800 Jahre Calenberge

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Calenberge FESTSCHRIFT ZUM 800-jährigen Dorfjubiläum Text: Sabine Ullrich 1209 – 2009

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Festschrift

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Calenberge

FestschriFt zum 800-jährigen Dorfjubiläum

Text: Sabine Ullrich

1209 – 2009

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Brütender Schwan neben der Brücke nach Elbenau

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Vorwort von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper 2 Gedanken zu Calenberge von Ernst Schwarzlose 4Allgemeines zur Einleitung 6Früheste Siedlungsspuren 11Erste urkundliche Erwähnung Calenberges 14Calenberge als klösterlicher Besitz in askanischem Herrschaftsgebiet 17Die Bauern, die Höfe und die Separation 23Von Deichen und Fluten 30Pfarrer und Pfarrgemeinde 37Kirche und Kirchhof 41Die Schule 49Kriegerdenkmal 53Im Dorfkrug 54Im Falle eines Feuers 56Nazi-Regime und Zweiter Weltkrieg 58Calenberge in jüngerer Vergangenheit 60Naturraum Elbe – Kolke, Altarme, Altwässer 65Besondere und seltene Tierarten 68Von der politischen Wende 1989 bis heute – Nachwort Bernhard Czogalla 70Kurze Chronik des Dorfes 73Calenberger Bilderbogen 76Abkürzungen zum Abbildungsnachweis 78Literatur und Quellen 79

Inhaltsverzeichnis

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Vorwort von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper

Die BauernsieDlung Calenber-ge kann auf eine vielfältige, ereignisreiche und vor allem langjährige Historie zurück-blicken. Bereits 1209 wird das damalige „Kahlenberch“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Das 800-jährige Bestehen ist Grund genug, sich der Geschichte Calen-berges zu erinnern, in die Zukunft zu schau-en und natürlich dieses freudige Ereignis gebührend zu feiern.

Bis 1994 noch ein Dorf vor den Toren Magdeburgs, gehört Calenberge heute als Verwaltungsgemeinschaft Randau-Calenber-ge zur Landeshauptstadt und ist damit einer der jüngsten Stadtteile. Nach der Eingemein-dung 1994 und der feierlichen Einweihung der neuen Ortsschilder durch den damaligen Oberbürgermeister Dr. Willi Polte begann die umfangreiche Sanierung und Erneuerung der

Gemeinde. Moderne Elektroanschlüsse, Ab-wasserleitungen und Gebäuderenovierungen verschönern heute neben neu gepflasterten Straßen das Ortsbild. Hier fühlen sich die Bewohner mit ihrem Stadtteil wirklich ver-bunden und konnten 1997 mit Stolz den 2. Platz im Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ verkünden. Darüber hinaus bietet das einstige Bauerndorf mit seiner ur-wüchsigen Umgebung und den zahlreichen Tierarten allen Naturfreunden ein wahres Erholungszentrum im Grünen. Nicht nur die Bewohner der Region schätzen daher den Charme dieser ländlichen Idylle und die da-mit verbundene Wohnqualität, wie es sie nur noch selten gibt.

Die stets überschaubare Anzahl der Bewohner von Calenberge ließ sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht von den Widrigkeiten der Natur, mit dem jährlich wie-

derkehrenden Hochwasser, entmutigen. Die intensiven nachbarschaftlichen Beziehun-gen und der Einsatz für die Gemeinde sind für viele ein Vorbild. Genau dieses Engage-ment zeichnet Calenberge bis zum heutigen Tag aus. Dafür möchte ich allen Beteiligten herzlich danken und Sie auffordern: Machen Sie weiter so, damit Randau-Calenberge als modernes Wohngebiet in einer grünen Um-gebung noch attraktiver wird. Für die dies-jährigen Festlichkeiten zum 800-jährigen Bestehen wünsche ich viel Spaß und gutes Gelingen.

Dr. Lutz TrümperOberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg

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Blick auf Calenberge aus der Luft (Flug dienst Magdeburg)

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Gedanken zu Calenberge von Ernst Schwarzlose

„Mitten aber in dem Kranze blühender Gärten, rauschender Baumwipfel, reichen Buschwerks und duftender Wiesen ragte das saubere, freundliche Dörfchen auf, das so ganz geeignet war, den Eindruck heimischen Wohlgefühls hervorzurufen. Und bei den sorgsamen, eifrig schaffenden Bewohnern kam auch deutlich das wohlige Heimatgefühl zum Ausdruck in stiller Lebensfreude und heiterer Fröhlichkeit. Man hörte selten etwas von Zank und Streit, und Rücksichtslosigkeit und Roheit durfte sich nirgends zeigen. Ganz arme Leute waren im Dorfe selten vorhanden. Gegenseitige Aushilfe war bei allen Dorfangehörigen selbstverständlich.“Martin Kahlo 1929 (S. 51)

Dorfchronik von 1929 (Eigentum B.C.)

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Historische Postkarte, Calenberge aus der Luft

(Bild E.S.)

CalenBerge wird als „Kalenberch“ am 18. Dezember 1209 erstmals urkundlich fassbar, und zwar in einer Besitzbestäti-gung für das Kloster Berge bei Magdeburg durch Papst Innozenz III. 2009 jährt sich die Ersterwähnung zum 800sten Mal. Im Vorfeld dieses Jubiläums wuchs unter den Calenbergern der Wunsch, die Geschich-te unseres Heimatortes einer genaueren Untersuchung zu unterziehen und die ge-schriebene Historie im Druck zu veröffent-lichen.

Natürlich wird es nicht mehr gelingen, die Vergangenheit lückenlos aufzuarbeiten, denn zu viel Wissen ist verloren gegangen, längst nicht alles aufgeschrieben und vie-les Aufgeschriebene durch Achtlosigkeit, Kriege und politische Veränderungen ver-loren. Eine große Hilfe in der Aufarbeitung der Calenberger Vergangenheit bietet die bereits 1929 von Martin Kahlo verfass-te Schrift: „Calenberge, Dorf und Flur“, in Schönebeck in der Reihe „Veröffentlichun-gen der Gesellschaft für Vorgeschichte und Heimatkunde des Kreises Calbe“ heraus-

gegeben. Hinzu kommt der glückliche Um-stand, dass Martin Kahlo seinerzeit noch Akten und Urkunden einsehen konnte, die heute nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Ergänzt werden seine Erkenntnisse durch eigene Archivrecher-chen und das Engagement der Calenber-ger, die aus ihrem Privatbesitz Fotos und

alte Verträge heraussuchten, um sie der Auswertung zu überlassen.

Die vorliegende Festbroschüre zum 800-jährigen Dorfjubiläum bietet eine Zu-sammenfassung der neueren Erkenntnis-se, die demnächst in einer ausführlicheren Chronik erscheinen sollen.

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Allgemeines zur Einleitung

„Kalenberge (Ld. u. Stg. Magdeburg), Pfardorf, unweit der Elbe, 4 ¼ M. v. Burg und 1½ M. südöstlich v. Magdeburg; eine evang. Pfarrkirche mit 1 Pr., ein Küster- und Schulh. mit 1 L., 21 Wohnh., 144 ev. Einw., ein Krug, 2 Ackerh., 11 Koss., 3 Häusler und 4 Einlieger, Die separirte Feldmark enthält 560 Mrg. und 12 ½ katastrirte Hufen, und zwar 152 Schff. Aussaat Aecker 2ter, 83 Schff. 3ter und 17 Schff. 4ter Kl. Meist guter Weizenboden und schöne Wiesen. (194 Thlr. 21 Sgr. Gr., 97 Thlr. Kl. und 7. Thlr. Gew. St.) Die Einw. treiben vorzugsweise Viehzucht. Patron und Gerichtsherr ist der Staat. Früher stand das Patronat dem ehemaligen Kloster Berge zu. (1782. 127 und 1818. 146 E.)“Handbuch vom Regierungs bezirk Mag deburg 1842 (S.150)

CalenBerge, das wie der Mag de- burger Dom 2009 sein 800- jähriges Be-stehen feiert, gehört erst seit 1994 als Verwaltungsgemeinschaft Randau-Calen-berge zu Magdeburg und ist somit einer der jüngsten Stadtteile der Landeshauptstadt. Das einstige Bauerndorf liegt ca. 12 km südöstlich vom Magdeburger Stadtzent-rum entfernt in ländlichem Raum und wird auf drei Seiten – im Westen, Süden und Osten – von der an dieser Stelle schlau-fenförmig sich windenden Alten Elbe um-geben. In nördlicher bis nordöstlicher Rich-tung verläuft der Elbe-Umflutkanal, der auf Höhe der Kreuzhorst fast bis an die Alte Elbe heranreicht.

Der alte Elbarm begrenzt einerseits die Gemarkung Calenberge und bezeich- net andererseits auf der Südseite gleichzei-tig einen Teil der Grenze zum Stadtgebiet Schönebeck mit den Orten Grünwalde, Elbenau und Plötzky. Nach Osten schließt sich der Landkreis Jerichower Land mit der Gemeinde Gommern an, im Norden liegen die Magdeburger Stadtteile Pechau und Kreuzhorst. Als westliche Grenze der Verwaltungsgemeinschaft gilt die Elbe.

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Randau-Calenberge gehört mit 13,59 km2 flächenmäßig zu den größten Magdebur-ger Stadtteilen, ist allerdings wegen der ländlichen Struktur mit ca. 550 Einwoh-nern nur dünn besiedelt. Der gemeinsame Ortsbürgermeister heißt Günther Kräuter und wohnt in Randau.

Abgesehen von der Firma „Calenberger Caravan und Pflanzenmarkt“ und dem „Land- haus Elbebiber“ ist der Ort heute eine rei-ne Wohnsiedlung und über eine Buslinie an das Nahverkehrsnetz Magdeburgs ange-schlossen. Er befindet sich inmitten einer idyllischen Landschaft, im Naherholungs-raum der Elbestädter und am Elberadweg. Calenberges Freizeitwert in naturnaher Umgebung ist unbestritten hoch. Neben von der freiwilligen Feuerwehr, die eben-falls in diesem Jahr ein Jubiläum feiert, gibt es im Dorf noch einen Turnverein.

Die Umgebung Calenberges ist durch eine Kulturlandschaft mit Ackerflächen und Grünland bestimmt. Obwohl die Elbe seit ca. 1.000 Jahren beständig in einer Entfer-nung von etwa drei Kilometern westlich am Dorf vorbeifließt, ist die Landschaft noch

deutlich vom Fluss geprägt. Von Jahr zu Jahr mit unterschiedlicher Intensität wieder-kehrende Sommer- und Winterhochwas-ser hinterließen nicht nur Feuchtwiesen, Sümpfe, Altwässer und Kolke, sondern auch ertragreiche Böden, da sich beim Rück- gang des Wassers Sedimente ablagerten. Die Bodenqualität der Gemeinde kann mit durchschnittlich 45 Bodenpunkten für Grünland und 61 Bodenpunkten für Acker-land durchaus als gut bezeichnet werden und ermöglicht einen breiten Querschnitt ländlicher Kulturen. Es lassen sich Raps, Weizen und Gerste, aber auch Kartoffeln und Futtermais, der wiederum der Tierpro-duktion zu Gute kommt, anpflanzen. Darü-ber hinaus ist der Wechsel von Acker, Wiese und kleineren Gehölzgruppen mit Strauch- und Baumbeständen, sogenanntem Gale-

riewald entlang der Altwässer, durch hohen Wildbesatz interessant für die Jagd.

Mitten im Urstromtal der Elbe, allseitig von feuchten und sumpfigen Niederungen mit Altwässern und Kolken umgeben, bot eine leichte Erhebung von 1,5 m gegenüber der Feldflur die Grundlage für eine Ansied-lung, die den Namensbestandteil „Berg“ nicht wirklich verdient. Denkbar ist jedoch, dass sich im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende mit den regelmäßigen Über-schwemmungen auch das Bodenniveau veränderte und sich die Anhöhe zuneh-mend nivellierte, wenngleich sie nie wirklich hoch gewesen sein wird. Die geringe Aus-dehnung in Nord-Süd-Richtung und auch die Form dieser leichten Bodenerhebung hat gleichzeitig begrenzend auf die Ent-

Calenberge von Norden Am Feldweg neben der Liebeseiche

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wicklung des Dorfes gewirkt, das sich bis zum Anfang des 20.Jahrhunderts als kurzes Reihen- oder Straßendorf mit einem klei-nen Anger im Süden entlang der einzigen Dorfstraße erstreckte, die wiederum als Sackgasse von der Landstraße abzweigt. In jüngerer Zeit hat sich die Siedlung in Richtung Norden ausgedehnt, trotzdem umfasst die bebaute Fläche nur ca. 0,2 km2. Erst mit dem Jahr der Eingemeindung 1994 ist die Dorfstraße in „Calenberger Dorfstra-ße“ umbenannt worden, um Verwechslun-gen mit Straßen in anderen Magdeburger Ortsteilen zu vermeiden.

1781 wird der Ort wie folgt beschrieben: 22 Feuerstellen, darunter 1 Vollspänner, 2 Halbspänner, 6 große Kossaten- und 6 klei-

ne Kossatenhöfe, insgesamt 127 Einwoh-ner, 1 See, 1 Schiffsmühle an der Elbe (alte Elbe). 1 1842 bestand Calenberge aus

2 Ackerhöfen, 11 Kossatenhöfen, 3 Häus-lern und 4 Einliegern, zusammen 21 Wohn-häuser und 144 Einwohner. Die Bezeich-

nungen Vollspänner oder Ackerhöfe , Halbspänner, Kossaten usw. unterschei-den verschiedene landwirt-schaftliche Betriebsgrößen. Calenberges Einwohnerzahl schwankte Jahrhunderte lang nur geringfügig und war im Jahr 1865 mit 185 Seelen selten hoch.2 Zweimal erging in der Vergangenheit von offizieller Seite das Verbot an die Dorfbewohner, sich weiterhin untereinander zu verheiraten, da die Säug-

Familie Meseberg / Schwarzlose 1926 (Bild E.S.)

Ida Möbes in der Dorfstraße (Bild D.P.) Szene im Hof (Bild E.S.)

Hochzeits-zeitschrift für Otto Meseberg und Elisabeth Steinhagen 1905 (Eigen-tum E.S.)

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1 Heineccius, Johann Ludwig von, Ausführliche topographische Beschreibung des Herzogthums Magdeburg und der Grafschaft Mansfeld, Magdeburgischen Antheils, Berlin 1785. 2 Handbuch der Provinz Sachsen, Magdeburg 1865, S.85. Neben der Einwohnerzahl werden Lehrer Willmann und Ortsvorsteher Schuseil aufgeführt. 3 Nach Auskunft von Frau Warschau, Pastorin der Gemeinden Pechau, Randau und Calenberge, in alten Kirchenbüchern von Calenberge erwähnt.

Emma Meseberg mit Urenkelin Johanna Schwarzlose 1930 (Bild E.S.)

Familie Prönnecke (Bild D.P.)

Urkunde 1811, Ent-lassungsurkunde aus

dem Militär für Johann Andreas Meseberg mit der Auflage, die Witwe

Wäschen zu heiraten (Eigentum E.S.)

Traditionelles Ringreiten, 1920er Jahre (Bild E.S.)

lingssterblichkeit auf ein bedenkliches Maß angestiegen war.3

Von Anfang an lebten die Calenberger in der ambivalenten Situation, dass ihnen einerseits reiche Fischbestände, Wild und auch die fruchtbaren Böden eine angeneh-me Lebensgrundlage boten, sie anderer-seits das Hochwasser ständig gefährdete und es immer wieder katastrophale Schä-den anrichtete. Außerdem brachte das feuchte und ungesunde Klima manchmal epidemieähnliche Krankheiten und fiel die

Lebenserwartung eher gering aus. Erst mit dem Bau des Elbe-Umflut-Kanals (begon-nen 1868) und des Pretziener Wehrs (1871 – 1875) wurde mustergültiger Hochwas-serschutz betrieben und somit eine stabi-lere Situation für das alltägliche Leben in Calenberge geschaffen.

Emma Meseberg mit Urenkelin Johanna Schwarzlose 1930 (Bild E.S.)

Familie Prönnecke (Bild D.P.) Traditionelles Ringreiten, 1920er Jahre (Bild E.S.)

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Ausschnitt aus dem Messtischblatt der historischen Kommis-sion der preußischen Provinz Sachsen, 1858 aufgenommen, 1873 herausgegeben, 1877 berichtigt (St.A. Rep. KS II 17-4)

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Die erste urkunDliChe nen-nung Calenberges fällt ins Jahr 1209. Siedlungsspuren sind in der fruchtbaren Umgebung aber bereits für die Jungstein-zeit nachgewiesen. In Nähe des Nachbar-ortes Randau ist seit den 1940er Jahren ein vierräumiges, 20 m langes Haus der Schön-felder Kultur (2900 – 2100 v. Chr.) mit um-fangreichem Inventar aus Stein und Ton und verkohlten Speiseresten ergraben.

