70er- Jahre … · DAS TEXTILE WOHNMAGAZIN · JANUAR/FEBRUAR/MÄRZ · Nr. 1/2017 DEUTSCHLAND 7,50...

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OBEN UND RECHTS: Siegeszug der Anbaumöbel (Flötotto), der in den Solitärmöbeln der 80er kulminiert: „Zyklus“ von Peter Maly. GANZ OBEN: Streng funktional eingerichtete Räume haben ausgedient. OBEN RECHTS: 1978 entwarf Alessandro Mendini Kunststoffsessel „Proust“ (Magis). „Pan- thella Mini“ ist die kleinere Version der Verner-Panton-Leuchte von 1971 70er- Jahre

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Page 1: 70er- Jahre … · DAS TEXTILE WOHNMAGAZIN · JANUAR/FEBRUAR/MÄRZ · Nr. 1/2017 DEUTSCHLAND 7,50 ¤ Geniale Wohnideen aus New York, Mailand und Paris 40 Jahre DECO HOME Eine Zeitgeschichte

OBEN UND RECHTS: Siegeszug der Anbaumöbel (Flötotto), der in den Solitärmöbeln der 80er kulminiert: „Zyklus“ von Peter Maly. GANZ OBEN: Streng funktional eingerichtete Räume haben ausgedient. OBEN RECHTS:

1978 entwarf Alessandro Mendini Kunststoffsessel „Proust“ (Magis). „Pan-thella Mini“ ist die kleinere Version der Verner-Panton-Leuchte von 1971

70er- Jahre

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DECO

City Life

Wie Sie wenig Platz

optimal ausnutzen

KLEINE RÄUME

D A S T E X T I L E W O H N M A G A Z I N · J A N U A R / F E B R U A R / M Ä R Z · N r . 1 / 2 0 1 7 D E U T S C H L A N D 7,50 ¤

w w w . d e c o h o m e . d e

Geniale Wohnideen aus New York,

Mailand und Paris

40Jahre DECO HOME

Eine Zeitgeschichte über das Einrichten

mit Sto� en

Die Lieblingsfarbe der Interiordesigner

passt zu jedem Raum und

scha� t Atmosphäre

GRAU: DAS NEUE

WEISS

ÖSTERREICH ¤ 8,10BENELUX ¤ 8,70

FRANKREICH ¤ 9,60 ITALIEN ¤ 9,60

SPANIEN ¤ 9,60 PORTUGAL (CONT) ¤ 9,60

SLOWAKEI ¤ 10,30 SCHWEIZ 13,60 SFR

B 80136

Wohnen

eue Maßstäbe setzen und eine breite Aufklä-rung auf dem Gebiet der textilen Raumaus-stattung bewirken“: Was etwas sperrig klingt,

hat über die vergangenen vier Jahrzehnte nichts von sei-ner Gültigkeit verloren. Es ist der Anspruch, mit dem der Münchner Verleger Peter Winkler 1977 das „Magazin der textilen Raumausstattung“ aus der Taufe hebt – ein völlig neues Zeitschriftenformat. Wegen zahlreicher Anfragen wird es ab 1979 für einen Preis von 15 Mark unter seinem neuen Namen DECO auch im Zeitschriftenhandel verkauft. Seitdem hat sich viel getan in unseren Räumen.

„Vor 40 Jahren waren fließende Raumstrukturen mit we-nigen oder gar keinen Türen, mit einer offen in den Wohn-bereich integrierten Küche kaum denkbar“, erklären Astrid Kölsche und Silke Pabelick vom Kölner Interiordesignstudio

