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Die technische Zeitschrift des ABB Konzerns technik ABB Anbindung von Bahnstromnetzen 42 Traktionsmotoren 66 Serviceleistungen für die Eisenbahnindustrie 70 Aufladen von Elektrofahrzeugen 77 Eisenbahn und Verkehr 2 | 10

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Die technischeZeitschrift desABB Konzernstechnik

ABB

Anbindung von Bahnstromnetzen 42Traktionsmotoren 66Serviceleistungen für die Eisenbahnindustrie 70Aufladen von Elektrofahrzeugen 77

Eisenbahn und Verkehr

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Wenn verschiedene Elemente zusam-mengefügt werden, ist das Ganze häufig mehr als nur die Summe seiner Einzelteile. Dies zeigt sich auf unter-schiedliche Weise auch in dieser Ausgabe der ABB Technik.

Im Verkehrs- und Transportwesen geht es darum, Menschen und Orte miteinander zu verbinden, Horizonte zu erweitern und Handel zu ermög-lichen. Verbindung bedeutet aber auch Zusammenarbeit. So beliefert ABB die Eisenbahnindustrie mit einem breiten Angebot an Produkten und Dienstleistungen. Mehr über den Beitrag von ABB im Eisenbahn- und Verkehrssektor erfahren Sie auf den Seiten dieser ABB Technik.

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ABB im Eisenbahn- und VerkehrswesenDas ABB-Portfolio auf einen BlickEisenbahnlösungen für ein mobiles ZeitalterEin Interview mit Michael Clausecker, Generaldirektor der UNIFE, und Jean-Luc Favre, CEO von ABB Sécheron und Leiter des Bahnkundensegments bei ABB

Züge auf der ÜberholspurABB liefert wichtige Komponenten für den Hochgeschwindig-keits-SchienenverkehrDie Weichen für Chinas ZukunftTechnologien von ABB helfen beim Aufbau des schnellsten und fort-schrittlichsten Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes der WeltIndiens Weg zur NachhaltigkeitABB hilft bei der Modernisierung der Eisenbahn in IndienEisenbahnland SchweizABB liefert die Energietechnik für die bedeutendsten Eisenbahnprojekte des Landes

Eisenbahn-FACTSSysteme zur Verbesserung der Stromqualität in Bahnstrom-VersorgungsnetzenStatische Umrichter, dynamische LeistungUmrichter von ABB sorgen für die richtige Frequenz in BahnstromnetzenErfolgreicher NachfolgerFreiluft-Vakuumleistungsschalter der Baureihe FSK II sorgen für den richtigen Anschluss bei britischen BahnprojektenHi-Tech im UntergrundVakuumvergossene Trockentransformatoren von ABB im Einsatz bei der Istanbuler U-Bahn

Nahverkehr im WandelTraktionstransformatoren von ABB sorgen für die Mobilität von Millionen von PendlernEine maßgeschneiderte LösungDie leistungsstarken Antriebsumrichter von ABB sind energie-effi zient, zuverlässig und sehr kompakt – so eignen sie sich für alle Arten von SchienenfahrzeugenStandardisierung des TraktionsmotorsEin innovativer modularer Asynchronmotor von ABB setzt neue Maßstäbe in puncto Anpassungsfähigkeit

Umfassender ServiceABB bietet eine umfangreiche Palette von Serviceleistungen für den BahnsektorBeginn eines neuen ZeitaltersLadestationen für Elektrofahrzeuge und intelligente Netztechno-logie als Wegbereiter für eine neue Ära im VerkehrswesenStrom von der KaimauerSenkung von Geräusch- und Treibhausgasemissionen durch die landseitige Stromversorgung von Schiffen im HafenS3 - Speed, Safety & SavingsUFES, der neue ultraschnelle Erdungsschalter von ABB

Spannende GeschichteEine lange Tradition in der elektrischen Eisenbahntechnik

Züge in Bewegung

Service & Technologie

Pionierleistungen

Infrastruktur

Aus aller Welt

Im Blickpunkt: die Bahn

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Peter Terwiesch Chief Technology Officer ABB Ltd.

Auch im Güterverkehr zeichnen sich interes-sante Entwicklungen ab. Insbesondere in Europa öffnen immer mehr Länder ihre Märkte im Bahngüterverkehr für den Wettbewerb, wodurch das Verkehrsaufkommen wächst.ABB stellt zwar selbst keine Schienenfahrzeuge her, bietet aber eine Vielzahl von Produkten und Technologien für die Eisenbahnindustrie. So sorgen Netzmanagementlösungen von ABB nicht nur für eine zuverlässige Bereitstellung der für den Schienenverkehr erforderlichen Elektrizi-tät, sondern tragen gleichzeitig zur Stabilisie-rung der Versorgungsnetze bei. Dazu bietet ABB entsprechende Schaltanlagen und Kom-ponenten für die Bahnstromversorgung wie Transformatoren, Frequenzumrichter, Schalt-geräte und FACTS. Für die Züge selbst liefert ABB unter anderem Traktionstransformatoren, Schaltanlagen, Motoren und Turbolader. Einige dieser Produkte werden in dieser Ausgabe der ABB Technik genauer vorgestellt.

ABB hat ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und gehört heute zu den bedeutendsten Lieferanten führender Zugher-steller. Um unseren Lesern einen breiteren Überblick über die Branche zu geben, haben wir in einem Interview mit Michael Clausecker, dem Generaldirektor des Verbands der europäi-schen Eisenbahnindustrie UNIFE gesprochen.

Neben der Eisenbahntechnik befasst sich ABB auch mit Lösungen für ein nachhaltiges Trans-portwesen und die elektrische Mobilität. Vorgestellt werden hier ein Ladesystem für Elektrofahrzeuge und eine Lösung zur landsei-tigen Stromversorgung von Schiffen im Hafen.

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Peter TerwieschChief Technology Offi cerABB Ltd.

Liebe Leserin, lieber Leser,Mobilität ist ein zentraler Aspekt unseres Lebens. Ob auf dem Weg zur Arbeit, auf Geschäftsreise oder im Urlaub – wir sind stets abhängig von einem zuverlässigen und er-schwinglichen Verkehrsmittel. Gleiches gilt auch für den Warenverkehr. Erst die mechanisierte Bewegung von Gütern hat eine Konzentration der Industrie und moderne Fertigungsmethoden möglich gemacht. Und auch die Existenz von großen Städten hängt von einer kontinuierlichen und zuverlässigen Versorgung mit Nahrungs-mitteln und anderen Bedarfsgütern ab.

So wie das Verkehrswesen zur Entwicklung vieler Aspekte der modernen Gesellschaft beigetragen hat, kann es sich bei mangelnder Verfügbarkeit auch negativ auf sie auswirken. Wenn Waren nicht geliefert werden können und Menschen ihr Ziel nicht in angemessener und vorhersehbarer Zeit erreichen, sind wirtschaft-liche und andere Auswirkungen vorprogram-miert. Hinzu kommen Entwicklungen wie die zunehmende Urbanisierung und die damit verbundene Belastung der Infrastruktur sowie Bedenken im Hinblick auf die Luftqualität, die CO2-Emissionen, die begrenzte Verfügbarkeit fossiler Energieträger und den vom Verkehr beanspruchten Platz.

Eisenbahnen sind hervorragend positioniert, um diese Anforderungen zu erfüllen. In vielen Stadtgebieten leisten U- und S-Bahnen einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Straßen-verkehrs. Gleichzeitig bieten sie eine günstige CO2-Bilanz und fahren, wenn sie elektrisch betrieben werden, sogar vollständig emissions-frei. Während Städte wie London oder Paris ihre vorhandenen Systeme ausbauen, stehen in den Entwicklungsländern viele fl orierende Metropo-len vor der Herausforderung und Chance, neue Systeme zu entwickeln.

Hochgeschwindigkeitszüge können eine interessante Alternative zum Auto und zu Kurzstreckenfl ügen darstellen. Sie sind relativ wetterunabhängig und bieten eine komfortable Umgebung zum Entspannen oder Arbeiten. Diese Art des Reisens wird immer beliebter, und schon bald werden Hochgeschwindigkeitszüge auf fünf Kontinenten verkehren.

Editorial

ABB und die Eisenbahn

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Technologien und Systeme von ABB kom-men in verschiedenen Bahnanwendungen zum Einsatz. Diese reichen von Güter-zügen ➔ 14 über Hochgeschwindigkeits-züge ➔ 15 bis hin zu S-Bahnen ➔ 16, Metros ➔ 17 und Straßenbahnen ➔ 18.

Dabei agiert ABB nicht nur als Hersteller dieser Systeme, sondern bietet darüber hinaus auch Dienstleistungen aus den Be-reichen Service, Instandhaltung und Nach-rüstung. Neben dem Bahnsektor befasst sich ABB auch mit Systemen für die Schiff-fahrt und mit der Entwicklung von Lade-stationen für Elektrofahrzeuge ➔ 19.

Mehr über diese Themen erfahren Sie in dieser Ausgabe der ABB Technik und im Internet unter www.abb.com/railway (Eng-lisch).

Autotransformatormodule ➔ 9 unterstützen die Versorgung der Fahrleitungen auf langen Strecken. Bei Gleichstromelektrifi -zierungen kommen Unterwerke mit Trans-formator-Gleichrichter-Einheiten ➔ 10 zum Einsatz.

Auch an Bord von Zügen ist Technologie von ABB zu fi nden. Das Unternehmen liefert Traktionstransformatoren ➔ 11, Mo-toren und Generatoren ➔ 12 und fertigt die Umrichter zur Versorgung der Antriebs- und Hilfssysteme des Zuges ➔ 13. Darüber hinaus bietet ABB Niederspannungspro-dukte, Mittelspannungs-Leistungsschalter sowie Halbleiterelemente und Überspan-nungsableiter. Für dieselbetriebene Züge liefert ABB Turbolader.

A ls führendes Unternehmen der Energie- und Automatisie-rungstechnik liefert ABB viele Technologien, die auch in der

Eisenbahnindustrie zum Einsatz kommen. Flexible Drehstrom-Übertragungssysteme (FACTS) unterstützen sowohl die Ver-sorgungs- als auch die Bahnstromnetze und helfen dabei, eine hohe Stabilität und Spannungsqualität sicherzustellen ➔ 1. Hoch- ➔ 2 und Mittelspannungs-Schalt-anlagen ➔ 3, Frequenzumrichter ➔ 4 und Transformatoren ➔ 5 wandeln den Strom zur Einspeisung in die Fahrleitungen ➔ 6 um, während Steuerungs- und Über-wachungssysteme ➔ 7 (einschließlich der Stationsleittechnik ➔ 8) für einen optimalen Betrieb dieser Anlagen sorgen. Kompakte

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Die Mobilität von Menschen und Waren ist eine wichtige Voraussetzung für die

moderne Wirtschaft. Der globale Handel benötigt kostengünstige und zuverlässi-

ge Transportmöglichkeiten für den Güterfernverkehr, während im Geschäfts- und

Tourismusbereich bequeme Verbindungen zwischen Städten gefragt sind. Aber

auch innerhalb der Städte werden die zurückgelegten Strecken im Zuge der

Urbanisierung immer größer. Gleichzeitig sind neue Lösungen zur Minimierung

der wirtschaftlichen, ökologischen und räumlichen Auswirkungen des Verkehrs

gefordert. So ist es kaum verwunderlich, dass zurzeit verstärkt in Bahnprojekte

investiert wird. Diese reichen von U- und S-Bahnen über nationale und inter-

nationale Hochgeschwindigkeitszüge bis hin zu transkontinentalen Frachtkor-

ridoren. ABB Technik sprach mit Michael Clausecker, Generaldirektor der UNIFE,

und Jean-Luc Favre, CEO von ABB Sécheron und Leiter des Bahnkunden-

segments bei ABB, über zukünftige Herausforderungen und Aussichten im

Schienenverkehr.

Ein Interview mit Michael Clausecker, General-direktor der UNIFE, und Jean-Luc Favre, CEO von ABB Sécheron und Leiter des Bahnkunden-segments bei ABB

Eisenbahnlösungen für ein mobiles Zeitalter

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erste Hochgeschwindigkeitsstrecke sehen werden. In Polen gibt es bereits einen Plan, bis 2014 mit dem Bau einer Hochgeschwin-digkeitsstrecke zu beginnen.Wann in Indien die ersten Hochgeschwin-digkeitszüge fahren werden, ist schwer vor-auszusagen. Dort konzentriert man sich derzeit hauptsächlich auf Metros und den städtischen Nahverkehr.

Jean-Luc Favre: Wir müssen hierbei die Demografi e berücksichtigen. Bis 2050 wer-den höchstwahrscheinlich neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gleichzeitig schreitet die Urbanisierung stark voran. Im Jahr 2008 lebte erstmals die Hälfte der Welt-bevölkerung in Städten. Da ist ein nachhal-tiges Verkehrswesen erforderlich, und das kann der Schienenverkehr bieten ➔ 1.

In China werden große Summen in den Güter- und Personenverkehr und die Elekt-rifi zierung investiert. Das chinesische Hoch-geschwindigkeitsnetz wächst erstaunlich schnell. Für ABB war China in den letzten zwei bis drei Jahren der Markt mit dem stärksten Wachstum. Europa ist zwar auch ein starker Markt, doch wenn es um den Ausbau des Schienennetzes und Investitio-nen in neue Lokomotiven und Züge geht, fi nden die bedeutendsten Entwicklungen in China statt.Auch in Indien passiert etwas. So werden zum Beispiel spezielle Frachtkorridore ein-gerichtet, in denen Güter effi zienter beför-dert werden können. Der wachstumsstärks-te Markt in Indien sind jedoch die Metros. Die Regierung möchte, dass jede Stadt mit mehr als drei Millionen Einwohnern eine Metro bekommt. Entsprechende Projekte laufen zurzeit in Bangalore, Kalkutta, Mum-bai und Delhi. Außerdem erwarten wir, dass sich dort in den nächsten fünf bis zehn Jah-ren auch ein Hochgeschwindigkeitsmarkt entwickelt.

Sie haben beide den städtischen Nah-verkehr angesprochen. Welche Trends sind hier zu beobachten?Michael Clausecker: Großstädte werden immer größer, und damit wächst auch die Bedeutung des Verkehrswesens. Für die Menschen wird es immer schwerer, mor-gens zu Arbeit und abends nach Hause zu kommen. Hier sind öffentliche Verkehrsmit-tel die einzige Alternative, und es ist kein

Damit spricht die UNIFE für den größten Teil der europäischen Eisenbahnindustrie.

Was sind die größten Herausforderungen und Entwicklungen für die Eisenbahnindus-trie in den kommenden Jahrzehnten?Michael Clausecker: Fangen wir mit dem Hochgeschwindigkeitssektor an. Zurzeit laufen große Projekte in Frankreich, Spanien und Großbritannien. Auch in den USA sind Hochgeschwindigkeitsstrecken mittlerweile im Gespräch. In Russland nimmt das Pro-jekt Moskau – St. Petersburg Formen an. Die Chinesen investieren mehr als alle ande-ren und bauen Tausende Kilometer Hoch-geschwindigkeitsstrecken. Dieser Bereich erfährt zurzeit ein enormes Wachstum.

Wo sehen Sie Prioritäten für die Zukunft?Michael Clausecker: Die meisten der heutigen Hochgeschwindigkeitsverbindun-gen sind national, wie in Frankreich, Deutschland, Spanien usw. Zwar gibt es auch internationale Verbindungen wie den Eurostar oder Thalys, doch die weitere Ent-wicklung im europäischen Hochgeschwin-digkeitssektor muss stärker internationa-lisiert werden.

Für die Regierungen stehen in den nächs-ten zehn Jahren Investitionen in die Infra-struktur auf dem Programm. Ich rechne mit einer größeren Bereitschaft zu Investitionen in den Schienenverkehr und innovativen Finanzierungsmodellen für solche Projekte wie öffentlich-private Partnerschaften oder BOT-Betreibermodelle.

Wie sieht es mit Regionen wie Osteuropa oder Indien aus?Michael Clausecker: Ich hoffe, dass wir in Osteuropa in den nächsten zehn Jahren die

Herr Clausecker, bitte stellen Sie uns die UNIFE kurz vor.Michael Clausecker: Die UNIFE1 wurde zur Unterstützung der Eisenbahnzulieferer in Europa gegründet. Zu ihren Aufgaben gehören:1. die Förderung der technischen

Harmonisierung und Regulierung von Eisenbahnsystemen

2. die Unterstützung von politischen Entscheidungen, die die Entwicklung des Bahnsektors begünstigen

3. die Gründung und Förderung von Programmen zur Durchführung von Forschungsvorhaben von Mitglieds-unternehmen in Zusammenarbeit mit Eisenbahngesellschaften und die Unterstützung bei der Anwerbung von europäischen Fördermitteln

4. die Sicherung der hervorragenden Qualität der Produkte ihrer Mitglieds-unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette mithilfe des Qualitätsmanagementprogramms IRIS2

Die UNIFE wird von ihren Mitgliedern fi nan-ziert, wobei es sich ausschließlich um priva-te europäische Unternehmen handelt, die Bahngesellschaften in aller Welt beliefern. Außerdem gibt es Mitgliedsverbände (meist nationale Verbände von Zulieferern der Bahnindustrie). Etwa 70 Unternehmen ge-hören der UNIFE direkt an, und fast 1.000 sind Mitglied in den nationalen Verbänden.

Für den zunehmen-den grenzübergrei-fenden Güterverkehr in Europa werden entsprechende Mehr-system-Lokomotiven benötigt, die mit ver-schiedenen Span-nungen und Signal-systemen kompatibel sind.

Fußnoten1 UNIFE = Union des Industries Ferroviaires Eurpée-

nnes (Verband der europäischen Eisenbahnindustrie)2 IRIS = International Railway Industry Standard.

Siehe auch Infobox 7 auf Seite 23.

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gen gelten sollten. Die Entwicklung des Marktes lässt sich schwer vorhersehen, doch die Industrie wird nicht aufhören, nach Möglichkeiten suchen, um ihre Produkte leichter und konkurrenzfähiger zu machen.

Wie sieht es mit dem Güterverkehr aus?Michael Clausecker: Im Zuge der Wirt-schaftskrise mussten viele Gütertransport-unternehmen einen Teil ihrer Lokomotiven und Waggons einmotten. Die erste Heraus-forderung des kommenden Jahrzehnts wird sein, das Gütervolumen wieder auf den Stand von 2007 zu bringen. Nur so können die bereits beschafften Betriebsmittel mit ihrer vorgesehenen Kapazität genutzt werden.Außerdem ist ein stärkerer internationaler Einsatz von Lokomotiven zu erwarten. Zu-künftig wird es mehr große, aber auch kleine Transportunternehmen geben, die über die innereuropäischen Grenzen hin-weg operieren. Dafür werden entsprechen-de Mehrsystem-Lokomotiven benötigt, die mit unterschiedlichen Spannungen und Signalsystemen kompatibel sind.

In anderen Teilen der Welt sind die Tenden-zen schwerer erkennbar. Doch wo man auch hinsieht, bei Lokomotiven geht es im-mer um Effi zienz, Zuverlässigkeit und Kos-ten. Ich bin sicher, dass sich immer mehr Kunden Gedanken über den Energiever-brauch und die Gesamtlebenszykluskosten machen, und wir als Industrie müssen ihnen die nötigen Daten liefern, damit sie die Pro-dukte und Optionen vergleichen können.

Wird sich das Gütervolumen durch einen verstärkten Wettbewerb erhöhen?Michael Clausecker: Allerdings. In den europäischen Ländern, die ihre Schienen-netze bereits für den Wettbewerb geöffnet haben, ist das Verkehrsaufkommen in den letzten 15 Jahren um 60 bis 130 % gestie-

busse sind relativ kostengünstig und benö-tigen keine spezielle Infrastruktur. Auf der anderen Seite werden in ganz Europa und den USA neue Straßenbahnprojekte reali-siert. Straßenbahnen bieten eine höhere Kapazität als Busse ohne deren Nachteile, d. h. sie fahren emissionsfrei und sind leiser. Doch Straßenbahnen sind nicht nur um-weltfreundlich, sondern auch menschen-freundlich, denn sie helfen dabei, Innen-städte attraktiver zu machen ➔ 2. Deshalb sehen wir zurzeit einen starken Trend in Richtung Straßenbahnen, auch wenn die Bushersteller mit viel Einfallsreichtum alles daran setzen, die gleichen Vorteile zu gerin-geren Kosten zu bieten.

Es gibt auch eine Art Zwischenform – Straßenbahnen mit Reifen.Michael Clausecker: Alles ist möglich, und wenn es seinen Zweck erfüllt, sollte es aus-probiert werden. Vergleicht man Straßen-bahnen und Busse gewichtsmäßig mitein-ander, stellt sich die berechtigte Frage, ob für sie die gleichen Sicherheitsanforderun-

Wunder, dass viele große Städte dabei sind, entsprechende Nahverkehrssysteme zu re-alisieren. Doch selbst Städte wie Paris und London haben mit der Verkehrssituation zu kämpfen und erkennen, dass sie mehr Ka-pazitäten im öffentlichen Nahverkehr brau-chen, um als Geschäftsstandorte attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Entwicklung des öffentlichen Nahver-kehrs wird sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Besonders der priva-te Sektor und Einzelpersonen sollen ermu-tigt werden, dazu beizutragen. So können zum Beispiel die Besitzer von Grundstü-cken in der Nähe von Bahnhöfen die Ent-wicklung des Nahverkehrs unterstützen und gleichzeitig von einer Wertsteigerung ihrer Grundstücke oder Geschäfte profi tie-ren. Ich glaube auch, dass wir mehr Maut-systeme wie in London sehen werden. In beiden Fällen leisten die Nutzer einen höhe-ren Beitrag zu den externen Kosten ihrer Verkehrsnutzung und unterstützen so die Weiterentwicklung des öffentlichen Nahver-kehrs.

Eine besondere Herausforderung stellen die Entwicklungsländer dar. Hier gibt es nur wenig Infrastruktur, und praktisch alles muss von Grund auf neu entwickelt wer-den. Wenn wir die jeweiligen Regierungen dabei unterstützen können, fundierte Argu-mente dafür zu liefern, dass eine Metro Kapital anzieht, neue Arbeitsplätze schafft und die Steuereinnahmen erhöht, kann dies den Ländern dabei helfen, wichtige Kredite zu sichern.

Kleinere Städte benötigen oft leichtere und günstigere Verkehrsmittel als Metros.Michael Clausecker: Hier gibt es gibt zwei Tendenzen. In Deutschland setzen einige Städte größere Busse ein. Doppelgelenk-

1 Im Jahr 2008 lebte erstmals die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Damit gewinnt der städtische Nahverkehr zunehmend an Bedeutung.

2 Straßenbahnen sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch menschenfreundlich, denn sie machen Innenstädte attraktiver.

Jedes Kilogramm, das wir sparen, und jeder zusätz-liche Platz für weitere Fahrgäste wirkt sich positiv auf den wirt-schaftlichen und ökologischen Nut-zen der Bahn aus.

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Die Bahn ist schon jetzt eines der umwelt-freundlichsten und nachhaltigsten Trans-portmittel. Was kann die Eisenbahnindustrie tun, um ihre CO2-Bilanz weiter zu verbes-sern?Michael Clausecker: Betrachten wir das einmal aus der richtigen Perspektive. Das wirksamste Mittel der Politik zur Reduzie-rung der Emissionen im Verkehrswesen liegt zweifellos in der Verlagerung des Ver-kehrs von der Straße und der Luft auf die Schiene. Die positiven Auswirkungen kön-nen durch technische Verbesserungen an den Zügen noch verstärkt werden, doch den größten Beitrag liefert die Verlagerung selbst ➔ 4.

Was kann die Eisenbahn selbst tun, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern? Die wichtigste Strategie ist hier die Elektrifi zierung. Es ist nicht verwunderlich, dass zum Beispiel Großbritannien, wo größtenteils Dieselloko-motiven eingesetzt werden, intensiver als andere europäische Länder darüber nach-denkt, die Elektrifi zierung in seine Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Entwicklung echter nachhaltiger Lösungen im Transportsektor einzubinden.

In Sachen Energieeffi zienz ist also die Politik am Zug?Michael Clausecker: Ja, aber wir müssen solche Strategien unterstützen, indem wir attraktivere Produkte entwickeln, die den Bahnen dabei helfen, Fahrgäste und Fracht-kunden anzuziehen.Was den Energieverbrauch angeht, liegt eine große Möglichkeit in der Rückgewin-nung der Bremsenergie und deren Nutzung zum Beschleunigen bzw. der Speicherung im Fahrzeug oder entlang der Strecke.

Jean-Luc Favre: Die wirkungsvollste Methode, Menschen davon zu überzeugen,

gen. Außerdem hat der Gütertransport auf der Schiene im Vergleich zur Straße in den letzten fünf bis sechs Jahren allgemein stär-ker zugenommen. Wenn weitere Länder ihre Märkte öffnen, können wir davon aus-gehen, dass sich dieses starke Wachstum in den nächsten zehn Jahren fortsetzen wird ➔ 3.

Die Zahl der Lokomotiven, die in den ver-gangenen zehn Jahren verkauft wurden, hat sie sich gegenüber den 1990er Jahren praktisch verdreifacht. Die Hälfte dieser Lokomotiven ist im Besitz von Kunden, die es vor zehn Jahren noch nicht einmal gab. Die Öffnung der Märkte für den Wettbewerb wirkt sich also defi nitiv positiv auf den Güterverkehr aus.

Doch trotz dieses Wachstums spielt der Bahngüterverkehr im Vergleich zu den USA noch immer eine recht geringe Rolle.Michael Clausecker: Wir haben verschie-dene nationale Märkte, und der Anteil des Schienenverkehrs ist von Land zu Land un-terschiedlich. Schweden ist zum Beispiel ein Land, das geografi sch mit den USA ver-gleichbar ist. Natürlich nicht von der Größe, sondern von der Bevölkerungsdichte her. Hier liegt der Marktanteil der Bahn am Güterverkehr bei über 30 %, was mit den USA vergleichbar ist. Doch die USA sind nicht Europa, denn anders als dort, wo sich die Bevölkerung an der Ost- und Westküste konzentriert, ist die Bevölkerung in Europa wesentlich stärker verteilt. Die Entfernungen sind hier kürzer, und das macht es für die Eisenbahn schwerer, mit der Straße zu kon-kurrieren.Dennoch bin ich sicher, dass wir mit der Öffnung der Märkte und der Entwicklung internationaler, transeuropäischer Schie-nenwege auch hier ein Wachstum sehen werden.

3 Privatisierung und Wettbewerb haben dem Bahngüterverkehr in den letzten 10 Jahren ein Wachstum von 60 bis 110 % beschert.

4 Eine Möglichkeit zur Reduzierung der Emissionen im Verkehrswesen ist die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene.

Die Zahl der ver-kauften Lokomo-tiven hat sich in den letzten zehn Jahren praktisch verdreifacht. Die Hälfte dieser Loko-motiven ist im Besitz von Kunden, die es vor zehn Jahren noch nicht einmal gab.

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dier, Alstom, Siemens – zusammen, die allesamt europäische Unternehmen sind. Für ABB ist es sehr wichtig, wieder auf dem Eisenbahnmarkt aktiv zu sein, mit diesen Partnern zusammenzuarbeiten und sich in der UNIFE zu engagieren. Wir sind seit Juni 2009 Mitglied und gehören mittlerweile zu den Vertretern der UNIFE in Brüssel und arbeiten außerdem im Infrastrukturkomitee der UNIFE mit. Wir wollen der Branche signalisieren, dass wir dazugehören und einen langfristigen Beitrag leisten wollen. Wir verfügen über wichtige Technologien wie Leistungsschalter, Transformatoren, Stromrichter, Halbleiter, Motoren, Genera-toren, Turbolader sowie ortsfeste Anlagen. Wir liefern Systeme für die Elektrifi zierung, Schaltanlagen für Gleich- und Wechsel-strom sowie deren Komponenten. Wir ver-fügen über eine globale Produktion und weltweites Know-how. Wir produzieren be-reits Transformatoren in Nordamerika, Süd-

amerika, China und Indien und sind auf all diesen Märkten lokal vertreten. Das sind Stärken von ABB als globales Unter-nehmen, die im Eisenbahnsektor ebenso greifen wie in anderen Bereichen.

Es mag überraschend klingen, aber bis 2002 wusste selbst innerhalb von ABB kaum jemand etwas über unsere Tätigkeit im Eisenbahnsektor. Wir hatten hervorra-gende Technologien, die aber kaum be-kannt waren.

Was ist aktuell der wichtigste Beitrag zur Eisenbahntechnologie? Was macht die Führungsposition von ABB aus?Jean-Luc Favre: Unser Portfolio und unse-re Präsenz sind einmalig auf dem Markt. Wir können mit all den verschiedenen Anbietern zusammenarbeiten und profi tieren von ei-ner starken Technologiebasis. Wir verfügen über alle wichtigen Technologien, die erfor-derlich sind, um die Antriebsenergie an die Strecke und in die Fahrzeuge zu bringen. Dies ist der Hauptgrund, weshalb wir in den letzten fünf Jahren so schnell gewachsen sind – 40 % im Jahr, das ist zehnmal schnel-

Michael Clausecker: Man muss zwischen der Wartung des Rollmaterials und der Inf-rastruktur differenzieren. Beim Rollmaterial sind die einzigen Beispiele, die mir einfallen, bei denen die Industrie nicht nur die Fahr-zeuge, sondern auch die entsprechenden Wartungsleistungen liefert, ausschließlich private Firmen. Uns als Hersteller hilft die Tätigkeit im Service dabei, das Leistungs-verhalten unserer Fahrzeuge im täglichen Betrieb besser zu verstehen und entspre-chende Rückmeldungen zu erhalten. Die gewonnenen Erkenntnisse können wir dann zur Verbesserung unserer Produkte und letztendlich zum Nutzen unserer Kunden einsetzen.

Bei der Infrastruktur ist es etwas anders. Hier verfügt der Kunde normalerweise über eigenes Wartungspersonal, vergibt aber auch einen Teil der Arbeiten an Dritte. Wir haben also eine Situation, in der wir als Her-steller gewisserma-ßen mit unseren Kunden konkurrie-ren. Genau wie beim Rollmaterial können wir unseren Kunden einen Mehrwert bie-ten, weil wir das Produkt häufi g bes-ser kennen. Mit einer Mischung aus prä-ventiver und korrek-tiver Instandhaltung können wir dabei helfen, Kosten und Ausfallzeiten zu reduzie-ren.

Welche Rolle spielt ABB in der UNIFE, und welchen Beitrag leistet das Unternehmen?Michael Clausecker: ABB ist ein echtes internationales und globales Unternehmen. Dies macht ABB als Mitglied für die UNIFE sehr wertvoll. ABB ist noch ein relativ neues Mitglied, und wir bei der UNIFE und die an-deren Mitglieder freuen uns darauf, von der Erfahrung des Unternehmens auf fremden Märkten zu profi tieren und zusammen Geschäfte zu tätigen. Wir sind stark in die Entwicklung von Eisenbahnstandards in Europa involviert und freuen uns über die Eingaben und den Beitrag von ABB, den ich sehr schätze.

Jean-Luc Favre: 2005 entschied sich ABB, ihre Tätigkeit auf dem Eisenbahnsektor aus-zubauen. Dabei waren wir sehr erfolgreich und konnten unseren Umsatz von 200 Milli-onen im Jahr 2004 auf 1,3 Milliarden im Jahr 2009 steigern. Wir arbeiten eng mit den Hauptakteuren der Branche – Bombar-

vom Flugzeug oder Auto auf die Bahn um-zusteigen, liegt in der Bereitstellung konkur-renzfähiger und kostengünstiger Lösungen. Wenn wir zum Beispiel Fahrgäste mit einer Geschwindigkeit von 350 km/h befördern, wirkt sich jedes Kilogramm, das wir sparen, und jeder zusätzliche Platz für weitere Fahr-gäste positiv auf den wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen der Bahn aus. Des-halb werden wir weiterhin daran arbeiten, unsere Produkte im Hinblick auf ihr Gewicht und ihren Platzbedarf, aber auch in puncto Zuverlässigkeit und Effi zienz zu optimieren.

Normalerweise gilt Europa (neben Japan) als Vorreiter in Sachen Hochgeschwindig-keitszüge. Kann dieses Know-how auch in anderen Teilen der Welt eingesetzt werden?Jean-Luc Favre: Wenn es um Technologie für Hoch- und Höchstgeschwindigkeits-züge geht, dominiert Europa zusammen mit Japan den Markt. Inzwischen entwickeln jedoch auch chinesische Firmen eigene Hochgeschwindigkeitszüge. Kürzlich war sogar zu hören, dass GE zusammen mit einem chinesischen Unternehmen Hoch-geschwindigkeitskorridore in Nordamerika realisieren will. Zurzeit entwickelt sich der Markt sehr günstig für Newcomer.

Bisher haben wir uns nur mit Produkten und Technologien befasst. Ein weiterer Bereich mit wachsender Bedeutung ist der Service.Jean-Luc Favre: Es gibt Märkte, auf denen die Verträge nicht nur die Lieferung des Fahrzeugs, sondern auch den Service für einen gewissen Zeitraum beinhalten. Dies ist aber keine allgemeine Tendenz. Es gibt auch viele Märkte, auf denen es die Betrei-ber vorziehen, die gesamte Wartung selbst zu übernehmen.

Im Zuge der Liberalisierung interessieren sich Newcomer vornehmlich für Zugbetrieb und den Fahrgasttransport. Daher sind sie offener für eine Auslagerung der Wartungs-arbeiten. Andererseits verfügen etablierte Betreiber häufi g über eigene Werkstätten und entsprechendes Personal, sodass eine Auslagerung dieser Tätigkeiten für sie ver-ständlicherweise keine hohe Priorität be-sitzt.

Was unsere Fähigkeiten im Service angeht, ist ABB in der einzigartigen Lage, ein globa-les Servicenetzwerk bieten zu können: Wir sind chinesisch in China, indisch in Indien und europäisch in Europa.

Das wirksamste Mittel der Politik zur Reduzierung der Emissionen liegt zweifellos in der Verlage-rung des Verkehrs von der Stra-ße und der Luft auf die Schiene.

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mobilindustrie orientiert, als wir das Quali-tätsmanagement in unserer Branche neu überdacht haben. Als Vergleichsmaßstab für unser System haben wir dann aber die Luftfahrtindustrie gewählt. Wir sind in einer Position, dies es uns ermöglicht, verschie-dene Branchen anzusehen und dann die für uns am besten geeigneten Methoden her-auszupicken.

Interessanterweise kommen viele Men-schen in unserer Branche aus der Automo-bilindustrie, zum Beispiel in den Bereichen Management und Einkauf.

Ein Unterschied zwischen unserer Branche und der Automobilindustrie ist, dass wir mit wesentlich geringeren Stückzahlen arbei-ten. Dies versuchen wir durch Plattformen und Standardisierung auszugleichen – Stra-tegien, die auch in der Automobilfertigung zu fi nden sind. Das hilft uns, Produktplatt-formen zu entwickeln, die wir nicht nur in einem Land, sondern zum Teil auf der gan-zen Welt verkaufen. Der Schlüssel hierzu liegt im intelligenten Design der Plattformen, das die Erfüllung unterschiedlicher Stan-dards ermöglicht – wobei die internationale Standardisierung dieser Anforderungen ebenfalls ein lohnendes Ziel darstellt. Seit der Entwicklung einheitlicher Standards hier in Europa beginnen immer mehr Länder auf der Welt damit, diese zu übernehmen oder als Maßstab zu nutzen. Deshalb ist unsere Arbeit in diesem Bereich so wichtig. China hat zum Beispiel viele unserer Eisenbahn-standards übernommen. Ein Beispiel ist die ERTMS3-Spezifi kation für die Signalisierung auf neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken. Die Chinesen haben sich für ERTMS ent-schieden, weil dies der am besten entwi-ckelte Standard der Welt ist und weil eine Vielzahl von Unternehmen auf der ganzen Welt entsprechende Produkte anbieten kann.

Michael Clausecker ist Generaldirektor der UNIFE.

Jean-Luc Favre ist CEO von ABB Sécheron und

Leiter des Bahnkundensegments bei ABB.

Das Interview führte Andreas Moglestue von der

ABB Technik.

[email protected]

Fußnote3 ERTMS (European Rail Traffic Management

System) ist eine europäische Initiative zur Erarbeitung eines einheitlichen Standards für Signalisierungs- und Zugleitsysteme.

ler als der Markt. Nach meinen Berechnun-gen gehören wir heute zu den fünf größten Lieferanten der Eisenbahnindustrie, wobei wir Technologien an OEM-Hersteller für Endkunden liefern.

Michael Clausecker: ABB sorgt für Diver-sität in der Branche, in der eine gewisse Konsolidierung stattgefunden hat. Bei den Systemintegratoren gibt es rasch wachsen-de Hersteller wie Stadler, CAF und Talgo. Diese Unternehmen vertrauen auf unab-hängige Anbieter für die Traktions- und An-triebstechnik, und ABB steht, wenn ich so sagen darf, eindeutig an der Spitze. ABB spielt auch eine wichtige Rolle bei der Ein-führung von Technologien auf dem Markt, insbesondere im Hinblick auf ihre globale Präsenz, was erfahrenen europäischen Unter nehmen dabei hilft, ihre Technologien einem weltweiten Markt anzubieten.

Jean-Luc Favre: Genau. Wir sind nicht nur in der Lage, unsere Partner in Europa zu unterstützen, sondern können zum Beispiel auch in China mit ihnen zusammenarbei-ten. 2004 haben wir angefangen, dort mit Alstom zusammenzuarbeiten, die die Be-schaffung ihrer Traktionstransformatoren lokalisieren wollten. Bis dahin waren unsere Lieferungen an Alstom begrenzt, doch mitt-lerweile sind wir wichtige Partner gewor-den.

ABB ist ein großes, diversifi ziertes Unterneh-men. Es besitzt eine globale Energie- und Automatisierungstechniksparte und verfügt über viel Erfahrung und Know-how auf einer Vielzahl von Gebieten. Gibt es Bereiche, in denen die Eisenbahnsparte von dieser brei-ten Wissensbasis profi tieren kann?Jean-Luc Favre: Auf jeden Fall. Nehmen wir zum Beispiel Traktionsmotoren. Als wir uns dazu entschlossen, einen neuen Trakti-onsmotor zu entwickeln, konnten wir auf die Technologie und Erfahrung der Moto-rensparte von ABB – ein Geschäftsbereich mit einem Jahresumsatz von 2 Milliarden USD – zurückgreifen. Darüber hinaus profi -tieren wir von einem globalen Lieferanten-stamm. Wir nutzen dieselben Lieferanten und dieselben Fabriken für unsere Trakti-onsmotoren wie für die Industriemotoren. Bei den Transformatoren und den Strom-richtern sieht es ähnlich aus.

Glauben Sie, dass die Eisenbahnindustrie von der Automobilindustrie lernen kann?Michael Clausecker: Wir können immer etwas lernen, aber wir dürfen nicht einfach blind kopieren. Wir haben uns an der Auto-

Michael Clausecker wurde 1966 in Stuttgart geboren. Nach dem Studium der Betriebswirt-schaft begann er seine berufl iche Karriere bei Daimler-Benz, bevor er zur deutschen Treuhandanstalt wechselte. Ab 1993 war er geschäftsführender Direktor der DWA Deutsche Waggonbau AG (später Bombardier Transportation), die unter seiner Leitung zum führenden Hersteller von Güterwaggons in Europa avancierte. 1999 wurde er Divisions-leiter bei Siemens in Erlangen und München, wo er weltweit für den Bereich Lokomotiven zuständig war. 2001 wurde er zum Geschäfts-führer des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) und im Frühjahr 2007 zum Generaldirektor der UNIFE berufen. Michael Clausecker hat einen MBA der Open University in Großbritannien.

Michael Clausecker, Generaldirektor der UNIFE

Jean-Luc Favre wurde 1962 in Thonon, Frankreich, geboren und begann seine berufliche Laufbahn als Elektroingenieur bei BBC. Nach einer dreijährigen Tätigkeit bei IBM wurde er Leiter des Bereichs Transforma-toren bei ABB Sécheron SA in Genf. 2001 übernahm er die Geschäftsführung des Unternehmens und wurde 2005 zum Leiter des Bahnkundensegments bei ABB ernannt. Jean-Luc Fave hat ein Diplom der Elektro-technik der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne.

Jean-Luc Favre, Leiter des Bahnkundenseg-ments bei ABB und CEO von ABB Sécheron

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14 ABB technik 2|10

PASCAL LEIVA, MELANIE NYFELER – Das Thema Mobilität gewinnt zunehmend an Bedeutung. So ist es mittlerweile normal, dass wir bei der Arbeit oder in der Freizeit per Auto, Bahn oder Flugzeug Hunderte von Kilometern zurück-legen, um von einer Stadt in die andere zu gelangen. Wachsende Bedenken hinsichtlich der CO2-Emissionen und der Überlastung von Straßen und Luft-räumen führen dazu, dass viele Länder ihre Verkehrspolitik überdenken. Studien haben ergeben, dass das Reisen mit der Bahn im Vergleich zum Flugzeug oder zum Auto nur ein Viertel bis ein Drittel der CO2-Emissionen verursacht 1. Insbesondere Hochgeschwindigkeitszüge helfen dabei, den Luftraum zu entlasten und Städte einander näher zu rücken.

ABB liefert wichtige Komponenten für den Hochgeschwindigkeits-Schienenverkehr

Züge auf der Überholspur

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15Züge auf der Überholspur

Entwicklung von Hochgeschwindig-keitszügenBereits im Jahr 1903 wurde mit einer experi-mentellen Drehstromelektrifi zierung in Deutsch-land eine Geschwindigkeit von 210 km/h er-reicht. Damit war bewiesen, dass sich der elektrische Antrieb auch für hohe Geschwin-digkeiten eignete. 1955 wurde bei Tests in Frankreich ein Geschwindigkeitsrekord von 331 km/h aufgestellt. Bemerkenswert ist, dass die dabei verwendeten Züge und Fahr-leitungen sehr eng mit denen verwandt wa-ren, die im täglichen Verkehr eingesetzt wur-den. Dies zeigte, welche Sicherheitsmargen die Technologie besaß und dass eine kom-merzielle Nutzung von Hochgeschwindig-keitszügen denkbar war.

Im täglichen Schienenverkehr blieben die Geschwindigkeiten jedoch deutlich geringer. Die schnellsten Züge erreichten damals eine Reisegeschwindigkeit von 160 km/h ➔ 1.

250 km/h (die Höchstgeschwindigkeit auf herkömmlichen Strecken beträgt 200 bis 220 km/h). Typische Eigenschaften von Hochgeschwindigkeitszügen sind:– Der Einsatz von Triebzügen statt her-

kömmlicher Zugformationen mit einer Lokomotive und mehreren Waggons. Triebzüge bieten ein besseres Leistungs-gewicht, eine bessere Aerodynamik, eine höhere Zuverlässigkeit, Sicherheit usw.

– Die Nutzung spezieller Hochgeschwindig-keitsstrecken zumindest für einen Teil der Fahrstrecke. Diese sogenannten Schnell-fahrtrassen sind (durch ihre besonderen Querungen, die Schienenqualität, die Fahr-drähte, die Energieversorgung, die besonde-ren Umgebungsbedingungen usw.) speziell für hohe Reisegeschwindigkeiten ausge-legt. Ein Vorteil von Hochgeschwindigkeits-zügen ist, dass sie mit bestimmten Ein-schränkungen auch auf herkömmlichen Strecken fahren können [2], was die erforderlichen Investitionen reduziert bzw. eine phasenweise Einführung ermöglicht.

– Der Einsatz moderner Signalisierungs-systeme einschließlich der Führerstands-signalisierung.

D ank des Eurostar, der durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal verkehrt, hat sich die Fahrzeit zwischen Paris und London auf

2 Stunden und 15 Minuten verkürzt. Mittler-weile liegt der Marktanteil des Eurostar auf dieser Strecke bei 70 % [1]. In Spanien hat die Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung zwischen Madrid und Barcelona die Fahrzeit zwischen den beiden Städten auf 2,5 Stun-den verkürzt und einen Marktanteil von 50 % erreicht. Ähnlich erfolgreich zeigen sich die Hochgeschwindigkeitszüge auf den Strecken Paris-Lyon, Paris-Brüssel und Hamburg-Berlin, was viele Länder auf der ganzen Welt dazu veranlasst, ebenfalls in Hochgeschwindigkeitszüge zu investieren.

Geschwindigkeiten über 250 km/hHochgeschwindigkeitszüge bieten zahlrei-che Vorteile wie unter anderem kürzere Fahrzeiten, eine höhere Zugfrequenz, mehr Komfort, Sicherheit, Zuverlässigkeit und eine geringere Umweltbelastung. Laut einer Defi nition des internationalen Eisenbahnver-bands (UIC) beginnt der Hochgeschwindig-keitsverkehr bei einer Geschwindigkeit von

Fußnote1 Die Umweltauswirkung einer Reise durch

Europa kann auf www.ecopassenger.org errechnet werden.

Zurzeit sind 13.469 km Hoch-geschwindigkeits-strecken im Bau und 17.579 km in Planung. Bis 2020 könnte das welt-weite Hochge-schwindigkeitsnetz 41.787 km um-fassen.

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16 ABB technik 2|10

InfrastrukturABB befasst sich mit dem Entwurf, der Kon-struktion, dem Bau und der Inbetriebnahme von kompletten Produkten, Systemen und Lösungen für die Bahnstromversorgung. So bietet das Unternehmen zum Beispiel umfassende Lösungen für Bahnunterwerke mit allen erforderlichen Schaltanlagen und Fehleranalysesystemen. Zum ABB-Portfolio gehören:

– Produkte für die Bahnstromversorgung– Unterwerke für Gleich- und Wechsel-

stromsysteme– Statische Frequenzumrichterstationen– Systeme zur Sicherung der Stromqualität– Netzmanagementsysteme– Systemanalysen und dynamische

Simulationen der Bahnstromversorgung

Statische Frequenzumrichter

Ein Großteil der von Eisenbahnen genutzten elektrischen Energie wird aus dem öffentli-chen Stromnetz bezogen. Aus historischen Gründen arbeiten Bahnstromnetze jedoch häufi g mit einer anderen Frequenz. Stand der Technik zur Lösung dieses Problems sind leistungselektronische Umrichter ➔ 3.

