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Forschungsbericht im Auftrag des AOK-Bundesverbandes Ablauf der Entscheidungs- prozesse zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) Sabine Bartholomeyczik Rainer Markgraf Tina Quasdorf Claudia Dinand Julia Müller INKLUSIVE: ENTSCHEIDUNGSHILFE FÜR ANGEHÖRIGE Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten /Herdecke, Lehrstuhl Epidemiologie – Pflegewissenschaft Allgemeines Krankenhaus Hagen, Abteilung Gastroenterologie Universität Witten /Herdecke

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Forschungsbericht im Auftrag des AOK-Bundesverbandes

Ablauf der Entscheidungs-prozesse zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)

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EG Sabine Bartholomeyczik • Rainer Markgraf Tina Quasdorf • Claudia Dinand • Julia Müller

INKLUSIVE:ENTSCHEIDUNGSHILFEFÜR ANGEHÖRIGE

Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten /Herdecke, Lehrstuhl Epidemiologie – Pflegewissenschaft

Allgemeines Krankenhaus Hagen, Abteilung Gastroenterologie Universität Witten /Herdecke

AOK-BundesverbandStab MedizinDr. Gerhard SchillingerRosenthaler Straße 3110178 Berlinwww.aok-bv.de

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Ablauf der Entscheidungsprozesse zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)

Bericht

der empirischen Untersuchung in drei Teilen im Auftrag des AOK-Bundesverbandes

vom

Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl Epidemiologie-Pflegewissenschaft

und dem

Allgemeines Krankenhaus Hagen, Abt. Gastroenterologie der Universität Witten/Herdecke

Witten, im August 2009

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik Universität Witten/Herdecke

Department für Pflegewissenschaft Alfred Herrhausen Str. 50

58448 Witten

Autoren/innen: Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik

PD. Dr. med. Rainer Markgraf Tina Quasdorf, MScN

Claudia Dinand, MScN Julia Müller

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Dieser Forschungsbericht wird voraussichtlich im Herbst 2011 mit der ISBN 978-386321-010-6 auch im Mabuse-Verlag erscheinen.

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Inhaltsverzeichnis

1.  Zusammenfassung ............................................................................................

2. Einleitung ...........................................................................................................  

3.  Entscheidungsfindung zur PEG .......................................................................

3.1 Rechtliche und ethische Aspekte ...............................................................................

3.2 Kommunikation und Information .................................................................................

3.3 Rollenverteilung im Entscheidungsprozess ................................................................

3.4 Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess und der Entscheidung ......................

3.5 Relevante Einflussfaktoren für die Entscheidung .....................................................

3.6 Forschungsgegenstand ............................................................................................

4.  Der Entscheidungsprozess zur Anlage einer PEG Sonde im Kranken- haus ..................................................................................................................

4.1 Patienten und Methodik ................................................................................................

4.2 Ergebnisse ....................................................................................................................

4.3 Diskussion ....................................................................................................................

5.  Der Entscheidungsprozess im Spiegel von Bewohnerdokumentationen in Altenpflegeheimen ......................................................................................

5.1 Methodisches Vorgehen ...............................................................................................

5.2 Ergebnisse ....................................................................................................................

5.3 Limitierungen ................................................................................................................

5.4 Diskussion ....................................................................................................................

5.5 Schlussfolgerung und Ausblick .....................................................................................

6.  Der Entscheidungsprozess in stationären Einrichtungen der Altenhilfe aus der Perspektive von Pflegenden und niedergelassenen Ärzten ..........

6.1 Methodisches Vorgehen ...............................................................................................

6.2 Ergebnisse ....................................................................................................................

6.3 Zusammenfassung .....................................................................................................

6.4 Grenzen vorliegender Untersuchung ..........................................................................

6.5 Diskussion ..................................................................................................................

6.6 Schlussfolgerung ........................................................................................................

7.  Gemeinsame Diskussion der Teilergebnisse .............................................

7.1 Prozessphasen .......................................................................................................

7.2 Klientel ....................................................................................................................

7.3 Prozess und Akteure ..............................................................................................

7.4 Empfehlungen ........................................................................................................

8.  Literaturverzeichnis ......................................................................................

9.  Anhang ...........................................................................................................

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1. Zusammenfassung Problemstellung Daten über Prävalenz und Inzidenz von PEG-Sonden beruhen auf unterschiedlichen Schät-zungen. In Deutschland geht man davon aus, dass etwa 140 000 PEG-Sonden jährlich ge-legt werden und dass etwa 65 % der PEG-Sonden auf ältere Menschen entfallen. Schät-zungsweise 30 bis 50 % dieser Patienten haben psychische oder dementielle Erkrankungen. Insbesondere für diese Patientengruppe wird der Nutzen der enteralen Ernährung durch eine Ernährungssonde heute infrage gestellt. In der aktuellen Diskussion um den Umgang mit enteraler Ernährung durch PEG-Sonden wird gefordert, dass der Entscheidung für oder gegen das Anlegen einer PEG-Sonde ein Prozess des sorgfältigen Abwägens von Nutzen und Risiken im Einzelfall vorangeht. Über den praktischen Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Einleitung einer künstlichen ente-ralen Ernährungsbehandlung mithilfe einer PEG, liegen bisher sowohl für den akutstationä-ren Bereich als auch für stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland kaum systematische Erkenntnisse vor. Das hier beschriebene Forschungsprojekt ist darauf ausgerichtet, diese Prozesse näher zu beleuchten. Das Projekt wurde durch den AOK-Bundesverband gefördert und ist in drei Teilbereiche unterteilt:

Dokumentationsanalyse im akutstationären Bereich Dokumentationsanalyse in Altenpflegeeinrichtungen Interviews mit Pflegenden aus Altenpflegeeinrichtungen und niedergelassenen Ärzten.

Der Entscheidungsprozess zur Anlage einer PEG-Sonde im Krankenhaus In drei Krankenhäusern in NRW, einem der Maximal-, einem der Schwerpunktversorgung und einer Geriatrie, wurden Daten aus den Akten von 277 Patienten erfasst, bei denen eine PEG gelegt wurde. Die Mehrzahl der PEG-Empfänger (50 - 75%) ist bereits vor der Krankenhauseinweisung hilfeabhängig oder pflegebedürftig. Ebenfalls die Mehrzahl der PEG-Anlagen erfolgt im Rahmen eines längeren Krankenhausaufenthaltes wegen überwiegend altersneurologischer oder Tumorerkrankungen. Anders als nach den Vorbefragungen an den beteiligten Kranken-häusern zunächst vermutet, spielt die stationäre Einweisung mit dem Zielauftrag einer PEG-Anlage eine völlig untergeordnete Rolle, passend hierzu auch die von den Hausärzten ange-gebenen Einweisungsgründe. Die konkrete Indikation ist überwiegend eine Dysphagie (> 70 %). Eine vorstationär beobachtete Verschlechterung des Ernährungszustandes oder ein ak-tuell dokumentierter schlechter Ernährungszustand nehmen eine absolut nachrangige Rolle ein. Entscheidungsfähige Patienten mit anderen als altersneurologischen Erkrankungen finden sich vor allem in der Gruppe der jüngeren, unter 65-jährigen Patienten, bei denen intensiv-medizinisch versorgte Krankheitsbilder oder Tumorleiden eine wesentliche Rolle spielen. Dies sind auch überwiegend die Patienten, bei denen PEG-gestützte Ernährungsverfahren nur vorübergehend oder zumindest wahrscheinlich nur vorübergehend zur Anwendung kommen. Die Rekonstruktion eines komplexen Entscheidungsprozesses zur Einleitung einer künstli-chen Ernährungsbehandlung aufgrund retrospektiv erhobener Daten selbst unter ergänzen-der nachträglich durchgeführter Befragung von Krankenhausmitarbeitern ist problematisch. Deutlich wird zunächst, dass die formalen Aspekte der Entscheidungsfindung insbesondere

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bei nicht einwilligungsfähigen Patienten durchgehend an allen Kliniken beachtet werden. Bei vorliegenden gesetzlichen Betreuungsverhältnissen werden die Betreuer regelhaft in den Entscheidungsprozess eingebunden, gleiches geschieht mit den Angehörigen bei Patienten mit vorliegender Vorsorgevollmacht. Auch grundsätzlich ist die Beteiligung der Angehörigen in hohem Prozentsatz dokumentiert. Probleme zeigten sich hier in erster Linie bei Patienten mit fehlenden Lebenspartnern, was offensichtlich auch die Kontaktaufnahme zu anderen Angehörigen einschränkt bzw. erschwert. Auch die Dokumentation des formalen Entschei-dungsprozesses ist stabil. In dieser Hinsicht führte die Nachbefragung bei der zweiten Pati-entengruppe nicht zu einem weiteren Informationsgewinn. Der inhaltliche Ablauf des Entscheidungsprozesses ist hingegen so gut wie nicht zu rekon-struieren, da dieser praktisch nicht dokumentiert ist und durch die Nachbefragung von Kran-kenhausmitarbeitern nicht relevant erhellt werden konnte. Dies wird anhand der Daten illust-riert, durch die extrem geringe Rolle von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, so dass in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle der mutmaßliche Patientenwille nicht darzustel-len ist. In Anbetracht der öffentlichen Debatte um Patientenverfügungen und Sterbehilfe ist die geringe Prävalenz von Patientenverfügungen in der vorliegenden Untersuchung erstaun-lich. Die vorliegende Untersuchung gibt keinen Aufschluss darüber, ob der formal gut dokumen-tierte Entscheidungsprozess bei nicht einwilligungsfähigen Patienten auch den inhaltlichen Kriterien genügt, die die Bundesgerichtshofurteile zum Abbruch künstlicher Ernährung (BGH 1994, BGH 2003) gesetzt haben. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit Betreuer oder Bevoll-mächtigte Kenntnisse über den mutmaßlichen Willen des Patienten hatten, ob diese Kennt-nisse tatsächlich Basis der Entscheidungsfindung waren bzw. ob diese Fragen überhaupt mit den berechtigten Personen seitens der Entscheidungsträger diskutiert wurden. Problema-tisch erscheint in diesem Zusammenhang auch die äußerst seltene Einbeziehung des Haus-arztes in den im Krankenhaus stattfindenden Entscheidungsprozess wie auch die nahezu nicht vorhandene Kontaktaufnahme zu den Alten- bzw. Pflegeheimen der bereits vorstationär heimversorgten Patienten. Der Entscheidungsprozess im Spiegel von Bewohnerdokumentationen in Altenpflegeheimen Analysiert wurden in diesem Teil 72 Dokumentationen aus 11 Altenpflegeheimen einer Gele-genheitsstichprobe in NRW. Ausgewählt wurden nur Dokumente von Bewohnern, die im Laufe ihrer Zeit als Bewohner der Einrichtung eine PEG-Anlage erhalten hatten. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Personen mit PEG-Sonde ist älter als 80 Jahre. Etwa ebenso viele haben eine Demenz. Etwa 70 % der Bewohner weisen in ihrer Anamnese eine akute oder progredient verlaufende neurologische Erkrankung auf. Bereits vor Anlage der PEG-Sonde wurden etwa drei Viertel der Teilnehmer in einer Altenpflegeeinrichtung betreut. In etwa fünfzig Prozent der Fälle bedingte ein akutes Ereignis die Anlage der PEG-Sonde, bei ebenso vielen wird eine Dysphagie beschrieben. Etwa 50 % der Teilnehmer hatten zum Zeitpunkt der PEG-Anlage einen BMI, der als normal oder hoch gilt, allerdings liegen bei 35 % der Fälle keine Informationen hierzu vor. Etwa 70 % der Teilnehmer erhalten zum Zeitpunkt der Erhebung ein ergänzendes orales Nahrungsangebot, der Umfang variiert jedoch stark. Bei etwa 33 % der Teilnehmer traten Komplikationen auf, die auf die PEG-Sonde zurückzu-führen sind. Vorwiegend handelt es sich um Wundinfektionen. Ein Grundproblem dieser Dokumentenanalyse liegt darin, dass nur bei 16 (22 %) der 72 un-tersuchten Dokumentationen Informationen zum praktischen Ablauf des Entscheidungspro-zesses zu finden waren. In erster Linie sind dies Angaben zu Gesprächen zwischen den an der Entscheidung beteiligten Personen sowie zu Arztkontakten aufgrund ernährungsbeding-ter Probleme. In einigen Fällen finden sich Angaben zur Nutzung von Assessmentinstru-

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menten sowie zu Maßnahmen, die zur Verbesserung der Ernährungssituation durchgeführt wurden. Gespräche und Arztkontakte finden vorwiegend in den letzten zwei Wochen vor Anlage der PEG-Sonde statt. Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation und der Einsatz von Assessmentinstrumenten finden kontinuierlicher über einen Zeitraum von etwa drei bis vier Monaten vor Anlage der PEG-Sonde statt. Während am häufigsten Angehörige und Ärzte am Entscheidungsprozess beteiligt werden, sehen sich die Pflegenden selbst nur selten als an der Entscheidung Beteiligte. Etwa 85 % der Teilnehmer werden durch einen gesetzlichen Betreuer oder einen Vorsorge-bevollmächtigten vertreten. Nur sieben Teilnehmer (10 %) haben eine Patientenverfügung, von denen nur eine einzige differenzierte Aussagen zur enteralen Ernährung enthält. Insgesamt finden sich nur sehr vereinzelte Textpassagen innerhalb der Bewohnerdokumen-tationen, die ein zusammenhängendes Bild des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der An-lage einer PEG-Sonde bieten. Zumeist handelt es sich um nicht zusammenhängende Infor-mationen auf verschiedenen Formblättern und verschiedenen Abschnitten der Dokumentati-onen, die mühsam zusammengefügt werden müssen. Auch anhand einiger weniger Fallre-konstruktionen auf Basis der Dokumentationen wird deutlich, dass ein zusammenhängender und strukturierter Prozess zur Entscheidungsfindung offenbar nur unzulänglich stattfindet. Die dokumentierten Informationen spiegeln in den meisten Fällen individuelle Prioritäten wi-der und weniger ein planmäßiges Vorgehen zu dokumentieren. Der Entscheidungsprozess aus der Perspektive von Pflegenden in stationären Einrichtungen der Altenpflege und niedergelassenen Ärzten Im dritten Teil des Forschungsprojektes wurden qualitative leitfadengestützte Experteninter-views mit 26 Pflegenden aus Altenpflegeeinrichtungen und acht niedergelassenen Ärzten, die in Altenheimen an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, geführt. Hierbei sollte untersucht werden, wie Entscheidungsprozesse in der Realität aus der Perspektive der Betroffenen wahrgenommen werden. Als Ergebnis zeigt sich, dass Entscheidungsprozesse in Form eines Phasenmodells stattfinden, in dem sich drei wesentliche Einheiten unterscheiden. Die Phase vor der Entscheidung, in der beobachtend und meinungsbildend gearbeitet wird, die Phase des Entscheids mit der Konsequenz einer Handlung oder einem Handlungsverzicht und die Phase nach getroffener Entscheidung, in der die Entscheidung überprüft, bewertet und ggf. revidiert wird. Entscheidungsprozesse zur Anlage einer PEG dauern je nach Indikation zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen, manchmal auch Monate. Die meisten Entscheidungen wer-den in den Kliniken getroffen. Die Entscheidungsprozesse sind komplex, uneinheitlich und durch individuelle Prioritäten beteiligter Personen gesteuert. Uneinheitlich, da die Krank-heitsbilder und die Interventionsdauer differieren und spezifische Entscheidungen notwendig machen. Uneinheitlich auch, da viele Akteure zu unterschiedlichen Anteilen und Zeitpunkten beteiligt sind und den Prozess beeinflussen. Die wenigsten Bewohner in Altenpflegeheimen sind entscheidungsfähig, noch ist ein Wille bekannt oder schriftlich fixiert. In diesen Situationen übernehmen Angehörige mit Betreu-ungsvollmacht oder beauftragte Berufsbetreuer stellvertretend die Entscheidungsverantwor-tung. Familienangehörige sind stark emotional involviert, durch Rollenkonflikte mit der Ent-scheidung oft überfordert oder schlecht beraten. Berufsbetreuer zeichnen sich durch ihr distanziertes Verhältnis zur Person aus, über die entschieden wird und vollziehen häufig einen formalen Akt der Unterschrift. Die Pflegenden in den Altenheimen sind durch ihren engen und häufigen Kontakt mit Be-wohnern Informationsträger, wenn Bewohner „nicht essen und trinken wollen oder können“

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und lösen initial einen Entscheidungsprozess aus, sehen sich sonst jedoch eher als Koordinatoren und im Hintergrund der Entscheidung Tätige. Übrig bleibt die Entscheidung zum Wohle des Patienten anhand der medizinischen Indikation durch die behandelnden Ärzte. Ihnen verbleibt nicht nur formal die Rolle der Aufklärungsverantwortung, sondern aufgrund mangelnder Kenntnis, Fähigkeit, oder Zeit formaler Entscheidungsträger, die sich auf den Rat und die medizinische Empfehlung verlassen, die Entscheidungsverantwortung. Instrumente zur Entscheidungsfindung wie Fallbesprechungen oder Entscheidungshilfen spielen aktuell eine marginale Rolle und werden kritisch diskutiert. Patientenverfügungen sind wichtig, liegen in der Realität jedoch nicht vor oder sind nicht aktuell oder explizit genug. Sichtbare Mangelernährung und dokumentierte oder messbare Ernährungsdefizite erhöhen den Druck auf die Handelnden. Prüfungen durch den MDK, der Heimaufsicht und eine Angst sich juristisch angreifbar zu machen, also eine Fehlentscheidung zu treffen, in Verbindung mit einer schlechten Versorgungsstruktur, wirken als Verstärker. Sie unterstützen den als bequemer und einfacher wahrgenommenen Weg, eine PEG-Anlage zu befürworten. Als schwerer und komplizierter wird die Entscheidung gegen eine PEG-Anlage gesehen. Essen zu reichen entgegen dem Willen der Bewohner oder ein Verschlucken zu provozieren bedeutet Schaden zuzufügen und eine „Quälerei“. Attribute, die helfender Tätigkeit prinzipiell entgegenstehen. Kein Essen zu reichen bedeutet über kurz oder lang den Tod. Maßnahmen zur Vermeidung einer PEG bieten keine wirkliche Alternative. Wenn zudem ein klarer Nutzen der PEG nicht beschrieben werden kann und nicht auszuschließen ist, dass die PEG Leiden verlängert und Siechtum fördert, geraten die Beteiligten in eine Zwickmühle der Entschei-dung. Ein klassisches Dilemma zeichnet sich ab, nämlich die Wahl zwischen zwei oder meh-reren schlechten Alternativen. Unterstützt wird dies wiederum durch mangelnde argumenta-tive Kraft die Entscheidung zu einer einmal gelegten PEG ohne Zustandsbesserung wieder rückgängig machen zu können. Schlussfolgerungen Ein grundsätzliches Problem der Aktenanalysen stellt die Patienten-/Bewohnerselektion dar, weil ausschließlich Personen erfasst wurden, bei denen eine PEG-Anlage erfolgte, nicht hin-gegen jene Patienten, bei denen diese Maßnahme erwogen, letztendlich dann aber nicht durchgeführt wurde. Außerdem handelt es sich um überschaubare Gelegenheitsstichproben. Auch die Experteninterviews wurden bei einer Gelegenheitsstichprobe Interessierter durch-geführt. Dennoch kann die aus mehreren Perspektiven in einem Methodenmix durchgeführte Studie ein ziemlich stimmiges Bild zeichnen. Die Ergebnisse des Projektes bestätigen, dass es sich bei der untersuchten Population um eine Gruppe von Menschen handelt, bei denen ein sorgfältiger und individueller Entschei-dungsprozess hinsichtlich der Anlage einer PEG-Sonde obligat ist. Insbesondere das vor-wiegend hohe Alter der Teilnehmer und die damit häufig einhergehende Multimorbidität so-wie ein in vielen Fällen vorliegendes Betreuungsverhältnis, das offensichtlich mit kognitiven Einschränkungen der betroffenen Personen zu begründen ist, sind in diesem Zusammen-hang hervorzuheben. Eine lückenlose Darstellung des Entscheidungsprozesses war anhand der Aktenanalyse nicht zu erwarten. Dennoch unterstützt die aufgezeigte geringe Transpa-renz und eine auf formale Aspekte beschränkte Entscheidungsfindung die Notwendigkeit strukturierender Hilfen. Gerade für problematische Entscheidungssituationen erscheint eine Handlungsorientierung sinnvoll und wird von den befragten Personen als auch von öffentli-cher Seite befürwortet. Hier scheint ein „Gesamtpaket“ unterschiedlicher Maßnahmen ange-bracht. Es ist zu empfehlen, Fallkonferenzen in Krankenhäusern und Altenheimen sowohl innerhalb der professionellen Teams als auch mit allen Beteiligten - Patienten/Bewohnern, Angehöri-

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gen und gesetzlichen Betreuern - bei Bedarf einzuberufen und zu kultivieren. An dieser Stelle hätte auch eine zu empfehlende systematische Überprüfung der getroffenen Entschei-dung mit Entscheidungsalgorithmen ihren Platz. Eine auf die Person konzentrierte Organisationsstruktur mit Bezugspflegeelementen und verantwortlichen Ansprechpartnern könnte die Willkür im Prozess reduzieren und Informati-onslücken schließen. Das bestätigen die wenigen, aber positiven Erfahrungen einzelner be-fragter Ärzte und Pflegekräfte. Für die Zusammenarbeit der Institutionen und der Versorgungsakteure ist es vor allem hilfreich, wenn eine Entscheidung nicht dem Zufall überlassen bleibt. Deshalb ist eine Ent-scheidungshilfe insbesondere für Altenheime von großer Bedeutung, auch um die Möglich-keiten und die Rolle der Pflegenden in diesem Prozess zu stärken. Denn sie sind diejenigen, die aufgrund der Nähe zu den Bewohnern und den Angehörigen den mutmaßlichen Patien-tenwillen erkunden und ggf. auch Einfluss auf die Qualität von Patientenverfügungen neh-men können. Hierzu bedarf es vermehrter Kenntnisse zum Thema, auch um die Entschei-dungen für die Nicht-Anlage einer PEG mit ihren Informationen stützen zu können. Von einer Entscheidungshilfe profitieren durch den Informationsgewinn letztlich alle zentralen Akteure im Entscheidungsprozess: Patienten/Bewohner, damit der mutmaßliche Wille ent-scheidungsleitend eruiert und eingesetzt wird; Ärzte und Pflegende, um ihre Aufklärungs- und Beratungskompetenz zu stärken und eigenen ethischen Konflikten und Dilemmata prä-ventiv begegnen zu können und Angehörige, um der emotionalen Betroffenheit stichhaltige Argumente im Sinne einer informierten Zustimmung oder Ablehnung entgegen setzen zu können. Vor diesem Hintergrund wurde in Anlehnung an die von Mitchell und Mitarbeitern am Ottawa Health Research Institute, Kanada entwickelte und 2008 überarbeitete Entscheidungshilfe „Making Choices: Long Term Feeding Tube Placement in Elderly Patients“ (www.tropenklinik.de/Archiv/PEG.pdf) in einem ebenfalls durch den AOK-Bundesverband geförderten und am Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke durchgeführten Folgeprojekt eine Entscheidungshilfe entwickelt. Sie wird voraussichtlich ab Frühjahr 2011 beim AOK-Bundesverband als Leitfaden in gedruckter Form oder unter der Internetadresse verfügbar sein wird.

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www.aok.de/gesundheitsnavi –> Entscheidungshilfen

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2. Einleitung Tina Quasdorf, Claudia Dinand, Julia Müller, Rainer Markgraf, Sabine Bartholomeyczik

Die Ernährung ist ein Grundbedürfnis des Menschen und unverzichtbarer Bestandteil einer angemessenen medizinischen und pflegerischen Versorgung. Bis in die jüngste Vergangen-heit war es die vorherrschende Position, mit Ausnahme der eigentlichen Sterbephase eine enterale Ernährungstherapie bei einem Risiko für Mangelernährung auch prognoseunab-hängig als notwendige Behandlung durchzuführen. Ziel der künstlichen Ernährung ist, die Erkrankung des Patienten, deren Symptomatik und Verlauf durch die Ernährungstherapie positiv zu beeinflussen, die Lebensqualität und Funktionalität des Patienten zu erhalten oder zu verbessern, Leiden zu lindern und die Morbidität sowie Mortalität zu reduzieren (Volkert et al., 2004).

Bei Patienten, bei welchen eine orale Nahrungszufuhr (vorübergehend oder dauerhaft) nicht in ausreichendem Maße möglich ist, ist stets die enterale der parenteralen Ernährung vorzu-ziehen, falls die vorliegende Erkrankung dies zulässt (Braunschweig et al., 2001; Woodcock et al., 2001). Dies wird mit Hilfe von Ernährungssonden seit über 400 Jahren praktiziert (Kirby et al., 1995). Bei kurzzeitiger künstlicher enteraler Ernährung steht als Hilfsmittel eine nasogastrale Sonde zur Verfügung. Bei langfristiger Anlage ist eine Gastrostomie vorzuzie-hen, bei akuten neurologischen Erkrankungen mit Dysphagie wird sie bereits bei einer er-warteten Dauer der künstlichen Ernährung von über 14 Tagen empfohlen (Broadley et al., 2003).

Das zugrunde liegende Erkrankungsspektrum ist sehr weit und umfasst Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes, neurologische Krankheitsbilder wie amyotrophe Lateralsklerose, Apoplex und andere cerebrovaskuläre Erkrankungen sowie Krankheitsbilder der Geriatrie, hier insbesondere die Demenz (Hauser et al., 2004).

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erste Versuche unternommen, Patienten, denen eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme nicht möglich ist, die Nahrungsaufnahme durch Anlage einer Gastrostomie zu ermöglichen. In den folgenden Jahrzehnten fanden zahlreiche Modifikationen der chirurgischen Technik statt, die jedoch ausnahmslos vielfältige Risiken für den Patienten mit sich brachten (Gauderer et al., 1980; Tealey, 1994). Erst im Jahr 1980 entwickelten Gauderer, Ponsky und Izant eine Methode zur Anlage einer solchen Gastrostomie, die ohne die Durchführung einer Laparotomie umzusetzen ist, die sogenannte perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) (Gauderer et al., 1980). Diese Methode der Gastrostomie etablierte sich in den folgenden Jahren als Methode der Wahl zur Sicherstel-lung von enteraler Ernährung über lange Zeiträume. Gründe hierfür waren unter anderem die im Vergleich einfache Durchführung sowie die vergleichsweise niedrige Komplikationsrate im Zusammenhang mit der Prozedur (Gauderer, 1999; Rabeneck et al., 1996).

Heute werden in Deutschland schätzungsweise 140000 PEG-Sonden jährlich gelegt (Eibach & Zwirner, 2002; Wirth et al., 2007). Ein großer Teil der PEG-Sonden wird bei älteren Men-schen eingesetzt (Angus & Burakoff, 2003; Brotherton & Lyons, 2006; Callahan et al., 2000). In Deutschland geht man davon aus, dass etwa 65 Prozent der PEG-Sonden auf ältere Menschen entfallen; andere Schätzungen geben an, dass 70 Prozent bei Heimbewohnern zu finden sind (Strätling et al., 2005; Wirth et al., 2007). Schätzungsweise 30 bis 50 Prozent dieser Patienten haben psychische oder dementielle Erkrankungen (Cervo et al., 2006; Dharmarajan et al., 2001; Eibach & Zwirner, 2002; Finucane et al., 2007; Synofzik, 2007).

Während Risiken und Komplikationen, die in direktem Zusammenhang mit der Anlage einer PEG-Sonde stehen, umfassend untersucht und beschrieben wurden, sind Langzeitfolgen ebenso wie der Nachweis des erwarteten Nutzens zum Teil nur unzureichend beschrieben (Rabeneck et al., 1996).

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Insbesondere für die Patientengruppe mit dementiellen Erkrankungen wird der Nutzen der enteralen Ernährung durch eine Ernährungssonde heute infrage gestellt. Zahlreiche Studien widerlegen den Nutzen oder aber können einen solchen in Bezug auf Parameter wie die Überlebenszeit, den funktionalen Status, den Ernährungszustand sowie für die Vermeidung von Aspirationspneumonien und Dekubitalgeschwüren zumindest nicht nachweisen (Gillick, 2000; Li, 2002; Meier et al., 2001; Murphy & Lipman, 2003). Inwieweit eine Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens durch die Ernährung mit einer PEG-Sonde bei Men-schen im fortgeschrittenen Lebensalter und mit psychischen oder dementiellen Erkrankun-gen erreicht werden kann, ist ebenso fraglich. Zwar ist aufgrund der kognitiven Situation die-ser Patienten eine Beurteilung der Lebensqualität häufig nur unzureichend möglich, jedoch betonen Kritiker der Sondenernährung, dass Daten von Patienten mit anderen terminalen Erkrankungen darauf hindeuten, dass diese in vielen Fällen kein Hunger- und Durstgefühl erfahren oder aber dieses durch minimale Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit gestillt wer-den könne (Gillick, 2000; Li, 2002).

Neben dem fehlenden Nachweis eines Nutzens werden auch nachteilige Auswirkungen von enteraler Ernährung über PEG-Sonden diskutiert. In diesem Zusammenhang werden vor allem negative Auswirkungen auf psychologische und soziale Aspekte, wie die Veränderung von Lebensgewohnheiten, von sozialen Kontakten, des Körperbilds sowie der Verlust des Genusses von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, hervorgehoben (Brotherton & Lyons, 2006; Gillick, 2000; Liley & Manthorpe, 2003; Rickman, 1998). Des Weiteren existieren Da-ten, die Fixierungen bei bis zu 71% der Patienten mit dementiellen Erkrankungen und Ernäh-rungssonden zur Vermeidung einer Dislokation der Sonde belegen (Gillick, 2000; Synofzik, 2007).