40 Jahre Wohnen

N

Raum und Zeit

Text: FRIEDERIKE MECHLER

Seit vier Jahrzehnten widmet sich DECO HOME den schönen Dingen des Lebens, allen voran dem Einrichten mit Stoffen. Für unser Jubiläums-Special

haben wir in den Archiven gekramt und werfen einen Blick zurück

Ash. Die Räume der 60er-Jahre sind klein und ihrer jewei-ligen Funktion entsprechend eingerichtet. Doch von den Barrikaden klettert eine Generation, die Althergebrachtes infrage stellt, gegen ästhetische Normen oder tradierte Ver-haltensmuster rebelliert. Vor allem die Jugend verweigert sich der Funktionalisierung des Alltags. Flokati-Teppiche, Verner-Panton-Stühle oder Pril-Blumen – im Flower-Power- Jahrzehnt wohnt man abwechslungsreich. Starke Farben, geschwungene und futuristische Formen machen es mög-lich, sich vom Stil der Elterngeneration und den Idealen der Wirtschaftswunderjahre abzugrenzen.

1973 erschüttert die erste Ölkrise die Industrienationen. Mit Sperrholzmöbeln und Regalen aus Ziegelsteinen oder Kartoffelkisten etabliert sich neben dem kunststoffbunt- ver spielten Aufbegehren eine Kultur des Anti-Designs. Der Fo

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Wohnen

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statische Wohnraum wird mobil: Anbausessel, Sitzlandschaf - ten und Schrankwände erobern die Räume, vor den Fens-tern hängen groß gemusterte, meist grafische Stoffe. Die Farbkombi Braun-Orange, gerne auch mit kräftigem Grün, erfreut sich einer nie (mehr) da gewesenen Beliebtheit.

as folgt, ist turbulent und widersprüch-lich. „Form follows fun“, lautet die De- vise der 80er-Jahre. Mit schrill-schrägen Objekten lehnt sich die italie nische De- signergruppe Memphis gegen die funk-

tio nalistische „Weniger ist mehr“-Ideologie auf. Überspitzt betonte Oberflächen und Ornamente sollen auf das Fehlen von Emotion und Sinnlichkeit aufmerksam machen.

Daneben erscheint ökologisch orientiertes Design auf der Bühne – manchmal mit verblüffenden Ansichten. In der Herbstausgabe 1981 befragt DECO HOME Roman Anto- noff, Gründer des Jahrbuchs „CI-Report“, zu Farben und ihrer Wirkung. In der Erkenntnis, dass in roten Räumen der Blutdruck ansteigt, sieht er Potenzial: „Wären alle unsere Wohnungen in warmen Farbtönen gestaltet, könnten wir etwa die gleiche Energiemenge einsparen, die bis zum Jahr 2000 jährlich von Kernkraftwerken geliefert werden soll.“

Die Auflösung traditioneller Wohnkultur schreitet voran und wir beobachten 1992 den Ausgangspunkt eines heute sehr aktuellen Phänomens: „Es beginnt die Ära des ‚be-wussten Wohnens‘, die Abkehr von der unterschiedli chen Wertigkeit einzelner Wohnbereiche, hin zu einem Wohn-stil, der die gesamte vorhandene Fläche als privaten Gegen-pol zu einer unerfreulich gewordenen Umwelt begreift. Weg-bereiter war die gewachsene Zahl der Kleinhaushalte, in denen auf zwangsläufig beschränkten, nicht säuberlich von-einander getrennten Räumen eine Vielzahl von Wohnfunk-tionen unter einen Hut gebracht werden mussten.“

Gestalten als reines Problemlösen hat ausgedient. Design wird zum Synonym für Lifestyle und entwickelt sich zum

Wohnen

„Was die Moderne uns

gegeben hat, ist die Freiheit“

JOSEF FRANK

W

OBEN: Sessel „Feltri“ von Gaetano Pesce (Cassina). RECHTS: Seit 1985 ist der Wasserkocher von Alessi

ein Dauererfolg

Sitzlandschaften in sinnlichen Formen und Materialien machen den Salon zum Wohnraum

80er- Jahre

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Fetisch, den vor allem die Marke Alessi mit ihren ikoni-schen Wasserkesseln, Flaschenöffnern & Co. verkörpert. Um die Entwerfer entwickelt sich ein Starkult. Zielgruppe der neuen Produkte oder frisch aufgelegten Designklassiker sind die Yuppies, für die eine Unterscheidung von Alltags-ware und Designerstück zur Imagefrage wird.

olgerichtig ist im Januar 1992 in DECO HOME zu lesen: „Die Neunzigerjahre sind das Jahr-zehnt der ausgesuchten Einzelmöbel. Meter-lange Schrankwände oder sich schlängelnde ‚Wohnlandschaften‘ sind kaum noch zu sehen.