FACTS zur Sicherung der Stromqualität

Moderne Traktionssysteme stellen hohe An-forderungen an die Versorgungsnetze. Nor-malerweise wird die einphasige Bahnstrom-versorgung zwischen zwei der drei Phasen des öffentlichen Stromnetzes gekoppelt. In einem Netz, das ursprünglich nicht dafür ausgelegt wurde, kann dies zu einer erheb-lichen Schiefl ast führen.ABB bietet verschiedene Lösungen zur Sicherung der Stromqualität in Versorgungs-netzen. Geräte zur dynamischen Parallel-kompensation wie SVCs oder STATCOMs ermöglichen eine Regelung der Blindleis-

320 km/h erhöht. Mit 1.900 km besitzt Frankreich heute das umfangreichste Hoch-geschwindigkeits-Schienennetz in Europa. Ein Ausbau des Netzes auf 4.000 km ist bis zum Jahr 2020 geplant. Im April 2007 stellte die französische SNCF zusammen mit RFF2 und Alstom bei einem Testlauf mit 575 km/h den aktuellen Geschwindigkeitsweltrekord für Schienenfahrzeuge auf.In Spanien gibt es derweil Pläne, das fran-zösische Hochgeschwindigkeitsnetz längen-mäßig zu übertreffen. Bis 2020 soll das Streckennetz so weit ausgebaut sein, dass für 90 % der spanischen Bevölkerung ein Haltebahnhof des AVE (Alta Velocidat Espanõla) in einem Umkreis von 50 km er-reichbar ist. Die Höchstgeschwindigkeit der AVE-Züge soll bei 350 km/h liegen.Heute verfügen Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritanni-en, Taiwan, Japan, Korea und die USA über in Betrieb befi ndliche Hochgeschwindig-keitsstrecken. In China, Iran, den Niederlan-den und der Türkei werden zurzeit entspre-chende Systeme gebaut, und in Argentinien, Brasilien, Indien, Marokko, Polen, Portugal, Russland und Saudi-Arabien befi nden sich Systeme in der Planung. Im Jahr 2009 gab es weltweit 10.739 Streckenkilometer für Geschwindigkeiten über 250 km/h mit fast 1.750 in Betrieb befi ndlichen Zügen [3]. Wei-tere 13.469 km befi nden sich im Bau, und 17.579 km sind in Planung. Bis 2020 könnte das weltweite Hochgeschwindigkeitsnetz 41.787 km umfassen [4].Seit mehreren Jahrzehnten spielt ABB eine bedeutende Rolle als Zulieferer für die Eisenbahnindustrie. Aufbauend auf ihrem einschlägigen Know-how in der Energie- und Automatisierungstechnik bietet ABB zuverlässige und kostengünstige Lösungen sowohl für die Bahninfrastruktur als auch für Schienenfahrzeuge.

Der erste kommerzielle Hochgeschwindig-keitszug im modernen Sinne war der japani-sche Shinkansen, der 1964 auf der 515 km langen Strecke zwischen Tokyo und Osaka in Betrieb genommen wurde, wo er anfangs eine Geschwindigkeit von 200 km/h (und im darauffolgenden Jahr von 210 km/h) er-reichte. Mit über 360.000 Fahrgästen an je-dem Wochentag ist diese Strecke noch im-mer der meistbefahrene Hochgeschwindig-keitskorridor der Welt. Heute fahren die Shinkansen-Züge mit einer Höchstge-schwindigkeit von 300 km/h, wobei noch höhere Geschwindigkeiten geplant sind.

In Frankreich wurde 1981 der erste TGV (Train à Grande Vitesse) zwischen Paris und Lyon (417 km) in den Dienst gestellt. Die anfängliche Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h wurde seitdem schrittweise auf

ABB unterhält stra-tegische Partner-schaften mit vielen Schienenfahrzeug-herstellern wie Alstom, Bombardier, CAF, Siemens, Skoda und Stadler.

Fußnote2 Die SNCF (Société Nationale des Chemins de Fer

Français) ist die staatliche französische Eisenbahng-esellschaft. RFF (Réseau Ferré de France) ist der staat-liche Betreiber des französischen Schienennetzes.

1 Entwicklung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs

Jahr

600

500

400

300

200

100

0

Ges

chw

ind

igke

it (k

m/h

)

1900 1920 1940 1960 1980 2000

Geschwindigkeitsrekord

Kommerzieller Regelbetrieb

Ökologische Performance der Bahn

Lkw(EURO 4) Auto

CO2-Ausstoß für 100 t Fracht von Basel nach Rotterdam (700 km)

CO2-Ausstoß für zwei Personen von Berlin nach Frankfurt (545 km)

Quelle: www.ecotransit.org (2008)

BinnenschiffFlugzeug

ZugZug

5,0

4,5

4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,0

120

100

80

60

40

20

0

Koh

lend

ioxi

d (t

)

Koh

lend

ioxi

d (k

g)

4,7

0,6

2,4

98

26

85

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17Züge auf der Überholspur

letzten Jahren ausgebaut und ist heute welt-weit führend auf diesem Gebiet. Das Unter-nehmen unterhält strategische Partner-schaften mit Schienenfahrzeugherstellern wie Alstom, Ansaldo Breda, Bombardier, CAF, Siemens, Skoda und Stadler. Trakti-onstransformatoren von ABB sind überall auf der Welt im Einsatz, und es gibt kaum einen Systemintegrator im Eisenbahnsektor, der noch keinen Transformator von ABB eingesetzt hat.

Traktionstransformatoren

Traktionstransformatoren sind eine Schlüs-selkomponente im Antriebssystem eines Zuges. Zu den besonderen Kriterien, die sie erfüllen müssen, gehören:

– Sie sind der einzige Energie über tra-gungs punkt zwischen der Fahrleitung und den Motoren und müssen daher eine hohe Zu ver-lässigkeit besitzen.

– Sie müssen kom-pakt und leicht gebaut sein.

– Aufgrund der unterschiedlichen Elektrifi zierungen in Europa (und zum Teil auch innerhalb eines Landes) müssen viele Transforma-toren mit mehreren Spannungen und Frequenzen arbeiten können.

Der AGV (Automotrice à Grande Vitesse), der im April 2007 die Rekordgeschwindig-

tung mithilfe von Leistungshalbleitern. Dank ihrer periodenweisen Regelbarkeit sind diese Geräte in der Lage, selbst schnellsten Spannungstransienten entgegenzuwirken und das Netz vor ernsthaften Spannungs-schwankungen zu schützen. Außerdem sind sie in der Lage, das Spannungsprofi l des Netzes zu regulieren und seine Stabilitäts-grenze zu erhöhen, wodurch die Netzkapa-zität verbessert und das Netz insgesamt robuster, fl exibler und berechenbarer wird.Für die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwi-schen dem Eurotunnel und London wurden insgesamt vier SVCs bereitgestellt. Drei da-von sind auf der Bahnstromseite der Trans-formatoren an den drei Einspeisungspunk-ten installiert, während der vierte SVC für den Lastausgleich verwendet wird. Diese Technologie wird im Artikel „Eisenbahn-FACTS“ auf Seite 35 dieses Hefts ausführ-licher behandelt.

Transformatoren

Ein Hochgeschwindigkeitszug benötigt viel Leistung. Das gilt besonders beim Be-schleunigen. Transformatoren wandeln die Spannung vom Stromnetz in die dazu erfor-derliche Fahrdrahtspannung um ➔ 2.

RollmaterialDie Hersteller von Hochgeschwindigkeits-zügen arbeiten kontinuierlich an der Verbes-serung ihrer Produkte, um den steigenden Anforderungen an die Leistung, Effi zienz und Zuverlässigkeit gerecht zu werden. Ähnlich hohe Anforderungen gelten auch für ihre Zulieferer. ABB hat ihre Kompetenz im Bereich der Traktionstransformatoren in den

keit von 575 km/h erreichte, war ebenfalls mit einem Traktionstransformator von ABB ausgestattet. Darüber hinaus liefert ABB Traktionstransformatoren für die Hochge-schwindigkeitszüge von Alstom (AGV) ➔ 4, Siemens (Velaro) ➔ 5 und Bombardier (ZEFIRO) ➔ 6.

Durch die Weiterentwicklung der Marktan-forderungen hat sich folgende Situation er-geben: Während die „klassischen“ europäi-schen Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE-1 und der TGV von Triebköpfen an den Enden des Zuges angetrieben werden, ist der Antrieb bei der neuen Generation von Hochgeschwindigkeitszügen wie dem Vela-ro oder dem AGV über die gesamte Länge des Zuges verteilt. So wird die Haftung auf der Schiene verbessert, da weniger Leis-tung pro Achse erforderlich ist. Und da-

durch, dass der gesamte Antriebsstrang (einschließlich Transformatoren, Umrichtern, Motoren und Steuerungstechnik) unter dem Wagenboden untergebracht ist, steht prak-tisch die gesamte Länge des Zuges (d. h. bis zu 20 % mehr Raum) für die Passagiere zur

Der AGV, der im April 2007 die Rekordgeschwindigkeit von 575 km/h erreichte, war mit einem Traktionstransfor-mator von ABB ausgestattet.

3 Projekte für statische Frequenzumrichter

Zurzeit realisiert ABB in Zusammenarbeit mit der deutschen E.ON Kraftwerke GmbH die größte und leistungsstärkste Umrichteranlage der Welt. Die Anlage mit einer Nennleistung von 413 MW verbindet das nationale 50-Hz-Stromnetz mit dem 16,7-Hz-Bahn-stromnetz. Die Fertigstellung ist für 2011 geplant. Ebenfalls von ABB stammen acht 15-MW-Frequenzumrichter in Limburg zur Versorgung der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt. Neben der Deutschen Bahn beliefert ABB auch die österreichischen und schweizerischen Bahngesellschaften mit Umrichtern.

Mehr über diese Projekte lesen Sie im Artikel „Statische Umrichter, dynamische Leistung“ auf Seite 42 dieses Hefts.

Die spanische AVE-Strecke führt von Madrid über Zaragoza und Barcelona bis zur französischen Grenze. ABB erhielt den Auftrag zur Bereitstellung der Transformato-ren für den Streckenabschnitt Barcelona–Figueras. Die Transformatoren werden in den Unterwerken in Baro de Viver, Riduarenes und Santa Llogaia installiert.

Auftraggeber ist SILFRASUD, ein Konsortium von Siemens und Inabensa. Der Auftrag umfasst vier Transformatoren mit 60 MVA und 405/27,5 kV, die im ABB-Werk in Cordoba gefertigt werden, sowie zwei Transformatoren mit 60 MVA und 220/27,5 kV, die im ABB-Werkin Bilbao gefertigt werden.Seit 1990 hat ABB insgesamt 85 Transforma-toren für Hochgeschwindigkeitsstrecken in Spanien bereitgestellt. Ein Rahmenvertrag mit dem spanischen Netzbetreiber ADIF sieht die Bereitstellung von 52 weiteren Einheiten bis 2014 vor.

2 Transformatoren für spanische Hochgeschwindigkeitsstrecken

Page 18: ABB technik ABB Konzerns...Schaltanlagen, Motoren und Turbolader. Einige dieser Produkte werden in dieser Ausgabe der ABB Technik genauer vorgestellt. ABB hat ihre Aktivitäten auf

18 ABB technik 2|10

dem Hochgeschwindigkeitssektor erwarten. So hat US-Präsident Barack Obama Investi-tionen in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar für den Bau von Hochgeschwindigkeits-strecken zwischen bedeutenden Städten der USA über einen Zeitraum von fünf Jah-ren zugesagt – gute Aussichten also für den Hochgeschwindigkeits-Schienenverkehr.

Pascal Leiva

ABB Sécheron Ltd.

Genf, Schweiz

[email protected]

Melanie Nyfeler

ABB Switzerland, Communications

Baden, Schweiz

[email protected]

Literaturhinweise[1] Crumley, B. (8. Juni 2000): „Working on the

Railroad“. Time Global Business[2] Glover, J. (November 2009): „Global insights into

high speed rail“. Modern Railways[3] UIC (Januar 2009): „High speed rail, fast track to

sustainable mobility“[4] Barron, I. (aktualisiert am 14. Juni 2009): „High

speed lines in the World“, Hochgeschwindigkeit-sabteilung der UIC

[5] Wolf, A. (April 2009): „Demand for high speed trains continues to rise“. International Railway Journal

seine neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken mit 24 kV Wechselstrom zu elektrifi zieren, wurde die für die klassische 3-kV-Gleich-stromversorgung ausgelegte ETR 500-Flot-te zwischen 2006 und 2008 für den Mehr-systembetrieb nachgerüstet. Im Februar 2006 nahmen die Züge ihren Regelbetrieb auf den neuen Strecken zwischen Mailand, Turin, Florenz, Rom und Neapel mit einer kommerziellen Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h auf. ABB lieferte über 280 Trakti-onsmotoren für den ETR 500. Mehr über Traktionsmotoren von ABB lesen Sie im Ar-tikel „Standardisierung des Traktionsmotors“ auf Seite 66 dieses Hefts.

Ein schnell wachsender MarktGemessen an den aktuellen Aufträgen und Lieferungen werden bis Ende 2010 weltweit 2.500 Züge mit einer Höchstgeschwindig-keit von über 200 km/h in Betrieb sein. Allein in China werden 10.000 km neue Hochge-schwindigkeitsstrecken gebaut, und weitere 3.000 km sind in Planung [4]. Auch in West-europa wächst der Markt weiter, und in Frankreich und Deutschland steht eine Er-neuerung der Hochgeschwindigkeitszüge der ersten Generation an. Die Entwicklun-gen in Osteuropa, Südamerika und Nord-amerika lassen ebenfalls ein Wachstum auf

Verfügung. Die Transformatoren, die ABB für den AGV und den Velaro liefert, sind mit allen bedeutenden Bahnnetzspannungen und -frequenzen in Europa kompatibel.

Traktionsumrichter

ABB hat unter anderem Traktionsumrichter für die Modernisierung des ICE-1 der Deut-schen Bahn bereitgestellt (siehe hierzu auch die Infobox auf Seite 76 dieses Hefts).

Motoren

Zusammen mit Bombardier, Ansaldo Breda, Alstom und Firema gehört ABB dem TREVI-Konsortium an, das den ETR 500 für das italienische Eisenbahnunternehmen Trenita-lia baut. Da sich Trenitalia dazu entschloss,

Bis Ende 2010 werden weltweit 2.500 Züge mit einer Höchstge-schwindigkeit von über 200 km/h in Betrieb sein.

4 AGV: Transformation mit High-Speed

Bei einer Testfahrt am 3. April 2007 stellten die SNCF, RFF und Alstom Transport mit 574,8 km/h einen neuen Geschwindigkeits-weltrekord für klassische Rad-Schiene-Fahr-zeuge auf. Die neue Generation von AGV-Zügen (Automotrice à Grande Vitesse) von Alstom Transport soll eine kommerzielle Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h erreichen. Durch den verstärkten Einsatz von Verbundwerkstoffen und Aluminium konnte Alstom den AGV deutlich leichter machen. Ein kompletter Zug wiegt 395 t (verglichen mit 430 t für den Vorgänger TGV) und benötigt 15 % weniger Strom.

Der erste neue AGV soll Ende 2011 in Italien für die neue private Bahngesellschaft NTV (Nuovo Transporto Viaggiatori) in Betrieb gehen, die insgesamt 25 Züge vom Typ AGV bestellt hat.

Bild: Alstom Transport

5 Velaro: die neue Generation

Im Juni 2009 entschied sich Siemens Mobility, die Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ Velaro für die Deutsche Bahn mit Transformatoren von ABB auszurüsten.

Jeder achtteilige Zug wird mit zwei Traktions-transformatoren ausgestattet. Um Gewicht zu sparen, fungieren die Sekundärwicklungen der Transformatoren zusätzlich als Leitungs-induktivitäten für die Stromrichter, wenn der Zug mit Gleichstrom betrieben wird.

Siehe auch „High-Speed-Transformatoren: ABB liefert Transformatoren für den Hochgeschwindigkeitszug Velaro“ auf Seite 64–67 der ABB Technik 4/2009.

Bild: Siemens Pressefoto

6 Aufträge für China, Spanien und Italien

Im September 2009 gab Bombardier Trans-portation bekannt, dass das chinesische Joint-Venture Bombardier Sifang (Qingdao) Transportation Ltd. 80 Züge vom Typ ZEFIRO mit einer Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h für das rasch wachsende Hochgeschwindig-keits-Bahnnetz des Landes liefern wird*. Die Traktionstransformatoren für diese Züge werden von ABB geliefert.Darüber hinaus lieferte ABB Sécheron die Traktionstransformatoren für die Hochgeschwin-digkeitszüge vom Typ AVE, die Bombardier gemeinsam mit Talgo (Talgo/Bombardier AVE102 und Talgo/Bombardier AVE130) für die spanische Bahngesellschaft RENFE produziert, sowie die Transformatoren des ETR 500 für die italienische Bahngesellschaft TrenItalia.Bild: Bombardier Pressefoto

Fußnote* Siehe auch „Die Weichen für Chinas Zukunft“ auf Seite 19 dieses Hefts.

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19Die Weichen für Chinas Zukunft

China ohnehin schon stark steigenden Treibhausgasemis-sionen. Um dem entgegenzuwirken, investiert die chinesische Regierung seit 2004 verstärkt in die Modernisierung beste-hender Bahnlinien und den Bau von mehreren Zehntausend Kilometern Hochgeschwindigkeitstrassen für den Personen-verkehr. Dabei kommen neben vielen einheimischen auch importierte Technologien zum Einsatz. ABB ist der führende Anbieter von elektrischen Systemen, insbesondere von Traktionstransformatoren und Schaltanlagen, für Elektro-lokomotiven in China. Die Kompetenz und Technologie von ABB sind bei Partnern in der Eisenbahnindustrie weltweit anerkannt. Dies zeigt sich auch in einer Reihe von Projekten, die in diesem Artikel vorgestellt werden.

CÉCILE FÉLON, FRÉDÉRIC RAMELLA, HARRY ZÜGER – Die Eisenbahn ist das wohl wichtigste Transportmittel für Menschen und Güter in China. Dabei waren Zugreisen dort jahrzehntelang eine lange und unbequeme Angelegenheit. Hinzu kam, dass aufgrund der enormen geografi schen Ausdehnung des Landes Millionen Menschen keinerlei Anschluss an das Bahnnetz hatten. Darauf folgten Jahrzehnte des wirtschaftlichen Aufschwungs verbunden mit dem Wunsch, das Land für neue Entwicklungen und den Handel zu öffnen. Dadurch entstand eine Mittelklasse, die weitaus wohlhabender ist als frühere Generationen. Der neue Wohl-stand führte aber auch dazu, dass viele Menschen vom Fahrrad auf das Auto umstiegen. Die Folge ist eine ernsthafte Überlastung des Straßenverkehrs und eine Erhöhung der in

Technologien von ABB helfen beim Aufbau des schnellsten und fortschrittlichsten Hoch-geschwindigkeits-Schienennetzes der Welt

Die Weichen für Chinas Zukunft

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20 ABB technik 2|10

Bei den chinesischen Hochgeschwindig-keitszügen kommt eine Vielzahl von einhei-mischen und importierten Technologien aus aller Welt zum Einsatz. ABB unterstützt die ehrgeizigen Pläne Chinas zum Ausbau des Schienenfern- und -nahverkehrs mit der Lieferung fortschrittlicher elektrischer Systeme.

Schienenverkehr im WandelEin Beispiel sind die bekannten und inno-vativen Traktionstransformatoren von ABB, die in vielen chinesischen Lokomotiven und Triebzügen eingesetzt werden. Diese kompakten und leichten Hochleistungs-transformatoren sind äußerst beständig gegen mechanische Einfl üsse und Wärme und daher überaus zuverlässig. Zudem spielen Transformatoren als zentrale Kom-ponenten der Züge eine wichtige Rolle für die Energieeffi zienz im Schienenverkehr.Traktionstransformatoren von ABB tauch-ten erstmals 2004 auf dem chinesischen Markt auf, als sie für die Regina-Züge von Bombardier, in China besser bekannt als CRH1A und CRH1B1, eingesetzt wurden. Diese elektrischen Triebzüge2 können im

Laut Chinas „mittel- bis langfristigem Ent-wicklungsplan für das Eisenbahnnetz“ soll das chinesische Streckennetz bis zum Jahr 2020 über 120.000 Kilometer umfas-sen, wovon über 50 % zweispurig und über 60 % elektrifi ziert sein sollen. Darin enthal-ten sind der Bau von vier Nord-Süd-Ver-bindungen und vier Ost-West-Verbindun-gen für den Personenverkehr sowie neue Intercity-Verbindungen zwischen dicht

besiedelten Regionen, ebenfalls für den Personenverkehr. Bis zum Jahr 2020 soll das Streckennetz für den Hochgeschwin-digkeits-Personenverkehr eine Gesamt-länge von über 18.000 km umfassen. Fast drei Viertel davon, also etwa 13.000 km, sollen bereits bis 2012 fertiggestellt sein [1], wobei 8.000 km für Geschwindigkeiten von 350 km/h ausgelegt sein werden.

I n Ländern wie Japan, Italien, Frank-reich, Deutschland, Spanien und Südkorea sind im Laufe der Jahre ef-fiziente Hochgeschwindigkeits-Schie-

nennetze entstanden. Seit neuestem ge-hört auch China dazu, wo seit Dezember 2009 der schnellste Expresszug der Welt auf der mit 1.068 km wohl längsten Hochgeschwindigkeitsstrecke der Welt verkehrt. Mit einer Höchstgeschwindig-keit von 350 km/h verbindet der Zug die Stadt Wuhan in Zentralchina mit der Stadt Guangzhou an der Südküste, wo-bei er die Provinzen Hunan und Hubei durchquert. Dank dieser neuen Verbin-dung verkürzt sich die Reisezeit von vor-mals zehneinhalb Stunden auf gerade einmal drei Stunden.

Dies ist nur ein Beispiel für den Erfolg des ehrgeizigen und rasch voranschreitenden Entwicklungsprojekts für den Hochge-schwindigkeits-Bahnverkehr in China. An-gesichts des stetigen Wirtschaftswachs-tums und der steigenden Bevölkerungszahl gilt es für China, die wirtschaftliche Entwick-lung auf das ganze Land auszudehnen, was sich wiederum am besten mithilfe eines geeigneten und schnellen Schienennetzes erreichen lässt. Nach Fertigstellung der Hauptstrecken im Jahr 2020 wird China über das größte, schnellste und fortschritt-lichste Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn-netz der Welt verfügen.

1 Die Spitzentechnologie des BOMBARDIER ZEFIRO ermöglicht Reisegeschwindigkeiten von 380 km/h. (Quelle: Bombardier Pressefoto)

Seit 2004 investiert die chinesische Re-gierung verstärkt in die Modernisierung bestehender Bahn-linien und den Bau von mehreren Zehn-tausend Kilometern Hochgeschwindig-keitstrassen für den Personenverkehr. Fußnoten

1 Das Kürzel CRH steht für Hochgeschwindig-keitszüge, die Zahl dahinter bezeichnet den Hersteller. In diesem Fall steht „1“ für Bombar-dier Transportation. Eine „3“ würde bedeuten, dass der Zug von Siemens hergestellt wurde. Die dann folgenden Buchstaben oder Zahlen – in diesem Fall A und B – bezeichnen die verschiedenen Ausführungen eines Zugs.

2 Die meisten CRH1-Züge wurden der Guang-shen Railway zugewiesen, um alle lokomotiv-bespannten Züge zwischen Guangzhou und Shenzhen in der Provinz Guangdong zu ersetzen. Einige davon werden auch auf der Strecke Shanghai-Nanjing eingesetzt.

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21Die Weichen für Chinas Zukunft

Railway Company Ltd. eingesetzt, um Kraftwerke und Fabriken in ganz China mit Kohle zu beliefern. Die erste HXD2 „BoBo“-Lokomotive wurde im Dezember 2006 fertiggestellt und erreichte im darauffol-genden Monat Tianjin. Im Jahr 2007 unter-zeichneten die beiden Unternehmen einen weiteren Vertrag über 1,2 Milliarden Euro für die Lieferung von 500 sechsachsigen Elektrolokomotiven vom Typ HXD2B. Die-ser in China auch als „CoCo“ bezeichnete Lokomotiventyp wurde von Alstom konst-ruiert.

Mit der Lieferung der Traktionstransforma-toren für die HXD2 und die HXD2B an Als-tom setzte ABB eine langjährige und er-folgreiche Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen fort ➔ 4. In naher Zu-kunft wird ABB auch die Traktionstransfor-matoren für die DELC-Elektrolokomotiven vom Typ HXD2C bereitstellen.

SchaltanlagenTraktionstransformatoren sind nicht die einzigen elektrischen Systeme, die ABB nach China liefert. Für die Hochgeschwin-digkeitstrasse zwischen Wuhan und Gu-angzhou lieferte ABB unter anderem gas-isolierte Schaltanlagen (GIS) vom Typ ZX1.5-R für 27,5 kV und ZX0 für 10 kV so-wie SF6-isolierte Schaltanlagen der SAFE-Serie zur Versorgung der Signalanla-gen ➔ 6. Bei den GIS vom Typ ZX1.5-R handelt es sich um modulare, fl exible Zweiphasen-Schaltfelder mit Einfachsam-melschiene, die im Zentrum für Mittelspan-nungstechnik von ABB China speziell für die besonderen Anforderungen der chine-sischen Hochgeschwindigkeitsstrecken ausgelegt wurden. Die Schaltanlagen wer-den von ABB Xiamen Switchgear Co. Ltd. gefertigt und benötigen um bis zu 70 % weniger Platz als andere herkömmliche Produkte. Zur Isolierung wird SF6 einge-

Im Jahr 2009 erhielt ABB von Datong Elec-tric Locomotive Co. Ltd. (DELC) den Auf-trag zur Montage von Traktionstransforma-toren für den CRH2 (eine Modifi kation des japanischen Shinkansen-Modells E2-1000) und zur Herstellung von Traktionstransfor-matoren für die Triebzüge vom Typ CRH5,

die bei Alstom und Changchun Rail-way Vehicles gefer-tigt werden. Eben-falls im Jahr 2009 erhielt ABB den Auftrag zur Moder-nisierung des Trak-tionstransformato-rendesigns für den auf einer Kawasa-ki-Konstruktion ba-

sierenden, 380 km/h schnellen Triebzug CRH2-380.

Wachstum im Güterverkehr

Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt einer wachsenden Wirtschaft ist ein gutes und schnelles Schienennetz für den Güter-verkehr. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat das chinesische Eisen-bahnministerium beschlossen, das chine-sische Güterverkehrsnetz auszubauen und zu modernisieren, um die Transportkapazi-tät auf der Schiene zu erhöhen. Auch hier-bei spielt Technologie von ABB eine wich-tige Rolle ➔ 3.

Im Jahr 2005 unterzeichneten Alstom und DELC einen Vertrag über 350 Mio. Euro für die Lieferung von insgesamt 180 acht-achsigen Elektromotiven vom Typ HXD26. Diese Lokomotiven werden von der Daqin

Regelbetrieb eine Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h erreichen. Im September 2009 beauftragte das chinesische Eisenbahn-ministerium Bombardier Sifang Power mit der Lieferung von 80 Höchstgeschwindig-keitszügen3 vom Typ Zefi ro 380 ➔ 1. Insge-samt werden für die 6.000 km an neuen

Hochgeschwindigkeitsstrecken in China 1.120 Triebwagen gebaut, wobei die Trak-tionstransformatoren für die meisten dieser Züge von ABB bereitgestellt werden.

Darüber hinaus kommen Traktionstrans-formatoren von ABB auch in einigen Hoch-geschwindigkeitszügen der Velaro-Platt-form von Siemens Mobility zum Einsatz ➔ 2. Diese als CRH3-380 bekannten Züge mit Reisegeschwindigkeiten von bis zu 380 km/h werden im Personenverkehr auf den Strecken Peking-Tianjin4, Wuhan-Gu-angzhou und Zhengzhou-Xi‘an eingesetzt. Die Lieferung der Transformatoren erfolgte durch ABB Datong Traction Transformers Co. Ltd.5 (CNDAT) im Auftrag von Tangs-han Railway Vehicle Co. Ltd. (TRC) und Changchun Railway Vehicle Co. Ltd. (CRC), zwei der führenden Schienenfahr-zeughersteller in China.

2 ABB-Traktionstransformatoren kommen unter anderem in Hochgeschwindigkeitszügen der Velaro-Plattform von Siemens zum Einsatz.

Die bekannten und innova-tiven Traktionstransformatoren von ABB werden in vielen chinesischen Lokomotiven und Triebzügen eingesetzt.

Fußnoten3 Die Höchstgeschwindigkeitszüge vom Typ

Zefiro 380 basieren auf der Regina-Familie von Bombardier.

4 Die ersten drei elektrischen Triebzüge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h wurden vor der Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 in Peking auf der Strecke Peking-Tianjin in den Dienst gestellt.

5 ABB Datong Traction Transformer Co. Ltd. (CNDAT) wurde 2005 gegründet und ist ein Joint Venture von ABB (China) Ltd. und Datong Electric Locomotive Co. Ltd.

6 Bis heute gilt die HXD2 in China sowohl im Hinblick auf die Leistung (10.000 kW) als auch die Geschwindigkeit (120 km/h) als beste Loko-motive für den schweren Güterverkehr.

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22 ABB technik 2|10

WissenstransferIm Januar dieses Jahres gab ABB die Gründung des ABB Electrifi ed Railway Training Center in Zusammenarbeit mit der Jiaotong-Universität Peking7 bekannt ➔ 6. Das Zentrum, das von ABB mit moderner Bahnstromtechnik ausgestattet wurde, bietet Ausbildungs-, Forschungs- und Schulungsmöglichkeiten für technische Mitarbeiter des Eisenbahnministeriums so-wie für Lehrkräfte und Studenten der Uni-versität und unterstützt somit die Entwick-lung der chinesischen Eisenbahnindustrie im Hochgeschwindigkeitssektor. Vorgese-hen sind unter anderem Programme zum Austausch fortschrittlicher Technologien mit anderen Instituten.

Wie vereinbart wird ABB dem Zentrum moderne Bahnstromtechnik in Form von gasisolierten Schaltanlagen, Vakuum-Leis-tungsschaltern, isolierten Ringkabelschalt-anlagen und Modellen der eigens für Bahn-anwendungen entwickelten Schaltan-lagencontainern zur Verfügung stellen. Außerdem werden erfahrene ABB-Techni-ker regelmäßig Schulungen anbieten. Nach seiner Eröffnung wird das Zentrum, das dem Fachbereich Electric Traction Educa-tion angegliedert ist, der Universität als technisches Forschungszentrum zur Ver-fügung stehen.

setzt, das für seine außerordentlichen phy-sikalischen Eigenschaften und vor allem sein hervorragendes Isolationsvermögen bekannt ist. Dank des geringeren War-tungsaufwands profi tieren Kunden zudem von niedrigeren Investitions- und Betriebs-kosten. In Unterwerken eingesetzt sorgen diese Schaltanlagen für eine sichere und zuverlässige Stromversorgung entlang der gesamten Strecke.

Die gleichen Schaltanlagen kommen auch an der 485 km langen, für eine Höchstge-schwindigkeit von 350 km/h ausgelegten Expressverbindung für den Personenver-kehr zwischen Zhengzhou und Xi‘an zum Einsatz. Dank dieser Verbindung wurde die Fahrzeit zwischen der in der zentralchine-sischen Provinz Henan gelegenen Stadt Zhengzhou und Xi‘an in der nordwestli-chen Provinz Shaanxi von sechs Stunden auf unter zwei Stunden verkürzt. Die zur Ost-West-Achse zwischen Xuzhou in der Provinz Jiangsu und Lanzhou in der Pro-vinz Gansu gehörige Verbindung wurde 2010 in Betrieb genommen [2]. Neben den Expressverbindungen Wuhan–Guangzhou und Zhengzhou-Xi‘an ist ABB auch den Streckenprojekten Wuhan-Hefei, Shang-hai-Hangzhou, Shanghai-Nanjing, Ningbo-Taizhou-Wenzhou, Wenzhou-Fuzhou, Fuz-hou-Xiamen und Guangzhou-Shenzhen-Hongkong beteiligt. Im Bereich des städtischen Nahverkehrs liefert ABB Tech-nologie für Metro- und Stadtbahnprojekte in Peking, Shanghai, Guangzhou, Shenz-hen, Nanjing und Changchun.

4 Elektrolokomotive vom Typ HXD2B von Alstom(Quelle: Alstom Transport Pressefoto)

Fußnote7 Die dem Bildungsministerium unterstelle

Jiaotong-Univesität Peking ist eine offizielle Schulungseinrichtung des Eisenbahnministeri-ums und berühmt für ihre Innovationen auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik.

Neben Traktions-transformatoren lieferte ABB GIS vom Typ ZX1.5-R für 27,5 kV und ZX0 für 10 kV so-wie SF6-isolierte Schaltanlagen der SAFE-Serie für die Hochgeschwin-digkeitstrasse zwischen Wuhan und Guangzhou.

3 Zahlen und Fakten zum Personen- und Güterverkehr in China

– Im Jahr 2007 transportierten etwa 33.300 täglich fahrende Güterzüge ca. 3,3 Milliar-den Tonnen Waren.

– Der Transport von Gütern wie Kohle, Eisen und Lebensmitteln nimmt jährlich um ca. 200 Millionen Tonnen zu.

– Im Jahr 2008 wurden 68 neue Projekte zum Bau von 11.306 Streckenkilometern für den Personen- und Güterverkehr ins Leben gerufen.

– Ende 2008 gab es in China 18.437 Loko-motiven, darunter 6.305 Elektromotiven.

– Ende 2009 umfasste das Schienennetz in China 86.000 km. Bis 2012 werden es voraussichtlich 110.000 km sein.

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23Die Weichen für Chinas Zukunft

Cécile Félon

Frédéric Ramella

Harry Züger

ABB Power Products

Genf, Schweiz

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Literaturhinweise[1] High-speed rail in China. (nd). http://

en.wikipedia.org/wiki/High-speed_rail_in_China (Abruf 2. März 2010)

[2] China daily (6. Februar 2010): „Zhengzhou-Xi’an high-speed train starts operation“. http://www.chinadaily.com.cn/regional/2010-02/06/con-tent_9439243.htm (Abruf 2. März 2010)

[3] The Economist (4. Februar 2010): „China’s dashing new trains“. http://www.economist.com/blogs/gulliver/2010/02/high-speed_rail_china (Abruf 2. März 2010)

Gute VerbindungenMit dem Ausbau der Zugverbindungen wird das chinesische Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz zweifellos noch mehr Menschen das Reisen ermöglichen. Wahrscheinlich werden Reisen mit dem Zug sogar genauso schnell sein wie Inlandsfl üge – allerdings nur halb so teuer. Laut Si Xianmin, Vorsit-zender von China Southern Airlines, der Fluggesellschaft mit der größten Inlandsfl ot-te, bieten Hochgeschwindigkeitszüge ge-genüber dem Flugzeug drei Vorteile. „Sie sind bequemer, pünktlicher und haben eine bessere Sicherheitsbilanz. Dies könnte dazu beitragen, die Marktanteile der Fluggesell-schaften zu schmälern.“ [3] Darüber hinaus kann ein gutes Schienennetz dabei helfen, die wirtschaftliche Entwicklung schneller und gleichmäßiger über das gesamte Land auszudehnen.

Grundlage für den Erfolg von ABB auf dem chinesischen Eisenbahnmarkt ist die enge Zusammenarbeit zwischen ABB Sécheron und ABB Datong ➔ 7. Während ABB Sé-cheron in der Konstruktion, Forschung und Entwicklung, dem Marketing und Vertrieb sowie beim Service von elektrischen Sys-temen für den Eisenbahnsektor weltweit führend ist, befasst sich ABB Datong schwerpunktmäßig mit der Herstellung von Traktionstransformatoren für den chinesi-schen Markt. Zurzeit ist ABB dabei, sich auf dem chinesischen Markt für elektrische Triebzüge als bevorzugter Anbieter von elektrischen Systemen für die zunehmen-de Zahl von Pendlerzügen in China zu po-sitionieren.

Laut Pierre Compdaer, Vizepräsident von ABB China, arbeitet ABB landesweit eng mit einer Reihe von Universitäten zusam-men. „Die Kooperation mit den führenden Hochschulen des Landes fördert nicht nur die Innovation bei ABB, sondern hilft auch dabei, neue Talente für die Entwicklung verschiedener Industriezweige heranzuzie-hen“, so Compdaer. Chen Feng, Vizepräsi-dent der Jiaotong-Uiversität Peking, sagt dazu: „Die Zusammenarbeit bei der Ausbil-dung im Bereich der elektrischen Eisen-bahntechnik [...] fördert die Berufsausbil-dung und ermöglicht uns gleichzeitig die Forschungsarbeit auf höchstem Niveau. Mit dem Schulungszentrum haben wir die Möglichkeit, [...] die rasche Entwicklung des Schienenverkehrs in China vorantreiben.“Dies ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen ABB und einer chinesischen Uni-versität. Schon seit Längerem unterstützt ABB Bildungseinrichtungen in China, um die Verfügbarkeit hoch qualifi zierter Techni-ker sicherzustellen. Im Jahr 2008 gründete das Unternehmen zum Beispiel das ABB Power Technology Education Center an der Tongji-Universität und stattete es mit einem kompletten Satz an Trafostations- und Abzweigautomatisierungsprodukten sowie mit Primärsystemen wie Mittelspan-nungs-Schaltanlagen, einer Ringkabel-schaltanlage und Freiluftprodukten aus, um eine fortschrittliche Ausbildung und Forschung zu ermöglichen. Darüber hin-aus kooperiert ABB mit der Tsing-Hua Uni-versität, der North China Electric Power University, der Universität Tianjin, der Jiao-tong-Universität Shanghai und der Univer-sität Chongqing im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte.

5 Gasisolierte Mittelspannungs-Schaltanlage ZX1.5-R von ABB für Bahnstromanwendungen

6 ABB und die Jiaotong-Universität Peking grün-den das Electrifi ed Railway Training Center

Pierre Comptdaer, Vizepräsident von ABB China (links) und Chen Feng, Vizepräsident der Jiaotong-Universität Peking (rechts)

7 International Railway Industry Standard (IRIS)

Sowohl ABB Sécheron, das ABB-Kompetenz-zentrum für elektrische Systeme im Eisen-bahnsektor, als auch ABB Datong Traction Transformers Co. Ltd. sind nach dem International Railway Industry Standard (IRIS) zertifi ziert. IRIS ist ein international anerkannter Standard für Qualitätsmanagementsysteme in der Eisenbahnindustrie, der vom Verband der europäischen Eisenbahnindustrie UNIFE in Zusammenarbeit mit Systemintegratoren, Herstellern und Betreibern wie Bombardier Transportation, Siemens Mobility, Alstom Transport und Ansaldo Breda erarbeitet wurde.

Ein Interview mit Michael Clausecker, dem Generaldirektor der UNIFE, finden Sie auf Seite 8–13 dieses Hefts.

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24 ABB technik 2|10

LALIT TEJWANI – Seitdem im Jahr 1853 der erste Zug Indiens (und Asiens) in Mumbai in den Dienst gestellt wurde, ist das indische Schienennetz auf über 64.000 Streckenkilometer angewachsen. Heute werden darüber täglich ca. 2,5 Millionen Tonnen Güter und 19 Millionen Passagiere befördert. Dieser Artikel beschreibt einige der Entwicklungen, mit denen die Inder ihre Eisenbahn für die Zukunft rüsten, und zeigt, wie Technologien von ABB dabei helfen können, Eisenbahnen umweltfreundlicher und effi zienter zu gestalten.

ABB hilft bei der Modernisierung der Eisenbahn in Indien

Indiens Weg zur Nachhaltigkeit

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25Indiens Weg zur Nachhaltigkeit

Bei den ersten Elektrifi zierungsprojekten in Indien setzte man noch auf Gleichstrom, doch seit den 1950er Jahren wird für alle neuen Projekte Einphasen-Wechselstrom mit 25 kV und 50 Hz verwendet. Der erfor-derliche Strom wird aus den regionalen 50-Hz-Drehstromnetzen mit 220/132/110/66 kV entnommen, auf das Bahnstrom-niveau umgespannt und über Fahrdrähte den Zügen zugeführt. Zurzeit benötigt IR über 2.000 MW an elektrischer Leistung, die hauptsächlich über ein nationales Netz aus 400 Bahnunterwerken bereitgestellt wird.Seit 1980 automatisiert IR seine Unter-werke mit mikroprozessorbasierten SCA-DA-Systemen (Fernwirk- und Datenerfas-

betriebene Zug in Mumbai seinen Dienst aufnahm, wurde die Elektrifi zierung ver-stärkt vorangetrieben. Am 31. März 2009 waren insgesamt 18.942 Streckenkilometer elektrifi ziert, was 28 % des gesamten Schie-nennetzes in Indien entspricht. Das Ziel der Regierung ist es, jedes Jahr weitere 1.500 km des bestehenden Streckennetzes zu elektrifi zieren ➔ 1.

Auf den Hauptstrecken können dank der Elektrifi zierung schwerere Güterzüge und schnellere Personenzügen verkehren. Im städtischen Nahverkehr bieten sich elektri-sche Triebzüge1 aufgrund ihrer hohen Beschleunigungs- und Bremsleistungen geradezu an. Ein weiterer bedeutender Katalysator für die Elektrifi zierung ist der Wunsch Indiens, seine Abhängigkeit von teuren Brennstoffi mporten zu reduzieren. Bei einer Zentralisierung der Energieerzeu-gung und -verteilung bietet der elektrische Betrieb zudem den Vorteil einer geringeren Luftverschmutzung und Lärmbelastung so-wohl für die Reisenden als auch die Um-welt.

I ndian Railways (IR) betreibt eines der größten Eisenbahnnetze weltweit und ist mit 1,4 Mio. Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Welt. Geführt wird das

staatliche Unternehmen vom Indian Railway Board, das dem Eisenbahnministerium un-tersteht. Anders als die meisten Eisenbahn-gesellschaften unterhält IR auch eigene Fertigungsstätten für Schienenfahrzeuge, in denen jährlich etwa 3.000 Waggons, 500 Diesel- und Elektrolokomotiven sowie wich-tige Komponenten wie Räder, Achsen und Traktionsmotoren gefertigt werden.Am 31. März 2008 umfasste der Fuhrpark der IR insgesamt 47.375 Personenwagen und elektrische Triebzüge sowie fast 8.400 Lokomotiven, davon 3.400 Elektroloks. Mehr als 65 % des Güterverkehrs und über 50 % des Personenverkehrs werden mit elektrischen Zügen abgewickelt.

Nachhaltiges WachstumAngesichts der fortschreitenden Urbanisie-rung, dem wachsenden Mobilitätsbedürfnis und der Überlastung des Straßennetzes gewinnt der Schienenverkehr seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung. Im Ver-gleich zur Straße ist der Transport auf der Schiene wesentlich energieeffi zienter, öko-nomischer in der Raumnutzung und kos-tengünstiger. Von den verschiedenen An-triebsarten hat sich der elektrische Antrieb als die energieeffi zienteste Lösung etabliert. Seitdem im Jahr 1925 der erste elektrisch

Fußnote1 Elektrische Triebzüge (Electric Multiple Units,

EMUs) werden vorwiegend im Personenverkehr eingesetzt und bestehen aus Fahrzeugen mit eigenem Antrieb. Anders als bei herkömmli-chen Konfigurationen, in denen antriebslose Waggons von Lokomotiven gezogen werden, nehmen die angetriebenen Fahrzeuge selbst auch Passagiere auf.

1 Elektrifizierte Strecken von Indian Railways (Stand 31.03.2009)

Quelle: http://www.core.railnet.gov.in/_MapElectrificationofIR_eng.htm*168 km elektrifizierte Meterspur-Strecke demontiert

Planungsmäßiger Fortschritt der Elektrifizierung (Start des ersten elektrischen Zugs am 03.02.1925)

Stand der Elektrifizierung von indischen Bahnstrecken

1 Zum 31.03.2009 elektrifiziert 18.9422 Geplant (CORE) 2009-10 1.2383 Geplant (CORE) 2010-11 1.0004 Im Bau (CORE) (einschl. 2 & 3) 3.8365 Zusammenarbeit mit RVNL/Regionalges. 1.4486 Fehlende Verbindung/identifi zierte Strecken 14.7027 Frachtkorridor (DFC) 3.293 8 DFC-Anschlussstrecke 1.742

Streckenkilometeram 31.03.2009

PlanZeitraum

Vor Unabh.

1905-471.

1951-562.

1956-613.

1961-66

Jahres-plan

1966-694.

1969-745.

1974-78

Zwi-schenpl.1978-80

6.1980-85

7.1985-90

Zwi-schenpl.1990-92

8.1992-97

9.1997-2002

10.2002-2007

11.Bis

31.03.09

Strecken-Kmelektrifiziert

388 141 216 1.678 814 953 533 195 1.522 2.812 1.557 2.708 2.484 1.810 1.299

Strecken-Kmkumulativ

388 529 745 2.423 3.237 4.190 4.723 4.918 6.440 9.252 10.809 13.517 16.001 17.811 18.942*

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26 ABB technik 2|10

von ABB erfolgreich in leistungsstarken Elektrolokomotiven, Triebzügen und Metros eingesetzt.

