Aber in Berlin, na klar! - stratum-Geschäftsführerin im Interview zu 25 Jahre Mauerfall

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Ich heiße Claudia Kerns, bin 1977 in Leipzig gebo- ren und lebe seit 2008 in Berlin. Ich habe 2005 eine Firmengründung vorangetrieben und bin seit Anbeginn Gesellschafter-Geschäftsfüh- rerin dieses Unternehmens. Es ist eine kleine, feine und spezielle Beratungsagentur für Organisationen, die sich wirklich verändern wollen – oder müssen. In erster Linie beraten wir Non-Profit-Organisatio- nen. Unsere Mission ist, diesen Organisationen, die für einen „guten Zweck“ unterwegs sind, zu mehr Wirtschaftlichkeit, Marktorientierung und Dominanz- streben zu verhelfen… Mit unserem Büro sitzen wir in der Alten Pianofabrik in Friedrichshain, das Büro heißt stratum und ist eine GmbH. In einer Welt, in der das „Gute“ und das „Böse“ nah beieinander liegen und nicht immer leicht zu erken- nen sind. Als Berater arbeiten wir hauptsächlich für Non-Pro- fit-Organisationen; dabei reicht das Spektrum vom Umweltverband bis zu öffentlichen Institutionen, von Stiftungen bis zu Kommunen oder Ministerien. Ein kleiner Teil unserer Kunden kommt auch aus der Privatwirtschaft. Das sind dann Unternehmen, die in der einen oder anderen Weise etwas für die Nach- haltigkeit tun wollen, d.h. die soziale und ökologische Seite ihres Wirtschaftens verstärken wollen. Wer sind Sie? Was machen Sie? Wo arbeiten Sie? www.stratum-consult.de 1von 5

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In diesem Jahr liegt der Fall der Mauer 25 Jahre zurück. Ein Datum, das auch die Stadt des Geschäftssitzes von stratum, Berlin, zum Feieranlass nimmt. Und keine große Feier ohne eine Kampagne. Als inzwischen überzeugte Berlinerin unterstützt diese auch die Geschäftsführerin der stratum GmbH. Das ungekürzte Interview gibt's hier für alle Neugierigen.

Transcript of Aber in Berlin, na klar! - stratum-Geschäftsführerin im Interview zu 25 Jahre Mauerfall

Ich heiße Claudia Kerns, bin 1977 in Leipzig gebo-ren und lebe seit 2008 in Berlin.

Ich habe 2005 eine Firmengründung vorangetrieben und bin seit Anbeginn Gesellschafter-Geschäftsfüh-rerin dieses Unternehmens. Es ist eine kleine, feine und spezielle Beratungsagentur für Organisationen, die sich wirklich verändern wollen – oder müssen. In erster Linie beraten wir Non-Profi t-Organisatio-nen. Unsere Mission ist, diesen Organisationen, die für einen „guten Zweck“ unterwegs sind, zu mehr Wirtschaftlichkeit, Marktorientierung und Dominanz-streben zu verhelfen… Mit unserem Büro sitzen wir in der Alten Pianofabrik in Friedrichshain, das Büro heißt stratum und ist eine GmbH.

In einer Welt, in der das „Gute“ und das „Böse“ nah beieinander liegen und nicht immer leicht zu erken-nen sind.

Als Berater arbeiten wir hauptsächlich für Non-Pro-fi t-Organisationen; dabei reicht das Spektrum vom Umweltverband bis zu öffentlichen Institutionen, von Stiftungen bis zu Kommunen oder Ministerien. Ein kleiner Teil unserer Kunden kommt auch aus der Privatwirtschaft. Das sind dann Unternehmen, die in der einen oder anderen Weise etwas für die Nach-haltigkeit tun wollen, d.h. die soziale und ökologische Seite ihres Wirtschaftens verstärken wollen.

Wer sind Sie?

Was machen Sie?

Wo arbeiten Sie?

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Anfangs haben wir uns stärker auf den Umweltsek-tor fokussiert, doch inzwischen arbeiten wir auch sehr viel für soziale Einrichtungen oder im Bildungs-bereich. Auch für politische Parteien durften wir schon tätig werden. In diesem Fall war es Die Linke in Berlin. Wir sind aber als Berater für alle demokra-tischen Parteien offen und pfl egen eine Äquidistanz zu allen politischen Richtungen.

Die Gründung von stratum, also mein Weg, nach dem Studium in die Selbstständigkeit zu gehen, war für mich persönlich ein biografi sch konsequenter Schritt. Denn ich bin in einer der wenigen Unterneh-merfamilien der DDR ausgewachsen. Mein Vater war Zeit seines Berufslebens selbstständig als Schleifer für große Messer im Buchdruckbereich tätig. Seine Einstellung zum Leben und seine Unabhängigkeit haben mich sicherlich beeinfl usst, meine eigenen Projekte zu verfolgen.