Etwas weiter nördlich befindet sich im Wald ein bronzezeitliches Gräberfeld. Zu DDR-Zeiten kam in der Calenberger Ge-markung bei Feldarbeiten hinter der LPG, auf einem Flurstück mit dem traditionel-len Namen „Die Nachtweide“, ein noch we-sentlich älteres Bodenbearbeitungsgerät der Rössener Kultur (4900 – 4700 v. Chr.)

zutage. Hierbei handelt es sich um einen großen Keil, dessen Fund deutlich macht, dass sich in der unmittelbaren Umgebung des Dorfes Calenberge schon vor mehr als 6.000 Jahren Menschen bewegten.

Wie weitere archäologische Entde-ckungen belegen können, ist auch der Ort Calenberge selbst bereits etwa 1.500 Jahre vor der ersten schriftlichen Erwähnung als Siedlungsplatz genutzt worden. Mehrere im Jahr 1928 und bei Erdarbeiten 1993 in unmittelbarer Umgebung der Dorfkirche gefundene Urnen weisen einen germani-schen Begräbnisplatz der vorrömischen Eisenzeit – auch Jastorfkultur (600 v.Chr. bis zum Beginn unserer Zeitrechnung) ge-nannt – nach. Es kann also angenommen

werden, dass der Ort auch damals schon relativ hochwassersicher gewesen ist. Eine zweite, 1939 entdeckte Fundstelle, die auf eine eisenzeitliche Siedlung schließen lässt, befindet sich weiter südlich, etwa auf Höhe des ehemaligen Pfarrhauses. Die Fundstücke aus Calenberge werden im Kreismuseum Schönebeck aufbewahrt. Ob in den sich anschließenden Jahrhun-derten bis 1209 durchgehend Menschen in Calenberge gelebt haben, weiß niemand. Jüngere Siedlungsspuren sind aber wieder für Nachbarorte belegt.

Für die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt gilt die Entdeckung des Fürstengra-bes auf dem Gerstenberg bei Gommern als Sensation, zeugen die Grabbeigaben doch von einem intensiven Handel der östlich der Elbe lebenden Menschen mit den römisch besetzten Gebieten. Dieses im Jahr 1990 gefundene Grab eines germanischen Adli-gen aus dem 3.Jahrhundert gehört zu den prunkvollsten jener Zeit in Mitteleuropa. Es enthielt Schmuckgegenstände aus Gold und Silber, Prunkwaffen sowie zahlreiche Gegenstände römischer Herkunft aus Glas und Metall.

In der Völkerwanderungszeit siedelten sich Slawen, auch Wenden genannt, im Elbraum an. Westlich der Elbe lebten die Sachsen.

Früheste Siedlungsspuren

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Erst als diese unter Karl dem Großen zum Christentum übergetreten waren, drang die Christianisierung intensiver nach Os-ten, in die Gebiete östlich der Elbe vor. Die Ottonen ließen im 10.Jahrhundert auf dem Ostufer der Elbe in strategischen Abständen Burgen (so auch die Burg von Gommern) errichten, die das Sachsenreich gegen feindliche Übergriffe der Slawen schützen sollten. Ein Slawenaufstand 982 machte jedoch einen Großteil der ottoni-schen Eroberungen vorerst wieder zunich-te, so dass die Elbe vielerorts wieder die Reichsgrenze bildete.

Im 12.Jahrhundert wurde das ostelbi-sche Territorium neu besetzt und durch

eine gezielte Ansiedlungspolitik innerhalb der ehemals slawischen Gebiete sowie die Gründung neuer Ortschaften und Pfarren weiter gesichert. Eine derartige Stabilisie-rung der noch von Slawen bewohnten Gegenden mit Kolonistendör-fern betrieb nicht nur der Magdeburger Er zbischof, sondern auch der Markgraf von Brandenburg. Ob Calenberge im Ursprung auch als Kolonistendorf bezeich-net werden kann, muss letztendlich offen

bleiben. Zahlreiche Ortsnamen der näheren Umgebung gehen auf ursprünglich slawi-sche Namen zurück. Durch ältere Publika-tionen4 und Zeitungsartikel ist die Verbin-dung Calenberges mit einem wendischen Ort namens Lysagora, dessen Überset-

zung „kahler Berg“ bedeutet, vorgeschlagen worden. Einen

gesicherten Nachweis für einen eindeutigen Zusammenhang oder

Keramik der Jastorfkul-tur, um 600 v. Chr., ge-funden bei Erdarbeiten neben der Calenberger Kirche, heute im Kreis-museum Schönebeck (Foto E.S.)

Leichenbrandurne mit sogenanntem Seelenloch,

gefunden bei Erdarbeiten in Calenberge, um 600 v.Chr.,

heute im Kreismuseum Schönebeck (Foto E.S.)

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134 Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S. 35.

Zeichnung, gefertigt im Landesmuseum Han-nover, Bodenbearbei-tungsgerät der Rössener Kultur, gefunden auf der Feldmark „Nachtwei-de“ in der Calenberger Gemarkung, Abbildung verkleinert (E.S.)

für die genaue Lage des wendischen Ortes Lysagora gibt es aber anscheinend nicht. In Vorbereitung auf diese Festschrift konnte nicht einmal die ursprüngliche Quelle aus-findig gemacht werden, die den Ort Lysa-gora überliefert.

Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle verwahrt alte Mess-tischblätter der Historischen Kommission der Preußischen Provinz Sachsen aus der Mitte des 19.Jahrhunderts. Darauf ist in der Gemarkung Calenberge südlich des Dorfes, etwa auf halber Strecke zum „Winkel“, auf den als „Der Klosterhof“ oder „Der Keil“

bezeichneten Flurstücken noch eine mittelalterliche Wüstung eingetragen, markiert mit dem Buchstaben H.

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Erste urkundliche Erwähnung Calenberges

„Preterea quascunque possessiones, quecunque bona idem monasterium in presentiarum iuste ac canonice possidet aut in futurum concessione pontificium, largitione regum vel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis praestante domino poterit adipisci, firma vobis vestrisque successoribus et illibata permaneant. In quibus hec prop-riis duximus exprimenda vocabulis: (…) villas quoque Korit, Kalenberch, Priztere…“.

Auszug aus der abschriftlich

überlieferten Urkunde von

1209 (LHASA 1)

Papst Innozenz III. 1209

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Der anlass für die 800-Jahrfeier, die erste Erwähnung Calenberges, fällt zusammen mit der gezielten Ansiedlungs-politik im ostelbischen Territo-rium. Bei der Urkunde handelt es sich um ein von Papst Inno-zenz III. am 18. Dezember 1209 unterzeichnetes Schreiben, wel-ches die Privilegien des Klosters Berge, seine Rechte, Freiheiten und Besitzungen – darunter auch „Kalenberch“ – auflistetet, be-stätigt und das Kloster unter den Schutz des Papstes stellt. Genannt

werden neben Calenberge und zahlreichen anderen Siedlungen auch die Nachbarorte Prester und Karith bei Gommern.

Die Urkunde aus dem Lateran ist nicht als Original, sondern in Form von zwei Ab-schriften aus dem 16. und 17.Jahrhundert, die eine im sog. Privilegienbuch des Klosters Berge, die andere im sog. Weißen Buch des Klosters Berge, überliefert. Die Abschriften verwahrt das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Nachgelesen werden kann der Text ebenfalls unter der Nummer 59 im „Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg“, erschienen 1879 in Halle.

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Alte Elbe südlich von Calenberge

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Calenberge als klösterlicher Besitz in askanischem Herrschaftsgebiet

VermutliCh sChon im Jahr 9665 zogen die Mönche aus dem Mauriti-uskloster am Magdeburger Domplatz in das südlich vor den Toren der Stadt Magdeburg gelegene, neu erbaute und von Otto dem Großen gegründete Benediktinerkloster St. Johannis Baptist auf dem Berge. Der Grund hierfür war die Tatsache, dass Otto sein langgehegtes Ziel, Magdeburg zum Erzbistum zu erheben, erreicht hatte und nun das Mauritiuskloster für die Domherren des Erzstifts zur Verfügung stehen sollte. Spätestens seit Anfang des 12.Jahrhunderts ist das Kloster als Eigentum des Erzbistums nachgewiesen. Wann es exakt zum Erzbis-tum Magdeburg kam, ist nicht bekannt.

Das Kloster Berge gehörte in der Fol-gezeit zu den wohlhabenderen Klöstern des mittelalterlichen Deutschlands und galt als angesehene Bildungsstätte. Es erhielt sowohl von den Ottonen und ihren Nach-

folgern als auch von den Magdeburger Erzbischöfen ansehnlichen Besitz. Nach-dem Erzbischof Heinrich I. von Magdeburg (1102 – 1107) dem Kloster auch die Fähre zu Fermersleben bei Buckau, gegenüber Prester, geschenkt hatte, bildete sich bald nach 1100 eine Gruppe von Dörfern im ostelbischen Klosterbesitz. Die Geschichte des Klosters unter besonderer Berücksich-tigung seiner dörflichen Besitzungen ist umfassend von Christof Römer herausge-arbeitet worden, auf den sich die folgenden Ausführungen beziehen.6

Zwei Urkunden aus den Jahren 1145 und 1209 (siehe oben) bestätigen den Be-sitz und geben Auskunft über die klöster-lichen Privilegien. Hierbei muss zwischen

Grundeigentum und Vogteirechten un-terschieden werden. Letztere besaß das Kloster Berge im erst 1209 erwähnten Ca-lenberge nicht. Die Vogteirechte gehörten nämlich zur Burg Gommern, also zu den As-kaniern. Zwar hatte Otto I. Gommern dem Mauritiuskloster zum Geschenk gemacht, doch war die Burg im 12.Jahrhundert mit der Mark Brandenburg als Erbe und durch Eroberung in den Besitz von Albrecht dem Bären und somit zum Herzogtum Sachsen gekommen. Gommern bildete seinerzeit und bis 1808 eine Enklave im magdebur-gisch-brandenburgischen Einflussgebiet.

1221 kaufte der Abt vom Kloster Ber-ge dem Burggrafen von Magdeburg die im Bereich der Klosterbesitzungen ausgeüb-

Calenberge auf der Grenze der Grafschaft Gommern, Geographi-sche Charte des Her-

zogthums Magdeburg und Halle nebst ethli-

chen angränzende Orthen und Fürstenthume, um

1680, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 33)

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ten Vogteirechte ab und übernahm sie mit Zustimmung von Erzbischof, Papst, König und Kaiser als freies Eigentum. Die rechtli-chen Grundlagen waren somit zweifelsfrei geklärt. Allerdings galt dies nur für etwa drei Viertel des klösterlichen Besitzes, die Vogteirechte Calenberges und somit auch die oberste Gerichtsbarkeit und die Schutzherrschaft blieben weiterhin bei den Askaniern.

Dem Kloster gehörte jedoch Grundei-gentum im Umfang von 10 oder 12,5 Hu-fen und außerdem das Schulzengericht, welches ein Schulze (Schultheiß) in einem Schulzenhof vor Ort ausübte. Das Schul-zenamt war nämlich in der Regel an den sog. Siedlungsunternehmer – in diesem Fall das Kloster Berge – gekoppelt und mit Besitz verbunden. Als Beamter des Grund-herrn hatte der Schulze die Gemeinde zur Leistung ihrer Abgaben (Zehnte) anzuhal-ten und diese einzuziehen und für die Ein-haltung sonstiger Verpflichtungen zu sor-gen. Er wachte über die Gemeindearbeiten, also über die Dienstleistungen, welche die einzelnen Ortsbewohner entsprechend der Größe ihrer Besitzungen zu leisten hatten. Außerdem übte er richterliche Befugnisse auf Gemeindeebene und bei Grenzstrei-tigkeiten aus. In späteren Jahrhunderten

entwickelte sich das Amt des Dorfschul-zen zum Dorfvorsteher, Ortsvorsteher oder Bürgermeister. Im Gegensatz zum Schulzengericht hatte das Vogteigericht über schwerere Straftaten mit Todesfolge zu urteilen.

Angesichts der Tatsache, dass die Rechte am Dorf Calenberge geteilt ge-wesen sind, ist eine Gründung oder auch Neugründung des vermutlichen Kolonis-tendorfes durch das Kloster Berge und die Askanier, wohl in der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts, denkbar. Rechtlich gehör-te das Johanneskloster zwar zum Erzstift Magdeburg, dennoch vertraten die geistig

und politisch regen Äbte selbständig die In-teressen ihres Klosters. Anschließend wech-selte die Zuständigkeit mehrmals, sodass es nicht ganz leicht ist, die Gegebenheiten zu verstehen. Im 14. und 15.Jahrhundert verloren die Vogteirechte ihre wichtige po-litische Bedeutung. Auch im 16.Jahrhundert änderten sich die Strukturen weiter. In den ostelbischen Klosterorten wandelte sich die askanische Obergerichtsbarkeit in eine kursächsische Landesherrschaft, da die sächsischen Herzöge inzwischen den Titel Kurfürsten trugen.

Interessant erscheint in diesem Zusam-menhang, dass 1283–1343 das Schloss

Nachtwächterweg

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Gommern und somit auch die askanischen Vogteirechte an das Erzstift Magdeburg verpfändet gewesen sind. Ab 1419 bis 1539 gehörten sie dem Rat der Altstadt Mag-deburg als Pfand. Durch diesen Umstand war Calenberge von Steuerauflagen und anderen allgemeinen Maßnahmen der kur-sächsischen Landesherren befreit. Jedoch ergänzte der Magdeburger Rat die mit der Herrschaft über das Schloss verbundenen Rechte wie Blutgericht und Dienste durch Huldigung, Schwur, Folge und einen Geldbe-trag und verfügte somit mit Ausnahme der Flurhoheit und der gewöhnlichen Gerichts-barkeit, die beide nach wie vor das Kloster

Berge über das Schulzengericht ausübte, über die dorf- und landesherrlichen Rechte. Steuern konnte er in Calenberge allerdings nicht durchsetzen.

Ein weiterer Abschnitt in der Calenber-ger Geschichte begann mit der erneuten Ablösung des Gommerschen Schlosses 1539 durch Kursachsen. Der Amtsbezirk Gommern lag jetzt im Kreis Belzig. Somit endete der Einfluss des Rates der Altstadt Magdeburg. In der Folgezeit versuchte Kursachsen bis ins 18.Jahrhundert immer wieder, neben seinen bestehenden Rechten auch die weitere Herrschaft über das Dorf zu gewinnen. Bei der Belagerung Magde-

burgs 1551 im Schmalkaldischen Krieg übernahm der Hauptmann zu Gommern den Schutz des Dorfes und ließ sich dafür reichlich entlohnen. Auch versuchte das Amt Mitte des 16.Jahrhunderts das inzwi-schen wüste Schulzengericht wieder aufzu-bauen und an sich zu ziehen. Der Abt vom Klosters Berge vereitelte jedoch dieses Be-streben, indem er das Schulzengericht an Hans Aleman zu Magdeburg überschrieb. Diese Verschreibung von 1558 ist wesent-lich für die Geschichte des Dorfes gewe-sen. Zwar hatte Abt Dietrich das verlehnte Schulzengericht schon 1513 freigekauft, aber die politischen Wirrnisse der Zeit, die

Karte um 1730, Saxoniae Tractus Ducatum Magdebur-gensem, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 4)

Wappen vom Kloster Berge mit der Jahres-zahl 1701 in der Calen-berger Friedhofsmauer

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Schriftverkehr 1782 zwi-schen dem Amt Gommern

und dem Kloster Berge, betreffend die zwei

dem Amt Gommern zuste-henden Hufen (LHASA 2) BienenwagenBlick zum Klosterbusch

für das Kloster 1525 mit Plünderungen begannen , hatten jahrzehntelang das Handeln der Äbte stark eingeschränkt. Der neue Klosterschul-

ze Hans Aleman ließ sich als Erbsasse in Calenberge nieder, belebte das Schulzen-amt neu und baute es zu einer umfas-senden Herrschaft über die Einwohner aus. Erblich war dieser Besitz aber nicht, sondern für mehrere Generationen an sei-ne Familie vertraglich gebunden. Er blieb genaugenommen Eigentum des Klosters, das der Schulze durch seine Aktivitäten sicherte und vermehrte.

Über die Abgaben, die sog. Zehnte, welche die Dorfbewohner an das Kloster zu ent-richten hatten, ist aus früheren Jahrhunder-ten nur wenig überliefert. Im 16.Jahrhundert zahlten sie einen Fleischzehnt. Später musste Calenberge auch einen Bienen-zehnt an das Kloster abtreten, also Honig liefern, der damals besonders wertvoll war, weil es noch keinen Zucker gab.

