95. Kleinasiatische Onomastik Hethitisch

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 636 VIII. Historische Entwicklung der Namen Schramm, Gottfried (1957): Namenschatz und Dichtersprache. Studien zu den zweigliedrigen Per- sonennamen der Germanen (Ergänzungshefte zur Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiet der indogermanischen Sprachen 15). Göttingen. Solmsen, Felix (1922): Indogermanische Eigenna- men als Spiegel der Kulturgeschichte. Herausge- geben und bearbeitet von Ernst Fraenkel. Heidel- berg. van Velze, Jacob Antoon (1938): Names of Persons in Early Sanscrit Literature. Proefschrift. Utrecht. Zimmer, H. (1893): Keltische Studien. 10. Zur per- sonennamenbildung im Irischen. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 32, 158—197.  Rüdiger Sc hmitt, Saarbrücken (Deutschland ) Schmitt, Rüdiger (1991b): Ein Stück indogerma- nischer Kultur: das Personennamensystem. In: Ri- costruzione culturale e Ricostruzione linguistica. Atti del Congresso del Circolo Glottologico Paler- mitano, Palermo, 20—22 ottobre 1988. Palermo, 9—51. Schmitt, Rüdiger (1992): Das indogermanische und das alte lateinische Personennamensystem. In: La- tein und Indogermanisch. Akten des Kolloquiums der Indogermanischen Gesellschaft, Salzburg, 23.—26. September 1 986. Innsbruck, 369—393. Schrader, O. (1929): Reallexikon der Indogerma- nischen Altertumskunde. Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage, herausgegeben von A. Neh- ring. Zweiter Band. Berlin/Leipzig. (103—109: Name (Namengebung)). 95. Kleinasiatische Onomastik (Hethitisch) (PN) von Ortsnamen (ON) sowie von Appel- lativen abgeleitet werden, vgl. ON  Ḫattuš > PN  Ḫattušil > heth.  Ḫattušili. Dieses Suffix wird im Hethitischen zu -ili- umgebildet und in dieser Form produktiv, vgl. ON  Nerik > heth. thematisiert  Nerikka > heth. PN  Ne- rikkaili. — Es ist anzunehmen (Forlanini 1987), daß auch die Namen einiger der wich- tigsten heth. Städte protohatt. Ursprungs sind, so  Ḫattuš, Kaniš/Neša, Zalpa, Nerik,  Ankuwa usw., auch wenn sich dies vorerst auf Grund unserer nur rudimentären Kenntnis des Protohattischen noch nicht zwingend be- weisen läßt. 2. In do germanisch-k le in as ia ti sche Sprachen Zur hier allein berücksichtigten Gruppe der indogermanisch-kleinasiatischen oder indo- germanisch-anatolischen Sprachen gehören das aus dem 16.—15. Jahrhundert überlieferte Palaische, das Hethitische (16.—13. Jh.), das Keilschrift-Luwische (16.—13. Jh.), das Hie- roglyphen-Luwische (13.—8. Jh.), Lykisch A und Lykisch B (dieses in geographisch un- richtiger Weise auch Milyisch genannt; aus dem 6.—4. Jh.), das Lydische (7.—4./3. Jh.) sowie das Karische (8.—4./3. Jh.). Zu diesen Sprachen, die deutlich untereinander ver- wandt sind und zusammen die hethitisch-lu- wische Sprachgruppe bilden, sind noch wei- tere Sprachen zu rechnen, die aber zumeist nur durch onomastische Zeugnisse in anders- 1. Nic hti nd ogermanisches Su bs tra t (Pr ot oha t- tisch u. a.) 2. Ind og ermani sc h-k lei nas iat isc he Spr ac he n 3. Ad str ate (Kaskäisc h, A kka dis ch , Hurritisc h, Indoiranisch) 4. Nebe nüb erl ie feru ng 5. Weit erl eb en he thi tisc h-l uwi sch en Namenguts in gri echisch en Quellen 6. Li te ra tu r (i n Aus wahl) 1. Ni ch ti nd og ermanisches Subs trat (Protohattisch u. a.) Daß Kleinasien entgegen in jüngster Zeit ge- äußerter Meinung (Gamkrelidze, Ivanov 1984) sicherlich nicht als Urheimat der In- dogermanen anzusehen ist, zeigen schon die zahlreichen Substratelemente in der hethiti- schen Onomastik. Diese sind ihrerseits von unterschiedlicher Natur (Carruba 1983), sind also offensichtlich verschiedenen sprachlichen Gruppen zuzuschreiben. Genauer läßt sich dabei allerdings lediglich das hattische (= „protohattische“) Element bestimmen, das als unmittelbarer Vorgänger des Hethiti- schen im anatolischen Kerngebiet gelten kann und das auch im heth. Schrifttum realiter greifbar ist. Diesem sind Götternamen (GN) wie  Ištanu (‚Sonne’)  Kattaḫḫa (‚Königin’) oder Telipinu (Vegetationsgott) zuzuordnen (Laroche 1947; 1966). Morphologisch ist v. a. das protohatt. Zugehörigkeitssuffix -el, -il wichtig, mit dem Götter- und Personennamen

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VIII. Historische Entwicklung der Namen

Schmitt, Rdiger (1991b): Ein Stck indogermanischer Kultur: das P ersonennamensystem. In: Ricostruzione culturale e Ricostruzione linguistica. Atti del Congresso del Circolo Glottologico P alermitano, P alermo, 2022 ottobre 1988. P alermo, 951. Schmitt, Rdiger (1992): Das indogermanische und das alte lateinische P ersonennamensystem. In: Latein und Indogermanisch. Akten des Kolloquiums der Indogermanischen Gesellschaft, Salzburg, 23.26. September 1986. Innsbruck, 369393. Schrader, O. (1929): Reallexikon der Indogermanischen Altertumskunde. Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage, herausgegeben von A. Nehring. Zweiter Band. Berlin/Leipzig. (103109: Name (Namengebung)).