Bei stratum geht es uns darum, Unternehmen, Organisationen und Verbände auf veränderte Markt-bedingungen einzustellen, um so z. B. von staatlicher Förderung unabhängiger zu werden. Unsere Philo-sophie ist, auch wenn man etwas Gutes tun möchte, muss es Interessenten für das eigene Projekt bzw. Produkt geben. Nur um sich selbst zu kreisen, ist nicht nachhaltig und bewirkt nichts. Wenn man das „Gute“ nicht wirtschaftlich erfolgreich umsetzen kann und sich nicht durch nachweisbare Leistung und einen Mehrwert für den Menschen und die Gesellschaft legitimieren kann, verliert man seinen Anspruch. Immer nur nach dem Staat zu rufen und Fördergelder zu beanspruchen, führt nicht zu guten Ergebnissen. Und es deformiert das Selbstbewusst-sein.

Wir sind bekannt, als Berater eher „erbarmungslos“ zu sein, und geben unseren Auftraggebern ein ehr-liches Feedback. Dafür werden wir schließlich en-gagiert. Außerdem sind unsere Beratungsmandate relativ kurz. Wir verkaufen keine heiße Luft, sondern gehen gut vorbereitet und sehr konzentriert in die Beratungsprozesse. Weil wir keine Tabus kennen, kommen wir zusammen mit unseren Kunden sehr schnell auf den Punkt.

Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wir fördern unternehmerische Initiative, Kreativität und Risikobe-reitschaft in Non-Profi t-Organisationen. Kunden, die nur Selbstbestätigung haben wollen oder glauben, die Welt muss so bleiben, wie sie ist, würden mit

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uns nicht glücklich. Solche Mandate nehmen wir gar nicht an. Wir verfrühstücken auch nicht irgendwelche Fördergelder, ohne dass dabei etwas wirklich Weiter-führendes herauskäme. Nicht, weil wir die besseren Menschen sind. Sondern weil uns das langweilt.

Seit 2008. Wir haben die Firma seinerzeit in Mün-chen gegründet und ich bin für zwei Jahre nach München gegangen. Länger hätte ich es dort nicht ausgehalten. Als Leipzigerin war ich nach meinem Studium in Norddeutschland unterwegs mit Statio-nen in Stralsund und Papenburg. Jetzt in Berlin bin ich am richtigen Ort.

Der Umzug meiner kleinen Firma nach Berlin hat vor allem damit zu tun, dass wir ein Lebens- und Arbeitsumfeld gesucht haben, das Dynamik, He-terogenität und Offenheit bietet. Ich selbst kann mir in Deutschland keine andere Stadt zum Leben und Arbeiten vorstellen. Berlin ist offen, kreativ, kontakt-freudig. In der Stadt liegt das Experimentelle in der Luft, kulturelle Unterschiede, Subkulturen und die ständigen Baustellen auch im übertragenen Wort-sinn sind für die Menschen hier weniger ein Problem als ein Lebenselement. Man fi ndet in Berlin immer Menschen, mit denen man etwas bewegen kann.

Ich sagte es ja schon: Ich und meine Partner und Kollegen brauchen für ihre Arbeit eine „offene Ge-sellschaft“. In Berlin schotten sich die Milieus und Subkulturen nicht so stark ab wie z.B. in München oder Stuttgart. Dort fragst du dich immer erst einmal „Ist das meine Szene, meine Schicht?“. In Berlin sind die Szenen und Netzwerke sehr viel offener und man erlebt sehr viel mehr Diversität und einen ent-spannten Umgang mit Unterschieden.

Kaum waren wir nach Berlin umgesiedelt, bekamen wir so viele Anfragen und Kontakte, wie es in Mün-chen nie möglich gewesen wäre. Dort wurden wir als noch nicht etabliertes Unternehmen gar nicht richtig wahrgenommen. Anfangs kamen wir vor lauter Kon-takttreffen und Anfragen kaum dazu, in die inhalt-liche Arbeit einzusteigen. Deshalb haben wir dann sehr erfolgreich eine sogenannte „Primetime“ einmal im Monat von 18 bis 21 Uhr etabliert, wo man uns in unseren Geschäftsräumen in lockerer Atmosphäre treffen konnte, um neue Kontakte zu knüpfen. Und es kamen wirklich die verschiedensten Leute aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen zu uns. Wir haben das fast zwei Jahre lang so gemacht. Heute haben wir über 10.000 Kontakte und unsere

Ihr Unternehmen ist in Berlin tätig

seit?

Berlin ist für mich…

Mein Unterneh-men ist in Berlin

tätig, weil…

Berlin, the place to be: Was zeich-net für Sie Berlin

als geeigneten Standort aus?

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Kunden kommen meist auf Empfehlung zu uns.

Richtig bekannt wurden wir in Berlin gleich 2008 durch einen 24-Stunden-Beratungsmarathon für Non-Profi ts, für den wir damals sogar mit dem Preis „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet wurden. Das war ein toller Einstieg in dieses offene Stadt!