Auf Grundlage dieser Daten wird in der aktuellen Diskussion um den Umgang mit enteraler Ernährung durch PEG-Sonden gefordert, dass der Entscheidung für oder gegen das Anle-gen einer PEG-Sonde ein Prozess des sorgfältigen Abwägens von Nutzen und Risiken im Einzelfall vorangeht. Über den praktischen Verlauf des Entscheidungsprozesses zur Einlei-tung einer künstlichen enteralen Ernährungsbehandlung mithilfe einer PEG liegen bisher sowohl für den akutstationären Bereich als auch für stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland kaum systematische Erkenntnisse vor. Das hier beschriebene Forschungs-projekt ist darauf ausgerichtet, diese Prozesse näher zu beleuchten.

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3. Entscheidungsfindung zur PEG Die Literaturrecherche zeigt, dass im deutschsprachigen Raum kaum Studien durchgeführt wurden, die sich mit dem Prozess der Entscheidungsfindung im Vorfeld einer PEG-Anlage auseinandersetzen. Lediglich in einer Studie, die vom Gesundheitsamt Bremen zum Thema PEG-Ernährung in der stationären Altenpflege durchgeführt wurde, befasste man sich mit der Frage, auf wessen Initiative die Anlage einer PEG-Sonde durchgeführt wird. Es zeigt sich, dass in den beteiligten Einrichtungen nach Ansicht der befragten Heimleitungen in 75% der Fälle die Initiative zur Anlage einer PEG-Sonde vom Haus- oder Klinikarzt ausgeht. Des Weiteren werden Mitarbeiter der Einrichtungen (14,3%), Angehörige (13,1%) und rechtliche Betreuer (10,4%) genannt. Bewohner selbst werden nur in 0,9% der Fälle als Initiatoren für die PEG-Anlage genannt (Becker & Hilbert, 2004).

International finden sich verschiedene Studien, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde auseinandersetzen.

Im Folgenden werden Themenbereiche aufgeführt, die in den einzelnen Studien bearbeitet wurden.

3.1 Rechtliche und ethische Aspekte

Einen wichtigen Schritt des Prozesses stellt die medizinische Indikationsstellung dar. Diese bedarf jedoch einer differenzierteren Begründung als die bloße Tatsache, dass der Patient unzureichend isst. Der Nachweis positiver Auswirkungen auf Lebensqualität und/oder Le-bensdauer muss der Einleitung dieser invasiven Behandlungsform zu Grunde liegen. In die-sem Zusammenhang ist problematisch, dass dieser Nutzen, wie bereits aufgeführt, häufig nicht nachgewiesen ist.

Auch unter ethischen Gesichtspunkten besteht ein Dilemma. Jahrhundertelang war die hip-pokratische oder Fürsorgeethik Handlungsgrundlage des Arztes. Er nutzte seine ärztliche Fachkompetenz, um dem Kranken zu nützen und Schaden zu vermeiden, berief sich dabei allein auf sein Urteil, ohne dass der Patient als entscheidungsberechtigtes Subjekt die maß-gebliche Rolle spielte (Paternalismus). Die zeitgenössische Ethik stellt hingegen die Auto-nomie des Menschen in den Mittelpunkt und ordnet die Fürsorgepflicht des Arztes dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten unter. Dies erfordert das aktive Einbeziehen des Pa-tienten in den Entscheidungsprozess und lässt Konflikte zwischen dem fürsorgeorientierten Arzt und seinem Patienten entstehen, wenn dieser die ärztlich vorgeschlagene Maßnahme ablehnt.

Diese dargestellte ethische Problematik hat gewichtige juristische Bedeutung. Nach deut-scher Rechtslage stellt jeder medizinische Eingriff eine Körperverletzung dar und ist nur dann nicht rechtswidrig, wenn sie mit Einwilligung des Patienten vorgenommen wird (§§ 223 und 228 StGB). Der Arzt würde sich also strafbar machen, handelte er ohne das Einver-ständnis des Patienten oder sogar gegen dessen Willen. Er ist somit verpflichtet, das Einver-ständnis des Patienten einzuholen. Aufgrund der technisch einfachen Anlage, der relativen Kostengünstigkeit, der niedrigen Komplikationsrate und der guten Verfügbarkeit kommt die PEG zunehmend bei betagten und schwerkranken Patienten zum Einsatz, sodass dadurch auch die Zahl der nicht einwilligungsfähigen Patienten steigt. In diesem Fall sind als Ent-scheidungsträger die durch eine gesetzliche Betreuung, eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung Bevollmächtigten in den Entscheidungsprozess einzubeziehen bzw. in ungeregelten Situationen Betreuungsverfahren einzuleiten. Da Behandlungsverzicht oder Behandlungsabbruch mit letztendlich möglicher Todesfolge vom Gesetzgeber im Betreu-ungsrecht nicht geregelt sind, müssen in diesem Zusammenhang auch die höchstrichterli-chen Rechtsprechungen beachtet werden. Das sog. Kemptener Urteil des Bundesgerichts-hofes (BGH) vom 13.09.1994 definierte den „mutmaßlichen Willen“ des Patienten als we-sentliches Kriterium für einen Behandlungsverzicht oder – abbruch und stellte hohe Anforde-rungen an dessen Dokumentation (Bundesgerichtshof 1994). Das Urteil des BGH vom 17.03.2003 stärkte nochmals die rechtliche Bedeutung der Patientenverfügung („Ist ein Pati-

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ent einwilligungsfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf ange-nommen, so müssen lebenserhaltende oder –verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor – etwa in Form einer Patientenverfügung – geäußerten Willen entspricht.“) (Bundesgerichtshof 2003). Auch die zum 01.09.2009 in Kraft getretene Änderung des Gesetzes zur Patientenverfügung (www.bmj.bund.de/files/-/3741/Gesetzesbeschluss Patientenverfuegung_Betreuungsrecht.pdf) sowie das aktuelle BGH-Urteil vom 25.06.2010 (juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/

) bestätigen erneut das Bestreben zur Stärkung der Patientenautonomie. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, vor der geplanten Einleitung einer künstlichen Ernährung den mutmaßlichen Willen des Patienten zu eruieren und eventuell betreuungsrechtliche Fragen zu klären.

3.2 Kommunikation und Information

Kommunikation zwischen den an der Entscheidung beteiligten Personen sowie eine umfas-sende Information der Patienten und ihrer Angehörigen werden als wichtige Bestandteile des Entscheidungsprozesses angesehen (Brotherton & Carter, 2007). Dennoch lassen Ergeb-nisse aus Studien vermuten, dass insbesondere die Information der Entscheidungsträger häufig nur unzulänglich stattfindet. Patienten und Angehörige bemängeln unter anderem inadäquate Informationen bezüglich der Methode, der potenziellen Komplikationen, der Prognose, einer möglichen zeitlichen Begrenzung der enteralen Ernährung sowie bezüglich alternativer Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährung (Golan et al., 2007; Ladas et al., 2002; Shega et al., 2003; Todd et al., 2005; Van Rosendaal et al., 1999; Van Rosendaal et al., 1997).

Auch ein zu enger zeitlicher Rahmen für Informationsgespräche wird beanstandet. Insbe-sondere für Rückfragen und für Gespräche innerhalb der Familie sei vor der Entscheidung häufig keine Zeit (Todd et al., 2005).

Ebenso wird von widersprüchlichen Informationen zur Prognose durch verschiedene Mitglie-der des therapeutischen Teams sowie von Informationsgesprächen in für den Patienten und die Angehörigen nicht verständlicher Fachsprache berichtet (Todd et al., 2005; Van Rosen-daal et al., 1999).

Die aufgeführten Ergebnisse werden weiterhin durch eine Studie von Brett und Rosenberg (2001) unterstützt, die eine Aktenanalyse zur Qualität des Informed Consent bei PEG-Anla-gen durchführten. Sie bezeichnen die Qualität des Informed Consent auf Grundlage der von ihnen analysierten Akten als nicht angemessen. Zwar sei in allen Fällen ein Standardformu-lar vorhanden gewesen, jedoch sei lediglich in einem von 154 Fällen eine individuelle Doku-mentation des Informationsprozesses erfolgt. In 34 Fällen erfolgte die Zustimmung durch stellvertretende Entscheidungsträger ausschließlich telefonisch.

Anhand der Literatur zum Thema kann folglich geschlossen werden, dass die Kommunika-tion zwischen den Entscheidungsträgern sowie die ausführliche Information der Patienten und ihrer Angehörigen zwar gefordert werden, jedoch in der Praxis vielfach nicht oder nur unzulänglich umgesetzt werden.

3.3 Rollenverteilung im Entscheidungsprozess

In der Literatur werden diverse Personengruppen angeführt, die am Entscheidungsprozess im Vorfeld einer PEG-Anlage beteiligt sind. Hierzu gehören neben Patienten, Angehörigen und gesetzlichen Vertretern unterschiedlichste Berufsgruppen des Gesundheitswesens. Es scheint einvernehmlich anerkannt zu sein, dass die Entscheidung für oder gegen die Anlage einer PEG-Sonde im multidisziplinären Setting stattfinden sollte (Callahan et al., 1999; Hasan et al., 1995; Todd et al., 2005).

Dennoch werden die behandelnden Ärzte am häufigsten als Initiatoren und Entscheidungs-träger genannt. Ebenso wird ihnen die Hauptverantwortung für die Information der Patienten und ihrer Stellvertreter zu gesprochen (Callahan et al., 1999; Todd et al., 2005; Van Rosen-daal et al., 1999).

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Die Rolle von Pflegekräften im Entscheidungsprozess untersuchten Todd et al. (2005) in einer Studie. Sie interviewten hierzu Pflegekräfte, die Erfahrung mit dem Thema PEG auf-weisen konnten. Die befragten Pflegekräfte fühlten sich in den meisten Fällen stark in den Entscheidungsprozess involviert. Sie sahen ihre Hauptverantwortung in der Information und in der Beantwortung von Fragen durch Patienten und Angehörige. Des Weiteren empfanden sie eine Verantwortung im Sinne eines Fürsprechers („advocate“) gegenüber den Patienten. Als negative Aspekte nannten sie eine mangelnde Information und Kommunikation in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen. Es scheint stark von den Strukturen des indi-viduellen Arbeitsbereiches abhängig zu sein, ob Pflegekräfte aktiv in die Entscheidung ein-gebunden werden.

Auch Gastroenterologen kritisieren eine zu geringe Einbeziehung in den Entscheidungspro-zess. Es ist zumeist unklar, ob ihre Leistung in erster Linie als technischer Service in An-spruch genommen wird oder ob sie eine aktive Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen sollten (Golan et al., 2007; Van Rosendaal et al., 1999).

Neben den genannten Berufsgruppen werden unter anderem Sprachtherapeuten, Ernäh-rungsberater und Seelsorger als weitere Beteiligte am Entscheidungsprozess genannt (Callahan et al., 1999; Shega et al., 2003; Todd et al., 2005). Hierzu liegen jedoch keine detaillierteren Daten vor.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Literatur zwar eine multidisziplinäre Entscheidung in Zusammenarbeit mit den Patienten und ihren Angehörigen gefordert wird, dass jedoch die tragende Rolle im Entscheidungsprozess beim ärztlichen Personal zu liegen scheint. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit scheint nur in unstrukturierter Form vorzulie-gen und es existieren kaum empirische Daten, ob und in welchem Ausmaß diese in der Pra-xis umgesetzt wird.

3.4 Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess und der Entscheidung

Es wurden einige Studien durchgeführt, die sich mit der Zufriedenheit der Entscheidungsträ-ger, sowohl in Bezug auf den Entscheidungsprozess als auch auf Nutzen für den Patienten, beschäftigen.

In Bezug auf den Entscheidungsprozess beklagen Angehörige und auch Patienten in ver-schiedenen Studien, unzureichende Möglichkeiten zur Beteiligung (Brotherton & Carter, 2007; Golan et al., 2007; Van Rosendaal et al., 1999). Andere Autoren berichten vom Fehlen einer tatsächlichen Wahlmöglichkeit. Callahan et al. (1999) berichten beispielsweise, dass Angehörige die Entscheidung häufig als „foregone conclusion“ empfinden, sobald die Option einer PEG einmal in Betracht gezogen wurde und von Liley und Manthorpe (2003) in einer qualitativen Studie befragte Patienten und Angehörige verstanden die erhaltene professio-nelle Information als Empfehlung, nicht aber als eine Option mit möglichen Alternativen.

Inwieweit Patienten und Angehörige retrospektiv betrachtet mit der Entscheidung für die PEG zufrieden sind, oder ob sie die Richtigkeit dieser Entscheidung infrage stellen, ist an-hand der vorliegenden Studien nicht eindeutig zu beantworten. In einer Studie von Van Ro-sendaal et al. (1997) war ein Teil der befragten Angehörigen unsicher, die richtige Entschei-dung getroffen zu haben. Die befragten Patienten hingegen beurteilten die Entscheidung als richtig. Ergebnisse aus einer Studie von Ladas et al. (2002) indessen weisen darauf hin, dass hier die überwiegende Anzahl der befragten Angehörigen auch rückblickend ihre Ent-scheidung für die PEG als positiv bewertet und diese Prozedur auch anderen Personen in einer ähnlichen Situation empfehlen würden. Auch in einer Studie von Brotherton et al. (2007) gaben über 70% der Patienten und der Angehörigen an, dass sie die gleiche Entscheidung noch einmal treffen würden, wenn die Möglichkeit bestände. Allerdings gaben in dieser Studie auch über 50% der Patienten an, dass sie die Sondenernährung absetzen würden, wenn sie die Wahl hätten.

McNabney et al. (1994) berichten, dass zwar der überwiegende Anteil der befragten Angehörigen angab, mit der Entscheidung für die PEG zufrieden zu sein und diese wieder-

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holen würde, dass aber nur etwa ein Drittel dieser Angehörigen der Meinung war, dass der Patient diese Entscheidung gewollt hätte.

Wie Pflegekräfte, Ärzte oder Beteiligte anderer Berufsgruppen Entscheidungen, die im Zu-sammenhang mit einer PEG-Anlage getroffen werden, beurteilen, ist anhand der zur Verfü-gung stehenden Literatur kaum ersichtlich.

Lediglich die Studie von Brotherton et al. (2007) beschäftigt sich mit dieser Frage. Hier wur-den neben Patienten und Angehörigen auch Pflegekräfte und Ernährungsberater befragt, von denen der jeweils überwiegende Teil angab mit der Entscheidung für eine PEG bei dem betreffenden Patienten zufrieden zu sein.

Insgesamt liegen zu diesen Personengruppen jedoch keine aussagekräftigen Informationen vor.

3.5 Relevante Einflussfaktoren für die Entscheidung

In der Literatur finden sich zahlreiche Einflussfaktoren, die im Entscheidungsprozess für oder gegen die Anlage einer PEG, von Bedeutung sind.

Im Vordergrund der Entscheidung scheint in den meisten Fällen der Nutzen für den Patien-ten zu stehen. Hierbei wird ein positiver Effekt auf verschiedene Aspekte, wie beispielsweise die Lebensqualität, den Ernährungszustand, die Überlebensdauer oder auch die Vermeidung von Aspiration und damit einhergehenden Pneumonien erwartet (Callahan et al., 1999; Golan et al., 2007; Hasan et al., 1995; Ladas et al., 2002; Shega et al., 2003; Van Rosendaal et al., 1999).

Neben diesen Erwartungen spielen jedoch auch andere Faktoren eine Rolle im Entschei-dungsprozess. Häufig werden von Ärzten ökonomische Gesichtspunkte genannt, die auf ihre Entscheidung für oder gegen eine PEG-Anlage einwirken. Beispielsweise wird berichtet, dass die PEG-Anlage vor dem Hintergrund einer Verlegung in ein Pflegeheim forciert wird. Dies wird unter anderem damit begründet, dass in den USA für Bewohner, die mittels einer PEG-Sonde enteral ernährt werden, ein finanzieller Ausgleich an die Pflegeeinrichtungen entrichtet wird (Golan et al., 2007; Van Rosendaal et al., 1999). Ärzte gaben außerdem an, dass Forderungen durch Pflegeeinrichtungen eine PEG anzulegen ihre Entscheidung für eine PEG beeinflussen würden (Shega et al., 2003).

Auch eine Erleichterung der Situation für die pflegenden Angehörigen durch das Anlegen einer PEG-Sonde wurde von Ärzten und Pflegekräften als entscheidender Faktor genannt (Callahan et al., 1999; Todd et al., 2005). Ärzte fühlen sich darüber hinaus verpflichtet PEGs zu empfehlen, in Situationen in denen sie dieses Vorgehen als „standard of care“ empfinden oder wenn sie sich durch andere Berufsgruppen beeinflusst fühlen (Shega et al., 2003).

Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit einer PEG ist der (mutmaßliche) Wille des Patienten. Problematisch ist, dass Patienten aufgrund ihrer gesundheitlichen und kognitiven Situation häufig nicht in der Lage sind, ihre Wünsche bezüglich einer enteralen Ernährung zu äußern.

Cogen et al. (1992) berichten, dass annähernd 70% der von ihnen befragten Angehörigen angaben, die Entscheidung für die PEG nicht auf Grundlage von Statements und Aussagen des Patienten getroffen zu haben und Studienergebnisse von Van Rosendaal et al. (1999) zeigten, dass auch wenn eine Willensäußerung des Patienten in schriftlicher oder mündlicher Form vorlag, diese in 42% der Fälle nicht berücksichtigt wurde. Die näheren Umstände die-ser Entscheidungen sind jedoch in beiden Studien nicht näher untersucht. Von den durch Shega et al. (2003) befragten Ärzten gaben 36% an, dass sie eine PEG entgegen dem zu einem früheren Zeitpunkt geäußerten Willen des Patienten anlegen würden, wenn dies der Wunsch der Angehörigen sei.

Problematisch scheint jedoch vor allem, dass in den meisten Fällen eine Willensäußerung des Patienten nicht zur Verfügung steht (Callahan et al., 1999; McNabney et al., 1994).

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Als weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine PEG ha-ben, wurden kulturelle, moralische und religiöse Ansichten genannt und auch die Angst da-vor den Patienten verhungern zu lassen, stellt einen wichtigen Aspekt bei der Entschei-dungsfindung dar (Callahan et al., 1999; Todd et al., 2005; Van Rosendaal et al., 1999; Van Rosendaal et al., 1997).

Die aufgeführten Studienergebnisse zeigen, dass verschiedenste Aspekte im Rahmen des Entscheidungsprozesses für oder gegen eine PEG-Anlage eine Rolle spielen. Es lassen sich jedoch keine Regelmäßigkeiten feststellen und anhand der zur Verfügung stehenden Litera-tur ist zu vermuten, dass es sich hierbei um individuelle Prioritäten handelt, die am ehesten von den beteiligten Personen und deren Einstellung abhängig sind. Eine strukturierte Erfas-sung der für die Entscheidung relevanten Aspekte wird nicht beschrieben.

3.6 Forschungsgegenstand

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine beträchtliche Anzahl an Studien vorliegt, die sich mit dem Entscheidungsprozess im Vorfeld einer PEG-Anlage auseinandersetzen. Allerdings behandeln die einzelnen Studien sehr unterschiedliche Facetten des Entschei-dungsprozesses, sodass die Ergebnisse nur unter Vorbehalt vergleichbar sind. Zudem wei-sen einige der Studien methodische Schwächen sowie geringe Stichprobengrößen auf, so-dass die Ergebnisse lediglich bedingt repräsentativ sind. Zur Situation in Deutschland liegen darüber hinaus kaum Daten vor. Die beschriebenen Ergebnisse aus anderen Ländern sind insbesondere aufgrund der speziellen ethischen und kulturellen Problematik des Themas jedoch nur schwierig auf die deutsche Situation übertragbar. Es scheint deshalb sinnvoll sich mit dieser Thematik auch vor dem Hintergrund der speziellen Situation in der BRD näher zu beschäftigen. Auch aufgrund der Tatsache, dass die Studien zahlreiche Problemfelder im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozess rund um die PEG aufgezeigt haben, handelt es sich hierbei um ein relevantes Forschungsthema.

Desweiteren kann gesagt werden, dass die Entscheidung für oder gegen die Anlage einer PEG-Sonde zur enteralen Ernährung in vielen Fällen nur schwierig zu treffen ist. Es wird empfohlen diese Entscheidungen im interdisziplinären Team und unter Einbeziehung des Patienten und seiner Angehörigen zu treffen (Arvanitakis et al., 2006; Löser & Müller, 1998). Ebenso wird angeraten in schwierigen Fällen eine Ethikkommission zurate zu ziehen (Eibach & Zwirner, 2002; Mackie, 2001; Morgenstern et al., 2005) und auch die Nutzung von Richtlinien zur Entscheidungsfindung hat sich als sinnvoll erwiesen (Löser et al., 2005).

Inwieweit diese Empfehlungen zur Entscheidungsfindung in der Praxis Anwendung finden und wie Entscheidungsprozesse im Vorfeld der Anlage von PEG-Sonden stattfinden, ist bis-her fraglich und ist Thema des hier beschriebenen Forschungsprojektes.

Das Projekt ist in drei Teilbereiche unterteilt:

Dokumentationsanalyse im akutstationären Bereich Dokumentationsanalyse in Altenpflegeeinrichtungen Interviews mit Pflegenden aus Altenpflegeeinrichtungen und niedergelassenen Ärzten

Im folgenden Bericht werden zunächst die einzelnen Teilprojekte (vgl. Abb. 1) und deren Ergebnisse vorgestellt. Abschließend folgt eine gemeinsame Diskussion der Ergebnisse.

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Abbildung 1: Aufbau des Forschungsprojektes zum Ablauf von Entscheidungsprozessen zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)

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4. Der Entscheidungsprozess zur Anlage einer PEG-Sonde im Krankenhaus

Rainer Markgraf, Julia Müller

4.1 Patienten und Methodik

Die Untersuchung zum Entscheidungsprozess vor Einleitung einer künstlichen Ernährungs-behandlung über PEG konnte und sollte keine repräsentative Darstellung dieses Prozesses in Deutschland sein. Vielmehr galt die Untersuchung der Beschreibung der Entscheidungs-findung an großen Kliniken, in denen häufig perkutane Ernährungssonden gelegt werden und in denen unterschiedliche Versorgungsstrukturen bestehen, innerhalb derer die künstli-che Ernährung eingeleitet und durchgeführt wird.

Teilnehmende Kliniken Die Untersuchung erfolgte an einem Krankenhaus der Maximalversorgung, dem Klinikum Lüdenscheid, mit dem Einzugsgebiet der Kreisstadt Lüdenscheid und den umgebenden ländlichen Gemeinden des Märkischen Kreises in der Abteilung Innere Medizin I (Gastroen-terologie und Endokrinologie), in der häufig und nach bisherigen Angaben auch im Rahmen von Auftragsleistungen PEG-Anlagen erfolgen. Als Klinik der Maximalversorgung verfügt das Krankenhaus neben mehreren inneren Abteilungen auch über eine neurologische Abteilung mit Stroke-Unit sowie Möglichkeiten zu onkologischen Behandlungsmaßnahmen in konser-vativen, operativen und strahlentherapeutischen Abteilungen. Die zweite Klinik ist ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung, das Allgemeine Kran-kenhaus Hagen, mit dem Einzugsgebiet der Großstadt Hagen sowie angrenzender kleinerer Gemeinden. PEG-Anlagen erfolgen hier im gastroenterologischen Schwerpunkt der großen Medizinischen Klinik. Am Krankenhaus erfolgen onkologische Therapien in konservativen, operativen und strahlentherapeutischen Abteilungen. Eine neurologische Abteilung existiert nicht. Das dritte Klinikum sind die St. Antonius-Kliniken mit den Standorten Wuppertal-Barmen (Akutgeriatrie) und Velbert-Neviges (rehabilitative Geriatrie) mit den Einzugsgebieten der beiden Städte sowie umliegender Gemeinden. Hier erfolgte die Untersuchung in den geriatri-schen Abteilungen, die wegen ihres strukturierten diagnostischen und therapeutischen Ab-laufs (geriatrisches Assessment, geriatrische Teambehandlung) sowie regelmäßig erfolgen-der PEG-Anlagen ausgewählt wurden.

Patienten Basis der Untersuchung waren die Endoskopie-Dokumentationen der die PEG-Eingriffe durchführenden Funktionsabteilungen, anhand derer alle Patienten, die im Rahmen eines stationären Aufenthaltes eine PEG erhielten, erfasst wurden. Es erfolgte zum einen für alle Patienten, die zwischen dem 01.01.2007 und dem 31.12.2007 eine PEG erhielten eine de-taillierte Analyse der Krankenakte. Um zwischen tatsächlich fehlenden Informationen und eventuellen Dokumentationsmängeln unterscheiden zu können, wurden zusätzlich zeitnah zur PEG-Anlage die Krankenunterlagen aller Patienten zwischen dem 01.07.2008 und dem 31.01.2009 analysiert und in Ergänzung bei in den Dokumenten fehlenden Angaben die ärzt-lichen und pflegerischen Mitarbeiter zur Komplettierung der Informationen befragt. Dies er-folgte bewusst nach dem jeweiligen Aufenthalt der Patienten, um den Ablauf selbst nicht zu beeinflussen.

Datenerhebung Die Extraktion der Daten aus den Krankenunterlagen geschah anhand einer strukturierten Checkliste (Anlage), die für jeden Patienten zunächst anhand der Krankenakte abgearbeitet und in der zweiten Patientengruppe durch Befragung von Ärzten oder Pflegekräften ergänzt wurde. Erfasst wurden demographische Patientendaten, Krankenhausaufenthaltsdauer, Pflegebe-dürftigkeit vor und nach dem stationären Aufenthalt, die medizinische Indikation zur PEG-

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Anlage in Form der Grunderkrankung und dem Anlass zur Einleitung der Ernährungsbe-handlung sowie der Erkrankungsprognose, Informationen zum Ernährungsstatus und der Ernährungsanamnese sowie zur Schluckfähigkeit des Patienten, Informationen zur Aufklä-rungs- und Einwilligungsfähigkeit des Patienten, zu eventueller neuropsychiatrischer Dia-gnostik sowie zu Betreuungen, Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und in den Ent-scheidungsprozess einbezogener Personengruppen. Berücksichtigt wurden dabei sowohl die Verwaltungsdaten, die ärztlichen Abschlussberichte, die Visitendokumentationen, die Pflegeberichte, die Einweisungsdokumente, Konsiliar- und Testberichte, Dokumentationen von Teamsitzungen und jedwede weitere Aktenvermerke. Bei den Befragungen wurden gezielt aus den Akten nicht erhebbare Informationen erfragt, ebenfalls an Hand der Checkliste. Bei Interpretations- oder Ermessensspielräumen in der Informationsbewertung wurde wie folgt vorgegangen: Diagnosen: Die Einweisungsdiagnose wurde entweder dem Einweisungsschein des Haus-arztes, dem Notarzt- oder Rettungsdienstprotokoll oder bei Selbsteinweisung der Dokumen-tation des aufnehmenden Arztes entnommen. Als Hauptdiagnose wurde die im Abschlussbe-richt des Krankenhauses angeführte Diagnose gewertet, darüber hinaus die Nebendiagno-sen erfasst. Die Unterscheidung in akute oder chronische Grunderkrankung basierte auf der Anamnesedokumentation bezüglich Neuauftreten der Symptomatik oder bereits vorbeste-hender Symptome. Die Prognoseeinschätzung erfolgte als zusammenfassendes Urteil des ärztlichen Datenauswerters, wobei die Prognose bei fortgeschrittener Demenz oder Multi-morbidität mit Pflegebedürftigkeit als schlecht, bei Akutereignissen (z.B. zerebraler Insult) und deutlicher Symptombesserung während des Krankenhausaufenthaltes wie auch bei ku-rativ behandelbaren Malignomerkrankungen als gut eingeschätzt wurde. Indikationen: Als Anlass zur Anlage einer PEG (konkrete Indikation, z.B. Dysphagie, Nah-rungsverweigerung etc.) wurden die in den verschiedenen Indikationsdokumenten (Endo-skopieanforderung, Pflegebericht, Visitenvermerk oder Entlassungsbericht) angegebenen Gründe gewertet, wobei Überschneidungen möglich waren und hier vom Auswerter gewich-tet wurde. Nahrungsverweigerung wurde als Anlass nur dann gewertet, wenn hierzu eine ausdrücklich Bezugnahme auf die Indikationsstellung zu finden war. Sowohl bei den Grund-erkrankungen als auch den Anlässen zur PEG-Anlage wurde gruppiert, bei den Diagnosen in zerebraler Insult, Demenz, andere neurologische Erkrankungen, Tumorerkrankungen und sonstige Erkrankungen, bei den Anlässen in akut neurologische Symptome, PEG-Anlage im Rahmen von Intensivtherapie, Nahrungsverweigerung, Dysphagie und verschiedene, wobei hierunter als allgemein unzureichend bewertete Nahrungsaufnahme oder auch prophylakti-sche PEG-Anlagen im Rahmen erwarteter Ernährungsstörung bei Tumortherapie fielen. Einwilligungsfähigkeit: Als nicht einwilligungsfähig wurde alle Patienten mit gesetzlich ein-gerichteter Betreuung gewertet. Bei nicht betreuten Patienten wurden Bewertungen der Ent-scheidungsfähigkeit in Visitenberichten, neuropsychiatrischen Konsiliarbewertungen oder Demenzteste zugrunde gelegt. Nicht Ziel der Untersuchung war es zu prüfen, ob bei vorlie-gender gesetzlicher Betreuung trotzdem eine Entscheidungsfähigkeit bezüglich medizini-scher Maßnahmen bestand. Einbezogene Personenkreise: Die Kontaktaufnahme zu Betreuern, Bevollmächtigten oder Angehörigen wurde entsprechenden Vermerken in den Krankendokumenten entnommen oder durch Nachbefragung ergänzt. Als Beteiligung des Hausarztes an der Indikationsstel-lung wurde neben der dokumentierten Kontaktaufnahme zum Hausarzt auch eine durch den Hausarzt gezielt zur PEG-Anlage ausgestellte Einweisung gewertet. Pflegebedürftigkeit: Basis der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit waren vorliegende In-formationen über persönliche oder institutionelle Pflegemaßnahmen bzw. nach stationärem Aufenthalt der Entlassungsort des Patienten mit Angaben zur Pflegeorganisation. Dabei wur-den poststationär als selbständig auch solche Patienten eingestuft, die in Rehabilitationsein-richtungen verlegt wurden, da Angaben über den Rehabilitationserfolg nicht vorlagen, so dass der Anteil der nachstationär selbständigen Patienten wahrscheinlich als geringer anzu-nehmen ist.