Antriebs- und Hilfsbetriebeumrichter

Die Lokomotiven von IR mit Drehstroman-trieb waren ursprünglich mit Antriebsum-richtern auf der Basis von GTO-Thyristoren ausgestattet. Im Rahmen eines Modernisie-rungsprogramms sollen diese Fahrzeuge nun mit Antriebsumrichtern auf IGBT-Basis3

ausgestattet werden. IR entschied sich hierbei für die wassergekühlten Umrichter der Serie BORDLINE CC von ABB, die

sungssystemen), die eine Steuerung aus der Ferne ermöglichen. Dabei hat eine SCADA-Einrichtung einen Wirkungsbereich von 200 bis 300 km. SCADA ermöglicht die Überwachung von elektrischen Parametern (Spannung, Strom, Leistungsfaktor usw.) in Echtzeit und die Steuerung von Schaltanla-gen aus der Ferne sowie die automatische Erkennung und Isolierung von Fehlern, was wiederum eine bessere Steuerung von Bedarfsspitzen, Fehlerbeseitigung usw. ermöglicht. Das SCADA-System ersetzt ein älteres System auf der Basis elektromecha-nischer Fernsteuerungen.

Der Beitrag von ABBZu den Herausforderungen, mit denen es IR auf vielen der elektrifi zierten Strecken zu tun hat, gehören:– große Spannungsschwankungen

zwischen 17 und 31 kV, hauptsächlich aufgrund der sich mit der Position der Züge verändernden Leitungsimpedanz

– schlechter Leistungsfaktor (im Bereich von 0,7 bis 0,8) aufgrund der induk-tiven Natur der Traktionslasten und der geringen Wirksamkeit vorhande-ner Festkondensatorbatterien beim Ausgleich dynamischer Lasten

– Oberschwingungen niedriger Ordnung, die von herkömmlichen Lokomotiven mit Gleichstrommotoren in das Netz gespeist werden

Diese Eigenschaften führen zu hohen Netz-verlusten, einer hohen Blindleistungsauf-nahme und zur Störung empfi ndlicher elek-tronischer Komponenten für die Signali-sierung und Telekommunikation. ABB bietet modernste Technologie, um diese Probleme zu bewältigen und die Gesamteffi zienz und -verfügbarkeit der Systeme zu verbessern.

Traktionstransformatoren

Wechselstromlokomotiven und -triebzüge werden über einen einphasigen Fahrdraht mit einer Spannung von 25 kV gespeist, die vom Traktionstransformator auf das für die Fahrmotoren erforderliche Niveau gesenkt wird. Traktionstransformatoren müssen nicht nur hohen Ansprüchen in puncto Zu-verlässigkeit und Leistungsfähigkeit genü-gen, sondern auch kompakt, leicht und sehr effi zient sein. ABB ist der weltweit füh-rende Hersteller von Traktionstransformato-ren und bietet Einheiten in verschiedenen Größen, Formen und Nennleistungen an, die in verschiedenen Teilen des Zuges, zum Beispiel auf dem Dach oder unter dem Wagenboden, installiert werden können2. In Indien werden Traktionstransformatoren

3 STATCON-Anlage zur Regelung von Blindleistungsflüssen

2 108-kVA-Hilfsbetriebeumrichter BORDLINE M (H-Modul)

Um das wachsende Fahrgastaufkom-men bewältigen zu können, ist IR dabei, die Fahrgast-einrichtungen zu verbessern, Bahnsteige zu ver-längern und mehr Zugverbindungen einzurichten. Fußnoten

2 Siehe auch „Annual Year Book, Indian Railways, 2007-08“ und „Emerging Technologies & Strategies für Energy Management in Railways“, Oktober 2008

3 Siehe auch www.abb.com/railways

auf verlustarmen 4,5-kV-IGBTs vom Typ HiPakTM basieren. Die wichtigsten Vorteile dieser Technologie sind:– verbesserte Zugkraft, Leistungsfähig-

keit und Verfügbarkeit durch Achsen-steuerung und eine neue Generation von Adhäsionskontrollsystem.

– eine höhere Gesamteffizienz der Stromrichter im Vergleich zu GTO-basierten Antriebsumrichtern auf-grund geringerer Halbleiterverluste bei einem vergleichbaren Betriebspunkt

– verbesserte Qualität (Wellenform) des Motorstroms, d. h. geringere Motor-verluste, eine geringere Drehmoment-welligkeit und ein höherer Fahrkomfort

In den herkömmlichen IR-Lokomotiven mit Gleichstromantrieb wurden zur Drehstrom-versorgung (3 x 415 V/50 Hz) der Maschi-nenraum-Hilfsbetriebe rotierende Umformer eingesetzt. Zu den Nachteilen dieser Ma-schinen gehören neben den hohen War-tungsanforderungen eine schlechte Span-nungsregelung, ein niedriger Eingangsleis-tungsfaktor und eine geringe Umwand-lungseffi zienz. Außerdem erzeugen sie harmonische Schwingungen niedriger Ord-nung am Ausgang und bieten keinerlei Diag-

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27Indiens Weg zur Nachhaltigkeit

basiert auf IGBT-Schaltelementen und ist modular aufgebaut, um eine zukünftige Erweiterung bei steigendem Bedarf zu er-möglichen.

Der STATCON wird parallelgeschaltet und ist somit leicht zu installieren. Er befreit die Quelle von jeglicher Blindleistung und er-möglicht somit eine bessere Ausnutzung der Versorgungssysteme und des Netzes. Durch die äußerst schnelle dynamische Kompensation trägt er zudem zur Verbes-serung des Spannungsprofi ls und zur Reduzierung der Systemverluste bei, was wiederum die netzseitigen Leistungstrans-formatoren, Schaltanlagen, Kabel usw. ent-lastet.

Freiluft-Leistungsschalter FSKII

In allen Bahnunterwerken und Schaltstellen von IR kommen Freiluft-Leistungsschalter und -Lastschalter für 25 kV zum Einsatz. ABB hat in Zusammenarbeit mit IR die Leis-tungs- und Lastschalter der Baureihe FSKII mit Magnetantrieb entwickelt, die aufgrund ihrer drastisch verringerten Zahl von be-weglichen Teilen eine höhere Zuverlässig-keit bieten2. Bei dem Magnetantrieb handelt es sich um ein bistabiles Gerät, d. h. es ist keine Energie erforderlich, um es geöffnet oder geschlossen zu halten ➔ 4.

Turbolader

Jedes Jahr verlassen ca. 300 neue Diesel-lokomotiven die beiden Werke von IR in Indien. Seit 1975 wird die Leistung dieser Fahrzeuge mit Turboladern von ABB opti-miert. Hocheffi ziente Turbolader wie der TPR 61 und der VTC 304 sorgen für eine höhere Zuverlässigkeit und eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs um 5 % ➔ 5. Außerdem ist ABB am Emissionssenkungs-programm von IR beteiligt und führt Überho-lungen an Turboladern durch. In den IR-Werken werden auch Schienenfahrzeuge für den Export gefertigt, die bisher in über 10 asiatische und afrikanische Länder ver-kauft wurden. Auch diese Exportlokomoti-ven werden – nicht zuletzt wegen der globa-len Präsenz des ABB-Servicenetzes – häufi g mit Turboladern von ABB ausgestattet.

Städtischer NahverkehrLaut einer Erhebung aus dem Jahr 2001 gibt es in Indien 300 Städte mit über 100.000 Einwohnern und 35 Städte mit mehr als 1 Million Einwohnern. Im Jahr 1951 waren es lediglich fünf Millionen-städte. Etwa 30 % der indischen Bevölke-rung leben in Städten, wo 55 % des Brutto-inlandsprodukts erwirtschaftet werden. In

Netzes unterliegt starken Schwankungen. Zusätzlich werden von den Traktionstrans-formatoren Oberschwingungen niedriger Ordnung in das Bahnstromnetz ein-gespeist, womit die Leitungsspannung zu starken Schwankungen neigt. Um ein Nacheilen des Leistungsfaktors auszuglei-chen, setzt IR in den meisten Unterwerken parallel geschaltete Festkondensatorbatte-rien ein. Geschaltete Kondensatorbatterien haben jedoch den Nachteil von groben Schaltschritten und einer relativ langen Reaktionszeit. So muss IR den Stromver-sorgern nicht nur bei nacheilendem Leis-tungsfaktor Strafen zahlen, sondern in eini-gen Fällen auch dann, wenn der Leis -tungsfaktor aufgrund von Überkompen-sierung vorauseilt. Daher benötigen die Unterwerke eine Blindleistungskompensa-tion, die dynamisch und in Echtzeit ange-passt werden kann.Der STATCON von ABB ist ein Spannungs-zwischenkreis-Umrichter/Wechselrichter, der in der Lage ist, sowohl Blindleistung aufzunehmen als auch abzugeben ➔ 3. Er

5 ABB-Turbolader für indische Dieselloks

Turbolader vom Typ TPR 61

Turbolader vom Typ VTC 304

4 Freiluft-Leistungsschalter FSKII für 25 kV gemäß IR-Spezifikation

nosemöglichkeiten. Aus diesem Grund wer-den rotierende Umformer nach und nach durch statische Umrichter ersetzt. Dazu bietet ABB die energieeffi zienten, luftge-kühlten Hilfsbetriebeumrichter BORDLINE M180 mit Halbleiter-IGBTs zur Erzeugung eines sinusförmigen, symmetrischen, drei-phasigen Spannungsmusters2. Die Lösung mit einem eingangsseitigen aktiven PWM-Gleichrichter (Pulsweitenmodulation) er-möglicht einen Betrieb mit einem sehr hohen Leistungsfaktor und trägt zur Redu-zierung der netzseitigen harmonischen Ver-zerrungen bei. Zusätzlich wird durch das kontrollierte Anlaufen und die sinusförmige Wellenform des Umrichters die Belastung der Motorisolierung reduziert, sodass keine Spezialmotoren mehr erforderlich sind. Diese Umrichter können mechanisch und elektrisch an vorhandene Lokomotiven an-gepasst werden und sind somit auch zur Nachrüstung geeignet ➔ 2.

Blindleistungskompensation

Der Leistungsbedarf der Züge innerhalb des

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28 ABB technik 2|10

Verkehrsinfrastruktur. Im Zuge des wirt-schaftlichen Aufschwungs erlebte IR in den letzten Jahren eine dramatische Wende verbunden mit einer beispiellosen Umsatz-steigerung. Dies wurde ermöglicht durch:– eine Steigerung des Gütervolumens

ohne größere Investitionen in die Infrastruktur

– höhere Achslasten– die Verkürzung der Umlaufzeiten für

Schienenfahrzeuge– geringere Stückkosten beim Transport– die Rationalisierung von Tarifen und

den daraus resultierenden größeren Marktanteil im Güterverkehr

Der elfte Fünfjahresplan (2007–2012) sieht Investitionen in den Eisenbahnsektor von schätzungsweise 65 Mrd. USD vor4. Fast 17 % dieser Summe werden über öffentlich-private Partnerschaften (PPP-Projekte) in Fracht- und Hochgeschwindigkeitskorri-dore, städtische Nahverkehrssysteme, die Fertigung von Schienenfahrzeugen und die Anbindung der heimischen Industrie an die Häfen fl ießen.

Um das wachsende Fahrgastaufkommen bewältigen und wettbewerbsfähigere Inter-city-Verbindungen anbieten zu können, ist IR dabei, die Fahrgasteinrichtungen zu ver-bessern, Bahnsteige zu verlängern und mehr Zugverbindungen einzurichten. Für

tionen und globalen Ausschreibungsverfah-ren. Angesichts der zunehmenden Zahl an Projekten wird ein Anstieg des jährlichen Bedarfs an Metrowagen in den nächsten zwei Jahren auf über 1.000 Stück erwartet. Bombardier Transportation hat bereits eine Fertigungsstätte im Westen Indiens einge-richtet und liefert Wagen für die Metro in Delhi. Andere internationale Unternehmen und indische Schienenfahrzeughersteller versuchen durch Kooperationen und die gemeinsame Nutzung von Technologien auf dem Markt Fuß zu fassen.

SCADABei der DMRC in Delhi ➔ 6 sollte zur Schaf-fung eines einheitlichen SCADA-Systems (mit Reservekapazitäten) das alte System einschließlich der RTUs5 modernisiert und ohne Unterbrechung des Betriebs in das neue System integriert werden. Das neu-este MicroSCADA-Pro-System von ABB diente hierbei als gemeinsames System für das gesamte Netz und sorgte für eine hohe Verfügbarkeit und Einsparungen bei der Wartung und den Ersatzteilen ➔ 7.

Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der DMRC und den Metros in Mumbai und Bangalore hat sich ABB mittlerweile als Marktführer für schlüsselfertige Elektrifi zierungsprojekte, SCADA und elektrische Systeme für Metro-netze in Indien etabliert.

Blick in die ZukunftIndiens fortschreitende Industrialisierung und wachsende Bevölkerung stellen konti-nuierlich steigende Anforderungen an die

Indien schreitet die Urbanisierung schneller voran als irgendwo sonst auf der Welt. Jährlich zieht es Millionen Menschen in die Städte, wodurch die Infrastruktur immer stärker belastet wird. Da sich eine Ver-schlechterung der Verkehrssysteme schnell negativ auf die wirtschaftliche Produktivität auswirken kann, sind rasche Maßnahmen zur Verbesserung des städtischen Nahver-kehrs erforderlich.

Öffentliche Verkehrsmittel benötigen weni-ger Platz und verursachen eine geringere Verschmutzung pro Fahrgast und Kilometer als Privatfahrzeuge. Von allen öffentlichen Verkehrsmitteln scheinen Metrosysteme mit einer hohen Fahrgastkapazität für die dicht besiedelten Städte Indiens die am besten geeignete Lösung zu sein. Unter der Feder-führung des Ministeriums für Stadtentwick-lung gründen die Zentralregierung und die einzelnen Bundesstaaten unabhängige Ge-sellschaften, um die Entwicklung des städ-tischen Nahverkehrs voranzutreiben. Zu den gewählten Lösungen gehören auch Betreibermodelle wie BOO (Build-Own-Operate) mit privaten Partnerschaften.

Heute sind Kalkutta und Delhi die einzigen Städte mit einer Metro-Infrastruktur ➔ 6. Neben dem kontinuierlichen Ausbau dieser Systeme befi nden sich derzeit verschie-dene neue Metro-Projekte in Bangalore, Mumbai, Chennai und Hyderabad in ver-schiedenen Phasen der Realisierung. In Delhi, Mumbai und Bangalore beschaffen unabhängige Metrobetreiber ihre eigenen Fahrzeuge nach internationalen Spezifi ka-

7 SCADA-Leitstelle von DMRC

Fußnoten4 Siehe auch „Projections of Investment in

Infrastructure during Eleventh Plan, GoI report“, Oktober 2007

5 RTU = Remote Terminal Unit (Fernwirkeinheit)

6 Delhi Metro Rail Corporation

Die Delhi Metro Rail Corporation (DMRC) wurde mit dem Ziel gegründet, ein öffentliches Personenbeförderungsnetz im Großraum Delhi einzurich-ten und zu betreiben. ABB ist seit 2002 Partner der DMRC und beliefert das Unternehmen mit Produkten und Systemen für die Bahnstromversor-gung und Schienenfahrzeuge. Hierzu gehören Unterwerke und Schalt-anlagen für das Bahnstromnetz, Oberleitungssysteme, SCADA-Systeme, integrierte Gebäude- und Asset-Management-Lösungen sowie Traktions-transformatoren und -motoren. Das Netz der DMRC arbeitet mit einer Spannung von 25 kV bei 50 Hz und ist mit kompakten gas- und luft-isolierten Schaltanlagen, mastmontierten 25-kV-Vakuumleistungsschaltern und -lastschaltern mit Magnetantrieben von ABB ausgestattet.

DMRC ist der erste unabhängige Metrobetreiber in Indien und ein Musterbeispiel für pünktliche Projekterfüllung und Effizienz. Mittlerweile fungiert die DMRC als Berater für die meisten neuen Metroprojekte in Indien und ist auch auf internationaler Ebene beratend tätig.

Die Phase I der Metro umfasst 65,1 Streckenkilometer und wurde 2006 fertiggestellt. Nach der für 2010 geplanten Fertigstellung der Phase II, die weitere 128 km umfasst, wird ein Passagieraufkommen von 2 Millionen Fahrgästen pro Tag erwartet. Bis zum Jahr 2021 ist eine Erweiterung des Netzes auf 381 km geplant.Von den insgesamt 193 km der Phasen I und II wurden bzw. werden 163 km von ABB elektrifiziert.

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29Indiens Weg zur Nachhaltigkeit

tel geringer6. In Indien wurden bereits Mach-barkeitsstudien für einen Hochgeschwindig-keitskorridor zwischen Mumbai und Delhi für Geschwindigkeiten bis 350 km/h in Auftrag gegeben. Sehr wahrscheinlich werden in Zu-kunft noch weitere Verbindungen folgen.

IR implementiert kontinuierlich neue Tech-nologien zur Energieeinsparung und Nut-zung erneuerbarer Energien bei der Versor-gung von Schienenfahrzeugen und anderen Verbrauchern7. Diese Initiativen reichen von Modifi kationen der Klimaanlagen und Be-leuchtungssysteme in Personenzügen bis zur Nutzung von Solarenergie für Bahnhofs-anlagen oder Windparks zur Versorgung der Fertigungsstätten. Aufgrund ihrer schwankenden Verfügbarkeit eignen sich solche erneuerbaren Energiequellen zwar nicht für die Bahnstromversorgung, wohl aber zur Versorgung stationärer Verbrau-cher. Dank der verfügbaren Technologien, einer umfangreichen Erfahrung und einer starken Innovationskraft ist Indien auf dem besten Weg, ein effi zientes Bahnnetz für die Zukunft einzurichten.

Lalit Tejwani

ABB Ltd, Marketing and Sales (Railways)

Kalkutta, Indien

[email protected]

Fußnoten6 Siehe auch: The Hindu (07.01.2010): „Encour-

aging high-speed trains“ und „Vision 2020, Indian Railways“, Dezember 2009

7 Dazu gehören zum Beispiel die Fertigungs-einrichtungen, verschiedene Werkstätten und andere Teile der Infrastruktur.

Dieser spezielle Frachtkorridor umfasst 3.300 km zweispurige Strecken und ist mit 12 Mrd. USD budgetiert. Durch den DFC sollen Güterzüge mit höheren Achslasten künftig mit bis zu 100 km/h fahren können (anstatt wie bisher mit durchschnittlich 25 km/h). Der westliche Korridor zwischen Mumbai und Delhi wird hauptsächlich für den Containerverkehr von den Häfen an der Westküste genutzt werden, während auf dem östlichen Korridor zwischen Delhi und Howrah vorrangig Massengüter wie Kohle, Eisenerz, Stahl usw. transportiert werden sollen. Im Rahmen des DFC-Projekts ist auch die Entwicklung eines Spezialfahr-zeugs (Special Purpose Vehicle, SPV) mit-hilfe ausländischer Finanzierung vorgese-hen, das bis 2015 fertiggestellt sein soll.

Hochgeschwindigkeitszüge

Hochgeschwindigkeitszüge entlasten die Straßen und den Kurzstrecken-Flug-verkehr und tragen somit zur Reduzie-rung der Luftver-schmutzung, Ver-keh rsbe las tung , Lärmbelastung und Unfallgefahr bei. Außerdem ersparen sie Reisenden lästi-

ges Warten im Stau und bei der Sicher-heitskontrolle am Flughafen. In Europa ist der CO2-Ausstoß von Hochgeschwindig-keitszügen pro Fahrgast und Kilometer im Vergleich zum Auto um zwei Drittel und im Vergleich zum Flugzeug sogar um drei Vier-

die Hauptstrecken müssen jährlich über 4.500 neue Wagen beschafft werden, von denen 660 klimatisiert sein sollten. Da die derzeitigen eigenen Fertigungsstätten nicht in der Lage sind, diesen Bedarf zu erfüllen, können die Einrichtung neuer Verbindungen und der Austausch alter Wagen nur be-grenzt umgesetzt werden. Um die Liefer-mengen zu erhöhen, baut IR zurzeit neue Fertigungsanlagen in Eigenregie und in Zusammenarbeit mit privaten Herstellern. Die Einrichtung neuer Werke für Diesel- und Elektrolokomotiven nach dem PPP-Modell ist ebenfalls im Gespräch, um den Fuhrpark von IR mit leistungsfähigeren und technisch fortschrittlicheren Lokomotiven zu erweitern.

Güterverkehr

Obwohl das Gütergeschäft eine bedeuten-de Umsatzquelle darstellt und dabei hilft, die Personenverkehrssparte von IR zu sub-

ventionieren, haben Personenzüge in der zeitlichen Planung eine höhere Priorität. Um trotzdem den Güterumschlag zu erhöhen und der Industrie kürzere Beförderungszei-ten bieten zu können, treibt IR das Projekt „Dedicated Freight Corridor“ (DFC) voran.

DMRC ist der erste unabhän-gige Metrobetreiber in Indien und ein Musterbeispiel für pünktliche Projekterfüllung und Effizienz.

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30 ABB technik 2|10

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31Eisenbahnland Schweiz

werden, verdichten die Schweizer Bahn-betriebe nicht nur ihren Fahrplan, sondern rüsten auch ihr Rollmaterial immer wieder auf.

Im internationalen Schienenverkehr setzt das Alpenland ebenfalls Meilensteine und verfolgt eine aktive Politik mit dem Ziel, Güter möglichst per Bahn und nicht per Lkw zu transportieren. Schon heute ist die Schweiz das wichtigste Transitland für den alpenquerenden Güterverkehr auf der Schiene. Im Jahr 2008 wurden 40 Millio-nen Tonnen Fracht durch die Schweiz transportiert, wovon mehr als die Hälfte – rund 25 Millionen Tonnen – per Bahn be-fördert wurden [3]. Die Schweizer Bevölke-rung hat sich in verschiedenen Volks-abstimmungen dafür ausgesprochen, den Gütertransport auf die Schiene zu ver-lagern. Ein wichtiger Schritt hierfür ist der

ABB liefert die Energietechnik für die bedeutendsten Eisenbahnprojekte des Landes

RENÉ JENNI, REMIGIUS STOFFEL, MELANIE NYFELER – Die Schweiz gilt gemeinhin als Vorreiterin in Sachen öffentlichem Verkehr. Nirgends auf der Welt werden Zug, Tram und Bus so oft genutzt wie in dem kleinen Alpenland. Das öffentliche Verkehrssystem ist so beliebt, dass in mehreren Volksabstimmungen der weitere Ausbau des bereits dichten Schienennetzes beschlossen wurde. Das Ziel ist es, mehr Reisende mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren und mehr Gütertransporte von der Straße auf die Schiene zu verlegen. ABB ist ebenso an der Stromversorgung für die beiden neuen Basistunnel durch die Alpen am Lötschberg und Gotthard beteiligt wie an der Energieverteilung im Agglomera-tionsverkehr rund um die Städte Zürich, Bern und Luzern.

Eisen-bahnland Schweiz

V erschiedene Studien zeigen es immer wieder: Die Schweizer-innen und Schweizer sind Welt-meister im Zugfahren. Im Durch-

schnitt fährt jeder Einwohner der Schweiz 40-mal im Jahr mit der Bahn. Das ent-spricht einem Fahrgastaufkommen auf dem Schweizer Schienennetz von 900.000 Personen am Tag [1,2] ➔ 1. Da ist es wenig überraschend, dass die Schweiz die welt-weit höchste Taktfrequenz im Bahnverkehr aufweist.

Dank der strategischen Verkehrspolitik des Bundesrates verfügt die Schweiz über ein sehr gut ausgebautes Schienennetz, das die Erreichbarkeit im ländlichen Raum ebenso sichert wie die Zugsverbindungen zwischen den Städten im Stunden- oder sogar im Halbstundentakt. Um den stei-genden Kundenbedürfnissen gerecht zu Foto: AlpTransit Gotthard AG

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32 ABB technik 2|10

Der längste Bahntunnel der Welt Östlich des Lötschbergs, fast in der Lan-desmitte, sind die Arbeiten an der zweiten Alpentransversale der Schweiz noch voll im Gange. Der Basistunnel am Gotthard ist das Herzstück der NEAT-Bahnverbindung und wird zu einer erheblichen Verbesse-rung der Reise- und Transportmöglichkei-ten im Herzen Europas führen. Nach seiner geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2017 wird der Gotthard-Basistunnel mit seinen rund 57 km der längste Tunnel der Welt sein ➔ 2. Das Bauvorhaben ist riesig und eine immense Pionierleistung. Für die Dop-pelröhre mit ihren Verbindungsstollen müs-sen Felsen auf einer Strecke von insgesamt 152 km Länge in mehreren Teilstücken ausgebrochen werden. Diese Arbeiten sol-len im Herbst 2010 abgeschlossen sein, während in einigen Teilen des Tunnels die elektrischen Anlagen bereits installiert wer-den.

Auch hier liefert ABB die Energietechnik, darunter gasisolierte Mittelspannungs-schaltfelder und Schutzeinrichtungen für die 50-Hz-Energieversorgung der Tunnel-infrastruktur. Die 875 Mittelspannungsein-heiten werden die zuverlässige Stromver-sorgung der Infrastruktur gewährleisten und müssen gleichzeitig erschwerten kli-matischen Bedingungen bei minimiertem Wartungsaufwand standhalten.

5-MVA-Kuppeltransformatoren zur Kopp-lung der beiden Netze der lokalen Energie-versorger.

Der zweite Teil des Auftrags umfasste die 16,7-Hz-Bahnstromversorgung. Um die Anbindung an das europäische Hochge-schwindigkeitsnetz zu ermöglichen, wur-den die Fahrleitungen im Tunnel speziell für hohe Bahngeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h konzipiert. Zudem wurde die Bahnstromversorgung so ausgelegt, dass gleichzeitig mehrere Zugkonfi gurationen mit bis zu 6 Lokomotiven und bis zu 1,5 km lange Güterzüge mit Energie ver-sorgt werden können. Das bedeutet, dass die Schalt- und Schutzeinrichtungen im Bedarfsfall in der Lage sein müssen, Kurzschlussströme von über 40 kA zu be-wältigen.

Für diese anspruchsvolle Aufgabe instal-lierte ABB luftisolierte, einpolige Schalt-felder vom Typ Uni-Gear R36, die eine h ö c h s t m ö g l i c h e Personen- und An-lagensicherheit bie-ten. Die Bahn-stromversorgungs-einheiten und die d a z u g e h ö r i g e n Schutz- und Auto-matisierungssyste-me sind in Containern installiert, die an verschiedenen Standorten entlang des Tunnels in Kavernen platziert sind. Dort sind alle Systeme untergebracht, die für einen sicheren Streckenbetrieb erforder-lich sind. Die Steuerung und Überwa-chung der Bahnstromversorgung erfolgt von zwei lokalen Leitstellen aus, die sich in der Nähe der nördlichen und südlichen Tunnelportale befi nden.

Im Jahr 2008 wurden 40 Milli-onen Tonnen Fracht durch die Schweiz transportiert, mehr als die Hälfte davon per Bahn.

Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransver-sale (NEAT), die die Schweiz in das wach-sende europäische Hochgeschwindig-keitsnetz integriert. Dank der beiden NEAT-Achsen am Gotthard und Lötsch-berg wird sich die jährliche Kapazität des Schienengüterverkehrs nach Fertig-stellung der beiden Strecken von 20 Mio. Tonnen im Jahr 2003 auf rund 50 Mio. Tonnen im Jahr 2017 mehr als ver-doppeln.

Bahnstrom für den LötschbergtunnelIm Dezember 2007 wurde nach rund 10 Jahren Planungs- und Bauzeit der Lötsch-berg-Basistunnel eröffnet. Der neue Bahn-tunnel reduziert die Reisezeit von Norden ins Wallis beträchtlich. Seit der Eröffnung des Tunnels passieren täglich rund 40 Reise- und 110 Güterzüge auf einer Schei-telhöhe von etwa 800 Metern die Alpen – etwa doppelt so viele wie auf der bisher auch für Autozüge genutzten, viel höher gelegenen Verbindung zwischen Goppen-stein und Kandersteg.

Das Jahrhundertwerk mit seinen zahlrei-chen Querstollen und riesigen Ausschach-tungen für die technischen Anlagen war eine große Herausforderung auch für ABB, die für die Planung, Lieferung, Installation und Inbetriebnahme der 16,7-Hz-Bahn-stromversorgung sowie der 50-Hz-Ener-gieverteilung verantwortlich zeichnete.

Die gelieferten Mittelspannungsanlagen stellen sowohl die Stromversorgung für die Beleuchtungs-, Signal-, Kommunikations-, Lüftungs- und Klimaanlagen als auch für die Sicherheitstüren im gesamten Tunnel sicher. Die 50-Hz-Energieverteilung um-fasst 21 Transformatorenstationen mit luft-isolierten Schaltfeldern vom Typ UniGear ZS1, 30 Verteiltransformatoren und zwei

1 Vergleich europäischer Bahnen (2007) [1]

Land Strecken- Bahn- kilometer fahrten gesamt pro Ein- wohner

Schweiz 3.158 40Luxemburg 275 33Dänemark 2.133 29Österreich 5.702 24Deutschland 33.890 22Niederlande 2.776 20Belgien 3.374 19Tschechische Republik 9.460 17Frankreich 29.918 16Spanien 13.368 11Italien 16.335 9

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0

Zürich

Göschenen

Met

er ü

ber

dem

Mee

ress

pie

gel

Gotthard-Basistunnel

Geplanter Zimmerberg-Basistunnel

Ceneri-Basistunnel

Airolo

Arth-Goldau

Zug ErstfeldBiasca

Bellinzona

LuganoChiasso MailandBasel

2 Basistunnel in den Alpen (©AlpTransit Gotthard AG). Bahnverbindung von Basel (Schweiz) nach Mailand (Italien) durch den 57 km langen Gotthard-Basistunnel

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33Eisenbahnland Schweiz

rungen an das Material. Da die Züge die Querschläge mit bis zu 250 km/h passie-ren, ergeben sich Druckschwankungen von ±10 kPa. Folglich musste auch die Druckfestigkeit der ZX0-Schaltanlagen einschließlich der Steuerschränke sicher-gestellt werden. Die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit dieser Anlagen sind für die Sicherheit im Tunnel von wesentlicher Bedeutung. Dafür sorgt maßgeblich die multifunktionelle Schutz- und Steuereinheit REF542plus, die bereits seit über zehn Jahren auf dem Markt ist ➔ 4.

Über 500 Geräte dieses Typs werden an verschiedenen Punkten entlang des ge-samten Tunnels installiert. Ihre wesentliche Aufgabe im Tunnelbereich erfüllt REF-542plus mit dem neu entwickelten, mehr-stufi gen Distanzschutz: Um in einem Netz eine optimale Selektivität bei gleichzeitig stabiler Versorgungssicherheit zu gewähr-leisten, ist eine schnelle Ermittlung der Fehlerart und des Fehlerorts wichtig, damit fehlerhafte Teile des Netzes gezielt ausge-schaltet werden können. Beide Informatio-nen werden unverzüglich an das Tunnel-leitsystem übertragen.

REF542plus bietet zusätzlich einen „Re-mote-Service“, mit dem gespeicherte Pro-gramme und Schutzdaten bei Bedarf per Ethernet-LAN nicht nur aus der Ferne ab-gefragt, sondern auch geändert und er-setzt werden können. Dies ist bei einem Schutzgerät bisher einzigartig. Die Installa-tion der bahntechnischen Ausrüstung hat bereits begonnen, und die erste Etappe der 50-Hz-Versorgung soll 2011 in Betrieb

Die zwei parallelen, einspurigen Tunnel-röhren sind alle 325 m durch einen 40 m langen sogenannten Querschlag miteinan-der verbunden. In diese Querschläge, die als Fluchtwege zwischen den beiden Tun-nelröhren dienen, werden die elektrischen Versorgungsanlagen für die Tunnelinfra-struktur installiert ➔ 3. Aufgrund der er-schwerten Bedingungen im Tunnel mit Salzeintrag, Bremsstaub, Rußpartikeln, Schienen- und Fahrdrahtabrieb kommen gasisolierte Schaltanlagen vom Typ ZX0 zum Einsatz. Diese zeichnen sich durch eine äußerst kompakte Bauweise bei einer Feldbreite von lediglich 400 mm aus. Durch die Kombination von bis zu sechs Feldern zu einem voll funktionsfähigen Schalt-anlagenblock können die Anlagen im Stö-rungsfall innerhalb kürzester Zeit komplett ausgetauscht werden. Diese Funktionalität ist für den Betrieb des Gotthard-Basis-tunnels von zentraler Bedeutung, da der Schienenverkehr unterbrochen werden muss, um Zugang zum Querschlag zu ge-währen.

Den Elementen ausgesetzt

Aufgrund der aggressiven Umgebungsbe-dingungen müssen die entsprechenden Steuerschränke gemäß Schutzklasse IP65 ausgeführt sein. Außerdem sind die Hoch-spannungsteile der Schaltanlagen stan-dardmäßig gasdicht verschweißt. So wird jeglicher Eintritt von Elementen aus der Umgebung wie Staub oder Sprühwasser ausgeschlossen.

Auch die starken Druckschwankungen in den Querschlägen stellen hohe Anforde-

gehen. Dann werden die Schaltanlagen über Jahre mithelfen, Millionen Passagiere sicher durch das einzigartige Tunnelsystem zu schleusen.

Neue Stadtbahn im Großraum ZürichABB sorgt nicht nur im alpendurchqueren-den Bahnverkehr für die nötige Stromver-sorgung, auch im städtischen Nahverkehr haben sich die Energieversorgungssyste-me von ABB mehrfach bewährt. In der

Region Zürich wird eine neue Stadtbahn gebaut, die den angrenzenden Lebens- und Wirtschaftsraum des Glatttals an das pulsierende Zentrum der größten Stadt der Schweiz anbindet. In ihrem Einzugsgebiet werden 150.000 Einwohner und 120.000 Beschäftigte von der modernen, 12,7 km langen Tramlinie profi tieren, die in Etappen bis Ende 2010 fertiggestellt wird ➔ 5.

ABB liefert die 50-Hz-Energiever-sorgung für die Tunnelinfrastruktur mit 875 gasisolier-ten Mittelspan-nungsschaltfeldern und Schutzeinrich-tungen für den Gotthardtunnel.

4 Sorgt für Sicherheit im Gotthardtunnel: die Schutz- und Steuereinheit REF542plus

3 Schematische Darstellung des Gotthard-Basistunnels (© AlpTransit Gotthard AG, bearbeitet von ABB)

Erstfeld

System- & Maintenance-LAN

REF542plus

Multifunktionsstelle Sedrun

MultifunktionsstelleFaido

Sedrun Nothaltstelle

Bodio

Zugangsstollen Faido

57 km

Kabelstollen

Zugangsstollen Amsteg

50-Hz-MS-AnlageLeitzentrale (50 Hz)

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34 ABB technik 2|10

Bei der neuen Glattalbahn erstellt ABB als Generalunternehmerin in Zusammenarbeit mit den lokalen Baufi rmen Implenia Bau und Walo Bertschinger die gesamten Sys-teme zur Energieversorgung. ABB zeich-net für die Planung, Lieferung, Installation und Inbetriebnahme der Gleichrichterun-terwerke verantwortlich. Das Energiever-sorgungssystem umfasst acht Gleichricht-erstationen, die auf der ganzen Strecke Strom mit einer Nenngleichspannung von 600 V in das Fahrleitungsnetz einspeisen. Die Gleichrichtertransformatoren sind je nach Örtlichkeit für eine Leistung von 900 oder 1.400 kVA ausgelegt.

ABB ist ebenfalls für die Niederspannungs-Hauptverteilung verantwortlich, die alle 22 Haltestellen der Glattalbahn mit der nötigen Energie von 230 V versorgt, damit Fahrscheinautomaten, Infotafeln und Wei-chen einwandfrei funktionieren. Auch die Beleuchtungs-, Lüftungs- und Brandmel-desysteme in den Gleichrichterstationen werden von ABB geliefert und installiert.

Ausbau des AgglomerationsverkehrsÄhnlich wie in Zürich boomen auch die Agglomerationsgemeinden – und damit auch das Verkehrsaufkommen – rund um die Hauptstadt Bern. Die Stadt setzt dabei auf die Straßenbahn als öffentliches Ver-kehrsmittel. Zwei neue Tramlinien schaffen – anders als die bisherigen Trolleybusse – neue, umsteigefreie Verbindungen zwi-schen dem Westen, der Innenstadt und dem Osten der Stadt.

Bis 2012 liefert ABB fünf Gleichrichtersta-tionen zur Versorgung der Tramlinien mit 600-V-Gleichspannung sowie den ent-sprechenden Fahrleitungsschutz. Über das Fernwirksystem RTU560D werden die

5 Die Glattalbahn auf dem Balsberg-Viadukt (Foto: Daniel Boschung)

Bis 2012 liefert ABB fünf Gleich-richterstationen zur Versorgung der Berner Tramlinien mit 600-V-Gleich-spannung sowie den entsprechen-den Fahrleitungs-schutz.

Gleichrichteranlagen an die übergeordnete Leittechnik des örtlichen Energieversor-gungsunternehmens angebunden.

Weitere Aufträge wie die Erneuerung von Gleichrichteranlagen für Trolleybuslinien der Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern be-fi nden sich bei ABB momentan in der Aus-führung.

Die Schweiz als MusterbeispielDank ihres gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes gilt die Schweiz als Mus-terbeispiel und hat den Trend in Richtung „beschleunigter Ökologisierung“ beein-fl usst. Ziel der Regierung ist es, die Bevöl-kerung vor allem in den dicht besiedelten Gebieten der Schweiz und auch die Alpen von den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs zu entlasten. Und auch aus wirtschaftlichen Gründen müsse es nach Aussagen des Direktors des Schwei-zerischen Bundesamtes für Verkehr gelin-gen, den Verkehr und vor allem dessen erwartetes Wachstum auf die Schiene zu bringen [4]. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet ABB mit ihren innovativen Technolo-gien im Bahnbereich.

René Jenni

ABB Power Systems

Baden, Schweiz

[email protected]

Remigius Stoffel

ABB Power Products, Automation & Protection

Baden, Schweiz

[email protected]

Melanie Nyfeler

ABB Communications

Baden, Schweiz

[email protected]

Literaturhinweise[1] SBB AG: Geschäftsbericht Schweizerische

Bundesbahnen 2008. Bern, Schweiz[2] UIC (2007) in SBB AG (2009): „Statistisches

Vademecum: Die SBB in Zahlen 2008“: S. 27 [3] Schweizerisches Bundesamt für Verkehr

(März 2009): „Güterverkehr durch die Schweizer Alpen 2008“. Bericht. Bern, Schweiz

[4] Friedli, M. (23. Mai 2007): „Schweizer Verkehrs-politik: Konstanz und Innovation“. Referat. Basel, Schweiz

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35Eisenbahn-FACTS

ROLF GRÜNBAUM, PER HALVARSSON, BJÖRN THORVALDSSON – Mit steigender Verkehrsdichte auf dem Schienennetz und der Realisierung neuer Hochgeschwindigkeitsprojekte wird die Eisenbahn zunehmend zu einer bedeutenden Last für die öffentlichen Stromversorgungsnetze. Dies wirkt sich unter anderem auf die Spannungsstabilität und Strom-qualität der umgebenden Netze aus. Einerseits benötigen Züge, die über Fahrdrähte gespeist werden, eine stabile Versorgungsspannung ohne plötzliche Einbrüche. Andererseits müssen Spannungs- und Strom-unsymmetrien zwischen den Phasen der Drehstrom-Versorgungsnetze begrenzt und ihre Ausbreitung über das Netz verhindert werden. Ferner gilt es, Spannungsschwankungen und Oberschwingungen so zu kontrollieren, dass die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden.

Eisenbahn-FACTSSysteme zur Verbesse-rung der Stromqualität in Bahnstrom-Versor-gungsnetzen

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36 ABB technik 2|10

können. Zwei dieser Systeme, der her-kömmliche statische Blindleistungskom-pensator (Static Var Compensator, SVC) und der neuere statische synchrone Kompensator (STATCOM) vom Typ SVC Light®, können in Verbindung mit speziel-len Regelalgorithmen zum Ausgleich von Netzunsymmetrien eingesetzt werden. Der Lastausgleich wird dabei durch die Über-tragung von Wirk- und Blindleistung zwischen verschiedenen Phasen er-reicht ➔ 2.

Darüber hinaus können SVC- und SVC-Light-Systeme zur dynamischen Stützung der Fahrdrahtspannung gegen Span-nungseinbrüche und zur Reduzierung von Oberschwingungen eingesetzt werden, wie sie von Thyristorlokomotiven verur-sacht werden. Im Falle von SVC Light kann eine bestimmte Anzahl dieser Oberschwin-gungen durch aktive Filterung entfernt werden.

FACTS in der BahnstromversorgungStromnetze, die Eisenbahnsysteme und Traktionslasten versorgen, können erheb-lich von SVCs und STATCOMs profi tieren. Dank der damit verbundenen Vorteile (siehe Aufl istung in ➔ 3) können die zur Modernisierung der Bahnstrom-Versor-gungsinfrastruktur erforderlichen Investi-tionen in vielen Fällen reduziert oder sogar vollständig eliminiert werden.

Darüber hinaus kann mithilfe von FACTS die geforderte Stromqualität mit geringe-ren Einspeisespannungen erreicht werden. So kann es zum Beispiel ausreichen, ein Bahnstromnetz mit 132 kV statt 220 kV oder gar 400 kV zu speisen.

Gleisabschnitte von derselben Einspeise-station versorgt. In diesem Fall werden die Leistungstransformatoren zwischen ver-schiedene Phasen geschaltet.

Heutzutage ist die Traktionslast mit Nenn-leistungen zwischen 50 MW und 100 MW pro einspeisendem Transformator relativ groß. Sind diese Lasten zwischen zwei Phasen des Netzes geschaltet, kann dies zu Unsymmetrien in der Versorgungsspan-nung führen. Als Faustregel gilt:

mit SSSC = Kurzschlussstrom des NetzesPload = TraktionslastUimbalance = Spannungsunsymmetrie

Eine häufi ge Anforderung ist, dass die aus einer Schiefl ast resultierende Gegensystem-spannung nicht größer sein darf als 1 %. Geht man von einer Last zwischen 50 MW und 100 MW aus, muss das ein-speisende Netz eine Kurzschlussleistung von mindestens 5.000 MVA bis 10.000 MVA besitzen, damit die Unsymmetrieanforde-rungen erfüllt werden. In vielen Fällen liegt das Bahnstromsystem relativ weit von starken Hochspannungs-Übertragungs-leitungen entfernt. Schwächere regionale Energieverteilungsleitungen verlaufen hin-gegen häufi g in der Nähe der Bahnstre-cken und können daher zu deren Versor-gung verwendet werden – vorausgesetzt, eine durch die Traktionslast verursachte Unsymmetrie kann durch entsprechende Maßnahmen ausgeglichen werden.

Flexible Drehstrom-ÜbertragungssystemeFlexible Drehstrom-Übertragungssysteme (Flexible AC Transmission Systems, FACTS) sind eine Familie von statischen Systemen auf der Basis leistungselektronischer Kom-ponenten, die mithilfe moderner compu-tergestützter Leittechnik gesteuert werden

E s gibt mehrere Möglichkeiten zur Speisung von Bahnstromsyste-men. Eine Möglichkeit, die in vie-len traditionellen Elektrifi zierungs-

systemen verwendet wird, ist die direkte Speisung mit der Grundfrequenz des Ver-sorgungsnetzes, d. h. mit 50/60 Hz. Die Übertragungs- bzw. Verteilnetzspannun-gen werden dabei über einen Leistungs-transformator direkt in die Bahnspannung umgewandelt.

Auf der Bahnstromseite kann die erforder-liche Leistung entweder mithilfe eines Zusatztransformatorsystems oder eines Autotransformatorsystems bereitgestellt werden ➔ 1. Beim Zusatztransformator-system wird die Hauptspannung in eine einphasige Fahrdrahtspannung umgewan-delt. Dabei ist ein Ende der bahnseitigen Wicklung des Leistungstransformators ge-erdet und das andere Ende mit dem Fahr-draht verbunden. Beim Autotransformator-system ist die bahnseitige Wicklung an ihrem Mittelpunkt geerdet. Ein Ende der Wicklung ist mit dem Fahrdraht und das andere Ende mit der Speiseleitung (Fee-der) verbunden, der entlang der Strecke mitgeführt wird. Bei beiden Systemen ist die Schiene geerdet.

Auf der Übertragungsnetzseite ist der Leis-tungstransformator zwischen zwei Phasen geschaltet. Häufi g werden zwei getrennte

Fußnote1 Eine Stärkung des Netzes würde den Bau von

neuen Übertragungs- bzw. Verteilungsleitungen, Unterstationen und Einspeisepunkten erfordern.

1 Zwei Transformatorensysteme zur effizienten Bahnstromversorgung

I

I

1a Zusatztransformatorsystem 1b Autotransformatorsystem

Uimbalance =

Pload

Sssc

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37Eisenbahn-FACTS

spricht dem Integral der Spannung und ist somit zwischen dem durch die Impedanz der Drossel vorgegebenen Wert und null vollständig regelbar.

Um ein kompakteres Design zu ermög-lichen und aufgrund der Vorteile der fort-schrittlichen Halbleitertechnologie basieren die Thyristorventile auf einer bidirektiona-len Halbleiterkomponente, die die Integra-tion von zwei antiparallelen Thyristoren in einem Siliziumwafer ermöglicht. Mit diesen Thyristoren reduziert sich die Anzahl der in den Ventilen benötigten Einheiten um 50 % ➔ 6. Bei den Thyristoren handelt es sich um 5-Zoll-Elemente mit einer effekti-ven Stromtragfähigkeit von etwa 2.000 A.