Wieder versuchte das Amt Gommern zu intervenieren und den Schulzen für sich zu gewinnen – vergeblich. Die Ereignisse nah-men nun einen entgegengesetzten Verlauf. Zwischen 1558 und 1610 kam die Dorfherr-schaft, die dem kursächsischen Amt Gom-mern abgerungen wurde, zum Schulzen-

gerichtshof Calenberge und somit in den Besitz des Klosters. Dies nützte letztend-lich den anderen Landesherrn, den Mag-deburger Erzbischöfen. Als Entschädigung erhielt das kursächsische Amt Gommern die Eigentumsrechte von zwei Hufen sowie 14 Schillinge von den Höfen, zwei Lachse zur Fastenzeit (wird als Symbol der Gast-pflicht gegenüber dem Herrn gedeutet) und zwischen Ostern und Pfingsten 1,5 Ferding (Ferding = 1/4 Mark) vom Wasser, gemeint sind die Einkünfte aus der Fischerei der zur dörflichen Gemarkung gehörenden Teiche. Letzteres galt als Zeichen der Oberherr-schaft über die Flur. Die Herrschaftsord-nung löste sich in der Folgezeit ganz auf. Im 15. und 16.Jahrhundert waren zwei Drittel

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5 Claude, Dietrich, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12.Jahrhundert, 2 Teile, Mitteldeutsche Forschungen, hrsg. von Reinhold Olesch, Walter Schlesinger und Ludwig Erich Schmidt, Band 67/1 und 67/2, Köln 1972, 1975, Teil II, S.292. 6 Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970. 7 Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg, Zweiter oder topografischer Teil, hrsg. von Hermes, I. A. F. und M. J. Weigelt, Magdeburg 1842, S.127f. Die Zugehörigkeit Calenberges in französischer Zeit zu Westfalen oder Preußen wird in der Literatur unterschiedlich gesehen. Wie die Gegebenheiten tatsächlich gewesen sind, wäre noch genauer zu untersuchen. An sich war die Elbe die Grenze des Königreichs Westfalen. Die französischen Soldaten plünderten trotzdem in Ostelbien. 8 Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S.15f.

Am Feldweg

der Flur einfaches Pachtland. Die Bauern leisteten aber bis ins 16.Jahrhundert noch Mäh- und Fuhrdienste für den Oberge-richtsherrn auf Gommerschen Wiesen.

1613/19 beugte das Kloster eine Ge-fährdung seiner Herrschaft endgültig vor, indem es die Verschreibung an den Dorfschulzen zurückkaufte und seither Pacht und Schulzenamt die Gemeinde vor Ort selbst verwalten ließ. Anfang des 17.Jahrhunderts zahlten die Calenberger Bewohner zur Ablöse des Obergerichts je-

der der gommerschen Amtsschäferei nur noch drei Fuder Heu.

Wie die anderen Dörfer der Umgebung und auch die Stadt Magdeburg gehörte Ca-lenberge in napoleonischer Zeit ab 1808 zu Westfalen. Das Amt Gommern bildete nun einen Kanton im Distrikt Magdeburg des Elb-departements.7 Die Klosterherrschaft endete formell erst mit der Auflösung der Klosterver-waltung durch die Franzosen im Dezember 1809. Gleichzeitig fielen der Regierung nun

auch die Einnahmen aus den Dörfern zu. Ca-lenberge hatte Verpflegungslieferungen zu leisten und Kriegssteuern zu zahlen, beides in beachtlichem Umfang. Beim Eintreiben von Geldern gingen die französischen Soldaten auf brutale Art und Weise vor. So wird berich-tet, ein Soldat habe versucht, dem greisen Calenberger Kantor den Kopf zu spalten, weil das beim Kantor gefundene Bargeld nicht mehr als 7 Taler und 12 Groschen betrug.8 1815 ist der Ort preußisch geworden, mit Sitz des Kreisrates in Leitzkau.

Zwischen den Häusern

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22 Auf der Calenberger Flur (Bild W.K.)

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Die Bauern, die Höfe und die Separation

Bis ins 19.JahrhunDert setzte sich die Calenberger Gemarkung zum größ-ten Teil aus Wald, Wiesen und Weiden zu-sammen, Ackerland machte den geringsten Teil aus. Den mit Hufen belehnten Bewoh-nern standen im Mittelalter in der Regel ein bis zwei Hufen, umgerechnet 30 bis 60 Morgen zur Verfügung. Davon war die Hälfte Wiese oder Weide. Große Teile der Feldmark gehörten als Gemeindeeigentum dem Dorf. Neben diesem gemeinschaftli-chen Eigentum gab es auch Nutzungsbe-rechtigungen, die auf dem Grundeigentum lasteten. Hingegen durften die Calenberger Bauern bis 1835 den Klösterlichen Forst nutzen und hier zwei Schweine zur Mast hineintreiben, das ganze Jahr unter der Aufsicht des Revierförsters zweimal wö-chentlich trockenes Holz sammeln und dür-re Äste mit einem 12 Fuß langen Haken abbrechen sowie unentgeltlich das wilde Obst sammeln. Neben dem Klosterhof bestanden Bauernhöfe und Pfarrhof als selbständige Wirtschaftsbetriebe. Ab dem 14.Jahrhundert waren die Besitzungen des Klosters verpachtet.

Wie Christof Römer in seiner Ab-handlung über die Kloster Bergeschen Dörfer 10 herausarbeitet , erhielten die Bauern in den ostelbischen Siedlungen

„Niemand soll von des anderen Acker abpflücken, und wenn ihm auch vorher von seinem Nachbar etwas genom-men worden, dadurch sein eigener Richter werden, vielleicht auch geschehenes heimzusuchen, obrigkeitliche Hilfe er-warten. Widrigenfalls nach Vorschrift der Prozessordnung von 1686, Cap.9 § 4 gewärtigen, dass von jeder Fuhre in ein Thaler sechs Groschen condemniert werde. Auch soll sich niemand unterstehen, ohne des Eigentümers Erlaubnis Erb-sen zu pflücken oder andere Feldfrüchte, so wenig zu eige-nem Gebrauch als zum Verkauf abzupflücken, Getreide zu schrippen, Fuhren auszupflügen oder andere dieser Art von Feldbeschädigungen vorzunehmen. Wer darüber beschrieben wird, soll das erste mal sechs Groschen Strafe, wovon der Feldhüter sechs Groschen bekommt, bezahlen, bei wiederhol-ten malen aber mit körperlicher Strafe belegt werden.“§ 5 aus dem Dorf-Articul für die Gemeinde zu Kalenberge 1786 9

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des 12.Jahrhunderts allgemein günstige Besitzrechte, wenngleich erhebliche Tei-le der neuen Dörfer den Eigenhöfen des Klosters vorbehalten blieben. Einige Bau-ern wurden jedoch im 13.–15.Jahrhundert weitestgehend von Magdeburger Bürgern sowie Magdeburger Klöstern und Stiften in den Besitzrechten verdrängt, wobei nicht geklärt ist, ob vielleicht auch die al-ten Familien in die Stadt zogen oder ihre Rechte an Kapitalanleger abtraten. Um 1565 ließen reiche Bürgerfamilien und die Domdechanei zu Magdeburg 7 1/2 der 10 Klosterhufen bewirtschaften, den Calenberger Bauern standen aber nur 2 1/2 Klosterhufe zu.

Im ersten Drittel des 17.Jahrhunderts las-sen sich die Einwohner Calenberges, bzw. die jeweiligen Familienoberhäupter oder Hofbesitzer, namentlich fassen. Magdeburg erhielt seinerzeit vom schwedischen König Gustav Adolf sozusagen als Wiedergut-machung für die schlimme Zerstörung der Stadt 1631 geistliche Güter aus der Umge-bung als Geschenk, darunter auch Calen-berge. Anfang 1635 wurde die Schenkung vollzogen. Zu diesem Zweck mussten sich die Bauern nach Magdeburg begeben und den Untertanen-Eid ablegen. Im Vorfeld erstellte, namentliche Verzeichnisse pro-tokollieren ihr Erscheinen. Der zuständige Geistliche Salomon Petri aus Pechau, der

des Schreibens und Lesens mächtig war, wurde in punkto „doctrinae et obedientiae“, also in Sachen Lehre und Gehorsamkeit, schriftlich verpflichtet. Als „Untertanen zu Kalenberge“ sind überliefert: Caspar Ale-mans Witwe (Bürgermeister), Hans Schult-ze, Valtin Becker, Jürgen Schlüter, Brosius Klehn, Thias Kennemann (Kannenmann), Peter Benegresser (Benengresser), Drewes Jörg ( Jöng), Joachim Aldelheit, Joachim Deutscher (Dentscher), Hanß Langen, Paul Telin (Tilen), Hanß Schrader Holtzförster und Friderich Benengresser.11 Nur zwei die-ser Namen lassen sich einige Jahre später noch den Hofstellen in Calenberge zuord-nen: Familie Becker 1698 im Kossatenhof

Alte Landtechnik, Bauernfamilie mit Göpel in Calenberge 1913 (Bild D.P.)

Bei der Ernte (Bild D.P.)Emil Perlberg mit Wagen (Bild D.P.)

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Nr.4 und Familie Ahlheit 1701 dem Kossa-tenhof Nr.10.12

Die Schenkung ist später für nichtig erklärt worden. Im Gegensatz zu einigen Dörfern in der Nachbarschaft, die im Drei-ßigjährigen Krieg völlig verwüstet worden sind, gibt es hierzu über Calenberge keiner-lei Nachrichten dieser Art.

Eine besondere Leistung des preußi-schen Staates im 19. Jahrhundert ist die Flurbereinigung gewesen, die als eine Art Agrarreform eine enorme Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und somit eine bessere Versorgung der seit Mitte des

18.Jahrhunderts stark wachsenden Bevöl-kerung zur Folge hatte. Erste Anfänge sind durch Friedrich II. bereits im 18.Jahrhundert initiiert worden. Bisher bestehende Zwän-ge und Abhängigkeiten der Bauern von den Grundeigentümern, in Calenberge also vom Kloster Berge und vom Amt Gommern, hemmten die Eigeninitiative der Landwir-te ebenso wie der Flurzwang und die Drei-felderwirtschaft. Außerdem war die starke Zersplitterung der Flächen nicht ertragsori-entiert. Auf einem Großteil der Grundstü-cke lasteten Hutungsrechte. Das Hutungs-recht erlaubte Landeigentümern, Vieh auf Grundstücken anderer Besitzer weiden zu lassen. Dies hemmte beispielsweise den

Anbau bestimmter Erzeugnisse wie der spät im Jahr zu erntenden Kartoffel. Ein Ge-setz zur Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 zielte auf die wirtschaftliche Zusammenlegung der zerstreut liegenden Eigentumsflächen, die Aufhebung der für die landwirtschaftliche Nutzung nachteili-gen Flurzwänge und Weiderechte und die Aufteilung der gemeinschaftlich genutzten Flächen mit der geregelten Zuweisung an die jeweils berechtigten Bauern. Am Ab-schluss des Separationsverfahrens stand ein Rezess, der die Eigentumsverhältnisse beschrieb, die Rechte und Pflichten der Be-teiligten begründete und den Ablauf des Verfahrens darlegte.

Emma Egerland mit ihren Pferden (Bild E.S.)

Pferde in der Dorfstraße (Bild D.P.)

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Aus dem Separationsrezess Calenberges vom 30.März 1847 gehen folgende Infor-mationen zum Bestand und zur erfolgten Aufteilung hervor:

Acker 315 1/4 Morgen, Wiese 294 1/3 Morgen, Holzungen 277 1/4 Morgen, Hü-tungsflächen und unbrauchbares Land 204 2/3 Morgen, Dorffläche 23 1/3 Morgen, insgesamt 1115 Morgen, also etwa 28% Ackerfläche und fast 70% Wiese, Holzung und Weideland. Diese Nutzungsverteilung mit relativ wenig Ackerflächen lehnte sich an die Naturgegebenheiten in Flussauen an. Wiesen, Weideland und Wald gehörten zum großen Teil der Allgemeinheit, der große Anger, die Trift, der Schweineanger

und die Nachtweide dienten für „verschie-denes Vieh“ das ganze Jahr als Weide. Ge-schlagenes Holz aus den gemeinschaft-lich genutzten Waldflächen teilten die 14 Hofbesitzern untereinander auf, Pfarre, Kirche und Häusler ausgenommen. Wald war, abgesehen von seiner Wichtigkeit für den Deichbau, als Weidefläche bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts unentbehrlich, da Laub und Gras als Futter dienten, das Laub aber auch als Einstreu in den Ställen Verwendung fand.

Wie bereits erwähnt gehörten zum Ort damals 14 Interessenten (Grundbesitzer), 5 Häusler (reine Hausstellen ohne Land

wie Zimmermann, Gemeindeholzlager, Kuhhirtenhaus, Schneider), Nachtwächt-erhaus, Spritzenhaus mit Garten, Kirche, Pfarre und Schule. Die Besitzungen des einstigen Kloster Bergeschen lehensherrli-chen Schultheißengerichts und des Kloster Bergeschen Klosterhofs waren verpachtet. Außerdem bestand ein ehemaliges Schön-bachsches Gut mit 2,5 Hufen, von den 14 Grundbesitzern bereits aufgekauft und gleichmäßig verteilt.

Der Verteilungs- und Zusammenle-gungsprozess gestaltete sich folgender-maßen: Nach der Vermessung der Ge-meindeflur bewerteten amtlich bestellte

Ernst Perlberg auf den Buschstücken (Bild D.P.)

Erntekrone (Bild F.B.) Bauer in Lederhose vor dem alten Pfarrhaus (Bild D.P.)

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Sachverständige die Äcker und Wiesen nach ihrer Ertragsfähigkeit und Qualität. Dem Verteilungsplan lagen der jährliche Reinertrag und die Anteilsrechte der ein-zelnen Bauern zugrunde. Die Calenberger Landwirte erhielten zwischen 38 und 73 Morgen, die Pfarre 68 1/2 Morgen, dazu das Pfarrwittum (Pfründe) 3 3/4 Morgen, die Kirche 84 3/4 Morgen, die Schule 15 3/4 Morgen, das Schulzenamt 5 1/4 Mor-gen und die Gemeindekasse 20 Morgen.

Im Ergebnis gab es in ganz Preußen und auch in der Calenberger Flur wesent-lich mehr Acker- und Weideland und ver-schwand ein großer Teil der Waldflächen,

die nun nicht mehr an die landwirtschaft-liche Nutzung gekoppelt waren. Gleichzei-tig entstand eine bessere Wegführung. Der private Besitz der Bauern vergrößerte sich. Hutungsrechte, in der Folgezeit auch Hand- und Spanndienste – welche die Verpflich-tung zu körperlicher Arbeit gegenüber dem Grundbesitzer und das Stellen von Zugvieh und Geschirr umfassten – entfielen. 1850 folgte ein Gesetz zur Ablösung der Real-lasten. Als Ersatz für die Reallasten muss-te der Begünstigte mit einer Geldsumme entschädigt werden.

Durch die Separation bewirkte Ver-änderungen in der Landwirtschaft lassen

sich in Zahlen belegen. Schon 1865 war der Anteil der Ackerflächen in der Gemarkung Calenberge auf 53,67%, die Wiesen auf 28,14% gestiegen und der Anteil der Hol-zungen auf 0,42% gesunken. 1937 gab es unwesentlich mehr Wald mit 0,98%, aber nur noch 0,79% Wiesen und jetzt 81,38% Ackerland. Die Betriebe teilten sich nun in folgende Größenklassen: 5 mit 0-5 ha, 4 mit 5-10 ha, 15 mit 10-20 ha und 2 mit 20-50 ha. 13

Trotz des Gesetzes von 1850 lasteten in Calenberge noch bis 1879 Verpflichtun-gen, gemeint sind Abgaben in Naturalien und Gelderträgen, auf verschiedenen Hof-

Ochsengespann (Bild W.Ko.) Pferdewagen (Bild E.Sch.)

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Bauer Emil Perlberg (Bild D.P.)

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stellen und Grundstücken, zum Vorteil der jetzt Kloster Bergeschen Stiftung (Roggen, Gerste, Pacht, Erbzins usw.). Die Pfarre er-hielt ebenso Abgaben (Eier, Wurst, Brot) wie die Schule (Eier, Wurst und Roggen). Ab 1879 hatten die Verpflichteten als Ablöse der Realien Renten an die Rentenbank zu zahlen, bis die Verpflichtungen 1920 end-gültig erloschen.