Schramm, Gottfried (1957): Namenschatz und Dichtersprache. Studien zu den zweigliedrigen P ersonennamen der Germanen (Ergnzungshefte zur Zeitschrift fr vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiet der indogermanischen Sprachen 15). Gttingen. Solmsen, Felix (1922): Indogermanische Eigennamen als Spiegel der Kulturgeschichte. Herausgegeben und bearbeitet von Ernst Fraenkel. Heidelberg. van Velze, Jacob Antoon (1938): Names of P ersons in Early Sanscrit Literature. Proefschrift. Utrecht. Zimmer, H. (1893): Keltische Studien. 10. Zur personennamenbildung im Irischen. In: Zeitschrift fr vergleichende Sprachforschung 32, 158197.

Rdiger Schmitt, Saarbrcken (Deutschland)

95. Kleinasiatische Onomastik (Hethitisch)1. 2. 3. 4. 5. 6. Nichtindogermanisches Substrat (Protohattisch u. a.) Indogermanisch-kleinasiatische Sprachen Adstrate (Kaskisch, Akkadisch, Hurritisch, Indoiranisch) Nebenberlieferung Weiterleben hethitisch-luwischen Namenguts in griechischen Quellen Literatur (in Auswahl)

1.

Nichtindogermanisches Substrat (Protohattisch u. a.)

Da Kleinasien entgegen in jngster Zeit geuerter Meinung (Gamkrelidze, Ivanov 1984) sicherlich nicht als Urheimat der Indogermanen anzusehen ist, zeigen schon die zahlreichen Substratelemente in der hethitischen Onomastik. Diese sind ihrerseits von unterschiedlicher Natur (Carruba 1983), sind also offensichtlich verschiedenen sprachlichen Gruppen zuzuschreiben. Genauer lt sich dabei allerdings lediglich das hattische (= protohattische) Element bestimmen, das als unmittelbarer Vorgnger des Hethitischen im anatolischen Kerngebiet gelten kann und das auch im heth. Schrifttum realiter greifbar ist. Diesem sind Gtternamen (GN) wie Itanu (Sonne) Kattaa (Knigin) oder Telipinu (Vegetationsgott) zuzuordnen (Laroche 1947; 1966). Morphologisch ist v. a. das protohatt. Zugehrigkeitssuffix -el, -il wichtig, mit dem Gtter- und P ersonennamen

(P N) von Ortsnamen (ON) sowie von Appellativen abgeleitet werden, vgl. ON attu > P N attuil > heth. attuili. Dieses Suffix wird im Hethitischen zu -ili- umgebildet und in dieser Form produktiv, vgl. ON Nerik > heth. thematisiert Nerikka > heth. P N Nerikkaili. Es ist anzunehmen (Forlanini 1987), da auch die Namen einiger der wichtigsten heth. Stdte protohatt. Ursprungs sind, so attu, Kani/Nea, Zalpa, Nerik, Ankuwa usw., auch wenn sich dies vorerst auf Grund unserer nur rudimentren Kenntnis des P rotohattischen noch nicht zwingend beweisen lt.

2.

Indogermanisch-kleinasiatische Sprachen

Zur hier allein bercksichtigten Gruppe der indogermanisch-kleinasiatischen oder indogermanisch-anatolischen Sprachen gehren das aus dem 16.15. Jahrhundert berlieferte P alaische, das Hethitische (16.13. Jh.), das Keilschrift-Luwische (16.13. Jh.), das Hieroglyphen-Luwische (13.8. Jh.), Lykisch A und Lykisch B (dieses in geographisch unrichtiger Weise auch Milyisch genannt; aus dem 6.4. Jh.), das Lydische (7.4./3. Jh.) sowie das Karische (8.4./3. Jh.). Zu diesen Sprachen, die deutlich untereinander verwandt sind und zusammen die hethitisch-luwische Sprachgruppe bilden, sind noch weitere Sprachen zu rechnen, die aber zumeist nur durch onomastische Zeugnisse in anders-