Beim herkömmlichen SVC wird der Last-ausgleich durch Übertragung von Wirkleis-tung zwischen den Phasen mithilfe der steuerbaren Impedanzelemente erreicht. In ihrer einfachsten Form besteht die Last-ausgleichseinrichtung aus einem zwischen zwei Phasen des Versorgungsnetzes ge-schalteten TCR und einem weiteren, zwi-schen zwei andere Phasen geschalteten TCR mit einer parallelen Festkondensator-batterie. Die Leistungsfaktorkorrektur er-

Lastausgleich mit SVCsEin SVC ist ein System mit variabler Impe-danz, die durch Kombination mehrerer Elemente mit festen Impedanzen (z. B. Kondensatoren) und steuerbaren Drossel-spulen erreicht wird. Erstaunlicherweise ist diese Kombination in der Lage, Wirkleis-tungsfl üsse auszugleichen ➔ 4. Die Dros-seln besitzen zwar auch feste Impedanzen, aber dadurch, dass die Grundfrequenz-komponente des durch sie fl ießenden Stroms durch Thyristorventile gesteuert wird, entsteht eine scheinbar variable Impedanz. Diese Art von Drossel wird auch als thyristorgesteuerte Drosselspule (Thyristor Controlled Reactor, TCR) be-zeichnet.

Ein TCR ist ein parallel geschalteter Zweig bestehend aus einer Drosselspule und einem Thyristorventil in Reihenschal-tung ➔ 5. Der Strom durch den Zweig wird durch den Phasenwinkel der Zündimpulse für den Thyristor gesteuert (Zündwinkel-steuerung), d. h. bei einem Zündwinkel von 90° entspricht die Spannung über der Drossel der vollen Systemspannung und ist bei einem Zündwinkel von 180° gleich null. Der Strom durch die Drossel ent-

Mit steigender Verkehrsdichte und der Realisierung neuer Hochge-schwindigkeits-projekte wird die Eisenbahn zu-nehmend zu einer bedeutenden Last für die öffentlichen Netze.

2 FACTS für den Lastausgleich

Fahrdraht

Speise-leitung

Ec

Eb

Ea

4 Lastausgleich und Blindleistungskompensation mit SVC

SVC

5 Grundprinzip einer thyristorgesteuerten Drosselspule (TCR)

I-

I-

V

V

Zündimpuls

Zeitα

+ -

3 Vorteile von SVC und STATCOM

– Nicht-symmetrische Lasten, die von zwei Phasen eines Drehstromnetzes gespeist werden, werden dynamisch ausgeglichen.

– Spannungsschwankungen in den speisenden Netzen, die durch starke Schwankungen der Bahnlasten verursacht werden, können dynamisch gemindert werden.

– Oberschwingungen, die von Traktionseinrich-tungen in Versorgungsnetze eingespeist werden, können beseitigt werden.

– Unabhängig von Lastveränderungen und -schwankungen erfolgt die Leistungsfaktor-korrektur am Verknüpfungspunkt, d. h. der Leistungsfaktor ist zu jeder Zeit hoch und stabil.

– SVC und STATCOM bieten dynamische Span-nungsstützung für Fahrleitungen von leistungs-starken Lokomotiven. Dies wiederum verhindert

schädliche Spannungsabfälle entlang der Fahrleitung und ermöglicht die Erhaltung einer hohen Traktionsleistung trotz schwacher Einspeisung. Auch bei einem Ausfall an einem Einspeisepunkt erhalten die Lokomotiven genügend Leistung. Tatsächlich kann durch den Einsatz von SVC und STATCOM die Zahl der Einspeisepunkte reduziert werden.

– Im Hinblick auf die Spannungsqualität kann mit FACTS ein Speisenetz mit niedrigerer Spannung gewählt werden (z. B. 132 kV statt 220 kV oder höher).

– FACTS ermöglichen die dynamische Span-nungsregelung und Reduzierung von Ober-schwingungen in Wechselstromsystemen zur Versorgung von mit Gleichstrom betriebenen Traktionsanwendungen (z. B. U- und S-Bahnen).

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38 ABB technik 2|10

Obwohl HS 1 in erster Linie für Hochge-schwindigkeitszüge ausgelegt ist, wird die Strecke auch von langsameren Güterzü-gen befahren. Da die Nennleistung moder-ner Züge im Bereich von 10 MW liegt, muss die Stromversorgung für große Last-schwankungen ausgelegt sein. HS 1 ver-fügt über eine moderne direkte Einspei-sung mit 25 kV und 50 Hz, wobei alle drei Einspeisepunkte zwischen London und dem Kanaltunnel von SVCs unterstützt werden ➔ 7. Die Spannung aus dem Netz wird über zwischen zwei Phasen geschal-tete Transformatoren direkt umgewandelt, während ein Autotransformatorsystem für einen geringen Spannungsabfall entlang der Strecke sorgt.

Dynamische Spannungsstützung

Sechs der SVCs dienen hauptsächlich der dynamischen Spannungsstützung und sind bahnstromseitig mit den Leistungs-transformatoren verbunden. Ein siebenter SVC dient dem Lastausgleich. An drei Ein-speisepunkten ist jeweils einer von zwei identischen einphasigen SVCs zwischen die Speiseleitung und Erde und einer zwi-schen den Fahrdraht und Erde geschaltet.Es gab drei Gründe für die Anschaffung der SVCs. Der Hauptgrund war die Stüt-zung der bahnseitigen Spannung bei Ab-schaltung einer Einspeisestation. In diesem Fall müssen zwei Streckenabschnitte von einer Station gespeist werden. Dabei ist es wichtig, dass das Spannungsniveau ge-halten wird, um die erforderliche Traktions-effi zienz zu gewährleisten.

folgt durch eine Festkondensatorbatterie, die einer steuerbaren Drosselspule zwi-schen den zwei verbleibenden Phasen parallel geschaltet ist. Oberschwingungen werden durch zusätzliche Filter unter-drückt, die entweder in Sternschaltung oder direkt parallel zu den Drosseln ge-schaltet werden können.

Die Regelung der Lastausgleichseinrich-tung kann entweder auf der Tatsache ba-sieren, dass drei Außenleiterspannungen derselben Größe keine Gegensystemspan-nung enthalten können oder auf einem komplexeren System, das die verschiede-nen Komponenten der Phasenfolge be-stimmt und der Gegenkomponente ent-gegenwirkt. Die Regelung der Mitsystem-spannung hat im Vergleich zur Gegen-komponente normalerweise eine geringere Priorität, d. h. sie wird nur dann vollständig geregelt, wenn die Nennleistung der Last-ausgleichseinrichtung hoch genug ist, um einen Lastausgleich und eine Spannungs-regelung zu gewährleisten.

SVCs auf der HS 1-StreckeInsgesamt wurden sieben SVCs für die 108 km lange Hochgeschwindigkeits-strecke „High Speed One“ (HS 1) zwischen London und dem Ärmelkanaltunnel bei Dover geliefert. Dank dieser bis November 2006 als „Channel Tunnel Rail Link“ (CTRL) bezeichneten Verbindung ist es möglich, von London aus per Zug mit einer Höchst-geschwindigkeit von 300 km/h in knapp zwei Stunden nach Paris zu reisen.

8 Dynamische Lastausgleichseinrichtung für HS 1

FACTS wie der herkömmliche statische Blindleis-tungskompensator (SVC) und SVC Light® können zum Ausgleich von Netz-unsymmetrien und zur dynamischen Stützung der Fahr-drahtspannung ein-gesetzt werden.

6 Ein bidirektional steuerbares Thyristor-ventil (BCT-Ventil)

7 SVCs der Hochgeschwindigkeitsstrecke High Speed One (HS 1)

Barking

Dynamische SpannungsstützungDynamische Lastausgleichseinrichtung

Singlewell 400 kV

25 kV

Sellindge

London

(StromloserAbschnitt)

Kanal-tunnel

SVC SVC SVC SVC

9 Ausgleich einer asymmetrischen Last

Last

RQR

QS

C1

C2QT

SL

T

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39Eisenbahn-FACTS

zwischen den Phasen a und b optimiert. Theoretisch sind zum Ausgleich einer rei-nen Wirklast eine Drosselspule zwischen den Phasen a und b und ein Kondensator zwischen den Phasen a und c erforderlich. Die Traktionslast besitzt auch einen Blind-lastanteil, der ebenfalls ausgeglichen wer-den muss. Es wird nicht nur die Unsymme-trie ausgeglichen, durch den zusätzlichen Kondensator zwischen den Phasen a und c wird auch der Leistungsfaktor auf Eins reguliert.

Die Lastausgleichseinrichtung wird so ge-regelt, dass die im Strom vom Versor-gungsnetz enthaltene Gegenkomponente kompensiert wird. Außerdem wird der Leistungsfaktor auf Eins reguliert. Die Mit-systemspannung kann ebenfalls reguliert werden, wenn die erforderliche Kapazität zur Verfügung steht. Dies hängt jedoch vom Arbeitspunkt der Lastausgleichsein-richtung ab.

Die Londoner U-BahnDa die Londoner U-Bahn ihren Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht, musste das alte gas-/ölbefeuerte Kraftwerk an der Lots Road geschlossen werden. Da

eines Drehstromsystems geschaltete Last vom Drehstromsystem aus betrachtet symmetrisch erscheint und scheinbar ei-nen Leistungsfaktor von Eins besitzt ➔ 9. Für die Beziehungen zwischen den Blind-leistungen der einzelnen Phasen und den Blindleistungen zwischen den Phasen gilt:

QRS = QR + QS - QT

QST = QS + QT - QR

QTR = QT + QR - QS

Verbraucht eine einphasige Last eine Wirk-leistung P und eine Blindleistung Q, so gilt für die Blindwerte, die für eine vollständige dreiphasige Symmetrie und einen Leis-tungsfaktor von Eins zwischen den Phasen erforderlich sind:

QC1 = Q

QC2 = P/√3

QL = P/√3

Bei großen Traktionslasten sind die Ge-samtwerte von P und Q stark veränderlich. Mithilfe von SVCs lassen sich die effektiven Blindleitwerte (Suszeptanzen) ebenfalls variieren, sodass die oben genannten Gleichungen in allen Fällen erfüllt werden können.

Das in ➔ 10 dargestellte Lastausgleichs-schema ist für den Ausgleich einer Last

Der zweite Grund ist die Erhaltung eines hohen Leistungsfaktors aus der Sicht des Drehstromnetzes im normalen Betrieb zur Sicherung eines niedrigen Tarifs für die be-zogene Wirkleistung. Der dritte Grund für die Installation der SVCs war schließlich die Reduzierung der Netzbelastung durch Oberschwingungen. SVC-Filter sind so konzipiert, dass sie nicht nur die vom SVC erzeugten Oberschwingungen fi ltern, son-dern auch die von der Traktionslast ausge-henden Oberschwingungen. Dabei gelten strenge Anforderungen im Hinblick auf die zulässige Einspeisung von Oberschwin-gungen durch das Bahnstromsystem an den Anschlusspunkten zum Drehstrom-netz.

Die SVCs arbeiten in einem Leistungs-faktor-Regelungsmodus, der bei einem Ausfall an einer Einspeisestation automa-tisch in einen Spannungsregelungsmodus wechselt.

Lastausgleich

Die Traktionslast mit einer Nennleistung von 120 MW ist zwischen zwei Phasen geschaltet und würde ohne Kompensation zu einer Gegensystemspannung von etwa 2 % führen. Um dieser Schiefl ast ent-gegenzuwirken, wurde die Lastausgleichs-einrichtung in Form eines asymmetrisch gesteuerten SVC installiert ➔ 8.

Mithilfe von zwischen die Phasen geschal-teten Reaktivelementen kann erreicht wer-den, dass eine zwischen zwei Phasen

Fußnote2 Es wurden umfangreiche Systemstudien zur

Lokalisierung von Störquellen und zur Bestim-mung der erforderlichen Maßnahmen durch-geführt, um sicherzustellen, dass die zulässigen Grenzwerte an den Verknüpfungspunkten nicht überschritten werden.

11 Prinzipschaltbild eines typischen SVC der Londoner U-Bahn

22 kV

TCR60 Mvar

3. Harm.10 Mvar

5. Harm.15 Mvar

7. Harm.8 Mvar

10 HS 1-Lastausgleichssystem

FahrdrahtReserve-

phase

Speiseleitung

25 kV

25 kV

400 kVUnterwerk Sellindge33 kV, -80/+170 MvarLastausgleichseinrichtung

33 kV}}

}}

84 Mvar

3. Harm.

5. Harm.

7. Harm.

TCR

TCR2 x 42 Mvar

a

b

c

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40 ABB technik 2|10

die U-Bahn-Last hauptsächlich aus Dio-denumrichtern besteht, die die Züge mit Gleichstrom versorgen, waren besondere Maßnahmen erforderlich, um zu verhin-dern, dass Störungen wie Spannungs-schwankungen und Oberschwingungen in das öffentliche Netz gelangen2.

Im Jahr 2009 wurde ein SVC für das 11-kV-Speisenetz in Betrieb genommen, der mit mehreren anderen seit Mitte 2000 in

Betrieb befi ndlichen SVCs zusammen-arbeitet. Damit sind nun insgesamt sechs SVCs (sowie einige einzelne Oberschwin-gungsfi lter) an kritischen Punkten des 22-kV- und 11-kV-Netzes der Londoner U-Bahn in Betrieb. Aufgrund der räum-

forderungen von Standort zu Standort ver-schieden. Die Hauptparameter der sechs SVCs können in verschiedene Kategorien unterteilt werden ➔ 12.

Die Ankunft einer Drosselspule mit Eisen-kern in London ist in ➔ 13 und einer der SVCs in ➔ 14 zu sehen.

SVC LightMit der Entwicklung von steuerbaren Halbleiterelementen mit hohem Schalt-vermögen ist der Bau von Spannungs-zwischenkreis-Umrichtern (Voltage Sour-ce Converter, VSC) mit Nennleistungen von über 100 MVA möglich geworden. Nun wurden die Technologien von VSC4 und bipolaren Transistoren mit isoliertem Gate (IGBT) unter der Bezeichnung SVC Light zu einem äußerst dynamischen und robusten System mit einer großen Band-breite kombiniert, das sich für eine Viel-zahl von Aufgaben zur Verbesserung der Stromqualität in Versorgungsnetzen und darüber hinaus eignet. Mithilfe der Puls-weitenmodulation (PWM) lässt sich eine nahezu sinusförmige Wechselspannung erzeugen, ohne dass Oberschwingungs-fi lter erforderlich sind.

lichen Bedingungen und ihrer Nähe zu U-Bahn-Stationen (und somit zu großen Menschenmengen) mussten die SVC-An-lagen kompakt und so ausgelegt sein, dass keine Geräusche und Magnetfelder nach außen dringen. Tatsächlich durfte das Magnetfeld an den einzelnen SVCs eine Flussdichte von 1,6 mT nicht über-schreiten3. Aus diesen Gründen sind die TCR der SVCs statt mit den üblichen Luft-spulen mit Eisenkernspulen ausgestattet.

Typischerweise be-steht jeder SVC aus einem TCR und einer Reihe indivi-duell abgestimm-ter und ausgelegter Oberschwingungs-filter ➔ 11. Durch Phasenanschnitt-steuerung des TCR lässt sich aus dem statischen Zustand

eine stufenlos veränderbare Blindleistungs-abgabe von maximal kapazitiv bis maximal induktiv erreichen. Die Anordnung der Oberschwingungsfi lter ist je nach Kurz-schlussleistung des einspeisenden Netzes und den jeweiligen Oberschwingungsan-

14 Ein SVC mit dem Thyristorventil (links) und dem Kühlsystem (rechts)

16 Eine der IGBT-Ventilhallen in Frankreich

Das Stromrichterventil ist von der Decke hängend und die Gleichspannungskondensa-toren im Vordergrund zu sehen.

13 Ankunft der TCR mit Eisenkern in London

Dank der Fähigkeit zur Erzeu-gung von Spannungen mit beliebiger Amplitude und beliebigem Phasenwinkel bietet SVC Light alle Voraus-setzung für den Lastausgleich.

12 Kategorisierung der in der Londoner U-Bahn eingesetzten SVCs

Nennspannung Dynamischer, Nennleis- Anzahl von Bereich tung TCR SVCs(kV) (Mvar) (Mvar)

22 -27/+33 60 2

22 -37/+23 60 3

11 -16,5/+16,5 33 1

15 SVC-Light-Prinzipschaltbild

63 kV

15 MVA

15 MVA

0,7 MvarGlättungselement

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41Eisenbahn-FACTS

gen und auf 1,5 % (für 300 MVA ≤ Sssc ≤ 600 MVA) unter anormalen Netzbedingun-gen (n-1) zu begrenzen. Messungen, die seit der Installation von SVC Light durch-geführt wurden, zeigen eine deutliche Ver-besserung der Spannungsunsymmetrie [1]. Genauer gesagt liegt die Spannungsun-symmetrie nicht über 1 % ➔ 17.

Kostenvorteile von SVC LightSVC Light bietet nicht nur technische, son-dern auch wirtschaftliche Vorteile [2]. Dies zeigt folgende Überlegung: Angenommen, SVC Light stünde nicht zur Verfügung. Um die Unsymmetrieanforderungen zu erfül-len, müsste die Speisespannung vom Ver-sorgungsnetz von 63 kV auf 224 kV oder 400 kV erhöht werden. Dazu wäre wieder-um der Bau neuer Freileitungen und die Umrüstung vieler Unterstationen erforder-lich, die jetzt mit 63 kV bzw. 90 kV gespeist werden.

Rolf Grünbaum

Per Halvarsson

Björn Thorvaldsson

ABB Power Systems, Grid Systems/FACTS

Västerås, Schweden

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Fußnoten3 Die Erfüllung dieser Anforderung wurde durch

Messungen bestätigt.4 Bei SVC Light arbeitet der SVC mit Schalt-

frequenzen im kHz-Bereich.5 Eine aktive Filterung ist aufgrund der hohen

Bandbreite des SVC-Light-Konzepts möglich. Die aktive Filterung erfolgt so lange wie die er-forderliche Kapazität verfügbar ist, zum Beispiel wenn die Last geringer ist als die Nennleistung der Kompensationseinrichtung.

Literaturhinweise[1] Courtois, C., Perret, J.P., Javerzac, J.L.,

Paszkier, B., Zouiti, M. (2006): „VSC based im-balance compensator for railway substations“. Cigré B4-103

[2] Grünbaum, R., Hasler, J-P., Larsson, T., Meslay, M. (2009): „STATCOM to enhance power quality and security of rail traction supply”. ELECTRO-MOTION 2009. Lille, Frankreich

Faktor √3 größere Traktionslast zu kom-pensieren. Die Dreieckschaltung ist für den Ausgleich asymmetrischer Wirkleistungen weniger effi zient als für die symmetrische Blindleistungskompensation. Dieser Unter-schied besteht bei einer phasenweisen Schaltung nicht.

Zwei solcher SVC-Light-Anlagen sind im französischen Eisenbahnnetz in Betrieb. Beide werden vom nationalen Verteilnetz mit einer Spannung von 90 kV bzw. 63 kV gespeist. SVC Light wird beidseitig zum dynamischen Ausgleich der durch die Traktionslasten verursachten Unsymmetrie zwischen den Phasen eingesetzt. In die-sem Fall werden die Thyristorlokomotiven von zwei Phasen des Drehstromnetzes ge-speist. Die von den Lokomotiven erzeug-ten Oberschwingungen werden von SVC Light aktiv gefi ltert5.

Die in ➔ 15 dargestellte Lastausgleichsein-richtung ist für 63 kV/15 MVA und eine ein-phasige Wirklast von bis zu 16 MW aus-gelegt. Die Anlage hat die Aufgabe, die Netzunsymmetrie bei 63 kV unter norma-len Netzbedingungen auf 1 % und unter anormalen Netzbedingungen (n-1) auf 1,8 % zu begrenzen. Ein doppelt abge-stimmtes Filter, das auf die 40. und 51,5. Harmonische abgestimmt ist, wurde auf der Wechselstromseite installiert. Auf der 63-kV-Seite kommen keine passiven Ober-schwingungsfi lter zum Einsatz. Das Ergeb-nis ist eine robuste Lösung, die auf ver-schiedene Netzbedingungen angewandt werden kann.

Die zweite SVC-Light-Anlage ist für 90 kV/16 MVA und eine einphasige Wirklast von bis zu 17 MW ausgelegt ➔ 16. Die Aufgabe dieser Anlage besteht darin, die Netzun-symmetrie bei 90 kV auf 1 % (für Sssc ≥ 600 MVA) unter normalen Netzbedingun-

Ausgleich von TraktionslastenDank der Fähigkeit zur Erzeugung von Spannungen mit beliebiger Amplitude und beliebigem Phasenwinkel bietet SVC Light alle notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz als Lastausgleichseinrichtung. Bei Anschluss des VSC an das Netz arbeitet SVC Light wie eine Synchronmaschine, bei der die Amplitude, Phase und Frequenz der Spannung unabhängig voneinander geregelt werden können. Darüber hinaus ist der VSC durch hochfrequentes Schal-ten per PWM in der Lage, eine Gegen-systemspannung zu synthetisieren.

Im Vergleich zu klassischen SVC auf der Basis von TCRs in Dreieckschaltung für dieselbe Nennleistung ist SVC Light mit phasenweise geschalteten Ventilen und einem gemeinsamen Gleichspannungs-Zwischenkreis in der Lage, eine um den

Um die Unsymmet-rieanforderungen ohne SVC Light zu erfüllen, müsste die Speisespannung vom Versorgungs-netz erhöht werden, wozu wiederum der Bau neuer Frei-leitungen und die Umrüstung vieler Unterstationen erforderlich wäre.

17 Messung der Spannungsunsymmetrie (Messintervall = 10 Minuten)

Zeit (h)

Sp

annu

ngsu

nsym

met

rie (%

)

STATCOM getrennt

00.00 04.00 08.00 12.00 16.00 20.00 22.40

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0.0

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42 ABB technik 2|10

GERHARD LINHOFER, PHILIPPE MAIBACH, NIKLAUS UMBRICHT – Zwischen Bahnstromnetzen und dem öffentlichen Stromnetz bestehen deutliche Unterschiede. So sind Bahnstromnetze in der Regel einphasig, während im öffentlichen Netz dreiphasiger Drehstrom erzeugt, übertragen und verteilt wird. Auch die Frequenzen sind in vielen Fällen unterschiedlich. Selbst wenn die gleiche Frequenz genutzt wird, sind die Netze nicht zwangsläufi g synchron. Der Austausch von Elektrizität zwischen öffent-lichen Netzen und Bahnstromnetzen wird heute durch große leistungs-elektronische Frequenzumrichter ermöglicht. Ein Beispiel hierfür sind die 15-MW-Frequenzumrichter, die ABB für die Bahnstromversorgung des neuen Lötschberg-Tunnels in der Schweiz installiert hat. Mittlerweile lassen sich noch höhere Leistungen realisieren, wie bei der mit 413 MW bisher leistungsstärksten statischen Umrichterstation der Welt, die zurzeit für E.ON in Deutschland gebaut wird.

Umrichter von ABB sorgen für die richtige Frequenz in Bahnstrom-netzen

Statische Umrichter, dynamische Leistung

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43Statische Umrichter, dynamische Leistung

E lektrische Bahnen benötigen viel Energie. Aus diesem Grund betreiben viele Eisenbahnge-sellschaften eigene Hochspan-

nungsnetze, und einige besitzen sogar eigene Kraftwerke. Die wenigsten Eisen-bahnnetze sind jedoch völlig autark, d. h. es muss ein Leistungsaustausch mit dem öffentlichen Netz stattfinden. Dabei gibt es drei Hauptarten der Versorgung:– In Ländern oder Regionen, in denen

das Bahnnetz erst relativ spät elektrifi-ziert wurde, werden die Fahrleitungen häufig vom öffentlichen Netz mit einer Frequenz von 50 Hz (oder 60 Hz) und einer typischen Spannung von 25 kV gespeist.

– In Ländern, in denen die Elektrifizie-rung wesentlich früher stattfand, werden die Bahnen häufig mit Gleichstrom (und typischen Leitungs-spannungen von 1,5 und 3 kV) betrieben.

– Andere Länder wiederum nutzen einphasigen Wechselstrom mit einer niedrigen Netzfrequenz. Hierzu gehören die Ostküste der USA mit 25 Hz sowie Norwegen, Schweden, Deutschland, Österreich und die Schweiz mit 16,7 Hz (vormals 16 2/3 Hz).

Früher wurden für den Leistungsaus-tausch zwischen einphasigen Bahn-

stromnetzen und öffentlichen Drehstrom-netzen rotierende Umformer eingesetzt. Diese bestanden im Wesentlichen aus zwei elektrischen Maschinen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Polpaaren auf einer gemeinsamen mechanischen Welle. Inzwischen können hierfür auch leistungselektronische Frequenzumrich-ter eingesetzt werden. In den letzten Jahren wurden statische Frequenzum-richter mit einer Gesamtleistung von ca. 1.000 MW installiert. Etwa zwei Drittel dieser Umrichter stammen von ABB. Zurzeit befinden sich Umrichter mit einer Gesamtleistung von über 800 MW im Bau oder sind bestellt.

Aus der Sicht des Umrichters (ganz gleich ob rotierend oder statisch) ist die Kopplung eines Drehstromnetzes mit einem einphasigen Wechselstromnetz anspruchsvoller als die Kopplung zweier Drehstromnetze. Einer der Hauptgründe hierfür ist die Tatsache, dass die Leistung im einphasigen Netz mit der doppelten Netzfrequenz pulsiert, während sie im Drehstromnetz weitgehend konstant bleibt. Bei rotierenden Umformern werden die daraus resultierenden Dreh-moment- und Leistungsschwankungen von den rotierenden Massen aufgenom-men und gedämpft. Die dabei entstehen-den Vibrationen müssen wiederum von den mechanischen Verankerungen und Fundamenten aufgenommen werden, was die Konstruktion der Maschine und des Fundaments komplexer macht.

Das kompakte Design ermög-lichte die Ent-wicklung standar-disierter Umrich-termodule und den Bau von Um-richtern verschie-dener Leistungs-klassen.

3 3

3

2

1

1 Prinzipschaltbild einer Umrichterstation

20 kV, 50 HzNetzseite 50-Hz-

Trans-formator

2 dreiphasigeDreipunkt-Brücken

Erden,Messen

Zwischen-kreis-Über-spannungs-begrenzer

Hoch-passfilter

16,7-Hz-FilterKühlanlage

Alternativen:110 kV, 50 Hz Netzstrom15 kV, 16,7 Hz Bahnstrom

33-Hz-Filter

4 einphasige Dreipunkt-Brücken

16,7-Hz-Transfor-mator

110 kV, 16,7 HzBahnstromseite

Container

ABB 15-MW-Standardumrichter

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44 ABB technik 2|10

➔ 1 zeigt das Prinzipschaltbild einer kompletten Umrichterstation, wie sie für den Lötschberg-Tunnel installiert wurde. Sie besteht aus den folgenden Kompo-nenten:

50-Hz-Umrichter

Dieser Umrichter besteht aus zwei drei-phasigen Standard-Dreipunkteinheiten. Je zwei Phasen sind in einem Spann-verband zu einem Doppelphasenmodul kombiniert. Der 50-Hz-Umrichter wird in 12-Puls-Schaltung gebaut. Somit werden nur 12-pulsige charakteristische Oberschwingungen (n = 12 k ± 1; k = 1, 2, 3, 4 . . .) erzeugt.

16,7-Hz-Umrichter

Der Umrichter besteht aus vier zwei-phasigen Standard-Dreipunkteinheiten. Je zwei Phasen sind in einem Spannver-band zu einem Doppelphasenmodul kombiniert. Der 16,7-Hz-Umrichter ist achtstufig ausgeführt. Die Umrichterstu-fen werden durch transformatorische Reihenschaltung der Ausgangsspannun-gen der vier versetzt getakteten Drei-punkt-H-Brücken geschaltet.

Spannungsbegrenzer

Überschreitet die Zwischenkreisspan-nung einen oberen Schwellwert, wird der Zwischenkreis über einen Widerstand entladen, bis ein unterer Schwellwert er-reicht ist. Die Steuerung des Spannungs-begrenzers arbeitet unabhängig von der Steuerung des bahn- und drehstrom-seitigen Stromrichters. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Zwischenkreis-

Betrieb genommen. Später wurde mit dem IGCT (Integrated Gate-Commutated Thyristor) ein neues Halbleiterelement mit deutlich besseren Schalteigenschaf-ten, geringeren Verlusten und einer in-duktivitätsarmen Ansteuereinheit als in-tegriertes „Bauteil“ entwickelt. Dieses kompakte Design ermöglichte die Ent-wicklung standardisierter Umrichtermo-dule und den Bau von Umrichtern ver-schiedener Leistungsklassen. Heute sind mehr als 20 Umrichter im Leistungsbe-reich von 15 bis 20 MW zur vollsten Zu-friedenheit der Kunden in Betrieb.

15–20 MW: Umrichterstation für den Lötschberg-EisenbahntunnelEine dieser Anlagen ist die Umrichtersta-tion Wimmis für den neuen Lötschberg-Eisenbahntunnel in der Schweiz1, den die Züge mit bis zu 200 km/h befahren können. Im Jahr 2005 lieferte ABB vier Umrichter für dieses Projekt. Auftragge-ber war der Berner Energieversorger BKW FMB Energie AG (BKW), der für

die Versorgung der Strecke verant-wortlich war. Die vier Umrichterblö-cke mit einer Leis-tung von je 20 MW wandeln den Dreh-strom aus dem 50-Hz-Netz zu-nächst in Gleich-strom um. Die Energie wird kurz in einem Gleich-spannungs-Zwi -schenkreis gespei-chert, bevor sie

von einem Wechselrichter in einphasigen Wechselstrom mit einer Frequenz von 16,7 Hz umgewandelt wird.

Bei statischen Frequenzumrichtern wird die Schwingung mithilfe einer Kondensa-torbank und einer Induktivität gefiltert, die auf das Doppelte der Betriebs-frequenz des Bahnstromnetzes abge-stimmt sind.

Eine weitere Anforderung ist, dass der statische Umrichter nicht nur als Span-nungs- und Blindleistungsquelle fungie-ren, sondern bei Störungen im Netz auch ohne Unterbrechung vom Verbund- in den Inselbetrieb wechseln können muss. Außerdem muss er in der Lage sein, einen isolierten Gleisabschnitt allein zu versor-gen und sich nach der Klärung des Fehlers mit dem übrigen Bahnstromnetz resynchronisieren können.

Statische Umrichter mit langer TraditionABB kann auf eine langjährige Erfahrung mit statischen Umrichtern zurückgreifen. Die ersten Umrichter für die Bahnstrom-versorgung mit leistungsfähigen ab-

schaltbaren Halbleiterelementen in Form von GTO-Thyristoren (Gate Turn-Off Thy-ristoren) wurden 1994 in der Schweiz in

Der statische Umrichter muss nicht nur als Spannungs- und Blindleistungsquelle fungieren, sondern bei Störungen im Netz auch ohne Unterbrechung vom Verbund- in den Inselbetrieb wechseln können.

Fußnote1 Siehe auch „Eisenbahnland Schweiz“ auf

Seite 31 dieses Hefts.

2 Umrichtercontainer

Der Umrichtercontainer umfasst folgende Komponenten:

– Raumkühlung– Umrichter- und Zwischenkreis-Überspannungs-

begrenzermodule mit umrichternaher Steuer-elektronik

– Zwischenkreisverschienung und -kondensatoren hinter den Umrichtermodulen

– Schienenabgänge zu den Transformatoren– Hilfsenergieverteilung für Eigenbedarf und

Leittechnik (Regelung, Steuerung, Messung und Schutz)

– Unterbrechungsfreie Stromversorgung für die Leittechnik

– Vor-Ort-Bedienung via MMK und Ereignisdrucker

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45Statische Umrichter, dynamische Leistung

heiten. Die Teilspannungen in Rechteck-form werden mithilfe von vier einphasigen IGCT-Umrichterbrücken aus einer Gleich-spannungsquelle (Spannungszwischen-kreis) nach dem Pulsweitenmodulations-verfahren gebildet und den vier Ventil-wicklungen des Transformators zuge-führt. Die Aufsummierung und Anpassung an die Bahnnetzspannung erfolgt in der Hochspannungswicklung. An die in Reihe geschalteten Tertiärwicklungen wird ein Filter zur Reduzierung der Netz-rückwirkungen angeschlossen.

Netzfilter

Auf der 16,7-Hz-Netzseite wird ein Filter zur Reduzierung der Netzrückwirkungen eingesetzt. Auf der 50-Hz–Seite ist dies in einigen Fällen ebenfalls nötig.

Fernsteuerung

Im Falle der statischen Umrichter für das Lötschberg-Projekt wird das gesamte System von einem ABB-Steuercomputer, dem sogenannten ALR2, ferngesteuert. Dieser erfasst und analysiert die Daten von den vier statischen 20-MW-Umrich-tern und den zwei rotierenden Umfor-mern über standardisierte Schnittstellen und errechnet ausgehend vom Leis-tungsbedarf im Bahnnetz oder auf der

auf Streifenfundamenten montiert. Ein Schnittbild des Umrichtercontainers ist in ➔ 2 dargestellt.

50-Hz-Transformator

Der 50-Hz-Transformator des 50-Hz-Umrichters dient zur Speisung der bei-den IGCT-Drehstrombrücken. Ein Drei-

phasen-Transformator besteht aus einem dreischenkligen Kern in Doppelstockaus-führung mit Zwischenjoch oder aus zwei dreischenkligen Kernen in einem Kessel.

16,7-Hz-Transformator

Der Transformator des 16,7-Hz-Umrich-ters dient der Aufsummierung der vier Teilspannungen in eine annähernd sinus-förmige einphasige Spannung mit der Nennfrequenz von 16,7 Hz. Der Transfor-mator besteht aus vier Einphasen-Ein-

spannung jederzeit innerhalb des defi-nierten Bereichs bleibt.

Gleichspannungs-Zwischenkreis

Alle Doppelphasenmodule des Umrich-ters sind auf der Gleichspannungsseite durch eine gemeinsame Zwischenkreis-verschienung miteinander verbunden. An ihr befinden sich Abgänge für die einzel-nen Umrichtermodule, für die direkt an-gekoppelten Zwischenkreiskondensato-ren sowie für die Zwischenkreis-Filter-bänke und die Spannungsmessungen.

Der Gleichspannungs-Zwischenkreis bil-det die Verbindung zwischen den 50-Hz- und 16,7-Hz-Umrichtern. Er besteht aus den folgenden Hauptkomponenten:– direkt angekoppelte Kondensatorbank

als Energiespeicher– 33,4-Hz-Filter zur Aufnahme der

Leistungsfluktuation aus dem Bahn-netz

– Hochpassfilter zur Aufnahme der niederfrequenten Oberschwingungen aus dem Bahnnetz, insbesondere der ausgeprägten dritten und fünften Harmonischen des Bahnnetzes

Umrichtercontainer

Der Umrichter sowie dessen Steuerung werden komplett verdrahtet und geprüft in einem wetterfesten Container geliefert. Die Kühlung befindet sich in einem sepa-raten Container. Beide Container werden

Fußnote2 ALR = Anlageleitrechner

Die weltweit größte Umrichter-station für Bahn-strom wird zurzeit in Datteln in Nord-rhein-Westfalen gebaut.

Der Umrichter und dessen Steuerung wer-den komplett verdrahtet und geprüft in einem wetterfesten Con-tainer geliefert.

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46 ABB technik 2|10

Inbetriebnahmezeiten. Positive Rückmel-dungen zeigen, dass der standardisierte Bahnstromrichter von ABB bestens ge-eignet ist, die Anforderungen der Kunden zu erfüllen.

Nach der erfolgreichen Einführung der Umrichter mit 15–20 MW wünschten sich viele Kunden eine weitere Leistungserhö-hung. Daraufhin entwickelte ABB einen weiteren Standardfrequenzumrichter für 30 MW mit optionaler Überlastbarkeit je nach Anwendungs- und Umgebungsbe-dingungen. Durch Parallelschaltung von zwei oder mehr dieser 30-MW-Einheiten lassen sich auch Stationen mit höheren Nennleistungen realisieren.

30 MW: Umrichterstation Timelkam

Ende 2007 gaben die Österreichischen Bundesbahnen ÖBB den Bau einer neuen Umrichterstation nahe der Stadt Timelkam in Oberösterreich in Auftrag. Die Station umfasst zwei unabhängige 30-MW-Umrichteranlagen, die mit 50 Hz/110 kV aus dem öffentlichen Stromnetz gespeist werden und das Bahnnetz mit 16,7 Hz/110 kV versorgen. Aufgrund der Nähe zum Kraftwerk stehen dem Bahn-netz damit insgesamt 60 MW ohne Über-tragungsverlust zur Verfügung. Der erste 30-MW-Umrichter wurde im Juli 2009 in Betrieb genommen ➔ 4.

413 MW: Umrichterstation Datteln

Die weltweit größte Umrichterstation für Bahnstrom wird zurzeit in Datteln in Nordrhein-Westfalen gebaut. Die im Jahr

Basis manueller Einstellungen kontinuier-lich die optimale Nutzung der verfügba-ren Versorgungseinheiten (d. h. der stati-schen und rotierenden Umrichter). So können die erforderlichen Leistungsre-serven innerhalb von Sekunden zu- oder abgeschaltet werden.

Sämtliche Steuerungs-, Regelungs- und Sicherheitsfunktionen werden vom be-währten digitalen, leistungselektroni-schen Leitsystem3 von ABB bereitge-stellt, das für den Einsatz in präzisen und sehr schnellen Servokreisen für Umrich-ter-/Wechselrichtersysteme ausgelegt ist. Die Bedienstationen für das Micro-SCADA-Netzleitsystem von ABB in der Leitzentrale sorgen für eine zuverlässige Darstellung der Messwerte und Berech-nungen und sichern die Überwachung und den Betrieb aller Teile des Systems. Der Betrieb der Leitsystemkomponen-ten (ALR und Bedienstationen) im Hot-Standy-Modus garantiert eine hohe Ver-fügbarkeit des Systems.

➔ 3 zeigt ein Foto der Anlage. Links ist der 50-Hz-Transformator mit dem 50-Hz-Filterkreis (auf einem Portal darüber montiert), rechts der 16,7-Hz-Einpha-sentransformator und dazwischen der Umrichtercontainer zu sehen.

Leistungserhöhung auf 30 MWAufgrund des modularen Aufbaus der Anlage können (in Schritten von 15 MW) ohne Weiteres auch andere Leistungs-klassen realisiert werden, wobei die zu-sätzlichen Umrichtermodule parallel ge-schaltet werden. Die Umrichter dieser Generation setzen neue Maßstäbe im Hinblick auf ihre Leistung, ihren Platzbe-darf sowie ihre kurzen Errichtungs- und

3 Die Umrichterstation Wimmis für den neuen Lötschberg-Eisenbahntunnel

Der ALR errech-net ausgehend vom Leistungsbe-darf im Bahnnetz oder auf der Basis manueller Einstellungen kontinuierlich die optimale Nutzung der verfügbaren Versorgungsein-heiten.

Die 2 x 30-MW-Umrichterstation in Timelkam, Österreich

Fußnote3 In früheren Anlagen: PSR (Programmierbarer

Schneller Rechner), in aktuellen Anlagen: AC 800PEC

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47Statische Umrichter, dynamische Leistung

– zwei in Reihe geschaltete Stromrich-tertransformatoren auf der Bahn-stromseite

Neben den technischen Herausforderun-gen dieses Großprojekts sind vor allem eine gute Logistik und Planung erforder-lich, um eine rechtzeitige Lieferung der Ausrüstung zu gewährleisten. Die lange Vertragslaufzeit (die Fertigstellung der Anlage ist für 2011 geplant) und ein enger Zeitplan sind weitere besondere Merkmale dieses Projekts, das mit vier Umrichterblöcken zu je 103 MW neue Maßstäbe in der Leistungsfähigkeit stati-scher Frequenzumrichter setzt und zum Vorreiter für weitere Anwendungen wer-den könnte ➔ 5.

Blick in die ZukunftABB ist Marktführer für diese Art von Systemen und dank des modularen An-satzes in der Lage, flexibel auf verschie-dene Leistungsanforderungen zu reagie-ren. Da viele rotierende Umformer bald das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, ist in den kommenden Jahren eine er-höhte Nachfrage nach 15-MW-Umrich-tern zu erwarten. ABB hat sich vorge-nommen, auf den bisherigen Erfolgen aufzubauen und diese Technologie wei-ter voranzutreiben.

2007 von dem Energieversorger E.ON in Auftrag gegebene Anlage mit einer Nenn-leistung von 413 MW soll die vorhande-nen 16,7-Hz-Generatoren der Kraft-werksblöcke Datteln 1-3 ersetzen, die das Ende ihrer wirtschaftlichen und tech-nischen Lebensdauer erreicht haben. Die Umrichterstation wird mit einer Frequenz von 50 Hz vom nahegelegenen neuen Kraftwerk Datteln 4 versorgt und speist das 110-kV-Netz der Deutschen Bahn (DB) mit 16,7 Hz. Da Datteln einen der wichtigsten „Versorgungspunkte“ für das Netz der DB darstellt, ist eine besonders hohe Verfügbarkeit der Umrichterstation gefordert. ABB ist für das gesamte Engi-neering des Projekts, d. h. für das Design des Umrichtersystems, die Spezifikation aller Komponenten und die Entwicklung der Steuerungs- und Schutzsoftware verantwortlich. Da es sich um ein schlüs-selfertiges Projekt handelt, fallen auch die Installation und Inbetriebnahme in den Zuständigkeitsbereich von ABB.

Der Lieferumfang von ABB umfasst vier einzelne Umrichterstationen mit einer Nennleistung von je 103 MW, die wiede-rum aus vier 30-MW-Standardumrichtern bestehen. Dank der Überlastbarkeit der Umrichter stehen dem Kunden selbst dann noch 413 MW zur Verfügung, wenn eine der vier Umrichterstationen nicht in Betrieb ist. Jede Umrichtereinheit be-steht aus den folgenden Hauptkompo-nenten:– ein Stromrichtertransformator auf der

50-Hz-Seite– vier Umrichtercontainer mit Zwischen-

kreisfiltern– ein Steuerungscontainer– ein Kühlcontainer mit der Kühlanlage– vier Wasser/Luft-Wärmetauscher

Gerhard Linhofer

Philippe Maibach

Niklaus Umbricht

ABB Automation Products

Turgi, Schweiz

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Literaturhinweise[1] Gaupp, O., Linhofer, G., Lochner, G., Zanini, P.:

„Leistungsstarke statische Frequenzumrichter für den Bahnverkehr durch die Alpen“. ABB Technik 5/1995: 4–10

[2] Lönard, D., Northe, J., Wensky, D.: „Statische Bahnstromrichter – Systemübersicht ausge-führter Anlagen“. Elektrische Bahnen 6/1995: 179–190

[3] Mathis, P.: „Statischer Umrichter Giubiasco der Schweizerischen Bundesbahnen“. Elektrische Bahnen 6/1995: 194–200

[4] Steimer, P., Grüning, H., Werninger, J., Dähler, P., Linhofer, G., Boeck, R.: „Serienschaltung von GTO-Thyristoren für Frequenzumrichter hoher Leistung“. ABB Technik 5/1996: 14–20

[5] Steimer, P., Grüning, H.P., Werninger, J., Carroll, E., Klaka, S., Linder, S.: „IGCT – eine neue, zukunftsweisende Technik für kostengünstige Hochleistungs-Umrichter“. ABB Technik 5/1998: 34–42

[6] Meyer, M., Thoma, M.: „Netzkompatibilitäts-studie und -messungen für die Umrichter-anlage Wimmis“. Elektrische Bahnen 12/2006: 567–574

[7] Jampen, U., Thoma, M.: „Statische Frequenz-umrichteranlage Wimmis“. Elektrische Bahnen 12/2006: 576–583

4 30-MW-Umrichterstation

16,7-Hz-Transformator

50-Hz-Transformator

Steuer-/Kühlcontainer

30-MW-Umrichter-container

33-Hz-DrosselWärmetauscher

5 Eine der vier Umrichteranlagen (103 MW)

Kühlanlage380-kV-/50-Hz-Transformator

Wärmetauscher

33-Hz-Filterdrosseln

4 30-MW-Umrichtercontainer

2 55-kV-/16,7-Hz-Transformatoren

Steuereinheit

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48 ABB technik 2|10

Freiluft-Vakuumleistungsschalter der Baureihe FSK II sorgen für den richtigen Anschluss bei britischen Bahnprojekten

KAREN STRONG, BRYCE DENBOER – Freiluft-Leistungsschalter sind ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur zur Ver-sorgung von elektrischen Bahnlinien. Sie dienen zur Isolierung der Stromzufuhr zu den Fahrdrähten und zur Trennung von Streckenabschnitten zu Inspektions- und Wartungszwecken. Die Freiluft-Vakuumleistungsschalter der Baureihe FSK I von ABB sind weltweit bekannt für ihre

Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit und haben sich besonders in Bahnprojekten in Großbri-tannien bewährt. So dauerte es nicht lange, bis der neue FSK II mit seinem wartungsfreien Magnetantrieb und elektronischer Steuereinheit das Interesse der Auftrag-nehmer von Network Rail, dem Eigentümer und Betreiber des britischen Schienennetzes, auf sich zog.

Erfolgreicher Nachfolger

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49Erfolgreicher Nachfolger

Gegenstand der Projekte war der Aus-tausch von Leistungsschaltern in gerüst- und mastmontierten Freiluft-Schaltanla-gen, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatten. Das erste Projekt wurde im Nordwesten von Leeds durchgeführt, das zweite umfasste die erste von zwei Elektrifizierungsphasen der Eisenbahn-linie durch die Stadt Birmingham.

