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6 6 6.1 Besonderheiten einer Intensivstation . . . 1118 6.1.1 Organisationsformen ................... 1119 6.1.2 Merkmale und Unterschiede zur Normalstation ......................... 1119 6.2 Verhalten vor, während und nach der Physiotherapie ................... 1120 6.3 Zugangswege für Monitoring, Diagnostik und Versorgung ............ 1121 6.4 Intubation, Beatmungsformen und Weaning ......................... 1122 6.5 Physiotherapierelevante Parameter .... 1123 6.6 Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen .......... 1125 6.6.1 Hygienische Händedesinfektion ........... 1126 6.6.2 Flächendesinfektion als Wischdesinfektion auf Intensivstationen ................... 1127 6.7 Dokumentation ...................... 1127 6.8 Assessments ......................... 1127 6.9 Behandlungsstandards – Evidence based practice ....................... 1128 Physiotherapie in der Intensiv- medizin Claudia Winkelmann Kolster BC, Gesing V, 8 Heller 7 A, 7 Winkelmann 3 5 6 7 C 2 (Hrsg) 1 (2017) 0 Handbuch Physiotherapie. Umfassend Aktuell Evidenzbasiert Praxisnah. 1. Aufl. KVM - der Medizinverlag, Berlin. ISBN 978-3-86867-339-5.

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6.1 Besonderheiten einer Intensivstation . . . 11186.1.1 Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11196.1.2 Merkmale und Unterschiede zur

Normalstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119

6.2 Verhalten vor, während und nach der Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1120

6.3 Zugangswege für Monitoring, Diagnostik und Versorgung . . . . . . . . . . . . 1121

6.4 Intubation, Beatmungsformen und Weaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1122

6.5 Physiotherapierelevante Parameter . . . . 1123

6.6 Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen . . . . . . . . . . 1125

6.6.1 Hygienische Händedesinfektion . . . . . . . . . . . 11266.6.2 Flächendesinfektion als Wischdesinfektion

auf Intensivstationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127

6.7 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127

6.8 Assessments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127

6.9 Behandlungsstandards – Evidence based practice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1128

Physiotherapie in der Intensiv-medizinClaudia Winkelmann

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Trotz positiver Erfahrungen hat sich die PT in der Intensivmedizin noch nicht ausreichend etabliert. Der Auftrag, ab morgen die Intensivstation ( 6.1) zu be-treuen, ist oft erst Anlass, sich mit den PT-Optionen auseinanderzusetzen, und bereitet vor dem Hintergrund „des unbekannten“ Settings nicht selten Ängste und Widerstände beim Th.Die Bedeutung der PT in Deutschland, speziell für die Versorgung intensiv-pflichtiger Patienten, wird künftig weiter wachsen. Hintergründe hierfür sind die demografische Entwicklung, der medizinische und medizintechnische Fortschritt, die starke Zunahme chronischer Erkrankungen, eine größere Zahl multimorbider Patienten.

Die Versorgung dieser Klientel verlangt ausgesprochen komplexe therapeuti-sche Herangehensweisen sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Exper-ten (Wissenschaftsrat 2012). In der PT existiert kein Therapiemittel, das ausschließlich in der Intensivmedi-zin zum Einsatz kommt. Die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten, von denen der Patient profitieren kann, ergeben sich nahezu aus dem gesamten Spektrum der PT ( 6.9).

Wesentlich ist, dass der Th. sowohl die Auswahl der Therapiemittel als auch die Reizstärke (inkl. des zeitlichen Umfangs) an die aktuelle Situation des intensivpflichtigen Patienten sowie an die besonderen Bedingungen im intensivmedizinischen Setting anpasst.

Die PT in der Intensivmedizin sollte mind. einmal täglich und insgesamt 30 bis 45 Minuten i. S. der Frührehabilitation durchgeführt werden. Reizpausen (z. B. am Wochenende oder an Feiertagen) sind aufgrund des Erkrankungs- und Ge-nesungsprozesses der Patienten nicht vertretbar (Jorch et al. 2010).Bei der pflegerischen und physiotherapeutischen Versorgung hat sich ein Para-digmenwechsel intensivpflichtiger Patienten vollzogen. Es besteht eine hohe Evidenz für die frühzeitige Mobilisation der Patienten hinsichtlich der Auf-rechterhaltung und Wiederherstellung vitaler Funktionen sowie der Minimie-rung von Folgeschäden. Daher hat sich auch bei beatmeten Patienten ein Trend zum frühen Transfer vom Pilotensitz, über den Sitz im Therapie- und Pflege-stuhl bis hin zum Gehen durchgesetzt (Burchardi et al. 2004, Needham et al. 2010). Bedingung dafür ist, dass insbesondere beatmete Patienten gemeinsam von Pflegenden und Th. mobilisiert werden (Nydahl u. Müller 2011). Je nach Berufsgruppe (Arzt, Pflegende, Th.) werden für diese Prozedur unterschiedli-che Begrifflichkeiten verwendet, z. B. Mobilisierung, Frühmobilisierung, Mobi-lisation, „der Patient muss mobilisiert werden“, Vertikalisierung oder Transfer ( 3.1.4).

6.1 Besonderheiten einer Intensivstation

Der Begriff Intensivstation wird nicht einheitlich genutzt. Im Krankenhaus-Sprachgebrauch sind ebenfalls Intensivbehandlungsstation und Intensivpflege-station (IPS) sowie die Abkürzungen IT (Intensivtherapie), ITS (Intensivtherapie-station), INT (Intensivstation) oder auch ICU (engl. intensive care unit) üblich. Diesen speziellen Einheiten ist gemeinsam, dass hier Patienten mit schweren bis lebensbedrohlichen Krankheiten intensivmedizinisch versorgt werden.

