Abbruch des rechtsrheinischen Pfeilers der Rheinbrücke Wesel · Rammen, Schweißen, Schifffahrt,...

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1 Abbruch des rechtsrheinischen Pfeilers der Rheinbrücke Wesel Nachdem im Jahr 2009 eine neue moderne Schrägseilbrücke über den Rhein für den Ver- kehr freigegeben wurde, waren die alte Brücke und deren Pfeiler im Rhein zurückzubauen. Für den Rückbau der Pfeiler war unter den schwie- rigen Bedingungen im Gewässerbereich eine Spundwandbaugrube zu errichten. Zusätzlich war ein sehr großes Leitwerk als Schutz der Baugrube vor den großen auf Rhein fahrenden Schiffen zu errichten. Im Schutze der Baugrube wurde der alte massive Pfeiler konventionell abgebrochen. Nach dem Abbruch des Pfeilers bis weit unter die Gewässersohle waren das Leitwerk und die Baugrube wieder zurückzu- bauen. Die Arbeiten im Gewässerbereich und deren besondere Aufgabenstellungen werden hier beschrieben. Wasserbau, Spundwand, Leitwerk, Abbruch, Rammen, Schweißen, Schifffahrt, Ponton, Kran- schiff, Rammgerät Geschichte der Rheinbrücke Am 27. Juli 1917 wurde die erste Straßen- brücke über den Rhein bei Wesel für den Ver- kehr freigegeben. Für die nächsten Jahrzehnte war sie die nördlichste deutsche Rheinbrücke für den Straßenverkehr. Die seinerzeit Rhein- babenbrücke genannte Brücke trug den Namen ihres Initiators, des preußischen Staatsministers Georg von Rheinbaben. Das 510 m lange Bau- werk hatte sechs Öffnungen und war eine Stahl- fachwerkkonstruktion mit einem dreifeldrigen Abschnitt über dem Rhein (Bild 1). Die Stützweite im Hauptfeld betrug 150 m, die Bauhöhe war maximal 9,0 m über den Haupt- pfeilern, in den restlichen Bereichen 5,0 m. Zum Ende des 2. Weltkriegs wurde die Brücke am 10. März 1945 gesprengt. Unmittelbar nach Kriegsende wurde sehr schnell auf den Überresten der zerstörten Rhein- babenbrücke eine größtenteils hölzerne Behelfs- brücke mit 35 Pfahljochen und Stützweiten von zirka 16 m und in Strommitte von ungefähr 28 m erstellt. Ersetzt wurde diese wiederum ca. ein halbes Jahr später durch eine britische Pio- nierbrückenkonstruktion. Diese Konstruktion erhielt den Namen Montgomery Bridge, welche aber immer noch eine Behelfsbrücke darstellte. Für jede der beiden Fahrspuren wurde ein un- gefähr 620 m langes Brückengerüst verwendet. Zwischen diesen war ein Radweg angeordnet und an den Seiten je ein Gehweg. Dieses Bau- werk hatte Regelstützweiten von 73,15 m, die Pfeiler waren auf je 18 Rammpfählen gegründet. Im Jahr 1950 begann der Ersatzbau für die Behelfsbrücke, die Einweihung der Brücke war am 18. Juni 1953. Aus Kostengründen wurde die Brücke in der gleichen Lage auf den Funda- menten der Rheinbabenbrücke von 1917 er- richtet. Das Bauwerk hatte bei einer Nutzbreite von 11,6 m zwei Fahrspuren und zwei Gehwege. Die Baukosten betrugen damals ca. 7,6 Millionen DM. Der insgesamt 508,5 m lange Brückenzug bestand aus einer rechtsrheinischen Vorland- brücke mit 54,25 m Stützweite, einer zweifeldri- gen linksrheinischen Vorlandbrücke mit Stütz- Bild 1: Historie der Rheinbrücken Abbruch des rechtsrheinischen Pfeilers der Rheinbrücke Wesel Dipl.-Ing. Thomas Groß und Dipl.-Ing. Holger Neuhaus

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Abbruch des rechtsrheinischen Pfeilers der Rheinbrücke Wesel

