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6. Analytische Geometrie. Die moderne Mathematik beginnt mit Descartes, und zwar mit seinem Buch ”Geome- trie”(*). Dabei muss man sich vergegenw¨ artigen, dass es im mittelalterlichen Europa seit ¨ uber 1000 Jahren keine wirkliche Entwicklung von Mathematik gab. Insbesondere hat das r¨omische Weltreich existiert, ohne eine nennenswerte Mathematik hervorzubringen. Griechische Mathematik war lange Zeit in Europa vergessen und die Erinnerung wurde nur noch von den Arabern bewahrt. Erst ab dem 13. Jahrhundert und ¨ uber den Kontakt zu den Arabern (insbesondere nach dem Fall Konstantinopels) wurde Europa wieder mit der Klassik bekannt und dies verursachte den Aufbruch in der Renaissance. In der Zeit von Descartes (also im 17. Jhdt.) kam aber nun ein neues Element hinzu. Jetzt wurde Math- ematik nicht mehr kontemplativ betrieben. Das Interesse an den Anwendungen wurde immer wichtiger. Im Gegensatz von den ”Elementen” des Euklids legt Descartes kein systematisches Lehrbuch vor und verzichtet sogar ganz absichtlich darauf, seinen Ergeb- nissen die allgemeinste Form zu geben. Dies heißt nicht, dass Descartes grunds¨atzlich einen systematischen Aufbau wie im Euklid ablehnte. Ganz im Gegenteil. Aber in der ”Geometrie” bestand sein Interesse darin eine Methode zu ¨ ubermitteln mit der man zu neuen Erkenntnissen kommen kann (man sagte damals, daß hier die ”Analyse” und nicht nur die ”Synthese” eines Problems geliefert wurde). Das kartesische Koordinatensystem. Im gewissen Sinne haben ja schon die Renaissance Maler Koordinaten benutzt. Jedenfalls ist es ein Leichtes ihre Gitterschirme in Koordinaten Systeme der Ebene zu verwandeln: 3 2 ( x, y ) = ( 3, 2 ) x y 3 2 Vom Gitterschirm zum Koordinatensystem Man bezeichnet zwar Descartes als den Entdecker des Koordinatensystems. Das heißt (*) Dies ist urspr¨ unglich als Anhang zu einem gr¨ oßeren Werk von Descartes erschienen. Ich benutze hier die Ausgabe [Descartes, Geometrie, Wiss. Buchg., 1981] Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1

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6. Analytische Geometrie.

Die moderne Mathematik beginnt mit Descartes, und zwar mit seinem Buch ”Geome-trie”(*). Dabei muss man sich vergegenwartigen, dass es im mittelalterlichen Europa seituber 1000 Jahren keine wirkliche Entwicklung von Mathematik gab. Insbesondere hatdas romische Weltreich existiert, ohne eine nennenswerte Mathematik hervorzubringen.Griechische Mathematik war lange Zeit in Europa vergessen und die Erinnerung wurdenur noch von den Arabern bewahrt. Erst ab dem 13. Jahrhundert und uber den Kontaktzu den Arabern (insbesondere nach dem Fall Konstantinopels) wurde Europa wieder mitder Klassik bekannt und dies verursachte den Aufbruch in der Renaissance. In der Zeit vonDescartes (also im 17. Jhdt.) kam aber nun ein neues Element hinzu. Jetzt wurde Math-ematik nicht mehr kontemplativ betrieben. Das Interesse an den Anwendungen wurdeimmer wichtiger. Im Gegensatz von den ”Elementen” des Euklids legt Descartes keinsystematisches Lehrbuch vor und verzichtet sogar ganz absichtlich darauf, seinen Ergeb-nissen die allgemeinste Form zu geben. Dies heißt nicht, dass Descartes grundsatzlicheinen systematischen Aufbau wie im Euklid ablehnte. Ganz im Gegenteil. Aber in der”Geometrie” bestand sein Interesse darin eine Methode zu ubermitteln mit der man zuneuen Erkenntnissen kommen kann (man sagte damals, daß hier die ”Analyse” und nichtnur die ”Synthese” eines Problems geliefert wurde).

Das kartesische Koordinatensystem.