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6.1.1 OrganisationsformenKleine Krankenhäuser verfügen über eine interdisziplinäre Intensiveinheit, d. h. auf der Station sind sowohl konservative (z. B. internistische) als auch operative (z. B. chirurgische) Patienten. Große Krankenhäuser haben i. d. R. mehrere Intensiveinheiten. Diese sind dem jeweiligen Fachgebiet zugeordnet, z. B. chirurgische, internistische, neurologi-sche, neurochirurgische oder anästhesiologische Intensivstation (van Aken et al. 2007).

6.1.2 Merkmale und Unterschiede zur Normalstation Die Arbeit auf einer Intensivstation unterscheidet sich von der auf einer Normal-station ( 1.1.1). In Tab. 6.1.1 sind die besonderen Merkmale einer Intensiv-station zusammengestellt, die seitens des Th. unbedingt zu beachten sind.

Tab. 6.1.1 Spezielle Merkmale einer Intensivstation.

Patient Schweregrad der Erkrankungen mit einem stark schwankenden Befund,zur Klientel zählen z. B. polytraumatisierte, beatmete Patienten, Brand-verletzte oder Organempfänger.

Ethischer Grundsatz

Primäre Verpflichtung gegenüber den Patienten zur Lebenserhaltung.

Konzept Interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fach-bereiche, Pflegenden, Th. und weiteren Berufsgruppen,besondere Kommunikationsformen im Team, die auch Interprofessionali-tät widerspiegeln, z. B. Visiten, ethische Fallbesprechungen, Mortalitäts-und Morbiditätskonferenzen (MoMo).

Therapie-beginn

Physiotherapeutische Intervention erst nach Rücksprache mit Arzt undder für den Patienten zuständigen Pflegekraft (Zuständigkeit kann denPlanungstafeln auf der Station entnommen werden).

Einarbei-tung und Qualifika-tion

Die Einarbeitung hat große Bedeutung (hierzu gehören: Stationseinwei-sung, Hospitationen, Co-Therapie, Schulungen und Fortbildungen).Fachlich sind spezielle Fort- und Weiterbildung (in der Pflege zweijährigeFachweiterbildung „Anästhesie und Intensivpflege“) notwendig, darüberhinaus soziale und kommunikative Kompetenzen ( 1.2). Für die PT gibtes derartige Bildungsangebote noch nicht, lediglich Teilaspekte dazu,z. B. Fortbildung in Basaler Stimulation ( 3.12.1), rückengerechterTransfer, Symposien.

Kommuni-kation mit dem Patienten

Stete Kommunikation mit dem Patienten unabhängig von dessenBewusstseinszustand ( 1.2.3),der Patient ist mit Namen anzusprechen, der Th. muss sich vorstellen und erklären, warum er „hier“ ist ( 1.2.2). Jeder „Handgriff“ ist dem Patien-ten zu erläutern.

Personal-stärke

Höherer Personalschlüssel,Anwesenheit vieler Personen zu einer Zeit (ärztliche Leitung, Oberärzte,Intensivmediziner, Fachärzte mitbetreuender Fachabteilungen, pflegeri-sche Stationsleitung, Pflegeexperten und Praxisanleiter, Praktikanten, Physio therapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, Reinigungs personal u. v. m.).

Belastung Hohe physische und emotionale Belastung,kontinuierlich hoher Geräuschpegel aufgrund von Überwachungs- und Signaleinheiten.

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Angehörige Besondere Rolle der Angehörigen und deren Wünsche,Einbeziehung in die Patientenversorgung (Wie wird der Patient normaler-weise angesprochen, Kosenamen u. Ä.? Familiärer Umgang mit dem Patient? Informationen zum Patienten usw.).

Medizin-technik

Umfangreiche medizintechnische Ausstattung an jedem Bettplatz,besondere Schutzvorrichtungen zur Gewährleistung der Patienten sicherheit.

Hygiene Es gelten die allgemeinen Hygieneregeln im Krankenhaus und spezifischeHygienemaßnahmen (z. B. bei isolierten Patienten) ( 6.6).

Bauliche Gestaltung

Teilweise gibt es Durchgangsräume (Schleusen) zur Station, vereinzelt auch Vorräume (Schleusen) zum eigentlichen Patientenzimmer; hier befinden sich unter anderem Mundschutz, Schutz kittel und Handschuhe.Je nach Größe und erwartetem Patientengut (z. B. Patienten mit multi-resistenten Erregern) verfügt die Intensivstation über mehrere Einzel-zimmer zur Isolierung.Pro Patient bzw. Bettplatz stehen 20–25 m² Grundfläche, 16–20 Steck-dosen, mindestens zwei Sauerstoff- und Druckluftanschlüsse, spezielleBeleuchtungseinheiten (bis 1.000 Lux für Untersuchungen) zur Verfügung(DIN EN 12464-1, DIN VDE 0100, DIN 1946-4).Raumklimaregelung.