Haupterwerbszweig der Calenberger blieb bis in DDR-Zeiten die Landwirtschaft, seit 1958 in einer Landwirtschaftlichen

Produktionsgenossenschaft (LPG) mit Schweine- und Rinderzuchtanlage zusam-mengeschlossen. Aus der ehemaligen LPG ging nach der politischen Wende die in Randau ansässige Agrar GmbH Randau–Calenberge hervor. Wiesen und Ackerland in der Calenberger Gemarkung werden fast ausschließlich von ihr bewirtschaftet, wäh-rend die Dorfbewohner inzwischen ande-ren Berufen nachgehen. Grund und Boden sind allerdings wieder ins Privateigentum überführt.

Eine bei der Separation 1847 gegründete Interessentengemeinschaft, in deren Eigen-tum damals unbrauchbare Ländereien wie Wege, Deiche, Wasserlöcher, Uferstreifen usw. übergingen, existiert mit Unterbre-chung in DDR-Zeiten noch heute. Gewinne aus den über 60 ha großen Flächen werden zum Allgemeinwohl des Dorfes investiert.

Neugierige Blicke Blick über die Felder Richtung Randau

9 Im Besitz von Ernst Schwarzlose. 10 Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970. 11 Dittmar, Max, Zur Bevölkerungsstatis-tik des Magdeburgischen Landes im Jahre 1635, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg, Jg.29, 1894. S.273. Das Buch-Exemplar im Stadtarchiv Magdeburg enthält kleinere Korrekturen, die vermutlich aus der Hand des Autors stammen. 12 Aus der Chronik von Ernst Schwarzlose. 13 Hoffmann, (?), Vom werktätigen Einzelbauern zum Genossen-schaftsbauer im Ortsteil Calenberge der Gemeinde Randau und Nachweis der Besitzverhältnisse der letzten 200 Jahre, Schönebeck 1964, in: Stadtarchiv Magdeburg, Rep.47 S4.

Weizenfeld

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Von Deichen und Fluten

„Versuchte der Feind in Kriegszeiten den Damm zu durchstechen, so hatten alle Deicher ihm zu weh-ren. Wehe dem, der feige den Deichwagen verließ! Er verlor Leben und Eigentum. Auf Diebstahl an Holz, das zum Deichbau gehörte, stand Todesstra-fe. Wer einen Mitdeicher bei der Arbeit bestahl, dem wurden die Ohren abgeschnitten. Bei größe-ren Diebstählen wurde auf Tod durch den Strang erkannt. Kleine Vergehen gegen Mitdeicher und Deichmeister fanden ihre Sühne durch Geld, Naturalien und Züchtigung. Der Verbrecher aber, der einen Deich durchstach, sollte gevierteilt und sein Körper an 4 Enden des Deiches auf 4 Räder geflochten werden, allen zur schreckli-chen Warnung.“Willy Otto Riecke 1932 (S.266)

Grundstücksliste zur Aufteilung der Kosten für den Calenberger Sommerdeich 1838 (Eigentum E.S.)

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CalenBerges gesChiChte und Umland sind eng verbunden mit der Elbe und ihren saisonal wiederkehrenden Hochfluten. Seit dem 10.Jahrhundert entspricht der Ver-lauf der Alten Elbe um Calenberge seinem heutigen, damals noch als Hauptstrom des Flusses, der sich um das Jahr 1.000 einen neuen Weg durch sein jetziges Flussbett suchte. Aus dem ehemaligen Hauptstrom entstand ein Altarm. Vor dem 10.Jahrhundert floss der Fluss hingegen am heutigen östli-chen Ortsrand von Calenberge vorbei durch den heute noch in Resten vorhandenen Ca-lenberger See und dehnte sich, in mehrere Arme verzweigt, bis nach Wahlitz aus.

Die Alte Elbe tritt von Osten, beim soge-nannten Scheidkolk, in die Calenberger Gemarkung ein, verläuft in einer großen Schleife südlich um den Ort herum, dann zwischen Randau und Calenberge hindurch, bevor sie nördlich von der Kreuzhorst, am Mönchsgraben, eine Verbindung zur Stro-melbe findet.

Wenn sich im Frühjahr das Schmelz-wasser über die Zu- und Nebenflüsse der Elbe seinen Weg suchte, trat es nicht nur über die Ufer der Stromelbe, sondern über-schwemmte auch die Felder neben der Al-ten Elbe. Zum Schutz vor den Wassermas-

sen bauten die Bewohner der Elbniederung unter hohem Kostendruck Deichpolder und Schutzanlagen verschiedener Art, Buhnen, Sommer- und Winterdeiche. Schon Erzbi-schof Wichmann siedelte im 12.Jahrhundert flämische Kolonisten im Elbraum um Mag-deburg an und verpflichtete die erfahrenen Deichbauer zu ersten Deichbau- und War-tungsarbeiten am Elblauf. Verstöße gegen die Deichwartung oder Beschädigung der Deiche hatten brutale Strafen zur Folge, war doch der Schutz vor dem Wasser von existentieller Bedeutung.

Es gibt keine Hinweise darüber, wie der Deichschutz in den ersten Jahrhunderten in

Calenberger See, zugefroren (Foto I.S.) Baden im Altwässer (Bild G.H.)

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Calenberge organisiert gewesen ist. Frü-heste Regelungen zur Kontrolle des Hoch-wasserschutzes in der Elbniederung bei Magdeburg sind für die Zeit um 1500 über-liefert.15 Deichhauptmänner, Deichschulzen und Deichschöppen traten offizielle Diens-te und regelmäßige Deichschauen an. Im Dreißigjährigen Krieg sind die Deiche, nicht zuletzt wegen der kompletten Verwüstung zahlreicher Elbanrainer-Dörfer, stark ver-nachlässigt und beschädigt gewesen.

Deiche führten an drei Seiten um das Dorf herum, nämlich zwischen Calenberge und dem Calenberger See hindurch und am westlich und südlich gelegenen Lauf

der Alten Elbe entlang. Ein weiterer Deich lag vor dem Klosterbusch. Der Deich am Ostufer der Alten Elbe, mit dem Namen Pechauer Deich, endete unterhalb von Prester. Darüber hinaus gab es noch einen langen, kräftigen Deich auf dem Elbenauer Werder, Ranieser Deich oder Landschafts-damm genannt, zwischen der Alten Elbe und der Stromelbe.

Schon in früher kursächsischer Zeit, nachweislich spätestens seit Mitte des 16.Jahrhunderts, war das Dorf über das Amt Gommern zum Deichbau verpflichtet. Je nach Größe der Gemeinden sind die zu unterhaltenen Deichstrecken in verschie-

„Den 23., 24. stürmte das Wasser über alle Dämme und sogar hoch über den Klusdamm, so daß alle hiesige Gegend in eine See verwandelt sind. Die Not stieg aufs höchste beson-ders an dem Sonntage den 24., da man unter beiden Gottesdiensten am Damm arbeitete. Gegen Abend kam ein Kommissarius von der Kammer und versprach Proviant. Seit 1709 im Febr. ist solche Fluth nicht dagewesen. Vom 24.-30. langsamer Fall und kaltes Wetter. Man fuhr von Königsborn bis vors Tor nach Magdeburg in einem Kahn.“

Pfarrer Grothe April 1784 14

den lange Stücke aufgeteilt gewesen. Alle Einwohner mussten regelmäßig, vom Dorf-schulzen überwacht, Holzpfähle und Rei-sigbündel für den Deich- und Buhnenbau liefern. Da die Calenberger Gemarkung in jüngerer Zeit nicht mehr über genug Wald verfügte, besorgte man das Holz zum Teil aus dem Pechauer Forst. Die Gemeinde be-saß bis in die 1940er Jahre auch ein 6,51 ha großes Grundstück mit der Bezeichnung „Niederweide“ und ehemals mit Eichenwald bewachsen in der Pechauer Gemarkung.

Nicht nur bei Hochwasser, auch bei starkem Westwind waren die Dämme in Gefahr, von den hohen Wellen beschädigt

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Alte Elbe bei Calenberge

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zu werden. Fand sich eine Stelle, an der die Deichkrone gelitten hatte oder das Wasser bereits durch drang, so musste die Dammwache Bescheid geben und die Dorfmannschaft an den Dämmen gelager-te Baustoffe, Holzpfähle, Steine, Stroh und Reisigbündel, Erde und Sandsäcke herbei-tragen. Nicht selten brachen die Dämme trotzdem. War die Flut besonders schlimm, drohte der komplette Ernteausfall. Im Jahr 1771 – um nur ein Beispiel zu nennen – konnte gar nichts, weder Heu eingefahren noch Korn geerntet werden, da das Was-ser neun Wochen lang auf den Äckern ge-standen hatte und alle Pflanzen verdorben waren.16 Wiederholt verstärkte Calenberge seine Deiche.

Eine für das Herzogtum Magdeburg, Jeri-chowschen Kreises erlassene Deichschau-ordnung von 1721 und eine Zirkularverfü-gung von 1798 regelten im 18.Jahrundert die Deichaufsicht. Polizeiliche Überwa-chung der Unterhaltung und Verteidigung der Deiche oblag sogenannten Deichkom-missarien, die für die regelmäßigen Deich-schauen verantwortlich zeichneten und notwendige Maßnahmen anordneten. Im 19.Jahrhundert erließ die königliche Gene-ral-Commission, zeitgleich mit der Sepa-ration der Weideflächen 1847, ein weiteres Regulativ zur Unterhaltung der Deiche, das die Zuständigkeiten erneut genau festleg-te, weil sich die Hochwassersituation zu-nehmend verschärfte. Der Bau der Berliner

Chaussee vor Magdeburg 1827 auf einer hochgelegenen Trasse sowie die Anfang der 1840er Jahre neu eingerichtete Eisen-bahnstrecke von Magdeburg nach Berlin hemmten und stauten bei Überflutungen den Rückfluss der Wassermassen. Zudem gab es im 19.Jahrhundert nach schweren Überschwemmungen vermehrtes Vieh-sterben, wofür man die Verschmutzung der Elbe durch böhmische Bleigruben ver-antwortlich machte.

Nach Feststellung des Kulturbauam-tes Magdeburg gab es allein auf dem zwi-schen Alter Elbe und Stromelbe gelegenen Elbenauer Werder, der die Ortschaften Grünewalde, Elbenau, Ranies und Randau

Historischer Deich verlauf noch vor dem Bau des Um-flutkanals (aus: Riecke S.270)

Veränderung des Elblaufs (Ausschnitt aus: Schlüter, August, Blatt 7)

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Übersichtskarte zur Denkschrift in der Elbenauer Deich-Regulierungs-Sache 1865 (St.A. Rep. KS II 27)

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14 Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, z.B. S.23. Schreibweise hier Pfarrer Grothe, manchmal auch Große. 15 Riecke, Willy Otto, Chronik Prester-Cracau, Magdeburg 1932, S.265. 16 Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S.17.

umfasste, im Jahr 1845 etwa 100 Bruch-stellen. Außerdem zerstörte das Wasser in Biederitz damals etwa 40 Häuser. In Ca-lenberge rückten die Magdeburger Pioniere an, um beim Schutz des Dorfes zu helfen. 1862 brachen die Calenberger Deiche bei „Louisenthal“.

Oftmals reichten die finanziellen Mit-tel der Dorfgemeinde nicht mehr aus, um die entstandenen Deichschäden zu repa-rieren. Nach einer schweren Überflutung 1784 gab der König den Befehl, die Dämme zu verstärken und zahlte über 1.000 Ta-ler als Unterstützung dazu. 1865 lieh die Regierungskasse 920 Taler und 15 Silber-groschen, um den gebrochenen Damm an der Calenberger Niederweide wiederher-zustellen.

Mit dem 1868 begonnen Bau von Um-flutkanal und Pretziener Wehr (ab 1871) er-warb das Dorf endlich dauerhaft zuverläs-sigen Hochwasserschutz und somit auch wirtschaftliche Sicherheit. Starke Sperr-deiche entzogen der Alten Elbe nun das Wasser, so dass sie dem Ort nicht mehr

gefährlich werden konnte. In der Fläche für den Umflutkanal ging damals u.a. auch der Jungfernsee bei Calenberge auf. Gleichzei-tig reduzierte sich die Anzahl der erforder-lichen Deichpolder in der Elbniederung von 20 auf drei. Drei gleichzeitig gegründeten Deichverbänden oblag nun die umfassende Sicherung und Erhaltung dieser Anlagen. Außerdem trugen sie einen Teil der Baukos-ten, den die Gemeinden bis 1923 in jährli-chen Raten entsprechend der Größe und Güte ihrer Ländereien zu zahlen hatten – ein geringes Übel im Vergleich zu den Schäden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die früheren Überschwemmungen. Calenberge gehörte zum Elbenauer Deich-verband. Jeder Deichverband stellte einen Deichhauptmann, einen Deichinspektor und einen Deichaufseher. Mit Inbetriebnahme des Umflutkanals überflüssig gewordene Deiche gingen in den Gemeinschaftsbesitz des Dorfes über und wurden zum Teil an die Bauern verkauft.

Eine bereits 1737 erwähnte Schiffs-mühle am großen Anger auf der Alten Elbe muss spätestens mit Fertigstellung des

Pretziener Wehrs abgerissen oder verlegt worden sein. Mit dem Bau der Landstraße nach Magdeburg und Schönebeck und dem zusätzlichen Abzweig nach Randau 1884 verschwand auch der Fähranleger für die Überfahrt zum Nachbarort.

1881 übernahm der Staat die Unter-haltung des 1875 fertiggestellten Wehrs. Der ersten harten Probe im März 1876 hatte es allerdings nicht standgehalten, da versäumt worden war, die Schleusen rechtzeitig zu öffnen. Der Wasserdruck schleuderte in Magdeburg sogar die eiser-nen Kanaldeckel in die Höhe. Infolge der Zerstörung durch die Fluten musste das Wehr erneut gebaut werden. Ältere Dorfbe-wohner in Calenberge wissen noch von den Anlegestellen der Kähne hinter den Höfen, von wo aus die Bauern nach Schönebeck zum Einkaufen gestakt sind.

Heute ist Deichschutz Ländersache und beim Landesbetrieb für Hochwasser-schutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) angesiedelt.

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Pfarrer und Pfarrgemeinde

„die sittlichen Zustände in der Gemeinde sind im Allgemeinen gut zu nennen, doch fehlt es auch nicht gänzlich an Ausnahmen“

Siegelabdruck der Calen-berger Pfarre aus dem

18.Jahrhundert aus einer Akte der Superintendentur Möckern im Kirchenarchiv der Gemeinde Pechau; das Siegel zeigt den Altar der Kirche mit dem Kelch von

1611 und den beiden baro-cken Leuchtern von 1664

„sittliche Umstände günstig, keine uneinige Eheleute, keine bestrafte Verbrecher, kein Concubinat, keinen Trunkenbold, keine einheimischen Bettler; damit soll aber nicht gesagt werden, daß alle Gemeindemitglieder erweckte Christen wären“

Pastor Hermes im Visitationsprotokoll 1865

Pastor Hermes im Visitationsprotokoll 1872

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Zur eVangelisChen gemein-De sankt georg in Calenberge zäh-len momentan noch 16 Gemeindemitglieder. Die Gläubigen werden zusammen mit den-jenigen in Randau von der Pfarrei in Pechau betreut und gehören seit 13 Jahren zum Kirchenkreis Elbe-Fläming Gommern. Got-tesdienste in der Calenberger Kirche finden regelmäßig einmal im Monat statt. Termine können im Kreuzhorstkurier oder unter www.kreuzhorstkurier.de eingesehen werden. Trotz der geringen Zahl von Gläubigen hat das christliche Leben des kleinen Ortes weit in die Geschichte zurückreichende Wurzeln.

Dass in den neu gegründeten oder aus slawischen Siedlungen hervorge-

gangenen ostelbischen Dörfern schon sehr früh Kirchen gebaut wurden, ist dem christlichen Missionsbestreben in den ehemals slawischen Gebieten geschul-det. Für Calenberge gilt außerdem, dass sich das Dorf seit seiner Ersterwähnung in klösterlichem Besitz befand. Eine erste Pfarrstelle ist 1309 überliefert. In diesem Jahr schenkte der dortige Pfarrer Conrad von Kalenberge (Conradus plebanus in Kalenberge) zusammen mit zwei anderen frommen Männern dem Kloster Berge urkundlich die Einkünfte aus drei Hufen Land für sein Seelenheil. 17 Eine kleine Kirche im Ort könnte es demnach schon gegeben haben, vielleicht aber auch nur einen Betsaal. Im Januar 1562 erscheint

die Calenberger Kirche in einem Inventar des Klosters und ist somit erstmals ver-bindlich nachgewiesen.18

Bis zur Reformation war die Pfar-rei dem katholischen Bistum Bran-denburg im Erzbistum Magdeburg zu-geordnet . Spätestens seit Mitte des 16.Jahrhunderts unterstand dem Klos-ter Berge die Besetzung der Pfarrstel-le. Ihm gehörte auch das Eigentum an der Pfarrkirche. Nach Auflösung der Klosterverwaltung unter französischer Herrschaft war die Suptur in Möckern mit der Einsetzung der Pfarrer in Calen-berge beauftragt, anschließend lag die Zuständigkeit in Leitzkau und bis vor 13 Jahren in Gommern.