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Datenauswertung Die Daten wurden in die Eingabemaske einer relationalen Datenbank (Microsoft Access) eingegeben und in das Statistikpaket SPSS übertragen, hier auf Vollständigkeit und Plausibi-lität überprüft, korrigiert und dann anonymisiert. Die statistische Auswertung erfolgte mit dem SPSS-Base- und Professional-Modul.

Datenschutz Die aus den Krankendokumenten extrahierten Checklisten wurden unter Verschluss gehalten und waren nur dem ärztlichen Datenauswerter und dem Untersuchungsleiter zugänglich. Die EDV-Daten wurden nach Qualitätstest anonymisiert. Der Untersuchung wurde nach Vorlage des Studienprotokolls einschließlich der Maßnahmen zum Datenschutz von der Ethikkommission des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke stattgegeben.

4.2 Ergebnisse

Insgesamt wurden die Daten von 277 Patienten erhoben, davon 63 am Allgemeinen Kran-kenhaus Hagen, 109 am Klinikum Lüdenscheid sowie 105 in den St. Antonius-Kliniken Wup-pertal. Die Gruppe der rein retrospektiv analysierten Patienten betrug 229, bei 48 wurden fehlende Daten durch ergänzende Befragung komplettiert. Die Basisdaten der Patienten sind in Tabelle 1 sowie den Abbildungen 1 bis3 zusammengefasst.

Parameter Gesamt AKH LÜD WUP Fallzahl 277 63 109 105 Alter* 75,6 (80; 1-

98) 69 (76; 1-93)

73 (77; 15-91)

82 (82; 67-98)

Geschlecht weiblich 161 (58,1 %) 36 (57,1 %) 51 (46,8 %) 74 (70,5 %) Selbständigkeit 111 (40,1 %) 30 (47,6 %) 54 (49,5 %) 27 (25,7 %) Aufenthaltsdauer* 23,1 (20; 1-

83) 27 (20; 1-83)

20 (14; 2-63) 24 (22; 1-70)

Todesfälle 34 (12,6 %) 8 (12,7 %) 9 (8,3 %) 18 (17,1 %) * Mittelwert (Median; Min – Max)

Abb. 1 Beteiligte Kliniken

Tabelle 1 Basisdaten

Abb. 2 Datenerhebung

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Das Durchschnittsalter der Patienten liegt auch in den internistischen Akutabteilungen im geriatrischen Bereich, ist aber deutlich niedriger als in den geriatrischen Kliniken. Durch ein-zelne Patienten im Kindes- und Jugendalter in den internistischen Abteilungen ist der Alters-mittelwert niedriger als der Median. Der Anteil weiblicher Patienten ist in der Geriatrie mit mehr als zwei Drittel deutlich höher als in den anderen Abteilungen. Im Klinikum Lüden-scheid überwiegen sogar die Männer. Der Anteil der vor dem stationären Aufenthalt pflege-risch selbständigen Patienten liegt in allen Kliniken unter 50%, in der Geriatrie sogar nur bei etwa einem Viertel der Patienten. Die Krankenhausaufenthaltsdauer liegt trotz einiger Kurz-aufenthalte im Durchschnitt bei zwei bis drei Wochen. Die Todesfälle während des stationä-ren Aufenthaltes liegen zwischen 8% und 17% mit dem höchsten Wert in der Geriatrie. Die Altersverteilung der Patienten zeigt die Abbildung 4. Nur in den akut-internistischen Ab-teilungen finden sich einzelne jüngere Patienten, in der Geriatrie werden definitionsgemäß nur über 65-jährige Patienten behandelt.

Die vorstationäre Pflegebedürftigkeit der Patienten im einzelnen ist in Abbildung 5 darge-stellt, der Anteil pflegebedürftiger Patienten, insbesondere der Heimbewohner, ist in der Ge-riatrie deutlich am größten.

Abb. 3 Datenerhebung nach Kliniken

Abb. 4 Altersverteilung

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Die Verteilung der Krankenhausaufenthaltsdauern findet sich in Abbildung 6. Es wird er-kennbar, dass Kurzaufenthalte bis zu vier Tagen nur einen sehr geringen Anteil ausmachen und noch am ehesten im Allgemeinen Krankenhaus Hagen vorkommen. Dies wird weiter unten im Zusammenhang mit dem Erkrankungsspektrum näher dargestellt.

Indikationen Die der Einleitung künstlicher Ernährungsbehandlung zugrunde liegenden Erkrankungen werden gruppiert in Abbildung 7 dargestellt. Es zeigt sich zunächst, dass die überwiegende Zahl der Patienten an altersneurologischen Erkrankungen leidet. Die Betrachtung nach ein-zelnen Kliniken weist aber deutliche Unterschiede auf. Im Klinikum Lüdenscheid mit neurolo-gischer Abteilung und Stroke-Unit sowie in der Geriatrie finden sich deutlich häufiger Patien-ten mit Apoplex-Erkrankungen, während im Allgemeinen Krankenhaus Hagen ein hoher An-teil der Patienten an Tumorleiden erkrankt ist. Etwa ein Viertel der Patienten weist Demenz-erkrankungen auf. Dieser Anteil ist mit etwa 34% in der Geriatrie am höchsten.

Abb. 5 Pflegebedürftigkeit

Abb. 6 Aufenthaltsdauer

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Vergleicht man Grunderkrankungen und konkrete Ernährungsindikationen der über und unter 65-Jährigen und damit grundsätzlich der geriatrischen bzw. nicht geriatrischen Patienten (Abbildung 8), so zeigt sich, dass bei den Jüngeren andere neurologische Erkrankungen als Schlaganfälle oder Demenz sowie Tumorleiden im Vordergrund stehen und intensivmedizini-sche Fälle einen relevanten Anteil einnehmen, während die Dysphagie-Problematik in beiden Altersgruppen in etwa gleich relevanter Häufigkeit auftaucht.

Die Diagnoseverteilung der Kurzlieger unter fünf Tage zeigt Abbildung 9. Hier handelt es sich möglicherweise um Zielaufträge zur PEG-Anlage, obwohl dies in den Dokumenten nicht durchgehend vermerkt ist (siehe unten). Da die Fallzahlen dieser Gruppe klein sind, wurde auf eine prozentuale Darstellung verzichtet.

Abb. 7 Grunderkrankung

Abb. 8 Diagnose und Indikation der über und unter 65-Jährigen

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Die konkrete Indikation zur PEG-Anlage gemäß der im Methodik-Kapitel dargestellten Grup-pierung findet sich in den Abbildung 10. Es überwiegt deutlich die Indikation Dysphagie, was auch bei der Betrachtung der einzelnen Kliniken für das Klinikum Lüdenscheid sowie die ge-riatrischen Kliniken gilt. Im Allgemeinen Krankenhaus stellt die größte Gruppe die unter „an-dere Indikationen“ subsumierten Patienten dar, wobei es sich hier überwiegend um Tumor-patienten handelt.

Die biometrischen Daten der Patienten sind in den Abbildungen 11 und 12 zusammenge-fasst. Die anamnestische Information eines stattgehabten Gewichtsverlustes zeigt für das Gesamtkollektiv einen sehr hohen Anteil an fehlenden Informationen, weswegen hier gezielt in der Patientengruppe mit zusätzlicher Befragung nach erhoben wurde. Dadurch konnte die Datenlage etwas verbessert werden. Trotzdem verbleibt ein hoher Anteil an Patienten mit diesbezüglich fehlenden Informationen. Eine quantifizierbare Angabe zum anamnestischen Gewichtsverlust stellt die absolute Ausnahme dar. Der Informationsgrad bei den während des Aufenthaltes gemessenen biometrischen Daten ist ebenfalls sehr eingeschränkt. Bei gut 60% der Patienten fehlte das Körpergewicht, bei fast 80% der Body-Mass-Index (BMI). So-weit vorhanden zeigen die biometrischen Daten keine relevante Mangelernährung an. Der Body-Mass-Index lag im Durchschnitt im unteren Normbereich.

Abb. 9 Diagnosen der Kurzlieger (<5 Tage)

Abb. 10 Indikation zur PEG-Anlage

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Die Daten zur Indikation Dysphagie finden sich in den Abbildungen 13-15. In den Dokumen-ten findet sich bei gut 72% der Patienten die Dysphagie als beschriebenes Symptom. Eine weitergehende Abklärung der Symptomatik erfolgte bei 57% aller Patienten, entsprechend 80% der dysphagischen Patienten. Dies geschah bei 51% der Patienten durch klinisch-logo-pädische Diagnostik, entsprechend 70% der dysphagischen Patienten, und nur ausnahms-weise durch apparative Diagnostik wie Endoskopie oder Röntgen. Aufgeschlüsselt nach Kli-niken zeigen sich deutliche Unterschiede. In den geriatrischen Kliniken gehörte die Dyspha-gie-Diagnostik fast zur Regel. Im Klinikum Lüdenscheid erfolgte sie bei etwa der Hälfte der Patienten, im Allgemeinen Krankenhaus Hagen nur ausnahmsweise. Die aus der logopädi-schen Diagnostik abgeleiteten Konsequenzen für die orale Nahrungszufuhr führten in 45% der entsprechend untersuchten Patienten zu Einschränkungen in der oralen Nahrungszufuhr und bei 50% zu einem vollständigen Schluckverbot.

Abb. 11 Anamnese Gewichtsverlust

Abb. 12 Biometrische Daten

Abb. 13 Dysphagie-Abklärung

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Eine Aufnahme nur zur Anlage einer PEG erfolgte bei 29 Patienten, entsprechend 10,5%, wobei dies bei 13 Patienten, entsprechend 21%, am häufigsten am Allgemeinen Kranken-haus Hagen geschah (Abbildung 16).

Die diagnostische Verteilung dieser Patienten zeigt ein Überwiegen der Demenzkranken, am Allgemeinen Krankenhaus Hagen zusätzlich Tumorpatienten (Abbildung 17).

Abb. 14 Dysphagie-Abklärung nach Klinken

Abb. 15 Dysphagie-Befund

Abb. 16 Zielauftrag PEG nach Kliniken

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Von vorn herein als vorübergehend wurde die PEG-Anlage bei 10 Patienten, entspre-chend3,6%, angesehen, wobei es sich hier überwiegend um Intensivpatienten handelte (Ab-bildung 18).

Bei 130 Patienten, entsprechend 47%, blieb die Frage der Dauerhaftigkeit der PEG-Anlage-anfangs unklar. Die diagnostische Aufteilung zeigt, dass es sich hier in den Kliniken Lüden-scheid und Wuppertal passend zum Versorgungsspektrum überwiegend um Schlaganfallpa-tienten, im Allgemeinen Krankenhaus Hagen um Tumorpatienten handelte (Abbildung 19).

Entscheidungsprozess zur PEG-Anlage 80% der Patienten waren gemäß der Definition im Methodikkapitel als nicht entscheidungs-fähig einzustufen. Dies verteilte sich gemäß Abbildung 20 auf die drei Kliniken unterschied-lich. Der Prozentsatz lag in den geriatrischen Abteilungen mit 88% am höchsten

Abb. 17 Zielauftrag PEG - Diagnosen

Abb. 18 Indikationen temporärer PEG-Anlage

Abb. 19 Diagnosen unklarer PEG-Dauer

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Betrachtet man in diesem Zusammenhang gesondert die Gruppe der Tumorkrankheiten, so finden sich diese überwiegend am Allgemeinen Krankenhaus Hagen. Bei ihnen waren im Unterschied zum Gesamtkollektiv 75% der Patienten einwilligungsfähig. Entsprechend fand sich nur in 22% eine gesetzliche Betreuung (Abbildung 21).

Die Bewertung als einwilligungsunfähig basierte im Wesentlichen auf vorhandenen Betreu-ungen (58%). Testungen erfolgten praktisch nur in der Geriatrie, dies bei 40% der dortigen Patienten (Abbildung 22).

Die Details zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit zeigt Abbildung 23. Es wird deutlich, dass die Hinzuziehung psychiatrischer Konsiliarbeurteilungen nur ausnahmsweise erfolgte, dies noch am ehesten im Allgemeinen Krankenhaus Hagen. Die klinische Einschätzung der

Abb. 20 Einwilligungsfähigkeit nach Kliniken

Abb. 21 Tumorkranke

Abb. 22 Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit nach Kliniken

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fehlenden Einwilligungsfähigkeit als temporär im Rahmen eines Durchgangssyndroms ge-schah nur ausnahmsweise zwischen 3% und 10% der Patienten je nach Klinik.

Gesetzliche Betreuungen bestanden bei 60% der Patienten, dies interessanterweise im Kli-nikum Lüdenscheid mit 70% am häufigsten und in der Geriatrie mit 54% deutlich seltener (Abbildung 24). Das Einverständnis des Betreuers zur PEG-Anlage wurde bei allen Patienten mit bestehender Betreuung eingeholt.

Vorsorgevollmachten spielten im Unterschied zur gesetzlichen Betreuung eine deutlich un-tergeordnete Rolle. Nur 33 Patienten (11,9%) besaßen eine Vorsorgevollmacht, dies am häufigsten in den geriatrischen Kliniken (Abbildung 25). Aus den Krankenakten war nicht eindeutig zu erkennen, ob das Einverständnis zur PEG-Anlage bei der bevollmächtigten Per-son eingeholt wurde. Deshalb wurde als Hinweis auf die Beachtung der Vorsorgevollmacht die Häufigkeit der Kontaktaufnahme bei Patienten mit vorliegender Vollmacht gewertet. Dies geschah mit einer Ausnahme in allen Fällen. Bei diesem einen Patienten handelte es sich um eine entscheidungsfähige Patientin, so dass die Vorsorgevollmacht faktisch nicht in Kraft war.

Abb. 23 Bewertung der Einwilligungsfähigkeit

Abb. 24 Gesetzliche Betreuung nach Kliniken

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Die Einbeziehung der Angehörigen insgesamt erfolgte bei 223 Patienten, entsprechend 81%, dies am häufigsten in der Geriatrie (Abbildung 26).

Betrachtet man nur die Gruppe der nicht einwilligungsfähigen Patienten, so wurden die An-gehörigen deutlich häufiger, aber nicht zu 100% kontaktiert. Um Hinweise für die Ursache der mangelnden Kontaktaufnahme bei nicht einwilligungsfähigen Patienten zu erhalten, wurde hier der Familienstand betrachtet (Abbildung 27). Hierbei fällt für das Gesamtkollektiv auf, dass in einem hohen Prozentsatz von etwa 35% Angaben zum Familienstand fehlten, weshalb hier zum Vergleich die Daten der Patientengruppe mit Nachbefragung hinzugezo-gen wurden. Bei dieser Gruppe wurde der Familienstand geklärt. Es zeigte sich, dass die Nichteinbeziehung der Angehörigen nahezu ausnahmslos bei solchen Patienten vorlag, bei denen kein Lebenspartner existierte.

Abb. 25 Vorsorgevollmacht nach Kliniken

Abb. 26 Einbeziehung der Angehörigen nach Einwilligungsfähigkeit

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Die Einbeziehung des Hausarztes in den Entscheidungsprozess stellte eine Ausnahme dar und erfolgte nur bei 28 Patienten (10%), wobei zu berücksichtigen ist, dass dies lediglich in Form der gezielt zur PEG-Anlage ausgestellten Einweisung des Hausarztes stattfand. Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten war die Einbeziehung des Hausarztes zwar deutlich häufiger (11,7%) als bei einwilligungsfähigen Patienten (3,6%), insgesamt aber nach wie vor gering. Aufgeteilt nach Kliniken war die Einbeziehung des Hausarztes interessanterweise in der Geriatrie am seltensten. Sie erfolgte am häufigsten bei demenzerkrankten Patienten (Abbildung 28).

Beim Vergleich der Einbeziehung bzw. Nichteinbeziehung des Hausarztes fällt auf, dass die Nichteinbeziehung bei Schlaganfallpatienten und die Einbeziehung bei Demenzpatienten überwog (Abbildung 29).

Abb. 27 Nicht-Einbeziehung der Angehörigen bei Nicht-Einwilligungsfähigen

Abb. 28 Einbeziehung des Hausarztes

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Erstaunlicherweise fanden sich Patientenverfügungen nur bei 10 Patienten (3,6%), davon 6 Schlaganfallpatienten, 5 Krankheitsbilder waren als akutneurologisch einzuordnen, so dass nur bei 5 Patienten, hiervon 3 Demenzerkrankte, mit chronischen Krankheitsbildern eine Verfügung vorlag (Abbildung 30).

Nur bei 2 Patienten fand sich in der Patientenverfügung die Ablehnung künstlicher Ernäh-rung. In einem der beiden Fälle handelte es sich um eine akut aufgetretene Dysphagie im Rahmen eines Schlaganfalls, somit um eine potentiell reversible Störung, was Grund der Nichtbeachtung des mutmaßlichen Patientenwillens war. In dem anderen Fall erhielt der Pa-tient die PEG auf der Intensivstation unter Langzeitbeatmung im Rahmen intensivtherapeuti-scher Maßnahmen, er verstarb im Verlauf im Krankenhaus. Zur Frage der Dokumentationsqualität erfolgte ein Vergleich der Informationen zu gesetzli-cher Betreuung, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der Gruppe der rein retro-spektiv analysierten Patienten im Vergleich zur Gruppe mit Nachbefragung. Abbildung 31 dokumentiert die diesbezüglich stabile Dokumentation.

Abb. 29 Diagnosen nach Hausarzteinbeziehung

Abb. 30 Diagnose und Indikation bei Patientenverfügung

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Poststationäre Versorgung Nach Beendigung des stationären Aufenthaltes wurden 44% der Patienten in eine stationäre Pflegeeinrichtung entlassen. Die Rate war somit im Vergleich zur vorstationären Betreuung um knapp 10% gestiegen. Unter „sonstige“ zusammengefasst wurden Entlassungen selb-ständig nach Hause sowie Verlegungen in eine Rehabilitationseinrichtung, diese waren mit 23% gering, am häufigsten im Klinikum Lüdenscheid mit 35% und am seltensten in den geri-atrischen Abteilungen mit 13% (Abbildung 32). Die PEG konnte bei insgesamt 6 Patienten, entsprechend 2%, wieder entfernt werden, wobei es sich bei allen 6 Patienten um solche handelte, bei denen die PEG-Anlage auch primär als nur temporär eingeschätzt worden war.

Abbildung 33 zeigt zusammenfassend den Vergleich der vor- und nachstationären Versor-gung. Neben dem Anstieg der heimversorgten Patienten zeigt sich parallel ein deutlicher Abfall der selbständig lebenden Patienten, wobei für diese 63 Patienten, entsprechend 23%, die Situation bezüglich Selbstständigkeit wegen fehlender Kenntnisse über Rehabilitations-ergebnisse sehr wahrscheinlich überschätzt wird.

Abb. 31 Dokumentationsqualität

Abb. 32 Versorgung nach Entlassung

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4.3 Diskussion

Die vorliegende Arbeit dokumentiert exemplarisch an drei großen Kliniken, je einem der Ma-ximal- und Schwerpunktversorgung im Bereich der Inneren Medizin sowie einem geriatri-schen Klinikverbund, die Entscheidung zur Einleitung einer künstlichen Ernährungsbehand-lung über perkutane endoskopische Gastrostomie mit ihren Stärken, aber auch ihren fakti-schen und dokumentarischen Schwächen. Bei den Patienten handelt es sich nicht nur in der Geriatrie selbst, sondern auch in den inter-nistischen Abteilungen überwiegend um Patienten der geriatrischen Altersgruppe, bei denen unabhängig vom Vorhandensein einer neurologischen Fachversorgung altersneurologische Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Patienten sind bereits vor dem stationären Auf-enthalt zu mehr als der Hälfte in unterschiedlichem Ausmaße pflegebedürftig und zu vier Fünftel nicht entscheidungsfähig, wobei hier allerdings die erste wesentliche Kenntnislücke sichtbar wird. Bei der Mehrzahl der Patienten wurde die Nichtentscheidungsfähigkeit aus dem Vorliegen eines gesetzlichen Betreuungsverhältnisses geschlussfolgert, ohne dass Kenntnisse über die reale kognitive Situation der meisten dieser Patienten vorliegen. Diffe-renziertere Daten stehen lediglich in der Geriatrie wegen des strukturierten Assessmentpro-zesses in Form von Testergebnissen zur Verfügung, die somit aber keine Aussage über das Gesamtkollektiv erlauben. Entscheidungsfähige Patienten mit anderen als altersneurologischen Erkrankungen finden sich vor allem in der Gruppe der jüngeren, unter 65-jährigen Patienten, bei denen intensiv-medizinisch versorgte Krankheitsbilder oder Tumorleiden eine wesentliche Rolle spielen. Dies sind auch überwiegend die Patienten, bei denen PEG-gestützte Ernährungsverfahren nur vorübergehend oder zumindest wahrscheinlich nur vorübergehend zur Anwendung kommen. Unter Berücksichtigung der Diskussion um den Ernährungszustand von heimversorgten Pa-tienten und den Maßnahmen der Kostenträger zur Überprüfung der Versorgungsqualität mittels biometrischer Daten fällt auf, dass eine vorstationär beobachtete Verschlechterung des Ernährungszustandes oder ein aktuell dokumentierter schlechter Ernährungszustand eine absolut nachrangige Rolle einnehmen. Dies ist zu interpretieren im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der Erhebung anamnestischer Daten, da diese aufgrund der bei der absoluten Mehrzahl der Patienten vorhandenen sehr eingeschränkten Befragungsfähigkeit und der grundsätzlichen Probleme fremdanamnestischer Informationen nur sehr einge-schränkt zur Verfügung stehen. Die ebenfalls nur bei einer Minderheit der Patienten vorlie-genden Daten zum aktuellen Ernährungszustand verweisen auf die Probleme der Größen- und Gewichtsbestimmung dieses in hohem Maße pflegebedürftigen und erheblich mobilitäts-eingeschränkten Klientels. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass mit weitem Abstand die Schluckstörung entweder infolge akutneurologischer Probleme oder chronischer Erkrankun-gen im Vordergrund des Indikationsspektrums steht. Auch wenn differenzierte Untersu-chungsmethoden zur Beurteilung der Dysphagie nur ausnahmsweise zum Einsatz kommen, erfolgt zumindest in hohem Prozentsatz eine klinisch-logopädische Abklärung der Schluck-störung. Die verordneten Einschränkungen für die orale Nahrungsaufnahme mit einem ho-

Abb. 33 Versorgung vor und nach dem Krankenhaus

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hen Anteil an absoluten Schluckverboten dokumentieren die Indikationsbasis zur Einleitung der künstlichen Ernährung. Anders als nach den Vorbefragungen an den beteiligten Krankenhäusern zunächst vermutet spielt die stationäre Einweisung mit dem Zielauftrag einer PEG-Anlage eine völlig unterge-ordnete Rolle, passend hierzu auch die von den Hausärzten angegebenen Einweisungs-gründe. Dies spiegelt in richtiger Weise die Situation an den Kliniken in Hagen und Wupper-tal wider. Für das Klinikum Lüdenscheid muss einschränkend festgestellt werden, dass hier in relevantem Umfang ambulante PEG-Anlagen im Rahmen von Zielaufträgen erfolgen. Diese Patienten wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen aber nicht erfasst. Die Rekonstruktion eines komplexen Entscheidungsprozesses zur Einleitung einer künstli-chen Ernährungsbehandlung aufgrund retrospektiv erhobener Daten selbst unter ergänzen-der nachträglich durchgeführter Befragung von Krankenhausmitarbeitern ist problematisch, wie die vorliegende Untersuchung zeigt. Deutlich wird zunächst, dass die formalen Aspekte der Entscheidungsfindung insbesondere bei nicht einwilligungsfähigen Patienten durchge-hend an allen Kliniken beachtet werden. Bei vorliegenden gesetzlichen Betreuungsverhält-nissen werden die Betreuer regelhaft in den Entscheidungsprozess eingebunden, gleiches geschieht mit den Angehörigen bei Patienten mit vorliegender Vorsorgevollmacht. Auch grundsätzlich ist die Beteiligung der Angehörigen in hohem Prozentsatz dokumentiert. Prob-leme zeigten sich hier in erster Linie bei Patienten mit fehlenden Lebenspartnern, was offen-sichtlich auch die Kontaktaufnahme zu anderen Angehörigen einschränkt bzw. erschwert. Auch die Dokumentation des formalen Entscheidungsprozesses ist stabil. In dieser Hinsicht führte die Nachbefragung bei der zweiten Patientengruppe nicht zu einem weiteren Informa-tionsgewinn. Der inhaltliche Ablauf des Entscheidungsprozesses ist hingegen so gut wie nicht zu rekon-struieren, da dieser praktisch nicht dokumentiert ist und durch die Nachbefragung von Kran-kenhausmitarbeitern nicht relevant erhellt werden konnte. Dies wird anhand der Daten illust-riert durch die extrem geringe Rolle von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, so dass in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle der mutmaßliche Patientenwille nicht darzustel-len ist. In Anbetracht der öffentlichen Debatte um Patientenverfügungen und Sterbehilfe ist die geringe Prävalenz von Patientenverfügungen in der vorliegenden Untersuchung erstaun-lich. Sie liegt damit nicht höher als in Untersuchungen aus den 90er Jahren, in denen etwa 5% angegeben werden (Eibach und Schäfer 1997, Haupt et al. 1999, Weisheit 2001). Die vorliegende Untersuchung gibt keinen Aufschluss darüber, ob der formal gut dokumen-tierte Entscheidungsprozess bei nicht einwilligungsfähigen Patienten auch den inhaltlichen Kriterien genügt, die die Bundesgerichtshofurteile zum Abbruch künstlicher Ernährung (BGH 1994, BGH 2003) gesetzt haben. Der mutmaßliche Patientenwille ist nur in den wenigen Fällen vorliegender Patientenverfügungen bekannt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit Be-treuer oder Bevollmächtigte Kenntnisse über den mutmaßlichen Willen des Patienten hatten, ob diese Kenntnisse tatsächlich Basis der Entscheidungsfindung waren bzw. ob diese Fra-gen überhaupt mit den berechtigten Personen seitens der Entscheidungsträger diskutiert wurden. Die tägliche Praxis lässt hier zumindest große Zweifel aufkommen. Häufig handelt es sich bei Betreuern um Berufsbetreuer, die oftmals keine Kenntnisse des mutmaßlichen Willens ihres Betreuten haben. Die Autoren der Studie erleben immer wieder, dass Aufklä-rungs- und Einverständnisdokumente lediglich zwischen Krankenhaus und Betreuer zur Ein-holung der Unterschrift hin- und hergefaxt werden, ohne dass überhaupt eine Diskussion über das Für und Wider der Ernährungsbehandlung und den mutmaßlichen Patientenwillen stattfindet. Aussagen über die Häufigkeit dieses Phänomens lässt die vorliegende Studie nicht zu. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch die äußerst seltene Ein-beziehung des Hausarztes in den im Krankenhaus stattfindenden Entscheidungsprozess wie auch die nahezu nicht vorhandene Kontaktaufnahme zu den Alten- bzw. Pflegeheimen der bereits vorstationär heimversorgten Patienten. Dies ist zum Teil sicherlich zu interpretieren im Zusammenhang mit Akuterkrankungen, die zur Notwendigkeit künstlicher Ernährung füh-ren und von den behandelnden Ärzten als prognostisch offen oder gar gut bewertet werden. Aber auch bei chronisch Kranken, insbesondere demenziell erkrankten Patienten, findet diese Kontaktaufnahme selten bis gar nicht statt, obwohl hier sicherlich wichtige Informatio-nen zum sozialen Gesamtkontext und zum mutmaßlichen Patientenwillen zu erhalten wären.

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Grundsätzliches Problem der vorliegenden Untersuchung stellt die Patientenselektion für die Datenerhebung dar. Es wurden ausschließlich solche Patienten erfasst, bei denen eine PEG-Anlage erfolgte, nicht hingegen jene Patienten, bei denen diese Maßnahme erwogen, letztendlich dann aber nicht durchgeführt wurde. Erst die Gegenüberstellung dieser beiden Patientengruppen würde es erlauben zu bewerten, inwieweit künstliche Ernährungsmaß-nahmen im Zusammenhang mit dem faktischen oder bei einwilligungsunfähigen Patienten mutmaßlichen Willen eingeleitet oder nicht durchgeführt werden. Dies ließe sich nur in einer aufwändigen prospektiven Untersuchung durchführen, die allerdings den methodischen Nachteil hätte, dass durch die Untersuchung selbst der Entscheidungsprozess beeinflusst und somit der Status quo nicht exakt wiedergegeben würde. Gleichwohl erscheint eine Inter-vention aufgrund der unklaren Kenntnisse über den inhaltlichen Ablauf des Entscheidungs-prozesses sinnvoll und wünschenswert. Hier würde sich eine Untersuchung zur Einführung einer Entscheidungshilfe (z. B. Mitchell et al.), die über die formalen Aspekte hinaus auch die inhaltlichen Dimensionen als regelhaften Bestandteil des Entscheidungsprozesses einfor-dert, anbieten, was im gemeinsamen Diskussionsanteil beider Untersuchungsbereiche weiter unten diskutiert wird.