6.2 Verhalten vor, während und nach derPhysiotherapiePT ist ein Teil der komplexen, intensivmedizinischen Patientenversorgung. Inder Regel wird der Th. nicht zum permanenten Stationsteam gehören, son-dern entweder weitere Patienten auf den Normalstationen im Krankenhaus be-treuen oder nur für einen bestimmten Zeitraum für die Intensivstation einge-teilt sein. Kurzfristige Einsätze (z. B. Urlaubsvertretung, an Wochenenden) sindebenfalls üblich.Um sich dennoch in das permanente Team der Intensivstation integrieren zukönnen und PT-Maßnahmen zielorientiert in das Gesamtkonzept einzubringen,sollte der Th. folgende Grundlagen berücksichtigen:

1. Vorstellung auf Station bei dem verantwortlichen Arzt und Pflegepersonal.2. Information über Abläufe erfragen (im therapeutischen Selbstverständnis

als Holpflicht, v. a. hinsichtlich wichtiger Termine, z. B. Visiten, Besprechun-gen, Stationsübergaben bei Dienstwechsel, Angehörigengespräche Box).

3. Verschaffen eines Stationsüberblicks (Wo befinden sich die Räume der ver-antwortlichen Mitarbeiter, die Dokumentation, Informationstafeln, dasLager, Material, Hilfsmittel, Desinfektionsmittelspender usw.?).

4. Grundlage für das therapeutische Handeln ist der klinische Auftrag durch den Arzt; wichtig ist es – bei der Vielzahl der Möglichkeiten –, v. a. das Therapieziel mit dem Arzt und den Pflegenden abzustimmen.

5. Einsichtnahme in Patientenakte (sowohl in die manuelle als auch in die elektronische Dokumentation).

6. Vor jeder Intervention (Befund und Therapie) ist zwingend die zuständige Pflegekraft zu kontaktieren, um Besonderheiten zu erfragen. Der Befund des Patienten kann sich kontinuierlich ändern.

7. Korrekte Durchführung der Hygienemaßnahmen ( 6.6, 1.5).8. Durchführung der Maßnahmen zur Mobilisierung gemeinsam mit dem

zuständigen Pflegepersonal.9. Abstimmung mit weiteren therapeutischen Berufsgruppen, wie Ergothera-

pie und Logopädie, um die Belastung des Patienten so gering als möglich zu halten.

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6.3 Zugangswege für Monitoring, Diagnostik und Versorgung 1121

10. Vorstellung beim Patienten mit Namen, Berufsgruppe und Informationüber die durchzuführenden Maßnahmen – unabhängig vom Bewusst-seinszustand ( 1.2.2, 1.2.3).

11. Nach der Therapie ggf. Flächendesinfektion ( 6.6.2).12. Dokumentation von Befund und Therapiemaßnahmen im Patienten-

Daten-Management-System sowohl am Bettplatz als auch, wenn haus-üblich, in der manuellen Patientenakte – Beachte: Nur was dokumentiert ist, wurde auch durchgeführt und ist insbesondere für den Nachweis und die Leistungsabrechnung entscheidend.

13. Händedesinfektion ( 6.6.1).14. Kurzinformation an die verantwortliche Pflegekraft, v. a. für das Bewe-

gungs- und Lagerungsprotokoll.

Effiziente Teamarbeit ist maßgeblich von den handelnden Personen ab-hängig. Bei Unsicherheiten zeichnet es den „reflektierenden Praktiker“ aus,Informationen einzuholen und Unterstützung einzufordern. Fragenstellensignalisiert auch Interesse an der Expertise weiterer Berufsgruppen und solltedaher selbstverständlich sein.

6.3 Zugangswege für Monitoring, Diagnostikund VersorgungUnter Monitoring versteht man das Überwachen der Vitalfunktionen. Hierzusowie zu diagnostischen, pflegerischen und therapeutischen Zwecken werdendem Patienten diverse Sonden, Katheter und Drainagen gelegt ( Tab. 6.3.1).Grundsätzlich gilt: Vor jeder Intervention ist Rücksprache mit dem zuständigen Arzt und

– ganz wesentlich – dem Pflegepersonal zu halten. Druck und Zug auf die Schlauch- und Messsysteme ist zu vermeiden, ggf.

Rücksprache mit Pflegepersonal zur kurzfristigen Abtrennung.

Tab.6.3.1 Überwachungsoptionen (Auswahl) (Schilling 2013, S. 7 ff.)

Zugangsweg/Lokalisation

Ziel Hinweis

drei bis fünf Elektroden ander Brust

Überwachung der Herz-tätigkeit

Bei Lagerung ( 3.1.4), MT ( 3.5), Massagegriffen ( 3.14) kann es zu Arte-fakten kommen. Normalisiertsich der Zustand nicht, sind Arzt und/oder Pflegende zu verständigen.

Manschette am Oberarm; i. d. R. auf der Gegenseite des venösen Zugangs, in Ausnah-mefällen am Bein

Messung des Blutdrucks

Katheterisierung einer Arterie (i. d. R. Punktion der A. radia-lis oder A. femoralis)

invasive Blutdruck-messung

Abknicken, Dislokation oder Diskonnektion des Katheters vermeiden, in dem auf Bewegung des Hand- bzw. Hüft gelenks verzichtet wird.

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Zugangsweg/ Lokalisation

Ziel Hinweis

Katheterisierung einer Vene (i. d. R. Punktion der V. jugularis interna, V. sub-clavia oder V. brachialis)

Pulmonalisdruckmessung

Implantation eines Katheters oder einer Sonde am Kopf

Hirndruckmessung Kopf des Patienten nicht bewegen, keinen Druck oder Zug auf Katheter ausüben.