Taufe in Calenberge (Bild E.Sch.) Hochzeit in Calenberge (Bild W.K.) Vor der Kirche (Bild F.H.)

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Das Dorf selbst muss spätestens seit 1558 protestantisch gewesen sein, allerdings zu dieser Zeit noch ohne Pfarrer. Die Pfarr-geschäfte erledigten die Pechauer oder Randauer Geistlichen. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich die Zustän-digkeit häufig, da das Dorf einfach zu klein war, um dauerhaft einen eigenen Geistli-chen für sich in Anspruch nehmen zu kön-nen. Ein kurzer Einblick in die Verwaltung der Pfarre sei an dieser Stelle gegeben: Seit 1606 ist ein gemeinsamer Pastor für Pechau, Calenberge und vermutlich auch Randau nachgewiesen und erst seit 1728 ein eigener Ortspfarrer nur für Calenberge. Dies blieb indes nur bis 1793 so, anschlie-ßend hatte wieder der Pfarrer von Pechau

die Filialkirche in Calenberge zu betreuen. Ab 1822 konnte das Dorf erneut einen Pfarrer nur für sich allein beanspruchen. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Pastorenstelle endgültig gestrichen und die Gemeinde entweder der Pfarre in Randau angeschlossen oder von Plötzky aus verwaltet. Das ehemalige Pfarrhaus ist seit 1974 in Privatbesitz.

Im Archiv der Kirchenprovinz Sachsen sind die Calenberger Pfarrer mit Hilfe des historischen Urkundenmaterials in einer Liste zusammengetragen worden:

Mag. Henricus Buntigus ab 1571Christophorus Weber ab 1585

1606 – 1728 mit Pechau vereinigtJeremias Bertram 1728 – 1746Johann Friedrich Hörstel 1747 – 1751Johann Friedrich Kleffel 1751 – 1774Johann Heinrich Theodor Cuno 1775 – 1776Ernst Benjamin Ludwig Ernesti 1776 – 1780Johann Ludwig Gottfried Große (Grothe) ab 17811785 – 1822 Filial von PechauPeter Friedrich Hopf 1822 – 1834Johann Friedrich Conrad Richter 1835 – 1858Gottfried Ferdinand Hermes 1858 – 1892Andreas Heinrich Friedrich Hünecke 1892 – 1905Emil Gustav Biebeler 1905 – 1929anschließend unbesetzt , von Randau verwaltet

Ehemaliges Pfarrhaus auf dem Gelände des früheren Schulzenhofs

Osterfeuer 2009 (Foto I.S.)

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17 Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, Halle 1879, Nr. 162. 18 Urkundenbuch des Klosters Berge bei Magdeburg, Halle 1879, Nr. 1062. 19 Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726. 20 Aufzählung aus: Kahlo, Marlin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929.

Wie vollständig diese Liste ist, wäre noch zu überprüfen, taucht doch im Zusammen-hang mit dem Kirchbau auch der Name Pfarrer Wichmann auf. 19

Im Jahr 1771 wohnte der damalige Pfarrer im ehemaligen Schulzenhof, dessen Ländereien unter den örtlichen Bauern ver-pachtet waren. 1791 gab die Gemeinde Ca-lenberge eine neue Orgel in Auftrag. 1864 erhielt der Pfarrer nach Abriss des alten ein neugebautes Wohnhaus und wenig später, 1882, die Gemeinde eine neue Kirche.

Sowohl an die Gotteshäuser als auch an die Pfarrstelle waren Besitzungen ge-koppelt, die zum größten Teil verpachtet gewesen sind. Hingegen bewirtschaftete der Küster seine wenigen Grundstücke selbst. Gemeindemitglieder leisteten zu-sätzlich nicht unerhebliche Dienste für die Pfarre, pflügten, säten und ernteten.

Eine Aufzählung von Pastor Grothe aus dem Jahr 1781 vermittelt einen Einblick in die Einkommensverhältnisse des Geistli-chen. Für die Unterhaltung der Pfarrei und seinen eigenen Lebensunterhalt stand ihm der Ertrag aus mehreren Grundstücken zur Verfügung, die hier exemplarisch aufge-führt sind.

Acker: sieben in den Möriken, zwei vor Brauesholz, ein Pachtstück von der Kirche hinter Friedrich an der Brücke, vier auf den Elbmaßen, ein Stück an der Bullenwiese. Zu den ersten fünf Äckern gehört die Holz-nutzung der an den Dämmen stehenden Bäume

Wiesen: in der Mark vor den breiten Stü-cken an der Brücke, ein und ein halbes Stück in der Mark, zwei kleine Ackerstücke in der Mark, eine Breite vor dem Möriken Acker, im Schwernitz drei große und drei halbe Stücke, dazu die Holznutzung an der Elbseite und auf den Stücken, hinten im Winkel vier mit

Holznutzung, zwei vorn an der sogenannten Stiege, ein Stück Kirchenkabel

Holz: eine Holzkabel im Winkel, das Unterholz in den Kirchenkabeln, die in der sogenannten „Steieige“ ausgenommen

Bareinkünfte der Pfarre: Der Abt des Klosters Berge zahlt 20 Taler, die Kirche 40, das Kloster Berge 25, die Kloster Ber-gische Pfarrkasse zehn; Beichtstuhl acht Taler, Zeiten-Geld zwei, Accidenzien drei Taler zwölf Groschen

In Summa 108 Taler und 12 Groschen, dazu jährlich sechs Klafter Holz und sechs Schock Wasen

Für eine Trauung oder Leichenpredigt zu zahlen: 1 Taler 8 Groschen, Sermon 16 Groschen, Segen 8 Groschen, Taufe 12 Gro-schen. 20

Das vom Kloster Berge an die Kirche zu liefernde Holz ist 1842 in eine Geldzahlung umgewandelt worden, gleiches geschah erst 1879 mit Realien Korn, Brot und Eiern.

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Kirche und Kirchhof

„Bekanntmachung. Der Neubau der Kirche in Calenberge (ausgeschlossen die inneren Einrichtungen) und der Ab-bruch der alten Kirche, veranschlagt auf 28.820 Mk. 69 Pf. soll an den Mindeßfordernden vergeben werden. Hierzu habe ich Termin auf Freitag, d. 6. Februar cr., Vormittags 11 Uhr in meinem Bureau hierselbst anberaumt, zu wel-chem ich Unternehmer mit dem Bemerken einlade, daß die Kostenanschläge, Zeichnungen und Bedingungen hier zur Einsicht jederzeit offen liegen. Burg, den 20. Januar 1880. Der Königliche Landrath. I A. Der Kreis-Secretair Meyer.“ 21 Zeitungsausschreibung 1880

Calenberger Dorfkirche St. Georg (Foto St.M.)

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Die kleine einsChiffige, tra-ditionell in Ost-West-Richtung ausgerichte-te und als Saalbau konzipierte Dorfkirche steht ortsbildprägend und weithin sichtbar an der Calenberger Dorfstraße inmitten ei-nes Kirchhofs, direkt am nördlichen Eingang des historischen Dorfkerns. Eine Mauer aus Bruchsteinen bildet die Einfriedung des sich nach Westen ausdehnenden Kirchhofs. Dem Zeitgeschmack der Bauzeit 1880 – 1882 entsprechend ist die evangelische Pfarrkirche Sankt Georg im Historismus, speziell in neoromanischem Stil gehalten und mit großen Rundbogenfenstern und halbrunder Apsis versehen. Auf der West-seite erhebt sich mittig vor der Giebelwand

der hohe Westturm über annä-hernd quadratischem Grund-riss. Er trägt einen spitzen Turmhelm mit Faltdach. Die Fassaden des Massivbaus sind in gleichmäßigem Qua-dermauerwerk in Sandstein und Kalkstein aufgeführt und werden durch vorgeblendete Lisenen und Rundbogenfriese in leuchtend gelben Ziegeln gegliedert. Die gelben Ziegel stammen aus den Greppiner Werken bei Bitterfeld und waren wegen ihrer festen und wasserabweisenden Qualität seinerzeit sehr ver-breitet. Es ist anzunehmen,

dass es sich bei dem Steinmate-rial um Ummendorfer oder Pirnaer Sandstein handelt.

Ummendorfer Sandstein fand beispielsweise schon beim

Magdeburger Dombau Ver-wendung. Außerdem gibt es

Abrechnungen über Aderstedter Steine, wobei es sich vermutlich um

die Kalksteinquader handelt.

Sowohl das sattelförmige Kirchen-dach als auch der Turmhelm sind mit

Kelch von 1711

Alte Postkarte, verschickt 1917 (Eigentum E.S.)

Kreuz auf dem KirchdachWährend der Renovierung 1999 (Foto H.H.)

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schwarzen Schieferplatten gedeckt. Zwei ei-serne Kreuze schmücken die Turmspitze und das Kirchendach. Auf der Nordseite schließt sich eine kleine Sakristei an. Von den drei Au-ßentüren befindet sich eine in der Südfas-sade, eine zweite im westlichen Turm und die dritte in der Sakristei auf der Nordseite. Der Zugang vom Turmuntergeschoss zum Kirchenraum ist allerdings vermauert. Über dem Saalraum hängt eine flache Holzbalken-decke, nur die Apsis ist kreuzrippengewölbt. Ein gusseiserner, polygonaler Deckenleuchter aus der Zeit um 1910 ist in den Formen des späten Jugendstils gehalten. Unterhalb der Orgelempore wurde vor etwa 50 Jahren mit Holz und Glas eine Winterkirche abgetrennt.

Nach einer umfassenden Befundung konnte vor wenigen Jahren die Farbgestaltung des Innenraums weitestgehend entsprechend der Originalausmalung aus dem Ende des 19.Jahrhunderts rekonstruiert werden. Die umfangreichen, 1999 beendeten Maßnah-men zur Renovierung der Kirche leitete die Restauratorin Frau Maria Meussling. Sowohl die Kanzel, die von Wandkonsolen und Säulen getragene Westempore für die Orgel, die Orgel selbst als auch das Gestühl sind Originalinterieur aus der Bauzeit. Der Taufstein trägt die Jahreszahl 1888 und steht in der vermauerten Türnische der Winterkirche. Seit 1994 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Für den kleinen Ort dürfte der Kirchen-neubau ein bedeutendes und aufregen-des Ereignis gewesen sein. In zahlreichen Zeitungen erschien im Januar 1880 nach umfassender Kalkulation sämtlicher Hand-dienste, Fuhrlöhne, Kosten für Material, Dachdecker, Lehm-, Zimmer-, Steinmetz- und Maurerarbeiten der oben zitierte Aus-schreibungstext.

Aus der Bauakte des Konsistoriums der Provinz Sachsen 22 geht hervor, dass meh-rere Personen an der Ausführung beteiligt gewesen sind und der Ablauf nicht im-mer reibungslos vonstatten ging. Mit den Planungen war im Vorfeld der königliche Kelch von 1711

Deckenleuchter um 1910 Kanzel in St. Georg Die Orgel in der Ca-lenberger Dorfkirche

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Bauinspector bzw. Departements-Baurat der königlichen Regierung Groß aus Mag-deburg als leitender Baubeamter betraut. Dass dieser auch den Entwurf fertigte, lieg zwar nahe, ist aber nicht verbindlich gesichert. Weiter erscheint in den Akten ein Bauführer R. Leithold zu Ummendorf, anschließend wohnhaft in Magdeburg, Heilige Geiststraße 9, der für Reisekosten und Diäten und für die Bearbeitung der Werkzeichnungen entlohnt wird. Vor Ort leitete der Maurer und Bauunternehmer Chr. Leps aus Cracau sowohl den Abbruch der alten Kirche als auch den Neubau, des-sen Fertigstellung er lt. Vertrag bis zum 31. Oktober 1880 leisten wollte. Der Bau-

unternehmer verpflichtete sich außerdem, anstelle der vorgesehenen Bruchsteine Werkstücke von bestem sächsischen wei-ßen Naturstein zu verwenden. Leps, der auch in Magdeburg zahlreiche Wohnhäu-ser errichten ließ, hat sich vermutlich auf dem Immobilienmarkt verspekuliert. Am 28. Sept. 1880 weist die Königliche Regie-rung, Abteilung II, das Konsistorium an, aus der Kirchenkasse 10.000 Mark möglichst schnell an Leps auszuzahlen, da dieser sich in großer Not befände. Mehrere Ar-beiter, Fuhrleute und Handwerker blieben anschließend auf ihren Kosten sitzen, da ihr Auftraggeber anscheinend nicht mehr zahlungsfähig war. Ab 1881 wird ein Bau-

führer Thielecke zu Gardelegen genannt und letztendlich wieder Baurat Groß, der die Leitung des Neubaus zu Ende führte und kurz darauf verstarb.

Weiter berichten die Gemeindeakten, dass Maurermeister F. Niemann aus Mag-deburg Steinmetzarbeiten, Zimmermeister Alb. Jul. Hitzeroth aus Sudenburg Tischler-arbeiten und W. Oeltze aus Calenberge Lehmarbeiten erledigten. Dachdecker-meister Schopf aus Prester arbeitete am Dach und fertigte auch das Glockengestühl im Turm. Bildhauer Habs schuf die sechs Kapitelle für die Säulchen im Chor. Hier-bei handelt es sich mit Sicherheit um den

Südportal Detail der Kirche Sakristei

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Künstler Ernst Habs, auf dessen Entwurf das Friesendenkmal im südlich vom Dom gelegenen Park am Fürstenwall zurück-geht. Ferner beteiligten sich am Kirchbau der Schlosser Schatz aus Magdburg, F. Krü-per in Calenberge mit Schmiedearbeiten, Wüste in Magdeburg mit Glaserarbeiten sowie Grunert und Sohn aus Magdeburg mit dem Turmknopf. H. König in Magde-burg erledigte die Vergoldung und den An-strich des Turmknopfes. Die Gebr. Böhmer in der Neustadt waren für die Kirchenfens-ter und die beiden Kreuze auf dem Turm und auf dem Dach verantwortlich sowie für den Glockenbeschlag und das Aufbrin-gen und Aufhängen der Glocke.

Das Interieur, Kirchstühle, Altar und Kan-zel, fertigte Tischlermeister W. Möhring aus Schönebeck für insgesamt 338 Mark und 52 Pfennige. Die Orgel kostete mit Gehäuse 2511 Mark. Hierfür wurde der Dessauer Orgelbauer A. Nickol engagiert, mit dem es anschließend ebenfalls Ärger gab. So leitete der Calenberger Gastwirt Heinrich Hesse einen Arrestbefehl gegen Nickol ein, weil dieser die Summe für Kost und Logie in Höhe von 290 Mark nicht zahlen wollte. Für die Ausmalung der Kir-che sorgte Maler Bunge aus Schönebeck. In einer anderen Liste wird allerdings ein Ohnesorge aus Magdeburg für das Malen der Kirche entlohnt. Fr. Keindorff zu Pechau

erhielt Geld für Mauersteine und E. Ludwig in Magdeburg lieferte die Fußbodenfliesen. Turmuhrfabrikant Fuchs aus Bernburg er-hielt mit Fertigstellung der Turmuhr 630 Mark und ein halbes Jahr nach Installation der Uhr, und nachdem diese problemlos funktionierte, nochmals 630 Mark. Als nette Episode erscheint uns heute die mit Schwindelanfällen begründete Weigerung von Kantor Willmann, die Turmuhr aufzu-ziehen, woraufhin das Konsistorium mit Disziplinarmaßregeln drohte, sollte der Kantor seine Pflichten weiter ignorieren. 23 Eine Revision im Jahr 1883 ergab, dass der Kirchbau insgesamt 38.261,84 Mark gekostet hatte, darin 7.312,10 Mark Mehr-

Kirchhofmauer Ostseite

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kosten, begründet durch den Konkurs des Bauunternehmers Leps. Einen Teil der Kosten, nämlich 900 Mark für zu leisten-de Hand- und Spanndienste, musste die Gemeinde Calenberge selbst aufbringen. 1.954 Mark betrug eine von Leps geleistete Kaution, die somit verfallen war. Demnach zahlte die Kirchenkasse des Konsistoriums auf Anweisung der Königlichen Regie-rung, Abteilung Schul- und Kirchenwesen, 35.407,84 Mark.