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5. Der Entscheidungsprozess im Spiegel von Bewohnerdokumen-tationen in Altenpflegeheimen

Tina Quasdorf, Sabine Bartholomeyczik

Die in der Einleitung aufgeführte Problemdarstellung macht deutlich, dass das Thema ente-raler Ernährung mittels einer PEG-Sonde sowohl aufgrund des häufigen Vorkommens als auch aufgrund seiner besonderen ethischen und moralischen Brisanz einer detaillierten und sorgfältigen Bearbeitung bedarf. Nicht zuletzt der bisher nur teilweise geklärte Nutzen der enteralen Ernährung durch PEG-Sonden bei einer in besonderem Maße vulnerablen Pati-entenklientel begründet die allgemeine Forderung nach einer sorgfältig getroffenen Ent-scheidung für oder gegen die Anlage einer PEG-Sonde.

Auch für den folgenden Teil des Projektes ergab sich daher die Fragestellung:

Wie verläuft der Entscheidungsprozess im Vorfeld einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) in Einrichtungen der stationären Altenpflege?

Anhand der zur Verfügung stehenden Literatur wurden auf der Grundlage empirisch und theoretisch bedingter Vorüberlegungen Themenbereiche und Aspekte identifiziert, die zur Formulierung folgender Zielsetzungen führte:

die Erfassung von gesundheitlichen, ernährungsspezifischen und anderen Faktoren (z. B. Patientenverfügungen), die für den Entscheidungsprozess vor der Anlage einer PEG von Bedeutung sind

die Darstellung des Entscheidungsprozesses im Hinblick auf die beteiligten Akteure und deren Interaktion sowie die Nutzung von Entscheidungshilfen und Maßnahmen zur Vermeidung einer PEG

5.1 Methodisches Vorgehen

Die zur Bearbeitung der Fragestellung benötigten Daten wurden anhand einer Analyse von Pflegedokumentationen aus Altenpflegeeinrichtungen erhoben. Sie bieten Informationen zum Entscheidungsablauf vor Anlage einer PEG und es können Regelmäßigkeiten und Struktu-ren, die diesem Prozess zugrunde liegen, dargestellt werden.

Für die Dokumentenanalyse wurde ein quantitativer Forschungsansatz mit retrospektivem, deskriptivem Design gewählt.

Da es sich bei dem Forschungsvorhaben um eine erste deskriptive Annäherung an das Themenfeld handelt und das Projekt zeitlich sehr begrenzt ist, konnte hier nicht der Anspruch bestehen, eine repräsentative Stichprobe zu akquirieren. Die hierfür notwendige Form der Stichprobenziehung auf Grundlage einer Zufallsauswahl (Kromrey, 2006) konnte im Rahmen des Projektes nicht gewährleistet werden, wurde jedoch unter Berücksichtigung des explora-tiven Forschungsziels auch nicht als notwendig erachtet und eine Gelegenheitsstichprobe geplant.

Vorab durchgeführte, nicht repräsentative Anfragen in verschiedenen Altenpflegeeinrichtun-gen wiesen darauf hin, dass nur ein sehr geringer Teil der Bewohner mithilfe einer PEG-Sonde enteral ernährt wird. Anhand dieser Schätzungen wurde davon ausgegangen, dass maximal zehn Prozent der Bewohner einer Einrichtung eine PEG-Sonde haben. Bei einer angenommenen Durchschnittsgröße einer Altenpflegeeinrichtung mit 100 Bewohnern hätten so in fünf Einrichtungen etwa 50 Teilnehmer für die Studie rekrutiert werden können. Dies schien im Hinblick auf die für dieses Projekt zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie bezogen auf das Forschungsziel einer angemessenen Stichprobengröße zu entsprechen. Es war deshalb vorgesehen, mindestens fünf Altenpflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen für die Teilnahme an der Studie zu gewinnen. Es sollten in diesen Einrichtungen die Doku-mentationen möglichst aller Bewohner mit einer PEG-Sonde eingesehen werden.

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Teilnehmende Einrichtungen wurden gebeten, als Gatekeeper zu fungieren und den nötigen Kontakt zu potenziellen Teilnehmern oder deren gesetzlichen Vertretern herzustellen.

Aus sachlogischen Gründen besteht die Stichprobe aus Bewohnern, die über eine PEG-Sonde zur enteralen Ernährung verfügen oder zu einem früheren Zeitpunkt während ihres Aufenthaltes in der Einrichtung über eine solche verfügten. Es wird hierbei nicht berücksich-tigt, ob die Sonde bereits vor Einzug in die Altenpflegeeinrichtung gelegt wurde. Vorausset-zung war jedoch, dass bewohnerspezifische Dokumentation, aus dem Zeitraum in dem der Bewohner die PEG-Sonde erhalten hat, zur Verfügung gestellt werden konnte.

Ausgeschlossen wurden Fälle, in denen eine Entscheidung gegen die Anlage einer PEG getroffen wurde, sowie Fälle, in denen es nicht möglich war einen mündlichen oder schriftli-chen Informed Consent durch den Bewohner oder dessen gesetzliche Betreuer einzuholen.

Als Analyseeinheit wurden die vollständigen Pflegeakten der teilnehmenden Bewohner defi-niert, wobei eine zeitliche Begrenzung bei sechs Monaten vor Anlage der PEG-Sonde veran-schlagt wurde. Ein besonderer Fokus lag jedoch vor allem auf der Phase unmittelbar vor Anlage der PEG-Sonde sowie auf der Gesundheits- und Ernährungssituation zum Zeitpunkt der Erhebung.

Die Rekrutierung der Teilnehmer stellte sich im Verlauf als schwierig heraus. Insbesondere der Zugang zum Feld brachte einige Probleme mit sich.

Um Altenpflegeeinrichtungen für die Teilnahme an der Studie zu gewinnen, wurden Informa-tionsschreiben mit der Bitte um Teilnahme an zunächst dreizehn willkürlich ausgewählte Ein-richtungen im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Hagen versandt. Geplant war es, nach Ablauf einer Zeitspanne von etwa einer Woche in diesen Einrichtungen erneut telefonisch vorstellig zu werden. Ein Teil dieser Einrichtungen mit kirchlicher Trägerschaft leitete die Anfrage jedoch an eine zentrale Stelle weiter, von wo aus angeboten wurde, die weitere Anfrage NRW-weit intern zu bearbeiten. Des Weiteren wurde gebeten, von weiterer telefonischer Rücksprache Abstand zu nehmen. Durch dieses Vorgehen konnten nur zwei Einrichtungen gewonnen werden, die sich dazu bereit erklärten an der Studie teilzunehmen.

In einem weiteren Schritt wurden dann erneut etwa zwanzig Altenpflegeeinrichtungen mit privater oder kommunaler Trägerschaft vorwiegend im Raum Wuppertal und Dortmund kon-taktiert. Es konnten auf diesem Wege weitere neun Einrichtungen gewonnen werden, die sich dazu bereit erklärten an der Studie teilzunehmen.

Diese größere Anzahl an Einrichtungen stellte sich als notwendig heraus, da in einigen Ein-richtungen nur wenige Bewohner über eine PEG-Anlage verfügten.

In den teilnehmenden Einrichtungen konnten insgesamt 76 Bewohner für die Teilnahme an der Studie gewonnen werden, wobei die Teilnehmerzahl pro Einrichtung zwischen drei und dreizehn Bewohnern lag. Diese unregelmäßige Verteilung der Teilnehmer auf die Einrichtun-gen ergab sich zufällig. Gründe hierfür waren zum einen, dass unterschiedlich viele der Be-wohner über eine PEG-Sonde enteral ernährt wurden. Zum anderen waren die Einrichtungen zum Teil nicht bereit alle relevanten Bewohnerdokumentationen zur Verfügung zu stellen, bzw. konnten von den Bewohnern oder deren gesetzlichen Betreuern keinen Informed Con-sent einholen.

Vier der Bewohnerdokumentationen mussten nachträglich aus der Analyse ausgeschlossen werden, da sich herausstellte, dass die Dokumentation aus dem Zeitraum der PEG-Anlage bereits archiviert war und nicht zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Datenerhebung anhand dieser vier Dokumentationen konnte dementsprechend nur lückenhaft erfolgen und ließ keine sinnvolle Analyse zu.

Die Datenerhebung erfolgte in Form einer retrospektiven quantitativen Auswertung von Be-wohnerdokumentationen. Diese Form der Datenerhebung wurde im Sinne einer quantitativen Inhaltsanalyse, wie sie in der sozialwissenschaftlichen Methodenlehre beschrieben wird, verstanden. Dafür wurde ein Kategoriensystem als teilstandardisiertes Erhebungsinstrument in Form einer Checkliste entwickelt. Grundlage für die Erstellung des Instrumentes waren

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sowohl theoretische Vorüberlegungen, die sich mit der Frage beschäftigten, welche Informa-tionen für die Bearbeitung der Forschungsfrage relevant sein würden, als auch aus der Lite-ratur gewonnene Informationen zum Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit der An-lage einer PEG-Sonde. Folgende Informationen sollten mit dem Erhebungsinstrument erfasst werden:

Wo, wann und in welchem Zusammenhang wurde die PEG gelegt (evtl. akutes gesundheitliches Ereignis)?

Lässt sich eine typische gesundheitliche Entwicklung beschreiben (Mangelernährung, Demenz, andere neurologische Erkrankungen)?

Wie lässt sich die Entwicklung der Betreuungskonstellationen beschreiben (zu Hause, Heim, Krankenhaus, teilstationäre Versorgung etc.; Angehörige, professionelle Pfle-gedienste, Haus-, Facharzt)?

Wer war im Vorfeld der Anlage einer PEG in die gesundheitliche Beurteilung und Ent-scheidung einbezogen (Professionelle, Angehörige, gesetzliche Betreuer)?

Welche Maßnahmen und Instrumente wurden im Zusammenhang mit dem Entschei-dungsprozess genutzt?

Lag eine Patientenverfügung vor?

Die Qualität und die Anwendbarkeit des Kategoriensystems wurden nach Auswertung der ersten fünf Bewohnerdokumentationen beurteilt, woraufhin das Instrument geringfügig modi-fiziert werden musste. Die im Rahmen dieses Pretests ausgewerteten Bewohnerdokumenta-tionen konnten in die Analyse, trotz der vorgenommenen Änderungen, eingeschlossen wer-den (vgl. Anlage).

Die Datenerhebung fand im Zeitraum September bis November 2008 statt und wurde von drei verschiedenen Mitarbeiterinnen des Projektes (darunter zwei studentische Hilfskräfte) durchgeführt. Die studentischen Hilfskräfte, die an der Erarbeitung des Erhebungsinstru-mentes nicht beteiligt waren, wurden vor der Datenerhebung entsprechend geschult. Dar-über hinaus wurde die Datenerhebung in den Einrichtungen jeweils zu zweit durchgeführt, sodass die Möglichkeit gegeben war, Unklarheiten zu diskutieren.

Die Analyse der quantitativen Daten wurde mithilfe der Software SPSS 17.0 durchgeführt.

Da der Ansatz des Forschungsvorhabens deskriptiv explorativer Natur ist, erfolgte die Ana-lyse unter primärem Einsatz deskriptiver statistischer Verfahren. Intention der Analyse war folglich eine Aufbereitung der Daten im Sinne eines Ordnens, Zusammenfassens und Dar-stellens (Lorenz, 1996). Der Fokus lag dabei vor allem auf der tabellarischen und grafischen Darstellung von Häufigkeitsverteilungen.

Die Nutzung multivariater Analysemethoden war aufgrund der geringen Stichprobengröße nur bedingt möglich. Lediglich einzelne Variablen eigneten sich dazu, zweidimensionale Merkmalsausprägungen darzustellen. Dieser Sachverhalt ist in erster Linie damit zu begrün-den, dass die einzelnen eindimensionalen Merkmalsausprägungen zu selten auftraten, um sie sinnvoll miteinander in Beziehung zu setzen (Burns & Grove, 2003; Lorenz, 1996).

Wenn anhand theoretischer Überlegungen sowie der grafischen und tabellarischen Darstel-lung die Vermutung bestand, dass ein Zusammenhang zweier Merkmale gegeben war, wurde zudem die Stärke des statistischen Zusammenhangs bestimmt. Wegen des vorwie-gend nominalen Datenniveaus wurde hierzu der Chiquadrat-Test angewandt (Quatember, 2005).

Vor Beginn der Datenerhebung wurde zudem angenommen, dass in den Bewohnerdoku-mentationen Informationen zu finden seien würden, die in Zusammenhang mit der Anlage einer PEG-Sonde stehen, aber nicht mithilfe der vorbereiteten Checkliste hätten erfasst wer-den können. In diesem Fall war eine qualitative inhaltsanalytische Herangehensweise in An-lehnung an Gläser und Laudel (2006) vorgesehen. Während der Datenerhebung stellte sich jedoch heraus, dass nur sehr wenig Material mit dieser offenen Form der Datenerhebung gewonnen werden konnte, sodass die qualitative inhaltsanalytische Vorgehensweise wenig

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sinnvoll erschien. Die auf diesem Weg gewonnen Daten werden aus diesem Grund lediglich in Form von Fallbeispielen zur Unterstreichung der quantitativen Ergebnisse dargestellt.

Ethische Überlegungen

Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojektes wurde von allgemeingültigen ethischen Grundsätzen im Zusammenhang mit Forschung ausgegangen. Dabei wird das Recht auf Anonymität und Vertraulichkeit der Informanten, das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Abbruch der Teilnahme an der Forschung sowie das Recht auf Schutz von Personen vor Schäden garantiert (Burns & Grove, 2003).

Im Hinblick auf die genannten Prinzipien sind im Rahmen dieses Projektes sowohl daten-schutzrechtliche Aspekte als auch die vermutlich in einigen Fällen bestehende besondere Vulnerabilität der zu untersuchenden Gruppe zu berücksichtigen. „Vulnerable (verletzte, verletzliche) Probanden sind Personen, die aufgrund ihres Alters oder ihrer eingeschränkten geistigen Fähigkeiten keine informierte Zustimmung geben können und/ oder die aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation durch die Teilnahme an einem Forschungsvorhaben in besonderem Maße belastet oder gar gefährdet werden können.“ (Schnell & Heinritz, 2006, S. 43)

Es war davon auszugehen, dass einige der Bewohner, die mithilfe einer PEG-Sonde ernährt werden, neurologische Erkrankungen aufweisen würden, die zu einer Vulnerabilität im Sinne der genannten Definition führen. Zur Bearbeitung der Fragestellung war jedoch vorgesehen, dass ausschließlich Routinedaten in anonymisierter Form erhoben werden, sodass hieraus kein Schaden für die Teilnehmer entstehen konnte.

Potenzielle Teilnehmer, bzw. deren gesetzliche Betreuer, wurden durch die Einrichtungen über das Projekt informiert und um ihr Einverständnis zur Teilnahme gebeten. Die Einrich-tungen wurden in einem Informationsschreiben darauf hingewiesen, dass das Einverständnis der Bewohner oder der gesetzlichen Betreuer Voraussetzung für die Teilnahme der Bewoh-ner ist. Wäre eine Einrichtung nicht in der Lage gewesen, die betreffenden Bewohner zu in-formieren und deren Zustimmung einzuholen, wäre dieses durch die Mitarbeiter des Projek-tes übernommen worden. Die erhobenen Daten wurden bereits während der Erhebung in-nerhalb der Einrichtungen anonymisiert und standen den Forschenden ausschließlich in die-ser Form zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Nach Verlassen der Einrichtungen war eine rückwirkende Identifikation von Bewohnern nicht möglich. Es wurde zu keinem Zeit-punkt eine Zuordnung einzelner Datensätze zu Patientennamen oder Geburtsdaten oder anderen persönlichen Daten dokumentiert.

Vor Beginn der Studie wurde ein Antrag auf ethische Begutachtung bei der Ethikkommission des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke eingereicht. Ein posi-tives Votum wurde vor Erhebung der ersten Daten erteilt.

Obwohl geplant war lediglich ein mündliches Einverständnis der Bewohner oder ihrer ge-setzlichen Vertreter zur Teilnahme an der Studie einzuholen und dieses Vorgehen durch das positive Votum der Ethikkommission legitimiert war, wünschten einige der teilnehmenden Altenpflegeeinrichtungen das Vorliegen eines schriftlichen Einverständnisses, um den Mitar-beitern des Forschungsprojektes Einsicht in die Bewohnerdokumentationen zu gewähren. Aus diesem Grund wurden zusätzlich ein Informationsschreiben und eine Einverständnis-erklärung in schriftlicher Form für die Bewohner und deren gesetzlichen Vertreter erstellt und den Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

5.2 Ergebnisse

Die in diesem Kapitel aufgeführten grafischen Darstellungen bilden die Auswertung der quantitativen Daten in erster Linie in Form von Diagrammen ab. Absolute Fallzahlen werden im Fließtext durch die entsprechenden Prozentangaben ergänzt. Die Ergebnisse, die sich aus dem offenen Anteil des Erhebungsinstrumentes ergeben, werden in einem abschließen-den Abschnitt dieses Kapitels in Form von Fallbeispielen und in Ergänzung zu den Ergebnis-sen der quantitativen Analyse aufgeführt.

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Stichprobe

In die Analyse wurden die Daten aus insgesamt 72 Bewohnerdokumentationen aus elf ver-schiedenen Altenpflegeeinrichtungen einbezogen. Im folgenden Abschnitt werden die wich-tigsten Charakteristika der Einrichtungen sowie die Stichprobe beschrieben.

Bei den teilnehmenden Einrichtungen handelt es sich ausschließlich um Einrichtungen der stationären Altenpflege. Einige der Einrichtungen verfügen außerdem über Pflegebereiche der ambulanten Tagesbetreuung sowie des betreuten Wohnens. Diese Pflegebereiche wur-den jedoch nicht für die Rekrutierung von Teilnehmern für das Projekt berücksichtigt. Eine der Einrichtungen führt zusätzlich einen stationären Wohnbereich für jüngere pflegebedürf-tige Personen. Dieser wurde für die Rekrutierung von Teilnehmern eingeschlossen.

Drei der elf Pflegeheime sind konfessionelle Einrichtungen. Weitere drei Pflegeheime sind Einrichtungen von privaten Trägern, während die restlichen fünf Pflegeheime kommunale Einrichtungen sind. Diese fünf kommunalen Einrichtungen sind zudem mit weiteren kommu-nalen Einrichtungen in einem Verbund zusammengeschlossen.

Die Größe der Einrichtungen entspricht zwar im Durchschnitt den zuvor benannten Schät-

zungen ( = 105,8), variiert jedoch zwischen den einzelnen Einrichtungen stark. Die kleinste Einrichtung verfügt über 61 Betreuungsplätze, während die größte Einrichtung 154 Betreu-ungsplätze anbietet (SD = 34,960; R = 93).

Wie oben bereits beschrieben, verteilt sich die Anzahl der Teilnehmer unregelmäßig auf die teilnehmenden Einrichtungen. Die grafische Darstellung der Verteilung findet sich in Abbil-dung 1 wieder. Da den Einrichtungen Anonymität zugesichert wurde, werden in der Grafik lediglich die Standorte der einzelnen Einrichtungen aufgeführt.

Die Abbildung zeigt, dass die meisten Bewohnerdokumentationen in einer Altenpflegeein-richtung in Düsseldorf gewonnen werden konnten (n = 13). Auch in zwei Einrichtungen in Dortmund konnten jeweils zehn Bewohnerdokumentationen analysiert werden. Die kleinste Anzahl (n = 3) an Bewohnerdokumentationen stand ebenfalls in einer Einrichtung in Dort-mund zur Verfügung.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass annähernd die Hälfte der analysierten Akten (n = 34) aus den Altenpflegeeinrichtungen in Dortmund stammen, die in einem Verbund zusammen-geschlossen sind.

Abbildung 1: Zahl der Bewohnerakten nach Einrichtung in der Reihenfolge der Erhebung

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Die Erhebung soziodemografischer Daten beschränkt sich auf Merkmale, von denen ange-nommen werden kann, dass sie bei einer überwiegenden Anzahl der teilnehmenden Bewoh-ner in der Dokumentation ersichtlich sein würden. In Tabelle 1 wird eine Übersicht der sozio-demografischen Charakteristika der Stichprobe dargestellt.

Geschlecht (n = 72)

Männlich 16 22,2%

Weiblich 56 77,8%

Alter (n = 72)

Mittelwert = 78, SD = 11,8

Min. = 42, Max. = 98

50 % der Teilnehmer sind älter als 81 Jahre.

< 50 Jahre 1 1,4%

50-59 Jahre 5 6,9%

60-69 Jahre 10 13,9%

70-79 Jahre 17 23,6%

80-89 Jahre 32 44,4%

> 89 Jahre 7 9,7%

Von den 72 teilnehmenden Bewohnern der Altenpflegeeinrichtungen sind 56 Frauen (77,8%) und 16 Männer (22,2%). Der Altersdurchschnitt liegt auf die Gesamtstichprobe bezogen bei 77,9 Jahren, wobei die Spannweite 56 Jahre beträgt und die Standardabweichung 11,780 Jahre. Der jüngste Teilnehmer ist 42 Jahre alt und der älteste Teilnehmer 98 Jahre. Die

Gruppe der Frauen ( =79,86; SD = 11,86; R = 56) ist im Durchschnitt 8,6 Jahre älter als die

Gruppe der Männer ( = 71,25; SD = 8,881; R = 31). Während bezogen auf die Gesamtstich-probe (44,4%) und auf die Gruppe der Frauen (53,6%) am häufigsten die Altersgruppe der 80 – 89-jährigen vertreten ist, lassen sich die Männer am häufigsten (50%) der Altersgruppe 70 – 79 Jahre zuordnen.

Neben Alter und Geschlecht der Teilnehmer wurden zusätzlich die Nationalität sowie die Religionszugehörigkeit der Teilnehmer erfasst. Die Erhebung dieser Daten wurde durchge-führt, da in der Literatur Hinweise darauf zu finden waren, dass diese Aspekte einen Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben könnten. Wie in Tabelle 1 ersichtlich sind die Teilneh-mer in 97,1 Prozent der Fälle deutsche Staatsbürger. Etwa 87 Prozent der Teilnehmer sind evangelisch oder römisch-katholisch. Es sind deshalb anhand dieser Merkmale keine Rück-schlüsse zu ziehen.

Des Weiteren wurde erhoben, im wievielten Jahr die Teilnehmer zum Zeitpunkt der Erhe-bung in der jeweiligen Altenpflegeeinrichtung leben. Mit 18,6 Prozent die größte Gruppe lebt zum Zeitpunkt der Erhebung weniger als ein Jahr in der Einrichtung. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Einrichtung zum Zeitpunkt der Erhebung beträgt 5,4 Jahre (SD = 5,606) und die längste Aufenthaltsdauer weist einen Bewohner auf, der bereits seit 36 Jah-ren in der Einrichtung lebt.

Nationalität (n = 69)

Deutsch 67 97,1%

Polnisch 1 1,4%

Österreichisch 1 1,4% Religion

(n = 61)

Evangelisch 29 47,5%

Römisch-katholisch 24 39,3%

Russisch-orthodox 1 1,6%

Apostolisch 2 3,3%

Keine 5 8,2%

Tabelle 1: Soziodemografische Merkmale der Stichprobe

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Situation zum Zeitpunkt der PEG-Anlage

Es werden sowohl Aspekte der gesundheitlichen Situation der Teilnehmer herausgearbeitet als auch die Betreuungs- und Ernährungssituation der Bewohner beschrieben.

Betreuungssituation

In Abbildung 2 wird die Betreuungssituation der teilnehmenden Bewohner vor der Anlage der PEG-Sonde dargestellt. Es ist zu beachten, dass sich die Darstellung auf die jeweiligen pro-zentualen Anteile innerhalb der einzelnen Untergruppen bezieht. In sechs Fällen finden sich in der Bewohnerdokumentation keine Angaben zur Betreuungssituation der Teilnehmer vor Anlage der PEG-Sonde. Die Gruppe der Frauen (n = 51) ist dabei weitaus größer als die Gruppe der Männer (n = 15) und macht 77,3 Prozent der Gesamtstichprobe (n = 66) aus.

Es wird deutlich, dass die meisten Bewohner (72,7%) bereits vor der PEG-Anlage in einer Altenpflegeeinrichtung betreut wurden. Allerdings wurden nur 60 Prozent der Männer im Vergleich zu 76,5 Prozent der Frauen in Altenpflegeeinrichtungen betreut. Es wurden dage-gen jedoch 13,3 Prozent der Männer gegenüber 3,9 Prozent der Frauen in der eigenen Wohnung durch Angehörige betreut. Auch selbstständig versorgte sich ein größerer Anteil der Männer (26,7%) als der Frauen (13,7%). Bei dieser Kategorie ist jedoch zu berücksichti-gen, dass möglicherweise, obwohl eine pflegerische Unterstützung durch Angehörige nicht explizit als solche erfasst und dokumentiert war, dennoch selbstpflegerische Defizite durch Angehörige kompensiert wurden. Dies würde erklären, warum ein größerer Anteil der Män-ner als selbstständig eingestuft wurde.

In 1,5 Prozent der Fälle finden sich keine näheren Angaben, wie Teilnehmer, die in ihrer ei-genen Wohnung lebten, betreut wurden.

Die Betreuung nach der Anlage der PEG-Sonde fand bei den teilnehmenden Bewohnern zu mindestens 94,4 Prozent in Altenpflegeeinrichtungen statt, wobei sich in vier (5,6%) Bewoh-nerdokumentationen keine Angaben zur Betreuungssituation nach der Anlage der PEG-Sonde finden.

Ort der PEG-Anlage

1 Zur übersichtlicheren grafischen und tabellarischen Darstellung wurden die Antwortkategorien des

Erhebungsinstrumentes folgendermaßen abgekürzt: 1) Eigene Wohnung, keine Betreuung = selbstständig; 2) Eigene Wohnung, Betreuung durch Angehörige = Angehörige; 3) Eigene Wohnung, Betreuung durch Pflegedienst = Pflegedienst; 4) Altenpflegeeinrichtung = Pflegeheim; 5) Eigene Wohnung ohne Angabe zur Betreuung = Wohnung o. A.

Abbildung 2: Betreuungsart vor Anlage der PEG-Sonde 1

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Des Weiteren wurde erhoben, in welcher Art von Krankenhaus die teilnehmenden Bewohner zum Zeitpunkt der Anlage der PEG-Sonde betreut wurden. Abbildung 3 stellt die entspre-chenden Ergebnisse dar.

Mit 62,5 Prozent am häufigsten erfolgte die Anlage in einem Krankenhaus der Allgemeinver-sorgung ohne speziellen Schwerpunkt. Nur in 27,9 Prozent der Fälle fand eine Versorgung des Patienten zum Zeitpunkt der PEG-Anlage in einer spezialisierten Fachabteilung, wie Gerontopsychiatrie, Geriatrie, Neurologie, oder in einer Rehabilitationseinrichtung statt. In 9,7 Prozent der Fälle finden sich in der Bewohnerdokumentation keine Informationen zur Art der Einrichtung, in der der Teilnehmer zum Zeitpunkt der PEG-Anlage versorgt wurde.

Eine Aufschlüsselung der Variable hinsichtlich des Alters der teilnehmenden Bewohner zeigt aufgrund der geringen Fallzahlen in einigen der Altersgruppen keine nennenswerten Ten-denzen. Die Abbildung 4 veranschaulicht jedoch, dass Bewohner mit einem akuten Ereignis zum Zeitpunkt der Sondenanlage häufiger in einer Rehabilitationseinrichtung oder einer neu-rologischen Abteilung betreut wurden, während sich Bewohner ohne akutes Ereignis häufi-ger in einem Krankenhaus ohne Spezialisierung oder in einer geriatrischen Abteilung befan-den.

Abbildung 3: Art der Einrichtung, in der die PEG-Sonde gelegt wurde

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Gesundheitssituation

Zur Beurteilung der Gesundheitssituation der Teilnehmer wurde zunächst erfasst, ob ein akutes Ereignis zur Anlage der PEG-Sonde geführt hat (Abb. 5). Bei etwa der Hälfte der Be-wohner (48,6%) traf dies nicht zu. Das heißt, es kann davon ausgegangen werden, dass bei diesen Teilnehmern eine stetige Verschlechterung des Ernährungs- und Gesundheitszu-standes über einen längeren Zeitraum die Anlage der PEG-Sonde bedingt hat. Bei 43,1 Pro-zent der Teilnehmer lag ein akutes Ereignis vor, das zur Anlage der PEG-Sonde führte und bei 8,3 Prozent der Teilnehmer fanden sich in der Dokumentation keine Angaben zu den auslösenden Faktoren. Bei der in Abbildung 5 aufgeführten Kategorie „Sonstiges“ handelt es sich um akute Ereignisse, die keiner Kategorie zuzuordnen waren. In einem Fall trat eine akute Dysphagie auf, deren Genese nicht weiter beschrieben wird. In den anderen Fällen traten eine plötzliche Somnolenz, ein prärenales Nierenversagen und eine akute Ver-schlechterung des Allgemeinzustandes auf, wobei auch in diesen Fällen die Genese, bzw. eine präzise Diagnose, anhand der zur Verfügung stehenden Bewohnerdokumentationen nicht erfasst werden konnte. In allen vier Fällen trat das Ereignis akut auf, die Bewohner wurden daraufhin in einem Krankenhaus stationär betreut und während dieses Kranken-hausaufenthaltes wurde die PEG-Sonde gelegt.

Abbildung 4: Art der Einrichtung, in der die PEG-Sonde gelegt wurde, nach dem Vorliegen eines akuten Ereignisses

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In den Fällen, bei denen ein akutes Ereignis vorlag, wurde zusätzlich erhoben, wie viel Zeit zwischen dem akuten Ereignis und der PEG-Anlage verstrich. In vier Fällen finden sich hierzu keine Angaben in der Bewohnerdokumentation. In etwa 85 Prozent der verbleibenden Fälle (n = 27) erfolgte die Anlage der PEG-Sonde innerhalb der ersten vier Wochen nach Auftreten des akuten Ereignisses (Abb. 6). Obwohl zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine sehr kleine Fallzahl handelt, wird hier eine zeitliche Tendenz deutlich. Es scheint, dass der Prozess zur Entscheidung für eine PEG-Sonde in einem Zeitraum von etwa vier Wochen nach dem Auftreten eines akuten Ereignisses stattfindet. Keine Aussage kann jedoch dar-über getroffen werden, ob und wie häufig Entscheidungen gegen eine PEG-Sonde stattfin-den.