Im gewissen Sinne haben ja schon die Renaissance Maler Koordinaten benutzt. Jedenfallsist es ein Leichtes ihre Gitterschirme in Koordinaten Systeme der Ebene zu verwandeln:

3

2( x, y ) = ( 3, 2 )

x

y

3

2

Vom Gitterschirm zum Koordinatensystem

Man bezeichnet zwar Descartes als den Entdecker des Koordinatensystems. Das heißt

(*) Dies ist ursprunglich als Anhang zu einem großeren Werk von Descartes erschienen. Ich benutze hier die

Ausgabe [Descartes, Geometrie, Wiss. Buchg., 1981]

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nicht, dass er als erster Koordinaten benutzt hat. Wie gesagt waren die RenaissanceMaler ihm hier schon hundert Jahre zuvorgekommen. Aber Descartes hat etwas noch vielwichtigeres getan. Er hat gezeigt, wie man Koordninaten benutzen kann, um geometrischeProbleme in algebraische und umgekehrt verwandeln kann. Dies wollen wir hier erlautern.Insbesondere wollen wir sehen wie Descartes Koordinaten benutzt hat, um das klassischeProblem der Dreiteilung des Winkels zu losen.

Bei Descartes kam noch ein Moment hinzu, dass es weder bei den alten Griechen noch beiden Renaissance Malern nicht gab. Bei Descartes waren die zu betrachtenden geometri-schen Kurven nicht vorgeformt, sondern wurden bewegungsmaßig und zwar durch Maschi-nen erzeugt. So musste der Kreis durch eine Maschine, namlich dem Zirkel erzeugt werden,und ebenso die gerade Linie, durch das Lineal. Mit diesem Wandel des Gesichtspunkteswar nun aber fur Descartes uberhaupt nicht mehr klar warum man sich auf Zirkel undLineal beschranken sollte. Im Gegenteil. Man sollte die Beschrankung aufgeben und allelMaschinen zur Erzeugung von Kurven zulassen. Dann werden auch alle klassischen Prob-leme losbar werden. In dieser neuen Denkart bestand nun die neue Mathematik, die denBeginn der modernen Mathematik darstellt. Wir werden gleich sehen, welche weitreichen-den Konsequenzen dieses kartesische Programm hatte.

Gleichung einer Geraden. Um die Gleichung einer Geraden zu bestimmen brauchtman entweder zwei Punkte oder einen Punkt und eine Richtung. Entsprechend gibt es diePunkt-Richtungs-Form einer Geraden oder die Zwei-Punkte-Form.

n

y - n

x

(x,y)

xa

x 2x 1 x

(x ,y ) 2 2

(x ,y ) 1 1

(x,y)

x - x 2 1

y - y 2 1

y - y 1

Punkt-Richtungs-Form Zwei-Punkte-Form

Man erinnere sich, dass

tan(a) =Gegenkathete

Ankathete

Danach folgt aus dem linken Diagramm:

y − n

x − 0= tan(a) =: m.

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§6 Analytische Geometrie 75

Also

y = mx + n

Dies ist die Punkt-Richtungs-Form der Geraden Gleichung.

Aus dem rechten Diagramm entnehmen wir:

y − y1

x − x1

=y2 − y1

x2 − x1

und dies ist die Zwei-Punkte-Form der Geraden Gleichung.

Sind (a, 0) und (0, b) die Schnittpunkte der Geraden mit der x-Achse bzw. mit dery-Achse, dann ist nach der Zwei-Punkte-Form:

y − b

x − 0=

b − 0

a − 0

und so

ay − ab = bx

also

ay − bx = ab

ist auch eine Form der Geraden Gleichung. Wir halten fest: Die Gleichung

ax + by = d

ist die allgemeine Form der Geraden Gleichung in der Ebene. Ebenso zeigt man,dass

ax + by + cz = d

die allgemeine Form der Ebenen Gleichung im Raum ist. Wenn (x0, y0, z0) irgendeinPunkt ist, der in der Ebene liegt, dann gilt:

ax + by + cz = ax0 + by0 + cz0 ⇒ a(x − x0) + b(y − y0) + c(z − z0) = 0

Dies ist auch eine Form der Ebenen Gleichung.

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Die Dreiteilung des Winkels (bei Descartes).