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sprachigen (berwiegend griechischen) Texten bekannt sind, so das Sidetische (auch einige kurze Inschriften und Mnzaufschriften in eigenstndiger Schrift; aus dem 5.2. Jh.), das P isidische sowie die Sprachen oder Dialekte in P amphylien, Lykaonien, Isaurien und Kilikien. Zur Gruppe der indogermanisch-kleinasiatischen Sprachen im weiteren Sinne gehren aber auch solche idg. Sprachen, die erst nach dem politischen Ende des hethitischen Staatswesens vom Westen her nach Kleinasien eingedrungen sind. In erster Linie ist hier das vergleichsweise gut bezeugte P hrygische zu nennen, das hier aber nicht weiter behandelt werden soll. Eine Sammlung und Deutung phrygischer Glossen und Namen findet sich bei Haas 1966, 157172; zur Abgrenzung der phrygischen Namen von der hethitisch-luwischen Onomastik einerseits und vom Griechischen andererseits vgl. Neumann 1988 (mit weiterfhrender Literatur). 2.1.Namen der hethitischen (keilschriftlichen) berlieferung (Allgemeines und Forschungslage) Das in hethitischen Quellen berlieferte onomastische Material ist sehr reichhaltig; ber 6000 Namen sind in den edierten Texten bisher belegt, und durch jeden neu herausgegebenen Editionsband vermehrt sich dieses Material. Quantitativ berwiegen dabei die P N (etwa 2500 Namen, davon etwa 15% weiblich), es folgen die Toponyme (etwa 2400, davon etwa 10% Gewssernamen und ebensoviel Bergnamen), und den dritten Platz nehmen statistisch gesehen die GN (etwa 1100) ein. Dieses reichhaltige Material ist nur teilweise aufgearbeitet: Am besten ist die Situation im Falle der P N, die Laroche 1966 nicht nur gesammelt, sondern auch sprachlich analysiert hat; als inzwischen auch bereits berholte Supplemente sind Laroche 1981 a (bloe Auflistung neuer Namen) sowie Tischler 1982 a (mit sprachlicher Analyse der neugefundenen Namen) anzusehen. Nur formal besser ist die Situation bei den Toponymen. Hier liegt mit Del Monte, Tischler 1978 zwar eine vollstndige Sammlung vor, die durch Cornil 1990 aktualisiert worden ist, es fehlt hier jedoch eine sprachliche Analyse des umfangreichen Materials; bisher liegen lediglich Behandlungen ausgewhlter Bildungen durch Laroche 1957 und 1961 sowie von Neumann 1988 a/b vor. Auch fr die heth. GN hat Laroche 1946/

47 eine erste Sammlung und sprachwissenschaftliche Gliederung vorgelegt, in der etwa 550 Namen behandelt sind. Angesichts des in der Zwischenzeit auf das Doppelte angewachsenen Materials mu eine erneute Behandlung als dringendes Desiderat bezeichnet werden. 2.1.1.Hethitische Personennamen Ein groer Teil der im hethitischen Schrifttum belegten P ersonennamen ist aus dem bekannten heth.-luw. Wortschatz erklrbar. Dabei sind Benennungsmotive und Bildungsprinzipien durchaus mit anderen idg. Sprachen vergleichbar. Es knnen also Adjektive oder Substantive entweder uerlich unverndert als Namen verwendet werden (Ura gro, Mauiluwa Maus), oder aber sie knnen durch Suffixe bzw. vermittels Komposition zu Eigennamen umgebildet werden. Ihre Flexion entspricht der der zugrundeliegenden Nomina, wobei allerdings hufig ausgehend von akkadischen syntaktischen Konstruktionen auf die Anfgung der Kasusendungen verzichtet wird und die bloe Stammform erscheint, vgl. UMMADUTUIuppiluliuma LUGAL KUR URUatti folgendermaen (spricht) die Majestt Suppiluliuma, der Knig des Landes Hatti. Speziell onomastische Suffixe sind nicht auszumachen. Auch das vieldiskutierte und traditionell als -umna- angesetzte Herkunftssuffix vom Typus attuum(n)a aus Hattusa stammend, das sich hufig allein in P N erhalten hat, ist ein normales Wortbildungselement (Oettinger 1982). Fr die Morphologie der heth. P N ist die Nominalkomposition von Bedeutung. Hier ist sie wichtiger als im appellativischen Bereich, wo die Zahl der gesicherten Nominalkomposita begrenzt ist (Tischler 1982 b). Das wohl wichtigste Kompositionselement ist muwaKraft, Strke: Hufig erscheint es in Kombination mit geographischen Namen, vgl. alpa-muwa oder Mittanna-muwa. Sodann finden sich Verbindungen mit Gtternamen, vgl. Arma-muwa oder Tiwat-muwa; diese theophoren Bildungen sind als Satznamen aufzufassen: Gott X (ist) die Lebenskraft (des Namenstrgers) (Neumann 1978; 1979). Schlielich sind auch Verbindungen mit Appellativa belegt, vgl. Ira-muwa von iraGrenze. Von besonderer Bedeutung wre Pariya-muwa, der mglicherweise im bekannten Namen des Knigs von Troja fortlebt. Chronologisch ist bemerkenswert, da dieses Element bereits in den kappadok.