Neben der Frage nach einem akuten Ereignis im Vorfeld einer PEG-Anlage wurde auch der allgemeine Gesundheitszustand der Teilnehmer erfasst. Hierzu wurden zunächst alle in den Bewohnerdokumentationen aufgeführten Erkrankungen dokumentiert. Für die statistische Auswertung der Daten wurden die einzelnen Erkrankungen zu Kategorien zusammenge-

Abbildung 5: Vorliegen und Art eines akuten Ereignisses, das zur PEG-Anlage führte

Abbildung 6: Zeitdauer zwischen dem akuten Ereignis und der Anlage PEG-Sonde

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fasst. Es werden hier nur Kategorien von Krankheiten berücksichtigt und dargestellt, bei de-nen davon auszugehen ist, dass sie im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer künstli-chen Ernährung mittels einer PEG-Sonde relevant sind, bzw. dass ihnen bei der Entschei-dungsfindung eine besondere Bedeutung zu kommt.

Bei der Interpretation von Abbildung 7 ist zu berücksichtigen, dass bei den einzelnen Teil-nehmern verschiedene Erkrankungen erfasst werden konnten. Es ist außerdem zu beachten, dass eine Relevanz dieser Erkrankungen in Bezug auf die Anlage einer PEG-Sonde lediglich vermutet wird und anhand der Aktenlage nicht immer nachweisbar war.

Genau 50 Prozent der Teilnehmer weisen eine dementielle Erkrankung auf. Bei 38,9 Prozent der Teilnehmer finden sich in der Anamnese ein Apoplex oder ein Schädel-Hirn-Trauma und auch neurologische Erkrankungen2 sind mit 30,6 Prozent häufig vertreten. Maligne Erkrankungen spielen eine untergeordnete Rolle, da sie lediglich bei 2,8 Prozent der Teil-nehmer vorkommen.

Bei den genannten Krankheitskategorien wurde außerdem überprüft, ob sich eine Beziehung zu der Variable „Alter des Bewohners“ nachweisen lässt. Dies war lediglich bei der Krank-heitskategorie „Demenz“ der Fall. Erwartungsgemäß treten mit zunehmendem Alter demen-

tielle Erkrankungen häufiger auf (Abb. 8, = 14,070; df = 5; p= 0,015). Der Zusammenhang dieser beiden Variablen ist für die Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen, da in der zugrunde liegenden Stichprobe vor allem die höheren Altersgruppen vertreten sind. Des Weiteren wurde in der Literatur die Anlage einer PEG-Sonde insbesondere bei Patienten mit dementiellen Erkrankungen kritisch diskutiert.

2 In Abgrenzung zu akuten neurologischen Erkrankungen, wie Apoplex und Schädel-Hirn-Traun

(SHT), wurden hierunter progredient verlaufende neurologische Erkrankungen, wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson, zusammengefasst.

Abbildung 7: Grunderkrankungen der Teilnehmer

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Ernährungssituation

Zur Beurteilung der Ernährungssituation wurde zunächst erfasst, ob bei den Teilnehmern zum Zeitpunkt der PEG-Anlage eine Dysphagie vorlag. Dies trifft bei genau 50 Prozent der Teilnehmer zu. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Dysphagie nur dann erfasst werden konnte, wenn sich Hinweise hierauf in den analysierten Bewohnerdokumentationen fanden. Hierbei wurden alle Fälle berücksichtigt, in denen entweder die Diagnose Dysphagie explizit dokumentiert ist oder aber bei denen Schluckstörungen anhand der Pflegedokumentation festgehalten sind. Es ist durchaus denkbar, dass der tatsächliche Anteil der Teilnehmer, die zum Zeitpunkt der PEG-Anlage eine Dysphagie hatten, größer ist als 50 Prozent. Auffallend bei der Analyse der Daten ist, dass der Anteil der Teilnehmer mit Dysphagie in der Gruppe der Männer mit 75 Prozent größer ist als in der Gruppe der Frauen (42,9%). Da insbeson-dere die Gruppe der Männer jedoch sehr klein ist, kann dieser Unterschied nur unter Vorbe-halt interpretiert werden.

Weiterhin wurde erhoben, ob die Teilnehmer vor Anlage der PEG-Sonde über eine naso-gastrale Sonde ernährt wurden. Auch bei dieser Frage lässt sich lediglich überprüfen, ob in der Bewohnerdokumentation Hinweise darauf zu finden sind. Das ist nur bei vier Teilneh-mern der Fall. Ebenso wie bei der Frage nach einer Dysphagie, muss jedoch auch hier be-rücksichtigt werden, dass möglicherweise die Nutzung einer nasogastralen Sonde in der Bewohnerdokumentation der Altenpflegeeinrichtung nicht dokumentiert wurde. Insbesondere bei Teilnehmern, die die PEG-Sonde bereits vor Einzug in die Einrichtung erhalten haben, bzw. die aufgrund eines akuten Ereignisses in einem Krankenhaus versorgt wurden, ist diese Möglichkeit nicht auszuschließen.

Zur Beurteilung der Ernährungssituation wurde außerdem der Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmer zum Zeitpunkt der PEG-Anlage anhand des dokumentierten Gewichts und der Größe errechnet. Die größte Gruppe der Teilnehmer wies zum Zeitpunkt der Anlage der PEG-Sonde einen BMI von 20 kg/m2 bis 25 kg/m2 auf, was entsprechend der Definition durch die WHO (2009) als normal gilt (Abb. 9). Bei jeweils neun Teilnehmern war der BMI kleiner als 20 kg/m2 oder größer als 25 kg/m2. In weiteren 25 Bewohnerdokumentationen finden sich keine Informationen über den BMI oder die Größe und das Gewicht der Teilnehmer zum Zeitpunkt der PEG-Anlage.

Abbildung 8: Personen mit Demenz nach Altersgruppen

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Situation zum Zeitpunkt der Erhebung

Um einschätzen zu können, wie sich die Anlage der PEG-Sonde und die daraus resultie-rende enterale Ernährung der Teilnehmer auf deren Ernährungssituation ausgewirkt hat, bzw. wie sich diese im weiteren Verlauf entwickelt hat, wurden Daten zur Beurteilung der Ernährungssituation zum Zeitpunkt der Erhebung ermittelt. Des Weiteren wurde erhoben, ob seit Anlage der PEG-Sonde Komplikationen aufgetreten sind, die möglicherweise durch die PEG-Sonde oder die damit einhergehende Sondenernährung bedingt sind.

Ernährungssituation

Zunächst wurde erfasst, ob den Teilnehmern zusätzlich zur Sondenkost orale Nahrung an-geboten wurde. Bei genau 50 Teilnehmern wird auch eine orale Nahrungsaufnahme ange-boten (Abb.10). Das entspricht einem Anteil von etwa 70 Prozent aller PEG-Sondenträger. In nur einem einzigen Fall ist die PEG-Sonde zum Zeitpunkt der Erhebung nicht mehr vorhan-den. Indikation für die Anlage der PEG-Sonde war in diesem Fall eine massive Ösophagitis, die offenbar im weiteren Verlauf abgeklungen war. In lediglich drei der Bewohnerdokumenta-tionen finden sich Hinweise darauf, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung in Erwägung gezogen wurde, die enterale Ernährung mithilfe der PEG-Sonde nicht dauerhaft fortzuset-zen. Die Option, eine PEG-Sonde als vorübergehende Maßnahme zu betrachten, scheint offenbar in der alltäglichen Praxis eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Abbildung 9: BMI zum Zeitpunkt der PEG-Anlage

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Abbildung 10: Zusätzliches Angebot zur oralen Nahungsaufnahme

Fraglich ist, ob diese Option aufgrund der gesundheitlichen und ernährungsspezifischen Si-tuation der Bewohner nicht infrage kommt oder aber, ob die Möglichkeit eine PEG-Sonde bei einer Verbesserung der Situation wieder zu entfernen, aufgrund anderer Aspekte nicht in Betracht gezogen wird. Aus diesem Grund wurde zusätzlich erfasst, in welchem Umfang die teilnehmenden Bewohner mit Sondenkost, bzw. anhand von oraler Nahrungsaufnahme, er-nährt werden.

Insgesamt werden 63,4 Prozent der teilnehmenden Bewohner zum Zeitpunkt der Datener-hebung vorwiegend oder ausschließlich über die PEG-Sonde ernährt. Etwa 24 Prozent der teilnehmenden Bewohner werden jedoch zumindest vorwiegend oral ernährt, wobei 11,3 Prozent lediglich Flüssigkeit über die PEG-Sonde erhalten und die Sonde in zwei Fällen überhaupt nicht genutzt wurde. In einigen Fällen scheint die PEG-Sonde folglich entweder für den Fall einer erneuten Verschlechterung der Ernährungssituation zu verbleiben oder aber zur ergänzenden Flüssigkeits- oder Nahrungssubstitution genutzt zu werden.

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Obwohl der Umfang des Nahrungsangebotes stark variiert, scheint die zusätzliche orale Er-nährung in den teilnehmenden Altenpflegeeinrichtungen einen großen Stellenwert zu haben und eine allgemein gebräuchliche pflegerische Maßnahme zu sein. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass anhand der erhobenen Daten nicht beurteilt werden kann, ob der Umfang des oralen Nahrungsangebotes dem gesundheitlichen Zustand und den Bedürfnissen der einzelnen Bewohner entspricht.

Zur Beurteilung der Entwicklung der Ernährungssituation wurde weiterhin der BMI der teil-nehmenden Bewohner zum Zeitpunkt der Datenerhebung erfasst. Es sollte vor allem ein Vergleich mit den BMI-Werten, die zum Zeitpunkt der PEG-Anlage dokumentiert waren, er-möglicht werden. Zu beachten ist, dass über die Höhe des BMI zum Zeitpunkt der PEG-An-lage in 34,7 Prozent der analysierten Bewohnerdokumentationen keine Angaben verfügbar sind und auch für den Zeitpunkt der Erhebung fehlen diese Angaben bei 15,3 Prozent der Bewohnerdokumentationen. In die grafische Darstellung des Vergleichs der BMI-Werte zum Zeitpunkt der PEG-Anlage und zum Zeitpunkt der Erhebung sind diese fehlenden Werte nicht eingeflossen. In Abbildung 12 werden ausschließlich die zur Verfügung stehenden BMI-Werte berücksichtigt.

Es zeigt sich, dass zu beiden Zeitpunkten jeweils die meisten teilnehmenden Bewohner ei-nen BMI von 20 kg/m2 bis 25 kg/m2 haben. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung ist der Anteil der Teilnehmer, die einen BMI von 20 kg/m2 oder darunter haben, um 7,6 Prozentpunkte kleiner als zum Zeitpunkt der PEG-Anlage. Hingegen ist der Anteil der Teilnehmer, die einen BMI von 26 kg/m2 bis 30 kg/m2 haben, mit 21,3 Prozent zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Vergleich zu 14,9 Prozent zum Zeitpunkt der PEG-Anlage geringfügig größer. Es zeigt sich also eine leichte Tendenz zu einem höheren BMI nach Beginn der Sondenernährung.

3 Zur übersichtlicheren grafischen und tabellarischen Darstellung wurden die Antwortkategorien des

Erhebungsinstrumentes folgendermaßen abgekürzt: 1) Ausschließlich orale Nahrungsaufnahme = Orale Ernährung; 2) Ausschließlich Flüssigkeitsgabe über die PEG = Flüssigkeitsgabe; 3) Vorwiegend orale Nahrungsaufnahme = Vorwiegend o. E.; 4) Sondenkost und orale Nahrungsaufnahme zu gleichen Teilen = SK & o. E.; 5) Vorwiegend Sondenkost = Vorwiegend SK; 6) Ausschließlich Sondenkost = Sondenkost

Abbildung 11: Umfang der oralen Nahrungsaufnahme 3

Abbildung 12: BMI zum Zeitpunkt der PEG-Anlage und zum Zeitpunkt der Datenerhebung

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Um auch den Gewichtsverlauf zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten des BMI-Wertes zu berücksichtigen, wurde zusätzlich anhand der in den Bewohnerdokumentationen zur Verfügung stehenden Gewichtsangaben beurteilt, wie sich das Körpergewicht der einzelnen teilnehmenden Bewohner in diesem Zeitraum entwickelte. Es stehen vier Antwortkategorien zur Verfügung, denen die Gewichtsverläufe der einzelnen Teilnehmer zugeordnet werden. Der Fokus liegt auf einer subjektiven Beurteilung des Gesamtverlaufes durch die Mitarbeiter des Projektes im Zeitraum von der Anlage der PEG-Sonde bis zum Zeitpunkt der Erhebung (Abb. 13), wobei die Cut-off-Punkte für eine Gewichtszunahme oder –abnahme bei einer Abweichung von mindestens fünf Kilogramm vom Ausgangsgewicht festgelegt wurden.

Bei 26 der teilnehmenden Bewohner ist eine entsprechende Zuordnung zu einer der vier Kategorien nicht möglich. Gründe hierfür sind zum einen, dass sich in der Bewohnerdoku-mentation keine Informationen finden, die eine Zuordnung ermöglichen oder aber dass die Zeitspanne zwischen Anlage der PEG-Sonde und der Datenerhebung zu kurz ist, um eine sinnvolle Beurteilung des Gewichtsverlaufes vorzunehmen. In Abbildung 13 sind diese Fälle nicht berücksichtigt, sondern es findet ausschließlich ein Vergleich der gültigen Fälle statt. Anhand der Darstellung wird deutlich, dass in 56,5 Prozent der Fälle eine Zunahme des Kör-pergewichts zu beobachten ist. Jeweils bei 17,4 Prozent der Teilnehmer ist der Gewichts-verlauf unregelmäßig oder aber es treten keine Veränderungen des Körpergewichts auf. In 8,7 Prozent der Fälle findet eine Abnahme an Körpergewicht statt.

Die beschriebenen ernährungsspezifischen Daten wurden darüber hinaus dahin gehend un-tersucht, ob Zusammenhänge mit anderen Variablen bestehen. Hierzu wurden verschiedene inhaltslogische Kombinationen von Variablen anhand von Kreuztabellen ausgewertet. Diese Form der Auswertung zeigt jedoch keine Korrelationen einzelner Variablen, wie beispiels-weise zwischen dem Vorliegen eines akuten Ereignisses als auslösendes Moment für die PEG-Anlage oder bestehenden Grunderkrankungen und der Entwicklung der Ernährungssi-tuation. Auch die Variablen Alter und Geschlecht stehen bei der zugrunde liegenden Stich-probe in keiner Beziehung zur Entwicklung der Ernährungssituation.

Komplikationen und gesundheitliche Probleme

Neben der ernährungsspezifischen Entwicklung nach Anlage der PEG-Sonde wurde eben-falls erhoben, ob bedingt durch die PEG-Sonde, durch deren Anlage oder durch die Ernäh-rung anhand von Sondenkost Komplikationen und gesundheitliche Probleme bei den einzel-nen teilnehmenden Bewohnern aufgetreten waren.

In insgesamt 33,3 Prozent der Bewohnerdokumentationen sind gesundheitliche Probleme beschrieben, die durch die PEG-Sonde verursacht wurden. Zu berücksichtigen ist hier er-neut, dass möglicherweise nicht alle Komplikationen, die auftraten, dokumentiert wurden,

Abbildung 13: Gewichtsverläufe nach Anlage der PEG-Sonde

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oder aber dass der Zusammenhang von gesundheitlichen Problemen und PEG-Sonde an-hand der Bewohnerdokumentation nicht nachvollziehbar ist.

Die häufigste Komplikation im Zusammenhang mit der PEG-Sonde stellt eine lokale Wund-infektion der Einstichstelle dar (Abb. 14). In lediglich zwei Fällen ist das Auftreten einer Diar-rhö dokumentiert, die durch eine Unverträglichkeit der Sondenkost verursacht wurde. In ei-nem Fall wurde ein sogenanntes Buried-Bumper-Syndrom diagnostiziert, worunter das Ein-wachsen der inneren Halteplatte, mit der die PEG-Sonde fixiert wird, in die Magenwand ver-standen wird. Eine Dislokation der Magensonde ist ebenfalls in einem Fall beschrieben.

Ebenso, wie bei der Beurteilung der Ernährungssituation zum Zeitpunkt der Datenerhebung, lassen sich auch in Bezug auf gesundheitliche Probleme, die im Zusammenhang mit der PEG auftraten, anhand statistischer Auswertung keinerlei Tendenzen in Bezug auf andere Variablen, wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder das Vorliegen einer Demenz nachwei-sen.

Entscheidungsfindung

Mithilfe des folgenden Abschnitts des Erhebungsinstrumentes wurden Informationen zum praktischen Ablauf des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde erhoben. Die einzelnen Items bezogen sich auf die Nutzung von Hilfsmitteln zur Entschei-dungsfindung, auf Maßnahmen zur Verbesserung oder Stabilisierung der Ernährungssitua-tion sowie auf die Beteiligung verschiedener Personengruppen am Entscheidungsprozess und deren Interaktion.

Während zur Bearbeitung der zuvor beschriebenen Themenbereiche sämtliche in der Be-wohnerdokumentation enthaltenen Informationen genutzt wurden, waren für die Bearbeitung der folgenden Items ausschließlich pflegespezifische Dokumente der Altenpflegeeinrichtun-gen relevant. Infolgedessen wurden alternative Dokumente, die sich in den Bewohnerdoku-mentationen befanden, wie beispielsweise Entlassungsbriefe von Krankenhäusern oder aus Rehabilitationseinrichtungen, nicht als Datenquelle berücksichtigt. Ausschlaggebend für diese Einschränkung war zum einen, dass davon auszugehen war, dass sich in diesen Do-kumenten keine detaillierten Informationen finden würden, die einen im Pflegeheim erfolgten Entscheidungsprozess nachvollziehbar machen würden. Zum anderen bezog sich die Fra-gestellung dieses Teiles des Forschungsprojektes auf den Ablauf von Entscheidungsprozes-sen im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde im Setting Altenpflegeeinrichtung. Insofern

Abbildung 14: Komplikationen im Zusammenhang mit der PEG-Sonde

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hätten diese Dokumente keine aussagekräftigen Informationen zur Bearbeitung der For-schungsfrage liefern können.

Anhand einer Filterfrage wurde zunächst eruiert, ob in der zur Verfügung stehenden Pflege-dokumentation der einzelnen teilnehmenden Bewohner grundsätzlich Informationen zum Entscheidungsprozess enthalten waren. Die folgenden Items des Erhebungsinstrumentes befassten sich dann detailliert mit der Art der zur Verfügung stehenden Informationen.

Informationen zum Entscheidungsprozess sind tatsächlich nur in 16 der analysierten Be-wohnerdokumentationen festgehalten (Abb. 15), was einem Anteil von 22,2 Prozent ent-spricht. In den verbleibenden 56 Bewohnerdokumentationen finden sich keinerlei Hinweise darauf, ob und wie ein Entscheidungsprozess stattgefunden hat.

Erwartungsgemäß handelt es sich bei den 16 Bewohnerdokumentationen, in denen Informa-tionen verfügbar waren, um Akten von Bewohnern, die bereits vor Anlage der PEG-Sonde in der Altenpflegeeinrichtung betreut wurden.

Wie bereits im entsprechenden Ergebnisteil ausgeführt, wurden 48 der 72 teilnehmenden Bewohner bereits vor Anlage der PEG-Sonde in einer Altenpflegeeinrichtung betreut. Bei diesen 48 Bewohnern war davon auszugehen, dass Informationen zur Entscheidungsfindung für die Anlage der PEG-Sonde in der Bewohnerdokumentation vorhanden sind. Es zeigte sich jedoch, dass auch bei diesen Bewohnern lediglich in 33,3 Prozent der Fälle derartige Informationen dokumentiert sind (Abb. 16).

Abbildung 15: Dokumentation des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der PEG-Anlage

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Es wurde deshalb nach weiteren Variablen gesucht, die einen Einfluss auf die Dokumenta-tion des Entscheidungsprozesses in der Bewohnerdokumentation der Altenpflegeeinrichtun-gen haben können.

Das Vorliegen eines akuten Ereignisses als auslösender Faktor für die Anlage einer PEG-Sonde, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, ob Informationen zum Entscheidungsprozess dokumentiert sind oder nicht (Abb. 17). In der Abbildung wurden ausschließlich diejenigen Bewohner berücksichtigt, die auch vor Anlage der PEG-Sonde bereits in der Pflegeeinrich-tung betreut wurden.

4 Zur übersichtlicheren grafischen und tabellarischen Darstellung wurden die Antwortkategorien des

Erhebungsinstrumentes, wie bereits in Abbildung 2, folgendermaßen abgekürzt: 1) Eigene Wohnung, keine Betreuung = Selbstständig; 2) Eigene Wohnung, Betreuung durch Angehörige = Angehörige; 3) Eigene Wohnung, Betreuung durch Pflegedienst = Pflegedienst; 4) Altenpflegeeinrichtung = Pflegeheim; 5) Eigene Wohnung ohne Angabe zur Betreuung = Wohnung o. A.

Abbildung 16: Dokumentation des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der PEG-Anlage nach Betreuungs-art vor der PEG-Anlage 4

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Lag kein akutes Ereignis vor, sind in 41,9 Prozent der Fälle Informationen zur Entschei-dungsfindung dokumentiert. In Fällen, bei denen ein akutes Ereignis vorlag, trifft dies nur bei 18,8 Prozent zu. Bei diesen akuten Ereignissen handelt es sich jeweils um Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, die offenbar nicht mit einer sofortigen stationären Versorgung in einem Krankenhaus einhergingen. Es lässt sich hier kein statistisch signifikanter Zusam-

menhang nachweisen ( = 2,527; df = 1; p= 0,112). Dennoch wird eine Tendenz anhand der grafischen Darstellung deutlich. Der fehlende Nachweis der statistischen Signifikanz lässt sich womöglich mit der geringeren Stichprobengröße (n = 48) erklären.

Fraglich ist, warum in 58,1 Prozent der Dokumentationen von Bewohnern ohne akutes Er-eignis keinerlei Hinweise auf die Entscheidungsfindung im Vorfeld der Anlage der PEG-Sonde zu finden sind. Obwohl die Stichprobengröße sehr gering ist, entsprechen diese 58,1 Prozent einer Anzahl von 18 Bewohnerdokumentationen, die zum einen in einer Altenpfle-geeinrichtung betreut wurden und bei denen zum anderen kein akutes Ereignis die Anlage der PEG-Sonde bedingt hatte. Es ist also davon auszugehen, dass bei dieser Gruppe von teilnehmenden Bewohnern die Entscheidung für die enterale Ernährung anhand einer PEG-Sonde getroffen wurde, während sie Bewohner einer Altenpflegeeinrichtung waren. Zu klä-ren ist, aus welchen Gründen sich bei diesen Bewohnern keinerlei Hinweise auf die Ent-scheidungsfindung in der Bewohnerdokumentation finden.

Die Daten wurden des Weiteren dahin gehend analysiert, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer dementiellen Erkrankung bei den teilnehmenden Bewohnern und der Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozesses für die Anlage der PEG-Sonde in den Pflegedokumentationen dieser Bewohner besteht. Diese Analyse wurde vorgenommen, da in der Literatur der Entscheidungsprozess vor Anlage einer PEG-Sonde insbesondere bei Personen mit dementiellen Erkrankungen als besonders essenziell und häufig problematisch beschrieben wird.

Es wurden auch bei dieser Auswertung ausschließlich die Fälle berücksichtigt, die bereits vor Anlage der PEG-Sonde in einer Altenpflegeeinrichtung betreut wurden. Es zeigt sich tatsächlich einen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen von Bewohnern (Abb. 18).

In der Gruppe der Bewohner, die keine dementielle Erkrankung haben, finden sich lediglich in 26,7 Prozent der Pflegedokumentationen Informationen zum Ablauf des Entscheidungs-prozesses. Hingegen finden sich in der Gruppe der Bewohner, die eine dementielle Erkran-kung haben, in 36,4 Prozent der Pflegedokumentationen Angaben zu diesem Prozess.

Statistisch lässt sich hier allerdings keine signifikante Korrelation der beiden Variablen nachweisen, sodass berücksichtigt werden muss, dass es sich um einen auf Zufall beruhen-den Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen handeln könnte. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Entscheidung für die Anlage einer PEG-Sonde bei Altenheimbewoh-nern, die eine dementielle Erkrankung haben, tatsächlich in einigen Fällen sehr sorgfältig bedacht wird.

Abbildung 17: Vorliegen eines akuten Ereignisses bei dokumentiertem Entscheidungsprozess

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Darüber hinaus wurde analysiert, ob in den verschiedenen Altenpflegeeinrichtungen unter-schiedlich häufig Informationen zum Entscheidungsprozess in den Bewohnerdokumentatio-nen vorliegen. Abbildung 19 stellt die entsprechenden Ergebnisse grafisch dar.

Aufgrund der geringen Stichprobengröße und der ungleichmäßigen Verteilung der Fälle auf die einzelnen Altenpflegeeinrichtungen lässt sich in Bezug auf diese Fragestellung keine Systematik erkennen. Dennoch fällt auf, dass in einigen Einrichtungen in keiner der Bewoh-nerdokumentationen Informationen zum Entscheidungsprozess vorliegen, während dies in anderen Einrichtungen relativ häufig der Fall ist. Ob diese Unterschiede durch die unter-schiedliche Qualität der Dokumentation und Entscheidungsfindung bedingt sind oder ob hier andere Faktoren eine Rolle spielten, lässt sich anhand der zur Verfügung stehenden Daten jedoch nicht beurteilen.

Für die Analyse der folgenden Items konnten ausschließlich Bewohnerdokumentationen be-rücksichtigt werden in denen Informationen zur Entscheidungsfindung enthalten waren. Die folgenden Ergebnisausführungen beziehen sich folglich ausschließlich auf die 16 Bewohner-dokumentationen in denen entsprechende Informationen vorlagen.

Abbildung 18: Vorliegen einer dementiellen Erkrankung bei dokumentiertem Entscheidungsprozess

Abbildung 19: Häufigkeit der Dokumentation des Entscheidungsprozess nach Einrichtung

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Übersicht

Abbildung 20 stellt zunächst eine Übersicht der Items dar, die im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung im Vorfeld der PEG-Anlage bearbeitet wurden. Es wird in dieser Gra-fik lediglich veranschaulicht, ob zu den einzelnen Themenbereichen Informationen vorhan-den waren oder nicht.

Es zeigt sich ein wenig einheitliches Bild. Während beispielsweise die Nutzung von Ent-scheidungshilfen sowie Gespräche im Team eine untergeordnete Rolle spielen, scheinen Informationen zu beteiligten Personen, zu Gesprächen mit Bewohnern und Angehörigen und zu Arztkontakten regelmäßig im Zusammenhang mit der Entscheidung für die Anlage einer PEG-Sonde dokumentiert zu werden. Informationen zur Nutzung von Assessmentinstru-menten oder Maßnahmen zur Vermeidung einer PEG-Sonde und Konfliktsituation sind je-weils in einem Teil der analysierten Bewohnerdokumentationen aufgeführt.

Entscheidungshilfen

Entscheidungshilfen wurden im Rahmen dieses Projektes definiert als Richtlinien und Handlungsanweisungen, die innerhalb der einzelnen teilnehmenden Altenpflegeeinrichtun-gen routinemäßig eingesetzt werden, um den Entscheidungsprozess im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde zu steuern.

Anhand der oben bereits aufgeführten Abbildung 20 wird deutlich, dass der Einsatz solcher Entscheidungshilfen in den beteiligten Einrichtungen keine Rolle zu spielen scheint. In keiner der elf Altenpflegeeinrichtungen konnte anhand der analysierten Bewohnerdokumentationen die Anwendung eines solchen Algorithmus nachgewiesen werden.

Assessmentinstrumente

Der Einsatz von Assessmentinstrumenten zur Unterstützung der Entscheidung für die An-lage einer PEG-Sonde war ein weiterer Aspekt, der bei der Analyse der Bewohnerdoku-mentationen erfasst wurde. Relevant war in erster Linie die Nutzung von Assessmentinstru-menten, die zur Beurteilung des Ernährungszustandes eingesetzt werden. Denkbar war je-doch auch der Einsatz anderer Assessmentinstrumente, die beispielweise im Rahmen einer Schluckdiagnostik oder zur Erfassung des Unterstützungsbedarfs bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme eingesetzt werden.

In insgesamt acht Fällen wurde die Nutzung von Assessmentinstrumenten im Zusammen-hang mit der Entscheidung für die Anlage einer PEG-Sonde dokumentiert (Abb. 21). Hierbei

Abbildung 20: Was wird dokumentiert? (Übersicht)

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handelte es sich jedoch in der Mehrzahl der Fälle um die Nutzung einfacher Trink- und Er-nährungsprotokolle, die zur Beurteilung und zum Nachweis des Ernährungsverhaltens der Bewohner geführt wurden. Nur in zwei Fällen wurde das sogenannte Mini Nutritional As-sessment (MNA) genutzt, welches angewendet wird um das Vorliegen eines Risikos für Er-nährungsprobleme bei Menschen, die älter als 65 Jahre sind, zu bestimmen. Beide Fälle sind derselben Altenpflegeeinrichtung zuzuordnen.

Der Gebrauch komplexer Assessmentinstrumente zur Beurteilung des Ernährungszustandes scheint in den Altenpflegeeinrichtungen nicht gebräuchlich zu sein.

Maßnahmen zur Verbesserung oder Stabilisierung der Ernährungssituation

Mit dem nächsten Item des Erhebungsinstrumentes wird der Frage nachgegangen, ob Maß-nahmen ergriffen wurden, mit deren Hilfe eine Verbesserung oder Stabilisierung der Ernäh-rungssituation herbeigeführt werden sollte. Es werden sowohl pflegerische Maßnahmen be-rücksichtigt als auch die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und die Nutzung von deren therapeutischen Möglichkeiten.