Klemme am Finger oder Ohrläppchen

Messung der venösen Sauerstoffsättigung

Ggf. in Absprache mit dem Pflegepersonal kurzfristig abnehmbar;Anstieg der O2-Sättigung während der Therapie =Therapieerfolg.

Nasensonde Insufflation mit Sauerstoff

Gesichtsmaske Insufflation mit Sauerstoff

Magen- oder Dünndarmsonde enterale Ernährung

zentral liegender Venen katheter

parenterale Ernährung

Harnblasenkatheter, über Harnröhre (transurethral) oder Bauchdecke (supra-pubisch oder Bauchdecken-katheter) eingebracht

Harnableitung,Harngewinnung

Periduralkatheter im Bereichdes Rückenmarkkanals

Schmerztherapie

Drainagen (z. B. Wund-drainagen, Hirnventrikel-drainagen, Drainagen desPleuraraums, z. B. beiPneumothorax)

Ableitung /Absaugen krankhafter oder vermehrter Körper-flüssigkeiten /Gase

6.4 Intubation, Beatmungsformen und WeaningDie Beatmung erfolgt über einen Tubus (durch Nase/Mund und Rachen), Luft-röhrenschnitt mit Trachealkanüle oder eine Maske (über Nase oder Mund und Nase).Eine Maske kann kurzzeitig bei bestimmten Interventionen abgenommen wer-den; Vorteil: Der Patient ist ansprechbar und PT-Maßnahmen haben keinen stö-renden Einfluss auf die Atmung bzw. sind nicht vom Rhythmus des Beatmungs-geräts abhängig.Für die maschinelle Beatmung stehen unterschiedliche Techniken zur Verfü-gung ( Tab. 6.4.1), von denen einige die Spontanatmung des Patienten unter-stützen, andere übernehmen die Beatmung ganz.

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6.5 Physiotherapierelevante Parameter 1123

Tab. 6.4.1 Maschinelle Beatmung (Keifel 2009).

Beatmungs-technik

Form Beschreibung

Kontrollierte Beatmung, (z. B. bei Bewusstlosig-keit, COPD)

Beatmung ohne Mitwirkung des Patienten,Ziel: O2-Zufuhr zur Optimierung desSäure-Basen-Haushalts, Eröffnung vonAtelektasen ( 3.2.8.13), Sekretolyse, Verminderung der Atemarbeit.Das Gerät ventiliert den Patienten optimal, keine diesbezügliche PT.

Mechanisch-assistierte Spontan-atmung

ASB (engl. assisted spontaneous breathing)

Inspiration wird durch den Patienteneingeleitet; die Maschine unterstützt ihn,den vorgegebenen Druck zu erreichen.

CPAP (engl. continuous positive airway pressure)

Kontinuierlicher positiver Atemwegs-druck.

PEEP-Maske (engl. positive end-expiratory pressure)

Positiver Druck am Ende der Ausatem-phase.

BIPAP (engl. biphasic [ bi-level] positive airway pressure)

Zeitgesteuerte, druckkontrollierteAtemhilfe mit Option der simultanen,ungehinderten Spontanatmung; v. a. imWeaning sinnvoll.

Ziel ist es, den Patienten so schnell als möglich vom Beatmungsgerät (Respira-tor) zu entwöhnen. Weaning bedeutet die stufenweise Entwöhnung von derBeatmung nach Weaning-Protokoll bis zur Extubation, wenn der Patient einesuffiziente Spontanatmung erreicht hat.

Die Spontanatmung verlangt zunächst eine verstärkte Atemarbeit desPatienten, wobei sich der Gasaustausch ( 3.2.1.4) initial verschlechtert.

Je länger die maschinelle Beatmung erfolgt, desto problematischer ist dieEntwöhnung. Auch die Sedierungstiefe spielt hierfür eine entscheidendeRolle.Ziel ist es, Intubation zu vermeiden/die Dauer der invasiven Beatmung zuminimieren.

Frühzeitig eingeleitete Maßnahmen der aktivierend-therapeutischenPflege in Zusammenarbeit mit der PT unterstützen das Weaning positiv(Clini u. Ambrosino 2005).

6.5 Physiotherapierelevante Parameter Wie in jedem medizinischen Fachgebiet hat sich auch in der Intensivmedizin eine Fachsprache mit speziellen Begriffen, Abkürzungen und Definitionen ent-wickelt. Häufig verwendete Begriffe, deren Normwerte und Auswirkungen sind in Tabelle 6.5.1 dargestellt, weitere Laborparameter in der Tabelle im An-hang dieses Buches.

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Tab. 6.5.1 Auswahl PT-relevanter Parameter (Universitätsklinikum Leipzig AöR 2008, 20 f.).

Parameter/Bezeichnung Norm-wert

Aussagen/Auswirkungen/Cave

ICP intrakranieller Druck

5–15 mmHg

Keine oder geringe Belastung/vorzugsweise detonisierende Maßnahmen,

! bei Transfer die Drainage schließen, nach Therapie Reservoir wieder auf Ventrikelhöhe positionieren lassen und Drainage öffnen.

HZV Herzzeitvolumen (Herzfrequenz (HF) × Schlag-volumen)

4–7 l/min

Belastung reduzieren und anpassen.

RR Blutdruck (nicht invasiv gemes-sen, Riva-Rocci)

100–120/70–80 mmHg

! Ausnahmen bei neurologischen bzw. neurochirurgischen Patienten, da erhöhter RR ggf. gewünscht, um zere-bralen Perfusionsdruck bei erhöhtem ICP (s. o.) aufrecht zu erhalten.