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VIII. Historische Entwicklung der Namen

Urkunden vereinzelt (Puna-muwa-ti,fMuwananni) auftritt, in der Groreichszeit immer hufiger wird und auch in der spteren alphabetschriftlichen berlieferung eines der wichtigsten Wortbildungselemente darstellt. 2.1.2.Hethitische Toponyme Zahlreiche Toponyme des hethitischen Kerngebiets knnen direkt aus dem heth. Lexikon erklrt werden, vgl. substantivierte Adjektive wie alluwa (von allu- tief) oder Talukaya (von daluki- lang; weit; hoch), sodann Substantive wie Lapana Weide, arumna Quellengebiet und Komposita wie uppiluliya reine Quelle oder uppitau rein (und) stark. Sodann gehren hierher zahlreiche Toponyme auf -ia-, -ua- und -ai- bzw. auf -nta-, denen auf der spteren Ebene der alphabetschriftlichen berlieferung Namenformen mit den Suffixen -, -, -, -, -, -, - sowie - und (nicht -, dies nur in griech.gischen Namen) entsprechen und die von Kretschmer 1896 vor dem Bekanntwerden der heth. keilschriftlichen Quellen einem vorindogermanischen Substrat zugeschrieben worden waren. Dabei setzen die Namen auf -ia- und -ua- konkretisierte Abstrakta auf -ear bzw. -u(e)ar fort, bei denen das auslautende -r geschwunden ist und die anschlieend in die a-Klasse berfhrt wurden (Neumann 1988 b), die Toponyme mit dem Suffix -aihingegen enthalten hufig die Entsprechung des im Luwischen produktiven Suffixes zur Bildung der genetivischen Adjektive vom Typus tiyammai- zur Erde (tiyammi-) gehrig. Die Toponyme auf -nta- (Entsprechungen der klassischen Formen auf - und -) wiederum stellen teilweise Zugehrigkeitsbildungen mit dem aus der Grundsprache ererbten Suffix -want- dar oder sie gehen auf animierende -nt-Erweiterungen vom Typus watar ntr. Wasser : wetenant- c. Wasser (als belebt gedachte Naturkraft) zurck. 2.1.3.Hethitische Gtternamen Die Zahl der in heth. Texten belegten GN hat sich seit der Zusammenstellung von Laroche 1946/47 durch Neufunde stetig erhht und betrgt nun mehr als 1100; es ist also wrtlich zu nehmen, wenn in heth. Texten von den tausend Gttern des Landes atti (LIM DINGIRME KUR URUatti) die Rede ist. Ihrer Herkunft nach ist diese onomastische Gruppe besonders heterogen (vgl. Laroche

l. c.; Steiner 19571971; Von Schuler 1965), was sich durch die Bereitschaft erklrt, mit der die Hethiter fremde religise Vorstellungen und Gebruche aufnahmen. Es finden sich hier sowohl Namen, die von der einheimischen Vorbevlkerung bernommen worden waren, sodann viele hurritische Namen sowie syrische und schlielich auch sumerisch-akkadische Gottheiten. Vergleichsweise gering ist demgegenber die Anzahl echter heth.-luw. Namen. Hier sind v. a. vergttlichte Begriffe der umgebenden Natur wie DAruna Meer oder Dalki Getreide zu nennen. Aus der Grundsprache ererbt ist z. B. der Name des Sonnengottes iu, etymologisch entsprechend dem idg. Lichtgott *dyus (gr. usw.). 2.2.Hieroglyphenschriftliche berlieferung Hier spielen P N auch forschungsgeschichtlich eine groe Rolle, weil die Herrschernamen der digraphen Siegel mit ihren Entsprechungen in den keilschriftlichen Beischriften entscheidend zur Entzifferung der Hieroglyphenschrift beigetragen haben. Da derartige Inschriften aus ber 60 verschiedenen Fundsttten stammen, die ber ein weites Gebiet von Zentralanatolien bis Nordsyrien und P alstina verstreut sind, ist auch das in ihnen enthaltene Namenmaterial inhomogen: Whrend die Inschriften im eigentlich heth.-luw. Gebiet nur ausnahmsweise fremdes Namengut wiedergeben (vgl. die hurr. GN auka und Atabi im Felsheiligtum Yazlkaya bei Boazky), berwiegen semitische bzw. hurritische Namen gegenber den heth.-luw. auf den Siegeln der nordsyrischen Archive (in Meskene-Emar etwa ist das Verhltnis 15:11:4; Laroche 1981 b). Das hier.-luw. onomastische Material ist zum Groteil bereits bei Meriggi in seinem Glossar (1962) registriert. Dort ist indes noch das veraltete Transkriptionssystem angewandt, das nach den Ausfhrungen von Hawkins, Morpurgo Davies und Neumann (1974) gerade bei den hufigsten Zeichen zu korrigieren ist, was zwangsweise auch zu sprachlich vllig unterschiedlicher Beurteilung der Namen fhrt. Eine durchgehende Neuinterpretation des reichhaltigen hier.-luw. onomastischen Materials ist daher ein dringendes Desiderat. 2.3.Alphabetschriftliche berlieferung 2.3.1.Lykisch Die meisten der etwa 170 bekannten lykischen Inschriften sind Grabinschriften. Sie stellen