In neun der sechzehn Bewohnerdokumentationen wird die Anwendung solcher Maßnahmen dokumentiert (Abb. 22).

Bei der Interpretation der Abbildung ist zu berücksichtigen, dass bei Anwendung verschiede-ner Maßnahmen, diese jeweils gesondert aufgeführt werden.

Am häufigsten (n = 7) wird das regelmäßige Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit durch das Pflegepersonal sowie die Anwendung von Maßnahmen zur Unterstützung bei der Nah-rungs- und Flüssigkeitsaufnahme angeführt.

Als Maßnahmen zur Unterstützung werden sämtliche Bemühungen verstanden, die darauf abzielten, die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu erleichtern oder aber die dazu dienen sollten einen Appetitanreiz zu schaffen. Dazu gehören beispielsweise das Andicken von Flüssigkeiten und das Angebot passierter Kost bei Schluckbeschwerden, aber auch die An-wendung hochkalorischer Nahrungsergänzung oder das Ermöglichen einer individuellen und biografieorientierten Esskultur.

Abbildung 21: Nutzung von Assessmentinstrumenten zur Unterstützung der Entscheidung

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In fünf Fällen werden subkutane Infusionen zur Flüssigkeitssubstitution verabreicht. Weiter-gehende Maßnahmen, wie die Inanspruchnahme einer Ernährungsberatung oder aber die Hinzuziehung von Logopäden sind nur in insgesamt drei Fällen zu finden.

Personengruppen, die in den Entscheidungsprozess einbezogen werden

Es wurde ebenfalls erhoben, welche Personengruppen an der Entscheidung für die Anlage einer PEG-Sonde beteiligt wurden. In 15 Bewohnerdokumentationen sind Informationen zur Beantwortung dieser Fragestellung enthalten. Nur in einem Fall war mithilfe der Bewohner-dokumentationen keine Aussage zu den beteiligten Personengruppen möglich.

In fast allen Fällen sind Angehörige an der Entscheidung für die Anlage der PEG-Sonde be-teiligt. Nur in einem Fall wird statt der Angehörigen ein gesetzlicher Betreuer genannt. Auch der behandelnde Arzt ist in 14 Fällen an der Entscheidung beteiligt, Pflegende hingegen nur in sieben Fällen. Ein Ernährungsberater, als weitere fachliche Disziplin, wurde nur in einem einzigen Fall hinzugezogen, während andere relevante Professionen, wie beispielsweise

Abbildung 22: Maßnahmen zur Verbesserung oder Stabilisierung der Ernährungssituation

Abbildung 23: In den Entscheidungsprozess einbezogene Personen

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Logopäden, in den 16 zugrunde liegenden Fällen keine Berücksichtigung finden oder aber diese zumindest in den analysierten Bewohnerdokumentationen nicht aufgeführt sind.

Auffällig ist vor allem, dass auch die betroffenen Bewohner nur in drei der sechzehn Fälle an der Entscheidung beteiligt zu sein scheinen. In den verbleibenden Bewohnerdokumentatio-nen finden sich keine Hinweise darauf, dass die Bewohner in den Prozess zur Entscheidung für die Anlage der PEG-Sonde eingebunden werden.

Konflikte und kontroverse Meinungen

Im Rahmen eines Entscheidungsprozesses ist ebenfalls denkbar, dass es, gerade vor dem Hintergrund eines derartig ethisch und moralisch komplexen Themengebietes, zu Konfliktsi-tuationen und zu kontroversen Meinungen bei den daran beteiligten Personen kommt. Es wurde aus diesem Grund erhoben, ob derartige Situationen in den Pflegeberichten der betei-ligten Bewohner aufgeführt sind.

Wie sich in Abbildung 24 zeigt, ist dies in vier Fällen gegeben. In den verbleibenden zwölf Bewohnerdokumentationen finden sich keine Hinweise auf das Auftreten von Konfliktsituati-onen im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozess.

Zu berücksichtigen ist in Bezug auf diese Frage jedoch auch, dass insgesamt nur 16 Be-wohnerdokumentationen überhaupt Informationen zum Entscheidungsprozess enthalten. Es ist durchaus denkbar, dass weitere Konfliktsituationen und problematische Entscheidungen bei anderen Bewohnern vorhanden waren, diese jedoch nicht dokumentiert sind.

Bei den vier Fällen, bei denen Konfliktsituationen dokumentiert sind, finden sich zusätzlich detailliertere Informationen zu Art und Verlauf dieser Konflikte sowie zu den daran beteiligten Personen. In einem gesonderten Abschnitt zum Abschluss des Ergebnisberichtes werden diese in Form von Fallbeispielen detaillierter vorgestellt.

Gespräche zur Entscheidungsfindung

Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Beurteilung des Entscheidungsprozesses ist die Durchfüh-rung von Gesprächen zur Entscheidungsfindung.

Hierzu ist im Erhebungsinstrument ein Item vorgesehen mit dessen Hilfe erhoben werden sollte, ob die Durchführung derartiger Gespräche dokumentiert ist und falls dies der Fall ist, welche Personengruppen daran beteiligt sind. In diesem Item sind alle möglichen Formen von Gesprächen zusammengefasst. Während der Datenbearbeitung und –auswertung stellte

Abbildung 24: Dokumentation von kontroversen Meinungen beim Entscheidungsprozess

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sich jedoch heraus, dass es sinnvoller ist, die erhobenen Daten nach der Art der Gespräche zu unterscheiden.

Daher wurden Gespräche zusammengefasst, die zwischen den potenziellen Entscheidungs-trägern, worunter der Bewohner oder seine Stellvertreter verstanden werden, und beruflich beteiligten Personengruppen geführt wurden. Bei dieser Art von Gesprächen steht sicherlich neben der Entscheidungsfindung vor allem die Information und Beratung der Entschei-dungsträger über die enterale Ernährung mithilfe einer PEG-Sonde im Vordergrund.

Davon unterschieden wurden Gespräche, an denen ausschließlich Fachpersonal beteiligt ist. Hierunter werden beispielsweise interdisziplinäre Fallbesprechungen oder Besprechungen im Pflegeteam verstanden.

Insgesamt sind in vierzehn Fällen Informationen zu Gesprächen zwischen Entscheidungs-trägern und Fachpersonal im Rahmen des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage der PEG-Sonde vorhanden.

In Abbildung 25 wird dargestellt, wie häufig die einzelnen Personengruppen an Gesprächen zur Entscheidungsfindung beteiligt sind. Es wird deutlich, dass am häufigsten Angehörige und Ärzte beteiligt sind. Pflegepersonal ist lediglich in sechs Fällen an diesen Gesprächen beteiligt und Bewohner sogar nur in drei Fällen. Ein gesetzlicher Betreuer war nur in einem einzigen Fall an Gesprächen zur Entscheidungsfindung beteiligt, wobei zu berücksichtigen ist, dass Familienmitglieder, die die gesetzliche Betreuung übernommen hatten, der Gruppe der Angehörigen zu gerechnet wurden und deshalb in der Gruppe der gesetzlichen Betreuer nicht vertreten sind .

Insgesamt spiegeln diese Zahlen die gleiche Tendenz wieder, die sich bereits bei der Frage nach den an der Entscheidung beteiligten Personengruppen zeigt.

In einem weiteren Analyseschritt wird der Frage nachgegangen, in welchen Kombinationen von Personengruppen die Gespräche geführt wurden (Abb. 26).

Abbildung 25: Beteiligung der einzelnen Personengruppen an Gesprächen

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Am häufigsten finden Gespräche zwischen Arzt und Angehörigen statt (n = 7). Diese beiden Personengruppen sind auch insgesamt am häufigsten an Gesprächen beteiligt. In weiteren drei Fällen wurde neben Angehörigen und Arzt auch Pflegepersonal an den Gesprächen beteiligt. Nur in einzelnen Fällen finden sich andere Kombinationen von Personengruppen bei den Gesprächen zur Entscheidungsfindung.

Gespräche auf professioneller Ebene in Form von interdisziplinären Fallbesprechungen oder Teambesprechungen beim Pflegepersonal spielen bei der zugrunde liegenden Stichprobe eine untergeordnete Rolle. Nur in einem einzigen Fall finden sich Angaben in der Bewohner-dokumentation, die darauf hinweisen, dass eine solche Fallbesprechung stattgefunden hat.

Insgesamt muss bei der Interpretation dieser Ergebnisse sicherlich bedacht werden, dass möglicherweise informelle Gespräche zwischen verschiedenen Personengruppen stattge-funden haben, die sich in der Bewohnerdokumentation nicht wiederfinden.

Arztkontakt

Es ist wahrscheinlich, dass das Pflegepersonal der Altenpflegeeinrichtungen beim Auftreten von Ernährungsproblemen zu einem bestimmten Zeitpunkt den Hausarzt der betreffenden Bewohner hinzuzieht. Aus diesem Grund wurde ebenfalls erfasst, ob solche Hausarztkon-takte in den Pflegedokumentationen der teilnehmenden Bewohner aufgeführt sind. Zur Be-arbeitung dieser Fragestellung wurden nur solche Arztkontakte berücksichtigt, bei denen ausdrücklich ernährungsbedingte Probleme im Vordergrund standen. Routinemäßige ärztli-che Visiten oder aber Arztbesuche, die aus anderen gesundheitlichen Situationen resultier-ten, werden nicht berücksichtigt.

In 13 Fällen kann anhand der Bewohnerdokumentation ein Hausarztkontakt aufgrund ernäh-rungsbedingter Probleme identifiziert werden (Abb. 27).

Neben der Dokumentation von Gesprächen zwischen Entscheidungsträgern und Fachper-sonal sowie der Dokumentation von Informationen zu an der Entscheidung beteiligten Per-sonen sind somit die Arztkontakte im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozess im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde am häufigsten dokumentiert.

5 Zur übersichtlicheren grafischen Darstellung wurden die beteiligten Personengruppen

folgendermaßen abgekürzt: 1) A = Angehörige; 2) PP = Pflegepersonal; 3) B = Bewohner; 4) Betr. = Gesetzlicher Betreuer

Abbildung 26: Kombination von an den Gesprächen zur Entscheidungsfindung beteiligten Personen5

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Zusammenfassend betrachtet fällt auf, dass zu den einzelnen Fragen, die den praktischen Ablauf des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde erfassen soll-ten, unterschiedlich viele Informationen in den Bewohnerdokumentationen zur Verfügung stehen. Priorität scheinen vor allem Gespräche mit den Entscheidungsträgern sowie die Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt bei ernährungsbedingten Problemen zu haben.

Die Nutzung von Assessmentinstrumenten ebenso wie Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation werden ebenfalls in einigen Fällen dokumentiert, wobei es sich dabei in erster Linie um simple Verfahren handelt, die ohne großen Aufwand umgesetzt werden kön-nen.

Andere Aspekte, wie beispielsweise der Einsatz von Algorithmen zur Entscheidungsfindung oder aber die Durchführung von Fallbesprechungen oder anderen formalen Methoden zur Entscheidungsfindung, spielen in Bezug auf die hier zugrunde liegende Stichprobe keine Rolle.

Hervorzuheben ist jedoch in erster Linie, dass sich insgesamt lediglich in 16 von 72 Pflege-dokumentationen von Bewohnern mit PEG-Sonden Informationen finden, die den prakti-schen Ablauf des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde nach-vollziehbar machen. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass es sich bei den 56 Pflegedoku-mentationen, die keine Informationen enthalten, in zahlreichen Fällen um Akten von Bewoh-nern handelt, die sich vermutlich zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung bereits in einer Altenpflegeeinrichtung aufhielten und dort betreut wurden.

(Mutmaßlicher) Patientenwille und stellvertretende Entscheidungsträger

In einem weiteren Abschnitt des Erhebungsinstrumentes wird die Verfügbarkeit von Möglich-keiten zur Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens erfasst.

Gefragt wurde danach, ob die teilnehmenden Bewohner über Stellvertreter verfügen, die ihre Interessen in Bezug auf gesundheitliche Belange vertreten und ob eine Patientenverfügung existiert, in der gegebenenfalls Aussagen zur enteralen Ernährung und zur Anlage einer Er-nährungssonde gemacht werden.

Zunächst wurde erhoben, ob die Bewohner einen gesetzlichen Betreuer haben oder ob sie möglicherweise in einer Vorsorgevollmacht eine Person benannt haben, die inzwischen als Vorsorgebevollmächtigte ihre Interessen vertritt.

Der überwiegende Teil der teilnehmenden Bewohner hat entweder einen gesetzlichen Be-treuer oder aber wird durch eine vorsorgebevollmächtigte Person vertreten (Abb. 29). Nur in

Abbildung 27: Hinzuziehung des Hausarztes zu einem bestimmten Zeitpunkt

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elf Fällen werden die Bewohner nicht durch eine gesetzlich benannte oder selbst benannte Person vertreten. Das entspricht einem Anteil von 15,3 Prozent.

In einem weiteren Analyseschritt wurde der Frage nachgegangen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Demenz und einer gesetzlichen Betreuung oder einer Vorsor-gevollmacht ersichtlich ist.

In Abbildung 29 wird dargestellt, dass dieser Zusammenhang bei der zugrunde liegenden Stichprobe eindeutig nicht gegeben ist. Sowohl in der Gruppe der dementiell erkrankten Be-wohner als auch in der Gruppe der Bewohner ohne dementielle Erkrankung liegt der Anteil derer, die eine gesetzliche Betreuung oder einen Vorsorgebevollmächtigten haben, bei deut-lich über 80 Prozent. In der Gruppe der dementiell erkrankten Bewohner ist dieser Anteil sogar um 2,8 Prozentpunkte kleiner als in der Gruppe ohne Demenz.

Abbildung 28: Vorhandensein eines gesetzlichen Betreuers/Vorsorgebevollmächtigten

Abbildung 29: Vorliegen einer Demenz und gesetzliche Betreuung/Vorsorgevollmacht

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Es wurde außerdem erfasst, ob bei den einzelnen teilnehmenden Bewohnern zum Zeitpunkt der Anlage der PEG-Sonde eine Patientenverfügung vorlag. Die Beantwortung dieser Frage dient der Einschätzung, inwieweit ein in dieser Form geäußerter Patientenwille bei der Ent-scheidung für die Anlage einer PEG-Sonde berücksichtigt wurde, bzw. um zu beurteilen in-wieweit solche prospektiv verfassten Willensäußerungen in der Praxis überhaupt verfügbar sind und als Entscheidungsgrundlage dienen können.

Die Auswertung der Daten zeigt, dass nur in sieben der analysierten Bewohnerdokumentati-onen eine Patientenverfügung hinterlegt ist, bzw. vermerkt ist, dass eine solche Patienten-verfügung existiert. Das entspricht einem Anteil von 9,7 Prozent.

In diesen sieben Fällen, in denen eine Patientenverfügung vorliegt, wurde des Weiteren er-hoben, ob darin Aussagen zur künstlichen Ernährung oder zur Anlage einer PEG-Sonde gemacht werden.

Dies trifft nur in einem einzigen Fall zu. In fünf Patientenverfügungen sind keine Aussagen hierzu vorhanden und die verbleibende Patientenverfügung ist nicht in der Bewohnerdoku-mentation der Altenpflegeeinrichtung hinterlegt, sodass nicht erfasst werden konnte, ob Aus-sagen zur künstlichen Ernährung mithilfe einer PEG-Sonde gemacht sind.

Patientenverfügungen sind folglich bei den teilnehmenden Bewohnern nur selten vorhanden und geben, wenn vorhanden, kaum verwertbare Auskünfte zu den Wünschen des Bewoh-ners in Bezug auf dieses Thema. Sie können im Prozess der Entscheidungsfindung für oder gegen die Anlage einer PEG-Sonde somit kaum als Diskussionsgrundlage und zur Ermitt-lung des mutmaßlichen Patientenwillens herangezogen werden.

Zusammenfassend betrachtet scheint der mutmaßliche Patientenwille, im Hinblick auf die Anlage einer PEG-Sonde und eine dadurch mögliche enterale Ernährung mit Sondenkost, in der Praxis meist durch den Einsatz stellvertretender Entscheidungsträger repräsentiert zu werden. Die Möglichkeit einer vorsorglichen Willensäußerung in Form einer Patientenverfü-gung wird von den an dieser Studie teilnehmenden Bewohnern nur in wenigen Fällen genutzt und ist dann zumeist nicht detailliert und aussagekräftig genug, um als Entscheidungs-grundlage zu dienen.

Fraglich ist, inwieweit stellvertretende Entscheidungsträger dazu befähigt sind, den tatsächli-chen Willen des Patienten zu vertreten. Möglicherweise verfügen zumindest enge Vertraute, die diese Funktion übernehmen, über entsprechende Kenntnisse und ein adäquates Urteils-vermögen bezüglich der Wünsche des Bewohners. Hierzu kann jedoch mittels der in dieser Untersuchung zur Verfügung stehenden Daten keine Aussage getroffen werden.

Zeitleiste

Das Datenerhebungsinstrument beinhaltet eine weitere Komponente, mit deren Hilfe es er-möglicht werden sollte, den zeitlichen Verlauf des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde zu erfassen und darzustellen. Diese Darstellung wird im weiteren Verlauf als Zeitleiste bezeichnet.

Zu diesem Zweck wurde retrospektiv in verschiedenen Zeitabschnitten erhoben, ob vorab benannte Maßnahmen durchgeführt wurden und vorab benannte Interaktionen stattfanden.

Die Zeitabschnitte wurden während des ersten Monats vor Anlage der PEG-Sonde auf eine wochenweise Erhebung festgelegt und im weiteren Verlauf auf eine monatsweise Erhebung bis zu einem Zeitpunkt von sechs Monaten vor Anlage der PEG-Sonde. Während der Daten-erhebung wurde erfasst, ob in diesen definierten Zeiträumen die benannten Maßnahmen und Interventionen durchgeführt wurden oder nicht, bzw. ob sich Hinweise auf deren Durchfüh-rung in den einzelnen Bewohnerdokumentationen finden.

Ziel und Zweck dieser Form der Datenerhebung ist es, darzustellen, in welchem zeitlichen Rahmen vor Anlage einer PEG-Sonde der Entscheidungsprozess stattfindet, bzw. ernäh-rungsbedingte Probleme festgestellt werden, und darauf reagiert wird.

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Ebenso wie bei den bereits oben aufgeführten Ergebnissen zur Entscheidungsfindung, kön-nen auch bei der Analyse der Daten zur Zeitleiste nur diejenigen Bewohnerdokumentationen berücksichtigt werden, in denen sich Informationen zum Entscheidungsprozess im Vorfeld der Anlage der PEG-Sonde finden. Aus diesem Grund beziehen sich die im folgenden Ab-schnitt aufgeführten Ergebnisse wiederum ausschließlich auf die 16 Bewohnerdokumentati-onen, in denen derartige Informationen vorliegen. Es ist bei der Interpretation der Ergebnisse ebenfalls zu berücksichtigen, dass in einigen dieser 16 Bewohnerdokumentationen nicht der vollständige Zeitraum von sechs Monaten abgedeckt ist, weil einige Bewohner erst seit kür-zerer Zeit in der Einrichtung wohnen. Dementsprechend können im zweiten Monat vor An-lage der PEG-Sonde nur noch 14 Bewohnerdokumentationen für die Datenauswertung be-rücksichtigt werden und ab dem dritten Monat vorher lediglich dreizehn Bewohnerdokumen-tationen.

Für die Darstellung der Ergebnisse wurden Prozentwerte gewählt, da auf diese Weise eine bessere Vergleichbarkeit der einzelnen Zeitpunkte gegeben ist (Abb. 30). Die jeweiligen Pro-zentangaben beziehen sich auf die jeweils gültigen Fälle, sodass für den zweiten Monat vor Anlage der PEG-Sonde lediglich die Daten aus 14 Bewohnerdokumentationen berücksichtigt wurden und ab dem dritten Monat nur noch Daten aus dreizehn Bewohnerdokumentationen.

Die dargestellten Kategorien entsprechen weitestgehend den Items, die bereits zuvor dazu dienten, Informationen zum Ablauf des Entscheidungsprozesses zu erheben. Allerdings wurde für die Zeitleiste keine weitergehende Differenzierung vorgenommen, sondern es wurde lediglich erhoben, ob die jeweiligen Interventionen und Interaktionen dokumentiert sind oder nicht.

Anhand der Abbildung 30 wird deutlich, dass vor allem in den ersten zwei Monaten vor An-lage der PEG-Sonde viele Informationen, die im Zusammenhang mit der Ernährungssituation und der möglichen Anlage einer PEG-Sonde stehen, dokumentiert werden.

Die Daten unterstützen die bereits zuvor getroffene Feststellung, dass vor allem die Gesprä-che mit den betroffenen Bewohnern, bzw. deren Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern, sowie der Arztkontakt aufgrund ernährungsbedingter Probleme häufig dokumentiert sind. Maßnahmen zur Verbesserung oder Stabilisierung der Ernährungssituation sowie die Nut-zung von Assessmentinstrumenten zur Beurteilung der Ernährungssituation werden insge-samt seltener genutzt. Gespräche im therapeutischen Team in Form von interdisziplinären Fallbesprechungen oder anderen Arten von Fachgesprächen spielen, wie zuvor bereits be-

Abbildung 30: Zeitleiste: Maßnahmen im zeitlichen Abstand vor Anlage der PEG

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schrieben, keine Rolle, sodass die Darstellung eines zeitlichen Verlaufes keinerlei Aussage-kraft hat.

Neben bereits aufgeführten Kategorien wurde außerdem erhoben, ob in den jeweiligen Zeit-räumen eine Gewichtskontrolle bei den teilnehmenden Bewohnern durchgeführt wurde. Diese Kategorie ist sicherlich von den anderen Kategorien abzugrenzen und bedarf einer gesonderten Interpretation. Sie unterscheidet sich von den anderen Kategorien insofern, als es sich hierbei um eine routinemäßig durchgeführte Maßnahme handelt, die erwartungsge-mäß unabhängig von der ernährungsspezifischen Situation der Bewohner in allen Altenpfle-geeinrichtungen durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist ein Vergleich mit den anderen Ka-tegorien der Zeitleiste kaum sinnvoll.

Die grafische Darstellung in Abbildung 30 unterstützt diese Vermutung. Insgesamt wird die Gewichtskontrolle weitaus häufiger durchgeführt als die anderen dargestellten Interventionen und Interaktionen. Die relativ niedrigen prozentualen Werte zu Beginn des Verlaufes sind mit den kürzeren Zeitintervallen zwischen den Erfassungszeitpunkten zu erklären, da vermutlich nicht in wöchentlichen Abständen eine routinemäßige Gewichtskontrolle durchgeführt wird.

Zur besseren Übersichtlichkeit werden in Abbildung 31 die Gespräche mit Bewohnern und Angehörigen sowie die Arztkontakte gesondert dargestellt.

Anhand dieser Darstellung des zeitlichen Verlaufes wird deutlich, dass diese beiden Formen der Interaktionen und Kommunikation vorwiegend innerhalb eines sehr begrenzten Zeitrau-mes vor Anlage der PEG-Sonde stattfinden. Insbesondere die Gespräche werden fast aus-schließlich in den letzten zwei Wochen vor Anlage der PEG-Sonde geführt. Jedoch auch die Arztkontakte aufgrund von ernährungsbedingten Problemen nehmen vor dem ersten Monat vor Anlage der PEG-Sonde stark ab.

In Abgrenzung zu diesen beiden Interaktionen werden in Abbildung 32 die Nutzung von As-sessmentinstrumenten und die Maßnahmen zur Vermeidung einer PEG-Sonde grafisch dar-gestellt.

Abbildung 31: Zeitleiste: Gespräche mit Bewohnern und Angehörigen/Arztkontakte

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Wie oben bereits ersichtlich finden sich hierzu insgesamt seltener Informationen in den Be-wohnerdokumentationen, als zu den Gesprächen mit Bewohnern und Angehörigen und den Arztkontakten. Stattdessen werden diese jedoch kontinuierlicher über einen Zeitraum von vier Monaten vor Anlage der PEG-Sonde dokumentiert. Es ist also zu vermuten, dass vor der Durchführung von Gesprächen die im Zusammenhang mit der Entscheidung für oder gegen die Anlage einer PEG-Sonde geführt werden und ebenfalls vor der Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt in den Altenpflegeeinrichtungen in einigen Fällen bereits über einen längeren Zeitraum hinweg Bemühungen unternommen werden, um einer inadäquaten Ernäh-rungssituation zu begegnen und diese zu regulieren.

Insgesamt ist bei der Interpretation der im Zusammenhang mit der Zeitleiste vorgestellten Ergebnisse zu berücksichtigen, dass für die Datenanalyse nur eine sehr begrenzte Anzahl an Fällen zur Verfügung steht. Dennoch zeigen sich einige interessante Tendenzen, die Hinweise auf den praktischen Ablauf der Entscheidungsprozesse im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde in Altenpflegeeinrichtungen liefern.

Fallbeispiele

Da sich in den Pflegeberichten der analysierten Bewohnerdokumentationen weniger aussa-gekräftige Informationen zum Entscheidungsprozess im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde finden, als während der Planung des Forschungsprojektes vermutet, musste von ei-ner inhaltsanalytischen Vorgehensweise bei der Auswertung der Daten, die mithilfe des offe-nen Frageteils des Erhebungsinstrumentes erhoben wurden, abgesehen werden.

Es werden stattdessen einige Passagen aus Pflegeberichten und anderen Teilen der Be-wohnerdokumentation in Form von Fallbeispielen dargestellt, die in Ergänzung zu den be-reits aufgeführten quantitativen Ergebnissen einen vertiefenden Einblick in den Ablauf des Entscheidungsprozesses ermöglichen sollen.

Da sich anhand einiger Fallbeispiele Aussagen zu unterschiedlichen Aspekten des Ent-scheidungsprozesses treffen lassen, war eine thematische Zuordnung zu den bereits auf-geführten Ergebnissen nicht immer möglich, sodass nun eine gesonderte Darstellung folgt.

In Fallbeispiel 1 finden sich Informationen zu verschiedenen Aspekten des Entscheidungs-prozesses. Vordergründig scheint zunächst ein Konflikt im Hinblick auf die Anlage einer PEG-Sonde. Während diese von professioneller Seite befürwortet wird, lehnen sowohl die Bewohnerin als auch deren gesetzliche Betreuerin diese Maßnahme zunächst ab. Vonseiten der Betreuerin wird offenbar angenommen, dass von professioneller Seite nicht der gesund-heitliche Nutzen der Bewohnerin, sondern eine Erleichterung der pflegerischen Situation

Abbildung 32: Zeitleiste (Assessmentinstrumente/Maßnahmen)

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ausschlaggebend für die Befürwortung dieser Maßnahme sei. Anhand der Pflegedokumen-tation ist nicht ersichtlich, wie dieser Konflikt tatsächlich gelöst wurde. Zwar ist der Doku-mentation zu entnehmen, dass letztendlich eine Einigung für die Anlage der PEG-Sonde stattgefunden hat, jedoch nicht, wie der anfänglich aufgetretene Konflikt gelöst werden konnte.

01.08. „Frau H. (Hausärztin) angerufen zwecks PEG-Anlage, Ärztin meinte wir brauchen eine Einverständniserklärung von Frau B. (Betreuerin). Frau B. angerufen, sie ist damit nicht einverstanden und wird darum kämpfen, dass sie keine PEG-Anlage bekommt; außerdem wäre es für uns eine Arbeitser-leichterung.“

12.10. „Bew. ist untergewichtig; hält nicht viel vom Essen und Trinken, trinkt trotz-dem ausreichend, wird jede Woche gewogen, hatte nie Normalgewicht, BMI momentan 15,3. Eine PEG-Anlage lehnt sie ab; ihre Betreuerin auch und die behandelnde Ärztin momentan auch.“

Nachtrag „Fr. K. (Bewohnerin) ist geistig orientiert, aber auf dem Stand eines Kindes zwischen 10 u. 12 Jahren; sie steht unter Betreuung.“

26.10. „Ein Gespräch mit Frau B. über Gewicht informiert. 33,4 kg. Frau B. ist ein-verstanden, dass Frau K. PEG-Anlage erhält.“

Neben diesem Konflikt vermittelt das Fallbeispiel Informationen zu den an der Entscheidung beteiligten Personengruppen. Von professioneller Seite waren Pflegepersonal und Hausärz-tin beteiligt. Initiiert wurde der Prozess vermutlich durch das Pflegepersonal, das aus diesem Grunde Kontakt zur Hausärztin aufnahm. Ebenfalls dokumentiert sind die Wünsche der Be-wohnerin sowie der Betreuerin. Fraglich ist allerdings, ob die Wünsche der Bewohnerin bei der abschließenden Entscheidung für die PEG-Sonde berücksichtigt wurden, da in diesem Zusammenhang nur noch die Betreuerin erwähnt wird.

Weiterhin wird anhand des Fallbeispiels deutlich, dass das Pflegepersonal offensichtlich be-müht ist, die defizitäre Ernährungssituation zu dokumentieren und durch die Angabe ernäh-rungsspezifischer Parameter zu unterstreichen. Ebenfalls wird in diesem Zusammenhang eine Beschreibung des kognitiven Zustands durch das Pflegepersonal vorgenommen, wobei nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund diese erfolgt.

Auch das zweite Fallbeispiel beschreibt eine Entscheidungssituation, in der verschiedene Meinungen vertreten werden. Während von professioneller Seite keine Zweifel an der Not-wendigkeit einer PEG-Sonde zu bestehen scheinen, erstreckt sich der Entscheidungspro-zess bei den stellvertretenden Entscheidungsträgern über einen weitaus längeren Zeitraum.

Arztvisite vom 16.07. (wegen Nahrungsverweigerung)

„Bewohner soll nächste Woche ins KH zur PEG-Anlage, Dr. bringt am 23.07 die Einweisung mit.“

Pflegebericht vom 17.07. „Gespräch mit dem Sohn von Frau M. (Bewohnerin) und seiner Ehefrau – Info über gestrige Hausarztvisite von Dr. A. sowie jetzigen AZ von Frau M. Angehörige sind mit der eventuellen PEG-Anlage einverstanden.“

Pflegebericht vom 22.07.