Descartes hat seine neue analytische Geometrie benutzt, um die klassischen Problemeanzugehen: Verdopplung des Wurfels, Dreiteilung des Winkels, Quadratur des Kreises,und um Probleme des Brillenschleifens zu behandeln. Das Problem der Dreiteilung desWinkels ist von ihm vollstandig gelost. Dies ist in der ”Geomtrie” von Descartes dargestellt.Das Verfahren war zwar im Prinzip schon den Griechen bekannt. Das Neue hier ist aber,dass Descartes darauf bestand, dass es sich beim unten gegebenen Beweis wirklich um eineLosung des Problems handelt (indem er als erster darauf besteht, dass zur Losung auchandere Kurven als Kreis und Gerade zugelassen sein mussen).

Descartes argumentiert wie folgt.

N

Q T

PS R

0

Dreiteilung des Winkels bei Descartes

Zeichnen wir QS parallel zu 0T und setzen wir

NO = 1, NP = q und NQ = x

Wir wollen die Strecke NQ (die die gleiche Lange hat wie QT und TP ) konstruieren.Wir haben:

NO : NQ = NQ : QR = QR : RS

und so

1 : x = x : x2 = x2 : x3

Weiter gilt

NP + RS = 3 · NQ

wie ein genaues Betrachten der Figur zeigt (beachte QS ist parallel zu OT). Also

q + x3 = 3x

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§6 Analytische Geometrie 77

und so

q = 3x − x3

Wir mussen also eine kubische Gleichung losen. Descartes behauptet, dass man dies immererreichen kann, indem man eine Parabel mit einem Kreis schneidet. Er argumentiert wiefolgt:

a

q

Losung einer kubischen Gleichung

Nu muß man die Gleichungen der obigen Kurven, d.h. die Gleichung des Kreise und derParabel aufstellen. Man erhalt:

Gleichung des Kreises: (x − q)2 + (y − a)2 = a2 + q2

Gleichung der Parabel: y = x2

Hieraus ergibt sich

x2 − 2qx + q2 + y2 − 2ay + a2 = a2 + q2

x2 − 2qx + y2 − 2ay = 0

x2 − 2qx + x4 − 2ax2 = 0

x − 2q + x3 − 2ax = 0

x3 + (1 − 2a)x − 2q = 0

Also muß man a = 2 und q = 1

2wahlen, um die Dreiteilungs Gleichung i3x − x3 = q

zu losen.

Damit ist die Dreiteilung des Winkels erbracht (sofern man - wie Descartes - die Benutzungder Parabel erlaubt!).

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78 I. Elementare Mathematik 1

Die Formeln der Perspektive. Wir benutzen analytische Geometrie, um eine Formelder perspektivischen Abbildung eines Raumes auf eine Flche zu geben.

a

(x ,y ,z ) 1 1 1

(a,0,b)

(0,y ,z ) 2 2

Analytische Geometrie der Perspektive

Diese Figur zeigt noch einmal, diesmal schematisch, die Aufstellung von Durer. Diesenkrechte Strecke soll den Gitterschirm reprsentieren. Der Schnittpunkt der Lichtstrahlenmit dem Gitterschirm ist gegeben durch die Gleichung:

0y2

z2

=

a

0b

+ λ

x1 − a

y1 − 0z1 − 0

Es folgt

0 = a + λ(x1 − a)

y2 = λy1

z2 = b + λ(z1 − b)

und so

λ =a

a − x1

und so

y2 =ay1

a − x1

z2 =az1 − bx1

a − x1

und dies ist die analytische Formel fur die Perspektive. Gemß der obigen Formelwird jeder Raumpunkt (x1, y1, z1) perspektivisch auf den Punkt (0, y2, z2) auf demSchirm abgebildet.

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§6 Analytische Geometrie 79

Vektorrechnung. (*)

Ein Vektor hat eine Lange und eine Richtung. Es gibt zwei Typen von Vektoren - denOrtsvektor und den Richtungsvektor. Beides sind Pfeile in der Ebene oder im Raummit dem Unterschied, dass der Anfangspunkt eines Ortsvektors immer im Nullpunkt liegtund der Konvention, dass zwei Richtungsvektoren gleich sind, wenn sie parallel sind:

Zwei Ortsvektoren Ein Richtungsvektor

Definition. Ein zwei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Paar a = [a1, a2] vonreellen Zahlen. Ein drei-dimensionaler Vektor ist ein geordnetes Tripel a = [a1, a2, a3]von reellen Zahlen. Die Zahlen a1, a2, a3 heißen die Komponenten des Vektors.