Nachdem im Jahr 2009 eine neue moderneSchrägseilbrücke über den Rhein für den Ver-kehr freigegeben wurde, waren die alte Brückeund deren Pfeiler im Rhein zurückzubauen. Fürden Rückbau der Pfeiler war unter den schwie-rigen Bedingungen im Gewässerbereich eineSpundwandbaugrube zu errichten. Zusätzlichwar ein sehr großes Leitwerk als Schutz derBaugrube vor den großen auf Rhein fahrendenSchiffen zu errichten. Im Schutze der Baugrubewurde der alte massive Pfeiler konventionellabgebrochen. Nach dem Abbruch des Pfeilersbis weit unter die Gewässersohle waren dasLeitwerk und die Baugrube wieder zurückzu-bauen. Die Arbeiten im Gewässerbereich undderen besondere Aufgabenstellungen werdenhier beschrieben.

Wasserbau, Spundwand, Leitwerk, Abbruch,Rammen, Schweißen, Schifffahrt, Ponton, Kran-schiff, Rammgerät

Geschichte der Rheinbrücke

Am 27. Juli 1917 wurde die erste Straßen-brücke über den Rhein bei Wesel für den Ver-kehr freigegeben. Für die nächsten Jahrzehntewar sie die nördlichste deutsche Rheinbrückefür den Straßenverkehr. Die seinerzeit Rhein -babenbrücke genannte Brücke trug den Namenihres Initiators, des preußischen StaatsministersGeorg von Rheinbaben. Das 510 m lange Bau-werk hatte sechs Öffnungen und war eine Stahl-fachwerkkonstruktion mit einem dreifeldrigenAbschnitt über dem Rhein (Bild 1).

Die Stützweite im Hauptfeld betrug 150 m,die Bauhöhe war maximal 9,0 m über den Haupt-pfeilern, in den restlichen Bereichen 5,0 m. ZumEnde des 2. Weltkriegs wurde die Brücke am10. März 1945 gesprengt.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde sehrschnell auf den Überresten der zerstörten Rhein-babenbrücke eine größtenteils hölzerne Behelfs-brücke mit 35 Pfahljochen und Stützweiten vonzirka 16 m und in Strommitte von ungefähr 28 m erstellt. Ersetzt wurde diese wiederum ca.ein halbes Jahr später durch eine britische Pio-nierbrückenkonstruktion. Diese Konstruktion

erhielt den Namen Montgomery Bridge, welcheaber immer noch eine Behelfsbrücke darstellte.Für jede der beiden Fahrspuren wurde ein un-gefähr 620 m langes Brückengerüst verwendet.Zwischen diesen war ein Radweg angeordnetund an den Seiten je ein Gehweg. Dieses Bau-werk hatte Regelstützweiten von 73,15 m, diePfeiler waren auf je 18 Rammpfählen gegründet.

Im Jahr 1950 begann der Ersatzbau für dieBehelfsbrücke, die Einweihung der Brücke waram 18. Juni 1953. Aus Kostengründen wurdedie Brücke in der gleichen Lage auf den Funda-menten der Rheinbabenbrücke von 1917 er-richtet. Das Bauwerk hatte bei einer Nutzbreitevon 11,6 m zwei Fahrspuren und zwei Gehwege.Die Baukosten betrugen damals ca. 7,6 MillionenDM. Der insgesamt 508,5 m lange Brückenzugbestand aus einer rechtsrheinischen Vorland-brücke mit 54,25 m Stützweite, einer zweifeldri-gen linksrheinischen Vorlandbrücke mit Stütz -

Bild 1: Historie derRheinbrücken

Abbruch des rechtsrheinischen Pfeilers der Rheinbrücke WeselDipl.-Ing. Thomas Groß und Dipl.-Ing. Holger Neuhaus

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weiten von 55,5 m und 54,75 m und der Strom-brücke. Die Vorlandbrücken waren Spannbeton-konstruktionen, die Hauptbrücke war einedreifeldrige Fachwerkbrücke aus Stahl mit demDurchlaufträger als Bauwerkssystem in Längs-richtung. Die Stützweiten der 344 m langenKonstruktion betrugen in den Randfeldern 97 mund im Mittelfeld 150 m. Das Fachwerk hatteeine Systemhöhe von 12,0 m. Die Fahrbahn-platte bestand aus Stahlbeton. Diese Brücke er-füllte ihre Funktion bis zur Verkehrsfreigabe derneuen Rheinbrücke Wesel im Herbst des Jahres2009.