Carillion entschied sich für die Verwen-dung von Leistungsschaltern vom Typ FSK II, weil „sich der neue FSK II von ABB nach Betrachtung mehrer Optionen als die ideale Lösung für uns herausstell-te“, so Darryl Hackett, Projektleiter für den Bereich Power Systems bei Carillion. „Die Grundlage dafür war sein einfaches, elegantes und kompaktes Design, be-sonders im Hinblick auf Schutzabstände, d. h. er benötigte weniger Platz. Außer-dem war er einfach zu installieren und ist sehr wartungsarm“, so Hackett weiter.

Von der ersten Bestellung im Juli 2007 bis zur Werksabnahmeprüfung im Sep-tember 2007 schritt das Carillion-Projekt rasch voran. Die Auslieferung der ersten 50 Leistungsschalter erfolgte im Februar 2008, und bis heute wurden weit über 100 FSK II an Carillion geliefert.

Technische UnterstützungNicht nur die technischen Vorzüge des FSK II trugen entscheidend zum Erfolg der Carillion-Projekte bei, sondern auch das hohe Maß an technischer Unterstüt-zung durch ABB bei der korrekten Instal-lation der Leistungsschalter. Carillion war an eng defi nierte Zeiträume gebunden, in denen die Streckenabschnitte außer Be-

Besonderes Augenmerk bei der Entwick-lung des FSK II wurde auf die Verbindun-gen zwischen dem Leistungsschalter und den dazugehörigen Kabeln bzw. Sammelschienen gelegt. Das Ergebnis ist eine saubere und kompakte Lösung, die sich durch einen geringeren Platzbe-darf und eine geringere Umweltauswir-kung auszeichnet. Darüber hinaus kommt im FSK II umweltfreundliche Stickstoff- und Vakuum-Isoliertechnik zum Einsatz.

Eines der ersten Unternehmen in Groß-britannien, die sich für den FSK II ent-schieden, war Carillion plc, ein führendes Unternehmen im Bau- und Dienstleis-tungssektor, das als Auftragnehmer an zwei großen Einsenbahn-Infrastruktur-projekten für den Eigentümer und Betrei-ber des britischen Schienennetzes Net-work Rail beteiligt war.

D er Freiluft-Vakuumleistungs-schalter FSK II von ABB (siehe Bild auf Seite 48) wurde speziell für einphasige

(1 x 25 kV) und zweiphasige (2 x 25 kV) 50-Hz-Bahnstromversorgungen entwi-ckelt. Das Design des Leistungsschalters baut auf dem erfolgreichen Konzept des Vorgängermodells FSK I auf, das welt-weit verbreitet im Einsatz ist. Der FSK II zeichnet sich jedoch durch eine bedeu-tende Neuentwicklung aus, bei der die übliche mechanische Verbindung zwi-schen dem (am Boden befindlichen) Steuerkasten und der erhöht angebrach-ten Vakuumschaltkammer durch eine elektronische Steuereinheit ersetzt wird, die per Kabel mit dem Magnetantrieb am unteren Ende der Schaltkammer ver-bunden ist.

Der Hauptvorteil dieses Systems liegt in der Beseitigung mehrerer beweglicher Teile. Das Ergebnis ist ein praktisch war-tungsfreies, robustes und zuverlässiges System, was zur Senkung der Wartungs-zeiten und -kosten beiträgt. Dank seines flexiblen Designs lässt sich der FSK II leicht anpassen und in neue oder beste-hende Anlagen integrieren. Da keine me-chanischen Einstellungen vor Ort erfor-derlich sind, ist er zudem schnell und einfach zu installieren.

1 Das Elektrifizierungsprojekt in Birmingham beinhaltete den Austausch von alten Leistungsschaltern gegen neue von ABB.

1a ABB-Vakuumleistungsschalter vom Typ FSK II 1b Am Boden montierte elektronische Steuereinheit

Durch die Kabel-verbindung zum Magnetantrieb entfallen mehrere bewegliche Teile, und es entsteht ein praktisch war-tungsfreies, robus-tes und zuverlässi-ges System.

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50 ABB technik 2|10

lassungen in Großbritannien und der Schweiz. Dies, so Hacket, habe für einen reibungslosen Übergang von der Werks-abnahmeprüfung bis zur endgültigen Lieferung gesorgt.

„Besonders eindrucksvoll war die Flexibili-tät von ABB bei der Anpassung des FSK II an die individuellen Wünsche von Carillion und Network Rail, zum Beispiel im Hinblick auf die Positionierung und Kennzeichnung von Schaltern. Auch war es sehr erfri-schend, dass wir stets detailliert über sämtliche Fortschritte informiert wurden, zum Beispiel wann eine Lieferung das Werk verlassen hat, wann sie in Groß-britannien angekommen ist und wann sie voraussichtlich in unserem Lager eintrifft – ohne, dass wir jemals nachhaken mussten.“

Der FSK II ist entweder als „loses Gerät“ oder komplett mit Halterungen erhältlich. Unter Testbedingungen hat der FSK II über 5.000 Schaltvorgänge absolviert, was in den meisten Bahnanwendungen einer Lebensdauer von deutlich über 20 Jahren entspricht.

Karen Strong

ABB Limited – Medium Voltage Products

Stone, England

[email protected]

Bryce Denboer

ABB Limited – Rail Products

Daresbury, England

[email protected]

– Die Schalter mussten auf die vorhan-denen Stahlgerüste montiert werden.

– Network Rail bestand darauf, dass nur die Leistungsschalter ausge-tauscht wurden und möglichst viel von der ursprünglichen Verkabelung erhalten blieb.

Zur Erfüllung der Montageanforderungen entwickelte ABB in enger Zusammenar-beit mit dem erfahrenen Installationsteam von Carillion eine spezielle Adapterschnitt-

stelle mit densel-ben Anschlüssen und Schraubenab-ständen ➔ 1. So konnten die Einhei-ten praktisch eins zu eins, aber gegen neueste Technolo-gie ausgetauscht werden. Um mög-lichst viel der ur-sprünglichen Ver-kabelung zu erhal-ten, lieferte ABB eine Steuerkabel-

verlängerung für den FSK II und nutzte die bereits vorhandenen Kabel ➔ 2.

Abschließende BeurteilungDarryl Hackett würde keinen Augenblick zögern, den FSK II für ähnliche Projekte zu empfehlen ➔ 3. Darüber hinaus zeigte er sich beeindruckt von der professionel-len Vorgehensweise des Unternehmens und betonte das nahtlose Zusammenspiel zwischen Carillion und den ABB-Nieder-

trieb gesetzt werden konnten, um die Arbeiten zu ermöglichen. Dadurch, dass ABB die Leistungsschalter einbaufertig lieferte, konnte Carillion die erforderlichen Ausfallzeiten um ein Drittel verkürzen. So konnten zum Beispiel größere Einspeise-stationen mit sechs oder sieben auszu-tauschenden Leistungsschaltern in nur vier Wochen fertiggestellt werden – sehr zur Freude von Network Rail, da dadurch die potenzielle Störung des Verkehrsbe-triebs minimiert werden konnte.

Kundenspezifische LösungenDas Projekt in Leeds war relativ unkompli-ziert, da die neuen Leistungsschalter vom Typ FSK II ältere ABB-Leistungsschalter ähnlicher Bauart ersetzten. Das Projekt in Birmingham hingegen war aus mehreren Gründen deutlich anspruchsvoller:– Die zu ersetzenden Leistungsschalter

stammten von einem anderen Her-steller und hatten eine wesentlich andere Bauform.

2 Modifizierte Kabelverlängerung zwischen dem Steuerkasten und der Schaltkammer

Die besondere Ausführung der Verbindungen zwischen dem FSK II und den dazuge-hörigen Kabeln bzw. Sammel-schienen ermöglicht eine kompakte, platzsparende und umweltfreundliche Lösung.

3 „Certificate of Acceptance“ von Network Rail

Kürzlich erhielt ABB die formelle Abnahme-bescheinigung für den Einsatz des 27,5-kV-Freiluft-Vakuumleistungsschalters FSK II in Bahnstromsystemen. Dieser formelle Bescheinigung vorausgegangen war die erfolgreiche Installation einer großen Anzahl von Leistungsschaltern dieses Typs unter Erprobungsbedingungen im Rahmen mehrerer bedeutender Projekte in Großbritan-nien, darunter auch die Projekte von Carillion und die Modernisierung der West Coast Main Line (WCML).

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51Hi-Tech im Untergrund

RAFAEL BUENACASA, JOSÉ ANTONIO CANO, CARLOS GARCÍA

QUIRÓS, BERTA OBIS – Istanbul ist die einzige Stadt auf der Welt, die sich über zwei Kontinente erstreckt. Sie ist das wohl wichtigste fi nanzielle und kulturelle Zentrum der Türkei und eine der bedeutendsten Metropolen der Welt. Bei einer solch blühenden Stadt mit über 13 Millionen Einwohnern ist es überraschend, dass das Verkehrsnetz im Vergleich zu anderen Großstädten auf der Welt noch in den Kinder-schuhen steckt. Dabei scheut die Stadt keine Mühen, ein Bahnnetz zu entwickeln, das Istanbul verkehrstechnisch auf Augenhöhe mit anderen bedeutenden Städten bringt.

Vakuumvergossene Trocken-transformatoren von ABB im Einsatz bei der Istanbuler U-Bahn

Hi-Tech im Untergrund

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52 ABB technik 2|10

stromnetzen. Damit ist ABB mit Abstand der erfahrenste Anbieter von Transfor-matoren dieser Art.

Die vakuumvergossenen Trockentrans-formatoren werden in spezialisierten Werken, sogenannten „Focus Factories“ gefertigt. Eines dieser Werke befindet sich im spanischen Saragossa, wo kun-denspezifische Transformatoren herge-stellt werden.

Das Angebot an vakuumvergossenen Transformatoren für Eisenbahnprojekte ist groß. Es gibt jedoch zwei Hauptan-wendungen, in denen sie vorwiegend eingesetzt werden: zur Energieverteilung

und zur Bahnstromversorgung. Letztere erfordert eine andere, restriktivere Lösung in Form von sogenannten hi-T Plus Transformatoren ➔ 1.

Wenn Wärme kein Problem istDie hi-T Plus Transformatoren von ABB unterscheiden sich insofern von anderen vakuumvergossenen Transformatoren, als dass sie in der Lage sind, bei viel höheren

verteilung und 26 vakuumvergossene hi-T Plus Transformatoren der 36-kV-Klasse mit einer Nennleistung von 3.300 kVA für die Bahnstromversorgung.

Warum ABB-Transformatoren?Die vakuumvergossenen Trockentransfor-matoren von ABB sind feuchtigkeitsbe-ständig und somit für den Betrieb in feuchten und stark verschmutzten Umge-bungen geeignet. Sie können bei einer Luftfeuchtigkeit von über 95 % und bei Temperaturen bis –25 °C betrieben werden. Auch die anspruchsvollen Instal-lationsbedingungen – ein geringer Ge-räuschpegel, mögliche Vibrationen und ein begrenztes Platzangebot – sprachen für die Transforma-toren von ABB. Darüber hinaus sind die vakuumvergos-senen Trockentrans-formatoren so kon-zipiert, dass sie auch Erdbebenein-wirkungen stand-halten, was ange-sichts der geogra-fi schen Lage Istan-buls in der Nähe einer aktiven Zone in Nordanatolien, die bereits für mehrere Erdbeben in diesem Gebiet verantwortlich war, eine wichtige Rolle bei der Wahl der Transformatoren gespielt hat.

Weltweit sind zurzeit über 100.000 Ein-heiten in Betrieb, darunter über 1.600 Trockentransformatoren (mit Nennleis-tungen von bis zu 16.000 kVA) in Bahn-

W ie viele andere Städte dieser Größe hat auch Istanbul seit vielen Jahren mit ernsthaften Verkehrs-

problemen zu kämpfen. Um der Über-lastung der Straßen wenigstens zum Teil entgegenzuwirken, wurde 1992 mit dem Bau der ersten U-Bahn in Istanbul begonnen. Im September 2000 ging schließlich die erste Linie in Betrieb. Dies hat zwar dazu beigetragen, die Zahl der Autos auf den Straßen zu reduzieren, aber es bleibt noch viel tun.

Seit dem ersten Spatenstich im Jahr 1992 dauern die Arbeiten an der U-Bahn an. So wurde als dritte Metrolinie auf europäischer Seite die Strecke zwischen Kirazil und Olimpiyat, und als erste Linie auf asiatischer Seite die Strecke zwischen Kartal und Kadikoy gebaut. ABB war als Lieferant von vakuumver-gossenen Transformatoren an beiden Projekten beteiligt. Insgesamt lieferte das Unternehmen 133 Transformatoren dieser Art – 47 vakuumvergossene Trans-formatoren mit einer Nennleistung von 2.000 kVA bis 3.300 kVA für die Linie zwischen Kirazil und Olimpiyat und 86 Trockentransformatoren für die Linie zwi-schen Kartal und Kadikoy, davon 60 vakuumvergossene Transformatoren der 36-kV-Klasse mit einer Nennleistung von 250 kVA bis 5.000 kVA für die Energie-

1 Vakuumvergossener hi-T Plus Trockentransformator von ABB

Die vakuumvergossenen Trocken-transformatoren von ABB sind feuchtigkeitsbeständig und somit für den Betrieb in feuchten und stark verschmutzten Umgebun-gen geeignet.

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53Hi-Tech im Untergrund

keit aus. So ist der hi-T Plus Transforma-tor problemlos in der Lage, einer durch-schnittlichen Temperaturerhöhung von 125 K standzuhalten, ohne dass die Lebensdauer der Isolierung beeinträchtigt wird ➔ 2. Tatsächlich ist die Isolierung der Geräte der Klasse H langlebiger und so-mit ideal für Netze mit Oberschwingun-gen, Lastspitzen, plötzlichen Überlas-tungen und hohen unvorhergesehenen Um gebungstemperaturen geeignet. Aller-dings ist die Bemessungs-Temperaturer-höhung konstruktionsbedingt auf 100 K bei einer maximalen Umgebungstempe-ratur von 40 °C begrenzt. Darüber hinaus zeichnet sich der hi-T Plus Transformator durch seine hervorragende Überlastbar-keit aus, d. h. selbst eine dauerhafte Über-lastung bei voller Nennleistung führt nicht zur Verkürzung der Lebensdauer ➔ 3, ➔ 4. Die Transformatoren sind für den Betrieb unter Überlastbedingungen bei einer Tem-peratur ausgelegt, die die Isolierstoffklasse nicht übersteigt. So ist sichergestellt, dass während dieser Zyklen keine Degradation der Isolierung auftritt.

Diese technischen Vorteile verbunden mit der Tatsache, dass die Temperatur-erhöhung auf die Grenzen der Klasse B beschränkt ist, d. h. ein maximaler durch-schnittlicher Anstieg der Wicklungs-

Temperaturen zu arbeiten (daher die Be-zeichnung hi-T für „high temperature“). Ermöglicht wird dies durch den Einsatz einer besseren Wärmeisolierung, in die-sem Falle der Isolierstoffklasse H. Bei her-kömmlichen vakuumvergossenen Trans-

formatoren wird dagegen ein Isolierstoff der Klasse F eingesetzt. Isolierstoffe der Klasse H zeichnen sich durch verbesserte mechanische und dielektrische Eigen-schaften sowie eine hohe Hitzebeständig-

temperatur von 80 K erlaubt ist, ermög-lichen eine Reduzierung der Größe eines hi-T Plus Transformators bei gleicher Nennleistung wie ein Modell der Klasse F.

Die Bestimmung der Transformatornenn-leistung für Bahnanwendungen erfolgt anhand der in der Norm EN 50329 oder IEC 60146 defi nierten Zyklen. Darüber hinaus werden Oberschwingungen be-rücksichtigt, und wenn keine entspre-chenden Informationen zur Verfügung stehen, werden Standardwerte als Refe-renz herangezogen. So werden Unsicher-heiten ausgeschlossen, die in der Vergan-genheit durch Überdimensionierung des Transformators oder Begrenzung der Temperaturerhöhung gelöst wurden.

Rafael Buenacasa

Berta Obis

Carlos García Quirós

José Antonio Cano

ABB Power Products

Saragossa, Spanien

[email protected]

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Darstellung eines ortsfesten Bahnunterwerks (siehe Beschreibung S. 72)

Dank des Isolier-stoffs der Klasse H sind die ABB hi-T Plus Transforma-toren in der Lage, bei viel höheren Temperaturen zu arbeiten als andere vakuumvergos-sene Transforma-toren.

2 Lebenserwartung der Isolierung (Klasse F bei 100 K = 100 %)

1.200

1.000

800

600

400

200

0

Leb

ensd

auer

(%)

Klasse F bei 100 K

Klasse F bei 80 K

hi-T Plus

3 Überlastbarkeit des hi-T Plus Transformators

1,20

1,15

1,10

1,05

1,00

0,95

0,90

Transformator der Klasse F

hi-T Plus Transformator

Last

fakt

or

4 Dauerüberlastung ohne Beeinträchtigung der Lebensdauer

400

350

300

250

200

150

100

50

0

Zei

t (m

in)

Lastfaktor (p.u.)

1 1,05 1,1 1,15 1,2 1,25 1,3 1,35 1,4 1,45 1,5

Klasse F, Vorbelastung 0,7

Klasse F, Vorbelastung 0,9

hi-T Plus, Vorbelastung 0,7

hi-T Plus, Vorbelastung 0,9

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54 ABB technik 2|10

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55Nahverkehr im Wandel

CÉCILE FÉLON, HARRY ZÜGER – Ein Zug fährt aus einer ruhigen Vorstadt ins pulsie-rende Stadtzentrum, öffnet seine Türen und entlässt Hunderte von Passagieren auf den Bahnsteig. Kurz darauf schließen sich die Türen wieder, und der Zug be-schleunigt mithilfe des Stroms aus den Oberleitungen innerhalb weniger Sekunden wieder auf 60 km/h. Einige Kilometer weiter bremst der Zug erneut ab und nähert sich dem nächsten Bahnsteig, wo noch mehr Pendler aussteigen. Dieser Vorgang wiederholt sich Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr. In Großstädten auf der ganzen Welt sorgen Traktionstransformatoren von ABB dafür, dass Millionen von Pendlern auf leise und effi ziente Weise zur Arbeit gelangen.

Traktionstransformatoren von ABB sorgen für die Mobilität von Millionen von Pendlern

Nahverkehr im Wandel

A nders als Regionalbahnen, die zwischen Städten verkehren, verbinden Pendlerzüge Innen-städte mit den umliegenden

Vororten in einem Umkreis von ca. 60 km. Diese Stadtbahnen befördern große Mengen an Passagieren unter an-spruchsvollen Bedingungen.

Aufgrund der häufigen Stopps müssen Pendlerzüge schnell abbremsen und be-schleunigen, wodurch ihre Komponenten starken Belastungen ausgesetzt sind. Trotz dieser schwierigen Betriebsbedin-gungen wird von den Zügen unter allen Bedingungen höchste Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erwartet.

ABB bietet kompakte, leichte und zuver-lässige Traktionstransformatoren, die auf die spezifischen Anforderungen der Her-steller und Betreiber von Pendlerzügen

abgestimmt sind. Mit mehreren Tausend gefertigten Einheiten, die auf der ganzen Welt im Einsatz sind, gehört ABB zu den führenden Anbietern von Traktionstrans-formatoren weltweit und ist dank ihrer umfangreichen technischen Erfahrung in der Lage, Traktionstransformatoren be-reitzustellen, die den besonderen Anfor-derungen im Pendlerverkehr gewachsen sind.

Verbesserung der urbanen LebensqualitätIm Jahr 2008 lebte erstmals mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Stadtge-bieten. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der urbanen Bevölkerung auf 60 % an-wachsen, Tendenz steigend. Schätzun-gen zufolge wird es bis 2015 weltweit 560 Städte mit mehr als einer Million Ein-wohner geben ➔ 1.

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56 ABB technik 2|10

hochmodernen Traktionstransformatoren etabliert.

Durch das rapide Wachstum der Nahver-kehrsnetze in den letzten fünf Jahren konnte ABB ihren guten Ruf noch weiter festigen. So lieferte das Unternehmen Transformatoren für Dutzende von Stadt-bahnen in Europa und Indien und er-schloss sich neue Märkte in Nordamerika und Afrika.

New Jersey

In den USA betreibt NJ (New Jersey) Transit ein Nahverkehrs-Schienennetz, das die Vororte von New York City, Newark, Trenton und Philadelphia be-dient. Mit rund 252.000 Passagieren an jedem Wochentag ist NJ Transit das am viertstärksten genutzte Pendlernetz in Nordamerika. Anders als auf vielen euro-päischen Nahverkehrsstrecken werden hier anstelle von elektrischen Triebzügen elektrische Lokomotiven wie die ALP 46 (American Locomotive Passenger) von Bombardier eingesetzt. Diese Lokomoti-ven müssen in der Lage sein, unmittelbar aus dem Stillstand voll zu beschleunigen – eine Betriebsweise, die auf nordameri-kanischen Strecken häufig gefordert ist. Diese unmittelbare Beschleunigung ist mit großen thermischen Belastungen verbunden, da die Systeme einem rapi-den Temperaturanstieg ausgesetzt wer-den – eine Situation, die bei niedrigen Umgebungstemperaturen noch verstärkt wird. Um einen zuverlässigen Betrieb un-ter diesen schwierigen Bedingungen sicherzustellen, hat sich Bombardier ent-schlossen, die Lokomotiven mit Trans-formatoren von ABB auszustatten ➔ 2.

überzeugen. Um dies zu gewährleisten, arbeiten die Bahnbetreiber häufig eng mit den Fahrzeugherstellern zusammen.

ABB-Erfolgsbilanz im NahverkehrABB liefert Traktionstransformatoren an die Hersteller von Pendlerzügen auf der ganzen Welt. Durch die effektive Umset-zung innovativer Ideen und die Fähigkeit, weltweit zu agieren, hat sich das Unter-nehmen als ein führender Anbieter von

Esteröl besitzt her-vorragende Eigen-schaften bei hohen Temperaturen, wie sie beim starken Beschleunigen dieser Fahrzeuge häufig auftreten. Dank dieser inno-vativen Lösung bleibt die Effizienz des Transformators erhalten und der Kunde erhält ein biologisch abbau-bares Produkt.

Die Urbanisierung bringt große Belastun-gen für die vorhandene Verkehrsinfra-struktur mit sich, und in vielen Stadtge-bieten drohen Verkehrsstaus von unge-kannten Ausmaßen. Dies deutet sich in vielen Großstädten auf der ganzen Welt bereits an – angefangen bei deutschen Städten, wo Pendler durchschnittlich 65 Minuten bis zur Arbeit brauchen, bis nach China, wo die Fahrt zur Arbeit im Durchschnitt 83 Minuten dauert. Dies beeinträchtigt nicht nur die Lebensquali-tät der Menschen, sondern verursacht auch ein hohes Maß an lokaler Luftver-schmutzung. Zur Lösung dieses dringen-den Problems gehen immer mehr Städte dazu über, die Reichweite und Kapazität ihrer öffentlichen Verkehrsmittel auszu-bauen.

Als führender Anbieter von Antriebstech-nologien unterstützt ABB die Städte in ihrem Kampf gegen Staus und Luft-verschmutzung durch die Bereitstellung verschiedener Schlüsseltechnologien für mehrteilige elektrische Triebzüge (Elec-tric Multiple Units, EMUs), die in vielen modernen Nahverkehrsnetzen auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Diese Fahrzeuge sind wesentlich energieeffi-zienter als Dieselzüge und Busse und können mit relativ geringem Platzauf-wand große Mengen an Passagieren be-fördern. Schätzungen zufolge kann jeder Pendler durch den Umstieg vom Auto auf die Bahn den CO2-Ausstoß um 50 g/km senken [1].

Um Fahrgäste zu gewinnen, muss die Bahn jedoch mit günstigen Preisen, einem zuverlässigen Service und Komfort

1 Anteil der Stadt- und Landbevölkerung weltweit von 1950 bis 2030

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030

Bev

ölke

rung

(Mill

iard

en)

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0

Gesamtbevölkerung weltweit

Landbevölkerung weltweit

Stadtbevölkerung weltweit

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57Nahverkehr im Wandel

Regionalverkehr in Frankreich

Ein weiterer Baustein zur Erneuerung des französischen Regionalverkehrsnetzes ist die Anschaffung neuer Züge der Reihe Coradia Polyvalent von Alstom mit der Bezeichnung Régiolis. Ein Schwerpunkt bei der Entwicklung dieser modularen, vollständig niederflurigen Züge war eine größtmögliche Gewichtseinsparung. ABB erhielt den Auftrag zur Bereitstellung der Traktionstransformatoren. In enger Zu-sammenarbeit mit dem Kunden entstand ein Transformator mit Gleichstrom-Netz-filterdrosseln und einer Hilfsbetriebeum-richter-Drossel mit einem Gesamtgewicht von nur 2.650 kg ➔ 3.

Schweiz

Die Schweiz besitzt einige der am stärks-ten integrierten und effizientesten öffent-lichen Verkehrsysteme der Welt. Zwar werden dort jährlich nur ca. 360 Millio-nen Passagiere befördert, doch bezogen auf die Bevölkerungszahl ergibt dies einen Durchschnitt von 49 Zugreisen pro Einwohner im Jahr, was die Schweizer zu den fleißigsten Bahnnutzern Europas macht.

In den letzten sechs Jahren hat ABB eine Vielzahl von Traktionstransformatoren für den schweizerischen Eisenbahnmarkt geliefert. Im Jahr 2006 erhielt ABB von Stadler Rail den Auftrag zur Ausrüstung des ursprünglich für die Schweiz ent-wickelten FLIRT (Flinker Leichter Innova-tiver Regional-Triebzug) ➔ 4. Auf der Grundlage dieses erfolgreichen Projekts folgten in den kommenden Jahren wei-tere Aufträge zur Ausrüstung von Zügen der FLIRT-Plattform für viele andere Län-

Großraum Paris

Auch für die Triebzüge vom Typ SPACIUM setzt Bombardier auf Traktionstransfor-matoren von ABB. Diese Züge sollen von der staatlichen französischen Eisenbahn-gesellschaft SNCF im Rahmen einer um-fassenden Erneuerung des landesweiten Regionalbahnnetzes in und um Paris ein-gesetzt werden. Die neuen Triebzüge ba-sieren auf der AGC-Familie (Autorail á Grande Capacité) von Bombardier. ABB lieferte bereits Traktionstransformatoren für die AGC-Standardplattform und den universell einsetzbaren AGC XBiBi. Aus-gehend von den bereits gewonnenen Erfahrungen bestand die größte Heraus-forderung für die ABB-Ingenieure beim SPACIUM-Projekt in der Bereitstellung von Transformatoren mit minimalen Ge-räuschemissionen. Dazu wurden beson-ders leise, dachmontierte Traktionstrans-formatoren und geräuscharme Kühl-systeme installiert.

Die Pendler- und Regionalzüge in und um Paris befördern jährlich rund 1 Milliarde Fahrgäste, was etwa 80 % des landeswei-ten Verkehrsaufkommens auf der Schiene entspricht. An dieser Zahl lässt sich die Bedeutung städtischer Schienennetze und ihr Potenzial zur Realisierung eines ef-fi zienten und zuverlässigen öffentlichen Nahverkehrs erkennen. In Paris konnte durch die Entwicklung des regionalen Schnellzugnetzes PER (Réseau Express Régional) die vorhandene Bahninfrastruk-tur erfolgreich mit dem Pariser Metronetz verknüpft werden, sodass das Stadtzent-rum und die umliegenden Vorstädte durch ein effi zientes und voll integriertes Ver-kehrssystem miteinander verbunden sind.

2 ABB-Traktionstransformator für die Lokomotiven vom Typ ALP 46 von Bombardier

3 Die neueste Generation von Traktionstransformatoren für die Porteur-Polyvalent-Plattform von Alstom

Im Jahr 2008 lebte erstmals mehr als die Hälfte der Welt-bevölkerung in Stadtgebieten. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der urbanen Bevölke-rung auf 60 % an-wachsen, Tendenz steigend.

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Transformators erhalten und der Kunde erhält ein biologisch abbaubares Pro-dukt, das bei der Außerbetriebnahme des Transformators geringere Kosten verursacht und während seiner Betriebs-dauer eine geringere Gefahr für die Um-welt darstellt. Ein weiterer Vorteil ist der hohe Brennpunkt des Öls, durch den die britischen Sicherheitsbestimmungen für Eisenbahntunnel erfüllt werden können. Die neuen Züge werden von ScotRail im Großraum Glasgow eingesetzt.

Algerien

Im Jahr 2006 bestellte die staatliche algerische Eisenbahngesellschaft SNTF bei Stadler Rail 64 neue Züge vom Typ FLIRT (mit Traktionstransformatoren von ABB), die im Nahverkehr rund um die Hauptstadt Algier eingesetzt werden sol-len. Das Besondere an diesen Zügen ist, dass sie für eine Passagierdichte von bis zu 10 Personen pro Quadratmeter und den Betrieb bei Temperaturen von bis zu 55 °C ausgelegt sind.

Bei diesem Projekt werden die Vorteile der Standardisierung deutlich. Während die Kühlung des FLIRT-Transformators ursprünglich für 15 kV ausgelegt wurde, wird das gleiche System im algerischen FLIRT mit 25 kV betrieben. Damit steht eine größere Kühlreserve zur Verfügung, mit der der Zug entweder bei höheren Umgebungstemperaturen oder einer hö-heren Leistung betrieben werden kann.

Südafrika

Der südafrikanische Gautrain ist ein 80 km langes Nahverkehrsystem, das die Städte Johannesburg und Pretoria

von Transformatoren für 172 Triebzüge für das Nahverkehrsnetz der indischen Stadt Mumbai. Bedingt durch das tropi-sche Klima in Indien war das Projekt für die Ingenieure von ABB mit besonderen Herausforderungen verbunden, denn die Transformatoren mussten in der Lage sein, auch bei hohen Temperaturen eine hohe Energieeffizienz zu gewährleisten. Das Schienennetz in Mumbai ist eines der am intensivsten genutzten öffent-lichen Verkehrsnetze der Welt. Allein auf den Strecken der Mumbai Suburban Railway werden täglich mehr als 6,1 Mil-lionen Pendler befördert ➔ 5.

Schottland

Im Rahmen eines weiteren Projekts mit Siemens Mobi-lity erhielt ABB den Auftrag zur Bereit-stellung von um-weltfreundl ichen, h o c h e f f i z i e n t e n Einsystem-Trans-formatoren für eine neue Generation von Nahverkehrs-zügen des Typs Desiro für das schottische Eisen-bahnunternehmen

ScotRail ➔ 5. Statt des herkömmlichen Mineralöls verwendete ABB Esteröl als Kühlmittel für die Transformatoren. Es-teröl besitzt hervorragende Eigenschaf-ten bei hohen Temperaturen, wie sie beim starken Beschleunigen dieser Fahr-zeuge häufig auftreten. Dank dieser in-novativen Lösung bleibt die Effizienz des

der wie Deutschland, Ungarn, Algerien, Finnland und Norwegen. Bis heute hat ABB fast 800 Traktionstransformatoren an Stadler Rail geliefert, und im Jahr 2009 überstieg die Gesamtzahl der für die FLIRT-Plattform bestellten Einheiten die 1.000er-Marke.

Auf der Grundlage der langen und erfolg-reichen Partnerschaft der beiden Unter-nehmen entschloss sich Stadler Rail, auch die neue Generation von Doppel-stocktriebzügen (DOSTO) für das Züri-cher S-Bahn-Netz mit der Antriebstech-nik von ABB auszustatten. Mittlerweile liegen bereits weitere Bestellungen für

den DOSTO aus der Schweiz, Österreich und Deutschland vor, und die Zusam-menarbeit verspricht ähnlich erfolgreich zu werden wie zuvor beim FLIRT.

Indien

Im Jahr 2004 erhielt ABB von Siemens Mobility den Auftrag zur Bereitstellung

5 ABB-Traktionstransformator für den Desiro von Siemens

In den letzten sechs Jahren hat ABB eine Vielzahl von Traktionstransformatoren für Züge vom Typ FLIRT für die Schweiz, Deutschland, Ungarn, Algerien, Finnland, Norwegen und andere Länder geliefert.

4 ABB hat bereits über 1.000 Bestellungen für Traktionstransforma-toren für den FLIRT von Stadler Rail erhalten.

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59Nahverkehr im Wandel

Cécile Félon

Harry Züger

ABB Power Products

Genf, Schweiz

[email protected]

[email protected]

Literaturhinweis[1] Michaelis, L. (2009): „Living Witness Project.

Your contribution to climate change“. http://www.livingwitness.org.uk/home_files/Calculating%20GHG%20emissions.pdf (Abruf im April 2010)

Leistungssteigerung zur Verbesserung der Zugbeschleunigung.

Unangefochtene FührungspositionABB arbeitet eng mit führenden Herstel-lern der Eisenbahnindustrie zusammen und hat die Traktionstransformatoren für zahlreiche Nahverkehrszüge bereitge-stellt. Diese Transformatoren haben be-reits unzählige Betriebsstunden in aller Welt absolviert und Millionen von Men-schen auf dem Weg zur Arbeit oder in ihrer Freizeit begleitet.

mit dem Tambo International Airport ver-bindet. Die Provinz Gauteng hat 10 Milli-onen Einwohner (rund ein Fünftel der Ge-samtbevölkerung) und bildet das wirt-schaftliche Zentrum Südafrikas. Etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wird dort erwirtschaftet. Als Lieferant der An-triebstechnik für die 24 elektrischen Züge mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 160 km/h spielt ABB eine bedeutende Rolle im Gautrain-Projekt ➔ 6.

Der Gautrain ist eine Variante des preis-gekrönten Electrostar von Bombardier, der in Großbritannien weit verbreitet ist und ebenfalls von ABB-Traktionstrans-formatoren angetrieben wird.

Um die besonderen Anforderungen des Gautrain in puncto Beschleunigung, Geräuschemissionen und Beständigkeit gegen das afrikanische Klima zu erfüllen, wurden einige Veränderungen am stan-dardisierten Design der Electrostar-Transformatoren vorgenommen. Das Ergebnis ist eine erstklassige Antriebs-lösung mit einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis. Eine der wichtigs-ten Modifikationen war eine 40%ige

6 Fährt ebenfalls mit Traktionstransformato-ren von ABB: der Gautrain von Bombardier

Die SPACIUM-Triebzüge basieren auf dem AGC (Autorail á Grande Capacité). Sowohl die Traktionstrans-formatoren vom AGC als auch vom SPACIUM kommen von ABB.

Reduzierung des Gewichts von Traktionstransformatoren

Aufbauend auf ihrer jahrzehntelangen Erfahrung auf dem Gebiet der Traktionstransformatoren arbeitet ABB kontinuierlich daran, das Gewicht ihrer Transformatoren zu reduzieren und gleichzeitig eine bestmögliche Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.Hauptantriebsfeder für diese Bemühungen war und ist der Markt für Nahverkehrs- und Hochgeschwin-digkeitszüge, in dem sich jedes Kilogramm auf die Betriebskosten und die Geschwindigkeit auswirkt.

Bei der Konstruktion von ABB-Traktionstrans-formatoren spielt das Gewicht von Anfang an eine wichtige Rolle. Sobald das Zielgewicht festgelegt ist, wird der Transformator mithilfe der besten verfügbaren Technologien entwickelt, um dieses Ziel zu erreichen. Die Ingenieure von ABB arbeiten eng mit Forschungs- und Entwicklungspartnern der Industrie zusammen, um sicherzustellen, dass die besten Isolationskomponenten eingesetzt werden, um eine Reduzierung des Gewichts ohne

Beeinträchtigung der dielektrischen Eigenschaften zu ermöglichen.

Die Konstruktion eines Transformators muss in der Lage sein, die vom Kunden geforderten Lastzyklen mit dem geringstmöglichen Gewicht an Kupfer zu bewältigen, das zur Vermeidung einer Überhitzung erforderlich ist. Um Oberschwingungsverluste zu minimieren, werden verdrillte Leiter verwendet, und in manchen Fällen lässt sich durch die Integration der Umrichterdrosseln in das Transformatorge-häuse, wo diese von der hydraulischen Kühlung profi tieren, eine zusätzliche Gewichtsreduzierung erzielen. Spezielle Software hilft dabei, den Mindestabstand zwischen der Wicklung und dem Gehäuse des Transformators zu bestimmen, um eine kompakte Größe des Transformators sicherzustellen, ohne dass die vom Kunden geforderten Werte für den äußeren magnetischen Fluss überschritten werden.

Das Gewicht des Gehäuses, ganz gleich ob aus Stahl oder Aluminium, wird mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) optimiert, um eine maximale mechanische Robustheit bei minimalem Gewicht zu erzielen. Die meisten Transformatoren dieser Art verfügen über eine oder zwei in das Gehäuse integrierte Kühleinheiten. Dadurch wird das hydraulische System vereinfacht und jeder Transformator zu einer eigenständigen, selbst-kühlenden Einheit. Solche Kühlsysteme mit geräuscharmen Lüftern (< 93 dB) sind äußerst kompakt und effektiv.

Das Werk von ABB Sécheron in Genf ist das weltweite ABB-Kompetenzzentrum für Traktionstransformatoren

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HARALD HEPP – In modernen Schienenfahrzeugen wird jeder Bewegungszustand von Traktionsumrichtern auf der Basis von Halbleitertransistoren, sogenannten IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistor), angetrieben und gesteuert. ABB gehört zu den führenden Anbietern von Leistungshalbleitern und leistungselektronischen Syste-men, insbesondere von Motorantrieben für verschiedene Industriezweige und Leistungsbereiche. Aufbauend auf dieser Expertise hat ABB in den vergangenen zehn Jahren

eine Reihe äußerst erfolgreicher Traktionsumrichter auf den Markt gebracht, die sich durch ihre Energieeffizienz, Zuverlässigkeit, Kompaktheit und Wartungsfreundlichkeit auszeichnen. Auf dem globalen Markt ist ABB einer der wenigen unabhängigen Anbieter von Traktionsumrichtern und ganzen Traktionspaketen. ABB baut zwar selbst keine Schienenfahrzeuge, liefert aber wichtige Teilsysteme für den Antrieb und die elektrische Ausrüstung.

Die leistungsstarken Antriebsumrichter von ABB sind energieeffizient, zuverlässig und sehr kompakt – so eignen sie sich für alle Arten von Schienenfahrzeugen

Eine maßgeschneiderte Lösung

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61Eine maßgeschneiderte Lösung

tigsten Funktionen der Antriebssteuerung sind aber die Schutzalgorithmen, die dafür sorgen, dass die Regelung auch in allen denkbaren außerordentlichen Zuständen des gesamten Antriebssystems richtig, zu-verlässig und sicher reagiert.

Einer der Hauptvorteile von ABB-Trak-tionsumrichtern ist, dass sie auf der Steu-erungsplattform AC 800PEC [1] basieren, dem wohl leistungsstärksten modularen

Controller für sehr schnelle Regelungsan-wendungen auf dem Markt ➔ 2. Neben Schienenfahrzeugen kommt die Steue-rungsplattform auch in Windkraftanlagen, industriellen Hochleistungsantrieben, Anla-genautomatisierungssystemen, Hochleis-tungsgleichrichtern und vielen anderen Anwendungen zum Einsatz. Die Software

mit den Steuerbefehlen des Fahrers bzw. des Fahrzeugs kombiniert, die dem Um-richter „mitteilen“, wie der Zug anfahren, beschleunigen oder bremsen soll. Regel-algorithmen verarbeiten diese Signale in-nerhalb von Millisekunden unter Berück-sichtigung der Motorcharakteristik in ver-schiedenen Bereichen des Frequenz-/Lastdiagramms. In Wirklichkeit ist ein An-triebsteuerungssystem für Schienenfahr-zeuge jedoch noch viel komplexer. So muss das System zum Beispiel auch den Radschlupf be-rücksichtigen, der wiederum von den Witterungsbedin-gungen, der Stei-gung der Strecke und dem Verschleiß der Schienen und Räder abhängt. Eine weitere Anfor-derung ist die Koor-dination verschie-dener Antriebs-achsen an einem Fahrzeug. In diesem Zusammenhang zeigten Traktionsumrich-ter von ABB vor wenigen Monaten bei Praxistests mit einer neuen CoCo-Mehr-systemlokomotive des spanischen Sys-temintegrators Constructiones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) S.A. hervorragende Vergleichswerte ➔ 1. Vielleicht die wich-

V ergleicht man die elektrischen Traktionsmotoren in Straßen-bahnen, Triebzügen oder Loko-motiven mit den Muskeln im

menschlichen Körper, wären Traktionsum-richter sowohl das Herz als auch das Klein-hirn. Als „Herz“ sichern sie den lebens-wichtigen Blutstrom, und als „Kleinhirn“ sorgen sie mithilfe ausgeklügelter Regel-algorithmen für eine sanfte, präzise und koordinierte Bewegung. Technisch gese-hen liefert ein Traktionsumrichter die erfor-derlichen Spannungsmuster für die Trak-tionsmotoren zur Steuerung der Drehzahl und des Drehmoments sowie des Ener-giefl usses zu den Rädern – oder beim regenerativen Bremsen auch von den Rädern zurück in das System. Das Bild auf Seite 60 zeigt einen modernen energieeffi -zienten 1,5-MV-Umrichter von ABB (Typ BORDLINE™ CC1500_AC) für Doppel-stocktriebzüge von Stadler Rail. Der Trakti-onsumrichter bildet also die „intelligente Verbindung“ zwischen der Energieversor-gung über den Fahrdraht, Transformator oder Dieselgenerator auf der einen Seite und den Traktionsmotoren auf der anderen Seite.

Motorseitige AnforderungenAuf der Motorseite bekommt der Trak-tionsumrichter Eingangssignale vom Motor wie Phasenströme, Drehzahl und Motor-temperatur. Diese Informationen werden

1 ABB 2,3-MW-Kompaktumrichter vom Typ BORDLINE zum Antrieb von drei Achsen von CoCo-Zweisystemlokomotiven

Vergleicht man die Traktions-motoren in Straßenbahnen, Triebzügen oder Lokomotiven mit den Muskeln im menschli-chen Körper, wären Traktions-umrichter sowohl das Herz als auch das Kleinhirn.

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Parameter und Algorithmen in Echtzeit an-gepasst werden, um eine sanfte und kraft-volle Bewegung über alle Drehzahl- und Lastbereiche hinweg zu gewährleisten. Systemintegratoren und Eisenbahnbetrei-ber sind häufi g überrascht, wie schnell neue Fahrzeugkonstruktionen mit Umrich-tern und Antriebssteuerung von ABB ein-satzbereit sind, nachdem sie zum ersten Mal eingeschaltet und gestartet wurden.

Netzseitige AnforderungenDa ein Zug ein sich häufi g schnell bewe-gendes System darstellt, ist der Kontakt zur Fahrleitung nicht zu 100 % stabil. Da-her muss der Umrichter die Schwankun-gen in der Eingangsleistung ausgleichen. In schwachen Bahnstromnetzen wie sie zum Beispiel in einigen Teilen Indiens zu fi nden sind, ist die Anpassung an verän-derliche Spannungen noch schwieriger.

Aufgabe der Umrichtersteuerung ist es, nicht nur die Form der Ausgangsspannung für die Motoren zu optimieren, sondern auch dafür zu sorgen, dass vom Antriebs-strang keine Rückwirkungen, Oszillationen oder Oberschwingungen auf der Eingangs-seite verursacht werden. Bei dieselelektri-schen Fahrzeugen werden Verzerrungen der Generatorwellenform minimiert, um einen niedrigeren Verschleiß und eine höhere Energieeffi zienz zu gewährleisten. Bei elektrischen Zügen ist die Steuerung auf der Netzseite noch wichtiger, um Störungen von sicherheitsrelevanten Signal-anlagen zu verhindern. In bestimmten Netzen können sich gut funktionierende Traktionsumrichter wie oben beschrieben sogar stabilisierend auf die Spannung im Versorgungsnetz auswirken.

des AC 800PEC ist auf drei Funktions-ebenen unterschiedlicher Taktzeit imple-mentiert und bietet eine hervorragende Bandbreite an Steuer- und Kommunika-tionsfunktionalitäten mit Taktzeiten von un-ter einer Mikrosekunde bis in den Milli-sekundenbereich. Darüber hinaus bietet der Controller eine Vielzahl von Eingabe-/Ausgabemodulen sowie Engineering- und Servicetools ➔ 3.

Mehrere Teams von Hardware- und Soft-wareingenieuren, die ausschließlich an Traktionsumrichtern arbeiten, entwickeln bei ABB traktionsspezifi sche Hardwarekon-fi gurationen und Softwaremodule, die auf die Fahrzeuge und Projekte einzelner Kun-den zugeschnitten werden. Im Vergleich zu den meisten kommerziell erhältlichen An-triebssteuerungssystemen ist die Anwen-dungssoftware des AC 800PEC so konzi-piert, dass die Inbetriebnahme der Züge erheblich beschleunigt wird. So können

2 Ein Controller vom Typ AC 800PEC, wie er in ABB-Traktionsumrichtern zum Einsatz kommt 3 Schlanke Hardwarestruktur: BORDLINE CC1500_AC Steuersystem mit AC 800PEC-Controller

ABB-Traktions-umrichter basieren auf der Steuerungs-plattform AC 800PEC, dem wohl leistungs-stärksten modula-ren Controller für sehr schnelle Rege-lungsanwendungen auf dem Markt.

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63Eine maßgeschneiderte Lösung

4 FLIRT-Triebzug von Stadler für die Schweiz mit angepasster Steuersoftware von ABB bei einer Testfahrt in Norwegen

tors erheblich reduziert werden. Doch wie erreichen die Traktionsumrichter von ABB diese Kompaktheit und hohe Leistungs-dichte? Die Antwort liegt in der internen Flüssigkeitskühlung, dem intelligenten Design des Leistungsmoduls und der sorgfältigen Gestaltung des Aluminium- bzw. Stahlgehäuses. Da extrem hohe An-forderungen an die Robustheit von Trak-tionssystemen gestellt werden, sind um -fangreiche Erfahrungen in der Material-auswahl und -verarbeitung, der Schweiß- und Niettechnik, der FEM-Analyse, der Kühltechnik und auf weiteren Gebieten er-forderlich, um die Gewichtsreduzierungen zu erreichen, die ABB bei Traktionsprojek-ten bieten kann.

