66 Juni Juli 2017 Yoga Aktuell...Mit jeder Stufe auf der Leiter der Chakras erweitert sich unser...

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it dem dritten Chakra, Mani-pura, verlassen wir die wässri-gen Tiefen von Svadhishthana, die Sexualität, Lust und Ge-nussfähigkeit (beschrieben im letzten Heft), und erfahren das Feuer der Transformation, die

Wärme im Bauch, unser persönliches Kraftwerk, Agni – die Kraft der Verdauung und der Assimilation.

Im ersten Chakra waren wir damit beschäftigt, eine sichere Grundlage für unsere Entwicklung zu schaffen, in Chakra 2 ging es darum, sinnliche Erfahrungen zu machen, sowie um gesunde Sexualität, und jetzt wer-den wir zum Individuum, das eine Richtung im Leben einschlägt. Wir beginnen zu handeln, erleben Kraft, entwickeln Willen und spüren unsere Individualität. Mit jeder Stufe auf der Leiter der Chakras erweitert sich unser Horizont, wir erleben mehr Freiheit und Verantwortung. Im dritten Chakra geht es nun darum, unsere Autonomie zu entwickeln.

Das ist unbedingte Voraussetzung für die weitere Entwicklung, vor allem in Hinblick auf Chakra 4, wo wir Kontakt und Liebe entdecken. In Muladhara wa-ren wir noch ganz mit der Sicherheit der Mutter Erde verschmolzen, in Svadhishthana machten wir erste Gehversuche und entdeckten die Welt auf sinnliche Art und Weise. In Manipura müssen wir nun unsere Autonomie und Individualität entwickeln, sonst haben alle Kontakte, die wir auf der Ebene des Herzchakra erleben, keine reale Basis. Jede Begegnung mit anderen ist dann ein Versuch, unsere Defizite auszugleichen oder unsere Stärke zu demonstrieren, statt mit freiem Willen auf andere zuzugehen.

In Manipura kommt also unser Ego ins Spiel, das in der Spiritualität einen schlechten Ruf hat. Es soll losge-lassen, bekämpft oder gar abgetötet werden – solche Sätze liest man in der esoterischen Literatur immer wieder. Das Ego generell abzulehnen, greift aber zu kurz, denn ein Mensch völlig ohne Ego ist selbst in einer spirituellen Umgebung, wie etwa einem Kloster, nicht überlebensfähig. Wer sein Ego bekämpft, kämpft gegen sich selbst, und das kann nicht der Sinn einer spirituellen Entwicklung sein.

Teil 3, Manipura-Chakra: Ego, Power und Handlungsfähigkeit – Kriyas und Asanas für das energetische Zentrum des Solarplexus-Bereichs

TEXT n RICHARD HACKENBERG FOTOS n CHRISTIAN KRINNINGER MODEL n FRANZISKA AGRAWAL

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Aus der Psychologie der Samkhya-Philosophie kommen wichtige Hinweise über unser Ego und wie wir damit

im Yoga und im Alltag umgehen können. Es ist ein Teil unserer Denkfähigkeit, die im Samkhya Chitta heißt. Ein Anteil von Chitta heißt Ahamkhara, das bedeutet „Ich-Macher“. Wenn dieser Anteil all unser Denken beherrscht, sind wir primär damit beschäftigt, Dinge stark zu begeh-ren oder strikt abzulehnen. Keine besonders günstige Ausgangsposition für ein ausgeglichenes und glückliches Leben, denn der Blick auf das, was wir bereits haben, ist uns damit verstellt.

Die Energie von Manipura kommt vor allem aus der Fähigkeit, unsere Nahrung zu verbrennen und unserem System ihre Inhaltsstoffe zur Verfügung zu stellen. Yoga und Ayurveda legen größten Wert auf eine gute und regel-mäßige Verdauung, um den Körper möglichst wenig zu belasten. Verdauen und Assimilieren sollen kaum Energie verbrauchen und uns optimal unterstützen.

Im Yoga stehen uns zahlreiche Übungen zu Verfügung, die Agni, unser Verdauungsfeuer, stärken: die Kriyas. Sie aktivieren den Bereich des dritten Chakra und damit unseren Stoffwechsel. Ayurveda verwendet Kräutermi-schungen und Gewürze, die nicht nur sehr lecker sind, sondern vor allem Agni unterstützen sollen. Wenn unser inneres Feuer stark ist, verbleiben keine Schlacken im Körper, die sich langfristig im Gewebe ablagern und zu den verschiedensten Problemen führen können.

Unser Bauchhirn – eine Neuentdeckung

Der Zusammenhang zwischen Psyche und Verdauung ist bekannt. Die westliche Medizin hatte bislang eine

einseitige Sicht darauf. Stress schlägt uns auf den Magen, das ist medizinisch belegt. Die aktuellen Forschungser-gebnisse zum so genannten Bauchhirn – dem enterischen Nervensystem – aber zeigen, dass eine gestörte Verdauung umgekehrt auch Stress erzeugt. Ohne dass wir es wahr-nehmen, sendet das enterische Nervensystem große Men-gen von Nervenimpulsen aus dem Verdauungsapparat an unser Zentralnervensystem. Ein wohlig warmer, gesunder Bauch ist also eine wichtige Basis für eine stabile Psyche.