Die neue Rheinbrücke wurde als einhüftigeSchrägseilbrücke mit einem 130 m hohen Pylonam linksrheinischen Ufer gewählt. Der Brücken-zug ist insgesamt 772,54 m lang, hat vier Fahr-

streifen sowie beidseitig je einen Geh- und Rad-weg. Somit überspannt das Bauwerk den Rheinsowie das zwischen den Hochwasserdämmenliegende Vorland. Im Strombereich war eineÖffnung von mindestens 300 m Breite sowieeine lichte Höhe von 9,1 m beim höchstenschiffbaren Wasserstand freizuhalten (Bild 2).

Beschreibung der Bauaufgabe

Nach Errichtung der neuen Rheinbrückewaren die alten Pfeiler und Fundamente imRheinstrom aus diesem bis zu einer Tiefe von4,50 m unter der Rheinsohle zu entfernen.

Für die Beseitigung der alten Fundamentegab es verschiedene Lösungsansätze, wie z.B.das Sprengen, auch unter Wasser und anschlie-ßendes Ausbaggern des gesprengten Materialsaus dem Rhein. Diese Lösung wurde jedochverworfen, da der alte Pfeiler sehr dicht, teil-weise sogar unter der neuen Rheinbrücke liegt.Man befürchtete Beschädigungen an der neuenRheinbrücke. Weiterhin zeigte sich, dass die alten Fundamente schon im Schutz einer Spund-wandbaugrube hergestellt worden sind. DieseSpundwände sind im Baugrund verblieben undwürden wahrscheinlich für eine Sprengung eingroßes Hindernis darstellen, da das Material sichmit der Sprengwirkung nicht nach außen aus-dehnen könnte (Bild 3).

Letztlich verblieb als Lösung nur das kon-ventionelle Abbrechen der Pfeiler samt Funda-ment mit Hydraulibaggern und sonstigen An-

Stahlspundwände (13) – Planung und Anwendung

Bild 2: Neue Rhein -brücke (noch mitalten Pfeilern)

Bild 3: Schnitt durch diealten Pfeiler

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baugeräten. Der rechtsrheinische Pfeiler liegtunmittelbar an bzw. in der Schifffahrtsrinne undist im Prinzip von beiden Seiten für die Schiffe„erreichbar“ bzw. befahrbar. Dieser Pfeiler waralso vom Wasser aus zurückzubauen. Hierzu warnatürlich eine umfangreiche Ausstattung mitWasserbaugeräten, Schiffen und schwimmendenEinheiten notwendig. Weiterhin musste das alteFundament mit einem Spundwandkasten umge-ben werden, um den Abbruch im Trockenenzu ermöglichen. Damit dieser Abbruch gefahr-los für die dort arbeitenden Menschen vondurchgeführt werden, war auch noch ein sehrgroßes Leitwerk für die laufende Schiffahrt zuerrichten.

Der Abbruch des Pfeilers über der Wasser -linie erfolgt konventionell mit einem Long-Front-Abbruchbagger mit Stemmhammer. Da das Ab-bruchgut nicht in den Rheinstrom fallen durfte,wurde der Spundwandkasten verfüllt und dasAbbruchgut von dieser Kiesoberfläche abgebag-gert. Das Baggern und der Transport an Landerfolgte mit einem Motorkranschiff. Der 60 tschwere Abbruchbagger wurde an einer in derNähe befindlichen Rampe über Schwerlastram-pen auf ein 4-Stelzenponton gefahren, welchesdann mit einem Schubschiff an der Pfeilerbau-grube platziert wurde (Bild 4).