ZVD zentralvenöser Druck

8–12 cm/H2O

Aussage über Volumenbelastung des rechten Herzens,Ödembildung (inkl. Lungenödem bei Herzinsuffizienz, Hirnödem – indi-rekt), Volumenüberladung, Rechts-herzinsuffizienz, schwere Zentrali-sation, hoher PEEP, hoher intra-abdomineller Druck,intravasaler Volumenmangel (auch infolge von Exsikkose) Bewusst-seinseintrübung möglich.

Wedge-Druck

Lungenkapillar-verschlussdruck

5–16 mmHg

Messung mittels Pulmonalarterien-katheter (PAK, Pulmonaliskatheter),

> 17 Linksherzinsuffizienz, Lungenstau-ung, Lungenödem.

HFO (oder HFOV)

engl. high frequency oscillation(oder engl. high frequency oscillation venti-lation, Hochfre-quenz-Oszillati-onsbeatmung)

! Sonderform der kontrollierten Beatmung mit hohen Frequenzen (300–900 Atemzüge/min) und niedrigem Atemzugvolumen, daher beschränken sich Maßnahmen der PT bezogen auf das Atmungssystem nahezu auf Lagerungstechniken ( 3.2.8.12).

ECLA (oderILA)

engl. extracor poreal lung assist(oder inter-ventional lung assist)

Elimination von CO2 aus dem Blut, z. B. bei Patienten mit respiratori-scher Insuffizienz /ARDS (engl. acute respiratory distress syndrome; akutes Atemnotsyndrom), exazerbierter COPD,

! keine Hüftgelenksflexion; Dislokation und Abknicken der Katheter vermeiden,BL kann durchgeführt werden.

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6.6 Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen 1125

Parameter/Bezeichnung Norm-wert

Aussagen/Auswirkungen/Cave

PiCCO-System

engl. pulscontour continous cardiac output

Alternative invasive Methode zum PAK zur HZV-Messung ( Wedge-Druck),Monitoring von HVZ und weiteren blutvolumetrischen Parametern über zwei Katheter, die in eine herznahe Vene sowie in eine Arm- oder Beinarterie des Patienten platziert werden,

! Justierung wichtig.

Vigi-lance®

Kontinuierliche Messung von HZV und Cardiac Index mithilfe eines PAK, der mit einem Monitor ver-bunden ist,

! Justierung wichtig für SvO2 (gemischtvenöse Sauerstoff-sättigung).

6.6 Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von KrankenhausinfektionenSpeziell die Versorgung intensivpflichtiger Patienten ist geprägt von einer er-heblichen Zahl invasiver, diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. Dies begünstigt das Eindringen von Mikroorganismen in den Körper. Gleichzeitig verfügen Patienten auf der Intensivstation über eine reduzierte Immunabwehr. Vor diesen Hintergründen ist bei Patienten auf Intensivstationen eine fünf bis zehnfach höhere Infektionsrate gegenüber Nichtintensivpatienten festzustel-len (Weinstein 1991).Am häufigsten treten auf: Beatmungsassoziierte Pneumonien, primäre Sepsen, katheterassoziierte Harnwegsinfektionen, postoperative Wundinfektionen.

Das Risiko, eine beatmungsassoziierte Pneumonie zu entwickeln, nimmt pro Tag um ca. 1 % zu (Fagon et al. 1989). Als Infektionsursache dominieren Bak-terien. Insbesondere bei immungeschwächten Patienten treten Pilzinfektionen der inneren Organe auf. Nosokomiale Virusinfektionen machen einen Anteil al-ler Krankenhausinfektionen unter 10 %, bei Kindern bis 35 % aus (Kramer et al. 2005, Bundesgesundheitsblatt 2013).Mit Abstand gilt die regelrechte Händedesinfektion ( 6.6.1) als wirkungs-vollste krankenhaushygienische Einzelmaßnahme vor und nach jedem Patien-tenkontakt (Daschner u. Kappstein 1997).Zudem ist die vollständige Immunisierung des Personals auf der Intensivsta-tion gegen Hepatitis B notwendig. Die jährliche Grippeschutzimpfung ist wün-schenswert, da sie dem persönlichen sowie dem Patientenschutz dient (Hauer et al. 2000).

Der Th. muss gegen Hepatitis B und kann gegen Grippe immunisiert sein.

Für den Th. haben folgende hygienische Maßnahmen Bedeutung (Hauer et al. 2000):

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Schulung des Personals hinsichtlich Infektionskontrollmaßnahmen zur Ver-hütung nosokomialer Pneumonien, Venenkatheterinfektionen/Septikämien, Harnwegsinfektionen,

gründliche Reinigung aller Gegenstände ( 1.5.2.2) vor Desinfektion bzw. Sterilisation,

Händedesinfektion ( 6.6.1) nach Kontakt mit Schleimhäuten, respiratori-schem Sekret sowie vor und nach Kontakt mit Gegenständen des Beat-mungszubehörs,

Einmalhandschuhe ( 1.5.2.1) beim Umgang mit respiratorischem Sekret oder Gegenständen, die mit diesem kontaminiert sind,

Oberkörperhochlagerung als Pneumonieprophylaxe ( 3.2.8.12) um 30 bis 45° (Pilotensitz) (Geerdes-Fenge 2007),

bei isolierten Patienten ist ein geschlossener, langärmeliger Schutzkittel aus-schließlich patientenbezogen zur Eindämmung bestimmter übertragbarer Infektionserreger zu tragen, der nach Gebrauch zu entsorgen ist (Gerber et al. 2006).