Das dritte Chakra hat einen verlockenden Namen: Es heißt Manipura, „Stadt der Edelsteine“. Das ist ein sehr poetisches Bild für das Lebensthema von Manipura: das selbstbewusste Handeln. Wenn wir die Energie aus Cha-kra 3 in die Tat umsetzen, können wir auch Resultate

erwarten. Edelsteine als Resultat unserer Handlungen stehen bildhaft für verantwortungsvolles Handeln, denn wir können durchaus unseren Weg gehen, ohne andere zu verletzen oder die Umwelt zu schädigen.

Das Symbol von Manipura ist ein leuchtend gelber Lotus mit zehn Blütenblättern, und die Heimat dieses Chakra

ist die Mitte des Körpers im Bereich zwischen Brustbein und Nabel (der so genannte Solarplexus).

Das Element von Manipura ist das transformierende Feuer, unterstützt von Samana, dem Vayu der Assi-

milation. Pitta ist der Dosha, der hier sein Zuhause hat und uns mit seiner Energie beim Erreichen unserer Ziele unterstützt.

Die Sinnesorgane sind die Augen – sie zeigen uns den Weg auf. Die Muskeln, die Körpersubstanz von Mani-

pura, befähigen uns zusammen mit den Tatorganen, den Beinen, zum Handeln.

Das Tier des dritten Chakra ist der Widder, bekannt für sein Durchsetzungsvermögen. Auf Englisch heißt

er ram, und genau so klingt auch das Bija-Mantra von Manipura, was natürlich kein Zufall ist. Wie alle Bija-Mantras unterstützt es uns energetisch, und wenn wir es langanhaltend wiederholen, spüren wir die Wirkung auf Manipura deutlich.

Yoga-Tools für Manipura

Immer wenn wir uns mit den Methoden des Yoga einem Chakra nähern, können wir Defizite auffüllen oder

Überschüsse abbauen, je nachdem, wie es um die Energie im jeweiligen Chakra bestellt ist.

Den energetischen Zustand von Manipura bei sich selbst zu analysieren, ist nicht so einfach. Von außen ist das aber gut zu erkennen. Das war früher die klassische Aufgabe des Gurus. Er kannte seine Schüler und ihre Stärken und Schwächen. Im Zen-Buddhismus etwa werden dem Ego nicht lösbare Fragen, so genannte Koans, gestellt, um zu zeigen, dass nicht alles über den Kopf und das Denken lösbar ist. Im Yoga, wie er sich im Westen entwickelt hat, ist es schwer, einen kompetenten Mentor oder Begleiter zu finden. In vielen Fällen sind wir da leider auf uns al-lein gestellt.

MANIPURA-Das

Chakra

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Uddiyana-KriyaAnatomisch liegt Ma-nipura nahe am Zwerchfell, und die erste Übung, die ich für das dritte Chakra emp-fehle, ist eine sanfte Kriya, eine vorberei-tende Übung für Pranayama und gleichzeitig eine Zwerchfelldehnung.

Ausgangsposition ist eine breite Hocke. Leg die Hände auf die Knie und streck die Arme. Nimm die Schulterblätter an den Rücken und bring Länge in die Wirbelsäule.

Die eigentliche Übung ist ganz einfach: Du atmest ganz aus und schließt die Stimmritze. In der Atempause (Kumbhaka) stell dir vor, du atmest ein, und beweg die seitlichen Rippen leicht nach oben. Das Resultat ist ein leichter Unterdruck im Bauchraum, der die Bauchdecke nach innen zieht. Halt das, solange es angenehm ist, öffne dann die Stimmritze, und deine Einatmung kommt ganz von selbst. Lass den Bauch los und wiederhole diese Kriya drei- bis viermal.

(Kontraindiziert bei Menstruation, Schwan-gerschaft und Unterleibsproblemen)

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Asana a Manipura-Chakra

DhanurasanaLeg dich langgestreckt auf den Bauch, beug beide Beine und greif nach hinten, um die Fußgelenke zu fassen. Mach die Bauchdecke fest und beginn, die Beine leicht zu strecken. Das wir dir helfen, den Brustkorb anzuheben.

Halt den Kopf gerade mit langem Nacken und schau geradeaus. Atmen mag in dieser Position schwierig sein, aber bitte atme weiter und halt keinesfalls die Luft an.

Bleib fünf bis zehn Atemzüge in der Haltung und komm langsam zurück.

Erhol dich für einige Momente in der Bauch-lage und wiederhole diese Übung zwei- oder dreimal.