Die interne Flüssigkeitskühlung für Trak-tionsumrichter ist zum Beispiel eine Tech-nologie, die in den letzten zehn Jahren von ABB mit großer Sorgfalt entwickelt und optimiert wurde. Die Vorteile sind vielfältig. So ist die Temperaturverteilung in allen Teilen des Umrichters sehr gleichmäßig, was sich positiv auf die Lebensdauer der Leistungshalbleiter auswirkt. Tatsächlich können die Leistungsmodule so klein und leicht gebaut werden, dass sie von einer Person gehandhabt werden können. Dem Umrichter muss keine Kühlluft aus dem Maschinenraum zugeführt werden, und die Steuerungselektronik und Leistungsmodu-le können sauber gegen Staub, Schmutz und Feuchtigkeit geschützt werden.

NachrüstlösungenBei Modernisierungsprojekten sind die mit der Anpassung der Traktionsumrichter an die vorhandenen Fahrzeuge verbundenen Anforderungen viel höher als bei Neukons-truktionen, da sämtliche Schnittstellen, z. B. zum Fahrzeugleitsystem, zur Netz-

Ein Beispiel für solche Anforderungen sind die im norwegischen 15-kV-/16,7-Hz-Bahnstromnetz gültigen Regeln für Netz-rückwirkungen. So fordert die für die Infra-struktur der norwegischen Eisenbahnen zuständige Gesellschaft Jernbaneverket eine bestimmte Dämpfung von niederfre-quenten Oszillationen, die durch die Last der Züge auf den Fernverkehrsstrecken des Netzes und die Regelung kleiner Wasserkraftwerke entstehen, die diese Strecken versorgen. Aufgrund ihrer leis-tungsstarken Steuerungsprogrammierung waren die Traktionsumrichter von ABB in der Lage, diese Anforderungen durch ein-fache Anpassung der Software zu erfüllen, die bereits auf Umrichtern läuft, die für Züge in der Schweiz entwickelt wurden. Davon konnte sich die Norwegische Staatsbahn NSB bei Probeläufen mit einem Schweizer Triebzug des Typs FLIRT von Stadler Rail in Norwegen überzeugen. Mittlerweile liegen ABB Bestellungen für 300 Kompaktumrichter vom Typ BORD-LINE CC750 und 150 Traktionstransfor-matoren für die NSB vor.

Passend für alle FahrzeugartenBei den meisten Schienenfahrzeugprojek-ten sind die physischen Abmessungen der Traktionsumrichter, -transformatoren und -motoren durch das Design des Fahrzeugs beschränkt. Dank ihrer äußerst kompakten und leichten Bauweise bieten die Geräte von ABB größere Freiheiten bei der Fahr-zeugkonstruktion. Prinzipiell können Trak-tionsumrichter und -transformatoren im Maschinenraum (wie der Umrichter auf dem Titelbild), unter dem Wagenboden ➔ 5 oder auf dem Dach des Fahrzeugs mon-tiert werden ➔ 6. Außerdem kann durch das Design des Traktionsumrichters die Größe und das Gewicht des Transforma-

Im Vergleich zu den meisten kommerziell erhältlichen An-triebssteuerungs-systemen ermög-licht die Anwen-dungssoftware des AC 800PEC eine schnellere Inbetriebnahme der Züge.

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64 ABB technik 2|10

seite, zu den Motoren und zum Kühlsys-tem ebenso vorgegeben sind wie der ver-fügbare Platz und alle Befestigungen und Anschlüsse. Doch trotz ihrer Komplexität können solche Projekte sehr ökonomisch sein, wenn der Umrichteranbieter über eine leistungsstarke modulare Plattform verfügt und die entsprechende Unterstüt-zung beim Engineering- und Projektma-nagement bieten kann. Ein Beispiel hierfür ist die Nachrüstlösung mit ABB-Umrich-tern für deutsche Hochgeschwindigkeits-züge des Typs ICE1 (mehr über dieses Projekt lesen Sie auf Seite 70 dieses Hefts).

Grenzenlose MehrsystemzügeHeutzutage müssen Schienenfahrzeuge mehr denn je in der Lage sein, Grenzen zwischen unterschiedlichen Elektrifi zie-rungssystemen, z. B. zwischen Ländern mit unterschiedlichen Gleich- und Wech-selstromnetzen oder zwischen Nahver-kehrs- und Fernstrecken, zu überqueren. Die Bewältigung unterschiedlicher Versor-gungsspannungen stellt eine besondere technische Herausforderung für Zugan-triebssysteme dar. ABB hat mehrere intelli-gente und vielseitige Lösungen für solche Mehrsystemzüge entwickelt.

Ein Beispiel hierfür ist der Schienenverkehr zwischen Italien und der Schweiz. Treni Regionali Ticino Lombardia (TILO), eine Tochter der Schweizerischen Bundes-bahnen SBB betreibt regionale Zugverbin-

ABB bietet leis-tungselektronische Niederspannungs- und Mittelspan-nungsumrichter für Anwendungen aller Art.

dungen zwischen der Schweiz (15 kV/16,7 Hz Wechselstrom) und Italien (3 kV Gleichstrom). Zwischen 2005 und 2009 bestellte TILO insgesamt 31 Triebzüge vom Typ FLIRT (31 MW) von Stadler Rail mit Traktionspaketen von ABB (mit Kom-paktumrichtern und einem Transformator von ABB Sécheron), die ohne Unter-brechung in beiden Netzen fahren können. Die Abmessungen und die meisten Modu-le sind identisch mit der Version für den Wechselstrombetrieb, die von der SBB seit 2002 in über 80 Zügen in der Schweiz ein-gesetzt wird. So profi tieren die SBB und TILO von einem optimalen Service und Ersatzteilmanagement sowie reduzierten Gesamtkosten für ihre Zugfl otte. Darüber hinaus zeigt dies, wie zufrieden die SBB mit der ABB-Lösung ist. Das gleiche Mehr-system-Traktionspaket wurde auch 2007 von der Südtiroler Transportstrukturen AG für acht Züge bestellt, die zwischen Italien und Österreich (15 kV Wechselstrom) ein-gesetzt werden.

Aus historischen Gründen sind einige Strecken im Netz der Rhätischen Bahn (RhB) in der Schweiz unterschiedlich elek-trifi ziert. Während der größte Teil des Netzes mit 11 kV und 16,7 Hz betrieben wird, ist die als UNESCO-Welterbe gelis-tete Strecke über den Berninapass – mit einer Steigung von 7 % eine der steilsten Adhäsionsstrecken der Welt – mit 1 kV Gleichstrom elektrifi ziert.

5 ABB-Umrichter für die Unterflurmontage

5a Leistungsstarker mehrsystemfähiger ABB-Unterflurumrichter für Schmalspurfahrzeuge

5b Prinzipschaltbild des Umrichters

Leistungs-schalter

Transformator

BORDLINE® CC750 MS

4-Q-Netz-umrichter

Antriebs-stromrichter

Spannungs-begrenzer

Hilfs-betrieb 2(optional)

Batterie-ladegerät

Hilfs-betrieb 1

ASM

ASMSchütze

DC-Zwisch-enkreis

AC DC

Schiene

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65Eine maßgeschneiderte Lösung

6 Hochintegrierte BORDLINE-Kompaktumrichter zur Dachmontage auf Straßenbahnen und regionalen Schmalspurbahnen

6a BORDLINE-Kompaktumrichter für Stadtbahnen 6b Kompaktumrichter zur Montage auf dem Dach von Schmalspurtriebwagen

Die ABB BORDLINE-Kompaktumrichter zur Dachmontage sind ein hervorragendes Beispiel für komplette, hochintegrierte leistungselektroni-sche Teilsysteme. Darin enthalten sind zwei Motorwechselrichter, zwei Umrichterausgänge für Hilfsbetriebe, ein Batterieladegerät, ein Brems-Chopper sowie die gesamte Steuerelek-

tronik. Die Umrichter eignen sich für den Einsatz auf Straßenbahnen und regionalen Schmalspur-bahnen mit Netzspannungen zwischen 600 und 1.500 VDC. Zu ihren besonderen Merkmalen gehören anpassbare mechanische, elektrische und logische Schnittstellen zum Fahrzeug, ein sehr niedriges Gewicht und kompakte Abmes-

sungen. Umrichter dieser Art wurden bereits an öffentliche Nahverkehrsbetriebe in der Schweiz (Basel, Bern-Solothurn, Region Lausanne und Großraum Zürich), Deutschland (Bochum, Mainz, München, Nürnberg und Potsdam), Österreich (Graz), China (Changchun), Frank-reich (Lyon) und Norwegen (Bergen) geliefert.

Im Frühjahr 2010 nahmen die ersten leis-tungsstarken Zweisystem-Triebzüge von Stadler Rail mit dem Namen „Allegra“ nach sechsmonatigem erfolgreichem Probebe-trieb den kommerziellen Betrieb auf. Für diese Schmalspurzüge entwickelte ABB unterfl ur montierte Kompaktumrichter mit zwei 350-kW-Antriebsstromrichtern, gal-vanisch getrennten Hilfsbetriebeumrichtern und einem Batterieladegerät, die in einem kompakten Gehäuse untergebracht sind. Jeder Zug ist mit vier BORDLINE-Kom-paktumrichtern und zwei Unterfl ur-Trak-tionsumrichtern vom Typ LOT1250 von

ABB Sécheron ausgestattet. Die Lieferung von 60 Umrichtern und 30 Transformato-ren wird noch bis in die zweite Hälfte des Jahres 2010 andauern.

Eine einzigartige MarktpositionABB bietet leistungselektronische Nieder-spannungs- und Mittelspannungsumrich-ter für Anwendungen aller Art – von Schiffs-antrieben und Windkanälen bis hin zur Steuerung von großen und kleinen Elektro-motoren in fortschrittlichen industriellen Prozessen. Diese Umrichter helfen dabei, große Mengen an Energie einzusparen, den Automatisierungsgrad und die Pro-zessqualität zu erhöhen sowie den mecha-nischen Verschleiß zu reduzieren. Die darin verwendete Leistungselektronik wird unter anderem zur Einspeisung der Energie von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen in das Stromnetz oder zur Stabilisierung elek-trischer Netze eingesetzt. Als einer der führenden Anbieter von Leistungshalblei-tern trägt ABB zur ständigen Innovation in diesen Bereichen bei.

Immer mehr Schienenfahrzeughersteller und Eisenbahnbetreiber – auch solche mit eigener Umrichterfertigung – entscheiden sich für Antriebslösungen von ABB. Dank der Flexibilität von ABB können Kunden einzelne Komponenten nach ihren Spezifi -kationen oder komplette optimierte, ener-gieeffi ziente und kostengünstige Antriebs-lösungen bestellen. Während die Spezi-fi kation der Anwendung und die System-

integration dem Fahrzeughersteller über-lassen bleiben, kann ABB ihre größen-bedingten Vorteile zur Standardisierung und Optimierung auf der Teilsystem- und Modulebene nutzen.

Harald Hepp

ABB Automation Products, Traction Converters

ABB Switzerland Ltd.

Turgi, Schweiz

[email protected]

Literaturhinweise[1] Johansen, E.: „Mustergültig: Codesign-Muster

für die fortschrittliche Regelung mit AC 800PEC”. ABB Technik 2/2006: 62–65

Weiterführende LiteraturHepp, H., Cavalcante, F., Biller, P.: „Power für die Schiene: Elektrische Systeme von ABB machen Zugreisen komfortabler“. ABB Technik 2/2008: 25–29

BORDLINE CC750 – bis heute wurden über 2.500 Umrichter dieser Klasse für Triebzüge vom Typ FLIRT und GTW an Stadler Rail geliefert.

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66 ABB technik 2|10

PETER J ISBERG, MARK CURTIS – Züge werden häufi g nach den individu-ellen technischen Spezifi kationen der verschiedenen Bahnbetreiber gebaut. Jedes neue Design beinhaltet dabei eine Vielzahl von einzig-artigen, zugspezifi schen Komponenten, die von Originalausrüstungs-herstellern (OEMs) bereitgestellt werden. Dazu gehört traditionell auch der Traktionsmotor. Um die erforderliche Funktion und Qualität sicher-zustellen, sind diese Motoren hochentwickelt, was wiederum mit einer erhöhten Komplexität entlang der gesamten Wertschöpfungskette und langen Vorlaufzeiten bei der Fertigung verbunden ist. Als Antwort auf diese Problematik hat ABB eine neue Reihe von Asynchronmotoren für Traktionsanwendungen entwickelt, deren modulare Bauweise die fl exible Erfüllung von kundenspezifi schen Anforderungen ermöglicht.

Ein innovativer modu-larer Asynchronmotor von ABB setzt neue Maßstäbe in puncto Anpassungsfähigkeit

Standardisierung des Traktionsmotors

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T raktionsmotoren sind Elektromo-toren, die zum Antrieb der Räder von Schienenfahrzeugen genutzt werden. Traditionell wurden

Traktionsmotoren speziell für bestimmte Fahrzeuge gefertigt. Dies führte aufgrund der damit verbundenen Planung und Ent-wicklung, produktspezifi schen Beschaf-fung, Qualitätssicherung und Einrichtung neuer Fertigungsanlagen unweigerlich zu langen Vorlaufzeiten.

Die neuen modularen Asynchron-Trak-tionsmotoren von ABB sind das Ergebnis mehrjähriger Design- und Entwicklungs-arbeit. Das Projekt wurde 2007 nicht nur mit dem Ziel ins Leben gerufen, einen für Zughersteller universell einsetzbaren Trak-tionsmotor zu entwickeln, sondern auch um effektive Engineering-, Liefer- und Fer-tigungsprozesse zu ermöglichen und die führende Position von ABB als unabhängi-ger Lieferant von Traktionsmotoren zu fes-tigen. So wurde ein interdisziplinäres Team aus Ingenieuren, Lieferanten, Fertigungs-spezialisten und Forschern zusammenge-stellt, um einen neuen Traktionsmotor zu entwickeln, der nicht nur eine Vielzahl ver-schiedener Kunden zufriedenstellen, son-dern auch eine Rationalisierung der Ferti-gung und Beschaffung, eine Reduzierung der durch mangelnde Qualität verursach-ten Kosten (COPQ) und eine Senkung der Gesamtlebenszykluskosten des Produkts

Standardisierung des Traktionsmotors

rungsrings und eines Lüfters mithilfe von modularen Standardkomponenten in ein fremdbelüftetes Modell verwandeln. Durch die Verwendung einer Standardkonstruk-tion für Traktionsmotoren mit unterschied-lichen Kühlverfahren werden zudem die Wartung und Ersatzteilbeschaffung verein-facht.

Flexible BefestigungDie modularen Asynchronmotoren verfü-gen über Halterungen, die in verschiede-nen Positionen angebracht werden kön-nen. Dies bietet den Fahrzeugbauern die Möglichkeit, die Motoren auf unterschied-liche Weise (hängend oder nicht hängend) an den Drehgestellen1 zu installieren. So kann der Motor auf optimale und platz-sparende Weise positioniert und sowohl in neue als auch vorhandene Designs integ-riert werden. Die gesamte Konstruktion einschließlich der Halterungen und der dazugehörigen Befestigungen ist so aus-gelegt, dass die Anforderungen der IEC 61373 (Schwingungen und Stöße) erfüllt werden, ohne dass die mechanische Leis-tungsfähigkeit des Motors beeinträchtigt wird.

Langlebig und vielseitigDie modularen Traktionsmotoren zeichnen sich durch eine hohe Langlebigkeit und Vielseitigkeit aus. Viele Teile besitzen integ-rierte Funktionen, die dabei helfen, die An-

ermöglichen sollte. Eine wichtige Rolle spielte hierbei der Energieverbrauch. In der Designphase wurde besonderes Augen-merk auf die Energieeffi zienz, Zuverlässig-keit und Wartungsfreundlichkeit gelegt, um die Betriebskosten für den Kunden zu sen-ken. Während des Designprozesses durf-ten bis auf eine Ausnahme alle Aspekte des Traktionsmotors frei verändert werden: Um eine maximale Skalierbarkeit zu ge-währleisten, mussten die neuen Traktions-motoren mit den für ABB-Niederspan-nungsmotoren spezifi zierten Standard-Baugrößen nach IEC (Internationale Elek-trotechnische Kommission) übereinstim-men. Die Baugrößen der neuen Serie wurden so ausgelegt, dass sich die Leis-tungsdaten der Motoren (Leistung und Drehmoment) zum Teil überschneiden, um Kunden den optimalen Traktionsmotor für ihre jeweiligen Bedürfnisse im Hinblick auf Platzbedarf und Leistung bieten zu kön-nen ➔ 1.

Hohe AnpassungsfähigkeitUm einer Vielzahl von Leistungsanforde-rungen gerecht zu werden, besitzen die neuen Traktionsmotoren von ABB ein inno-vatives modulares Design, das eine fl exible kundenspezifi sche Anpassung ermöglicht. Ein wesentliches Merkmal dieses Designs ist, dass die Antriebsseite und Nicht-antriebsseite des Motors nicht vorgegeben sind. Außerdem kann die Länge des Motors an bestimmte Platz- und Be-triebsanforderungen angepasst werden. Die Position des Anschlusskastens sowie der Lufteinlass- und Luftauslasskanäle

kann zur Optimierung der Leistung und des Platzbedarfs ebenfalls angepasst wer-den. Die Kühlung kann je nach Wunsch des Kunden durch Eigenbelüftung oder Fremdbelüftung erfolgen. Dank des fl exib-len Designs lässt sich ein eigenbelüfteter Motor durch einfaches Verlängern der Welle und Hinzufügen eines Verlänge-

1 Der neue modulare Traktionsmotor von ABB

Die Kühlung und die mechanischen Schnitt-stellen sind vordefinierte Bausteine, die einen standardisierten Aufbau des Motors ermög-lichen. Mehrere mögliche Positionen für den Lufteinlass und die Kabelanschlüsse am Gehäuse sorgen für zusätzliche Flexibilität.

Fußnote1 Ein Drehgestell ist eine Art Rahmen, in dem die

Räder von Schienenfahrzeugen gelagert sind, und der drehbar unter dem Wagenboden be-festigt ist.

Das innovative modulare Design der neuen Traktions-motoren ermöglicht eine fl exible kunden-spezifi sche Anpas-sung.

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68 ABB technik 2|10

– niedriger Geräuschpegel und geringe Vibrationen

– hohe Effizienz– geringer Strom– effiziente Kühlung

Thermodynamisches DesignWeitere kritische Faktoren bei Traktions-anwendungen sind der Temperaturanstieg und das thermische Design des Motors. So ist eine genaue Einschätzung der Erwär-mung von kritischen Bauteilen des Motors von entscheidender Bedeutung für seine Zuverlässigkeit. Durch die Kombination von Analyse- und FEM-Software für das elektri-sche Design mit Software zur dreidimensio-nalen Modellierung von thermischen Netz-werken lässt sich die zu erwartende Motortemperatur im Betrieb mit großer Ge-nauigkeit simulieren. Die verwendete Soft-ware und der Prozess der Optimierung sind in ➔ 2 dargestellt. Als Eingaben dienen eine Simulation der Zugstrecke und das Schalt-verhalten des Umrichters. Das Ergebnis ist die zu erwartende Erwärmung von kriti-schen Motorkomponenten wie den Stator-wicklungen und den Lagern.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Re-duzierung von Oberschwingungsverlusten, Geräuschen und Drehmomentpulsationen sowie auf ein robustes Design und Ferti-gungsmethoden gelegt, die hohe Quali-

Konstruktion, die die Zuverlässigkeit des Produkts erhöht. Alternativ kann der Motor mit einem Rotorkäfi g aus Kupfer ausge-stattet werden, wenn eine etwas höhere Energieeffi zienz gefordert ist. Ein Umrich-ter versorgt den Traktionsmotor mit der erforderlichen Spannung und Frequenz.Beim elektrischen Design von Traktions-motoren kommt es auf eine optimale Abstimmung von Motor und Umrichter an. Die Traktionsmotoren und -umrichter erfül-len sehr hohe Spezifi kationen mit genauen Anforderungen. Bei Traktionsanwendun-gen ist die Schaltfrequenz des Umrichters normalerweise niedrig, wodurch die Auswirkungen von Oberschwingungen im Motor stärker ausfallen. Mithilfe moderns-ter, von der Universität Helsinki entwickel-ter und eigens für elektrische Maschinen optimierter FEM-Software (Finite-Elemen-te-Methode) konnte unter Berücksichtung der Kenndaten des Umrichters sowie be-stimmter Optimierungskriterien das elektri-sche Design für den Umrichter optimiert werden. Zu den Optimierungskriterien ge-hörten:– Minimierung der Drehmomentwellig-

keit2

zahl von Komponenten zu reduzieren und eine hohe Kompaktheit und Robustheit zu gewährleisten. Die Motoren sind für den Betrieb unter extremen Temperaturen und in verschmutzten Umgebungen ausgelegt.

Kunden wünschen sich Traktionsmotoren mit möglichst geringem Gewicht und kom-pakten Ausmaßen, die über eine Lebens-dauer von 20 bis 30 Jahren eine hohe Leistung und ein hohes Drehmoment lie-fern. Allerdings lässt sich eine hohe Leis-tungsdichte und Zuverlässigkeit nicht allein durch Optimierung der Kühlung und des elektrischen Designs erreichen. Vielmehr müssen alle Aspekte des Motordesigns optimiert werden.

Energieeffizienz und ZuverlässigkeitDer Traktionsmotor basiert auf einem neuen elektrischen Design, das auf eine hohe Energieeffi zienz und ein günstiges Leistungsgewicht ausgelegt ist. Ein wichti-ges Designmerkmal ist der Rotorkäfi g aus Aluminium, der im Druckgussverfahren ohne Lötschnittstellen direkt in die Rotor-bleche eingegossen wird. Hierbei handelt es sich um eine robuste und bewährte

Der Traktionsmotor basiert auf einem neuen elektrischen Design, das auf eine hohe Energieeffi zi-enz und ein günsti-ges Leistungsge-wicht ausgelegt ist.

Fußnoten2 Die Differenz aus dem minimalen Drehmoment

während einer Umdrehung des Motors und dem maximalen Drehmoment während derselben Umdrehung.

3 Ein coronabeständiger Isolierstoff besitzt eine höhere Beständigkeit gegen Degeneration bei der Ionisierung eines elektrostatischen Hoch-spannungsfelds.

4 Die Temperaturklassifizierung (auch Tempera-turklasse genannt) bezeichnet die maximale Dauertemperatur in Grad Celsius, der eine Isolierung standhalten kann.

2 Schematische Darstellung der Werkzeuge und Prozesse zur Optimierung von Traktionsmotoren

Analysesoftware für das

elektrische Design

FEM-Software für das

elektrische Design

Starke Interaktion

Schwache Interaktion

Betriebszyklus des Zuges

Traktionsumrichter-Kenndaten

Zugkraft in Anhängigkeit von der Zeit entlang des Streckenprofils

Motorspannung zwischen den Phasen in Abhängigkeit von der Zeit Temperaturanstieg (K)

1. Berechnung der der Motorgrundverluste entlang der Zugstrecke mithilfe ABB-eigener analytischer Designsoftware für Elektromotoren

4. Berechnung des Temperaturanstiegs und Eingabe der resul-tierenden Temperatur in die Designsoftware zur Erstellung genauer thermischer Prognosen für einen zuverlässigen Motorbetrieb

3. Aktualisierung einer thermischen Designsoftware mit den Grundverlusten aus der Analysesoftware und den zeitharmonischen Verlusten aus der FEM-Software

2. Berechnung der zeit-harmonischen Verluste mithilfe speziell zugeschnit-tener FEM-basierter Designsoftware unter Berücksichtigung des Schaltverhaltens des Umrichters

Zug

gesc

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Zuggeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Zeit entlang des Streckenprofils

Zug

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(K)

Zeit

Zeit ZeitUab

Zeit

Motor-temperaturen

Sinusverluste

Motor-temperaturen

Thermische Designsoftware mit 3D-Lumped-

Parameter-Modellen

Zeitharmonische Verluste

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69Standardisierung des Traktionsmotors

verfahren. Ziel von ABB ist, diese Vorteile bei zukünftigen Synchronmotoren zu stär-ken und gleichzeitig die Nachteile zu mini-mieren.

ABB fertigt seit über 130 Jahren Industrie-motoren und seit 100 Jahren Traktionsmo-toren. In den letzten Jahrzehnten hat ABB über 30.000 Traktionssysteme geliefert. Diese reichen von schweren Lokomotiven für Schnellzüge bis hin zu leichten Stra-ßenbahnen. Mit den neuen modularen Asynchron-Traktionsmotoren unterstreicht ABB ihren Ruf als weltweit führendes Un-ternehmen in der Energie- und Automati-sierungstechnik und bietet Bahnbetreibern einen äußerst vielseitigen Traktionsmotor, der sich für eine Vielzahl verschiedener Lokomotiven eignet und ihnen dabei hilft, ihre Leistungsfähigkeit und Umweltverträg-lichkeit zu verbessern.

Mit ihrer großen Vielfalt an Spezifi kationen und ihrem modularen Design sind die ABB-Traktionsmotoren bestens positioniert, um den steigenden Bedarf an energieeffi zien-ten Traktionsmotoren im Eisenbahnsektor zu erfüllen.

Peter J Isberg

ABB Machines, Discrete Automation

and Motion, ABB AB

Västerås, Schweden

[email protected]

Mark Curtis

ABB Review

Zürich, Schweiz

[email protected]

Unser besonderer Dank gilt Nassar Abu-Sitta (thermisches Design), Vikto Nyden und Torbjörn Trosten (elektrisches Design) von ABB Machines, Discrete Automation & Motion

So lässt sich das Design eines Lüfters im Hinblick auf den Energieverbrauch, Verlus-te, Geräuschemissionen, die Schaufel-anzahl, die Lebensdauer der Komponen-ten und eine fl exible Integration in das Traktionsmotorsystem optimieren.

Optimiertes DesignDas bauliche Design des Produkts bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Ver-besserung und Überwachung der Leis-tungsfähigkeit des Motors. ABB bietet ver-schiedene Lagerlösungen von traditionellen C4-Stahllagern bis hin zu aufwändigeren Hybridlagern mit Kugeln und Rollkörpern aus Keramik und HUB-Lösungen (lebens-dauergeschmierte Hybridlager). Neue Ver-fahren zur Luftfi lterung sind in der Entwick-lung, und Wärmesensoren können an verschiedenen Stellen (z. B. in den Wick-lungen, dem Statorkern oder den Lagern) platziert werden, zum Beispiel um eine frühe Erkennung von Lagerschäden zu ermöglichen. Integrierte Sensoren helfen dabei, den Motor kompakt zu halten, und ermöglichen den Austausch von Senso-ren, ohne dass der Motor vom Drehgestell abgenommen werden muss. Das modula-re Design erleichtert zudem die Instandhal-tung für alle Beteiligten. Durch die Berück-sichtigung der Wartungsanforderungen eines am Drehgestell montierten Motors in der Designphase und die Standardisierung von Ersatzteilen kann der neue Traktions-motor zum Teil im Drehgestell gewartet werden, was wiederum dabei hilft, die be-

trieblichen Ausfall-zeiten und Kosten über den Lebens-zyklus des Produk-tes hinweg zu redu-zieren.

Zurzeit ist ABB da-bei, ihr Angebot an Traktionsmotoren

an die Anforderungen verschiedener Ver-kehrsmittel von Stadtbahnfahrzeugen bis hin zu Lokomotiven anzupassen. Schwer-punkte sind hierbei die weitere Standardi-sierung der Konstruktion, die Steigerung der Energieeffi zienz und die Reduzierung der Wartungsanforderungen. Topologien für Synchronmotoren befi nden sich eben-falls in der Entwicklung, doch trotz der of-fensichtlichen Vorteile einer solchen Topo-logie (d. h. Energieeffi zienz und Dreh-momentdichte) gibt es auch mehrere Nachteile wie eine größere Empfi ndlichkeit gegen Stöße und Überhitzung sowie kom-plexe Fertigungs- und Instandhaltungs-

tätsstandards gewährleisten. Die Isolierung enthält coronabeständige Materialien3 und zeichnet sich durch eine geringe Wasser-aufnahme aus. Sie baut auf dem Wissen und der Erfahrung von ABB als Lieferant von Traktionsmotoren seit 1909 auf und entspricht der Temperaturklasse 2004.

CFD-SimulationenEine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Traktionsmotors spielte die Optimie-rung des thermischen Designs. Da die Mo-torleistung thermisch begrenzt ist, ist eine wirksame Kühlung des Motors erforderlich. Kühlkanäle (Stator und Rotor) und der Lüfter wurden im Hinblick auf ihre Kühlleis-tung und den Geräuschpegel optimiert. Mithilfe numerischer Strömungssimulatio-nen (Computational Fluid Dynamics, CFD) und elektromagnetischer Berechnungen

konnten mögliche heiße Stellen bei einer Überlastung des Motors vorhergesagt werden. Dies half dabei, Bereiche zu ermit-teln, in denen Veränderungen zur Verbes-serung der Kühlung und Reduzierung der Verluste vorgenommen werden mussten.

Darüber hinaus liefert die CFD-Simulation eines Lüfters ein umfassendes Bild seiner Betriebsweise. So können Bereiche mit Zirkulationsproblemen identifi ziert und der Durchsatz bestimmt werden. Vor allem aber können CFD-Simulationen dabei hel-fen, die Ursachen von Problemen zu ermit-teln und Designverbesserungen zu lenken.

ABB ist bestens positioniert, um den steigenden Bedarf an ener-gieeffi zienten Traktionsmotoren im Eisenbahnsektor zu erfüllen.

3 CFD-Analyse eines Lüfterquerschnitts

Verteilung der Strömungsgeschwindigkeit (m/s)

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70 ABB technik 2|10

VINCENT MOINE, HARALD HEPP, SANDRO MACIOCIA – Auch wenn sich die Mehrzahl der Artikel in der ABB Technik mit neuesten Technologien und Produkten befasst, ist sich ABB durchaus bewusst, dass es viele Kunden im täglichen Betrieb nicht nur mit neuesten Produkten zu tun haben. So kann der Anlagenbestand eines typischen Kunden zum Beispiel über einen Zeitraum von 40 Jahren oder mehr aufgebaut und entwickelt worden sein und somit die verschiedenen technologi-schen Paradigmen dieser Zeit widerspiegeln. Aus diesem Grund hat ABB ein Portfolio von Dienstleistungen entwickelt, das Kunden dabei hilft, die damit verbun-denen Herausforderungen zu bewältigen. Dank ihrer umfangreichen Wissensbasis ist ABB in der Lage, Serviceleistungen für Rollmaterial ganz gleich welchen Typs und Alters anzubieten und dieses Angebot auch auf Systeme anderer Hersteller auszudehnen. Die durchgeführten Arbeiten reichen von routinemäßigen Diagnosen und Instandhaltungsarbeiten bis hin zu Nachrüstungen, Überarbeitungen und umfangreichen Überholungen.

ABB bietet eine umfangreiche Palette von Serviceleistungen für den Bahnsektor

Umfassender Service

F rüher war es üblich, dass Eisen-bahngesellschaften ihre Instand-haltungs- und Engineeringarbei-ten in eigenen, speziell für diesen

Zweck unterhaltenen Werkstätten durch-führten. In den letzten Jahren sind immer mehr Gesellschaften dazu übergegan-gen, solche Arbeiten an externe Auftrag-nehmer zu vergeben. Ein Grund hierfür ist die Entstehung vieler neuer Gesell-schaften im Zuge der Liberalisierung. Um sich vorwiegend auf das operative Ge-schäft konzentrieren zu können, ent-scheiden sich viele dieser Unternehmen, die Instandhaltung an Spezialisten aus-zulagern. Doch nicht nur neue Betreiber-gesellschaften können von solchen Ver-einbarungen profitieren. Bedingt durch die Tatsache, dass ein Großteil der al-

ternden Belegschaft in den Ruhestand geht, verlieren mittlerweile auch traditio-nelle Eisenbahngesellschaften Fachwis-sen. Hinzu kommt die Einführung moder-ner Technologien, deren Instandhaltung andere Qualifikationen erfordert.Für ABB als Hersteller bietet die Bereitstel-lung von Serviceleistungen für Bahnbetrei-ber den zusätzlichen Vorteil, dass die ge-wonnenen Erkenntnisse über die Instand-haltungsanforderungen und das Verhalten der Systeme über ihre Lebensdauer hin-weg in das Unternehmen zurückfl ießen und für zukünftige Entwicklungen genutzt werden können. Und dies kommt wieder-um dem Kunden zugute.Ein Blick auf das in den letzten Jahrzehnten gebaute Rollmaterial spiegelt die Entwick-lung der Branche über diesen Zeitraum

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71Umfassender Service

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wider. Noch bis vor etwa 20 Jahren waren die meisten Hersteller lokale Unternehmen, die für einen halb geschlossenen natio-nalen Markt produzierten. Die Lieferanten standen hierbei in fast symbiotischer Be-ziehung zu ihren Kunden. Seit der Öffnung dieser Märkte konzentriert sich die Ferti-gung zunehmend auf größere internatio-nale oder sogar globale Unternehmen, was eine verstärkte Standardisierung von Platt-formen und Komponenten ermöglicht. Auf-grund der Langlebigkeit der Produkte werden aber auch Züge, die vor dieser Entwicklung gefertigt wurden, noch viele weitere Jahre in Betrieb bleiben. Daher müssen die heutigen Service- und Instand-haltungsanbieter in der Lage sein, eine breite Palette von Designs und Technolo-gien zu verstehen.

➔ 1 zeigt eine Übersicht über die von ABB gefertigten Eisenbahnkomponenten, für die das Unternehmen auch Serviceleistungen anbietet. Diese reichen von der Ersatzteil-lieferung und Instandhaltungsplanung bis hin zu umfangreichen Nachrüstungen und Modernisierungen zur Sicherung eines effi -zienten und wirtschaftlichen Betriebs. Da-bei stellt die Nachrüstung manchmal eine interessante Alternative zum Austausch dar. Das Serviceangebot von ABB trägt zur Reduzierung der Lebenszykluskosten, Ver-längerung der Lebensdauer und Verbesse-rung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit bei und hilft somit, die Investitionen der Kunden zu schützen.

ServiceplanungDie Erfassung und Analyse von Zustands- und Diagnosedaten über den Lebenszyklus von Betriebsmitteln hinweg ermöglichen

Aufgrund des wachsenden Ver-kehrsaufkommens und der zuneh-mend schärferen Wettbewerbs-bedingungen stellt eine Überholung für viele Bahn-gesellschaften häufig eine wirt-schaftlich interes-sante Alternative zum Austausch dar.

eine Umstellung von einer zeitabhängigen auf eine zustandsabhängige Instandhal-tung. So können die Verfügbarkeit und Zu-verlässigkeit von Betriebsmitteln maximiert und gleichzeitig die Kosten für Eingriffe und die damit verbundenen Ausfallzeiten redu-ziert werden.Neben kleineren Reparaturen werden an Rollmaterial im Laufe der Nutzungsdauer häufi g auch größere Engineeringarbeiten – typischerweise in Form einer Überholung nach der Hälfte der Lebensdauer (Midlife Overhaul) – vorgenommen. Die Lebens-dauermitte teilt die Nutzungsdauer von etwa 30 bis 40 Jahren in zwei Abschnitte zu je 15 bis 20 Jahren. Dabei stellt der zweite Zeitraum ein optimales Intervall für umfangreichere Überholungen von Kom-ponenten wie Transformatoren und Moto-ren dar. Außerdem bietet ein solcher Eingriff die Gelegenheit für konstruktive Änderun-gen (Designmodifi kationen), entweder zur Anpassung an veränderte Anforderungen und Betriebsbedingungen oder zur Integra-tion technologischer Weiterentwicklungen. So können zum Beispiel ältere GTO- oder thyristorbasierte Umrichter durch moderne IGBT-basierte Umrichter ersetzt werden, um einen wirtschaftlicheren und effi ziente-ren Betrieb zu ermöglichen.

TransformatorenAls Unternehmen, das von Beginn an bei der Drehstromelektrifi zierung im Bahnsek-tor mitgewirkt hat, blickt ABB auf eine lange Tradition im Bereich der Bahntrans-formatoren zurück. Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass 30 bis 40 Jahre alte Einheiten noch heute täglich in Betrieb sind. Mit der gesammelten Erfahrung und Dokumentation von Vorgängerunterneh-

Stadtbahnen

Klein-/Privatbahnen

Kunden mit ausgelagertem Service

Nationale Bahnen, internationale Bahnen

1 ABB bietet eine Vielzahl von Komponenten und Dienstleistungen für Bahnsysteme

ABB liefert

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Kunden, Segmente

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Beratung

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LeistungstransformatorenHaupt- und Hilfs-betriebeumrichter

Traktionsmotoren

Niederspannungs- technik

Fahrwegsicherungs-systeme

Traktionstrans-formatoren

Halbleiter

Unterwerkeund SCADA

Spannungs-qualität

Hoch-spannungs-produkte

Unterwerk

Kommunikation

Signalisierung

Bordausrüstungen

SCADA

Innenraum-Mittelspannungsschaltanlagen

Verteil- & Spezialtransformatoren

Schutz & Steuerung

Leistungsschalter

NiederspannungskomponentenHilfsbetriebeumrichter

TraktionstransformatorenSicherungenMotoren und Generatoren

Freiluft-Mittelspan-nungsprodukte

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73Umfassender Service

weise 70.000 Traktionstransformatoren von ABB sind heute im Einsatz. Doch der Wir-kungsbereich des Unternehmens geht weit darüber hinaus, wie jüngste Projekte mit Transformatoren anderer Anbieter zeigen.Die globale Präsenz von ABB umfasst 30 Kompetenzzentren für Transformatoren mit rund 1.000 Experten weltweit ➔ 2. Alle diese Zentren sind in der Lage, Serviceleis-tungen für Transformatoren anzubieten und Reparaturen zu unterstützen bzw. durch-zuführen. Ein typischer Lebenszyklus eines Traktionstransformators ist in ➔ 3 darge-stellt. Die Abbildung zeigt, welche Services die ABB TransForLife™-Lösungen für die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus bieten.

men wie ASEA, BBC, SAAS, MFO und TIBB ist ABB bestens gerüstet, um um-fangreiche Serviceleistungen für Bahn-transformatoren anzubieten. Dabei ist das Know-how von ABB auf dem Gebiet der Transformatoren nicht auf Bahnanwendun-gen beschränkt. Dank ihrer umfassenden Kenntnisse ist ABB in der Lage, ihr bewähr-tes TransForLife™-Servicepaket auch für Traktionstransformatoren an Bord von Zügen anzubieten. Dies umfasst sowohl Instandsetzungen/Revisionen vor Ort und im Werk als auch Instandhaltungsverträge und die Bereitstellung von Ersatzteilen. Gleichsam profi tieren Traktionstransforma-toren von den Simulations- und Diagnose-paketen des Unternehmens 1. Schätzungs-

4 Transformatoreninstandsetzung an SNCF-Lokomotiven der Baureihe BB 36000

Von 2008 bis 2009 führte ABB Werksinstand-setzungen an den Transformatoren von drei Lokomotiven der Baureihe BB 36000 der französischen Bahngesellschaft SNCF durch. Die Arbeiten umfassten folgende Punkte:

– Inspektion, Reinigung, Diagnosemessun-gen und Begutachtung

– Austausch der Aktivteile und Drosseln (Wicklungen und Kern)

– Austausch aller Dichtungen und beschädigten Zubehörteile wie Nieder-spannungs- und Hochspannungsdurch-führungen, Ölstandsanzeiger, Ventile

– Revision der Pumpe und des Kühlsystems– Elektrische Routineprüfungen nach

IEC-Norm– Ölanalyse nach der Instandsetzung

Die Transformatoren stammten nicht von ABB, sondern von einem französischen Mitbewerber. Mit der Durchführung dieser Arbeiten hat ABB einmal mehr ihre Fähigkeiten im Umgang mit Fremdprodukten unter Beweis gestellt.

Foto (oben): SNCF

Fußnote1 Mehr über Traktionstransformatoren lesen Sie

im Artikel „Nahverkehr im Wandel“ auf Seite 55 dieses Hefts.

,

2 Die globale Präsenz von ABB umfasst 30 Kompetenzzentren für Transformatoren mit rund 1.000 Experten

Drammen, Norwegen Vaasa, Finnland

Ludvika, Schweden

Halle, Deutschland

Istanbul, Türkei

Stone, Großbritannien

Riad, Saudi Arabien

Zhongshan, China

Bangkok, Thailand

Moorebank, Australien

Guarulhos, Brasilien

Lima, Peru

Edmonton, Kanada

Brampton, Kanada

Mexiko-Stadt, Mexiko

St. Louis, USA

Vadodara, Indien

Datong, ChinaGenf, Schweiz

Varennes, Kanada

South Boston, USABilbao & Cordoba, Spanien

Mailand & Monselice, Italien

Fertigung

Service

3 ABB TransForLife™-Servicelösungen für Traktionstransformatoren

– Werksreparatur– Wicklungsbereitstellung

– ABB TrafoSiteRepair

– Beratung– Leistungsupgrade– Technische Studien

– Designmodifikation

Lebenszyklus von Traktionstransformatoren

0 5 10 15 20 25 25 30 45

– Fortschrittliche Diagnose– Periodische Revision im

Werk/vor Ort– Garantieverlängerung

Basierend auf ABB-Fachwissen:– Lebenszykluskostenstudie (LCC)– Instandhaltungsplanung

(MTBF-Berechnung)– ABB ServIS-Datenbank

– Fortschrittliche Diagnose– Periodische Revision im

Werk/vor Ort– Garantieverlängerung

Basierend auf ABB-Fachwissen:– Lebenszykluskostenstudie (LCC)– Instandhaltungsplanung

(MTBF-Berechnung)– ABB ServIS-Datenbank

Zeitabhängige Instandhaltung Zeitabhängige InstandhaltungZustandsabhängige Instandhaltung

Ersatzteile

ABB „TransForLife“-Instandhaltungsprogramm

Korrektive Instandhaltung

Engineering

ABB „Midlife“- Flotten-

überholung

ABB Railway Überholungs-

paket

– ABB Safety Kit (Ersatzteile)– Ersatzeinheiten für ABB-Traktionstransformatoren

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74 ABB technik 2|10

und den Austausch von Verschleißteilen wie Lagern oder Bürsten, um die spezifi zierte Anzahl von Betriebskilometern zu gewähr-leisten. Zu den Arbeiten gehört typischer-weise auch das Waschen von Teilen in einer Spritzkabine und das anschließende Trock-nen in einem Vakuumofen. Bei Bedarf kön-nen Motoren auch neu gewickelt und Teile ausgetauscht werden. Sind keine Ersatz-teile mehr verfügbar, können Teile repliziert werden. Der Umfang der Austauscharbei-ten kann von einzelnen Ersatzteilen über ganze Baugruppen (z. B. ein kompletter Stator oder Rotor) bis hin zu ganzen Moto-ren reichen. Bei einer kundeneigenen Ersatzteilbevorratung und Instandhaltung können Ersatzteile auch direkt an den Kun-

den geliefert wer-den.

Das Herzstück einer modernen Instand-setzung oder Über-holung ist die Vaku-um-Druck-Impräg-nierung (VPI) von Statorwicklungen mithilfe der paten-

tierten Gemodur®-Technologie (für Gleich-strommotoren) oder der Veridur®-Plus-Technologie (für Wechselstrommotoren). Diese Imprägnierverfahren gewährleisten die Beständigkeit der elektrischen Isolie-rung gegen dauerhafte und schwankende

5 „Midlife“-Überholung von Euroshuttle-Lokomotiven

Eurotunnel betreibt eine Flotte spezieller Bo’Bo’Bo’-Lokomotiven für die Pendelzüge, mit denen Pkw, Busse und Lkw durch den Kanaltun-nel zwischen England und Frankreich transportiert werden. Da der Tunnel in über 100 m Tiefe unter dem Meeresspiegel verläuft, sind an beiden Enden des Tunnels Gefälle- bzw. Steigungsstrecken zu bewältigen. So müssen die Lokomotiven nicht nur in der Lage sein, mit den schwersten Zügen an diesen Abschnitten anzufahren, sondern auch die strengen Anforderungen hinsichtlich Brandschutz und Redundanz erfüllen, die aufgrund der beson-deren Bedeutung und Länge des Tunnels gelten.

Im Rahmen eines Dreijahresvertrags erhielt ABB von 2006 bis 2008 den Auftrag zur Überholung der 15 Jahre alten Traktionstransformatoren von 17 Lokomotiven dieses Typs. Die vorbeugenden

6 Überholung von Traktionsmotoren der Matterhorn-Gotthardbahn

Die Matterhorn-Gotthardbahn (MGB) ist eine Schmalspurbahn, die unter anderem den autofreien Ferienort Zermatt am Fuße des Matterhorns bedient. Da einige Teile der MGB-Strecke mit Zahnstangen versehen sind, müssen die Züge sowohl mit Zahnrad- als auch mit Adhäsionsantrieb fahren können. In den letzten zwei Jahren erhielt ABB mehrere Aufträge von MGB für verschiedene Produkte und Dienstleistungen:– Überholungs- und Instandsetzungsarbeiten– Lieferung von kompletten Rotoren und

Statoren– Lieferung von Ersatzteilen– Neue Wicklungen und Kommutatoren für

Gleichstrommotoren

Foto: Matterhorn-Gotthardbahn

Instandhaltungsarbeiten für jeden der 17 Trans-formatoren umfassten folgende Punkte:

– Ölanalyse, Interpretation und Empfehlung– Inspektion, Reinigung und

Diagnosemessungen– Inspektion und Kontrolle des Aktivteils

(Druck der Wicklungen, Distanzstücke)– Mechanische Optimierung des Gehäuses

(O-Ring-Dichtung)– Austausch aller Dichtungen, Befüllung mit

frischem Öl– Spezielle Dichtheitsprüfung unter Druck mit

warmem Öl– Elektrische Routineprüfungen „als neuwertig“– Ölanalyse nach der Überholung

Foto (links): Eurotunnel

Einige Beispiele für kürzlich durchgeführte Modernisierungsprojekte sind in ➔ 4 und ➔ 5 aufgeführt.