Insbesondere Polstermöbel machen nun als Einzelstücke Kar-riere.“ Die Ash-Designerinnen erinnern sich: „Andrée Put-man war vor 20 Jahren unsere Ikone der Innenarchitektur.

StoffgeschichtenEigentlich sollten die Pferde aufhören zu fressen und in die Kamera schauen. Doch als unsere Redakteurin mit dem Strohhut wedelte, ergriffen sie die Flucht und galoppierten zum Bauernhof zurück. Statt der geplanten Version mit genüsslich grasenden Vierbeinern entstand unser Wigwam-Bild dann eben ganz ohne Rösser (oben). Für die Fotostrecken mussten wir über die Jahre nicht nur Stoff-kompetenz, sondern auch ordentlich Improvisationstalent unter Be-weis stellen – Haareraufen und Gelächter inklusive. Mit vielfältigen und auch fantasievollen Inszenierungen möchten wir Sie, liebe Leser, immer wieder aufs Neue überraschen und zeigen, was man mit den schönen Stöffchen alles machen kann.

FOTOPRODUKTIONEN

OBEN: Zum Tanztee lud unser Fotoshooting der Stoffneuheiten 2011. UNTEN LINKS: Auf dem Blaslhof inszenierten wir Wildwestromantik vor Alpenkulisse (4/2013). UNTEN RECHTS: Da schaut man gern die Wand an: expressives Tapetendessin (2/2014)

OBEN: Tischleuchte „Lumiere“ (Foscarini).

RECHTS: „Backen- zahn“-Hocker (e15) und Bürostuhl „Juli“

(Cappellini)

F

Helle, natürliche Töne sind cha- rakteristisch für den populären Landhaus-Look

90er- Jahre

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Eine feine, elegante, zeitlose und auch revolutionäre For-mensprache von weiblichem Weltformat.“ In einer anderen Wohnwelt erlebt der Landhausstil mit Baumwolldrucken und Leinenstoffen seine Blütezeit und verhilft dem verspiel-ten Toile de Jouy zum Comeback. Die neue Gemütlichkeit nennt sich „Cocooning“. Es wird mit Vorliebe in den eige-nen Wänden umgezogen oder kühn mit Kissen, Decken und Gardinen umdekoriert. Qualität und Nachhaltigkeit rücken stärker in den Fokus: Die Zukunft der Welt und die Endlichkeit ihrer Ressourcen stellen das Wettrüsten auf allen Gebieten infrage.

ach der Jahrtausendwende blickt man zu-rück: Design dreht sich um Reeditionen, die dem Bedürfnis nach dem Bekannten, nach bleibenden Werten entsprechen. Klas-sische Formen werden mit neuester Tech-

nologie produziert. Handgefertigtes im Lowtech-Style wird zum Markenzeichen der Campana-Brüder, die bei ihren Sitz-möbel mit Plastikschläuchen, Teppichresten oder Kuschel-tieren alles verarbeiten, was der seriellen Einfallslosigkeit trotzt. Design oder Kunst? Die Grenzen verschwimmen.