„Besuch von Angehörigen – Gespräch mit d. Sohn – be-züglich evtl. PEG-Anlage, nach Gesprächen in der Familie ist Herr M. gegen die PEG-Anlage bei seiner Mutter. Ent-scheidend sind für ihn biografische Aspekte von Fr. M.. Hr. M. kommt morgen gegen 13:30 Uhr und möchte noch mit

Fallbeispiel 1: Auszüge aus dem Pflegebericht

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Dr. A. Rücksprache halten.“

Arztvisite vom 23.07.

„Dr. A. hat mit dem Sohn ein ausführliches Beratungsge-spräch zwecks Anlegen einer PEG-Sonde geführt. Es wur-den Vor- und Nachteile angesprochen. Fresubin Energy kann Bew. jederzeit bekommen. Der Sohn hat vor dem Gespräch sowie nach dem Gespräch eine PEG-Sonde abgelehnt.“

Pflegebericht vom 24.07.

„Herr M., Sohn von Frau M., hat sich mit den Angehörigen für die PEG-Anlage entschlossen. Am Mo., den 30.07, bringt Dr. A. die Einweisung.“

Der Sohn der Bewohnerin, der offensichtlich eine Hauptrolle in der Betreuung der Mutter übernimmt, bedient sich verschiedener Möglichkeiten eine Entscheidung im Sinne seiner Mutter zu treffen. Im Vordergrund des Entscheidungsablaufes stehen Gespräche in ver-schiedenen Konstellationen. Es finden Gespräche sowohl zwischen Pflegekräften und Sohn als auch zwischen Arzt und Sohn statt. Dem Arzt wird hier vor allem eine aufklärende und beratende Funktion auf medizinischer Ebene eingeräumt.

Neben den Gesprächen mit Professionellen führte der Sohn auch im familiären Umfeld Dis-kussionen zur Entscheidungsfindung. Hier scheint vor allem die Ermittlung des mutmaßli-chen Patientenwillens auf Grundlage biografischer Kenntnisse im Fokus zu stehen und zu-nächst zu einer Ablehnung der Maßnahme zu führen. Welche biografischen Aspekte hier angeführt werden, kann der Dokumentation aber nicht entnommen werden. Auch nach er-neuter fachlicher Beratung durch den Arzt finden wiederum Gespräche innerhalb der Familie statt. Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung letztlich im Kreis der Familie getroffen und getragen wird. Dem Sohn kommt dabei eine vermittelnde und repräsentierende Funktion zu.

Fallbeispiel 3 demonstriert eine Situation, in der anhand des Pflegeberichts der Entschei-dungsverlauf vor Anlage der PEG-Sonde kaum nachvollziehbar ist.

Mittels verschiedener anderer Formblätter innerhalb der Bewohnerdokumentation konnte festgestellt werden, dass zwar bereits vier Wochen vor der Anlage der PEG-Sonde der Hausarzt durch das Pflegepersonal über eine problematische Entwicklung der Ernährungs-situation informiert wurde, jedoch wurde diese Problematik nicht näher beschrieben. Im Pfle-gebericht wird diese Problematik erstmalig zwei Tage vor Anlage der PEG-Sonde dokumen-tiert. Auch anhand der bereits über einen längeren Zeitraum geführten Ernährungs- und Trinkprotokolle sowie über den Gewichtsverlauf sind die Gründe der Entscheidung für die PEG-Anlage nicht nachvollziehbar.

23.02. „Bew. aß mit Appetit die Mahlzeiten, trank ausreichend.“

25.02. „Bew. hat gut gegessen und getrunken.“

26.02. „Bew. aß wenig zum Frühstück.“

„Essen und Trinken war schlecht. Sie behielt Nahrung und Flüssigkeit lange im Mund bevor sie schluckte.“

28.02 Anlage der PEG-Sonde

Fraglich ist, inwieweit sich in diesem Fall lediglich eine schlechte Dokumentationssituation widerspiegelt. Möglicherweise wurden in der Praxis pflegerische Maßnahmen ergriffen und eine begründete Entscheidung für die PEG-Sonde getroffen. Dies ist jedoch anhand der Do-kumentationslage kaum zu beurteilen.

Fallbeispiel 2: Auszüge aus Berichten zu Arztvisiten und dem Pflegebericht

Fallbeispiel 3: Auszüge aus dem Pflegebericht

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Auch im Fallbeispiel 4 ist die Entscheidung für die Anlage der PEG-Sonde kaum nachvoll-ziehbar. Die Patientin wurde zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer akut aufgetretenen Gastritis stationär in einem Krankenhaus versorgt. Die Ernährungssituation wird in der Bewohnerdo-kumentation der Altenpflegeeinrichtung zu keinem Zeitpunkt als problematisch beschrieben und offenbar auch im Krankenhaus als angemessen beurteilt.

Die Option einer Entfernung der PEG-Sonde wird zu keinem Zeitpunkt in der Bewohnerdo-kumentation thematisiert und auch nach der Rückkehr in die Altenpflegeeinrichtung wird die Bewohnerin weiterhin über die PEG-Sonde ernährt.

Nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen sich die Ernährungssituation in einem sol-chen Maß verschlechtert hat, dass offenbar die Indikation für eine PEG-Sonde gesehen wurde. Ebenfalls ungeklärt bleibt, wie der Entscheidungsprozess für die PEG-Anlage verlief und ob die Bewohnerin und ihre Wünsche berücksichtigt werden konnten, da diese ja offen-sichtlich die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme im Krankenhaus ablehnte.

Entlassungsbrief „… 86 jährige Patientin in chronisch reduziertem Allgemeinzu-stand und regelrechtem Ernährungszustand….“

Pflegebericht „ Anruf im KH K., Frau B. liegt auf Station 5 wird über eine Ma-gensonde ernährt, da sie Essen und Trinken dort ablehnte.“

Wie bereits in einem früheren Abschnitt des Ergebnisberichts aufgeführt, wurde nur in einem einzigen Fall die PEG-Sonde wieder entfernt. Der Verlauf dieses Falls findet sich in Fallbei-spiel 5 wieder. Die Bewohnerin erhielt die PEG-Sonde etwa zwei Monate zuvor aufgrund einer massiven Gastritis und einer damit einhergehenden Verschlechterung des Allgemein- und Ernährungszustandes. Es wurde von Beginn an ergänzend zur Sondenkost die orale Nahrungsaufnahme angeboten und gefördert. Eine lediglich temporäre Entlastung der Er-nährungssituation mithilfe der Sondenernährung war vermutlich bereits bei Anlage der PEG-Sonde vorgesehen und eine Rückkehr zur normalen Nahrungsaufnahme geplant.

17.09. „Bewohner äußert sich sehr positiv zur AZ-Veränderung, sie sagt es ginge ihr wesentlich besser“

27.09. „Fr. H. freut sich am langen Tisch zu essen, da ganz viele nette Leute rings um sie sitzen und eine gute Unterhaltung möglich ist“

29.09. „Fr. H. möchte am Sonntag um 9 Uhr mit ihrer Familie frühstücken“

Seit 10/07 Ausschließlich H2O über die Sonde

26.02. Entfernung der PEG-Sonde

28.03. „Psych. Zustand ist stabil. Ernährung ohne PEG gut. Bew. trinkt ausreichend.“

Abschließend finden sich in Fallbeispiel 6 Auszüge aus einer Patientenverfügung, die sich explizit auf die Wünsche des entsprechenden Bewohners bezüglich einer künstlichen Ernäh-rung beziehen.

„…Wenn ich wegen einer Erkrankung keinen eigenen Willen mehr äußern kann, möchte ich nur solange weiter leben und jede schulmedizinische Behandlung erhalten, wie eine hinrei-chende Wahrscheinlichkeit auf Besserung besteht. Nur solange bin ich damit einverstanden, dass mir zur Ernährung eine Magensonde gelegt wird oder ich sonst in irgendeiner Weise künstlich ernährt werde. Ich willige ausdrücklich einer Magensonde zu, soweit sie erforder-

Fallbeispiel 4: Auszüge aus einem Entlassungsbrief und dem Pflegebericht

Fallbeispiel 5: Auszüge aus dem Pflegebericht

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lich ist, um mir Medikamente zuzuführen….“

„…Wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ich in einem Zu-stand unumkehrbarer Bewusstlosigkeit oder in der Endphase einer tödlich verlaufenden Erkrankung bin, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Aussicht mehr auf Heilung besteht und ich wohl nie mehr ein selbstbestimmtes Leben führen kann, möchte ich, dass jegliche lebensverlängernde Maßnahmen (z. B. künstliche Ernährung, Flüssigkeitszu-fuhr, …) abgebrochen werden….“

Auch zu dieser Thematik finden sich, wie bereits beschrieben, nur in einer einzigen Bewoh-nerdokumentation Informationen. Während in insgesamt sieben Fällen Patientenverfügungen vorliegen, wurden nur in dieser detaillierte Wünsche im Hinblick auf eine gegebenenfalls eintretende Notwendigkeit einer künstlichen Ernährung geäußert.

Obwohl in diesem Fallbeispiel explizite Aussagen zu den Wünschen des Bewohners bezüg-lich der künstlichen Ernährung mithilfe einer PEG-Sonde getroffen werden, ist auch in die-sem Fall ein Interpretationsspielraum gegeben.

Auffallend ist insbesondere, dass es keine eindeutige Aussage zu einem möglichen Abbruch der Sondenernährung gibt. Dieser Sachverhalt ist vor dem Hintergrund, dass der Bewohner bereits eine PEG-Sonde hat, besonders hervorzuheben.

Zum Zeitpunkt der Erhebung verfügt der Bewohner über einen stabilen Gesundheits- und Ernährungszustand und nimmt aktiv am sozialen Leben in der Altenpflegeeinrichtung teil.

Insgesamt kann gesagt werden, dass sich nur sehr vereinzelte Textpassagen innerhalb der Bewohnerdokumentationen finden, die ein zusammenhängendes Bild des Entscheidungs-prozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde geboten hätten. Zumeist handelt es sich um unzusammenhängende Informationen, die mittels verschiedener Abschnitte und Form-blätter der Bewohnerdokumentationen zusammengefügt werden mussten.

Die ursprünglich geplante inhaltsanalytische Vorgehensweise konnte aus diesem Grund nicht in sinnvoller Weise umgesetzt werden. Die in diesem Abschnitt aufgeführten Fallbei-spiele können lediglich dazu dienen, die zuvor beschriebenen quantitativen Ergebnisse zu unterstreichen und anekdotisch zu vertiefen.

Auch anhand dieser wenigen aufgeführten Beispiele wird deutlich, dass ein zusammenhän-gender und strukturierter Prozess zur Entscheidungsfindung offenbar nur unzulänglich statt-findet. Die dokumentierten Informationen scheinen in den meisten Fällen individuelle Priori-täten widerzuspiegeln und weniger ein planmäßiges Vorgehen zu dokumentieren.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Analyse der Daten hat eine Vielzahl von Ergebnissen erbracht. Im folgenden Abschnitt findet sich zur besseren Übersicht eine zusammenfassende Darstellung der wichtigsten Aussagen, die anhand der Analyse der Bewohnerdokumentation getroffen werden können:

Mehr als fünfzig Prozent der teilnehmenden Personen mit PEG-Sonde sind älter als 80 Jahre.

Fünfzig Prozent der Teilnehmer haben eine dementielle Erkrankung. Etwa 70 Prozent der Bewohner weisen in ihrer Anamnese eine akute oder progredient

verlaufende neurologische Erkrankung auf. Bereits vor Anlage der PEG-Sonde wurden etwa 75 Prozent der Teilnehmer in einer

Altenpflegeeinrichtung betreut. In etwa fünfzig Prozent der Fälle bedingte ein akutes Ereignis die Anlage der PEG-

Sonde.

Fallbeispiel 6: Auszüge aus einer Patientenverfügung

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Etwa 50 Prozent der Teilnehmer haben zum Zeitpunkt der PEG-Anlage einen BMI, der als normal oder zu hoch gilt. In etwa 35 Prozent der Fälle liegen keine Informationen hierzu vor.

Etwa 70 Prozent der Teilnehmer erhalten zum Zeitpunkt der Erhebung ein ergänzen-des orales Nahrungsangebot, der Umfang variiert jedoch stark.

Bei etwa 33 Prozent der Teilnehmer treten Komplikationen auf, die auf die PEG-Sonde zurückzuführen sind. Vorwiegend handelt es sich um Wundinfektionen.

Informationen zum praktischen Ablauf des Entscheidungsprozesses liegen nur in 16 der analysierten Bewohnerdokumentationen vor.

Wenn vorhanden, finden sich in erster Linie Angaben zu Gesprächen zwischen den an der Entscheidung beteiligten Personen sowie zu Arztkontakten aufgrund ernährungs-bedingter Probleme. In einigen Fällen finden sich Angaben zur Nutzung von Assess-mentinstrumenten sowie zu Maßnahmen, die zur Verbesserung der Ernährungssitua-tion durchgeführt werden.

Am häufigsten werden Angehörige und Ärzte am Entscheidungsprozess beteiligt. Gespräche und Arztkontakte finden vorwiegend in den letzten zwei Wochen vor An-

lage der PEG-Sonde statt. Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation und der Einsatz von Assess-

mentinstrumenten finden kontinuierlicher über einen Zeitraum von etwa drei bis vier Monaten vor Anlage der PEG-Sonde statt.

Etwa 85 Prozent der Teilnehmer werden durch einen gesetzlichen Betreuer oder ei-nen Vorsorgebevollmächtigten vertreten.

Nur sieben Teilnehmer hatten eine Patientenverfügung. Darunter enthält nur eine differenzierte Aussagen zur enteralen Ernährung.

5.3 Limitierungen

Das hier beschriebene Forschungsprojekt weist einige Limitierungen auf, die vorwiegend durch die methodische Vorgehensweise bedingt sind.

Zunächst muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den analysierten Bewohnerdoku-mentationen um eine Gelegenheitsstichprobe handelt, die entsprechende Schwächen in Be-zug auf ihre Repräsentativität aufweist. Darüber hinaus liegt ihr kein strenger Planungscha-rakter im Hinblick auf die statistische Power zugrunde, sondern es wurde aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen und unter Berücksichtigung des Forschungsziels eine kleine Stichprobengröße gewählt. Da lediglich eine erste deskriptive Annäherung an das Themenfeld beabsichtigt wurde, war davon auszugehen, dass sich trotz dieser Schwächen aussagekräftige Ergebnisse ergeben würden.

Auch ist zu berücksichtigen, dass aus den verschiedenen Altenpflegeeinrichtungen unter-schiedlich viele Bewohnerdokumentationen in die Datenerhebung einflossen. Zudem ist nicht nachzuvollziehen, ob die einzelnen Einrichtungen die Dokumentationen von allen Bewoh-nern mit PEG-Sonde zur Verfügung stellten und welche Gründe gegebenenfalls dazu führ-ten, dass nur ein Teil der Akten angeboten wurde. Eine mögliche Verzerrung der Daten aus diesen Gründen ist deshalb nicht auszuschließen.

Auch die Methode der Datenerhebung weist einige Merkmale auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind.

An erster Stelle ist hier zu nennen, dass die in der Dokumentation zur Verfügung stehenden Informationen kein Spiegelbild der Realität darstellen, sondern dass diese in einer subjekti-ven und reduzierten Form dargestellt wird. Da es sich um eine retrospektive Methode der Datenerhebung handelt, können fehlende Daten nicht nachträglich erhoben werden. Um diese Schwächen der Methode zu kompensieren, wurde für das Gesamtprojekt ein multi-methodischer Ansatz geplant.

Es ist weiterhin anzuführen, dass die Güte des Erhebungsinstrumentes nicht getestet wurde. Zwar wurde zu Beginn der Datenerhebung ein Pretest durchgeführt und das Instrument dar-

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aufhin geringfügig modifiziert, jedoch war eine umfangreichere Testung des Instrumentes im Rahmen des Projektes nicht realisierbar.

Abschließend ist zu bemerken, dass für das Forschungsprojekt ausschließlich Fälle berück-sichtigt wurden, in denen eine Entscheidung für die Anlage einer PEG-Sonde getroffen wurde. Für eine differenziertere Darstellung des Entscheidungsprozesses hätten sicher auch diejenigen Fälle erfasst werden müssen, in denen eine Entscheidung gegen die Anlage einer PEG-Sonde getroffen wurde.

5.4 Diskussion

Wie bereits anhand der Ergebnisdarstellung ersichtlich, liefert die Auswertung der erhobenen Daten aussagekräftige Informationen zu verschiedensten Aspekten des Entscheidungspro-zesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde in Altenpflegeeinrichtungen. Die Daten be-ziehen sich auf die Ernährungs- und Gesundheitssituation zum Zeitpunkt der PEG-Anlage und zum Zeitpunkt der Erhebung ebenso wie auf den praktischen Ablauf des Entschei-dungsprozesses.

Die Diskussion soll, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Entwicklung einer Entschei-dungshilfe für das Setting Altenpflegeheim, Anregungen liefern und kritische Aspekte der Praxis hervorheben.

Soziodemografische, gesundheitliche und ernährungspezifische Merkmale der Stichprobe

Um Hinweise auf den Entscheidungsprozess im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde zu gewinnen, wurden im Rahmen des hier beschriebenen Forschungsprojektes zunächst Daten erhoben, die dazu dienen, die betroffene Population und deren Gesundheits- und Ernäh-rungssituation zu definieren.

Die untersuchte Stichprobe entspricht hinsichtlich der Merkmale Alter und Geschlecht wei-testgehend den bundesweit in Pflegeheimen betreuten Pflegebedürftigen (Statistisches Bun-desamt, 2009).

Vergleichsdaten in Bezug auf Heimbewohner mit PEG-Sonden liegen allerdings lediglich aus der Studie des Gesundheitsamtes Bremen vor (Becker & Hilbert, 2004). Diese weisen im Vergleich ähnliche Tendenzen in Bezug auf das Alter und das Geschlecht der Teilnehmer auf. Heimbewohner mit PEG-Sonden sind dementsprechend zu über 70 Prozent Frauen und der Altersgipfel liegt bei 80 bis 90 Jahren. Trotz der geringen Stichprobengröße und der me-thodischen Schwächen der Stichprobenziehung sprechen diese Vergleiche für ein gewisses Maß an Repräsentativität der in diesem Forschungsprojekt gewonnenen Daten.

Die Betreuung der teilnehmenden Bewohner fand bereits vor Anlage der PEG-Sonde über-wiegend in einer Altenpflegeeinrichtung statt. Dies kann für ein hohes Maß an Pflegebedürf-tigkeit bedingt durch Multimorbidität und kognitive Einschränkungen bereits vor Anlage der PEG-Sonde sprechen und deutet im Zusammenhang mit dem hohen Alter der Probanden darauf hin, dass es sich hierbei um eine Klientel handelt, bei der Mangelernährung ein häufi-ges Problem darstellt (Schreier & Bartholomeyczik, 2004).

Insbesondere bei den Teilnehmern, die kein akutes Ereignis aufwiesen, das zur Anlage einer PEG-Sonde führte, kann deshalb angenommen werden, dass die ernährungsbedingten Probleme sich über einen längeren Zeitraum entwickelt haben und die Möglichkeit zur sorg-fältigen Entscheidungsfindung in der Altenpflegeeinrichtung gegeben war.

Akute Ereignisse, die die Anlage der PEG-Sonde bedingten, waren am häufigsten akute neurologische Ereignisse, ebenso jedoch Infektionserkrankungen sowie Magen-Darm-Er-krankungen. Bei diesen Indikationen wird die Anlage einer PEG-Sonde auch bei geriatri-schen Patienten unumstritten empfohlen, jedoch sollte eine möglichst zeitnahe Rückführung zu oraler Nahrungsaufnahme angestrebt werden (Löser et al., 2005; Volkert et al., 2004).

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Es wird darüber hinaus gefordert, dass auf die Gefahr einer Mangelernährung frühzeitig rea-giert wird und dass gerade im Zusammenhang mit solchen akuten Ereignissen innerhalb weniger Wochen die enterale Ernährung aufgenommen wird (Löser et al., 2005; Volkert et al., 2004). Die in diesem Forschungsprojekt erhobenen Daten weisen darauf hin, dass dieser Forderung zumindest im Bezug auf akute Ereignisse in der Praxis weitestgehend nachge-kommen wird. In etwa 85 Prozent der Fälle wurde die Anlage der PEG-Sonde in den ersten vier Wochen nach Auftreten des akuten Ereignisses durchgeführt.

Neben den akuten Ereignissen, die offensichtlich ausschlaggebend für die Anlage der PEG-Sonde waren, wurden im Rahmen des Projektes auch andere in der Anamnese aufgeführte Grunderkrankungen erhoben. Einige hiervon haben möglicherweise einen Einfluss auf die Entscheidungsfindung im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde, bzw. sollten in diesem Zu-sammenhang berücksichtigt werden.

Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei die dementiellen Erkrankungen ein. Gerade bei Patienten mit derartigen Erkrankungen ist der Nutzen einer enteralen Ernährung anhand von PEG-Sonden sehr umstritten und es wird eine sorgfältige und individuelle Abwägung des Nutzens im Vorfeld der Entscheidung gefordert (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005; Finucane et al., 1999; Löser et al., 2005).

Die Ergebnisse der Dokumentationsanalyse bestätigen die Forschungsergebnisse anderer Studien, die einen hohen Anteil von dementiell Erkrankten unter den Personen mit PEG-Sonde identifizierten (Becker & Hilbert, 2004; Bucher & Hufnagel, 2004). Anhand der in die-sem Projekt erhobenen Daten ist leider nicht nachvollziehbar, welche Indikationen der An-lage der PEG-Sonde zugrunde lagen. Jedoch wurde in anderen Studien bei bis zu 28 Pro-zent der untersuchten Fälle eine Nahrungsverweigerung, die vermutlich vielfach mit einer dementiellen Erkrankung einhergeht, als Indikation für die Anlage der Sonde genannt (Becker & Hilbert, 2004; Bucher & Hufnagel, 2004).

Weitere Ausarbeitungen zu diesem Thema sind in jedem Fall zu empfehlen, denn eine sol-che Indikationsstellung ist zweifelsohne kritisch zu hinterfragen. Eine umfassende Ursa-chenforschung sollte in solchen Fällen sicher der Anlage einer PEG-Sonde vorangestellt werden.

Bei etwa siebzig Prozent der teilnehmenden Bewohner werden darüber hinaus akute oder progredient verlaufende neurologische Erkrankungen in der Anamnese aufgeführt. Auch bei diesen Erkrankungen wird vor dem Hintergrund einer möglichen Multimorbidität und einem hohen Lebensalter ein sorgfältiges Abwägen der Indikation für eine PEG-Sonde empfohlen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005).

Ebenfalls bei 50 Prozent der teilnehmenden Bewohner ist eine Dysphagie beschrieben. In der Studie des Gesundheitsamtes Bremen trat dieses Problem in etwa sechzig Prozent der Fälle auf (Becker & Hilbert, 2004), wobei zu berücksichtigen ist, dass dieser Unterschied sich möglicherweise aus der Methodik der Datenerhebung ergibt.

Inwieweit das Problem der Dysphagie auslösender Faktor für die Anlage einer PEG-Sonde ist, lässt sich anhand der Daten aus beiden Studien nicht beantworten. Berücksichtigt wer-den muss jedoch, dass die enterale Ernährung anhand einer PEG-Sonde im Falle einer Dysphagie ausschließlich indiziert ist, wenn keine alternativen Maßnahmen zur Verfügung stehen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005). Die Anlage der PEG-Sonde sollte dabei ausschließlich zur Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung erfolgen. Die Vermeidung einer Aspirationspneumonie ist durch diese Vorgehensweise nicht gewährleistet, sondern wird im Gegenteil womöglich sogar erhöht (Finucane et al., 1999).

Eines der verbreitetesten Kriterien zur Beurteilung des Ernährungszustandes ist der BMI. Grundsätzlich werden BMI-Werte von 20 kg/m2 bis 25 kg/m2 als normal bezeichnet, jedoch gilt bei älteren Personen ein höherer BMI-Wert als wünschenswert. Bei Personen, die älter als 65 Jahre sind, wird dementsprechend bereits bei einem BMI von 24 kg/m2 oder kleiner von einem erhöhten Risiko für Ernährungsstörungen gesprochen (Brüggemann et al., 2003). Der BMI als isolierter Parameter zur Beurteilung des Ernährungszustandes ist nur unzurei-

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chend aussagekräftig und kann lediglich erste Hinweise auf eine mangelhafte Ernährungs-situation liefern. Insbesondere bei alten Menschen kann er irreführend sein, als ein hoher BMI durchaus mit einer Mangelernährung verbunden sein kann, z.B. bei Ödemen, ein niedri-ger BMI zur Geschichte der Person ohne Anzeichen von Mangelernährung gehören kann. In jedem Fall sollte zur weiteren Abklärung ein umfassendes Ernährungsassessment erfolgen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005; ASPEN, 2002). Im Rahmen des vorliegenden Projektes wurde dennoch der BMI der einzelnen Teilnehmer zur Beurteilung des Ernäh-rungszustandes erhoben, da davon auszugehen war, dass sich hierzu am ehesten ver-gleichbare Informationen in den einzelnen Bewohnerdokumentationen finden würden. Die Auswertung der Daten zeigt, dass zum Zeitpunkt der Anlage der PEG-Sonde der größte Teil der Bewohner einen BMI-Wert aufwies, der entsprechend der oben genannten Definition als normal zu bezeichnen ist. Dies spricht dafür, dass dem Problem einer Mangelernährung be-reits zu einem frühen Zeitpunkt begegnet wird. Allerdings ist zu bedenken, dass hierbei nur der Gewichtsverlust, bzw. eine Abnahme an Körpermasse berücksichtigt wird. Andere Fol-gen einer Fehl- oder Mangelernährung werden nicht erfasst, sodass im Rahmen der vorlie-genden Ergebnisse keine Aussagen hierzu getroffen werden können.

Die Maßnahme einer enteralen Ernährung mithilfe einer PEG-Sonde wird in erster Linie zur Überbrückung von krankheitsbedingten Phasen empfohlen, in denen eine ausreichende Er-nährung durch orale Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nicht sichergestellt werden kann. In jedem Fall muss in regelmäßigen Abständen eine erneute Prüfung der Indikation und der Notwendigkeit einer enteralen Ernährung erfolgen. Es wird des Weiteren gefordert, dass eine kontinuierliche Durchführung von Maßnahmen erfolgt, die eine Rückführung zu oraler Nah-rungsaufnahme unterstützen. Die für dieses Forschungsprojekt erhobenen Daten legen nahe, dass diesen Forderungen in der Praxis nur selten nachgekommen wird. Nur in einem Fall war die PEG-Sonde zum Zeitpunkt der Erhebung wieder entfernt worden. Allerdings fand in etwa 70 Prozent der Fälle in Ergänzung zur Sondennahrung auch ein orales Nah-rungsangebot statt. Anhand der Datenlage bleibt deshalb offen, ob die dauerhafte Nutzung der PEG-Sonde auf die besonderen Charakteristika der zugrunde liegenden Population zu-rückzuführen ist, oder ob hier die Option einer Entfernung der PEG-Sonde nicht hinreichend berücksichtigt wird. Die Tendenz zu einer langfristigen Applikation von Sondenernährung bei hochaltrigen Personen wird jedoch auch durch andere Studien bestätigt (Becker & Hilbert, 2004; Bucher & Hufnagel, 2004).

Der Erhalt, bzw. die Verbesserung der Lebensqualität sollte sicherlich als primäres Ziel einer enteralen Ernährung gelten. Es ist deshalb auch zu berücksichtigen, welche Komplikationen und nachteiligen Auswirkungen die Anlage einer PEG-Sonde mit sich bringen kann. Obwohl die Anlage einer PEG-Sonde als sichere Methode zur Ermöglichung einer enteralen Ernäh-rung gilt (Cervo et al., 2006; Wirth et al., 2007), werden in der Literatur Komplikationsraten zwischen 8 und 30 Prozent angeführt, wobei schwerwiegende Ereignisse in 1 bis 4 Prozent der Fälle auftreten. Die am häufigsten beschriebene Komplikation stellt hierbei die lokale Wundinfektion der Einstichstelle dar (Löser et al., 2005). Dies trifft auch auf die Stichprobe des hier beschriebenen Forschungsprojektes zu. Ebenso traten in vereinzelten Fällen Diar-rhöen, Dislokationen und das Buried-Bumper-Syndrom auf. Es ist außerdem zu bedenken, dass mittels der angewandten Methodik der Datenerhebung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht alle durch die PEG-Sonde bedingten Komplikationen erfasst werden konnten. Insbe-sondere in der Literatur beschriebene Auswirkungen wie Aspirationspneumonien, eine Zu-nahme von Fixierungen bei Personen mit Demenz und Auswirkungen auf psychische und soziale Faktoren waren anhand der verwendeten Methodik nicht in Beziehung zur enteralen Ernährung zu setzen (Finucane et al., 1999; Gillick, 2000). Dennoch unterstützt die hohe Rate an Komplikationen bei den Teilnehmern der hier beschriebenen Studie, die Forderung nach einem sorgfältigen Abwägen des Nutzens einer PEG-Sonde.

Ablauf des Entscheidungsprozesses

Neben der Beschreibung der gesundheitlichen und ernährungsspezifischen Situation lag der Fokus des Forschungsprojektes vor allem auf der Beschreibung des praktischen Ablaufes des Entscheidungsprozesses im Vorfeld der Anlage einer PEG-Sonde. Ausgegangen wurde

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hierbei von der Hypothese, dass ein strukturierter Prozess zur Entscheidungsfindung sich in der Bewohnerdokumentation der Altenpflegeeinrichtungen wieder finden würde.