Eine Darstellung eines Vektors [a1, a2] ist ein Pfeil (d.h. eine gerichtete Strecke) voneinem Punkt P (x, y) zum Punkt P (x + a1, y + a2). Ist P (x, y) = P (0, 0), dann heißtt diese Darstellung ein Ortsvektor. Entsprechendes gilt im Raum.

Die Lange eines Vektor v ist die Lange eines seiner Darstellungen und wird mit |v|bezeichnet. Mit Hilfe der Abstandsformel laßt sich die Lange berechnen:

Tatsache. Die Lange des zwei-dimensionalen Vektors a = [a1, a2] ist gegeben durch dieFormel:

|a| =√

a2

1+ a2

2.

Die Lange des drei-dimensionalen Vektors a = [a1, a2, a3] ist gegeben durch die Formel:

|a| =√

a2

1+ a2

2+ a2

3.

(*) Wir folgen in der Darstellung [J. Stewart, Calculus, Concepts and Contexts, 1997]

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80 I. Elementare Mathematik 1

Man kann Vektoren addieren und mit reellen Zahlen (Skalaren) multiplizieren gemaß derfolgenden Regeln:

Vektor Addition. Wenn a = [a1, a2] und b = [b1, b2], dann ist a+b definiert durch

a + b := [a1 + b1, a2 + b2].

Ebenso fur drei-dimensionale Vektoren

a + b := [a1 + b1, a2 + b2, a3 + b3].

Man kann die Vektor Addition geometrisch auf zwei Weisen illustrieren:

a

b

a+b

a

b

a+b

Triangle Gesetz Parallelogramm Gesetz

Es ist moglich die Lange eines Vektors zu verandern. Dies geschieht durch die Multiplika-tion mit einem Skalar.

Multiplikation mit einem Skalar. Sei c ein Skalar (d.h. eine reelle Zahl). dann istder Vektor ca definiert durch:

ca := c[a1, a2] = [ca1, ca2]

Entsprechend fur drei-dimensionale Vektoren

ca := c[a1, a2, a3] = [ca1, ca2, ca3]

Man verifiziert leicht, daß dem eine Langenveranderung um den Faktor c entspricht, denn

|ca| = |c[a1, a2]| = |[ca1, ca2]| =√

(ca1)2 + (ca2)2 =√

c2a2

1+ c2a2

2

=√

c2 ·√

a2

1+ a2

2= c · |bfa|.

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§6 Analytische Geometrie 81

Entsprechendes gilt fur drei-dimensionale Vektoren.

Man kann nun auch leicht die Differenz a − b von zwei Vektoren illustrieren, denn

a − b = a + (−1) · b.

b a

a - b

DIe Differenz von zwei Vektoren

Wir haben die folgenden

Rechenregeln. Wenn a,b, c Vektoren und wenn c, d Skalare sind, dann gelten diefolgenden formalen Gesetze:

1. a + b = b + a

3. a + 0 = a

5. c(a b) = ca + cb

7. (cd)a = c(da)

2. a + (b + c) = (a + b) + c

4. a + (−a) = 0

6. (c + d)a = ca + da

8. 1a = a

Diese Gesetze kann man sowohl geometrisch als auch koordinatenweise nachprufen.

Bem. Mit 0 bezeichnen wir den Nullvektor, d.h. den Vektor mit der Lange Null.

Standard Basisvektoren. Die folgenden Vektoren

i := [1, 0, 0], j := [0, 1, 0], k := [0, 0, 1].

heißen Einheitsvektoren des Raumes. Entsprechend hat man Einheitsvektoren der Ebene.Wegen der obigen Rechenregeln kann man jeden Vektor wie folgt durch die Basisvektorenausdrucken:

a = [a1, a2, a3] = [a1, 0, 0] + [0, a2, 0] + [0, 0, a3]

= a1[1, 0, 0] + a2[0, 1, 0] + a3[0, 0, 1] = a1i + a2j + a3k

Einheitsvektoren. Ein Einheitsvektor ist ein Vektor der Lange 1. Alle Basisvektorensind Einheitsvektoren. Weiter kann man jeden Vektor a zu einem Einheitsvektor machen,denn:

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82 I. Elementare Mathematik 1

a

|a|

=

1

|a|a∣

=1

|a| · |a| = 1.