Was Josef Frank schon zu Bauhauszeiten vorausgesehen hatte, ist heute schließlich eingetreten: „Welchen Stil wir auch verwenden, ist unwichtig. Was die Moderne uns ge-geben hat, ist die Freiheit.“ Sie spiegelt sich in unseren Räumen. „Der moderne Mensch möchte kommunikative Wohnstrukturen, keine abgeschlossenen Zellen. Die Räume sollen möglichst vielseitig nutzbar und sogar über Schiebe-wände im Grundriss veränderbar sein“, so die Interior- profis von Ash zum gegenwärtigen Trend. Sie blicken opti-mistisch nach vorn: „Clever gestaltete Räume gelten als wertig. Immer mehr Menschen werden eine eigens auf sie zugeschnittene Wohnumgebung anstreben und die kreative Leistung auch bezahlen wollen.“ Was die Zukunft bringt? Wir halten Sie auf dem Laufenden.

N

OBEN: „Horse Lamp“ (Moooi) und „Campari Light“ (Ingo Maurer). RECHTS: 2003 entstand

„Chair One“ von Konstantin Grcic (Magis)

LINKS: Modernes Home-Office, gestaltet vom Kölner Damenduo Ash. UNTEN: Leuchte „Line“ (TEO), die heutige Version des „Utrecht Chair“ (Cassina) und Tisch „Tilio“ (Leolux)

Mit Designklassikern in offenen Raumkonzep-ten lebt auch Alberto Alessi bei Como00er-

Jahre

bis heute

Foto

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Er steht für Detailqualität und Rationalität, dennoch folgt seinen Linien eine Sinnlichkeit. Noch bis 21. Januar 2017 widmet Designxport in der Hafencity Hamburg seinen wichtigsten Entwürfen die Schau „Peter Maly – Arbeiten aus vier Jahrzehnten“. Herr Maly, welches sind Ihre per-sönlichen Design-Highlights? In den 80er-Jahren traten neue Designer auf die Bühne, die mich beeindruckten: Philippe Starck ist da zu nennen und sein „Costes“-Stuhl mit Stahlgestell und gebogenem Formholz, der in seiner Formsprache ein Statement ist. Starck war der erste Popstar des Designs! Auch Jasper Morrison begann seine Arbeit

mit dem „Thinking Man’s Chair“. Seine „superein-fachen“ Entwürfe habe ich sehr bewundert. Auf jeden Fall ging es mit der Entwicklung danach wieder vernünftiger weiter. Wenn auch ein wenig zu viel über Landhausstil gesprochen wurde – eine etwas zu diffuse Beschreibung der Hinwendung zu warmer Häus- lichkeit. Immerhin haben Entwürfe von Phillip Mainzer wie der „Backenzahn“ damals aufgezeigt: Eichen- Massivholz ist salonfähig. Ingo Maurer entwarf 1997 seinen „Zettels Traum“ – ein Stück sichtbare Poesie, das heute meine Bibliothek beleuchtet. Welchem Ihrer Entwürfe fühlen Sie sich am meis-ten verbunden? Natürlich muss ich da zuerst mein bekanntestes Design, Sessel „Zyklus“, nennen. Aber auch mit dem „Maly-Bett“ fühle ich mich „sehr ver- bunden“: Ich schlafe nämlich darin, und das auf sehr angenehme Weise. Im Interview mit DECO HOME 1996 erklärten Sie, Memphis sei eine Sackgasse. Wie sehen Sie das heute? Der Meinung bin ich immer noch. Memphis war

der Versuch einer Designrevolution, der nach einem fulminanten Anfangserfolg in den Medien kläglich scheiterte. Eine ganze Generation junger Designer war für vernünftige Arbeit erst mal verdor-ben. Die Vorreiter haben sich längst auf bequeme Lehrstühle zurückgezogen. Die damals gefeierten Objekte sind im besten Fall im Museum gelandet, denn zum Wohnen waren sie nicht geeignet.

Wohnen

INTERVIEW

Peter Maly gilt als Protagonist der Langlebig-keit, Klarheit und Funktionalität. Hier enthüllt er seine persönlichen Design-Highlights

Best of

OBEN: Designer und Innenarchitekt Peter Maly. RECHTS: Collage mit Entwurfszeichnungen. UNTEN: Kamin „Balance“ (Skantherm), Sessel „Circo“ (Cor)

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