MotorenÄhnlich wie bei den Transformatoren reicht die Erfahrung von ABB auf dem Gebiet der Traktionsmotoren bis zu den Anfängen der Bahnelektrifi zierung zurück. So wurden in den Werken der ABB-Vorgängerunterneh-men bereits in den 1890er Jahren Trak-tionsmotoren gefertigt. Damit hat ABB einen umfangreichen Wissens- und Er-fahrungsschatz „geerbt“ und ist heute nicht nur in der Lage, Traktionsmotoren nach dem neuesten Stand der Technik zu ferti-gen, sondern auch eine umfassende Palet-

te an Serviceleistungen anzubieten, die von der Ersatzteillieferung bis hin zur Überho-lung und Instandsetzung von aktuellen und älteren Traktionsmotortypen reicht.Die Überholung eines Traktionsmotors um-fasst die sorgfältige Demontage, Kontrolle

Die globale Präsenz von ABB umfasst 30 Kompetenzzentren für Transformatoren mit rund 1.000 Experten weltweit.

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75Umfassender Service

hohe Temperaturen sowie die mechanische Stabilität der Wicklungen und des Eisen-kerns im Hinblick auf Vibrationen. Darüber hinaus bieten sie einen dauerhaften Schutz gegen Staub, Korrosion und Feuchtigkeit. Zum Abschluss der Instandsetzung bzw. Überholung wird der Motor ausgewuchtet, wieder montiert, abschließend getestet und mit einer Farbe auf Silikonbasis lackiert.

Neben diesen Instandsetzungsarbeiten, die vornehmlich zur Erhaltung der ursprüng-lichen Leistungsfähigkeit des Motors dienen, können Motoren auch über ihre ursprünglichen Spezifi kationen hinaus mo-difi ziert und verbessert werden – zum Bei-spiel, um Änderungen der Betriebsspan-nung oder Stromversorgung Rechnung zu tragen oder um die Nennleistung oder Drehzahl des Motors zu erhöhen 2.

Ein Beispiel für ein jüngstes Projekt zur Modernisierung von Traktionsmotoren ist in ➔ 6 beschrieben.

UmrichterUmrichter spielen bei den meisten großen Modernisierungsprojekten für Schienen-fahrzeuge eine bedeutende Rolle. Wenn Zugfl otten normalerweise nach 15–20 Jah-ren renoviert werden, wünschen sich die Betreiber häufi g auch eine Steigerung der

7 Hilfsbetriebeumrichter für das Schweizer Regionalbahn-Modernisierungsprojekt „Domino“

2006 starteten die Schweizerischen Bundesbah-nen (SBB) ihr bisher größtes Modernisierungspro-gramm für Regionalzüge. Das Projekt „Domino“ umfasst im Wesentlichen eine Generalüberholung der 20 Jahre alten Trieb- und Steuerwagen vom Typ NPZ* und den Austausch der 40 Jahre alten Zwischenwagen. Während Bombardier den Auftrag zur Lieferung der neuen Zwischenwagen erhielt, erfolgt die Generalüberholung der Trieb- und Steuerwagen in den SBB-eigenen Ausbesse-rungswerken in Yverdon und Olten. Der Auftrag für die neuen Heizungs- und Klimasysteme ging an Faiveley. Sowohl für die modernisierten als auch für die neuen Wagen wurden neue Hilfsbetriebeumrichter (mit 25 kVA bzw. 45 kVA) benötigt. ABB erhielt unabhängig voneinander sowohl von Faively als auch von Bombardier den Auftrag für diese Umrichter, woraus sich für den Kunden der zusätzliche Vorteil einer gemeinsa-men Umrichterplattform und Ersatzteilbevorratung ergab. Bisher wurden im Rahmen des Projekts mehr als 300 Umrichter bestellt, und es bestehen Optionen auf weitere Lieferungen. Die statischen BORDLINE M-Umrichter** von ABB sind äußerst kompakte und robuste, aber

dennoch leichte Einheiten, die über eine galvanische Trennung, geregelte Gleich- und Drehstromausgänge, Filter und eine vollständige Steuerelektronik verfügen. Die skalierbare BORDLINE M-Plattform für eine Versorgungs-spannung von 1.000 VAC/16,7 HZ arbeitet (wie die meisten anderen BORDLINE M-Serien) mit forcierter Luftkühlung. Darüber hinaus verfügen die Umrichter über eine Notstartfunktion.

Der Lieferzeitplan für dieses bedeutende Modernisierungsprojekt war sehr eng. Bereits zwei Monate nach Auftragsvergabe musste ein Prototyp der 45-kVA-Umrichter bereitgestellt werden. Die Serienlieferung begann im Juli 2008 mit bis zu vier Umrichtern pro Woche. Je nach Fortgang der Modernisierung werden die Liefer-ungen bis mindestens Ende 2011 andauern.

Fußnoten* NPZ = Neuer Pendelzug** Siehe auch „BORDLINE® M: Eine hochef-

fiziente AC/DC/DC-Umrichterarchitektur für die Stromversorgung an Bord von Zügen“, ABB Technik 2/2009, S. 35–41.

Motoren können auch über ihre ursprünglichen Spezifikationen hinaus modifiziert und verbessert werden, um etwa die Nennleistung oder Drehzahl zu erhöhen.

Fußnote2 Siehe auch „Standardisierung des Traktions-

motors“ auf Seite 66 dieses Hefts.

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76 ABB technik 2|10

nenten häufi g Anfragen von Serviceunter-nehmen, großen Werkstätten, Originalge-räteherstellern, Bahn- und Nahverkehrs-unternehmen zum Austausch von Um-richtern erhält.

Die Traktionsumrichter von ABB basieren auf einer modularen Plattform, was den Vorteil kurzer Realisierungszeiten und eines geringen Entwicklungsrisikos bietet. Der erforderliche Engineering-Aufwand für die Anpassung von Umrichtern für ein be-stimmtes Fahrzeug lohnt sich am meisten, wenn ganze Flotten oder Fahrzeugklassen modernisiert werden müssen. Kürzlich hat ABB Traktionsumrichter zur Nachrüstung eines deutschen Hochgeschwindigkeits-zugs vom Typ ICE1 bereitgestellt ➔ 8.

AusblickDa viele Eisenbahngesellschaften in aller Welt vor der Herausforderung stehen, ein wachsendes Verkehrsaufkommen unter zunehmend schärferen Wettbewerbsbe-dingungen zu bewältigen, stellt eine Über-holung häufi g eine wirtschaftlich interes-sante Alternative zum Austausch dar. Dank ihrer umfangreichen Erfahrung ist ABB in der Lage, entsprechende Serviceleistun-gen anzubieten, die auf die besonderen Anforderungen der Kunden und ihrer Aus-rüstung zugeschnitten sind.

Vincent Moine

ABB Sécheron SA, Traction Transformers

Genf, Schweiz

[email protected]

Sandro Maciocia

ABB Automation Products, Electrical Machines

Birr, Schweiz

[email protected]

Harald Hepp

ABB Automation Products, Traction Converters

Turgi, Schweiz

[email protected]

Fußnoten3 Siehe auch „Power für die Schiene: Elektrische

Systeme von ABB machen Zugreisen komfor-tabler“, ABB Technik 2/2008, Seite 25–29.

4 Mehr über Traktionsumrichter lesen Sie im Artikel „Eine maßgeschneiderte Lösung“ auf Seite 60 dieses Hefts.

Traktionsumrichter

Ein typisches Ziel bei der Modernisierung von Traktionsumrichtern ist die Steigerung der Effi zienz und Fahrzeugleistung bei gleichzeitiger Reduzierung von Verschleiß, Wartungskosten und zum Teil auch des Gewichts 4.

Während Komponenten wie Motoren und Transformatoren normalerweise im Rah-men der Überholung nach der Hälfte der Lebensdauer modernisiert werden, ist bei Traktionsumrichtern häufi g ein Austausch sinnvoll. Der Grund hierfür liegt in der hohen Geschwindigkeit, mit der sich Tech-nologien wie Halbleiter, Steuerelektronik und Software in den letzten 15 bis 20 Jah-ren weiterentwickelt haben. Häufi g sind heutige Produkte so viel leistungsfähiger, wirkungsvoller und effi zienter, dass eine Modernisierung und Erhaltung alter Syste-me weder wirtschaftlich noch attraktiv ist. Hinzu kommt, das Ersatzteile möglicher-weise nur noch schwer zu beschaffen sind.Somit ist es nicht überraschend, dass ABB als unabhängiger Lieferant dieser Kompo-

Leistung, Effi zienz und Zuverlässigkeit bei gleichzeitiger Senkung der Wartungskosten.

Hilfsbetriebeumrichter

Der Bedarf an elektrischer Leistung an Bord von Zügen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zugpersonal und Pas-sagiere erwarten zunehmend HLK-Syste-me (Heizung, Lüftung, Klima) und andere Annehmlichkeiten wie Fahrgastinforma-tions- und Unterhaltungssysteme, Steck-dosen für Laptops und Vakuumtoiletten. Bei neuen Fahrzeugen gehören diese Ein-richtungen größtenteils zum Standard 3, und auch ältere Fahrzeuge müssen einen vergleichbaren Komfort bieten, wenn sie für die Fahrgäste weiterhin attraktiv bleiben sollen. Häufi g sind die vorhandenen Ver-sorgungssysteme für Hilfsbetriebe an Bord von Zügen nicht in der Lage, den heutigen Anforderungen zu genügen und müssen daher von Grund auf neu konstruiert werden. Ein Beispiel für ein aktuelles Nach-rüstprojekt dieser Art ist in ➔ 7 beschrie-ben.

8 Neue Antriebsstromrichter für die ICE1-Züge der Deutschen Bahn

Der ICE1 ist der erste in Serie gefertigte Hochge-schwindigkeitszug Deutschlands. Nach rund 14 Betriebjahren startete die Deutsche Bahn (DB) im Sommer 2005 ein umfassendes Modernisierungs-programm, das unter anderem die Umgestaltung der Innenausstattung beinhaltete (die 2008 mit dem Brunnel Award für herausragendes Design im Eisenbahnsektor ausgezeichnet wurde). Für die Triebköpfe erfolgte 2007 eine Ausschreibung mit dem Ziel, die alten Traktionsumrichter auf Tyhristorbasis durch moderne IGBT-Umrichter zu ersetzen.

Hauptsächlich aufgrund der guten Ergebnisse im Bereich der Energieeffi zienz und der Lebenszyk-luskosten bekam ABB im September 2008 den Auftrag zur Fertigung eines Prototyps. Innerhalb von nur 13 Monaten entwickelte und fertigte ABB die neuen Traktionsumrichter für zwei 4,8-MW-Triebköpfe der ICE1-Reihe. Die Nachrüstung eines Antriebsumrichters ist in vielerlei Hinsicht anspruchsvoller als die Entwicklung eines komp-lett neuen Antriebstrangs. So sind alle wichtigen Schnittstellen, insbesondere die physikalischen und logischen Schnittstellen zur Fahrzeugleittech-nik (die beibehalten wurde) ebenso vorgegeben wie die Anschlüsse und elektrischen Eigenschaf-ten der Motoren, des Transformators, des Kühl-systems sowie alle mechanischen Parameter.

Der neue Umrichter basiert auf der ABB-Dreipunkt-topologie für Leistungsmodule und zeichnet sich durch geringe Oberschwingungen auf der Motor- und Netzseite aus. Dies sorgt unter anderem für eine Minimierung der Energieverluste und eine geringere Belastung (und somit längere Lebens-erwartung) der Motoren. Im Vergleich zu den alten Thyristorumrichtern konnte der Energiebedarf um 15 % gesenkt werden. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Energiebilanz und Umweltverträg-lichkeit des Zugs aus, sondern trägt auch zur deutlichen Senkung der Betriebskosten (über 100.000 EUR pro Jahr und Zug) bei. Die alten Leistungsmodule wogen 300 kg und waren fast 1,5 m lang. Die IGBT-Module von ABB wiegen weniger als 35 kg bei einer Größe von 80 x 40 x 20 cm, d. h. sie können ohne Hebevorrichtung von einer Person ausgetauscht werden. Die hohe Modularität, verbesserte Zuverlässigkeit und eine hochentwickelte Wartungs- und Diagnosesoftware tragen ebenfalls zur Reduzierung der Wartungs-anforderungen der ICE1-Flotte bei. Im November 2009 wurden die ersten erfolgreichen Testfahrten absolviert. Nach weiteren gründlichen Tests und der Wiederzulassung wird die DB ent-scheiden, ob weitere 36 ICE1-Triebköpfe mit dem neuen IGBT-Umrichter ausgestattet werden.

Foto (links): Deutsche Bahn

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77Beginn eines neuen Zeitalters

NICK BUTCHER, SIMON FELSENSTEIN, SARAH STOETER, CÉCILE FÉLON –

Der Begriff „Auftanken“ hat bei ABB eine neue Bedeutung bekommen. Im Rahmen ihrer Bemühungen zur Realisierung intelligenter Stromnetze hat ABB ihre Aktivitäten auf ein relativ neues Marktsegment ausgedehnt, das langsam aber sicher auf immer mehr Parkplätzen in größeren Städten zu fi nden ist: Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Angesichts immer strengerer Emissionsgesetze und neuer Anreize für die Käufer steigt die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen, was viele Automobilher-steller dazu veranlasst, sich auf diesem neuen Markt zu engagieren. Vor diesem Hintergrund entwickelt ABB Ladesysteme für Elektrofahrzeuge, die die Vision einer neuen Ära im Verkehrswesen unterstützen.

Ladestationen für Elektro-fahrzeuge und intelligente Netztechnologie als Weg-bereiter für eine neue Ära im Verkehrswesen

Beginn eines neuen Zeitalters

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78 ABB technik 2|10

schritte auf dem Gebiet der Batterietechno-logie könnte der Traum einer emissions-losen Mobilität für den Massenmarkt nun in greifbare Nähe gerückt sein.

Die erste Generation von Elektroautos wur-de mit Blei-Säure-Batterien betrieben. Auf-grund ihres hohen Gewichts und der be-

grenzten Leistungsfähigkeit eigneten sie sich ausschließlich für Kurzstreckenfahr-zeuge, die für den breiten Markt nicht at-traktiv waren. Im Laufe der Jahre wurden die Blei-Säure-Batterien zwar immer weiter verbessert, doch der nächste Generatio-nensprung im Bereich der Elektrofahrzeuge kam mit der Entwicklung der Nickel-Metall-hydrid-Batterien (NiMH) in den 1990er Jah-ren. Diese führten zu einer drastischen Ver-besserung in der Reichweite und Leistung, wie das Beispiel des EV1 von General Motors zeigt. Dennoch waren sich die meisten Fahrzeughersteller einig, dass die NiMH-Batterien – obwohl sie wesentlich besser waren als ihre Vorgänger – noch nicht in der Lage waren, die Anforderungen des Marktes für vollständig elektrisch

Bis in die 1960er Jahre konzentrierte sich die Automobilindustrie in erster Linie auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Der Fortschritt auf dem Gebiet der Elektrofahr-zeuge war bestenfalls schleppend. Doch schon bald führten wachsende Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit von ausländi-schem Erdöl und der Schadstoffemissio-nen von Verbren-nungsmotoren zu einer verstärkten Suche nach alterna-tiven Kraftstoffen. So stieg auch das Interesse an Elekt-rofahrzeugen wieder und führte im Laufe der Jahre zur Ent-wicklung zahlreicher elektrisch betriebe-ner Modelle. Eines der bekannteren Elektrofahrzeuge dieser Zeit ist der Lunar Rover aus dem Jahr 1971, das erste bemannte Fahrzeug auf dem Mond.

Beginn des elektrischen ZeitaltersDie Debatte um die Frage, ob das elektri-sche Zeitalter im Verkehrswesen tatsächlich angebrochen ist oder ob es sich lediglich um einen weiteren zeitlich begrenzten Boom handelt, dauert noch an. Die Argumente der Skeptiker sind nicht unbegründet, denn Elektroautos haben in der Vergangenheit mehrere solcher Zyklen durchlaufen. Hier spielen die Einschränkungen der Batterie-technologie, die noch immer entscheidend für den Erfolg von Elektrofahrzeugen ist, eine wichtige Rolle. Dank jüngster Fort-

A uch wenn Elektroautos erst seit Kurzem auf dem Markt zu sein scheinen, gibt es sie doch schon seit fast 200 Jahren. Die

ersten Elektrofahrzeuge wurden bereits in den 1830er Jahren entwickelt, doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ihnen größere Aufmerksamkeit zuteil. Es gab zwar auch Automobile, die von Dampf- und Verbrennungskraftmaschinen (also mit Benzin) betrieben wurden, doch Elektro-autos hatten den Vorteil, dass sie wesent-lich leiser, sanfter (d. h. vibrationsärmer) und weniger geruchsintensiv waren. Hinzu kam, dass benzingetriebene Autos nicht nur von Hand angekurbelt werden muss-ten, sondern auch extrem schwierig zu schalten waren. Dampfgetriebene Autos wiederum benötigten sehr lange Anlaufzei-ten. Bis etwa in die 1920er Jahre waren Elektroautos recht erfolgreich.Doch die Umstände veränderten sich. In den USA wurde das Straßennetz verbes-sert und immer mehr Städte miteinander verbunden. Folglich wurden Autos benö-tigt, die größere Entfernungen bewältigen konnten. Außerdem sorgte die Entdeckung von Erdöl in Texas für sinkende Benzin-preise, und die Erfi ndung des elektrischen Anlassers machte das Ankurbeln von Hand überfl üssig. Durch die Massenfertigung wurden Autos mit Verbrennungsmotoren schließlich wesentlich verfügbarer und er-schwinglicher als Autos mit Elektroantrieb.

Dank jüngster Fortschritte auf dem Gebiet der Batterietech-nologie könnte der Traum einer emissionslosen Mobilität für den Massenmarkt nun in greifbare Nähe gerückt sein.

1 Batterietechnologien

Wh/kg

Leichter

Kleiner

Li-Polymer, Li-IonenNeue Systeme

Li-Ionen

Zn-Luft

Al-Luft Li-Luft

Ref.: 18650s; 2,6 Ah

Ref.: AA Alkali

Ni-MH

Ni-Cd

Blei-Säure

Li-Polymer

Li-Metall

800

700

600

500

400

300

200

100

0

Wh/

l

0 100 200 300 400 500 600 700 800

5-mm-Prismazellen < 1.300 mAh

Etablierte Technologien

Neue Technologien

nen

Quelle: Nexergy

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79Beginn eines neuen Zeitalters

und der Energiesicherheit sprechen dafür, dass das elektrische Zeitalter gekommen ist. Die Ankündigungen neuer elektrisch betriebener Fahrzeugmodelle für das Jahr 2010 seitens mehrerer Automobilhersteller unterstreichen dies. Dabei geht es nicht um Konzepte mit kleinen Stückzahlen, sondern um Elektrofahrzeuge, von denen innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre mehr als 100.000 Stück im Jahr gefertigt werden sollen. Insgesamt sollen bis 2012 über 20 verschiedene Plug-In-Elektrofahrzeug-modelle auf den Markt kommen.Da die Lithium-Ionen-Batterie das zentrale Element eines Elektroautos darstellt, ist eine voll automatisierte Großserienfertigung der Fahrzeugbatterien erforderlich, um hohe Stückzahlen und niedrigere Kosten zu ermöglichen. ABB bietet schlüsselfer-tige Automatisierungslösungen einschließ-lich der erforderlichen Robotertechnik zur Fertigung der Zellen und zum Zusammen-fügen der Module und des gesamten Bat-

betriebene Fahrzeuge in puncto Preis und Lebensdauer zu erfüllen.In den letzten zehn Jahren wurde, angetrie-ben vom riesigen Markt für Unterhaltungs-elektronik, eine neue Generation von wiederaufl adbaren Batterien auf Lithium-Ionen-Basis entwickelt, die einen weiteren Quantensprung gegenüber der NiMH-Technologie darstellt. Zwar speichern heu-tige Lithium-Ionen-Batterien noch immer deutlich weniger Energie pro Kilogramm als Öl – und sind deutlich teurer als eine Tank-füllung Benzin –, doch aufgrund der extrem hohen Effi zienz heutiger Elektroantriebe und der niedrigen Energiekosten pro Fahr-zeugkilometer sind Elektroautos schließlich in der Lage, an ihre benzingetriebenen Konkurrenten heranzureichen. Dabei ste-hen weitere Innovationen im Bereich der Batterietechnologie an, die innerhalb über-raschend kurzer Zeit kommerziell nutzbar sein sollen ➔ 1. Dies und eine wachsende Besorgnis hinsichtlich des Klimawandels

Verzahnung von Schiene und Straße

Auf dem Genfer Autosalon 2010 präsentierte das Schweizer Unternehmen Rinspeed* das zweisitzige elektrische Pendlerfahrzeug „UC?“ (Urban Commuter). Das vollständig elektrisch betriebene Auto ist keine 2,6 m lang und verfügt über eine permanente 3G-Netzverbin-dung. Das kleine elektrische Kraftpaket soll nicht nur dabei helfen, eine Überlastung der Innenstädte zu verhindern, sondern kann für längere Strecken auf spezielle Eisenbahn-wagons verladen und an das dortige Bord-netz angeschlossen werden. Der Fahrer hat dann die Möglichkeit, während der Fahrt die Einrichtungen des Zugs oder die technischen Funktionen des Autos wie Video-Chat, IP-Telefonie und E-Mail zu nutzen. Am Ziel angekommen ist das Fahrzeug vollständig geladen und bereit zur Weiterfahrt.

Dieses visionäre Projekt verfolgt nicht nur die Idee des Elektrofahrzeugs weiter, sondern entwickelt auch die Idee einer nachhaltigen Mobilität, die privaten Individual- und öffentlichen Personenverkehr miteinander verzahnt. ABB kann dazu beitragen, dies zu realisieren.

* Siehe www.rinspeed.com

2 Bedarfszyklus des US-amerikanischen Stromnetzes

Quelle: Pacific Northwest National Laboratory

„Tal“ im Bedarfszyklus

Saisonale Durchschnittslast

Tageszeit

Bedarfsspitze

Spitzenlastkraftwerke (d. h. Reservekraftwerke bzw. Reservekapazität)

Installierte Leistung

2.00 4.00 6.00 8.00 10.00 Mittag 14.00 16.00 18.00 20.00 22.00 24.00

Kernenergie

Erneuerbare Energien und Wasserkraft

Fossile Energieträger

Spitzenlastkraftwerke

3 Belastung eines Transformators durch „intelligentes Laden“

1.200

1.000

800

600

400

200

0

Tran

sfor

mat

orla

st (k

W b

zw.

kV/A

)

Tageszeit

10 % Elektrofahrzeuge

25 % Elektrofahrzeuge

50 % Elektrofahrzeuge

75 % Elektrofahrzeuge

100 % Elektrofahrzeuge

14.00 16.00 18.00 20.00 22.00 24.00 2.00 4.00 6.00

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80 ABB technik 2|10

griert werden, um die Interoperabilität und einen optimalen Nutzen sowohl für das Netz als auch die Elektroautos sicherzustellen. Eine Vielzahl der heute installierten Netzma-nagementsysteme kommt aus dem Hause ABB.

Emissionen und erneuerbare Energien

Da sie keinerlei Abgase produzieren, gelten Elektrofahrzeuge als saubere, nachhaltige Lösung. Für einen fairen Vergleich mit den vorhandenen diesel- und benzinbetriebe-nen Fahrzeugen muss jedoch die gesamte Energiekette betrachtet werden.Die effektiven Emissionen eines Elektro-autos hängen zu einem Großteil von der Energiequelle ab, aus der die Elektrizität er-zeugt wird. Elektroautos, die ihre Energie von alten Kohlekraftwerken beziehen, sind in Bezug auf die Treibhausgasemissionen nur geringfügig „sauberer“ als die Autos mit Verbrennungsmotoren, die sie ersetzen. Mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus kön-nen sie sogar schlechter abschneiden als die neueste Generation von Dieselmotoren. Dennoch bieten sie den Vorteil einer massiv reduzierten lokalen Luftverschmutzung ➔ 4.

Ganzheitlich betrachtet spricht also alles für eine möglichst emissionsarme Stromerzeu-gung. Mit Blick auf neue Erzeugungstech-nologien sind Elektrofahrzeuge selbst in Verbindung mit Kombikraftwerken anderen Alternativen bereits weit überlegen. Beim Einsatz von wirklich emissionsarmen Ener-giequellen wie der Kernkraft oder erneuer-baren Energien sind sie sogar nahezu frei von Treibhausgasemissionen.Laut einer Prognose der Internationalen Energieagentur IEA aus dem Jahr 2006 las-

Die Fahrzeuge sollten nach Möglichkeit dann geladen werden, wenn die Energie verfügbar ist, um Lastspitzen im Netz zu vermeiden. Durch ein intelligentes Ladema-nagement könnte der größte Teil der Elekt-rofahrzeuge in vielen Ländern ohne Erhö-hung der vorhandenen Erzeugungskapazi-tät gespeist werden, indem vorwiegend der zurzeit kaum genutzte Nachtstrom verwen-det wird. ➔ 2 zeigt die ausgeprägten „Täler“ im Bedarfszyklus des US-amerikanischen Stromnetzes, in denen Elektrofahrzeuge ohne Erhöhung der Spitzenlast geladen

werden könnten. Bleibt noch die Fra-ge nach der Quelle für diesen Strom, die im nächsten Ab-schnitt genauer be-handelt wird.Die Berücksichti-gung des Strom-netzes ist entschei-

dend, wenn es darum geht, unnötige Kosten zu vermeiden. So könnte „unintelligentes“ Laden (d. h. Laden zu jeder Tageszeit) zur Überlastung lokaler Verteiltransformatoren und sogar zu lokalen Stromausfällen führen, schon wenn nur einer von zehn Haushalten ein Elektrofahrzeug nutzt. Durch intelligentes Laden hingegen kann die Last auf die Trans-formatoren selbst dann innerhalb der zuläs-sigen Grenzen gehalten werden, wenn alle Haushalte der Nachbarschaft auf ein Elekt-roauto umsteigen ➔ 3.

Natürlich muss jedes intelligente Ladesys-tem in das Verteilnetzmanagement- und SCADA-System des Netzbetreibers inte-

teriepakets sowie die erforderliche Leis-tungselektronik für Lade- und Entladetest-zyklen in jeder Phase des Herstellungs-prozesses.

Elektrizität als KraftstoffEtwa 55 % des weltweit geförderten Öls – fast 50 Millionen Barrel am Tag – werden heute vom Transportsektor benötigt. Einer der erwarteten Hauptvorteile der sogenann-ten E-Mobilität ist die Schaffung eines vom Öl als Energiequelle unabhängigen Ver-kehrssystems mit deutlich geringeren Treib-

hausgasemissionen. Doch daraus ergeben sich zwei entscheidende Fragen: Woher soll die Energie kommen, und werden die Emis-sionen wirklich geringer ausfallen?

Eine Herausforderung für das Stromnetz

Bei Elektrofahrzeugen ist die Antwort auf die erste Frage das Stromnetz, obwohl es lediglich zur Übertragung und nicht zur Er-zeugung der Energie dient. Dies geschieht in den verschiedenen Kraftwerken, die an das Netz angeschlossen sind. Damit Elekt-rofahrzeuge mit Strom versorgt werden können, müssen sowohl die Kraftwerke als auch das Stromnetz über die notwendige Kapazität verfügen.

Bis 2012 sollen über 20 ver-schiedene Plug-In-Elektrofahr-zeugmodelle auf den Markt kommen.

5 Weltweite Stromerzeugung nach Energie-quellen ohne Veränderung (Business as Usual)

40

30

20

10

0

Erneuerbare Energien

Kohle

Erdgas

Kernenergie

Flüssige Energieträger

Bill

ione

n kW

/h

Jahr

2006 2010 2015 2020 2025 2030

Quellen:Daten 2006: EIA, International Energy Annual 2006 (Juni-December 2008), www.eia.doe.gov/iea. Progno-sedaten: EIA, World Energy Projections Plus (2009)

4 CO2–Emissionen verschiedener Kraftwerks- und Fahrzeugtypen

Vom Bohrloch bis zumTank (Well-to-Tank)

Vom Tank bis zum Rad (Tank-to-Wheel)

Kraftwerkstyp Steinkohlekraftwerk

CO2-Emissionen von Verbrennungskraftfahrzeugen (ICE) und Elektrofahrzeugen (EV) bzw. Plug-In-Hybridfahrzeugen (PHEV) (Well-to-Wheel, g/km2)

ICEB-Seg.

ICED-Seg.

164195

117-29% -20% -41%-57%84

2-99%52

115

-68%

EV EV EVPHEV PHEV PHEV

1 Heute installiertes EU-Steinkohlekraftwerk2 Verbrauch Verbrennungskraftfahrzeug B-Segment: 5,9 l/100 km; D-Segment: 7 l/100 km;

Elektrofahrzeug: 13 kWh/100 km; Plug-In-Hybrid: 3,0 l und 8 kWh/100 kmQuelle: BMWI, World Nuclear Association, EU-Kommission und Roland Berger

800-1.000 g/kWh 1 350-450 g/kWh 5-20 g/kWh

Gasturbinenkraftwerk Erneuerbare Energien/Kernkraftwerk

15

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81Beginn eines neuen Zeitalters

len muss, wird die Ladesäule mit einem ent-sprechenden Authentifi zierungs- und/oder Zahlungssystem ausgestattet sein.

Schnelles und ultraschnelles Laden

Bei schnellen und ultraschnellen Ladesys-temen sorgen Hochleistungsumrichter in der Ladestation (anstatt an Bord der Fahr-zeuge) für ein schnelles Laden der Batterie. Schnelle, mit vorhandenen Batterien kom-patible Ladegeräte sind bereits in der Lage, 80 % einer Batterie in weniger als 25 Minu-ten aufzuladen. Mit zukünftigen ultraschnel-len Ladesystemen sollen „Tankstopps“ für Elektrofahrzeuge möglich sein, in denen das Auto in kürzester Zeit aufgeladen wird. Verbunden mit der neuesten Batterietech-nologie könnte so ein vollständiger Lade-vorgang in weniger als fünf Minuten er-reichbar sein. Diese Ladegeräte werden vorwiegend an Autobahnraststätten und verkehrsgünstigen Punkten in den Städten zu fi nden sein. Für das notwendige Netz-energiemanagement und die Stromqualität sorgen modernste Leistungselektronik, in-telligente Netzschnittstellentechnik und in-tegrierte Energiespeichertechnik, die dabei hilft, die starken Lastspitzen zu bewältigen. Das Konzept einer Gleichstrom-Schnell-ladestation von ABB wurde zusammen mit dem Elektrosportwagen LAMPO2 von Pro-toscar auf dem Internationalen Automobil-salon 2010 in Genf vorgestellt. Dieses Hochleistungsladegerät ist in der Lage, das Auto innerhalb von nur 10 Minuten für eine Reichweite von über 100 km zu „betanken“.

Nick Butcher

ABB Automation Products,

Power Electronics and MV Drives

Turgi, Schweiz

[email protected]

Simon Felsenstein

ABB ISI Smart Grids, E-mobility

Zürich, Schweiz

[email protected]

Sarah Stoeter

ABB Review

Zürich, Schweiz

[email protected]

Cécile Félon

ABB Power Products

Genf, Schweiz

[email protected]

me, einfache, kostengünstige und sichere Weise erfolgen. Eine Lösung, an der ABB zurzeit arbeitet, ist die Entwicklung einer geeigneten Ladestation für Elektrofahr-zeuge. Je nach Anwendung lassen sich drei Grundvarianten unterscheiden.

Privates Laden

Ladesysteme für den Hausgebrauch er-möglichen ein effi zientes, sparsames Laden der Fahrzeugbatterie über Nacht, sodass am Morgen die volle Kapazität erreicht ist. Durch das Laden über Nacht wird eine ge-ringe Belastung des Netzes und ein wirt-schaftliches „Auftanken“ des Fahrzeugs mit günstigem Nachtstrom sichergestellt. Ver-schiedene Ausführungen – zur Außenauf-stellung, Innenraumaufstellung und zur Wandmontage – stehen zur Verfügung, wo-bei alle Geräte die für Haushaltsgeräte er-forderlichen Sicherheitsstandards erfüllen. Das ABB-Portfolio umfasst alle Komponen-ten, die für den Bau sicherer und effi zienter Ladesysteme für den Hausgebrauch erfor-derlich sind.

Öffentliches Laden

Öffentliche Ladestationen sind mittelschnel-le Ladelösungen, mit denen eine Batterie innerhalb weniger Stunden geladen werden kann, während sich die Fahrerin oder der Fahrer auf der Arbeit, beim Einkaufen oder beim Abendessen befi ndet. ABB-Produkte werden in Ladesäulen in Innenstädten und

auf Parkplätzen von Unternehmen, öffent-lichen Gebäuden, Geschäften und Park-häusern zu fi nden sein.Die Ladesäulen sind für den Einsatz in öffent-lichen Bereichen entsprechend solide und sicher ausgeführt. Da der Verbraucher in den meisten Fällen den genutzten Strom bezah-

sen sich die erhofften Vorteile hinsichtlich einer Reduzierung der Treibhausgasemissi-onen nicht durch einen einfachen Umstieg auf Elektrofahrzeug realisieren. Damit die Vorzüge von Elektrofahrzeugen wirklich zur Geltung kommen, ist eine massive Verlage-rung der Erzeugung auf saubere Energie-quellen erforderlich ➔ 5. Inwiefern eine sol-che Verlagerung wirtschaftlich und politisch machbar ist, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall ist konsequentes Handeln gefordert, um die in ➔ 6 dargestellten ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Besonders interessant ist die potenziell konstruktive Wechselwirkung zwischen Elektrofahrzeugen und erneuerbaren Ener-gien wie Wind und Sonne. Durch die Nut-zung intelligenter Netztechnologien in Ver-bindung mit den Fahrzeugbatterien als Speichermedium zur Regelung des Ener-gieangebots und -verbrauchs erscheint die Herausforderung zur Integration von Elek-trofahrzeugen einerseits und erneuerbaren Energien andererseits viel kleiner als beides für sich genommen.

Ladestationen auf der „letzten Meile“Einer der häufi g angeführten Vorzüge von Elektrofahrzeugen sind die wesentlich ge-ringeren Kosten für die erforderliche Infra-struktur, da – anders als zum Beispiel bei Wasserstofffahrzeugen – Strom bereits überall verfügbar ist. Dies ist in der Tat ein großer Vorteil, aber dennoch muss der Strom aus dem Netz erst noch dorthin übertragen werden, wo er benötigt wird – in die Batterien der Fahrzeuge. Dies muss zudem auf eine möglichst schnelle, beque-

Durch intelligentes Lademanagement könnte der größte Teil der Elektrofahr-zeuge in vielen Ländern ohne Erhöhung der vor-handenen Erzeu-gungskapazität gespeist werden.

6 Weltweite Stromerzeugung nach Energieträ-gern: deutliche Senkung d. Emissionen möglich

2008 2020

100

80

60

40

20

0

Erneuerbare Energien außer Wasserkraft

Wasserkraft

Kernenergie

Erdgas

Öl

Kohle

Biomasse

Geothermie

Sonne

Wind

Pro

zent

Quelle: EPI und IEA

40,3 20,8

11,4

4,8

37,7

13,5

6,35,6

5,2

19,1

13,7

17,5

4,1

Jahr

Page 82: ABB technik ABB Konzerns...Schaltanlagen, Motoren und Turbolader. Einige dieser Produkte werden in dieser Ausgabe der ABB Technik genauer vorgestellt. ABB hat ihre Aktivitäten auf

82 ABB technik 2|10

KNUT MARQUART – Im Rahmen der weltweiten Bemühungen zur Minderung des Klimawandels sind Hafenbehörden und Schiffs-eigner auf der Suche nach Lösungen zur Reduzierung von Emissionen. Grund für das wachsende Interesse sind in erster Linie die ökologischen Vorteile einer landseitigen Stromver-sorgung. Angesichts steigender Kosten für fossile Brennstoffe bietet eine solche Lösung aber auch wirtschaftliche Vorteile. Aus diesem Grund hat ABB eine Reihe von optimierten Lösun-gen zur landseitigen Stromversorgung für Hafenbehörden, Schiffseigner und Energieversorgungsunternehmen entwickelt.

Senkung von Geräusch- und Treibhausgasemissionen durch die landseitige Strom-versorgung von Schiffen im Hafen

Strom von der Kaimauer

Page 83: ABB technik ABB Konzerns...Schaltanlagen, Motoren und Turbolader. Einige dieser Produkte werden in dieser Ausgabe der ABB Technik genauer vorgestellt. ABB hat ihre Aktivitäten auf

83Strom von der Kaimauer

Verfügung. Hinzu kommen kompakte Innenraumlösungen, die alle wichtigen Systemkomponenten beinhalten.

An Bord des Schiffs muss die Versor-gungslösung vollständig in die Elektrik und Automatisierungstechnik integriert werden, um ein nahtloses Umschalten zwischen der schiffseigenen Stromver-sorgung und der landseitigen Stromver-sorgung zu ermöglichen.

ABB ist Vorreiter auf diesem Gebiet und hat im Jahr 2000 die weltweit erste land-seitige Stromversorgungsanlage für Schiffe im Hafen von Göteborg (Schwe-den) installiert.

Ein ausführlicherer Beitrag über die Shore-to-Ship-Lösungen von ABB erscheint in einer der kommen-den Ausgaben der ABB Technik.

Knut Marquart

ABB Marketing & Customer Solutions

Zürich, Schweiz

[email protected]

bis hin zur Nachrüstung der elektrischen Systeme an Bord für die landseitige Stromversorgung reichen.

Landseitig ist hierfür eine geeignete Stromversorgung sowie die Anpassung der Spannung und Frequenz des Stroms aus dem lokalen Netz für das Bordnetz

erforderlich. Da der Bau einer landsei-tigen Stromversorgung von Schiffen er-hebliche Auswirkungen auf das lokale Stromnetz haben kann, bietet ABB die Durchführung von Systemstudien zur Untersuchung dieser Auswirkungen an, um entsprechende Lösungen zum Aus-bau und zur Stärkung des örtlichen Net-zes und des Hafennetzes empfehlen zu können.

Unabhängig von der Nennleistung ste-hen ein- und mehrfrequente Lösungen für einzelne oder mehrere Liegeplätze, Containerterminals und Stadthäfen zur

W ährend eines zehnstündi-gen Aufenthalts im Hafen verbrennen die Dieselmo-toren eines einzigen Kreuz-

fahrtschiffs rund 20 Tonnen Treibstoff und produzieren etwa 60 Tonnen CO2. Dies entspricht dem jährlichen Ausstoß von 25 europäischen Autos durchschnitt-licher Größe. Diese Emissionen können vermieden werden, wenn das Schiff von Land aus mit Strom versorgt wird.

Neben der Reduzierung des CO2-Aus-stoßes trägt eine landseitige Stromver-sorgung auch zur Senkung bzw. Vermei-dung von Schwefeldioxid-, Stickoxid- und Partikelemissionen bei. Ein weiterer Vor-teil ist die Reduzierung von niederfre-quenten Geräuschen und Vibrationen sowie die Möglichkeit zur Durchführung von Wartungsarbeiten an den Dieselmo-toren während der Liegezeit.

ABB bietet die erforderliche elektrische Infrastruktur – sowohl land- als auch schiffsseitig – als schlüsselfertige Lösun-gen einschließlich aller Systemkompo-nenten wie Frequenzumrichter, Hoch- und Mittelspannungs-Schaltanlagen, Transformatoren sowie Steuer- und Schutzsysteme. Darüber hinaus bietet ABB gesamtheitlich entwickelte und in-tegrierte Systeme und Dienstleistungen, die von der einspeisenden Unterstation

ABB bietet die erforderliche land- und schiffs-seitige elektrische Infrastruktur sowie gesamtheitlich entwickelte und integrierte Systeme und Dienstleistun-gen.

Komplettes Onboard-System einschließlich HS-Anschluss-feld und Kabeltrommel

Stromanschluss6,6 kV/11 kV

Unterstation (einschl. 50/60-Hz-Umrichter)

HS-Erdkabel (Entfernung 1–5 km)

Transformatoren-häuschen

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84 ABB technik 2|10

1,5 ms und einer neuen Elektronik zur schnellen und zuverlässigen Erfassung von Fehlerstrom und Lichtintensität sorgt dieses System für ein nahezu sofortiges Verlöschen eines Störlichtbogens unmittelbar nach seiner Entstehung. Aus technischer Sicht bedeutet dies eine deutliche Verbesse-rung der Systemverfügbarkeit und Personensicherheit für Bemessungsspannungen bis 40,5 kV und Bemessungs-Kurzzeitströme (1 s) bis 63 kA. Ökonomisch betrachtet werden störungsbedingte Ausfallzeiten und Reparatur-kosten drastisch reduziert.

DIETMAR GENTSCH, VOLKER GRAFE, HANS-WILLI OTT,

WOLFGANG HAKELBERG, ANDREAS BRANDT – Die kompakte und robuste Vakuum-Schaltkammer in Verbindung mit der „Embedded“-Polteiltechnologie und das schnellste Schalt-gerät der Welt, der IS-Begrenzer von ABB, sind bereits seit mehreren Jahrzehnten zuverlässig im Einsatz. Nun wurden beide Technologien auf innovative Weise zu einem ultra-schnellen Störlichtbogen-Schutzsystem für Mittelspan-nungs-Schaltanlagen kombiniert. Mit der extrem kurzen Schaltzeit des Vakuum-Schaltelements von weniger als

S3 – Speed, Safety & SavingsUFES, der neue ultraschnelle Erdungsschalter von ABB

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85S3 – Speed, Safety & Savings

ultraschnellen Mikro-Gasgenerator-Kolben-antrieb.

Aus dielektrischer Sicht enthält jede Vaku-um-Schaltkammer zwei Vakuumstrecken, die durch eine Membran getrennt sind. In die erste Vakuumstrecke hineinragend be-fi ndet sich ein auf Erdpotenzial liegender Kontaktstift, der fest mit dem Antriebs-kolben verbunden ist. Die zweite Vakuum-strecke enthält die auf Hochspannungspo-tenzial liegende Festkontaktbuchse. Jedes Primärschaltelement ist zudem mit einem integrierten ultraschnellen Mikro-Gasgene-rator (SMGG) ausgestattet, der den beweg-lichen Kolben samt Kontaktstift zum Schalt-vorgang antreibt. Dieser SMGG ähnelt in Art und Funktion den Gasgeneratoren von Kfz-Airbags ➔ 2. Die Elektronik, basierend auf langlebiger und schneller Analogtechnik, hat einen phasenunabhängigen Aufbau und gewährleistet die Strom- und Lichterfas-sung sowie die sichere Auslösung innerhalb kürzester Zeit.Kommt es in einer Schaltanlage zu einem internen Störlichtbogen, erfasst die Elektro-nik den Fehlerstrom (über Stromwandler) und das Licht des Lichtbogens im Schott-raum (über optische Sensoren) und aktiviert nahezu gleichzeitig den Gasgenerator. Der erzeugte Gasdruck treibt den beweglichen Kolben in die erste Teilkammer. Der Kon-taktstift durchstößt die Membran und ver-rastet darauffolgend dauerhaft, prellfrei und robust mit dem Festkontakt. Es entsteht ein solider metallischer Kurzschluss gegen Erde, der einen entstandenen Störlicht-bogen in weniger als 4 ms nach seiner Er-kennung zum Verlöschen bringt. Der kom-plette Ablauf, der zur sicheren Verbindung des Sammelschienensystems mit dem Erd-potenzial führt, ist in ➔ 3 dargestellt.

Verarbeitung der entscheidenden KriterienDie Elektronik vom Typ QRU verfügt über drei Eingänge für die kontinuierliche Über-wachung des Strom-Momentanwerts. Der Ansprechwert als Kriterium für die Erken-nung eines Fehlerstroms kann über einfach zu bedienende Elemente an verschiedenste Schutzanforderungen angepasst werden. Mit einer geringen Eingangsbürde von we-niger als 1 VA lässt sich die Strommessung ohne weiteren Aufwand in die Sekundärver-drahtung bereits vorhandener Schutzwand-ler einschleifen.Neben der Stromüberwachung stehen neun optische Eingänge für die Lichterfassung zur Verfügung. Der Betriebszustand des Störlichtbogen-Schutzsystems wird durch

D urch Schäden, Fehlbedienung oder außergewöhnliche Be-triebsbedingungen können Fehler innerhalb der Kapse-

lung von Schaltanlagen entstehen, die in seltenen Fällen zu einem Störlichtbogen führen und somit eine Gefährdung dar-stellen ➔ 1. Während die Sicherheit von Personen in solch einem Fall oberste Pri-orität hat, gilt es auch, Schäden an Sys-temkomponenten zu verhindern. Genau diese beiden Aufgaben erfüllt das neue Störlichtbogen-Schutzsystem von ABB.Das System arbeitet nach dem Prinzip der dreiphasigen Kurzschlusserdung. Durch die so erzeugte niederohmigere Impedanz kommutiert der Fehlerstrom des Störlicht-bogens auf die UFES-Primärschaltelemen-te, wodurch die unkontrollierte Freisetzung von Energie effektiv verhindert wird.