Ja, es ist eine offene Stadt. Wenn ich zum Beispiel daran denke, wie leicht man Anschluss an wirklich spannende Netzwerke bekommt – wie den Frau-ensalon „Feinkost“, in dem sich Frauen treffen, die was vorhaben. Das Netzwerk wird von der Mar-zahn-Hellersdorfer Kultur-Bezirksstadträtin Julia Witt zusammengehalten. Hier habe ich nicht nur die Polizeivizepräsidentin oder die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe getroffen, sondern auch als Gastgeberin in unserer stratum lounge Katja Kipping, die Bundesvorsitzende der LINKEN, begrüßen dürfen.

Beim Mauerfall war ich selbst ja erst zwölf Jahre alt. Als wir mit stratum nach Berlin kamen, 2008, war der Mauerfall fast zwanzig Jahre her. Aber wir haben natürlich ein Berlin erlebt, das auf dieser geschicht-lichen Wende aufbaut. Bewusst haben wir unseren Bürositz im Osten der Stadt und ich selbst wohne in Pankow. Hier im Osten sind die Freiräume im-mer noch größer und merkt man die geschichtliche Herausforderung auch stärker. Ich spreche damit nicht einer „Ostalgie“ das Wort, denn ich gehöre zu einer Generation, die kaum etwas verloren hat durch die Wiedervereinigung. Als die Mauer fi el, war ich in der Schule zwar Gruppenratsvorsitzende – und im ersten Augenblick erschien mir die Entwicklung vielleicht als abrupt und als Verlust. Aber das änder-te sich sehr schnell. Ich bin glücklich darüber, dass mein politisch bewusstes Leben mit der deutschen Wiedervereinigung begonnen hat…

Helmut Schmidt sagte einmal, wer Visionen hat, solle zum Arzt gehen. Ich bin zwar nicht ganz seiner Meinung, aber der Begriff „Vision“ wird heute sehr überstrapaziert. Wenn alle halbe Jahre für ein Unter-nehmen oder eine Stadt eine neue Vision ausgeru-fen wird, kann man allein schon an der Halbwerts-zeit dieser sich ablösenden Visionen deren Gehalt erkennen. Wir leben heute sehr gut mit einer eher pragmatischen Einstellung. Unsere Zeit ist geprägt von einem enormen technologischen Fortschritt bei Massenprodukten. Ohne Computer, Internet und

Berlin, Stadt im Wandel: Wie

wurde Ihr Unter-nehmen von der

Teilung der Stadt bzw. dem Fall

der Mauer am 9. November 1989

geprägt?

Berlin, Stadt der Visionen: ein Blick

in die Zukunft. Wie sieht die

Zukunftsvision für Ihr Unternehmen

aus?

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Facebook können wir uns das Leben nicht mehr vor-stellen. Die Vernetzung ist gigantisch und an jeder Ecke poppt minütlich eine tolle Idee auf. Die Zahl unserer Optionen steigt ständig und die Chance, sich neu zu erfi nden, haben wir inzwischen nicht ein- oder zweimal im Leben, sondern fast ständig. Meine Vision ist, wenn Sie so wollen, dass wir mit dieser Multi-Optionalität etwas anfangen können – und sie uns nicht eher überfordert. Viele unserer Besucher und Kunden bei stratum können uns als Beratungs-unternehmen nicht so richtig einordnen. Das liegt daran, dass wir in der Tat in vielen Bereichen aktiv sind und den Spielraum nutzen, immer wieder et-was anderes in den Vordergrund zu stellen. Dabei stellen wir fest, dass diese Veränderlichkeit nicht einfach nur in uns selbst liegt, also nicht nur unserer Willkür folgt. Sondern wir sind natürlich in Resonanz zu unserer Umwelt und nehmen Impulse und Gele-genheiten auf. Also, wir werden uns bis 2030 sehr verändert haben – aber wohin, das wissen wir nicht. Das folgt keiner Planung.

Das, was ich mir persönlich an Wissen und Kön-nen die letzten Jahre erarbeitet habe, möchte ich in einigen Jahren als Sprungbrett für etwas Neues zu nutzen. Ich möchte mich dabei noch nicht auf einen Bereich festlegen. Mir imponiert z. B., dass die Is-länder so viele verschiedene Dinge nebeneinander machen. Das entspricht auch meiner Persönlichkeit, sich nicht nur auf eine Sache festzulegen.

Anekdoten sind nicht meine Stärke. Was mich faszi-niert, ist dieses Magnetische an Berlin. Nach Berlin kommen die meisten unserer Kunden und Partner immer wieder. Wir waren 2008 gerade erst nach Berlin umgezogen, da trafen wir uns in unserem Büro in Friedrichshain zum Beispiel mit einem Ge-schäftspartner aus Zürich. Obwohl wir in München näher dran gewesen sind, haben wir ihn jahrelang dort nicht getroffen. Aber in Berlin, na klar!

Berlin, Stadt der Möglichkeiten:

Erzählen Sie uns eine Anekdote

aus Ihrer Erfolgs-geschichte, wie sie nur in Berlin hat stattfi nden

kann.

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