Obwohl die Calenberger Kirchenge-meinde schon seit dem 16.Jahrhundert protestantisch ist, hat auch der Neubau das Patronat aus katholischer Zeit über-

nommen. Der heilige Georg, welcher der Legende folgend als Ritter im Drachen-kampf dargestellt wird, gilt unter anderem als Schutzpatron der Bauern und scheint daher in dieser ländlichen Gegend der wich-tigste Fürbitter gewesen zu sein. Bedauer-licherweise sind von der Vorgängerkirche, die vor dem Abbruch im Jahr 1880 baufäl-lig, eng und düster war und an derselben Stelle stand, keine weiteren Nachrichten überliefert. Denkbar ist, dass es sich hier-bei um einen Fachwerkbau wie in Elbenau oder in Fermersleben gehandelt hat, der Ende des 19.Jahrhunderts als abbruchreif galt. Mündliche Überlieferungen bestätigen dies. 24 Andererseits ist es auch möglich,

dass die Mauersteine der alten Kirche oder zumindest ihres Sockels in der Friedhofs-mauer aufgegangen sind, da diese neben Sandstein aus Quarzitgestein besteht, der auch als Baustein bei mittelalterlichen Kir-chen der Umgebung Verwendung fand. Le-diglich eine 1708 gegossene Bronzeglocke im Kirchturm, mit der Inschrift „SOLI DEO GLORIA“ und einem Wappen versehen, so-wie mehrere Relief-Steinplatten sind noch erhalten.

Zwei frühneuzeitliche Wappensteine an den Torpfeilern der Kirchhofsmauer sollen ehemals am Eingang der alten Kirche an-gebracht gewesen sein. Das linke ist bis

Grabstein des Simon Wilde

Wappen am rechten Tor-pfeiler der Friedhofsmauer

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Blick auf die Calenberger Dorfkirche von Westen

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21 Magdeburgische Zeitung, 21.1.1880, Amtliches Kreisblatt für den ersten Jerichowschen Kreis, 27.1.1880, Magdeburger Tageblatt, 22.1.1880, Tageblatt für die Jerichowschen und benachbarten Kreise und Burgsche Zeitung, 27.1.1880. 22 Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenber-ge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726. 23 Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenberge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep.A, Spec.G, Nr.6726. 24 Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2, s.p. 25 Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929, S. 32f.

zur Unkenntlichkeit verwittert. Ein wei-teres Wappen ist auf der Ostseite in die Kirchhofsmauer eingelassen. Außerdem hat sich eine stark verwitterte figürliche Sandstein-Grabplatte aus der Mitte des 17.Jahrhunderts erhalten, die jetzt im Kir-cheninneren verwahrt wird. Sie zeigt den inschriftlich benannten Dorfschulzen Si-mon Wilde, lebensgroß, barhäuptig und mit Halskrause im Harnisch, dazu Schwert und Streithammer in den Händen und den Helm zwischen den Füßen, das Gesicht mit dem krausen Haar nach rechts gewandt. Vier Ahnenwappen in den Ecken der Grabplatte ergänzen das Bild. Der Dargestellte wird in einem Kaufkontrakt von 1626 erwähnt und ist vermutlich damals der Dorfschulze gewesen. 25

Über das nicht mehr lesbare Wappen im linken Torpfeiler der Friedhofsmauer berichtet noch Martin Kahlo, dass es die Jahreszahl 1594 und den Namen Alemann zeigte und es sich somit um das Wappen

der alten Magdeburger Patrizierfamilie, die in Calenberge seit hundert Jahren ein Lehnsgut und seit 1562 das Schulzenamt inne hatte, handele. Weiter führt er aus, das rechte, vierfeldrige Wappen müsse einem Abt vom Kloster Berge zugeordnet werden. Es zeigt in zwei Feldern Rosen, außerdem Eicheln und Fische. Somit ist sehr wahrscheinlich, dass die beiden Wap-pen der Vorgängerkirche zu Ehren der Stif-ter – demnach der Abt vom Kloster Berge und der Dorfschulze – angebracht gewe-sen sind. Hieraus ist die Schlussfolgerung möglich, dass die Vorgängerkirche Ende des 16.Jahrhunderts errichtet wurde oder zumindest einen umfassenden Umbau erfahren hat. Ob dieser Kirchenbau nun der erste in Calenberge war, bleibt wei-terhin offen. Der dritte, etwas größere Wappenstein in der Friedhofsmauer zeigt das Wappen vom Kloster Berge und die Jahreszahl 1701. Ferner sind noch einzel-ne Buchstaben zu erkennen, rechts BB und links ein W. Es handelt sich hierbei

um den Wappenstein des Abtes Wolf-hardt (Schreibweise auch Wolfart oder Wohlfahrt).

Aus älterer Zeit gehören noch zum In-ventar der Kirche eine vergoldete Taufscha-le, die inschriftlich am 29.November 1685 von Jürgen und Margareta Böne gestiftet wurde, außerdem zwei barocke Altarleuch-ter aus Messing, gestiftet 1664 von Catrina Pielen, deren Nachname auf einem Leuchter mit „ie“, auf dem anderen nur mit einfachem „i“ graviert ist. Weiter besitzt die Gemeinde einen silbernen Messkelch mit vergoldeter Kuppa. Neben dem Entstehungsdatum 1711 sind um den Fuß in einer schlecht lesbaren Schenkungs-Inschrift die Namen der Stifter graviert. Es handelt sich hierbei um den damaligen Inhaber des Ackerhofes Nr.1 (Nr.1 laut Separationsrezess) und Ge-richtsschulzen in Calenberge Johan Bendix Drope (Schreibweise auch Troppe) und sei-ne zweite Frau Anna Magdalena, geborene Moltrecht aus Gübs.

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Die Schule

„Ueber Gründung und Einrichtung der Schule ist keine Kunde auf uns gekommen. Man darf annehmen, daß mit dem Uebertritt des Klosters Berge zur Reformation die Gründung einer Schule in die Wege geleitet wurde.“

Wie Der sChulunterriCht noch im 18. Jahrhundert in Preußen aussah, ist für uns heute kaum mehr vorstellbar. Der Schullehrer war manchmal ein ausgedienter Soldat, in besseren Fällen der Kantor und Organist, häufig der Küster. Diese Personen hatten natürlich auch ihre Aufgaben inner-halb der Kirchengemeinde zu erledigen und wurden nur äußerst gering und mit der Nut-zung eines kleinen Gemüseackers entlohnt. Ein Visitationsprotokoll der benachbarten Randauer Kirchengemeinde aus dem Jahr 1651 gibt beispielsweise Auskunft darüber, der Pastor habe den Unterricht meist selbst erteilt, weil der Schulmeister für seinen Lebensunterhalt sein Schneiderhandwerk habe ausüben müssen. 26

Sowohl in den Dörfern als auch in der Stadt bestand eine Klasse häufig aus mehr als 50 Schülern. Der Unterricht fand in dunklen, feuchten, viel zu kleinen Räumlichkeiten statt und reduzierte sich während der Ern-tezeit oft auf nur zwei Stunden täglich. Es passierte regelmäßig, dass ein Schulkind in den dumpfen Klassenzimmern aufgrund von Sauerstoffmangel in Ohnmacht fiel. Ein Schulzimmer war nicht selten gleichzeitig Gemeindesaal oder ein Raum in einem Privathaus. Ähnlich einfach sah die Woh-nung des Lehrers aus, manchmal nur eine feuchte, unbeheizbare Stube unter dem Dach. Ende des 18.Jahrhunderts wurde die Schulbildung, zuvor gänzlich in kirchlicher Hand, verstaatlicht.

Die Zustände in Calenberge werden ähn-lich, aber vielleicht schon wegen der re-lativ geringen Einwohnerzahl des Dorfes nicht ganz so drastisch gewesen sein. Von Pechau ist vergleichsweise überliefert, dass sich die Schule im Wesentlichen aus einem Schulzimmer, Küche, Speisekam-mer und Schlafzimmer und einem weite-ren Giebelzimmer unterm Dach, kleinen Dachkammern, Bodenraum mit Tauben-schlag, dazu Stallgebäude mit Scheune und Tenne, zusammensetzte. 27 Seit Ende des 17.Jahrhunderts ist in Calenberge re-gelmäßiger Schulunterricht nachgewiesen, da ab 1687 die amtierenden Dorflehrer oder Schulmeister – wie üblich auch hier gleichzeitig Küster und Kantor – namentlich

Martin Kahlo 1929 (S.33)

Schulkind in Calenberge (Bild W.K.)

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überliefert sind. 1786 ließ der Ortspfarrer das Einkommen aus einem Wiesenstück für den Lehrer abzweigen, um dessen finan-zielle Situation etwas zu verbessern. Die vielerorts beklagten Umstände änderten sich erst im Verlauf des 19.Jahrhunderts und mit Einführung der allgemeinen Schul-pflicht 1919.

Seit wann es in Calenberge ein eige-nes Schulhaus gab, ist nicht überliefert. Der früheste Hinweis ist an ein trauriges Ereignis geknüpft, denn 1702 ertrank der sechsjährige Sohn des Schulmeisters Con-rad Mertz im Graben hinter dem Schulgar-ten. 1872 wurde das alte, sehr beengte

und baufällige Schulhaus abgerissen und auf Kosten der Kirchenkasse ein Neubau errichtet. Das inzwischen überbaute und dadurch stark veränderten Gebäude dient heute als Gemeindehaus.

Schülerzahlen lassen sich erst ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts bele-gen. 1856 besuchten 50 Kinder die Schule (bei etwa 155 Einwohnern insgesamt), 1866 waren es 38. Dann sank die Schülerzahl auf 20 Kinder 1889, 1895 waren es 24 (Ein-wohnerzahl 160), 1899 29 (Einwohnerzahl 171). 1927 nutzten nur noch 12 Kinder die Calenberger Dorfschule (155 Einwohner), wobei man davon ausgehen muss, dass

Mit Lehrer Gustav Seeger, 1929 (Bild D.P.)Calenberger Schule um 1912, Aufnahme vor dem ehemaligen Pfarrhaus (Bild E.S.)

Auf dem Schulweg nach Randau (Bild F.H.)

26 Hennige, Max, Randau, Gut und Dorf in Vorzeit und Gegenwart, München 1913, S.49. 27 Festschrift zur 1000 Jahrfeier der Gemeinde Pechau, Magdeburg 1948, S.13. 28 Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

inzwischen das ein oder andere Kind eine Schule in den Städten der Umgebung be-suchte. Richard Perlberg berichtet, dass in den 1930er Jahren die Schülerzahl wieder auf 18 bis 20 Kinder gestiegen war und die Dorfschule aus 8 Klassen bestand, die ge-meinsam in einem Raum ihrem Unterricht folgten. 28 Der letzte Calenberger Lehrer Wilhelm Rinne unterrichtete bis 1939, bis die Wehrmacht ihn einzog, anschließend wurde die Schule geschlossen. Die Kinder gingen jetzt in die Randauer Dorfschule. Ab den 1970er Jahren mussten die Schulkinder nach Elbenau fahren, da auch das Randau-er Schulhaus aufgegeben worden war.

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Die ganze Schule 1937, Lehrer Wilhelm Rinne und 8 Klassen (Bild E.S.)

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Manöverkarte der 8.Division, 1910, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 29)

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Kriegerdenkmal

„1914 + 1918 Ihren tapferen Helden Wilh. Dankert verm. 24.8.14Adolf Biebeler gefl. 10.11.14Herm. Biebeler gefl. 1.1.15Erich Blume verm. 25.9.15Felix Biebeler gefl. 3.12.15Herm. Götze gefl. 28.5.16Albert Dankert gefl. 27.2.17Hans Seeger verm. 1.8.17Gust. Dankert gest. 14.10.18Heinr. Hesse gest. 16.9.20die Gemeinde Calenberge.“

auf Dem kleinen Dorfan-ger unter einer großen Eiche steht das wohl in den 1920er Jahren für die Gefalle-nen des Ersten Weltkrieges errichtete Krie-gerehrenmal. An einer großen schlichten Steinstele ist eine Bronzetafel montiert, darauf die Inschrift:

Ulan Emil Perlberg (Bild D.P.)

Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs (Foto St.M.)

Das Ehrenmal steht unter Denkmal-schutz.

In der Dorfkirche hängt an der südlichen Stirnseite eine weitere Gedenktafel, die an Friedrich Kahlo, Musketier im 1. Magd. Infanterie-Regiment Nr.26, erinnert, der im deutsch-französischen Krieg 1871 fiel. Vor ein paar Jahren erst haben die Calenber-ger im Kirchhof eine weitere Gedenkplatte für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aufgestellt.

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Im Dorfkrug

Im Jahr 1898 gründeten der Gärtner Gustav Wolter und seine Frau Else einen Baumschul- und Obstbaubetrieb, dem eine Gaststätte angegliedert war. Gustav Wolter übernahm die Gaststätte von der Familie Hesse. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg führten Bruno Gustav Wolter und seine Frau Charlotte in zweiter Generation die inzwischen bekannte Ausflugsgaststät-te „Parkrestaurant Wolter“ in Calenberge weiter. Zum Parkrestaurant gehörten ein Rosengarten und ein kleiner Park, darin Gehege für Waschbären, Fasane und Füch-se. 1958 musste die Familie Wolter ihren Betrieb an die Konsumgenossenschaft

zwangsverpachten. Die Eheleute arbeite-ten jetzt als Angestellte im ehemals eige-nen Betrieb, ihre Söhne siedelten noch in den 1950er Jahre nach Westdeutschland um und bauten sich eine neue Existenz auf. Nachdem das Anwesen nach der Wieder-vereinigung zurück in die Hände der Familie Wolter kam, ist es 1996 an den Niederlän-der Henk Til verkauft worden. Seitdem heißt die Gaststätte „Landhaus Elbebiber“. Sie ist inzwischen verpachtet.

Der Anfang eines Gaststättenbe-triebes in Calenberge ist spätestens im 18.Jahrhundert zu suchen, denn schon 1819 verkaufte Sophie Justine Nicolai das

Wolters Parkrestaurant, alte Postkarte, gestempelt 1908

(S.L. GF4)

Im Garten der Gaststätte Wolters, Postkarte 1929 (S.L. GF7)

Familienrunde im Garten der Gaststätte Wolters, Postkarte um 1910 (S.L. GF8)

Partie in Wolters Garten (Bild E.S.)

gesamte Eigentum ihrer Eltern, das einsti-ge Gut des Ortsschulzen. Der Hof mit den Wirtschaftsgebäuden und dem Garten sowie der angeschlossene Krug gingen in den Besitz von Johann Andreas Blume über. Dieser übertrug die Schankgenehmigung auf seinen eigenen Hof, den wiederum Heinrich Hesse 1888 erwarb.

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Hochzeitsgesellschaft im Saal des Parkrestaurants (Bild E.S.)

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Im Falle eines Feuers

„Der Feuerkommissarius und sein Stellvertreter müssen, damit desto gewisser einer zugegen ist, beide nach dem Orte des Feuers eilen, sobald die Sturmglocke geht, oder sie sonst vom Ausbruch eines Feuers Kunde erhalten. Bis zu ihrer Ankunft übernimmt der Ortsvorsteher die Leitung der Löschungs- und Rettungsarbeiten. Erscheint der Landrath am Orte des Feuers, so steht ihm die Anordnung der Löschanstalten zu.“ 29

§ 18 der Bestimmungen des Feuerpolizeikommissarius 1823

Vertrag zwischen der Calenberger und der Randauer Feuerwehr 1934 (Eigentum E.S.)

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Spritzenhaus

im falle eines feuers muss-ten alle Calenberger Männer, sobald die Sturmglocke läutete, als Spritzenmänner oder beim Wasserwagen ihren Dienst tun, und zwar nicht nur im eigenen Dorf. In je-dem Hausflur hing für den Notfall ein le-derner Löscheiner bereit. Für die Wartung der Spritzen hatte als Spritzenmeister der Schmied zu sorgen. Brach in einem Nach-barort ein Feuer aus, so erhielten die eif-

rigen Calenberger Feuermänner oftmals eine Prämie, die der zuerst angekommenen auswärtigen Spritze gezahlt wurde. Mau-rermeister Ruthe baute 1850 ein neues Spritzenhaus.