Der neue ultraschnelle Erdungsschalter (Ultra Fast Earthing Switch, UFES) besteht aus drei Primärschaltelementen vom Typ U1 (siehe Abbildung auf Seite 84) und einer elektronischen Erfassungs- und Auslöseein-heit vom Typ QRU (Quick Release Unit). Das Primärschaltelement hat die Abmes-sungen (Höhe 210 mm, Durchmesser 135 mm), die Form und die Befestigungs-punkte ähnlich eines 24-kV-Isolierstützers und beinhaltet eine in Epoxidharz umwelt-geschützt eingebettete Doppel-Vakuum-schaltkammer sowie einen integrierten,

Die Technologien der ABB Vakuum-Schaltkammer und des IS-Begrenzers wurden auf inno-vative Weise zu einem ultraschnel-len Störlichtbogen-Schutzsystem für Mittelspannungs-Schaltanlagen kombiniert.

1 Störlichtbogendauer in elektrischen Anlagen mit den verbundenen Folgen

Konventionelles Schutzgerät– Störlichtbogendauer: 200–300 ms– Erfassung durch Standardrelais– Abschaltung des Störlichtbogens durch

den einspeisenden Leistungsschalter

Dramatische Folgen möglich– Brand- und Explosionsgefahr– Schwere Verletzungen des Personals

(abhängig vom Schaltanlagendesign)

Schnelles Schutzrelais mit Zusatz-ausstattung (z. B. Ith-Begrenzer) − Störlichtbogendauer: 50–100 ms− Schnelle Erfassung durch spezielles

Schutzrelais− Abschaltung des Störlichtbogens durch

den einspeisenden Leistungsschalter

Begrenzte Folgen für Geräte und Personal (abhängig vom Schaltanlagendesign)

Ultraschneller Erdungsschalter (UFES)− Störlichtbogendauer: ≤ 4 ms nach

Erfassung− Ultraschnelle Erfassung durch

UFES-Elektronik (Typ QRU)− Ultraschnelle Löschung des Störlichtbogens

durch Schalten der Primärschaltelemente− Finale Abschaltung des Fehlerstroms durch

den einspeisenden Leistungsschalter

Keine Schäden zu erwarten

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86 ABB technik 2|10

4 Elektronik vom Typ QRU12 Querschnitt durch ein UFES-Primärschaltelement vom Typ U1

Vakuumschalt-kammer

Antrieb

Epoxidharz-Isolation

Festkontakt

Keramikisolator

Membran

Beweglicher Kontakt

Sollbruchstelle

Kolben

Zylinder

Bewegliches Kontaktsystem

Mikro-Gasgenerator (SMGG)

3 Ereignisabfolge

Entstehung eines Störlicht-bogenfehlers

Erfassung des Störlicht-bogens durch die Elektronik (Strom und Licht)

Finale Abschaltung des Fehlerstroms durch den einspeisenden Leistungs-schalter

Auslösesignal an die UFES-Primärschaltelemente (optional auch an den einspeisenden Leistungs-schalter)

Schnelle 3-phasige Erdung durch die UFES-Primärschaltelemente – Zusammenbruch der

Störlichtbogenspannung: sofortiges Verlöschen des Störlichtbogens

– Kontrollierter Fehler-stromfluss über die UFES-Primärschalt-elemente gegen Erde

CB

CT

UFES QRUIk“

CB

CT

UFES QRUIk“

CB

CT

UFES QRUIk“

CB

CT

UFES QRUIk“

CB

CT

UFES

(optional)

QRUIk“

Zeit in ms

0.0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0

i (t)

Zeit in ms

0.0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0

i (t)

Zeit in ms

0.0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0

i (t)

Zeit in ms

0.0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0

i (t)

0.0 20.0 40.0 60.0 80.0 100.0 120.0

i (t)

Zeit in ms

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87

Im Rahmen der kontinuierlichen Selbst-überwachung wird auch die Funktionstüch-tigkeit des Zündelements berücksichtigt. Die Elektronik verfügt zudem über einen Testmodus, in dem alle Ansprechkriterien für die jeweilige Schaltanlage simuliert und überprüft werden können. Hierbei werden die entsprechenden Auslösungen zwar an-gezeigt, aber nicht an die SMGGs durchge-schaltet.

In Kombination mit dem Lichterfassungs-system vom Typ TVOC können bis zu 54 Schaltanlagenräume mit einer Elektronik überwacht werden. Die TVOC-Erweite-rungsmodule mit jeweils neun optischen Eingängen können direkt an die fünf vor-handenen Schnittstellen angeschlossen werden. Da die Erfassung eines Störlicht-bogens durch diese Module ebenfalls von der Elektronik überwacht wird, sind min-destens 18 Schaltfelder einer Schaltanlage mit einem aktiven Schutz versehen. Und da jeder Schaltanlagenraum einzeln überwacht wird, kann der Fehlerort exakt bestimmt werden.

Umfassender SchutzDas ABB-System, das für Bemessungs-spannungen bis 40,5 kV und Bemessungs-Kurzzeitströme bis 63 kA (1 s) ausgelegt ist ➔ 5, bietet einen aktiven Störlichtbogen-schutz sowohl für bestehende ältere als auch für neue störlichtbogenqualifi zierte Mittelspannungs-Schaltanlagen. Es hilft da-bei, schwere Schäden an der Schaltanlage,

S3 – Speed, Safety & Savings

der Ausrüstung und der direkten Umge-bung zu verhindern und trägt somit im Falle eines Störlichtbogens zur erheblichen Ver-besserung der Systemverfügbarkeit und Personensicherheit bei. Außerdem können die Druckentlastungssysteme in schwer zu-gänglichen Aufstellungsräumen minimiert werden.

Die UFES-Primärschaltelemente können in den Kabelanschlussräumen der Schaltan-lage oder in den einzelnen Sammelschie-nenabschnitten installiert werden, um eine Abdeckung des gesamten Systems sicher-zustellen. Der neue ultraschnelle Erdungs-schalter ist als komplette Einheit in einer typgeprüften ABB-Servicebox zur ein-fachen Installation in bestehenden Schalt-anlagen ➔ 6 sowie später auch als „loses Gerät“ (d. h. die Elektronik und drei Primär-schaltelemente) erhältlich.

Dietmar Gentsch

Volker Grafe

Hans-Willi Ott

Wolfgang Hakelberg

Andreas Brandt

ABB Power Products

Ratingen, Deutschland

[email protected]

[email protected]

[email protected]

[email protected]

[email protected]

6 Beispielinstallation mit oben angeordneten UFES-Primärschaltelementen in einer Box

LEDs und eine Sieben-Segment-Anzeige an der Vorderseite der Elektronikeinheit an-gezeigt ➔ 4. Als Schnittstellen zu anderen Einheiten stehen verschiedene potenzial-freie Kontakte zur Verfügung, die zum Bei-spiel für folgende Zwecke genutzt werden können:– zur Übertragung des Status der

Elektronik an eine Leitwarte,– zur Ausschaltung des Fehlerstroms

durch den übergeordneten Leistungs-schalter,

– als Verriegelung gegen das Wieder-einschalten eines Leistungsschalters direkt nach der Auslösung.

Das ABB-System bietet einen aktiven Störlichtbogen-schutz für Mittel-spannungs-Schalt-anlagen, der zur erheblichen Ver-besserung der Systemverfügbar-keit und Personen-sicherheit beiträgt.

5 UFES-Primärschaltelement Typ U1

Standard IEC

Elektrische Maximal-Eigenschaften (verschiedene Basistypen)

Bemessungsspannung (rms) kV 40,5

Bemessungs-Kurzzeit-Stehwechselspannung (rms) kV 85 / 95

Bemessungs-Stehblitzstoßspannung (peak) kV 170 / (200)

Bemessungsfrequenz Hz 50 / 60

Bemessungs-Kurzzeitstrom (rms) kA 50 / (63)

Bemessungs-Stoßstrom kA 170

Bemessungs-Kurzschlussdauer s 3 / (1)

Bemessungs-Kurzschlusseinschaltstrom kA 170

Mechanische Eigenschaften

Abmessungen (Durchmesser x Höhe) mm ~ 137 x 210

Schaltzeit ms < 1,6

Kontakt-Prelldauer ms 0

Lebensdauer

Anzahl Einschaltungen 1

Mechanisch Jahre 30

Mikro-Gasgenerator Jahre 15

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88 ABB technik 2|10

NORBERT LANG – Es mag überraschen, dass trotz unterschiedlicher Randbedingungen und Mentalitäten – und lange vor der Globalisierung – die technische Entwicklung in den westlichen Ländern weitgehend parallel verlaufen ist. Dies gilt auch für die Elektrifi zierung von Eisenbah-nen und die Entwicklung moderner Triebfahrzeuge. Obschon Länder mit reichen Kohlevorkommen und solche mit großen Wasserkraftressourcen ihre Eisenbahnnetze mit unterschiedlichen Motiven vom Dampf- auf den Elektrobetrieb umstellten, verliefen viele Modernisierungsschritte parallel.

Eine lange Tradition in der elektrischen Eisenbahntechnik

Spannende Geschichte

Historischer Rückblick

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89Spannende Geschichte

wurde der Fahrdraht seitlich an Holzmasten befestigt. Gemäß Vereinbarung mit den SBB musste die Fahrleitung nach Abschluss der Testphase wieder entfernt werden. Ob-wohl die Züge wieder mit Dampfl oks ver-kehrten, bis die Strecke 1942 schließlich

elektrifi ziert wurde, hatten die beim Probe-betrieb gewonnenen Erfahrungen weit-reichende Konsequenzen.

BBC: elektrischer Betrieb im SimplontunnelEnde 1905 beschloss BBC den kurz vor der Vollendung stehenden, 20 km langen,

E. L. und Sidney Brown, befassten sich ebenfalls mit der Ausrüstung elektrischer Lokomotiven. Gemeinsam entwarfen sie die erste elektrische Vollbahnlokomotive für die 40 km lange Burgdorf–Thun-Bahn (Bild auf Seite 88). Dabei handelte es sich um eine mit Drehstrom von 40 Hz betrie-bene Güterzuglokomotive mit zwei fi xen Geschwindigkeitsstufen (17,5 und 35 km/h). Das Schalten des geradverzahnten Getrie-bes musste im Stillstand erfolgen. Zwei große Asynchronmotoren übertrugen ihre Kraft über eine Blindwelle und Kuppelstan-gen auf die beiden Achsen. Die Fahrlei-tungsspannung war gesetzlich auf maxi-mal 750 V begrenzt.

1903 elektrifi zierte die ABB Sécheron-Vor-gängerfi rma CIEM (Compagnie de l’Industrie Electrique et Mécanique) die Schmalspur-bahn von St-Georges-de-Commiers nach La Mure in Frankreich. Verwendet wurde Gleichstrom mit der damals außerordentlich hohen Spannung von 2.400 V in einem Dreileitersystem mit Doppelfahrleitung. Fast gleichzeitig nahmen die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) und BBC unabhängig von-einander zwei größere Elektrifi zierungspro-jekte auf Teilstrecken der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) in Angriff.

MFO: Einphasen-WechselstromVon 1905 bis 1909 erprobte die MFO auf einem Abschnitt der ehemaligen National-bahn zwischen Zürich-Seebach und Wet-tingen (heute S-Bahn) die Elektrifi zierung mit Einphasen-Wechselstrom von 15 kV und 15 Hz. Die erste eingesetzte Lokomo-tive war mit einem rotierenden Umformer und Gleichstrom-Fahrmotoren ausgestat-tet ➔ 3. 1905 kam Lokomotive Nr. 2 mit dem gleichen Achsbild (B’B’) in Betrieb ➔ 4.

In beiden Drehgestellen war ein Einphasen-Reihenschlussmotor mit 180 kW platziert, der über Transformator und Stufenschalter direkt gespeist wurde. (Dies sollte bis zum Aufkommen der Leistungselektronik die Standard-Steuerungsmethode für Wech-selstromlokomotiven werden). Der Achs-antrieb erfolgte via Zahnradvorgelege, Blindwelle und Kuppelstangen. Die Höchst-geschwindigkeit betrug 60 km/h. Die Moto-ren nach Patent Behn-Eschenburg mit aus-geprägten Statorpolen und phasenver-schobenem Wendefeld bewährten sich so gut, dass auch die Umrichterlok entspre-chend umgerüstet wurde. Zwischen 1907 und 1909 fuhren alle fahrplanmäßigen Züge auf dieser Strecke elektrisch. Da die Fahrlei-tungsanordnung über der Gleismitte auf-grund der hohen Spannung untersagt war,

B egonnen hat die Elektrifizie-rung für die meisten Firmen mit der Entwicklung von Straßen-bahnen. Bereits 1890 lieferte

eine Vorgängerin der Genfer ABB Séche-ron die ersten elektrischen Tramwagen Frankreichs in die Stadt Clermont-Ferrand ➔ 1. Etwas später wurden die ersten Zahnrad-Bergbahnen für den elektrischen Betrieb konzipiert. 1898 rüstete ein anderes ABB-Vorgängerun-ternehmen, BBC, mehrere Bergbahnen mit Drehstrom von 40 Hz (später 50 Hz) aus, darunter auch die weltberühmte Jungfraubahn auf das 3.500 m hoch ge-legene Jungfraujoch.Obwohl Nahverkehrssysteme und Berg-bahnen ebenfalls eine gewaltige technische Entwicklung erlebten, konzentriert sich die-ser Artikel auf die elektrische Antriebstech-nik normalspuriger Hauptbahnen.

Elektrifizierung mit verschiedenen BahnstromsystemenEs ist wenig bekannt, dass Charles Brown senior (1827–1905), der Vater des einen B im Namen ABB, 1871 die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) ➔ 2 gegründet hat. Neben Dampf- und Berg-bahnlokomotiven lieferte dieses Unterneh-men später den mechanischen Teil (d. h. Kasten, Rahmen und Fahrgestell) für nahe-zu alle schweizerischen Elektrolokomo-tiven. Die beiden Söhne Browns, Charles

Gerade das elektri-sche Triebfahrzeug, gewissermaßen als harmonischstes und schönstes Mittel von Elektrotechnik und Maschinenbau, stellt immer wieder neue und äußerst interes-sante konstruktive Probleme, die gelöst werden müssen.-- Karl Sachs

1 Frühe Meilensteine

– 1890: Eine Vorgängerin der Genfer ABB Sécheron liefert die ersten elektrischen Tramwagen Frankreichs in die Stadt Clermont-Ferrand.

– 1892: Am Mont-Salève bei Genf wird die erste elektrische Zahnradbahn der Welt mit 500 V Gleichstrom gebaut.

– 1894: Die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) liefert erste Elektrotrams nach Zürich.

– 1896: BBC baut Elektrotrams für die Stadt Lugano. Die 1883 gegründete schwedi-sche ABB-Vorgängerin ASEA startet ihre elektrischen Traktionsaktivitäten mit Straßenbahnen.

– 1898: BBC rüstet die Bergbahnen Stansstaad–Engelberg und Zermatt-Gornergrat sowie die Bahn auf das 3.500 m hoch gelegene Jungfraujoch aus.

– 1901: ASEA liefert elektrifizierte Straßen-bahnen an die Stadt Stockholm.

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90 ABB technik 2|10

alle Lokomotiven einsatzbereit waren, mussten drei ähnlich gebaute Loks von der Veltlinbahn zugemietet werden.

Schon damals wurde erkannt, dass Asyn-chronmotoren für Traktionsanwendungen verschiedene Vorteile bieten. Dazu gehö-ren ihre hohe Robustheit und einfachere Wartung durch das kommutatorlose Design. Nachteilig waren die grobe Ge-schwindigkeitsabstufung durch die Polum-schaltung und die doppelte Fahrleitung, die bei Weichen problematisch war. Daher wurden Drehstrommotoren relativ selten in Traktionsanwendungen eingesetzt, bis diese Nachteile später durch leistungselek-tronische Umrichter aufgehoben wurden.1908 übernahmen die SBB die Anlage am Simplontunnel. 1919 wurden zwei weitere Lokomotiven beschafft und die Drehstrom-strecke bis nach Sitten verlängert. 1921 war die zweite Tunnelröhre vollendet. Die Drehstrom-Ära am Simplon endete 1930, als die Strecke auf Einphasen-Wechsel-strom mit 15 kV / 16 2/3 Hz umgebaut wur-de ➔ 6.

einspurigen Simplontunnel durch die Schweizer Alpen zwischen Brig (Schweiz) und Iselle (Italien) auf eigene Kosten und Risiken zu elektrifi zieren. Ein Hauptargu-ment war, dass das von den Dampfl oko-motiven produzierte Kohlemonoxid bei einer Panne im langen Tunnel eine Gefahr für die Reisenden darstellen könnte. Bis zur Tunneleröffnung blieben gerade einmal sechs Monate. Der verwendete Drehstrom von 16 2/3 Hz und 3 kV wurde von jeweils einem Kraftwerk auf jeder Seite des Tunnels geliefert. Das gleiche Stromsystem wurde auch für die oberitalienische Veltlinbahn, die Brenner- und die Giovilinie sowie für die Strecke entlang der italienischen Riviera verwendet. Der Lokomotivpark umfasste je zwei Lokomotiven vom Typ Ae 3/5 (1’C1’) /5 und Ae 4/4 (0-D-0) mit Asyn-chronmotoren und Stator-Polumschaltung zur Geschwindigkeitsregulierung. Die tief liegenden, langsam laufenden Motoren trieben die Achsen über mehrteilige Kuppelstangen an. Die Stundenleistung betrug 780 bzw. 1.200 kW bei einer Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Bis

3 MFO-Versuchslok Nr. 1 mit rotierendem Umformer und Gleich-strom-Antriebsmotoren

4 MFO-Versuchslok Nr. 2 mit Einphasen-Antriebsmotoren

Walter Boveri sprach sich gegen den Betrieb des Versorgungs- und Bahnstromnetzes mit unterschied-licher Frequenz aus. Seine Inter-vention trug dazu bei, dass als Kompromiss die Frequenz 16 2/3 Hz gewählt wurde.

2 Abkürzungen der erwähnten Bahngesellschaften und Herstellerfirmen

ASEA Allmänna Svenska Elektriska Aktiebolaget, Västeras, Schweden (1983–1988), 1988 Fusion mit BBC zu ABB

BBC Brown, Boveri & Cie. AG, Baden, Schweiz (1891–1987)

BLS Berner Alpenbahngesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon, Spiez, Schweiz

DB Deutsche Bahn AG

MFO Maschinenfabrik Oerlikon AG (1876–1967), übernommen von BBC

ÖBB Österreichische Bundesbahnen

SAAS Société Anonyme des Ateliers de Sécheron, Genf, Schweiz (1918–1969), übernommen von BBC

SBB Schweizerische Bundesbahnen

SLM Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik, Winterthur (gegr. 1871), 1998 übernommen von Adtranz

SJ Statens Järnvägar (Schwedische Staatsbahnen, seit 2001 Aktiengesellschaft)

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91Spannende Geschichte

richter zu installieren, da sich diese bei Industrieanwendungen bestens bewährt hatten. Die voluminösen Quecksilberge-fäße wären dem rauen Bahnbetrieb jedoch auf Dauer kaum gewachsen gewesen. Noch war die Zeit für die Umrichtertechnik auf Bahnfahrzeugen nicht reif.

Die Elektrifi zierung der Gotthardstrecke schritt so zügig voran, dass praktisch keine Zeit blieb, die probehalber geliefer-ten Lokomotiven ausreichend zu testen. Im Hinblick auf die zu erwartenden Liefer-termine mussten rasch Bestellungen ver-geben werden. BBC/SLM lieferten 40 Rei-sezuglokomotiven (1’B)(B1’) und MFO/SLM 50 Güterzugloks (1’C)(C1’). Beide Fahrzeugtypen verfügten über vier im Rah-men gelagerte Motoren und einen Achs-antrieb via Blindwelle und Kuppelstangen. Mit einer Stundenleistung von 1.500 bzw. 1.800 kW und Höchstgeschwindigkeiten von 75 bzw. 65 km/h erfüllten diese Ma-schinen lange Zeit die in sie gesetzten Er-wartungen. Tatsächlich erlangten die Gott-hardlokomotiven Kultstatus unter den Schweizer Bahnfahrzeugen. Dies gilt be-sonders für die 20 m langen Güterzugsloks mit zweiteiligem, gelenkig gekuppeltem Rahmen, die sogenannten „Krokodile“ ➔ 8, die fast 60 Jahre lang in Betrieb bleiben. Dieser Loktyp fand zahlreiche Nachbildun-gen im In- und Ausland und darf noch heute auf keiner repräsentativen Modell-bahnanlage fehlen.

Beiträge von Sécheron1921/22 lieferte das ABB-Vorgängerunter-nehmen Sécheron sechs Lokomotiven des Typs Be 4/7 mit dem Achsbild (1’Bo1’)(Bo’) für den Betrieb am Gotthard. Diese Maschinen verfügten über vier einzeln an-getriebene Achsen mit Westinghouse-

lieferte die Genfer Société Anonyme des Ateliers de Sécheron (SAAS) der BLS sechs Lokomotiven des Typs Ae 6/8 (1’Co)(Co1’) mit dem bewährten Einzelachs-Fe-derantrieb. Diese beförderten bis weit in die Nachkriegszeit schwere Personen- und Güterzüge.

Der elektrische Betrieb auf der GotthardlinieUnter dem Einfl uss der drückenden Kohle-knappheit während des Ersten Weltkriegs beschlossen die SBB 1916, die Gotthard-bahn mit dem Stromsystem zu elektrifi zie-

ren, das sich bereits auf der Lötschberg-strecke bewährt hatte. Die SBB ermunterten die schweizerische Ma-schinen- und Elekt-roindustrie, sich mit Elektrolok-Prototy-pen um Aufträge zu bewerben. Für die Erzeugung des Bahnstroms wurde unverzüglich mit

dem Bau von drei Hochdruck-Speicher-kraftwerken (Amsteg, Ritom und Barbe-rine) begonnen.

Der BBC-Mitbegründer Walter Boveri hatte sich vehement gegen den Betrieb des Landesversorgungs- und Bahnstrom-netzes mit unterschiedlicher Frequenz ausgesprochen. Boveris Intervention trug unter anderem dazu bei, dass für den Bahnstrom als Kompromiss die Frequenz 16 2/3 Hz (= 50 Hz : 3) gewählt wurde.

Boveri hatte auch bereits die Idee, auf den Triebfahrzeugen Quecksilberdampfgleich-

Elektrifizierung der LötschbergbahnDie durch die Berner Alpenbahngesell-schaft Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) betriebene Bahnstrecke von Thun über Spiez nach Brig hat mit Steigungen von 2,2 bis 2,7 % und Kurvenradien von 300 m einen ausgeprägten Gebirgsbahnchar-akter. Die BLS hatte von Anfang an die Absicht, die Bahn durch den 1913 vollen-deten doppelspurigen Lötschbergtunnel elektrisch zu betreiben. Der erfolgreiche Abschluss des Versuchsbetriebs auf der Strecke Seebach-Wettingen mit Einpha-sen-Wechselstrom von 15 kV und 15 Hz

veranlasste die BLS schon 1910, auch dieses Stromsystem zu wählen. Später wurde die Frequenz auf 16 2/3 Hz ange-passt. Damit ebnete die BLS den Weg so-wohl für die Elektrifi zierung der Gotthard-bahn als auch für die Bahnen in Deutschland, Österreich und Schweden, die ebenfalls dieses Stromsystem übernahmen.

Im Jahr 1910 lieferten die MFO und SLM der BLS einen Lok-Prototyp mit 1.250 kW Leistung und dem Achsbild C-C ➔ 7. Nach erfolgreichen Testfahrten beschaffte die BLS ab 1913 mehrere Lokomotiven des Typs Be 5/7 (1’E1’) mit 1.800 kW. Ab 1930

5 BBC-Drehstromlok der Simplon-Tunnelstrecke (1906)

Asynchronmotoren bieten mehrere Vorteile für Traktions-anwendungen. Dazu gehören ihre hohe Robustheit und ein-fachere Wartung durch das kommutatorlose Design.

6 Auf der Suche nach dem optimalen Stromsystem

Im Jahr 1904 konstituierte sich die „Schweizeri-sche Studienkommission für den elektrischen Bahnbetrieb“, um „die technischen und fi nanziellen Grundlagen für die Einführung des elektrischen Betriebs auf den schweizerischen Eisenbahnen zu studieren und abzuklären“. In detaillierten Studien wurde die Eignung ver-schiedener Stromsysteme für den Eisenbahnbe-trieb unter Berücksichtigung vorliegender Erfahr-ungen untersucht, und die Ergebnisse wurden periodisch publiziert. Im Jahr 1912 kam die Kommission zu dem Schluss, dass für die Elektrifi zierung des schweizerischen Hauptbahn-netzes Einphasenstrom mit einer Fahrdrahtspan-nung von 15 kV und einer Frequenz von ca. 15 Hz allen anderen Systemen vorzuziehen sei.

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92 ABB technik 2|10

auf 110 km/h heraufgesetzt werden konnte. Der Lokomotivtyp war ein großer Erfolg für die Schweizer Industrie, und es folgten Exportaufträge und Lizenzabkommen für ähnlich gebaute Lokomotiven aus Deutsch-land, Tschechien, Frankreich, Spanien und Japan. Insgesamt dürften an die 1.000 Schienenfahrzeuge mit Buchli-Antrieben ausgerüstet worden sein.

Längere und schwerere internationale Züge auf der Gotthard- und der Simplonstrecke führten bald zu einem Bedarf an leistungs-fähigeren Mehrzweckloks. Als Weiterent-wicklung des oben beschriebenen Typs entstand von 1927 bis 1934 eine Serie von 127 Lokomotiven des Typs Ae 4/7 (2’Do1’) mit dem bewährten BBC-Einzelachsantrieb.

Auch wenn ein bekannter Schweizer Design-kritiker diesen Maschinen ein „Äffchen-Ge-sicht“ andichtete, prägten sie jahrzehntelang das Erscheinungsbild der SBB und blieben teilweise bis in die 1990er Jahre in Betrieb.

Nachkriegstrend: DrehgestellloksDie meisten der bisher beschriebenen Lokomotiven besaßen eine Kombination aus Lauf- und Antriebsachsen – ein Kon-zept, das vom Dampfl okomotivenbau über-nommen worden war. 1944 brachen BBC/SLM mit dieser Tradition und lieferten die ersten laufachslosen Hochleistungs-Dreh-gestelllokomotiven des Typs Ae 4/4 (Bo’Bo’) an die BLS, die mit 3.000 kW eine Höchst-geschwindigkeit von 120 km/h erreichten.

sentlich geringer als bei Schweizer Ge-birgsbahnen. Die schweren Erzzüge stellen jedoch hohe Anforderungen an die Leis-tungsfähigkeit der Lokomotiven. ASEA lie-ferte den elektrischen Teil für 12 Güterzug-Doppellokomotiven (1’C) (C1’) mit Stan-genantrieb und einer Leistung von 1.200 kW sowie für zwei Schnellzugloks (2’B2’) mit 600 kW, ebenfalls mit Stangenantrieb. Später kamen noch vierachsige D-Güter-zugloks mit einer Gesamtleistung von 10.650 kW hinzu, die meistens in Doppel-traktion fuhren. 1925 wurde auch die 460 km lange SJ-Hauptstrecke zwischen Stockholm und Göteborg elektrifi ziert. Zum Einsatz gelangten Lokomotiven mit dem Achsbild 1’C1’ und einer Leistung von 1.200 kW, deren Ausrüstung ebenfalls von ASEA stammte.

Erfolgreicher EinzelachsantriebNach Aufnahme des elektrischen Be-triebs auf der Gott-hardstrecke dehnten die SBB die Elektrifi zierung des Schienen-netzes auf das Schweizer Mittelland und die Juralinien aus. 1927 war der durchgehend elektrische Betrieb vom Bodensee zum Genfer See möglich. Hierzu hatten BBC/SLM die Reisezuglokomotive Ae 3/6 II (2’Co1’) mit einem neuartigen Einzelachs-antrieb entwickelt. Das nach seinem Konst-rukteur Buchli benannte Antriebskonzept bestand aus einem in einer Ebene wirken-den Doppelhebel-„Kardangelenk“ zwischen dem im Rahmen gelagerten Motor und der dazugehörigen gefederten Antriebsach-se ➔ 10. Die SBB nahmen 114 Lokomotiven dieses Typs in Betrieb. Die Konstruktion be-währte sich so gut, dass die anfängliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 90 km/h

Federantrieb ➔ 9. Trotz ihrer guten Lauf-eigenschaften blieb es bei dieser geringen Stückzahl, da die SBB dem neuartigen Einzelachsantrieb anfänglich misstrauten. Für die Mittellandstrecken bestellten die SBB bei SAAS 26 Personenzugloks vom Typ Ae 3/5 (1’Co1’) mit identischem Federantrieb und einer Höchstgeschwin-digkeit von 90 km/h. Mit einem Gewicht von 81 t waren diese Maschinen wesent-lich leichter als andere Bauarten. Später kamen noch zehn ähnliche Maschinen (Typ Ae 3/6 III) mit einem zweiachsigen Lauf-drehgestell (Achsbild 2’Co1’) hinzu. Die drei erwähnten Loktypen wurden allgemein als „Sécheron-Maschinen“ bezeichnet und waren hauptsächlich in der Westschweiz anzutreffen. Einige blieben bis in die frühen 1980er Jahre in Betrieb. Zuletzt waren sie vor allem vor Autozügen durch den Gott-hard- und den Lötschbergtunnel im Einsatz.

Aktivitäten von ASEA im BahnsektorWie in der Schweiz begann die Elektrifi zie-rung der schwedischen Staatsbahnen vor dem Ersten Weltkrieg. Von 1911 bis 1914 wurde die 120 km lange sogenannte Lappland- oder Erzbahn elektrifi ziert. Die-se dient hauptsächlich zum Transport der in Kiruna abgebauten Magnetiterze zum norwegischen Hafen Narvik, der wegen des Golfstroms ganzjährig eisfrei ist. Schweden besitzt reiche Wasserkraftres-sourcen. Das Wasserkraftwerk Porjus liefert die Energie für die Bahn, die mit Ein-phasen-Wechselstrom von 15 kV und 16 2/3 Hz (anfänglich 15 Hz) betrieben wird. Bis 1920 wurde die Elektrifi zierung über Gellivare bis nach Lulea am Bottnischen Meerbusen fortgesetzt. Der norwegische Abschnitt wurde erst 1923 elektrifi ziert. Das überquerte Gebirge ist mittelhoch und die Steigungen sind mit 1,0 bis 1,2 % we-

7 Versuchslokomotive für die Lötschbergbahn (1910) 8 SBB-Krokodil Ce 6/8 von der MFO für den Gütertransport auf der Gotthardstrecke

Die sogenannten „Krokodile“ erlangten Kultstatus unter den Schweizer Lokomotiven.

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93Spannende Geschichte

dert wird. Diese Drehgestell-Lokomotiven mit einer Stundenleistung von knapp 5 MW haben sich außerordentlich gut bewährt. Eine Maschine wurde versuchsweise auf Thyristorgleichrichter umgerüstet und auf der österreichischen Semmeringstrecke erfolgreich getestet. Daraufhin bestellten die ÖBB bei ABB in Wien 216 ähnlich ge-baute Lokomotiven des Typs 1044.

Die Kombination aus Frequenzumrichtern und Asynchronmotoren erwies sich als be-sonders vorteilhaft. Damit wurde ein weit-gehend einheitliches, von der Stromart in der Fahrleitung unabhängiges Antriebs-konzept ermöglicht, das sich in gewissem Umfang standardisieren ließ und den Bau von Lokomotiven für internationale Züge erleichterte, die mit unterschiedlichen Spannungen und Frequenzen betrieben werden können. Ferner sind robuste Dreh-

Gleichstrom und einer Fahrdrahtspannung von 1.500 oder 3.000 V zu elektrifi zieren, wurde in Regionen mit Wechselstromsyste-men erwogen, die Lokomotiven mit Gleich-richtern auszurüsten. Einer der Nachteile der Elektrifi zierung mit Gleichstrom ist, dass die Fahrdrahtspannung relativ niedrig sein muss, da keine Transformatoren verwendet werden können. Dies führt zu höheren Leit-verlusten, weshalb mehr Unterwerke ent-lang der Strecke erforderlich sind. Aus die-sem Grund waren die Hersteller von Schienenfahrzeugen lange auf der Suche nach Lösungen, um Gleichstromantriebe und Wechselstromelektrifi zierung miteinan-der zu kombinieren (siehe die erste MFO-Lokomotive auf der Strecke Seebach–Wet-tingen). Erst nach der Entwicklung von vakuumdichten Einanoden-Quecksilber-dampfgefäßen (sogenannte Ignitrons oder Excitrons) wurden Gleichrichter-Lokomo-tiven in größeren Stückzahlen gebaut (vor allem in den USA und in den Ländern des Ostblocks).

Dies änderte sich mit der Halbleiter-Revo-lution in der Elektronik, als Halbleiterkom-ponenten auch in Lokomotiven eingesetzt wurden. Zwischen 1965 und 1983 be-schaffte die BLS 35 Lokomotiven des Typs Re 4/4, Serie 161 ➔ 12. Anstelle von Ein-phasen-Fahrmotoren verfügen diese Loks über Wellenstrommotoren. Dabei fl ießt der Fahrleitungsstrom nach dem Transforma-tor mit Hochspannungsstufenschalter durch ölgekühlte, statische Dioden-Gleichrichter und Glättungsdrosseln zu den Motoren. Die beiden Fahrmotoren pro Drehgestell sind parallel geschaltet, wodurch die Schleudergefahr auf Bergstrecken vermin-

In der Folge wurden praktisch von allen Bahngesellschaften Drehgestell-Lokomoti-ven beschafft. Ab 1946 erhielten die SBB 32 Leichtschnellzugloks des Typs Re 4/4 I, denen ab 1963 eine Serie von 174 wesent-lich lleistungsfähigeren Schnellzugsloks der Baureihe Re 4/4 II folgte. Letztere sind noch immer in Betrieb. Bei einem Gewicht von 80 t und einer Leistung von 4.000 kW errei-chen sie eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h.

Auch ASEA wandte sich der Entwicklung von Drehgestellloks zu. Die erste Bo’Bo’-Lokomotive vom Typ Ra erschien 1955 ➔ 11. Mit den gesickten Seiten-wänden, den Bullaugenfenstern und dem rundlichen „Babygesicht“ orientierte sich das Design an amerikanischen Trends. Analog zu den Schweizer Vorbildern hatte sie pro Drehgestell zwei Triebmotoren. Mit einem Gewicht von nur 60 t erreichte sie eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Diese Loks waren äußerst erfolgreich und blieben bis in die 1980er Jahre im Dienst. 1962 folgten die ersten Gleichrichterloko-motiven vom Typ Rb und 1967 die Thyris-torloks vom Typ Rc. Letztere wurden auch nach Österreich geliefert (Typ 1043) und in den USA von General Motors in Lizenz gebaut (Typ AEM-7).

Von der Gleichrichter- zur Umrichter-technikKonstruktiv entspricht der Einphasen-Wechselstrommotor weitgehend einem Gleichstrommotor. Jedoch ist die Drehzahl- bzw. Leistungsregulierung mit Gleichstrom einfacher. Während einige Länder sich dazu entschlossen, ihre Hauptbahnnetze mit

9 Einzelachs-Federantrieb Bauart Sécheron

10 Einzelachsantrieb System Buchli von BBC (BBC 12395)

Die Motorwelle ist mit dem oberen und die Achse mit dem unteren Zahnrad verbunden.

Konstruktiv ent-spricht der Einpha-sen-Wechselstrom-motor weitgehend einem Gleichstrom-motor. Jedoch ist die Drehzahl- bzw. Leistungsregulie-rung mit Gleich-strom einfacher.

Die Federung trägt zur Entkopplung der Bewegung von Achse und Motor und somit zur Reduzierung des Schienenverschleißes bei.

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94 ABB technik 2|10

den letzten Jahren hat ABB neue elektri-sche Komponenten für unterschiedliche Fahrleitungsspannungen und Frequenzen sowie für dieselelektrische Antriebe entwi-ckelt. ABB liefert die Transformatoren, An-triebsstromrichter, Bordnetzversorgungen und Batterieladegeräte für Stadler-Züge. Ab 2011 werden 50 neue Stadler-Doppel-stockzüge für die SBB in Betrieb gehen.

Norbert Lang

Archivist

ABB Schweiz

[email protected]

Literatur– Bugli, Ralph W. (Hrsg.) (1983): „Electrifying

Experience. A Brief Account of The ASEA Group of Sweden 1883–1983“

– Haut, F. J. G. (1972): „Die Geschichte der elektrischen Triebfahrzeuge“. Bd. 1

– Huber-Stockar, E. (1928): „Die Elektrifikation der Schweizer Bundesbahnen“

– Machefert-Tassin et al (1980): „Histoire de la traction électrique“. 2 vol.

– Sachs, K:: „Elektrische Triebfahrzeuge“ (1973). 3 Bde

– Schneeberger, H. (1995): „Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge der SBB“. Bd. I: Baujahre 1904–1955

– Teich, W. (1987): „BBC-Drehstrom-Antriebs-technik für Schienenfahrzeuge“

– ABB Technik (1988–2010)– ASEA Journal (engl. Ed.) (1924–1987)– BBC Mitteilungen (1914–1987)– BBC Nachrichten (1928–1943, 1950–1987)– Bulletin Oerlikon (1921–1970)– Bulletin Sécheron (1929–1972)

es die meisten Gesellschaften vor, bei ein-heimischen Herstellern zu kaufen. Dies än-derte sich jedoch Ende der 1980er und in den 1990er Jahren. Durch die Vorfertigung montagebereiter Einheiten wurden nicht nur die Durchlaufzeiten erheblich verkürzt, auch die Endmontage kann praktisch überall er-folgen. In Verbindung mit der Liberalisierung der Märkte führte dies in der Industrie zu einem Übergang von der Komplettmontage für einen lokalen Markt zur Komponenten-lieferung für einen globalen Markt.

Das ABB-Bahngeschäft in der GegenwartNach dem Zusammenschluss von ASEA und BBC zu ABB wurde der Geschäftsbe-reich Verkehrssysteme zu einer selbststän-digen Gesellschaft innerhalb des Konzerns. 1996 legten ABB und Daimler-Benz ihre Schienenverkehrsaktivitäten zusammen und fi rmierten unter dem Namen ABB Daimler-Benz Transportation (Adtranz). 1998 übernahm Adtranz die Schweizer Unternehmen SLM und Schindler Waggon. 1999 trat ABB ihren Adtranz-Anteil an DaimlerChrysler ab, die dann den gesam-ten Bahnsektor an Bombardier verkauften. ABB baut also heute keine kompletten Lokomotiven mehr, liefert aber weiterhin verschiedene Hochleistungsprodukte für anspruchsvolle Traktionsanwendungen.

Seit 2002 besteht zwischen ABB und dem international tätigen Schweizer Schienen-fahrzeughersteller Stadler Rail AG eine enge strategische Zusammenarbeit. Das Unternehmen ist aus einer Produktions-fi rma entstanden, die ursprünglich diesel- und batterieelektrische Traktoren für Werk-bahnen und Industriegleise hergestellt hat. Heute ist Stadler ein bedeutender interna-tionaler Lieferant von Reisetriebzügen. In

strom-Asynchronmotoren aufgrund des kommutatorlosen Designs einfacher in der Wartung und zeichnen sich durch eine höhere Leistungsdichte aus, was wieder-um den Bau von kleineren bzw. leistungs-stärkeren Motoren ermöglicht. Typische Beispiele, an deren Entwicklung BBC bzw. ABB maßgeblich beteiligt waren, sind die E120 der Deutschen Bundesbahn (DB), die Re 4/4 der Bodensee-Toggenburg-Bahn und der Sihltalbahn, die Re 450 und Re 460 der SBB sowie die Re 465 der BLS.

HochgeschwindigkeitszügeZwischen 1989 und 1992 nahm die DB 60 IEC-Züge (Intercity Express) in Betrieb, die auf der Technik der E120 aufbauen. Die Züge verfügen über zwei Triebköpfe mit umrichtergesteuerten Drehstrom-Asyn-chronmotoren und 11 bis 14 Zwischen-wagen. Auf der Neubaustrecke Hamburg – Frankfurt – München erreichte einer dieser Züge auf einer Versuchsfahrt eine Geschwindigkeit von 280 km/h.1990 lieferte ABB Schweden der SJ den ersten von 20 Hochgeschwindigkeits-zügen der Klasse X2000 mit Neigetechnik für den Schnellverkehr zwischen Stockholm und Göteborg. Auch sie sind mit GTO-Thy-ristor-Umformern und Asynchronmotoren ausgestattet und erreichen eine Höchstge-schwindigkeit von 200 km/h. Inzwischen verkehren diese Züge in Schweden auch auf anderen Strecken und ermöglichen Reisezeitverkürzungen von bis zu 30 %.

Rationalisierung des Eisenbahn-geschäftsWohl kaum ein anderes Produkt der Maschinen- und Elektroindustrie war für ein breites Publikum so prestigeträchtig wie Eisenbahntriebfahrzeuge. Und obwohl auch Fahrzeuge exportiert wurden, zogen

12 Gleichrichterlokomotive Re 4/4 der BLS, Serie 161 (1965)11 ASEA Drehgestell-Lokomotive vom Typ Ra der Schwedischen Staatsbahnen

d = 1.300

2.200 2.2002.900

1 2

3 3

2.9004.900

15.100

7.800

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95Vorschau

Vorschau 3|10

Grüne Aussichten

ABB bietet zahlreiche Technologien, die dabei helfen, Produk-tionsabläufe und Prozesse sowohl im Hinblick auf die Energie-nutzung als auch die Produktivität effizienter zu gestalten. Drehzahlgeregelte Antriebe ermöglichen zum Beispiel erhebliche Energieeinsparungen im Vergleich zu herkömmlichen Drossel-regelungen. So wird nicht nur weniger Energie für dieselbe Arbeit benötigt (zum Vorteil der Umwelt), sondern es werden dank kurzer Amortisationszeiten auch Kosten gespart. Typische Anwendungen für solche drehzahlgeregelte Antriebe sind Lüfter, Transportbänder und Förderzeuge. Aber auch in ungewöhn-lichen Anwendungen wie dem schließbaren Dach des Football-stadions der Dallas Cowboys kommen sie zum Einsatz.

Drehzahlgeregelte Antriebe sind nur eine Anwendung, in der das Know-how von ABB auf dem Gebiet der Leistungselektronik zum Einsatz kommt. Mithilfe leistungselektronischer Elemente lassen sich Strom und Spannung in praktisch jede gewünschte Wellenform und Frequenz umwandeln. In der Ausgabe 3/2010 der ABB Technik stellen wir einige dieser Anwendungen vor und befassen uns mit Halbleiterschaltern als zentralen Komponenten der Leistungselektronik.

Unter dem Aspekt der Energieeinsparung und Produktivitäts-steigerung befassen wir uns außerdem mit einem Gebäude der Zukunft, neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Wind-energie sowie einer Möglichkeit zur Reduzierung der Emissionen von Schiffsmotoren.

Editorial Board

Peter TerwieschChief Technology OfficerGroup R&D and Technology

Clarissa HallerHead of Corporate Communications

Ron PopperManager of Sustainability Affairs

Axel KuhrHead of Group Account Management

Friedrich PinnekampVice President, Corporate Strategy

Andreas MoglestueChief Editor, ABB [email protected]

HerausgeberDie ABB Technik wird herausgegeben von ABB Group R&D and Technology.

ABB Asea Brown Boveri Ltd.ABB Review/REVCH-8050 ZürichSchweiz

Die ABB Technik erscheint viermal pro Jahr in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Chinesisch und Russisch. Die ABB Technik wird kostenlos an Personen abgegeben, die an der Technologie und den Zielsetzungen von ABB interessiert sind. Wenn Sie an einem kosten-losen Abonnement interessiert sind, wenden Sie sich bitte an die nächste ABB-Vertretung, oder bestellen Sie die Zeitschrift online unter www.abb.com/abbreview.

Der auszugsweise Nachdruck von Beiträgen ist bei vollständiger Quellenangabe gestattet. Ungekürzte Nachdrucke erfordern die schriftliche Zustimmung des Herausgebers.

Herausgeber und Copyright © 2010ABB Asea Brown Boveri Ltd.Zürich, Schweiz

Satz und DruckVorarlberger Verlagsanstalt GmbHAT-6850 Dornbirn, Österreich

LayoutDAVILLA Werbeagentur GmbHAT-6900 Bregenz, Österreich

ÜbersetzungThore Speck, Dipl.-Technikübersetzer (FH)D-24941 Flensburg, Deutschland

HaftungsausschlussDie in dieser Publikation enthaltenen Informationen geben die Sicht der Autoren wieder und dienen ausschließlich zu Informa tionszwecken. Die wie-dergegebenen Informationen können nicht Grund-lage für eine praktische Nutzung derselben sein, da in jedem Fall eine professionelle Beratung zu empfehlen ist. Wir weisen darauf hin, dass eine technische oder professionelle Beratung vor-liegend nicht beabsichtigt ist. Die Unternehmen der ABB-Gruppe übernehmen weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Haftung oder Garantie für die Inhalte oder die Richtigkeit der in dieser Publikation enthaltenen Informationen.

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Als weltweit führendes Unternehmen der Energie- und Automationstechnik trägt ABB entscheidend dazu bei, öffentliche Verkehrssysteme effizient und sicher zu betreiben, um die Umwelt nachhaltig zu entlasten. Unsere zuverlässigen Produkte sind überall dort anzutreffen, wo sich Verkehrsmittel mit Hilfe elektrischer Energie in Bewegung setzen. Zum Beispiel mit energieeffizienten Bordnetzversorgungen, Produkten für die Bahninfrastruktur und Lösungen für Netzwerk Management. www.abb.com/railway

Powering the railways. Effiziente und zuverlässige Lösungen für eine nachhaltige Mobilität.

INNOTRANSBerlin, 21. – 24. September 2010Hallen 2.2 & 26, Stände 207 & 226