aachen2.16 S, 6 U, 12 N38:30 Pkt., 57:51 Tore Trainer: Michel Pfeiffer

18 S, 10 U, 6 N46:22 Pkt., 61:31 Tore Trainer: Branko Zebec

Bay. München1.

13 S, 11 U, 10 N37:31 Pkt., 61:46 Tore Trainer: Hennes Weisweiler

Bor. M‘gladbach3.

Werder Bremen9.14 S, 6 U, 14 N34:34 Pkt., 59:59 Tore Trainer: Fritz Langner

9 S, 14 U, 11 N32:36 Pkt., 47:45 Tore Trainer: Zlatko Cajkovski

Hannover 9611.

13 S, 6 U, 15 N32:36 Pkt., 47:56 Tore Trainer: Hans Merkle

1. FC Köln13.

Kaiserslautern15.12 S, 6 U, 16 N30:38 Pkt., 45:47 Tore Trainer: Egon Piechaczek

Dietrich Weise

Bor. Dortmund16.11 S, 8 U, 15 N30:38 Pkt., 49:54 Tore Trainer: Oswald Pfau

Helmut SchneiderHermann Lindemann

Offenbach18.10 S, 8 U, 16 N28:40 Pkt., 42:59 Tore Trainer: Paul Oßwald

13 S, 11 U, 10 N37:31 Pkt., 46:43 Tore Trainer: Helmut Johannsen

Braunschweig4.

1860 München10.

15 S, 4 U, 15 N34:34 Pkt., 44:59 Tore Trainer: Albert Sing

Hans Pilz

12 S, 8 U, 14 N32:36 Pkt., 31:39 Tore Trainer: Helmut Kronsbein

Hertha BSC14.

➡➡

13 S, 10 U, 11 N36:32 Pkt., 55:55 Tore Trainer: Kurt Koch

Georg Knöpfle

Hamburger SV6.

14 S, 7 U, 13 N35:33 Pkt., 45:40 Tore Trainer: Günter Brocker

Rudi Gutendorf

FC Schalke 047.

1. FC Nürnberg17.

➡9 S, 11 U, 14 N29:39 Pkt., 45:55 Tore Trainer: Max Merkel

Robert KörnerKuno Klötzer

Jürgen Mollist 30, als eram 16. Dezem-ber 1968 mitseiner FrauSigrid auf eis-glatter Auto-bahn verun-glückt. Das

Ehepaar stirbt und hinter-lässt die Töchter Caroline (1)und Alke (4). Die Liga stehtstill vor Trauer, der Braun-schweiger war einer der bes-ten und beliebtesten Profis.Zum Benefizspiel tritt am 14.April 1969 die Weltmeister-Elf von 1954 inBraunschweigan; zum ersten und einzigenMal vollzählig. 100000 DMkommen zusammen.

GROSSE SPIELE

17. 8. 1968, 1. Spieltag:Sensation zum Start: DerMeister läuft in die AachenerKonter, Gerd Klostermanntrifft dreimal. Für den Clubist es der Anfang vom Ende,die Alemannia ist am EndeVizemeister – auch eine Sen-sation.

7. 9. 1968, 5. Spieltag:Startrekord: Noch nie hat einTeam die Saisonmit fünf Sie-gen eröffnet. Gegen den Auf-steiger tut der FCB nach ei-ner schnellen Führung nichtmehr als nötig; der Bayern-Stil zeichnet sich ab.

26. 10. 1968, 11. Spieltag:Entrüstung nach der erstenNiederlage. „Das war keineHärte, das war Brutalität“,schimpft Bayern-Spielma-cher Gustl Starek. 35000peitschen Werder an, LiberoHeinz Steinmann erzielt dasTor des Tages. Als die Bayerndie anderen Ergebnisse er-fahren, legt sich der Ärger:Die Verfolger Gladbach (0:1gegen Hertha) und Braun-schweig (0:2 in Köln) verlie-ren ebenfalls.

30. 10. 1968, 12. Spieltag:Nicht wegen der zwei Torevon Uwe Seeler, sondern we-gen einer legendären Kaprio-le seineKumpelsGert („Char-ly“) Dörfel ist die Partie un-vergesslich. Zwölf Minutenvor Schluss verwarntSchiedsrichter Edgar Deus-chel (Ludwigshafen) denHSV-Linksaußen und fragtden ligabekannten Glatzkopfnach dessen Namen. „Meier“antwortet Dörfel zwei Mal,danach schickt ihn Deuschelruntermit denWorten: „VomPlatz, Herr Dörfel.“ ZweiSpiele Sperre…

16. 11. 1968, 15. Spieltag:Nur 10000 kommen zumVerfolgerduell; sie sehen dengroßen Tag von Willi Enten-mann: Der „Erpel“ schaltetGünterNetzer ausunderzieltdrei Tore. Als er verletzt aus-gewechselt wird, steht es 4:2für den VfB – dann treffenNetzer und Berti Vogts.