Beispiel. Ein Gewicht von 100 kg hangt an zwei Drahten wie im unteren Diagramm.Berechen die Spannungen (Kraft) in beiden Drahten und ihre Großen.

50o 32o

S T

W

Berechnung von Spannungen

Losung. Da die Figuration im Gleichgewicht ist, muß die Kraft W gleich der GegenkraftS + T sein.

Aus der Figur entnehmen wir deshalb die folgenden Gleichungen:

S = −|S| cos(50o) · i + |S| sin(50o) · jT = −|T| cos(32o) · i + |T| sin(32o) · j

S + T = −W = 100j

Also

−|S| cos(50o) + |T| cos(32o)) · i + (|S| sin(50o) + |T| sin(32o)) · j = 100 · j

Da die Komponenten gleich sein mussen, erhalten wir die folgenden beiden Gleichungen:

−|S| cos(50o) + |T| cos(32o) = 0

|T| sin(50o) + |T| sin(32o) = 100

Indem wir die erste Gleichung losen und in die zweite einsetzen erhalten wir:

|S| sin(50o) +|T| cos(50o)

cos(32o

sin(32o) = 100

Also erhlaten wir fur die Großen der Spannungen:

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§6 Analytische Geometrie 83

S =100

sin(50o) + tan(32o) cos(50o)≈ 85, 64kg

T =|T| cos(50o)

cos(32o)≈ 64, 91kg

Durch Einsetzen in die obige Gleichung, erhalten wir fur die Spannungsvektoren:

S ≈ −55, 05i + 65, 60j T ≈ 55, 05i + 34, 40j

Das Skalarprodukt.

Definition. Das Skalarprodukt zweier Vektoren a,b ist die Zahl

a · b := |a||b| cos(θ)

wobei θ der Winkel zwischen a und b ist (0 ≤ θ ≤ π).

Zwei Vektoren a und b sind senkrecht oder orthogonal, wenn der Winkel zwischenihnen θ = π

2ist. Fur solche Vektoren gilt:

a · b = |a||b| cos(π

2) = 0.

und umgekehrt, denn a · b = 0, dann ist cos(θ) = 0 und so θ = π

2. Also haben wir:

Satz. Zwei Vektoren a und b sind orthogonal, wenn das Skalarprodukt a · b = 0.

Das Skalarprodukt in Komponentenform. Seien zwei Vektoren

a = [a1, a2, a3] und b = [b1, b2, b3]

gegeben. Nach dem Kosinus Satz gilt

|a − b|2 = |a|2 + |b|2 − 1|a||b| cos(θ)

= |a|2 + |b|2 − 2a · b

Damit gilt fur das Skalarprodukt:

a · b =1

2(|a|2 + |b|2 − |a − b|2)

=1

2(a2

1+ a2

2+ a2

3+ b2

1+ b2

2+ b2

3− (a1 − b1)

2 − (a2 − b2)2 − (a3 − b3)

2)

= a1b1 + a2b2 + a3b3

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84 I. Elementare Mathematik 1

Also haben wir:

Satz. Das Skalarprodukt von a = [a1, a2, a3] und [b1, b2, b3] ist gegeben durch

a · b = a1b1 + a2b2 + a3b3.

Eigenschaften des Skalar Produkts. Seien a,b und c Vektoren im Raum. Danngilt:

1. a · a = |a|2

3. a · (b + c) = a · b + a · c5. 0 · a = 0

2. a · b = b · a4. (ca) · b = c(a · b) = a · (cb)

Besipielsweise beweist man Eigenschaft 3 komponentenweise wie folgt:

a · (b + c) = [a1, a2, a3] · [b1 + c1, b2 + c2, b3 + c3]

= a1(b1 + c1) + a2(b2 + c2) + a3(b3 + c3)

= a1b1 + a1c1 + a2b2 + a2c2 + a3b3 + a3c3

= (a1b1 + a2b2 + a3b3) + (a1c1 + a2c2 + a3c3)

= a · b + a · c

Die ubrigen Eigenschaften beweist man genauso.