Unter der Spundwandoberkante erfolgt derAbbruch mit kleineren Abbruchbaggern undHämmern Lage für Lage. Auch dieses Abbruch-gut wird mit Kranschiffen geladen und zur Um-schlagstelle am Ufer transportiert.

Herstellung der Spundwandbaugrube

Die Spundwandbaugrube wurde nicht alsrechteckiger Kasten konzipiert, sondern hatte„Spitzen“ Richtung Unterstrom und Oberstrom,was zum einen für das strömende Wasser gün-stig war, zum anderem aber auch möglicher-weise kollidierende Schiffe etwas von der Bau-grube ableiten würde (Bild 4). Die Abmessun-gen der Baugruben ergaben sich somit zu einerLänge von 47,00 m und 21,00 m Breite. DieBemessung der Baugrube ergab aufgrund derhohen möglichen Wasserspiegeldifferenz (maxi-mal 11,00 m) zwischen Innen und Außen großeKräfte, so dass eine Spundbohle vom Typ Lars-sen 607 in einer Länge von 23,00 m zu verwen-den war.

Aufgrund des Standortes mitten im Wassermusste die Baugrube möglichst wasserdichtausgebildet werden. Deshalb wurden die Spund-

bohlen mit einer Schlossdichtung aus Poly -urethan/Epoxidharz nach dem System Hoeschausgestattet. Die im Fädelschloss angebrachteDichtung ist so ausgelegt, dass beim Einram-men der Bohle Rückstellkräfte im Dichtungs -material aktiviert werden, die den Schlossspaltim gewünschten Bereich abdichten (Kom -pressionsdichtung). Durch die Anordnung vonzwei Dichtungslippen im Schloss wird einedoppelte Sicherheit des Dichtungssystems ge-währleistet. Sehr wichtig für das fortlaufendeEinrammen ist, dass die Rammrichtung von ge-dichteten Bohlen in einem Rammplan vor Bau-ausführung festgelegt und auf der Baustellestrikt eingehalten wird. Optimal geeignet istdas Dichtungssystem bei schlagender Rammung.Bei Vibration der Bohlen muss sorgfältig aufdie Vermeidung einer Überhitzung geachtetwerden, da die Bohle im Schloss sonst Schadennehmen könnte.

Die Rammarbeiten mitten im Rhein mithohen Fließgeschwindigkeiten mit großen strö-menden Wassermassen stellt große Herausfor-derungen an die Ausführung. Es kamen sehrgroße stabile Ponten und Kranschiffe zum Ein-satz. Eine der anspruchsvollsten Aufgabenwar es, die Geräte an die richtige Stelle zu na-vigieren, so dass die Rammarbeiten mit denentsprechenden Genauigkeiten ausgeführt wer-den konnten.

Bild 4: Abbruch oberhalb des Wassers

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Die Spundbohlen mussten 8,00 bis 10,00 min die dicht bis sehr dicht gelagerten tertiärenSande eingebracht werden, was den Einsatzeines relativ großen Rüttlers (PTC 60, Fliehkraft1890 kN) notwendig machte. Zusätzlich wurdenpro Doppelbohle vier Spülrohre montiert. Mitder Leistungsfähigkeit dieses Rüttlers und derSpülunterstützung war es möglich, die 23,00 mlangen Bohlen auf eine Länge von ca. 15,50 m indie Rheinsohle einzubringen (Bild 5).

Eine weitere Herausforderung stellte dieteilweise Anordnung der Baugrube unter derneuen fertiggestellten Rheinbrücke dar. Dieunterstromige Spitze der Baugrube lag unterhalbdes neuen Überbaus, so dass für das Einbringenvon acht Spundbohlen kein freier Luftraum zurVerfügung stand (Bild 6).