8. 3. 1969, 25. Spieltag:Vorentscheidung im Titel-kampf: Die Bayern schüttelnin einem Rassespiel den star-kenMeister von 1967 ab, des-sen Trainer Helmut Johann-sen gerade von Juventus Tu-rin umworben wird. Kurios:Im Duell der beiden bestenTorhüter patzt sowohl SeppMaier als auchHorstWolter.

31. 5. 1969, 33. Spieltag:Trainer-Benjamin Erich Rib-beck, mit 31 jüngster Coachder Liga, schafft denKlassen-erhalt mit der Eintracht. DerHSV hat nur einenGrund zurFreude: Der unverwüstlicheUwe Seeler erzielt sein 100.Bundesliga-Tor.

1. FC Nürnberg 1

Alem. Aachen 4

Bay. München 3

Hertha BSC 0

Hamburger SV 2

1860 München 0

M‘gladbach 4

VfB Stuttgart 4

Werder Bremen 1

Bay. München 0

Bay. München 2

Braunschweig 1

Hamburger SV 1

E. Frankfurt 4

KÖPFE DES JAHRES

1968/1969

DIENSTAG,1. MAI 2012 #50 JAHRE BUNDESLIGA

Erst im No-vember 1968bekommt derTorschützen-könig von1967/68 dieKanone über-reicht: EineTuberkulose

hat Johannes Löhr erwischt,in einembadischen Sanatori-um wird der Kölner Stürmeraufgepäppelt, kehrt erst nachknapp vier Monaten zurück.„DeNas“,wie erwegen seinermarkanten Nase genanntwird, braucht nur achtMinu-ten für Tor Nr. 64 – bis 1978lässt er 102 folgen, alle fürden FC, dessen Rekordschüt-ze er bis heute ist.

„Der ist ja be-soffen“, ruft1860-ProfiBernd Patzke,als Schieds-richter WalterHorstmann inDortmund ei-nen Elfmeter

gibt. Kapitän Petar Radenk-ovic fordert von Horstmannlautstark eine Blutprobe.Weil Journalisten bereits beiKellnern recherchieren, wasHorstmann beim Essen ge-trunken hat, fährt er nachdem Spiel ins nächste Kran-kenhaus und unterzieht sicheiner Blutprobe. Ergebnis:0,0. Startorwart „Radi“ wirdvier Wochen gesperrt.

Tod auf derTrainerbank:Oswald Pfauist der einzigeFußballlehrerder Liga-His-torie, der wäh-rend eines En-gagements

stirbt. 1967/68 hat der ausPommern stammende Trai-ner die Dortmunder als „Feu-erwehrmann“ vor dem Ab-stieg gerettet. Der Borsig-platz ist seine erste Bundesli-ga-Station. Im Herbst 1968erleidet er einenHerzinfarkt,erholt sich, kehrt ins Amt zu-rück.Der zweite Infarkt am3.Januar 1969 trifft ihn tödlich,im Alter von 54.

Er schickt dieSpieler früh-morgens zumLauf an ZecheConsolidationvorbei, veran-staltet Hea-rings für Fans,500 kommen.

Rudi Gutendorf hat Erfolg:Der extrovertierte Coach hatin der wilden US-Liga diePR-Kunst gelernt undmischtnun Schalke auf. BestesRückrundenteam, DFB-Po-kalfinale – nur den histori-schen ersten Sieg in Dort-mund (1:0 am 11. März 1969)seit 1958 verpasst er: Er liegtmit Grippe im Bett, es coachtAssistent Günter Diegel.

Gerade mal 43281,26 DMGewinn weist die Bilanz desneuen Meisters aus. Erfolgzahlt sich beim FC BayernMünchen nur für die Spieleraus: 10000 DM Prämie gibtes für die Meisterschaft,10000 DM für den Gewinndes DFB-Pokals. Zu verdan-ken hat der Club den kleinenÜberschuss im 4-Millionen-DM-Etat der Tatsache, dassman sich einen Billig-Trainergeholt hat: Branko Zebec ver-dient 6000 DM und damitnur ein Drittel der Gage, die„Tschik“ Cajkovski kassierte.Die beiden haben früher

zusammen in der großen ju-goslawischen Elf gespielt,doch viel mehr Gemeinsam-keiten gibt es nicht. Zebec iststreng, er führt ein hartes Re-giment, nicht nur auf demTrainingsplatz. „An die Stelleder Improvisation trat dieMethodik“, urteilt die„Sport-Illustrierte“ und be-schreibt, wie Zebec aus der

wilden, fröhlich stürmendenMannschaft ein disziplinier-tes, kühl und berechnendauftretendes Rasenschach-Ensemble formt. Das Bay-ern-Gen war gefunden.„Tschik war für uns der

richtige Trainer gewesen,aber seine Platte war nachfünf Jahren abgelaufen“, er-innerte sich Franz Becken-bauer an seine erste Meister-saison, „jetzt war Zebec ge-nau der Richtige.“ DerUnter-schied zwischen dem lebens-frohen Genussmenschen„Tschik“ und dem distanzier-ten Asketen Zebec ließ sichablesen an der Entwicklungvon Gerd Müller.„Kleines, dickes Müller“,