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eine wichtige onomastische Quelle dar, da in ihnen der Name des Bestatteten und seiner nchsten Angehrigen genannt wird. Insgesamt sind in diesen Inschriften etwa 350 P N (viele davon mehrfach) belegt. Ein Groteil dieser Namen ist aus ererbtem heth.-luw. Material erklrbar, vgl. etwa Mutli entsprechend keilschriftlichem Muwatalli, worin erweitertes muwa- Kraft, Strke vorliegt. Daneben finden sich aber Spuren des zunehmenden fremden Einflusses, vor allem von seiten des Griechischen, vgl. Alassntra (: ) oder Tnegure (: ). Geringer ist demgegenber der persische Einflu, aber immerhin sind etwa 15 gesicherte Flle von Adaption iranischer Namen nachweisbar, vgl. tarijeus fr Drayavau Dareios. Gelegentlich sind in den Inschriften auch ON berliefert, meist formal in Herkunftsbenennungen verbaut. Auf diese Weise sind uns die Namen der wichtigsten lyk. Orte, in denen auch berall Inschriften gefunden wurden und die fast alle eine eigene Mnzprgung hatten, in ihrer einheimischen Form berliefert, vgl. Arna Xanthos oder Pinale (Dat.Lok. P l.) P inara mit Ethnikon pilleni- (aus *pinalewanni-) usw. Eine weitere onomastische Quelle des Lykischen stellen die rund 180 Mnzlegenden (Mrkholm, Neumann 1978) dar, die entweder den Namen des ausgebenden Ortes (P rgesttten waren Xanthos, P atara, P inara, Tlos, Araxa, Telmessos, Kadyanda und Kandyba) oder den des lokalen Frsten tragen. Leider sind die Namen aus P latzgrnden oft sehr stark verkrzt, so da in manchen Fllen Unsicherheiten bei der Interpretation bleiben. 2.3.2.Lydisch In den etwa 110 lydischen Inschriften drften insgesamt etwa 70 Namen berliefert sein (gesammelt und z. T. gedeutet von Gusmani 1964). Bei den P N fllt auf (Gusmani 1988), da sie in der Regel in einer zweigliedrigen Konstruktion aus P N + adjektivischem P atronymikon verwendet werden, wobei das P atronymikon formal als P ossessivadjektivum auf -li- erscheint, also Srkastu Katovalis Srkastu, [Sohn] des Katova usw. Ihrer Herkunft nach sind diese P N berwiegend aus dem ererbten idg.-kleinasiat. Namengut erklrbar, vgl. Armv- (heth.-luw. armaMond) oder Mane- (luw. maana- Gott). Fr eine Reihe von Namen kommt persische Herkunft in Frage, vgl. Artakassa fr den Knigsnamen Artaxerxes oder Artabna (*tapna- den Schutz der Wahrheit habend).

2.3.3.Karisch Eigennamen (vorwiegend wohl P N) spielen fr die Erforschung des Karischen eine noch grere Rolle als fr die des Lykischen und Lydischen. Die berwiegende Mehrzahl der ber 200 bekannten karischen Inschriften, von denen nur etwa 50 aus Kleinasien selbst, der grere Teil dagegen aus gypten (von in gyptischen Diensten stehenden karischen Sldnern) stammen, ist nmlich sehr kurz. Ein neuer Ansatz zur Deutung der karischen Schrift geht von den Transkriptionen karischer Namen in gyptischer Hieroglyphenschrift auf zweisprachigen Inschriften in gypten aus, also gypt. Psmk P sammetich entsprechend kar. Psmk usw. (Ray 1987, 1990; Adiego 1993). Wie ersichtlich, wird dabei eine defektive Graphie angenommen, indem (in Anlehnung an Usancen der gyptischen Hieroglyphenschrift) schwach betonte bzw. unbetonte Vokale unausgedrckt bleiben. Angesichts dieser Unsicherheiten mu sich die Beurteilung des Karischen als Mitglied des idg.-anatol. Sprachzweigs auf die Interpretation des in griechischen Quellen berlieferten Namenmaterials sttzen, wie zuletzt Neumann 1988 a an Hand der karischen ON gezeigt hat.

3.

Adstrate (Kaskisch, Akkadisch, Hurritisch, Indoiranisch)

Die Sprache der im Norden des heth. Siedlungsgebietes zu lokalisierenden Kasker hat im heth. Onomastikon keine realen Spuren hinterlassen, zumindest sind sie fr uns nicht von denen des protohatt. Substrats zu unterscheiden. Dies liegt daran, da sich die Kasker als spte Eindringlinge rasch der Vorbevlkerung assimiliert zu haben scheinen, wovon protohatt. Substrat und hethitischer Einflu im kaskischen Onomastikon zeugen (Von Schuler 1965). Semitische, d. h. akkadische Einflsse sind im heth. Onomastikon kaum nachweisbar. Akkad. P N und GN im Schrifttum von Boazky sind auf Texte in akkad. Sprache (internationale Korrespondenz, Vertragstexte, bersetzungen mesopotam. literarischer Vorlagen) beschrnkt. Theophore P N, die scheinbar die Namen mesopotam. Gottheiten enthalten, sind in der Regel als graphische Maskierungen einheimischer quivalente zu interpretieren, vgl. mDAMAR.UTU (DAMAR.UTU Sumerogramm fr den GN Marduk), zu lesen als manta.