Diese Bohlen wurden in je drei Teilstückengeliefert und auf der Baustelle nach dem Ein-rammen der jeweiligen Teilstücke mit einemVollschweißstoß zusammengefügt. Die Voll-

schweißstöße wurden zusätzlich mit Lamellenan beiden Seiten der Bohlen an allen Flanschenverschweißt, um die notwendige Biegesteifigkeitder Bohle sicher wiederherzustellen. Zusätzlichwaren an allen Bohlenstößen die durchtrenntenbzw. aufgrund der notwendigen Schweißarbei-

Stahlspundwände (13) – Planung und Anwendung

Bild 5: Schnitt durchAbbruchbau -grube mit Bodenprofil

Bild 6: EingeschränkteArbeitshöhe unter der neuenBrücke

Bild 7: Spundwandstoß mit Verpressung und Schweißnähten

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ten partiell fehlenden Schlossdichtungen wiederzu ersetzen. Hierzu wurden die Schlösser indiesen Bereichen mit einer 2-komponentigenSpachtelmasse verspachtelt. Anschließend wur-den oben und unten im gespachtelten Bereichje zwei Ventilpacker über Bohrungen einge-bracht, über welche nach dem Aushärten derSpachtelmasse mit Druck Dichtungsmaterialnachgepresst wurde (Bild 7).

Die Arbeitsvorgänge bestimmten den Ar-beitstakt. Da die Spachtelmasse und die Ver-preßmasse einige Stunden aushärten mussten,bevor sie wieder belastet werden durften, wardie Produktionszeit stark eingeschränkt. Dasheißt, dass morgens die am Tag zuvor verlän-gerte Bohle bis auf die Tiefe des nächsten Teil-stücks oder der Endtiefe gerammt wurde undanschließend das nächste Stück der Bohle ein-gefädelt und der weitere Abschnitt eingerammtwurde. Danach wurde wiederum das nächsteStück der Spundbohle aufgesetzt und mit einemVollschweißstoß sowie Lamellen verbunden. DerSchweißvorgang dauerte pro Stoß ca. 4 Stunden.Danach erfolgte die Nacharbeit der Schlossdich-tung wie oben beschrieben (Bild 8).

Die Schweißarbeiten unterlagen alle einerintensiven Kontrolle nach DIN EN 1090. Gemäßder harmonisierten Norm EN 1090-1 in Verbin-dung mit der europäischen Bauproduktenver-ordnung (EU-BauPVo, vormals Bauprodukten-richtlinie) darf ein Betrieb, der tragende Bautei-le aus Stahl und Aluminium herstellt, spätestensab 1.7.2014 solche Bauprodukte in den Mit-gliedstaaten der EU nur noch mit CE-Kennzeich-nung auf den Markt bringen. Voraussetzung da-für ist, dass das Werk und die werkseigene Pro-duktionskontrolle zertifiziert und überwacht

sind. Mit dem entsprechenden Zertifikat weistder Betrieb nicht nur die Qualifikation seinerMit arbeiter und die erforderliche technischeAusrüstung nach, sondern auch die Einhaltungder festgelegten wesentlichen Produkteigen-schaften der Bauteile. Das Zertifikat ist eine un-bedingte Voraussetzung für die CE-Kennzeich-nung von Bauteilen aus Stahl und Aluminium.

Nach dem kompletten Herstellen der Spund-wände wurde das obere Stück des Pfeilers mitkonventionellem Abbruchgerät vom Pontonaus, wie oben beschrieben, abgerissen. DasAbbruchgut fiel auf den mit Kies verfüllten ab-gespundeten Bereich und wurde dann mittelsKranschiff bzw. Baggerponton und Schiff anLand transportiert.

Nachdem der Abbruch bis in den Bereichunterhalb der Oberkante der Spundwände fort-geschritten war, wurde die obere Gurtungslageaus Stahlbeton eingebaut. Um die Betonmengevon 250 m3 in die auf einer Zwischenaushub-ebene gestellte Schalung einzubauen, mussteder Beton über eine Strecke von 200 m gepumptwerden. Die Pumpleitung wurde von einer 52-m-Mastpumpe an der Uferkante über ein 2-Stel-zenponton mit 11,20 m Breite verlegt, übereinen 16,00 m langen Steg auf einen Decks-leichter zu einem weiteren 4-Stelzenponton.Auf diesem Ponton wurde zuvor eine weitereMastpumpe aufgefahren. Mit dieser Mastpumpekonnte dann die Betonmenge in der gesamtenGurtungslage ohne Umsetzen der schwimmen-den Geräte eingebaut werden. Allein zur Posi-tionierung der schwimmenden Geräte und Ver-bindungen wurden zwei Arbeitstage benötigt.Die Betonage konnte dann in sechs Stundendurchgeführt werden.