Projektionen. Die Projektion des Vektors b auf den Vektor a ist gegeben durch

|b| cos(θ) = |b| · a · b|a||b| =

a · b|a|

wobei θ der Winkel zwischen a und b ist. Dies ist die Lange der Projektion (d.h. diesog. Skalarprojektion). Der Projektionsvektor selbst (d.h. die Vektorprojektion) istgegeben durch:

(

a · b|a|

)

a

|a| =a · b|a|2 a.

Ebenen Gleichung. Mit dem Skalar Produkt konnen wir die Ebenen Gleichung, die wiram Anfang gefunden haben, neu formulieren:

n · (x − x0 = 0

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§6 Analytische Geometrie 85

wobei x0 irgendein Vektor ist, der in der Ebene liegt und wobei n irgendein Vektor istder senkrecht auf der Ebene steht.

Das Vektorprodukt.

Definition. Seien a,b zwei Vektoren im Raum (verschieden vom Nullvektor). Dann istdas Vektorprodukt a × b gegeben durch

a × b := (|a||b| sin(θ))n

wobei θ der Winkel zwischen a und b ist (0 ≤ θ ≤ π) und wobei n der Einheitsvektorist, der auf beiden Vektoren a und b senkrecht steht und dessen Richtung durch dierechte Hand Regel gegeben ist.

Bem. Insbesondere ist also a × b ein Vektor der senkrecht auf a und b steht.

Bem. Zwei Vektoren a und b sind parallel genau dann wenn a × b = 0.

Eigenschaften des Vektorprodukts. Wenn a,b und c Vektoren im Raum sind undwenn c ein Skalar ist, dann gilt:

1. a × b = −b × a

2. (ca × b = c(a × b) = a × (cb)

3. a × (b + c) = (a × b) + (a × c)

4. (a + b) × c = a × c + b × c

Das Vektorprodukt in Komponentenform.

Seien

a = a1i + a2j + a3k und b = b1i + b2j + b3k

Dann haben wir, gemaß der obigen Regeln, fur das Vektorprodukt:

a · b = a1i + a2j + a3k) × (b1i + b2j + b3k)

= a1b1i × i + a1b2i × j + a1b3j × k

+ a2b1j × i + a2b2j × j + a2b3j × k

+ a3b1k × i + a3b2k × j + a3b3k × k

= a1b2k + a1b3(−j) + a2b1(−k) + a2b3i + a3b1j + a3b2(−i)

= (a2b3 − a3b2)i + (a3b1 − a1 − a1b3)j + (a1b2 − a2b1)k

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86 I. Elementare Mathematik 1

Satz. Seien a = [a1, a2, a3] und b = [b1, b2, b3] Vektoren im Raum. Dann ist

a × b = [a2b3 − a3b2, a3b1 − a1b3, a1b2 − a2b1]

Mit dem Begriff der Determinante lasst sich dies einfacher ausdrucken. Um die drei-dimensionale Determinante zu definieren, beginnen wir mit der Definition der zweidi-mensionalen Determinante

det

[

a b

c d

]

:= ad − bc

Mit dieser Definition ist die drei-dimensionale Determinante gegeben durch

det

a1 a2 a3

b1 b2 b3

c1 c2 c3

:= a1 det

[

b2 b3

c2 c3

]

− a2 det

[

b1 b3

c1 c3

]

+ a3 det

[

b1 b2

c1 c2

]

.

Dann gilt schließlich

a × b = det

i j ka1 a2 a3

b1 b2 b3

a

a x b

b

| a x b |

Geometrische Darstellung des Vektorprodukts

Ebenen Gleichung. Mit dem Vektor Produkt konnen wir der Ebenen Gleichung eineneu Form geben. Seien hierfur x0,x1,x2 drei Ortsvektoren, deren Endpunkt in der Ebeneliegen. Dann ist das Vektor Produkt

(x1 − x0) × x2 − x0

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§6 Analytische Geometrie 87

ein Vektor der senkrecht auf x1 − x0 und x2 − x0 und somit senkrecht auf der Ebenesteht. Somit ist

[(x1 − x0) × (x2 − x0)] · (x − x0) = 0

eine Drei-Punkte-Form der Ebenen Gleichung.

Bem. Der Normalenvektor bestimmt also vollstandig die Ebene. Die Ebene kann alsomit einem Vektor identifiziert werden. Dies ist der Grund, warum bei der Definition derabstrakten projektiven Ebenen, sowohl Punkte als auch Geraden als Vektoren gegebenwerden konnten.

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