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VIII. Historische Entwicklung der Namen

Anders steht es um das hurritische Adstrat, da die Hethiter mit den Hurritern im Sdosten in direktem Kontakt standen und von diesen starke kulturelle Impulse empfingen. Dementsprechend zahlreich sind daher hurrit. PN und GN im heth. Schrifttum: Wichtig sind hierbei die zahlreichen hurrit. Gtter, die von den Hethitern bernommen wurden und von denen in Bogazky Teub, epat, arrumma und auka die grte Rolle spielen. Zahlreiche theophore P N enthalten die Namen solcher Gottheiten sowie hurrit. Lexeme als Kompositionsglieder, vgl. Eli-Teub (eli Heil) oder Talmi-arrumma (talmi gro). Die indoarischen Namen der keilschriftlichen berlieferung (P N Piriyaauma, Uwanta, Urutitti, Uwagazzana, GN Mitrail, Uruwanael, Indar, Naatiyanna, Akni) haben in der heth.-luw. Onomastik keine Nachahmung gefunden. Sie haben andererseits in der Diskussion um die Art und Intensitt des Einflusses von Indo-Ariern im Alten Vorderasien eine Rolle gespielt (Mayrhofer 1959; 1966; 1974, 1982; Kammerhuber 1968). Fast ein Jahrtausend spter dagegen ist das Iranische des Perserreichs eine reale Gre, dessen Spuren in der lydischen und lykischen Onomastik nachweisbar sind.

assyrischen P N auch einheimisch-kleinasiatische P N erhalten sind (Bilgi 194551). Diese wiederum spiegeln teilweise das protohattische Substrat wider, teilweise jedoch zeigen sie deutlich idg.-anatol. Geprge und stellen so gemeinsam mit einigen in eben diesen Texten gleichfalls belegten einheimischen Appellativen (Bilgi 1954) die frheste Quelle fr indogermanisches Sprachgut berhaupt dar. 4.2.Akkadische Texte der syrischen und mesopotamischen Archive Die akkadischen Texte der nordsyrischen Archive enthalten zahlreiche kleinasiatische Namen. Dies gilt besonders fr die in den Archiven von Ugarit/Ras Shamra gefundene internationale Korrespondenz, deren reiches onomastisches Material bereits im P NWerk von Laroche 1966 bercksichtigt ist. Zur Rolle kleinasiatischer Namen (teilweise in hieroglypenluwischer Schrift) in Meskene-Emar s. Laroche 1981 b. Inwieweit in den eigentlichen mesopotamischen Archiven kleinasiatische Namen zu finden sind, bleibt zu klren. Zu kleinasiatischen P N in sptbabylonischen Geschftsurkunden der Achmenidenzeit (z. B. kar. Luksu entsprechend dem Namen von Herodots Vater , Mid entsprechend heth. Mita, phryg. usw.) s. Eilers 1940. Wegen der heth.-luw. P N in akkad. Texten aus Amarna (Lupakku, uppiluliuma, Tarundaradu und einige fragliche Namen) s. Hess 1984. 4.3.Hurritische Quellen Hurritische Texte kommen (dem allgemeinen Kulturgeflle entsprechend) kaum als Quelle fr idg.-anatol. Sprach- oder Namengut in Frage, wohingegen umgekehrt der hurrit. Einflu auf das Hethitische im Laufe der beobachtbaren Sprachgeschichte deutlich zunimmt. Nur ausnahmsweise erscheinen echt heth. Namen in hurrit. Kontext und mit deutlichen Merkmalen hurrit. Adaption. Das reichhaltige und seit langem gut erschlossene Onomastikon von Nuzi (P urves 1943; vgl. noch Cassin, Glassner 1977) enthlt zahlreiche Elemente, die in der Literatur als anatolisch angesprochen wurden; diese haben zwar in der Tat oft P arallelen in Namengut aus Bogazky, es handelt sich dabei indes vorwiegend um hurritische Lexeme oder Wortbildungselemente, die seinerzeit noch nicht eindeutig dieser Sprache zugeordnet werden konnten.

4.

Nebenberlieferung

Unter Nebenberlieferung sind hier fremdsprachige Quellen zu verstehen, die idg.-anatol. Namengut berliefern. Dazu gehren sowohl fremdsprachige Quellen in Kleinasien selbst (die kappadokischen Texte aus den Archiven der assyrischen Handelskolonien) als auch solche auerhalb Kleinasiens, also aus Mesopotamien, Syrien- alstina und P gypten. 4.1.Akkadische Texte der kappadokischen Archive Die in akkadischer Sprache verfaten Wirtschaftstexte der altassyrischen Handelskolonien (20.18. Jh. v. Chr.), die in der Hauptsache im krum Kani (heute Kltepe), in geringerer Anzahl in Aliar und in Boazky gefunden wurden, gehen der eigentlich hethitischen Textberlieferung voraus. Sie enthalten in groer Zahl Eigennamen (Garelli 1963) und sind kulturhistorisch von hchstem Interesse, nicht nur, weil die in den Texten vorkommenden ON die Ausdehnung des assyrischen Handels in Kleinasien erweisen, sondern auch deswegen, weil in ihnen neben den