Bild 8: ZeichnungSpundwandstoß

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Für den Rückbau der Betongurtung wurdenbereits Anschlagpunkte einbetoniert, so dassnach Sägen der Gurtung die Einzelteile mit einemKranschiff ausgebaut werden können.

Für sämtliche eingesetzte schwimmendeGeräte wurden für die jeweiligen Einsätze Stabi-litätserprobungen und Stabilitätsberechnungenerforderlich um die Eignung auf dem Wassernachzuweisen.

Herstellung des Leitwerks

Der Niederrhein unterhalb von Duisburg istdie meistbefahrenste Bundeswasserstrasse inDeutschland und zählt zu den am stärksten be-fahrenen Wasserstraßen der Welt. Fast 70 Pro-zent aller deutschen Wasserstraßentransportewerden auf dem Niederrhein mit bis zu 1.000Schiffen am Tag transportiert. Dies geschiehtauch in Schubverbänden mit bis zu 15.000 tLadung. Aus diesem Grund muss hier im Be-reich der Schifffahrt ein hoher Sicherheitsstan-dard gewährleistet werden (Bild 9).

Die Durchführung der Arbeiten zur Ausstei-fung der Baugrube mit einem Betongurt undeinem Stahlgurt und zum Abbruch des Pfeilersbedingen den Einsatz von Personal unterhalbdes Wasserspiegels. Bei einer Anfahrung desSpundwandkastens durch die vorbeifahrendeSchifffahrt kann es zu unkontrollierten Wasser-einbrüchen in die Baugrube ohne Vorwarnzeitkommen.

Aus diesem Grund wurde zwischen derSchifffahrtsrinne und dem Spundwandkastensowie oberstromig ein Leitwerk geplant, wel-

ches havarierte Schiffe vor dem Kontakt mitder Spundwand ableiten bzw. stoppen soll. DieKonstruktion entspricht einer sehr groß dimen-sionierten Leitplanke in verschiedenen Höhen-lagen aufgrund der wechselnden Wasserständeim Rhein (Bild 10).

Die Leitwerkskonstruktion besteht im An-prallbereich aus 12 Stück Rohren mit einemDurchmesser von 1.220 mm und 36 mm Wand-stärke als Traggerüst. Diese Rohre sind jeweils28,00 m lang und haben ein Einzelgewicht von29 t. Die 22 Rohre entlang des Spundwandkas-tens parallel zur Schifffahrtsrinne und der Strö-mung sind mit einer Länge von 22,50 m undeiner Wandstärke von 12,5 mm bei einem Ge-wicht von 12 t einzubauen. Die Einbindelängenbetragen für die Rohre der Anprallwand ca.15,00 m und für die Rohre der Leitwand ca.9,00 m (Bild 11).

Das große Einzelgewicht der Rohre derAnprallwand in Verbindung mit der Rohrlängestellte im Binnenwasserstraßenbereich einegroße Herausforderung dar. Gerammt wurdendie Rohre der Anprallwand mit einem RüttlerMS-100 und wie bei den Spundbohlen der Bau-grube mit Spülunterstützung durch jeweils vierSpülrohre an den Rohren. Als Trägergerät wurdeein Motorkranschiff mit einem Kranschiff mit38,00 m Auslegerlänge und 40 t Tragkraft ein-gesetzt. Zur Positionierung der Rammführungwurde zusätzlich ein 4-Stelzenponton mit einem100 t Seilbagger und einem Schubboot einge-setzt, der auch das Rohr nach dem Einstellen indie Rammführung bis zum Aufsetzen des Ramm-geräts durch das Motorkranschiff fixierte. DieMontage der Verbindungsriegel, der „Leitplan-

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Bild 9: Lage der neuenBrücke und deralten Pfeiler imRhein

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ken“, lies nur geringe Toleranzen zu. Umfang-reiches Unterfüttern hätte einen exorbitanthohen Aufwand bedeutet. Das Einbauen, alsodas Einstellen und anschließende Einrammender schräg in der Rheinströmung liegendenRammelemente unter Berücksichtigung der ge-ringen zulässigen Rammtoleranzen, stellte ins-besondere auch große Anforderungen an dieSchiffsführer und das nautische Personal.