Aus hygienischer Sicht sind nicht sinnvoll: Genereller Kittelwechsel bei Betreten – Verlassen der Intensivstation (Lacour

et al. 1998), Überschuhe, Schutzkittel für Besucher, Schleusen für Personal, Patienten, Material (Kappstein et al. 1991).

6.6.1 Hygienische Händedesinfektion Hygienische Händedesinfektion zählt nachweislich zu den wirksamsten pro-phylaktischen Maßnahmen, um nosokomiale Infektionen zu vermeiden. Daher muss sie berufliche und ethische Verpflichtung für alle im Krankenhaus Tätigen sein – vor und nach jedem Patientenkontakt.

Grundsätzlich gilt: Kein Patientenkontakt ohne vorherige Hände-desinfektion!

Durchführung der hygienischen Händedesinfektion Desinfektionsmittelspender sind als Wandspender gut sichtbar u. a. in den

Eingangsbereichen der Patientenzimmer angebracht. Ein vorheriges Händewaschen oder gar Bürsten ist nicht nötig. Sollte dies

ausnahmsweise erforderlich sein, sind die Hände gründlich mit Papierhand-tüchern abzutrocknen, bevor sie desinfiziert werden.

Bei bestimmten Erregern (z. B. bei dem aerotoleranten Erreger Clostridium difficile) kann es erforderlich sein, die Hände nach der Desinfektion zu waschen. Hierüber wird in diesen Fällen gesondert durch die Hygiene-Ver-antwortlichen aufgeklärt (i. d. R. zusätzlicher Aushang in unmittelbarer Nähe des Desinfektionsmittelspenders und Waschplatzes).

Die Fingernägel sollten nicht rissig und so kurz geschnitten sein, dass sie mit den Fingerkuppen abschließen ( 1.5.2.1).

Die trockene, hohl geformte Hand unter den Desinfektionsmittelspender halten und mit dem gegenseitigen Ellenbogen den Bügel dreimal nach unten drücken.

Das Desinfektionsmittel nicht abschütteln, sondern beide Handinnenflächen zunächst aneinander reiben.

Danach die Handflächen an die gegenseitigen Handrücken reiben. Wichtig: Die Flüssigkeit von den Handgelenken bis in die Fingerzwischen-

räume reiben. Besonders intensiv sind die Fingerkuppen durch Reiben auf der Handfläche

der anderen Hand sowie die Nagelfalze zu bearbeiten. In gleicher Weise werden die Daumen von allen Seiten desinfiziert.

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6.8 Assessments 1127

Die Einwirkzeit beträgt je nach Herstellerangaben 30–60 Sekunden. Bei massiver Kontamination werden mehrere Minuten empfohlen.

Einmalhandschuhe ( 1.5.2.1) stehen in verschiedenen Größen ebenfalls im Eingangsbereich des Patientenzimmers zur Verfügung, die v. a. beim Umgang mit eventuell infektiösem Material sinnvoll sind.

Vor Verlassen des Zimmers sind die Handschuhe in geeigneten Müllbehäl-tern zu entsorgen. Dies trifft auch zu, wenn eine Behandlung von längerer Dauer ist und sich sog. Handschuhsaft gebildet hat.

Nach Abwurf der Handschuhe ist die Händedesinfektion wie oben beschrie-ben ordnungsgemäß vorzunehmen.

6.6.2 Flächendesinfektion als Wischdesinfektion auf IntensivstationenDie Reinigung und Desinfektion ( 1.5.1) der Flächen (z. B. Rollbrett, Therapie- und Pflegestuhl, Bettfahrrad, Tischaufsatz) wird i. d. R. vom Th. in einem einstu-figen Prozess als sog. Wischdesinfektion jeweils im Anschluss an die Therapie bzw. den Einsatz der Hilfsmittel vorgenommen. Hierzu sind Einmalhandschuhe zu tragen. Die Wischdesinfektionslösung kann dem Desinfektionsmittel-Dosier-gerät per Knopfdruck entnommen werden. Die Dosier-Programmierung erfolgt durch die Hygiene-Verantwortlichen. Dabei ist berücksichtigt, dass die Materi-alien unverzüglich für den Einsatz am und mit dem nächsten Patienten einge-setzt werden müssen.

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Sprühdesinfektion wird v. a. aufgrund der hohen Belastung der Atemwege nicht empfohlen.Nicht ausreichend ist es, sich bei der Flächendesinfektion lediglich auf sichtbar verunreinigte Bereiche zu konzentrieren. Die gesamte Fläche muss gereinigt und desinfiziert werden (Arbeitskreis „Krankenhaus- und Praxishygiene“ 2010).

6.7 DokumentationDie Dokumentation erfolgt regelmäßig EDV-basiert und direkt am Bettplatz ( 1.1.1.3). Damit können die direkt an der Patientenversorgung beteiligten Akteure ( Tab. 6.1.1) aktuell informiert sein. Für die Dokumentation stehen verschiedene, benutzerfreundliche Lösungen zur Verfügung. Weit verbreitet sind z. B. die Patienten-Daten-Management-Systeme SAP ISH med und Copra.