hatte Cajkovski den stämmi-gen Mittelstürmer liebevollgenannt. Zebec gab MüllersEhefrau Uschi einen Diät-plan und forderte den stäm-migen Naturburschen ausNördlingen im Einzeltrai-

ning. Bald wog er 78 statt 84Kilogramm und schoss 30Tore. Seinen Wert lernten al-le zu schätzen, als er wegeneiner Tätlichkeit gegen JuppHeynckes (damals bei Han-nover 96) acht Wochen ge-sperrt wurde: Der Vorsprungder Bayern schmolz, sie ge-wannen in dieser Zeit keinSpiel – bis Müller zurückkamund beide Tore zum 2:1 beiHertha BSC erzielte.Der Erfolg schlug sich nur

mäßig an den Bayern-Kassennieder: Der Besucherschnittstieg um3000 auf 24000.Diemeisten anderen Vereinemeldeten Verluste, am erstenSpieltag blieb die Hälfte derPlätze in den neun Stadienleer. Über 20 Spiele der Sai-son sahen weniger als 10000Zuschauer, nur drei Vereineübertrafen den Zuschauer-schnitt von 25000. „LeereKassen – Schreckgespenstder Bundesliga!“, titelte der

„Kicker“. Der schlechte Kom-fort in den Stadien und ge-stiegene Eintrittspreise wur-den als Gründe genannt.Hennes Weisweiler, der mitder Mönchengladbacher Bo-russia wegen des mutigenAngriffsstils Sympathien,aber keinen Titel gewann,sah die Ursache auf dem Ra-sen: „Die Bundesliga ist spie-lerisch schlechter geworden,alles spielt auf Abwehr undUnentschieden. Die meistenMannschaften spielen gegendie Zuschauer statt für sie.Das ist langweilig.“Dass der Zuschauerschnitt

nicht unter die 20000er-Marke rutschte, sondern bei22000 ausschlug, lag an derRückkehr einer verruchtenDame: Hertha BSC, 1965 we-gen illegaler Zahlungen ausder Liga verwiesen, locktenach dem Aufstieg durch-schnittlich 44000 Zuschauerund war unumstrittener Zu-schauerkrösus.Die letzten Wochen der

Saison prägte der Abstiegs-kampf. Vier Spieltage vorSchluss war noch nicht malder MSV Duisburg auf Platzneun gesichert. Die größt-mögliche Zuspitzung gab esin der finalen Runde, als dievier auf den letzten Plätzenunter sich waren: Mit einem3:0 gegen Neuling KickersOffenbach verhinderte Bo-russia Dortmund drei Jahrenach dem Europapokal-Tri-umph den Abstieg.In Köln stieß der FC im

zweiten Abstiegsendspiel

den amtierenden Meister inden Abgrund. Als die Nürn-berger weinend vom Platzgingen, sagte der Stadion-sprecher unter dem Applausdes Publikums: „Wir wün-schen diesem ruhmreichenVerein einen baldigen Wie-deraufstieg.“ Es dauerteneun Jahre, bis der 1. FCNürnberg zurückkehrte.Und es blieb einmalig, dassder amtierende Meister ab-stieg.Über die Gründe kann

man mit älteren Nürnber-gern noch heute diskutieren.Sicher ist: Es drehte sich allesnur ums Geld, um die „Ma-rie“, wie Meistertrainer MaxMerkel es nannte. Als er imMärz 1969 entlassen wordenwar, sollte der 54er-Welt-meister Max Morlock als Be-treuer moralische Aufrüs-tung betreiben. Er schaffte essogar, den legendären Alt-bundestrainer Sepp Herber-ger vor einem Spiel für eineAnsprache in die FCN-Kabi-ne zu lotsen. Doch Morlockresignierte bald und beant-wortete die Frage, ob es wei-terer Streicheleinheiten be-dürfe, gallig: „Hier sind eini-ge dabei, die wollen nur mitGeldscheinen gestreicheltwerden.“Begonnen hatte die Saison

in Nürnberg damit, dassbeim Training ein Eintritts-geld von einer DM erhobenwurde.

NächsteFolge: Eine neueBorussia begeistert

Das Bayern-Gen wird entdecktSerie(6)–1968/69:AufPapa„Tschik“folgtderstrengeHerrZebec–AbstiegdesMeisters

Der Rekordmeister und Ti-telverteidiger steigt ab, inder Fußball-Hauptstadtschafft der Emporkömmlingdie Wachablösung mit demDouble. In den spannends-ten Abstiegskampf seit1963 ist alles verstrickt, wasRang und Namen hat. Unddennoch: Es kriselt in derBundesliga. Zuschauerzah-len sinken, Schulden stei-gen. „Macht die Bundesligapleite?“, fragt ein Magazin.

Von Harald Pistorius

Beginn einer Ära: Die Bayern feiern 1969 die erste von 21 Meisterschaften in der Bundesliga. Die Väter des Erfolgs waren (kleines Foto) Trainer Branko Ze-bec (links) und Manager Robert Schwan. Foto: Imago

Nürnberger Tränen: Luggi Müller (links) und Horst Leupoldnach dem Abstieg des Meisters. Foto: Horstmüller