Die Rammrohre wurden mit diesen schwim-menden Geräten sorgfältig positioniert, ausge-richtet und danach problemlos mit dem RüttlerMS-100 bis zur Endtiefe eingerüttelt. Der fürein eventuell nötiges Nachschlagen geplanteHydraulikhammer IHC-590 kam nicht zum Ein-satz, da der MS-100 ausreichend Rammenergieentwickelte (Bild 12).

Bild 10: Ansicht Leitwerk

Leitwand

Leitwand

Anprallwand

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Für das Einrammen der Rohre der Leitwandwurde ein kleineres Kranschiff mit einem Vibra-tionsrüttlers PTC60 eingesetzt, da die schwim-menden Geräte aufgrund der nicht zu sperren-den Schifffahrt nicht außerhalb des geschütztenBereichs d.h. fahrrinnenseits der Leitwand posi-tioniert werden durften. Die schon reduzierteBreite der Schifffahrtsrinne durfte durch die Bau-arbeiten nicht noch weiter reduziert werden.Die Breite des Kranschiffs entsprach dem lich-ten Abstand zwischen Spundwandkasten undInnenkante der Leitwand. Die Rohre der Leit-wand konnten aufgrund der geringeren Einbin-dung und der kleineren Rammgutgröße ohneSpülunterstützung einvibriert werden.

Nach dem Einbau der Rohre der Anprall-wand wurden diese mit einer aufwendigenRiegelkonstruktion miteinander verbunden, sodass die Funktion der Leitplanken erfüllt wer-den konnte. Allein für die Riegelkonstruktionwurden auf der Baustelle ca. 250 m Schweiß-naht mit Nahtstärken zwischen 17 mm und30 mm hergestellt. Der Umfang der Schweiß -arbeiten im Werk zur Herstellung der Kasten -träger war um ein Vielfaches höher, konnte je-doch unter geschützten definierten Umgebungs-bedingungen ausgeführt werde. Für die 30 mmHV-Nähte musste in 17 Lagen geschweißt wer-den. Da diese Nähte den größten Anteil derSchweißnähte darstellten, war hierdurch einhoher zeitlicher Aufwand verbunden. Auch dieStahlgüte S460GP stellte erhöhte Anforderungen

an die Schweißtechnik, wiederum verbundenmit zusätzlichem Zeitaufwand. Für die Schweiß-arbeiten waren zeitweise bis zu acht Schweißerzeitgleich auf engem Raum eingesetzt. Auchwaren die Arbeiten durch Witterung und denRheinwasserstand stark beeinflusst, so dassdiese mehrere Monate andauerten und teilweiseunterbrochen werden mussten. Zu Unterbre-chungen kam es bei starken Winden, bei denenman große Spundwände und Rohre nicht mitschwimmenden Geräten heben konnte. Auchmachten starke Regenfälle die Schweißarbeitenzeitweise unmöglich. Die Baugrubenoberkantewar auf einen Wasserstand bemessen, der inder Bauzeit ungewöhnlich oft überschrittenwurde. Dies führte zur Flutung der Baugrubeund zur Einstellung der Arbeiten. Außerdemwar es bei hohen Wasserständen nicht möglich,die unteren Riegellagen zu montieren, da siedann unter Wasser lagen. Die Riegel musstenaufgrund des Arbeitsablaufs jedoch zwingendvon unten nach oben hergestellt werden. Esgab eine große Anzahl von Schweißnähten, dienach dem Aufsetzen des nächsten Riegels nichtmehr zugänglich gewesen wären (Bilder 13und 14).