Im Jahr 1934 verschmolzen die Feuer-wehren Calenberge und Randau bei einem Festakt im Gasthof Wolter in Anwesenheit des Kreisfeuerwehrführers Herrn Bezirks-schornsteinfegermeister Wagner aus Loburg

und unter den Augen von 24 Randauer und 15 Calenberger Männern. Oberbrandmeis-ter Karl Cupitz kam aus Randau, sein Stell-vertreter Fritz Hesse aus Calenberge. Nach dem Krieg teilten sich die Wehren wieder in zwei eigenständige Dorffeuerwehren. Ein 1940 vom Baugeschäft Otto Möbes geplan-tes zweigeschossiges Gemeinde- und Sprit-zenhaus mit Gemeindewohnung und Arrest-zelle ist nicht realisiert worden. 1991 folgte die Freiwillige Feuerwehr Calenberge einer Einladung der Freiwilligen Feuerwehr Uetze in Niedersachsen. Aus dieser Begegnung entwickelte sich in den folgenden Jahren eine intensive Partnerschaft mit gemeinsamen Treffen und Veranstaltungen. Familienfreundschaf-ten, die sich damals entwickelten, bestehen bis heute.

29 Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr.2 vom 10. Januar 1824, S.12, in: Landeshauptarchiv Sachsen Anhalt, LHASA, MD, Rep.C30 Landratsamt Magdeburg Lit F Nr.13.

Entwurf für ein Feuerwehrhaus in Calenberge (St.A., Bauakten-kammer, Bestand Calenberge)

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Nazi-Regime und Zweiter Weltkrieg

„Das Ende kam, und es war grauenvoll! Zu Hunderten kamen sie, Flüchtlinge mit und ohne Gepäck, mit kleinen Kindern und alten Leuten, immer in Richtung Westen, weg von den Russen, keiner dachte daran zu bleiben. Aus Ost- und Westpreußen und aus dem Sudentenland kamen die meis-ten und versuchten über die Elbe zu kommen. Und dann kam die Rote Armee. Nicht mit Panzern und schweren Waffen, nein, mit kleinen zottigen Pferden, Panjewagen und Kalaschnikows kamen sie wie die Heuschrecken in unüber-sehbarer Zahl, Fahrräder und Armbanduhren waren ihre liebsten Trophäen, und nachts hallten die Hilferufe verge-waltigter Frauen und Mädchen durchs Dorf.“Ernst Schwarzlose 2009

Calenberger Schmiede und Bäckerei nach

dem Bombenangriff 1942 (Bild E.S.)

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Straßenszene in den 1930er Jahren (Bild D.P.)

Erntefest in den 30er Jahren (Bild G.H.) Kriegszeiten (Bild D.P.)

anfang Des 20. JahrhunDerts gab es in Calenberge eine Schmiede und eine Bäckerei, die von ein und derselben Person geführt wurden. Die Dorfbewohner brachten sozusagen ihren Blechkuchen zum Schmied, um ihn backen zu lassen. Als später der zugezogene Bäckermeister Ri-chard Lohse die Bäckerei übernahm, stellte er einen eigenen Schmied ein. Lohse besaß auch das erste Auto im Dorf.

Was die Verblendung der Menschen durch das Hitler-Regime betrifft, so stell-te der kleine Ort in der Elbniederung kei-ne Ausnahme im Deutschen Reich dar. Es gab keine nennenswerte Opposition gegen den Diktator, man fügte sich mit mehr oder weniger patriotischem Eifer

und mit der Hoffnung auf bessere Zei-ten. Mit Kriegsausbruch 1939 gingen alle wehrfähigen Männer an die Front. 1941 fiel Alfred Richter als erster junger Mann aus Calenberge. Frauen und Kinder sowie die Großeltern mussten nun allein die Land-wirtschaft bewältigen, bis ihnen serbische Kriegsgefangene zur Unterstützung für die Landwirtschaft zugeteilt wurden. Die Serben wohnten im ehemaligen Schulhaus und durften sich tagsüber frei bewegen. Ein deutscher Soldat versah den Wachdienst.

Selbst das kleine und strategisch unbe-deutende Dorf Calenberge blieb nicht von den alliierten Angriffen verschont. Gab es Bombenalarm, so blies der Gemeindedie-ner lautstark in seine Trompete und alle

Bewohner liefen zu ihren mit Holz ausge-kleideten Bunkern hinter den Höfen. 1942 brannte nach einem Fliegerangriff die Bäckerei nieder. Am 22.Janunar 1944 um 21:30 Uhr wurde das Dorf schwer getrof-fen, vermutlich durch vom Wind abgetrie-bene Leuchtmarkierungen, die eigentlich auf die Industrieanlagen in Magdeburg Südost zielten. Es brannte an mehreren Stellen. Der Nachtwächter Ignatz Wyrem-beck kam durch die Geschütze der Tief-flieger ums Leben. In Folge dieses Angriffs stationierte die Fliegerabwehr zum Schutz der Schönebecker und Magdeburger Indus-trie vorübergehend sechs Fliegerabwehr-geschütze südlich des Dorfes, rechts vom Winkelweg. Der dazugehörige Scheinwer-fer stand vor dem Kantorkolk.

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Calenberge in jüngerer Vergangenheit

„Die Mitglieder einer Landwirtschaftlichen Pro-duktionsgenossenschaft verpflichten sich, ihre ge-nossenschaftliche Wirtschaft zu stärken, ehrlich zu arbeiten, das Einkommen der Wirtschaft ent-sprechend der Menge und Qualität des einge-brachten Landes und der geleisteten Arbeit zu verteilen, das staatliche und genossenschaft-liche Eigentum zu behüten, die Traktoren und die genossenschaftlichen Maschinen und Geräte zu pflegen, das Zucht- und Nutzvieh gut zu betreuen, ihre Pflichten gegenüber dem Demokratischen Staat zu erfüllen und auf diese Weise ihre Genossenschaft zu einer mustergültigen landwirtschaftlichen Großwirtschaft zu entwickeln und alle Mitglieder der Genossenschaft wohlha-bend zu machen.“ 30

Parkrestaurant Calen-berge, Gaststube, Saal, Bauernstube, Veranda, um 1950 (S.L. GF9)

Hoffmann, Referatsleiter Kataster beim Rat des Kreises Schönebeck 1964

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als Die rote armee in Calen-berge 1945 einzog, richteten die Soldaten im Haus Schwarzlose ihre Kommandantur ein. Die Russen holten alle älteren Calen-berger und den Bürgermeister Albert Horn ab. Letzterer kehrte nicht zurück, er starb 1948 im Internierungslager. 1946 enteig-nete die sowjetische Besatzungsmacht sei-nen Besitz. Innerhalb einer Stunde musste seine Familie mit Handgepäck den Land-kreis verlassen. Nach dem Vorbild sowje-tischer Arbeiter- und Bauernräte richtete die Standortverwaltung der Roten Armee auch in Calenberge ein Verwaltungsgremi-um ein, das ein aus Schlesien vertriebener Deutscher namens Gellwitz anführte.

Für die Dorfgemeinschaft , die das Schicksal aller Deutschen teilte und einige Väter und Söhne im Krieg verloren hatte, waren die ersten Nachkriegsjahre eine ent-behrungsreiche Zeit, obwohl es ihnen um ein Vielfaches besser ging als den vielen Flüchtlingen und Großstadtbewohnern. Im Jahr 1947 erfror das Wintergetreide und anschließend regnete es kaum, sodass das Soll der Zwangsablieferungen pro Hektar, an welches sich die Schlachterlaubnis koppelte, nicht erfüllte werden konnte. Wie überall nach dem Krieg schlachteten auch die Calenberger Bauern schwarz und setzten sich damit großer Gefahr aus. Im

Lauf der 1950er Jahre entspannte sich die Situation, nicht zuletzt durch ein neues Preissystem, mit dem Überproduktionen drei- und vierfach vergütet wurden.

Mit Datum vom 1.Juli 1958 schlossen sich die Calenberger Bauern in einer LPG Typ I zusammen. Dies bedeutete, dass die Viehwirtschaft vorübergehend noch bei den einzelnen Bauern verblieb, während sie die Äcker gemeinsam bestellten. Obwohl man diesen Zusammenschluss von offizieller Seite als freiwillig propagierte, war er doch erzwungen worden. Die Einzelbauern hatten entweder kein oder nicht genügend Saatgut und Düngemittel erhalten. Schon wenige Monate später, am 1.Januar 1959 wandelte sich die LPG Typ I in Typ III, sodass die ge-

Hoffmann, Referatsleiter Kataster beim Rat des Kreises Schönebeck 1964

LPG-Bauern (Bild H.G.) Bei der Rübenernte (Bild H.G.)

meinsame Bewirtschaftung nun alle Berei-che umfasste und aller Besitz, das Vieh, die Maschinen und das Land, in der LPG auf-gingen. Zur Eigennutzung bzw. Eigenversor-gung blieb jeder Familie ein Grundstück von 0,5 ha und etwas Vieh. Ältere Calenberger können sich noch daran erinnern, wie das Vieh von den Höfen getrieben wurde. Fried-rich Wille übernahm das Amt des ersten Vorsitzendenden der LPG. Die ersten Bau-ten für den Wirtschaftshof entstanden ab 1964 am Nordausgang des Dorfes. Im Jahr 1963 richtete ein Brand großen Schaden in Calenberge an.

Nach dem Zusammenschluss mit der LPG Randau im Jahr 1974 erzielte die Ge-nossenschaft gute Erfolge. Hingegen war

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Luftbild Mitte 1980er Jahre, Ausschnitt (St. M.)

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die Bildung einer KAP (Kooperative Agrar-produktion) zwei Jahre später, welche die Ackerwirtschaft von der Dornburger Wische bis zur Berliner Chaussee in Magdeburg zu-sammenschloss und von der Viehwirtschaft abkoppelte, ein Fehler. Wegen der großen Fläche bereitete es enorme Mühe, die Pro-duktion zu überschauen und die Erträge san-ken. Außerdem musste nun das Futter für die Viehwirtschaft eingekauft werden, denn die Abteilung Tierproduktion blieb bis zur politi-schen Wende ein eigenständiger Betrieb.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehör-te der Landkreis Jerichow I kurzzeitig zu Calbe und dann zum Landkreises Schö-

Hochsitz am Rand der Alten Elbe

LPG-Gebäude heute

nebeck/Elbe. Bis zum Zusammenschluss mit Randau 1952 gab es im Dorf einen Bürgermeister. Dieser hatte ein Telefon, ebenso die Gaststätte und später auch die LPG. Frau Meseberg und Frau Schwarzlose stellten einem Arzt zum Praktizieren ihre Wohnstuben zur Verfügung, um kranken Dorfbewohnern lange Anreisewege zu er-sparen. Schon vor dem Krieg bestand bis 1945 im ehemaligen Pfarrhaus eine kleine Polizeistation. Diese Stelle übernahm zu DDR-Zeiten ein Volkspolizist. Das Spritzen-haus verfügte über eine kleine Arrestzelle.

Jagd- und Fischereirechte lagen ur-sprünglich in den Händen des Klosters.

Erst 1870 gingen sie auf den Grundbesitz der jeweiligen Bauern über. Der DDR-Staat trennte Jagdrecht und Grundeigentum er-neut. Seit der politischen Wende ist die Jagd wieder an das Grundeigentum ge-bunden. 1991 gründete sich die Jagdgenos-senschaft Calenberge, welche die Flächen verpachtet.

Die politische Wende 1989/90 haben viele Dorbewohner sehr intensiv erlebt und auch aktiv mitgestaltet. Zu nennen sind hier vor allem die Familien Hesse und Czo-galla sowie der ehemalige Bürgermeister Werner Riemer.

30 Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 47 S4, S. 38.

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Gehrenkolk

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Naturraum Elbe – Kolke, Altarme, Altwässer

im laufe Der JahrhunDer-te änderte die Elbe mehrmals ihren Lauf, spaltete sich in zwei oder manchmal auch drei Arme, so dass die angrenzende Land-schaft einer ständigen Veränderung un-terworfen war und sich Altarme bildeten, während sich der Fluss einen neuen Weg suchte. Dieser Prozess ist für einen frei fließenden Fluss etwas ganz Natürliches. Bis um das Jahr 1.000 flossen die größten Wassermengen durch die heutige Alte Elbe. Später verlor der Ostarm immer mehr an Bedeutung. Dennoch hinterließen regelmä-ßige Überflutungen Kolke, die allmählich wieder verlandeten, während sich neue bildeten.

Kolke sind Erosionserscheinungen und entstehen in Flussbetten in der Fließge-wässersohle oder in Flussauen durch Hoch-wasserereignisse. Während der leichte Bo-den durch das Wasser fortgeschwemmt wird, bleibt der festere Untergrund, Lehm oder Festgestein, stehen. Kolke können große Tiefen aufweisen. Da mit dem Bau

des Elbe-Umflutkanals und des Pretziener Wehrs seit fast 150 Jahren die gefährlichen Fluten endgültig gebannt sind, entstehen auch keine neuen Wasserlöcher mehr. Seit gleichzeitig die Alte Elbe vom Hauptstrom abgeschnitten ist, entwickelten sich aus dem ehemaligen Altarm der Elbe Stillge-wässer, Altwässer genannt, die sich zuneh-mend fragmentierten. Die naturgegebene Dynamik der Landschaft ist seither unter-bunden. Was dem Menschen nutzt und für die Kulturlandschaft von grundlegender

Bedeutung ist, schadet hingegen der Tier-welt. Den Altwässern fehlt der Kontakt zum Hauptstrom und somit der Wasseraus-tausch, sie verlieren zunehmend an Tiefe und Sauerstoff.

Viele Kolke und Wasserlöcher sind schon vor hundert Jahren zugepflügt und verfüllt worden, weitere verlandeten und verschwanden in den vergangenen Jahr-zehnten. Alte Bezeichnungen wie „Schul-tenkolk vor der Hölle“, „krumme Lake“ und

Altwässer bei Calenberge

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„Winkelkölke“, „Heidensümpfe“ oder „der Kolk auf dem Möhreken“ und auch „Klaus-laake“ geraten zunehmend in Vergessen-heit, da die Wasserlöcher hierzu nicht mehr existieren. Vorhanden sind hingegen noch der „Scheidkolk“ an der Gemarkungsgrenze (nur noch in Resten) und der „Katzenkolk“ (heute nicht mehr Calenberger Feldmark), die „Gehrenkolke“ (nur noch einer) und die „Pfingstwiesenkolke“, die „Höllenkolke“ vor dem Pechauer Busch, ein Kolk im Pechauer Busch, der „Calenberger See“, dessen süd-licher Teil schon lange verlandet ist, die

Altwässer in der Calenberger FeldmarkIm Niederholz bei Calenberge

Liebeseiche, im abgestorbenen Holz sind Gänge des Eichenheld-bocks zu sehen

Kolk mit alten Eichen mitten in der Weide

„Kirchsee“ und der „Kanterkolk“ vor dem Winkel.

Für die Verlandung der Altwässer sind diverse Prozesse verantwortlich. So auch die Tatsache, dass sich die Elbe im letzten Jahr-hundert um etwa 1,5m vertiefte und gleich-zeitig der Grundwasserspiegel sank. Außer-dem beschleunigen Düngemittel aus der Landwirtschaft das Pflanzenwachstum im Wasser und somit die Verschlammung und anschließende Verlandung. Hierbei wirken sich Lage, Wind und Wetter unterschiedlich auf den Verlandungsprozess aus.

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Nördlicher Ausläufer des Calenberger Sees

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Besondere und seltene Tierarten

Die elBauenlanDsChaft süd-lich von Magdeburg ist ein artenreiches Biotop für seltene Tier-, Insekten- und Pflanzenarten und im großen, nahegele-genen Naturschutzgebiet Kreuzhorst be-sonders geschützt. In fließenden Gewäs-sern der Elbauen sind Biber, Fischotter und Wasserspitzmaus heimisch. Noch im 19.Jahrhundert war der Elbebiber den Ca-lenberger Bauern ein Dorn im Auge, da gro-ße Biberkolonien die Deiche beschädigten und das fließende Gewässer stauten. Wie-derholt versuchten die Dorfbewohner, die Nager aus der Calenberger Gemarkung in die Kreuzhorst zu vertreiben. Seit mit dem Bau des Umflutkanals der Wasserspiegel der Alten Elbe sank, ist der Biber in der un-mittelbaren Nachbarschaft des Dorfes nur noch selten zu finden gewesen. In jüngster Zeit hat die Population allerdings wieder deutlich zugenommen.

Als besondere, im Schilf nistende Röh-richtbewohner gelten Rohrweihe, Teich- und Drosselrohrsänger sowie die Wasser-ralle. Mit etwas Glück begegnet man auch

dem Eisvogel. In der Uferregion nistet die Beutelmeise. Stehende Altwässer sind ideal für Laubfrosch, Kammmolch, Rot-bauchunke und Ringelnatter, aber auch für den überwiegenden Teil aller existierenden Wasserkäferarten. Die feuchten Tümpel und sumpfigen Stellen um Calenberge mit ihren Röhrichten, Rieden und Gebüschen bieten außerdem einen idealen Lebens-raum für zahlreiche Libellenarten. Der vom Aussterben bedrohte Spitzfleck, die blaugrüne Mosaikjungfer und die Südliche Binsenjungfer sind nur drei davon. In Über-schwemmungsgebieten legen Hirschkäfer unter der Baumrinde von alten abgestor-benen, dicken Eichen ihre Eier ab.