Der Th. trägt in das auf der Station verwendete System auf den speziell für die PT eingerichteten Seiten ein. Da keine einheitlichen Regelungen existieren, muss sich der Th. vor der Therapie entsprechend einweisen lassen.Zusätzlich wird in der PT noch häufig die Papierdokumentation genutzt. Wich-tig ist, dass auch diese Aufzeichnungen Bestandteil der Patientendokumenta-tion sind und zur Digitalisierung der elektronischen Patientenakte hinzugefügt werden müssen.

6.8 AssessmentsZur Quantifizierung der Schwere von Erkrankungen, zur Beurteilung der Pro-zessqualität, zur Ermittlung des Therapieaufwands und zur Beschreibung des Krankheitsverlaufs bei Patienten werden in der Intensivmedizin prognostische Scores angewendet (Unertl u. Kottler 1997).

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Sie werden i. A. wie folgt unterschieden: Erkrankungsbezogene Scores (z. B. Sepsis, Trauma, Verbrennungen), patientengruppenbezogene Scores (z. B. Kinder, chirurgische/internistische

Intensivpatienten), universell einsetzbare Scores, z. B.

– APACHE (Acute Physiology and Chronic Health Evaluation), – SAPS (Simplified Acute Physiology Score), – MPM (Mortality Probability Model).

6.9 Behandlungsstandards – Evidence based practicePraxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz systematischer Forschung ( 1.8). Im Vor-dergrund steht dabei, das eigene Handeln zu hinterfragen, den aktuell besten Erkenntnisstand zum jeweiligen Thema einzuholen und das eigene Vorgehen dementsprechend zu reflektieren. Oberstes Ziel muss es sein, die optimale phy-siotherapeutische Versorgung für den Patienten zu ermöglichen.Unter dieser Prämisse sind die standardisierten physiotherapeutischen Interven-tionen zur Versorgung intensivpflichtiger Patienten in Tabelle 6.9.1 zu wer-ten. Neben diesen allgemein gehaltenen Empfehlungen sind in Tabelle 6.9.2 krankheitsbezogene Therapieziele und Maßnahmen aufgeführt (Winkelmann et al. 2009).

Tab. 6.9.1 PT-Standard für intensivpflichtige Patienten.

Methode/Konzept Therapiemittel

Krankengymnastik auf neurophysio-logischer Grundlage und Mediko mechanik

Lagerung (auch BL), Transfer Rückenlage-Sitz-Stand: Pilotensitz (RL im Bett mit 30° Oberkörperhochlagerung, Bettwinkel ins-gesamt 10° ansteigend), Sitz im Bett, Sitz an Bettkante, Sitz im Therapie- und Pflegestuhl (Thekla®), Stehversuch im Thekla®,Ergometertraining (Einsatz des Motomed letto®), Gangschulung ( 3.1.8) im Zimmer/auf Stationsflur mit und ohne Hilfsmittel (mit und ohne Beatmung),passive/assistive/aktive/komplexe Bewegungstherapie, Gymnas-tik zur Steigerung der Belastbarkeit des Herz-Kreislaufsystems, Konzepte wie Bobath ( 3.7.1, 3.7.2), PNF ( 3.7.3).

Atmungstherapie Atemgymnastik, Atemübungen, Autogene Drainage, Atem-massage (Packe- oder Reizgriffe u. a.), Dehnungen/Dehnlage-rungen /Drainagelagerungen, Hustentraining (Abhusten), Schulung von Ein- und Ausatmung, Rippen-Thoraxmobilisation, Inhalation ( 3.2),Heiße Rolle /Wickel ( 3.15.3.2, 3.15.3.3), Vibration,Konzepte wie reflektorische Atmungstherapie.

Manuelle Therapie (Weichteiltechniken, mobilisierende Gelenkbehandlung, neuromuskuläre Therapie)

Lokale digitale Kompression, Längs-/Querdehnung der Muskulatur, wiederholte aktive Gelenkbewegung, passive Gelenkspieltechnik, myofasziale Releasetechnik, Triggerpunkt-behandlung ( 3.5.8), neuromuskuläre Techniken.

Massagetherapie Klassische Massage ( 3.14.1), BGM ( 3.14.2), Reflexzonen massage ( 3.13.5), Kolonmassage ( 3.14.3), Lymphdrainage ( 3.11.5.1).

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6.9 Behandlungsstandards – Evidence based practice 1129

Methode/Konzept Therapiemittel

Elektro-/Lichttherapie

Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS 3.16.1.2.8), Schwellstrom ( 3.16.1.2.11), Ultraschall ( 3.16.2).

Thermotherapie Kryotherapie ( 3.15.4), Hydrotherapie (Wickel/Auflagen/Packungen, Heiße Rolle

3.15.3).

Ergotherapie ADL-Training (z. B. Wasch-Anziehtraining, Esstraining 3.7.6), Training der mimischen Muskulatur.

Hilfsmittel-versorgung

Organisation von Hilfsmittelvisiten mit Sanitätshäusern und ggf. mit den Angehörigen; Auswahl, Erprobung sowie Training im Umgang mit Hilfsmitteln.

Tab. 6.9.2 Krankheitsbezogener Katalog physiotherapeutischer Ziele und Maßnahmen.

Krankheitsbilder/ Symptomkomplexe

Therapieziele Physiotherapeutische Interventionen

1. Herz-Kreislauferkrankungen ( 9.2, 9.3)

Angina pectoris,akuter Myocardinfarkt (Nicht-ST-Hebungs-infarkt /ST-Hebungs-infarkt),Z. n. kardiopulmonaler Reanimation,kardiogener Schock,Herzinsuffizienz,Herzrhythmusstörungen,Aortendissektion/-aneurysma,Z. n. Bypass-OP.