Auch die Schweißarbeiten am Leitwerkunterlagen einer intensiven Kontrolle und Über-wachung nach DIN 1090.

Für die Ausführung der Schweißarbeitenwurde nach den Vorgaben der Normungen einumfangreicher Schweißnahtprüfplan erstellt,

Stahlspundwände (13) – Planung und Anwendung

Bild 13: Konsolen zur Aufnahme des Leitwerks Bild 14: Schweissarbeiten an den Konsolen

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der 256 Prüfungen vorsah. Die Prüfungen soll-ten mit Ultraschall- und Magnetpulververfahrendurchgeführt werden.

Die Riegelkonstruktion besteht im Wesent-lichen aus 5 Stück Kastenprofilen 750 mm x690 mm x 25 mm und 60 Stück Doppelkonsol-konstruktionen. Insgesamt sind für die Riegelca. 300 t Stahl eingebaut worden (Bilder 15und 16).

Nachdem das Leitwerk fertiggestellt war,hat es tatsächlich eine Kollision eines Schiffesmit dem Leitwerk gegeben, so dass seine Not-wendigkeit eindrucksvoll bestätigt wurde. ZumGlück lag bei der Kollision lediglich ein Sach-schaden vor.

Bild 15: Montage unterste Riegellage

Bild 16: Montage des Leitwerksfast fertig gegestellt

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Rückbau der Konstruktionen

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Be-richts, waren die Abbrucharbeiten des Pfeilersim Schutz der oben beschriebenen Konstruktio-nen noch nicht ganz abgeschlossen. Nach demVerfüllen der Rückbau-Baugrube stellen sich fürden Rückbau der Baubehelfe ähnliche Heraus-forderungen an der Grenze der Gerätetechnikim Binnenschifffahrtsbereich wie für den Ein-bau.

Zuerst ist geplant den Spundwandkasten imSchutz der Leitwerkskonstruktion zurückzu-bauen. Nachfolgend sollen die Rohre der Leit-wand ebenfalls von der Innenseite aus gezogenwerden. Hier wird die gleiche Rammtechnikwie für den Einbau verwendet.

Nach dem Entfernen der Leitwand wird dieRiegelkonstruktion der Anprallwand in ca. 30 tschwere Einzelstücke zerlegt, ausgehoben undan das Ufer transportiert. Die Rohre der An-prallwand werden dann knapp über der Wasser-linie gekappt, so dass die herauszuziehendenGewichte miniert werden. Abschließend sollendie getrennten Rohre dann unter Einsatz einesRüttlers MS-100 gezogen werden.

Abbruch des linksrheinischen Pfeilers

Der linksrheinische Pfeiler liegt für die Schiff -fahrt verkehrstechnisch wesentlich günstiger,also unkritischer als der rechtsrheinische. Die-ser Bereich ist für die Schifffahrt im Prinzip nichterreichbar bei normalen Wasserständen. Eineumfangreiche Leitwerkskonstruktion ist für die-sen Pfeiler also nicht notwendig.

Für den Rückbau ist das Konzept, bis aufden Verzicht auf das Leitwerk, nahezu identischzu den Arbeiten am rechtsrheinischen Pfeiler.

Zusammenfassung

Nach einer Bauzeit, die durch die Verket-tung ungünstiger Umstände sehr lang gewor-den ist, wird der rechtsrheinische Pfeiler unddie Baubehelfe hoffentlich bald zurückgebautsein. Für den linksrheinischen Pfeiler, der bau-technisch einfacher zurückzubauen sein wird,ist dies ebenfalls bald der Fall.

Die Querung der Rheinbrücke Wesel wirdalso in absehbarer Zeit nach über 100 Jahrenohne Pfeiler im Rhein möglich sein. Eine latenteGefahrenstelle für die Schifffahrt wird dann end-lich der Vergangenheit angehören, dank derguten Zusammenarbeit des Bauherrn, der Planerund aller ausführenden Firmen.

Stahlspundwände (13) – Planung und Anwendung

Bild 17: Herstellung derRohre des Leit-werks bei hohenFließgeschwindig-keiten und gro-ßen strömendenWassermassen