In der Magdeburger Elbregion sind we-gen des guten Nahrungsangebotes Milane besonders gehäuft anzutreffen, neben dem Rotmilan auch der seltenere Schwarzmilan. Außerdem vermehren sich Kolkrabe und Nebelkrähe, deren Lebensräume jedoch nicht auf Feuchtgebiete beschränkt sind, auffallend zahlreich. Im Auenwald – wie etwa in der Kreuzhorst – fühlt sich der Pirol

zu Hause. Ein besonderer Schmetterling, der Schwalbenschwanz, benötigt Trocken-rasenflächen wie sie die Weiden um das Dorf bieten. Seltene Vogelarten, Wende-hals, Neuntöter und Sperbergrasmücke, fühlen sich auf Streuobstwiesen wohl.

Als im Jahr 2000 in der Dornburger Al-ten Elbe unweit von Calenberge die Euro-päische Sumpfschildkröte wiederentdeckt wurde, galt dies unter Wissenschaftlern als kleine Sensation.

Libellula depressa (Plattbauch); die Libel-lenart besiedelt ausdauernd oder zeitweise trockenfallende, flache Gewässer, beson-ders auch Flutrillen von Überschwem-mungsgebieten; sie schlüpft bereits ab Mitte April, fliegt bis Mitte Juli und legt ihre Eier im Flachwasserbereich auf trei-benden Grünalgenmatten oder faulenden Blättern ab

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Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis), als die Schildkröte in der Dorn-burger Alten Elbe im Jahr 2000 wiederentdeckt wurde, galt dies als Sensation (Foto H.P.)

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Von der politischen Wende 1989 bis heute Nachwort von Bernhard Czogalla

Wie üBerall in Der ehema-ligen DDr stand auch die Mehrzahl der Calenberger dem „Wendegeschehen“ zu-nächst zurückhaltend und teilweise kritisch gegenüber. Es gab aber einige Familien, die sich schon sehr früh an den Montagsgebe-ten und später den Montagsdemonstratio-nen im Dom und in Magdeburg beteiligten. In oppositionellen Gruppen und Initiativen, wie dem Wirtschaftskreis und der Wende-zeitung „Halle-Magdeburger“, arbeiteten sie aktiv mit. Am Tag der Einheit, dem 3. Oktober 1990, wurde im Rahmen einer kleinen, von der Pastorenfamilie Lippold organisierten Feierstunde durch Richard Perlberg und Werner Künne im Wendekreis des Dorfes eine Eiche gepflanzt.

Als sich die Wiedervereinigung abzeichne-te und der Zusammenbruch der ostdeut-schen Betriebe nicht mehr aufzuhalten war, mussten sich auch die meisten Calenber-ger beruflich neu orientieren. So mancher machte dabei die schmerzhafte Erfahrung der Arbeitslosigkeit. Die wenigsten ließen sich aber entmutigen. Das Heft selbst in die Hand zu nehmen, war und ist eine „Ca-lenberger Tugend“.

In den schwierigen Jahren des demo-kratischen Neuanfangs übernahmen viele Frauen und Männer aus Calenberge auch politische Verantwortung. Dem Gemeinde-rat gehörten von 1990 bis 1994 Richard Perlberg, Werner Riemer (1992 bis 1994

Bürgermeister von Randau-Calenberge), Juliane Czogalla, Kurt Rüdiger Schulle und Werner Koch an. Seit der Eingemeindung am 1. Juli 1994 arbeiteten bis heute Ca-lenberger im Ortschaftsrat mit. Dies sind: Wolfgang Hesse, Heike Marzinkowski, Bernhard Czogalla (musste sein Mandat niederlegen, da er Beigeordneter in Magde-burg war), Wilfried Künne, Werner Czogalla, Torsten Schulle und Elmar Baugut.

Im Rahmen der ersten Gebietsreform des Landes Sachsen-Anhalt fanden u.a. öffentliche Veranstaltungen zur Frage der Eingemeindung der Dörfer Pechau, Randau und Calenberge statt. Nach langen und zum Teil heftigen Diskussionen sprachen sich in geheimer Wahl 857 Einwohner mehr-heitlich für die Eingemeindung in das Ge-meindegebiet der Landeshauptstatt Mag-deburg aus. In Calenberge votierten 72 % der Bevölkerung dafür. Am 20.12.1993 fasste die aus 149 Mitgliedern bestehende Stadtverordnetenversammlung in Magde-burg unter der Nummer 639-51 (I 93) den Beschluss für die Eingemeindung der Ver-waltungsgemeinschaft Randau-Calenber-ge. Oberbürgermeister Dr. Willi Polte nahm zusammen mit Ortsbürgermeister Werner Riemer am 30.6.1994 die Enthüllung der neuen Ortstafeln vor.

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Oberbürgermeister Dr. Willi Polte und Bürgermeister Werner Riemer vor dem Schloss Randau mit dem neuen Ortswappen von Randau-Calenberge, 30.6.1994 (St.A., Foto W.Kl.)

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Seit der politischen Wende 1989 und beson-ders seit der Eingemeindung hat sich Ca-lenberge enorm verändert. Die Elektro- und Trinkwasserversorgung wurde bereits kurz nach der Eingemeindung auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Außerdem wurde das Dorf an die zentrale Abwasse-rentsorgung der Landeshauptstadt Mag-deburg angeschlossen. Die Straße zwischen Calenberge und Magdeburg ist grundlegend ausgebaut. Ein neues Wartehäuschen für die Bushaltestelle steht schräg gegenüber der Kirche. Der Personennahverkehr funkti-oniert zuverlässig. Das Ortsbild ist mit neu gestalteter Straße und renovierten Gebäu-den ein komplett anderes geworden. Das Radwegenetz wurde ausgebaut und durch touristische Erlebnispfade ergänzt.

Weitere Beispiele für die positive Entwicklung sind die Modernisierung der Telekommunika-tion, der Ausbau des Bürgerhauses, ein neuer Kinderspielplatz, die Ausstattung der Feuer-wehr mit moderner Technik sowie die Einbin-dung Calenberges in die Dorfentwicklung.

Aber nicht nur die öffentliche Förde-rung, auch die Eigeninitiative der Bewoh-ner gaben den Häuserfassaden und der Dorfstraße ein neues und liebenswertes Aussehen. Nach der Kirchenrenovierung sammelte Richard Perlberg Spenden für eine neue, funkgesteuerte Turmuhr.

1997 konnte der Ortsteil Calenberge (als Dorf) im Rahmen des 3. Landes- und Regionalwettbewerbes „Unser Dorf soll schöner werden“ den 2. Platz belegen und

30.6.1994, Oberbürgermeister Willi Polte und Bürgermeister Werner Riemer ent-hüllen das neue Ortsschild anlässlich der Eingemeindung (St.A., Foto W.Kl.)

Beschilderung für den Erlebnispfad Elb-aue bei Calenberge

Naturerlebnispfad Calenberge

erhielt als Preis eine Bank, die jetzt vor dem Gemeindehaus steht.

Der solidarische Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft wurde vor der „drohen-den Jahrhundertflut 2002“ besonders deut-lich. Jeder Bewohner, der dazu in der Lage war, füllte und schleppte Sandsäcke, half bei der Deichsicherung oder kümmerte sich um ältere oder kranke Nachbarn.

Seinen dörflichen Charakter hat Ca-lenberge bei allen Veränderungen gottlob nicht verloren und wird ihn hoffentlich auch in Zukunft behalten.

Durch seine idyllische Lage inmitten der Elbauen und die wiedergewonnene Attrakti-vität des Ortes gehört Calenberge heute zu den lebens- und liebenswerten Ortsteilen der Landeshauptstadt Magdeburg.

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Kurze Chronik des Dorfes

1209 erste schriftliche Erwähnung als Besitz des Klosters Berge1309 erste Erwähnung eines Pfarrers1562 die Calenberger Kirche erscheint im Klosterinventar1635 Schenkung Calenberges an die Stadt Magdeburg durch König Gustav Adolf1808 von Napoleon dem Königreich Westfalen angegliedert1809 Aufhebung der Klosterverwaltung Berge1815 das Amt Gommern fällt an die preußische Krone, Calenberge wird preußisch im Kreis Jerichow I1847 Separationsrezess1869 Gründung des Elbenauer Deichverbandes1882 Bau der neuromanischen Kirche St. Georg1884 Bau einer befestigten Straße nach Magdeburg1952 Bildung der Gemeinde “Randau – Calenberge“ im Kreis Schönebeck/Elbe1992 Agrar GmbH Randau-Calenberge aus den ehemaligen LPG’s Randau und Calenberge gegründet1994 Eingemeindung nach Magdeburg 1997 2. Platz im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“1999 Einweihung der renovierten Dorfkirche2009 Feier des 800-jährigen Dorfjubiläums

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Winterstimmung (Foto I.S.)

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Statistische Angaben zu Calenberge

charakteristik: Einstraßendorflage: 11° 44´ 32´́ östl. Länge; 52° 03´ 44´́ nördl. Breitehöhe: ca. 50 m über NNeinwohner: 93 (46 weibliche und 47 männliche)Altersdurchschnitt: 45,6 JahreKraftfahrzeuge pro einwohner: 68,09 Prozent (vgl. MD 47,32 Prozent)besondere gebäude: Ev. Kirche St. Georg, Gaststätte mit Park, Spritzenhaus, ehemaliges Pfarrhaus, Gemeindehaus mit Kinderspielplatz

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Calenberger Bilderbogen

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Abkürzungen zu den Abbildungen

B.C. Bernhard CzogallaD.P. Dorle PerlbergE.S. Ernst Schwarzlose und Bild - material von den Bewohnern Calenberges, zusammengestellt von Ernst SchwarzloseE.Sch. Elsbeth SchulleF.B. Fritz BalzerF.H. Familie HornG.H. Gertraude HesseH.G. Heiderose GrußH.H. Helmut HesseH.M. Heinz MatternH.P. Dr. Hans Pellmann, Naturkun- demuseum MagdeburgI.S. Ina Schulle

W.K. Wilfried KünneW.Ko. Werner KochLHASA 1 Landeshauptarchiv Sachsen- Anhalt, Abteilung Magde- burg, A 4k Kloster Berge vor Magdeburg Teil I, P Nr.7a Bl.91.LHASA 2 Landeshauptarchiv Sachsen- Anhalt, Abteilung Magdeburg, A 31b I Kursächsische Zentral- und Lokalbehörden. Akten betr. das Amt Gommern, Nr. 432 Deckblatt.S.L. Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Magdeburg, Postkartensammlung, Samm- lung Lück

St.A. Stadtarchiv MagdeburgSt.M. Stadtplanungsamt MagdeburgW.K. Wilfried KünneW.Kl. Werner KlapperCalenberger Bilderbogen: Fritz Balzer, Dorle Perlberg, Heiderose Gruß, Gertraude Hesse, Lotte Perlberg, Elsbeth Schulle, Werner Koch, Wilfried Künne, Familie Horn sonstige Fotos: Sabine Ullrich 2009

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Amtliches Kreisblatt für den ersten Jeri-chowschen Kreis, 27.1.1880.

Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr.2 vom 10. Januar 1824, S.12, in: Landeshauptarchiv Sachsen An-halt, LHASA, MD, Rep. C30 Landratsamt Magdeburg Lit F Nr.13.

Böttge, Gerhard, Remy, Dominique und Christian Kunz, Genese von Altwässern, in: Flussaltwässer, Ökologie und Sanierung, hrsg. von Volker Lüderitz, Uta Langh-einrich und Christian Kunz, Wiesbaden 2009.

Claude, Dietrich, Geschichte des Erzbis-tums Magdeburg bis in das 12.Jahrhundert, 2 Teile, Mitteldeutsche Forschungen, hrsg.

von Reinhold Olesch, Walter Schlesinger und Ludwig Erich Schmidt, Band 67/1 und 67/2, Köln 1972, 1975.

Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-Visitationen in der Parochie Calenberge, 1842 – 1874, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep. A, Spec. G, Nr. 6718.

Consistorium für die Provinz Sachsen, Acta betreffend die Kirchen-, Pfarr- und Küsterei-Bauten in der Parochie Calenber-ge 1879 – 1890, Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, AKPS, Rep. A, Spec. G, Nr. 6726.

Dittmar, Max, Zur Bevölkerungsstatistik des Magdeburgischen Landes im Jahre 1635, in: Geschichts-Blätter für Stadt

und Land Magdeburg, Jg.29, 1894. S.262 – 302.

Festschrift zur 1000 Jahrfeier der Gemein-de Pechau, Magdeburg 1948.

Handbuch der Provinz Sachsen, Magde-burg 1865.

Handbuch vom Regierungsbezirke Mag-deburg, Zweiter oder topografischer Teil, hrsg. von Hermes, I. A. F. und M. J. Weigelt, Magdeburg 1842.

Heineccius, Johann Ludwig von, Ausführliche topographische Beschreibung des Herzogt-hums Magdeburg und der Grafschaft Mans-feld, Magdeburgischen Antheils, Berlin 1785.

Hennige, Max, Randau, Gut und Dorf in Vor-zeit und Gegenwart, München 1913.

Hesse, Gertraude, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

Hoffmann, (?), Vom werktätigen Einzel-bauern zum Genossenschaftsbauer im Ortsteil Calenberge der Gemeinde Randau

Literatur und Quellen

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und Nachweis der Besitzverhältnisse der letzten 200 Jahre, Schönebeck 1964, in: Stadtarchiv Magdeburg, Rep.47 S4.

Kahlo, Martin, Calenberge Dorf und Flur, Schönebeck 1929.

Libellenatlas, hrsg. vom Umweltamt der Landeshauptstadt Magdeburg, Schöne-beck 2002.

Lüderitz, Volker, Langheinrich, Uta und Christian Kunz (Hrsg.), Flussaltwässer, Ökologie und Sanierung, Wiesbaden 2009.

Magdeburgische Zeitung, 21.1.1880.

Magdeburger Tageblatt, 22.1.1880.

Mattern, Heinz, Dorferneuerungsplanung Calenberge (unveröffentlichtes Manuskript 1997).

Perlberg, Richard, Zeitzeugenbefragung 2002, in: Stadtarchiv Magdeburg Rep.47 S2 s.p.

Riecke, Willy Otto, Chronik Prester-Cracau, Magdeburg 1932.

Römer, Christof, Das Kloster Berge bei Magdeburg und seine Dörfer 968 – 1565, Göttingen 1970.

Schlüter, Otto und Oskar August, Atlas des Saa-le- und mittleren Elbgebietes, Leipzig 1957.

Schwarzlose, Ernst, Chronik Calenberges (Manuskript).

Tageblatt für die Jerichowschen und be-nachbarten Kreise und Burgsche Zeitung, 27.1.1880.

Urkunden im Besitz von Ernst Schwarzlose

Urkundenbuch des Klosters Berge bei Mag-deburg, Halle 1879.

Urkundenmaterial aus dem Landeshaupt-archiv Sachsen-Anhalt in Magdeburg und dem Stadtarchiv Magdeburg.

Hilfreiche Auskünfte und Informationen er-teilten der unermüdliche Heimatforscher Herr Ernst Schwarzlose, dessen Chronik den Anlass für die Festschrift gab, außerdem Frau Maria Meussling und Herr Dipl.-Ing. Heinz Mattern über die Restaurierungsarbeiten der Calenberger Dorfkirche. Herr Mattern stellte außerdem seinen leider unveröffentlichten Dorferneuerungsplan zur Verfügung. Gedankt sei auch Herrn Dr. Thomas Weber vom Lan-desamt für Archäologie und Denkmalpflege für Informationen über erste Siedlungsspuren in der Region, Frau Annett-Petra Warschau als zuständige Pastorin für die Einsicht in die Pfarrakten sowie den Dorfbewohnern Heide-rose Gruß, Gertraude Hesse, Ina Schulle und Bernhard Czogalla für ihre Unterstützung und stellvertretend für alle Calenberger, die aus ihren Familienarchiven Bilder zur Verfü-gung gestellt haben. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Volker Lüderitz für die vorab er-teilten Informationen aus seiner erst später erschienenen Publika tion „Flussaltwässer“ sowie Frau Petra Wißner von der Unteren Denkmalschutzbehörde für die Vermittlung des Projektes „Festschrift Calenberge“.

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Topografische Übersichtskarte des Deutschen Reiches, Blatt 88 Magdeburg von 1906, Ausschnitt (St.A. Rep. KS II 22)

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