Erhalt bzw. Steigerung der Belastbarkeit Konditionierung.

Dosierte individuelle Belastung (passive Krankengym nastik bis aktive Herz-Kreislaufgymnastik mit täglicher Anpassung/Steigerung) unter Kontrolle und Berücksichtigung der Parameter HF, RR, SvO2, CI (engl. cardiac function index, Herzindex),hydrotherapeutische Auflagen mit /ohne Zusatz als adjuvante Maßnahmen.

2. Pulmonale Erkrankungen ( 9.1)

ARDS,Bronchopneumonie,obstruktive Lungen-erkrankungen: Chronische Bronchitis/Asthma bronchiale/Emphysem,restriktive Lungen-erkrankungen: Lungen-fibrose, Pleuraerguss, Alveolitis,Mukoviszidose,Z. n. Lungenteilresektion/-transplantation.

Atemstimulation/-regulation entspre-chend den Atmungs-/Beatmungs formen (spontan/non-invasiv/ invasiv) und deren Varianten (kontrolliert/unterstützt /CPAP) ( 6.4),Sekretolyse und Sekret eliminierung aus den Atemwegen,Schulung physiologi-scher, Abbau patholo-gischer Atemmuster,struktureller Erhalt Thorax /Becken,begleitendes Weaning.

Atmungstherapie:Hydrotherapie ( 3.15.3) als Auflagen mit /ohne Zusätzen je nach Patient Heiße Rolle/Wickel,Atmungsmassage mit und ohne Zusätzen/atmungsstimulieren-den Einreibungen,Dehnungen/Dehnlagerungen/Drainagelagerungen,Oberkörperhochlagerung (30°),MT-Maßnahmen zur Rippen-mobilisation,Vibration,Autogene Drainage ( 12.4.3.2.3),Verbesserung von Ventilation/Perfusion mit und ohne Hilfs-mittel (z. B. Stehbrett),Hustentraining (Abhusten),Ohr-, Hand- und Fußreflex-zonentherapie ( 3.13.5).

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Krankheitsbilder/ Symptomkomplexe

Therapieziele Physiotherapeutische Interventionen

3. Erkrankungen der Bauch- und Beckenorgane ( 9.4, 11)

Akutes Abdomen,Ileus,Organtransplanta-tionen,Z. n. Nephrektomie/Prostatektomie/Magen-/Darm-resektionen,gynäkologische Erkrankungen,Leberzirrhose,hepatorenales Syndrom.

Erhalt und Verbesse-rung der Lokomotion/Anbahnen und Fördern der Eigenaktivität bis zur Selbstständigkeit,Pneumonieprophylaxe ( 3.1.2.1),Kontrakturprophylaxe ( 3.1.2.3),Schmerzbehandlung.

Transfer/Vertikalisierung (Stehbett, Sitz im Pflege- und Therapiestuhl) i. S. der Kin-ästhetik, ggf. mit Hilfsmitteln (z. B. Patienten lifter),Krankengymnastik,Lagerungstherapien,Atmungstherapie ( 3.2),Kälte-/ Wärmeanwendungen ( 3.15), inkl. Wickel/Waschun-gen mit /ohne Zusätzen,Elektro-/Lichttherapie inkl. Ultraschall ( 3.16).

4. Qualitative und Quantitative Bewusstseinsveränderungen

Koma unterschied-licher Genese ( Faymonville et al. 2004),hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS)/(postoperati-ves) Durchgangs-syndrom.

Förderung von Wach-heit /Aktivierung/Eigenaktivität,Anbahnen physiolo-gischer Bewegungs-vorstellungen und -muster,Erhalt und Verbesse-rung der Lokomotion,Tonusregulation, Kontrakturprophylaxe,Pneumonieprophylaxe.

Krankengymnastik, ggf. auf neurophysiologischer Grund-lage: Bobath ( 3.7.1, 3.7.2), PNF ( 3.7.3), Basale Stimulation ( 3.12.1): taktil-haptisch, akustisch, orofacial, gustatorisch, olfakto-risch, optisch-visuell,Wahrnehmung der Körper grenzen – „Nestbau“ i. S. der Kinästhetik,Transfer/Vertikalisierung ( Thekla®, Stehbett /-brett, Sitz im Pflege- und Therapiestuhl), Lagerungstherapien,entspannende Maßnahmen ( 3.3),Atmungstherapie.

5. Neurologische Erkrankungen ( 8)

Apoplex,Subarachnoidalblutung (SAB)/ Subdural-hämatom (SDH),Hirntumoren,Hirnabzesse,Schädelhirntrauma (SHT),Critical-Illness-Poly-neuropathie (CIP),Spinalkanalstenose.

Anbahnung physio-logische, Hemmung pathologischer Bewe-gungsmuster,Förderung des funktio-nellen Einsatzes der oberen und unteren Extremität, Tonusregulation,Ausbau der ADL- Kompetenz,Pneumonieprophylaxe,Kontrakturprophylaxe.

Krankengymnastik auf neuro-physiologischer Grundlage: Bobath, PNF; inkl. Lagerungs-management,Vertikalisierung,Ess-/Schlucktraining,ADL-Training, Atmungstherapie,Basale Stimulation,Elektrotherapie ( 3.16.1),Hilfsmittelorganisation, -erprobung und -einsatz.

Literatur

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