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4.4.gyptische Quellen In den Inschriften, die sich auf den Baudenkmlern Ramses II befinden, werden zahlreiche hethitische Knige und Wrdentrger mit Namen genannt, so die vier Knige (a)-tas-l = attuili, S-p-l-l = uppiluliuma, Mu-r-s-l = Murili sowie Mu-ta2-l2 = Muwatalli. Die Art der Graphie scheint dabei eine sprachlich modernere Form der Namen als die aus dem hethitischen Schrifttum bekannte widerzuspiegeln (Helck 1984). Deswegen und wegen der defektiven Schreibweise sind die Namen weniger bekannter P ersonen nicht mit Sicherheit zu interpretieren (Edel 1973). Fr heth. ON in gyptischen Ortsnamenlisten vgl. Haider 1984. 4.5.Sonstige Quellen In aramischen Briefen des Satrapen Arsames aus dem spten 5. Jh. v. Chr., die in gypten gefunden wurden, finden sich gelegentlich luw. P N, so Arma-piya oder Muwa-arma. Auf Grund des zur Wiedergabe derartiger Namen nicht optimal geeigneten defektiven Schriftsystems sind einige dieser Namen schwierig zu interpretieren (Kitchen 1965). Unbeweisbar (nicht zuletzt wegen des geringen Wortkrpers) ist dagegen, da auf einem den P hilistern zugeschriebenen Ostrakon aus P alstina luwische Namen enthalten sind (Kempinski 1987: an = Anna, yym = Iyama, pp = Pappa, l = alli, das auslautende - deutet auf idg. Flexionsformen, d. h. Genitiv). Im Zuge frher kultureller Beziehungen zwischen Kleinasien und Etrurien knnen kleinasiat. Namen ins Etruskische gelangt sein. Dies gilt v. a. fr die weitverbreitete Sippe um den GN Tarunt-, der als mnnlicher P N *Taru bernommen wurde, von dem wiederum die Gentilizia Tarvetena (altetr.) sowie Tarna (jungetr.) abgeleitet sind. Auf diese beiden Gentilnamen bauen die bekannten Latinisierungen Tarquitus sowie Tarquinius auf (De Simone 1982). Wegen der in den verschiedenen keilschriftlichen Literaturen der Nachbargebiete berlieferten geographischen Namen sind die entsprechenden Bnde des Rpertoire Gographique des Textes Cuniformes (Tbinger Atlas des Vorderen Orients, Beihefte B, Wiesbaden 1974 ff.; bis jetzt sind die Bnde 1, 2, 3, 5, 6, 8 und 9 erschienen) sowie (fr neuassyr. Toponyme in Ermangelung des entsprechenden Rpertoire-Bandes) P arpola 1970 einzusehen.

5.

Weiterleben hethitisch-luwischen Namenguts in griechischen Quellen

Schon lange vor dem Bekanntwerden der keilschriftlich berlieferten idg.-anatol. Sprachen war die Besonderheit der kleinasiatischen Onomastik aufgefallen. Da aber die alphabetschriftlich berlieferten idg.-anatol. Sprachen Lykisch und Lydisch damals noch nicht als indogermanisch erkannt waren, wurde mit einem kleinasiatischen Volkstum sui generis gerechnet, das weder mit den indogermanischen noch mit den semitischen Stmmen zu tun habe. Diese Theorie wurde von Kretschmer 1896 zur festen Lehrmeinung auf der Grundlage des in den griechischen Quellen berlieferten Namenguts ausgebaut. Kretschmer selbst war indes der erste, der sich Hrozn anschlo, als dieser 1915 den Indogermanismus des Hethitischen beweisen konnte. Eine erste systematische Sammlung des gesamten kleinasiatischen Namenmaterials aus den alphabetschriftlichen Quellen legte Sundwall 1913 (mit Nachtrgen von 1950) vor. Da diese Materialsammlung indes in vielerlei Hinsicht fehlerhaft war, zahlreiche Fehllesungen und unerkannte griechische Namen mitschleppte und bei weitem nicht vollstndig war, legte Zgusta 1964 a; b eine grundlegende neue Sammlung und Gliederung der nichtgriechischen kleinasiatischen P ersonennamen vor, der 1984 eine entsprechende Bearbeitung der Ortsnamen folgte. Fr die kleinasiatischen Gewssernamen (sowohl nichtgriechische als auch griechische) vgl. Tischler 1977. Eine entsprechende Sammlung und Behandlung der kleinasiatischen Gebiets- und Bergnamen (ihre Zahl liegt bei etwa 500) steht aus; Carmody 1972 versucht lediglich, die klassischen P rovinzgrenzen auf der Grundlage der Beschreibungen von Strabon, Plinius und Ptolemaeus zu definieren. 5.1.Anthroponyme Die Anzahl der in den griechischen Inschriften Kleinasiens enthaltenen Eigennamen ist vorerst nicht genau bestimmbar, da ein zusammenfassendes Editionswerk aussteht. Allein die Zahl der nichtgriechischen P N drfte gegen 3000 gehen, wobei viele Namen mehrfach belegt sind. Besonders zahlreich sind dabei die von jeher als typisch kleinasiatisch angesehenen Lallnamen, die jeweils hunderte Male und in allen Landschaften belegt sind. Ihre wichtigsten Vertreter sind Namen vom Typus AMA, AP A, ATA, BA, BABA, DA, DADA, IMA, LA, LALA, MA, MAMA,

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VIII. Historische Entwicklung der Namen