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WORK- SHOP

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Paripur-NavasanaSetz dich mit aufgestell-ten Beinen auf deine Matte und greif in die Kniekehlen.

Heb den Brustkorb und richte die Wirbel-säule auf.

Lehn dich mit geradem Rücken leicht nach hinten, so dass die Füße den Boden verlassen. Du solltest auf keinen Fall im unteren Rücken rund werden. Jetzt streck die Beine, lass die Knie los und streck auch die Arme.

Atme normal mit gehobenem Brustkorb und langem Nacken, der Blick geht geradeaus. Bleib fünf bis zehn Atemzüge, dann beug die Beine und stell die Füße ab. Wiederhole die Übung noch zweimal. Sollte es dir nicht möglich sein, die Beine zu strecken, kannst du sie leicht gebeugt lassen. Ziel ist es aber, die Kraft zu entwickeln, um mit gestreckten Beinen zu praktizieren.

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HandstandEin klassisches Manipura-Asana ist natürlich der freie Handstand. Er gibt deinem Ego einen

echten Kick und stärkt deine Körpermitte auf Ebene des dritten Chakras.

Aber so leicht, wie er hier aussieht, ist er nicht, weshalb ich empfehle, zuerst an der Wand zu üben.

Du brauchst genug Platz, eine freie Wand und deine Yogamatte.

Leg die Hände mit gespreizten Fingern etwa 10 cm von der Wand entfernt auf deine Matte.

Verwurzle die Hände gut mit dem Boden und streck die Arme. Du gehst in eine nicht zu tiefe Hocke. Mit einem Bein holst du Schwung, und mit dem anderen stößt du dich vom Boden ab. Das Schwungbein muss gestreckt sein, es zieht dich nach oben und landet als Erstes an der Wand.

Bringe beide Beine an die Wand und streck den ganzen Körper bis in die Fersen nach oben.

Jetzt zieh die Bauchdecke und die unteren Rippenbögen nach innen, saug die Schulterblätter an den Rücken und mach dich so stark, dass du mit der Kraft der Arme und Finger die Fersen von der Wand lösen kannst.

Es dauert natürlich eine Weile, bis das klappt, und am Anfang wirst du nur Sekundenbruchteile frei stehen.

Der Handstand ist hervorragend geeignet, ihn jeden Morgen noch vor dem Frühstück zu üben. Das macht dich nicht nur wach, sondern auch stark.

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Asana a Svadhishthana-Chakra

Richard Hackenberg begann 1979 aus gesundheitlichen Gründen mit Hatha-Yoga-Pranayama, Meditation und Asa-nas. Er studierte Naturwissenschaften, war Musiker, Moderator, Kulturredakteur und Reisender zwischen Ost und West.

Zur Jahrtausendwende machte er seine Passion für Yoga zum Beruf. Richards großes Spektrum von Anatomie über Pranayama bis hin zu Psychologie und Philosophie sowie seine Stärke, dieses Wissen praktisch umzusetzen, machen ihn zu einem der profiliertesten Yogalehrer und Yoga-Ausbilder Deutschlands. Zusammen mit seiner Frau

Meret gründete er 2015 das Mahaprana Institut, eine Plattform für hochwertige Yoga-Aus- und Fortbildungen.

www.yoga-pranayama.dewww.trance-yoga.com

Fotos: www.crikri.de

Kleidung und Yoga-Equipment: www.yogistar.com

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Das innere Feuer entfachen: AgnisaraEine weitere Kriya möchte ich empfehlen, um Manipura zu unterstützen: Agnisara.

Das ist eine Praxis, die den gesamten Körper energetisiert, und eine wunderbare Vorübung für Pranayama. Diese Übung sollte morgens mit leerem Magen geübt werden. Agnisara kann im Stehen und im Sitzen geübt werden – hier die sitzende Variante.

Setz dich in eine stabile Yogahaltung mit aufgerichteter Wirbelsäule. Entspann dich und beobachte, wie deine Atmung fließt. Atme vollständig aus und beug den Kopf nach vorn in den Halsverschluss Jalandhara-Bandha. In der Ausatempause (Kumbhaka) kontrahierst und entspannst du in rascher Folge die Bauchmuskulatur, ohne zu atmen. Wiederhole Kontraktion und Lösung in der Atempause, so lange es dir angenehm ist. Dann lös Jalandhara-Bandha, heb den Kopf und atme ein. Mach ein paar Atemzüge und spür der Wirkung nach.

Direkt im Anschluss an diese Kriya empfehle ich dir eine Meditation auf Manipura.

Bleib einfach in Stille sitzen und bring deine Aufmerksamkeit auf den Bereich des Solar-plexus auf der Höhe zwischen Nabel und Brustbein. Tauche tief in dein Sonnengeflecht ein, und wenn du magst, lass deine Atmung dorthin fließen. Vielleicht gelingt es dir, eine wohlige Wärme entstehen zu lassen. Dann bist du gut mit Manipura verbunden.

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