NA, NANA, P AP A, TA und TATA, die alle in den verschiedensten Ausformungen belegt sind. Diese Lallnamen haben zumeist bereits Vorlufer auf der keil- und hieroglyphenschriftlichen Ebene. Fr die Kontinuitt der idg.-anatol. Sprachgruppe sind aber solche Namen wichtiger, die auf Appellativa zurckfhrbar sind. Auch hier sind eine Reihe von PN-Sippen nachweisbar, die vor allem im sdlichen Kleinasien von Lykien ber P amphylien bis nach Kilikien belegt sind. Die wichtigste dieser Sippen enthlt die Entsprechung von keilschriftlich muwa- Kraft, Strke, wovon mehr als 100 verschiedene Bildungen im gesamten sdlichen Bereich Kleinasiens belegt sind, vgl. entsprechend keilschriftlichem Muwa oder (bzw. in epich. lyk. Schrift Mutli) entsprechend keilschriftlichem Muwatalli. Sehr hufig findet sich muwa- als Hinterglied in komponierten P N, vgl. entsprechend Arma-muwa usw. Methodisch besonders wichtig ist schlielich (Neumann 1972), da heth.-luw. Morpheme sich gelegentlich verselbstndigt haben und an griechische Grundwrter antreten knnen, wodurch also hybride Bildungen entstehen, vgl. -- als Entsprechung des heth.-luw. Ethnikonsuffixes -ai- in lyk. zu gr. Riegel oder pisid. zu gr. Dorf. 5.2.Toponyme 5.2.1.Sprachliches In den griechischen literarischen Quellen, den Inschriften und den Mnzlegenden finden sich etwa 1500 ON, die nicht aus dem Griechischen selbst erklrt werden knnen. Sie sind von Zgusta 1984 gesammelt, in Untergruppen gegliedert und kommentiert worden. Im Gegensatz zu den von Zgusta 1964 a; b zusammengestellten PN steht hier jedoch eine sprachwissenschaftliche Auswertung noch aus. Rein formal fallen als typisch idg.-kleinasiat. die Toponyme mit den Suffixen -, -, -, -, -, -, - sowie - und - auf, deren heth.-luw. Grundlage bereits oben erwhnt wurde. Sie nehmen auch rein quantitativ eine besondere Stellung ein ein (ca. 150 = 10% mit -()und etwa 115 = 7,5% mit --, vgl. Tischler 1975). Die meisten im griechischen Schrifttum belegten kleinasiatischen Gewssernamen sind auch aus dem Griechischen erklrbar: Sofern

es sich um primre Gewssernamen handelt, sind sie entweder aus dem appellativischen Sprachgut erklrbar (, usw.), oder es handelt sich um aus Griechenland bertragene Namen (, usw.). Der verbleibende (kleinere) Teil der Namen (etwa 120) ist etymologisch unklar und auch nicht aus dem Sprachgut der vorhergehenden idg.-anatol. Ebene erklrbar. Auf die Ahhiyawa-Frage, also auf das P roblem, inwieweit in hethitischen Texten Griechen erwhnt werden, kann hier nur andeutungsweise hingewiesen werden: Zwar wird heute meist anerkannt, da Namen wie heth. Aiyawa und gr. oder Alakandu und usw. zusammenhngen. Inwieweit die in den heth. Texten genannten Lokalitten oder P ersnlichkeiten aber real identifiziert werden knnen, ist mit dem bisher vorliegenden Material allein nicht zu entscheiden und mu knftigen Textfunden (vielleicht auch im Westen Kleinasiens) vorbehalten bleiben (vgl. einstweilen Steiner 1964). 5.2.2.Identifizierung der Toponyme und ihr Weiterleben Nur wenige heth. ON knnen mit absoluter Sicherheit einer genau fixierten Lokalitt zugeordnet werden. Das liegt vor allem darin, da archivmig aufbewahrte heth. Texte bisher nur in der Hauptstadt Hattua sowie in der P rovinzgarnison Tapikka = Maat gefunden wurden und da lediglich die Identitt von attua = Boazky und Kane/Nea = Karahyk/Kltepe durch die archologische Evidenz besttigt ist. Besser ist die Situation im Falle der hieroglyphenschriftlichen Quellen (dort ist die Zahl der berlieferten Toponyme aber viel geringer) und auf der alphabetschriftlichen Ebene, wo viele in situ erhaltene Inschriften von Toponymen sprechen. Nur eine geringe Zahl von Gleichsetzungen wird allgemein als gesichert angesehen (bemerkenswert optimistisch Forlanini, Marazzi 1986). Unter den in der Literatur oft genannten Gleichungen befinden sich manche, die genaugenommen als unbewiesen angesehen werden mssen, so Ikkuwaniya : (das moderne Konya), Gazziura : im Pontus, Lazpa : Insel , Lukka : Lykien, Lamiya : kilik. . Bemerkenswert ist, da selbst die hethitischen Benennungen der einzelnen Landschaften, deren Lage heute zumindest ungefhr als gesichert angesehen werden kann (Iuwa, Kaka, ea, Maa, Millawanda, Tarundaa usw.), sich nicht erhalten haben. Ausnahmen

95. Kleinasiatische Onomastik (Hethitisch)

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wren diesbezglich vielleicht ON Malitiya : im stlichen Kappadokien (vgl. auch den modernen ON Malatya), Pala : und Tummanna : in Paphlagonien, Karkia : Karien. Bei den Gewssernamen ist dies ein wesentlicher Unterschied zur Alteuropischen Hydronymie keine Kontinuitt von der keilschriftlichen ber die alphabetschriftliche Ebene zu den heutigen Formen festzustellen: Lediglich der Name des Euphrat (keilschriftlich Purattu u. ., gr. , trk. Frat) und des bithynischen (wenn identisch mit dem keilschriftlichen airiya und dem modernen Sakarya) hat sich ber alle drei Ebenen, der des Mander immerhin von der griechischen () in die moderne Zeit (Menderes) gehalten (Tischler 1977).

6.

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Johann Tischler, Dresden (Deutschland)