Als wesentliches Ergebnis dieser Forschungsarbeit ist deshalb festzuhalten, dass sich ledig-lich in 16 der 72 analysierten Bewohnerdokumentationen Informationen finden, die Rück-schlüsse auf diesen Prozess zuließen. Zweifelsohne ist bei der Interpretation dieses Ergeb-nisses der Tatsache Rechnung zu tragen, dass knapp dreißig Prozent der teilnehmenden Bewohner erst nach Anlage der PEG-Sonde durch die entsprechende Altenpflegeeinrichtung betreut wurden. Auch ist zu berücksichtigen, dass in einigen Fällen eine akute Erkrankung möglicherweise dazu führte, dass der Entscheidungsprozess für die Anlage der PEG-Sonde im Krankenhaus stattfand. Dennoch verbleiben etwa 20 Fälle, in denen aus ungeklärten Gründen keinerlei Informationen zum Entscheidungsprozess in der Bewohnerdokumentation verfügbar sind.

Obwohl zum Entscheidungsablauf aus diesen Gründen nur eine sehr geringe Anzahl an Be-wohnerdokumentationen zur Verfügung stand, ergaben sich hieraus Hinweise auf verschie-dene Aspekte des Entscheidungsprozesses.

Im Rahmen eines strukturierten Entscheidungsprozesses wird unter anderem der Einsatz von Algorithmen empfohlen, die dabei helfen sollen relevante Aspekte lückenlos zu berück-sichtigen. Verschiedene Beispiele solcher Entscheidungshilfen finden sich in der Literatur (Angus & Burakoff, 2003; Löser & Müller, 1998; Sanders et al., 2002). In den analysierten Bewohnerdokumentationen des vorliegenden Forschungsprojektes ist die Anwendung derar-tiger Entscheidungshilfen nicht dokumentiert. In der Praxis scheinen derartige Entschei-dungshilfen also keine Anwendung zu finden. Das ist insbesondere interessant, da während der Datenerhebung einige der Kontaktpersonen in den Altenpflegeeinrichtungen äußerten, dass sie die Entwicklung einer Entscheidungshilfe als sehr sinnvoll empfinden würden.

Auch eine umfassende Beurteilung des Ernährungszustandes und der Ernährungssituation sowie die Anwendung alternativer Maßnahmen zur Sicherung eines adäquaten Ernährungs-zustandes wird im Zusammenhang mit der Anlage einer PEG-Sonde gefordert (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005; Brüggemann et al., 2003; Volkert, 2004). In den analysierten Bewohnerdokumentationen liegen in acht Fällen Informationen zu einem Ernäh-rungsassessment vor. In erster Linie handelte es sich hierbei jedoch um Trink- und Ernäh-rungsprotokolle. Lediglich das Gewicht, bzw. der BMI, wurde regelmäßig erfasst. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, dass das geforderte umfassende Assessment in der Praxis nicht stattfindet. Ebenso verhält es sich mit der Durchführung alternativer Maßnahmen zur Verbesserung oder zur Stabilisierung der Ernährungssituation.

Ein weiteres Thema, das in der Literatur im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozess vor der Anlage einer PEG-Sonde häufig diskutiert wird, ist die Beteiligung verschiedener Personengruppen am Entscheidungsprozess. Auf professioneller Ebene wird empfohlen, dass eine multidisziplinäre Entscheidung getroffen wird. Ebenso wird die aktive Einbezie-hung verschiedener Entscheidungsträger gefordert. Im Mittelpunkt sollten hier die Patienten und ihre Angehörigen stehen (Callahan et al., 1999; Hasan et al., 1995; Todd et al., 2005). Die Ergebnisse verschiedener Studien zum Entscheidungsprozess vor Anlage der PEG-Sonde weisen jedoch darauf hin, dass dieser Forderung in der Praxis nur bedingt nachge-kommen wird. Primär werden hier die behandelnden Ärzte sowie die stellvertretenden Ange-hörigen als am Entscheidungsprozess beteiligte Personengruppen identifiziert (Becker & Hilbert, 2004; Callahan et al., 1999; Todd et al., 2005; Van Rosendaal et al., 1999). Diese Ergebnisse werden durch die Ergebnisse der hier beschriebenen Dokumentationsanalyse bestätigt. Auch die äußerst seltene Beteiligung der Patienten selbst, die bereits in der Studie des Bremer Gesundheitsamtes festgestellt wurde (Becker & Hilbert, 2004), lässt sich anhand der in diesem Forschungsprojekt erhobenen Daten unterstreichen. Zu berücksichtigen ist selbstverständlich, dass in beiden Studien aufgrund der Altersstruktur der Stichprobe und des Settings der Erhebung davon auszugehen war, dass in zahlreichen Fällen gesundheitli-che Probleme vorlagen, die eine kognitive Einschränkung der Teilnehmer nach sich zog und so die Beteiligung am Entscheidungsprozess erschwerte. Dies bestätigt sich durch die große Zahl an Teilnehmern, die durch einen gesetzlichen Betreuer oder einen Vorsorgebevoll-

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mächtigten vertreten werden. Dennoch sollte sicherlich kritisch hinterfragt werden, ob das Vorliegen eines Betreuungsverhältnisses im Einzelfall die Einbeziehung der betroffenen Per-son tatsächlich ausschließt.

Ebenfalls bestätigen die Ergebnisse des hier beschriebenen Forschungsprojektes die an-hand der Ergebnisse verschiedener Studien belegte relativ seltene Beteiligung von Pflege-kräften am Entscheidungsprozess (Becker & Hilbert, 2004; Todd et al., 2005). Dieser Sachverhalt ist speziell in Bezug auf das Setting Altenpflegeheim bedenklich, da Pflegekräfte auf professioneller Seite hauptverantwortlich für die Versorgung und Pflege der Bewohner sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie über Kenntnisse zu den einzelnen Bewoh-nern verfügen, die durch andere Berufsgruppen nicht kompensiert werden können und die für derartige Entscheidungen von grundlegender Bedeutung sind. An dieser Stelle bedarf es sicher einer differenzierteren Ursachenforschung, die anhand der in diesem Forschungspro-jekt zur Verfügung stehenden Daten nicht geleistet werden kann. Möglicherweise spielen jedoch fehlende Sachkenntnis, schlecht ausgebildete Kommunikationsstrukturen sowie indi-viduelle Besonderheiten einzelner Einrichtungen hierbei eine Rolle (Becker & Hilbert, 2004; Todd et al., 2005). Es ist außerdem möglich, dass die Rolle der Pflegenden im Entschei-dungsprozess vor Anlage einer PEG-Sonde einen vorwiegend informellen Charakter hat, da dem Arzt auf rechtlicher Ebene die Aufgabe der Indikationsstellung und Aufklärung zukommt (Brüggemann et al., 2003; Körner et al., 2003). Es ist deshalb denkbar, dass sich die Funktion der Pflegekräfte im Entscheidungsprozess in einem geringeren Maße in der Bewohnerdokumentation niederschlägt als es der Realität entspricht. Diese Annahme wird durch die Studienergebnisse von Todd et al. (2005) ebenso unterstützt, wie durch Aussagen von Gatekeepern der hier beschriebenen Studie. In beiden Fällen wurde eine primär bera-tende Funktion der Pflegekräfte für die Bewohner und deren Angehörige beschrieben.

Die Beteiligung anderer Professionen am Entscheidungsprozess wird in der Literatur zwar als sinnvoll erachtet (Callahan et al., 1999; Shega et al., 2003), jedoch liegen hierzu kaum empirische Ergebnisse vor. Es ist zu vermuten, dass dies in der Praxis eher selten umge-setzt wird. Auch in der hier beschriebenen Studie wird nur in wenigen Fällen die Beteiligung weiterer Berufsgruppen, wie Logopäden oder Ernährungsberatern, beschrieben.

Eine Beteiligung der betroffenen Bewohner am Entscheidungsprozess findet wie bereits ge-schildert nur in seltenen Fällen statt. Es ist also davon auszugehen, dass diese häufig nicht dazu in der Lage sind, ihre Wünsche hinsichtlich einer enteralen Ernährung mittels einer PEG-Sonde zu äußern. In derartigen Fällen sind die Entscheidungsträger ebenso wie die verantwortlichen Ärzte und andere beteiligte Berufsgruppen verpflichtet im Sinne des mut-maßlichen Willens des Patienten zu handeln (Bundesärztekammer, 1998; Körner et al., 2003). Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens gestaltet sich in der Praxis jedoch häufig schwierig. Die Vertretung des mutmaßlichen Willens der Patienten sollen in erster Linie die stellvertretenden Entscheidungsträger übernehmen. Die Ergebnisse aus der Dokumentati-onsanalyse zeigen jedoch, dass es sich hierbei in erster Linie um gesetzliche Betreuer han-delt. Die Datenlage lässt keine Aussage darüber zu, inwieweit es sich hierbei um Angehörige handelt, die möglicherweise Kenntnisse über die Wünsche des Patienten haben und in wie vielen Fällen hierfür Berufsbetreuer eingesetzt werden. Festzustellen ist jedoch, dass nur in wenigen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, mittels einer Vorsorgevollmacht den eigenen Wünschen Ausdruck zu verleihen und eine Person zu benennen, die über ent-sprechende Kenntnisse verfügt.

Ähnliches trifft auf den Einsatz von Patientenverfügungen zu. Diese gelten neben Vorsorge-vollmachten als Mittel der Wahl um persönliche Wünsche und Einstellungen im Hinblick auf potenzielle Gesundheitsprobleme zu äußern und sind als rechtsverbindlich anzusehen (Bundesärztekammer, 1998). Auch diese wurden durch die Teilnehmer des Forschungs-projektes nur in wenigen Fällen genutzt. Darüber hinaus zeigte die Analyse der Bewohner-dokumentationen, dass sie wenn vorhanden fast immer wenig differenziert sind und somit praktisch keine Hilfe bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens darstellen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes die anhand der Literaturrecherche gewonnen Erkenntnisse bezüglich des Ablaufes von Ent-

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scheidungsprozessen vor Anlage einer PEG-Sonde weitestgehend bestätigen. Ein struktu-rierter und zielgerichteter Entscheidungsprozess scheint in den meisten Fällen nicht stattzu-finden.

5.5 Schlussfolgerung und Ausblick

Ziel dieses Forschungsprojektes war es den Entscheidungsprozess vor Anlage einer PEG-Sonde im Setting Altenpflegeheim darzustellen, um so Anhaltspunkte zur Qualität dieses Prozesses zu gewinnen und die Relevanz für die Entwicklung einer Entscheidungshilfe zur Optimierung des Prozesses zu ermitteln.

Die Ergebnisse des Projektes bestätigen zunächst, dass es sich bei Bewohnern von Alten-pflegeeinrichtungen, bei denen eine PEG-Sonde zur enteralen Ernährung angelegt wurde, um eine Population handelt, deren gesundheitliche und ernährungsspezifische Situation ei-nen sorgfältigen und individuellen Entscheidungsprozess hinsichtlich der Anlage einer PEG-Sonde obligat machen. Insbesondere das vorwiegend hohe Alter der Teilnehmer und die damit häufig einhergehende Multimorbidität sowie ein in vielen Fällen vorliegendes Betreu-ungsverhältnis, das offensichtlich mit kognitiven Einschränkungen der betroffenen Personen zu begründen ist, sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben.

Gerade vor diesem Hintergrund ist es umso kritischer zu bewerten, dass sich lediglich in einigen wenigen Bewohnerdokumentationen Informationen finden, die den Verlauf des Ent-scheidungsprozesses vor Anlage der PEG-Sonde transparent machen.

Obwohl zu bedenken ist, dass anhand der Bewohnerdokumentationen sicher keine lücken-lose Darstellung des Entscheidungsprozesses zu erwarten war, stimmt es dennoch nach-denklich, dass sich in zahlreichen Akten keinerlei Informationen finden, die Hinweise auf die Entscheidungssituation vor Anlage der PEG-Sonde geben.

Auch die wenigen Bewohnerdokumentationen, die entsprechende Hinweise enthalten, bieten keinesfalls ein umfassendes Bild des Entscheidungsablaufes. Vielmehr verstärken sie den Eindruck, dass es sich hierbei um ein durch individuelle Prioritäten geprägtes und wenig strukturiertes Vorgehen handelt.

Schlussfolgernd ist deshalb zu empfehlen, Maßnahmen zu ergreifen, die dabei helfen kön-nen, den Prozess der Entscheidungsfindung im Hinblick auf die mögliche Anlage einer PEG-Sonde strukturierter zu gestalten.

Eine Entscheidungshilfe, die eine lückenlose und zielgerichtete Erfassung von Informationen steuert, die für die Entscheidungsfindung relevant sind, wäre deshalb sicher zu befürworten.

Dies bestätigen auch Aussagen von Pflegepersonen, die im Rahmen des Gesamtprojektes interviewt wurden. Der Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit der Anlage einer PEG-Sonde wurde hier häufig als sehr schwierig beschrieben und die Entwicklung eines Instru-mentes zur Entscheidungsfindung als sinnvoll bewertet.

Darüber hinaus würde ein solches Instrument dazu beitragen, den Entscheidungsprozess transparenter zu machen und somit dem vielfach geäußerten Vorwurf zu begegnen die An-lage einer PEG-Sonde unter anderem aus pflegeerleichternden Gründen anzustreben.

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6. Der Entscheidungsprozess in stationären Einrichtungen der Altenhilfe aus der Perspektive von Pflegenden und niederge-lassenen Ärzten1

Claudia Dinand

6.1 Methodisches Vorgehen

Studiendesign

Im dritten Teil des Forschungsprojektes wurden qualitative leitfadengestützte Experteninter-views mit Pflegenden und niedergelassenen Ärzten geführt. Ziel dieses Vorgehens war es, herauszufinden, wie Entscheidungsprozesse in der Realität aus der Perspektive der Betrof-fenen wahrgenommen werden. Dazu wurde ein naturalistisches Design (Prakke 2007) ge-wählt.

Qualitative Forschung ist bemüht, „die subjektiven Sichtweisen und Deutungsmuster sozialer Akteure in ihrem Alltagshandeln zu rekonstruieren und Lebenswelten „von innen heraus“ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“ (Flick et al. 2000: 14). Davon ausge-hend, dass sich Entscheidungsabläufe zur PEG nicht erschöpfend durch die Dokumenten-analyse darstellen lassen würden und informelle Wege und Sichtweisen der Akteure eine Rolle spielen könnten, schien eine qualitative Herangehensweise besonders geeignet, zu-sätzliche Antworten auf die Fragestellung zu geben.

Als Methode wurden leitfadengestützte Interviews im Sinne von Experteninterviews geplant und durchgeführt. Unter Experten werden Personen verstanden, die über ein spezifisches Wissen und über besondere Erfahrungen und Strategien zu einem sozialen Sachverhalt verfügen. Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen (Gläser, Laudel 2006: 10). Nach Meuser und Nagel (2005) ist ein Experte außerdem ein Experte in Bezug auf das Forschungsinteresse. Der Expertenstatus wird vom Forscher, begrenzt auf eine spezifische Fragestellung verliehen und betrifft Personen, die Teil des Handlungsfeldes sind, dessen Probleme gelöst werden sollen (Meuser, Nagel 1994: 182). Im Unterschied zu anderen Formen des Interviews zielt die Befragung von Experten auf ihre Position als Funk-tionsträger und den damit erworbenen Erfahrungen, weniger auf die individuelle Ausrichtung der Gesamtperson. Als Experte wird angesprochen, wer

„in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung,

oder über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“ (Meuser, Nagel 2005: 73).

1 In vorliegender Untersuchung wird aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Schreibweise gewählt, Frauen

sind immer mit gemeint.

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Für die vorliegende Untersuchung wurden diesbezüglich niedergelassene Ärzte und Pfle-gende in stationären Einrichtungen der Altenhilfe als entscheidende Personen im Hand-lungsfeld ausgewählt.

Zugang und Stichprobe

Wie im methodischen Teil der Dokumentationsanalyse bereits detailliert beschrieben, wur-den Einrichtungen der Altenhilfe in Nordrhein-Westfalen angeschrieben und neben der Teil-nahme zur Dokumentationsanalyse auch gebeten, den Zugang zu Personen herzustellen, die bereit sind an einem Interview teilzunehmen (vgl. Anschreiben/Anlage).

Einrichtungen, die an einer Teilnahme interessiert waren, erhielten in einem Erstkontakt Informationsmaterialien inklusive Einverständniserklärungen und wurden in einem persönli-chen Gespräch über Ziel und Zweck der Studie informiert. Die Auswahl der Interviewpartner fand in der Regel über die Pflegedienstleitungen der jeweiligen Einrichtungen statt. Um si-cherzustellen, dass die Teilnehmenden auch als Experten zur Fragestellung angesehen werden konnten, wurden die Pflegedienstleitungen gebeten, solche Pflegenden nach ihrer Bereitschaft zur Teilnahme zu fragen und ihnen die Informationsschreiben zum Projekt aus-zuhändigen, die bereits über eine lange Berufstätigkeit verfügten oder in Wohnbereichen arbeiteten, und deshalb häufiger mit der Frage der PEG konfrontiert worden waren.

Bei den Pflegenden zeigte sich eine hohe Bereitschaft an einem Interview teiIzunehmen, so dass im Rahmen dieses Projektes die Anzahl der Teilnehmer nach Ablauf der vorgesehen Datenerhebungszeit limitiert werden musste. Insgesamt wurden 26 Pflegende (19 Frauen/7 Männer) im Alter von 23 – 56 Jahren mit einer Berufserfahrung von mindestens 3 1/2 - 37 Jahren befragt. 19 Pflegende waren Altenpfleger/innen, fünf waren Gesundheits-und Krankenpfleger/innen und eine war eine Familienpflegerin. Eine Pflegekraft hatte eine Weiterbildung in Palliativ Care, fünf hatten eine Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Pflegefachkraft, es gab eine Diplom-Pflegewirtin und eine Ökotrophologin; zwei Pflegende arbeiteten im ambulanten Bereich, sieben Befragte arbeiteten als Wohnbereichsleitungen, zwei in stellvertretender Position, es gab vier Pflegedienstleitungen und drei Stellver-treter/innen, eine Heimleitung und eine stellvertretende Heimleitung.

Der Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten wurde z. T. durch die Pflegedienstleitungen der Einrichtungen hergestellt, entweder durch die Weitergabe der Namensliste der Ärzte, die Bewohner mit einer PEG betreuen oder in Entscheidungssituationen einbezogen gewesen waren oder indem Informationsmaterialien direkt an die Ärzte weitergeleitet wurden. Hiermit sollte sichergestellt werden, dass das Thema eine gewisse Relevanz im Alltag der Ärzte be-sitzt. Desweiteren wurde ein Anschreiben an eine Auswahl niedergelassener Ärzte der Re-gion versandt. Alle Ärzte wurden zwei Wochen nach dem Anschreiben erneut per Telefon-anfrage kontaktiert. 8 von 33 angeschriebenen Ärzten, erklärten sich spontan für eine Teil-nahme bereit. Prinzipielle Ablehnung, Arbeitsbelastung und Termindruck waren die Haupt-kriterien für eine Ablehnung.

Bei den Interviews mit den Ärzten handelte es sich um zwei Frauen und sechs Männer im Alter von 44-65 Jahren. Vier waren Fachärzte für Allgemeinmedizin, drei waren Fachärzte für Innere Medizin und einer arbeitete als praktischer Arzt. Spezialisierungen gab es im Bereich der Psychotherapie, Geriatrie, Naturheilverfahren, Cardiologie, Diabetologie, Onkologie, Dialyse, Palliativmedizin und Suchtmedizin. Ein Arzt war außerdem Physiologe. Die Berufserfahrung betrug mindestens 15 und maximal 42 Jahre.

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Durchführung der Interviews

Die Interviews dauerten zwischen 20 Minuten und einer Stunde und fanden nach Absprache mit den Ärzten in deren Praxisräumen statt. Interviews mit den Pflegenden wurden in Konfe-renz- oder Aufenthaltsräumen der jeweiligen Einrichtungen geführt. Zwei der Teilnehmer wurden auf ihren speziellen Wunsch hin gemeinsam interviewt.

Ziel der Interviews war es, mithilfe des Wissens und der Erfahrung der Pflegenden und Ärz-ten, Modalitäten von Entscheidungsprozessen zur Anlage einer PEG zu rekonstruieren. Dazu wurde ein Leitfaden erstellt, der helfen sollte, das Interview thematisch zu lenken. Dabei ist es nicht erforderlich die einzelnen Fragen der Reihe nach abzuarbeiten. Eher dient ein Leitfaden der Orientierung im Themengebiet und gibt dem Interviewer die Möglichkeit den Gesprächsfluss durch erneutes Fragen anzuregen, wenn das Interview ins Stocken geraten ist oder Themen zu beleuchten, die bislang noch nicht angesprochen wurden (Meuser, Nagel 1994). Im Vordergrund standen Fragen zur Situation der Patienten/ Bewohner, bei denen eine PEG in Erwägung gezogen wurde, zu beteiligten Akteuren und zum Einsatz von Instrumenten zur Entscheidungsfindung (vgl. Anlage). Im Anschluss an das Interview wurden bei jedem Interviewteilnehmer ein Bogen zur Erfassung von Angaben zum Alter, Geschlecht, Berufserfahrung in Jahren, die Berufsqualifikation und das Datum des Interviews ausgefüllt (vgl. Anlage).

Alle Interviews wurden mithilfe eines digitalen Tonbandgerätes aufgezeichnet und anschlie-ßend verschriftlicht (vgl. Datenanalyse). Bei einem Interview kam es durch ein technisches Problem zu einem Aufnahmefehler, so dass für dieses Interview nur ein Postskript vorliegt, was direkt im Anschluss an das Interview durch die Interviewerin verfasst wurde. Inhalte aus diesem Interview flossen ergänzend in die Analyse ein und konnten daher nur sinngemäß wiedergegeben werden.

Datenanalyse

Die Auswertung der Interviews erfolgte qualitativ in Anlehnung an das von Meuser und Nagel (2005) vorgeschlagene interpretative Verfahren des thematischen Vergleichs zur Analyse leitfadenorientierter Experteninterviews. Ziel dabei ist „das Überindividuell-Gemeinsame her-auszuarbeiten, Aussagen über Repräsentatives, über gemeinsam geteilte Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und Deutungsmuster zu treffen“ (ebd. 2005: 80). Es werden vier bis sechs Schritte der Auswertung vorgeschlagen, die Meuser und Nagel (2005) als modellhaft verstanden wissen wollen und die flexibel an die jeweilige Untersuchungsbedingung angepasst werden können:

Transkription / Paraphrasierung Bildung von Überschriften Thematischer Vergleich (Soziologische) Konzeptualisierung / Theoretische Generalisierung

Für die Auswertung von Interviews ist eine Verschriftlichung Voraussetzung. Welche Teile transkribiert und welche paraphrasiert werden, muss anhand der leitenden Forschungsfra-gen und dem parallel fortschreitenden Auswertungsprozess entschieden werden (Meuser, Nagel 2005: 83). In vorliegender Untersuchung wurden 21 Interviews vollständig transkribiert und paraphrasiert. Darin sind alle Interviews mit den niedergelassenen Ärzten enthalten. 12 Interviews wurden vorwiegend paraphrasiert und an besonders relevanten Textabschnitten wortgetreu wiedergegeben. Die Transkription erfolgte, wie empfohlen (Gläser, Laudel 2006, Meuser, Nagel 2005: 83) ohne aufwendige Notationssysteme (vgl. Anlage).

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Die Bildung von Überschriften führt zur Verdichtung des Materials. Der Leitfaden wird zum wesentlichen Bestandteil der Auswertung, indem die thematischen Schwerpunkte Vorformu-lierungen der theorierelevanten Kategorien bei der Bildung von Überschriften darstellen, die je nach Aussagen der Befragten ihre inhaltliche Ausgestaltung erhalten. Relevante Aspekte, die im Datenmaterial entdeckt wurden, aber nicht im Leitfaden vorgesehen waren, wurden dem Prinzip der Offenheit folgend als neue aus den Daten generierte Überschriften ergänzt. An dieser Stelle wurden die Daten mithilfe der Computersoftware für qualitative Daten MAX QDA 2007 verwaltet.

Auf der Stufe des thematischen Vergleichs geht die Analyse über das einzelne Interview hinaus. Aussagen der Beteiligten werden in Bezug auf Ähnlichkeiten und Unterschiede the-menbezogen miteinander verglichen und können schließlich zu allgemeineren Konzepten zusammengefasst und in Relation gestellt werden. Je nach Stellung im Forschungsdesign findet eine theoretische Generalisierung also die Verknüpfung mit existenten Theorien oder deren Modifikation statt (Meuser; Nagel 2005: 91). Die in dieser Untersuchung geführten Interviews wurden mit dem Ziel geführt Auskunft über Insiderwissen und informelle Prozesse zu geben und Ergebnisse der Dokumentationsanalyse um die Sichtweise der Handelnden zu erweitern. Eine theoretische Einordnung findet im Rahmen der Diskussion statt.

Gütekriterien

Die Beurteilung der Güte des qualitativen Teils der vorliegenden Untersuchung orientiert sich an den von Steinke (2000) vorgeschlagenen Kernkriterien der intersubjektiven Nachvollzieh-barkeit. Diese soll durch eine dichte, nachvollziehbare Dokumentation des Forschungspro-zesses, die Anwendung kodifizierter Verfahren und die Interpretation in Gruppen gewähr-leistet werden. Hierzu wurde in den Kapiteln zum methodischen Vorgehen exemplarisch ver-sucht

den Forschungsprozess transparent darzustellen, die Wahl der angewandten Methoden und Vorgehensweisen im Erhebungs- und

Analyseprozess zu begründen, einem anerkannten Verfahren (Meuser, Nagel 2005) zu folgen, den Prozess durch regelmäßige Treffen der Projektgruppe sinnvoll zu strukturieren

und konstruktiv weiterzuentwickeln und die Ergebnisse detailliert zu beschreiben sowie mit Ausschnitten aus den Originalda-

ten zu belegen.

Ethische Überlegungen

Im Falle der leitfadengestützten Befragung handelt es sich um Experteninterviews mit Pfle-genden und niedergelassenen Ärzten. Experten (s.o.) gelten primär nicht als vulnerable Per-sonen im forschungsethischen Sinn (Schnell, Heinritz 2006). Die Teilnehmenden wurden vor der Durchführung des Interviews ausreichend über das Forschungsvorhaben informiert und hatten jederzeit die Möglichkeit sich aus freiem Willen für oder gegen eine Teilnahme zu ent-scheiden (vgl. Anlage). Eine besondere Position nehmen dabei Personen ein, die durch ihr Angestelltenverhältnis in gewisser Abhängigkeit zu den Vorgesetzten ihrer Einrichtungen stehen und damit weisungsgebunden sind. Im vorliegenden Fall galt dieses vorwiegend für die Pflegenden, die vor dem Interview nochmals auf ihre freiwillige Teilnahme oder einen möglichen gewünschten Abbruch des Interviews ihrerseits hingewiesen wurden. Von diesem Recht hat in dieser Untersuchung niemand Gebrauch gemacht.

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Es wird davon ausgegangen, dass Personen, die einer Teilnahme zustimmen, ihre Expertise zum Forschungsgegenstand weitergeben wollen. Deswegen ist nicht zu erwarten, dass den befragten Personen durch die Teilnahme am Interview ein Schaden entstanden ist. Trotzdem kann die Auseinandersetzung mit der eigenen Berufsbiographie oder Fragen zum Umgang mit ethisch schwierigen Situationen, wie im Falle einer PEG, zu Situationen führen, die bei den Befragten Emotionen und Erinnerungen auslösen, die sie persönlich berühren. Für die-sen Fall wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit zugesichert, das Interview zu jeder Zeit unterbrechen zu können oder ihre Zustimmung, auch nach dem Interview, durch Kenntnis der Kontaktpersonen und deren Telefonnummern zurückzuziehen (vgl. Anlage). In einem Fall kam es zur Schilderung einer aktuell schwierigen Entscheidungssituation. In diesem Fall wurde den Beteiligten nach dem Interview Informationsmaterial zur Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt.

Weiter wurde garantiert, dass eine Rückerkennung der teilnehmenden Einrichtungen und der Personen nicht möglich ist. Personenbezogene Angaben wurden nicht erhoben. Namen und Wohnorte oder sonstige identifizierende Angaben, die während des Interviews genannt wur-den, wurden bei der Auswertung durch Nummerierungen oder Pseudonyme ersetzt. Das gilt auch für alle in vorliegendem Bericht im Anschluss an die Originalzitate verwandten Namen. Weiter wurde gewährleistet, dass die gewonnenen Daten ausschließlich zu Forschungszwe-cken verwendet werden, vertraulich und anonym behandelt, sicher aufbewahrt und nicht an Dritte weitergegeben werden. Dies gilt insbesondere für die Vorgesetzen der Einrichtungen, denen gegenüber die Forschenden zur Verschwiegenheit bezüglich der Aussagen der Pfle-genden verpflichtet sind (vgl. Anlage).

Die Ethikkommission der Universität Witten/Herdecke hat vor Beginn der Studie durch ein positives Votum die Durchführung unter ethischen Gesichtspunkten genehmigt.

6.2 Ergebnisse

Entscheidungsprozesse - Kontext

Entscheidungsprozesse lassen sich als klassisches Phasenmodell darstellen. Im Vorfeld einer Entscheidung werden Beobachtungen gemacht, Parameter erhoben und Diskussionen geführt, um die Entscheidung abzuwägen, zu manifestieren und schließlich in eine Handlung zu transformieren. Zur Feststellung einer Indikation werden von den Befragten verschiedene Kriterien genannt, die helfen ein Problem zu benennen, einzugrenzen und die getroffene Entscheidung zu begründen. So gibt es neben messbaren Parametern auch Instrumente und „weiche“ Kriterien, die zur Einschätzung der Lebenssituation des betroffenen Menschen und damit bei der Entscheidungsfindung zur Anlage einer PEG beitragen. Im Sinne eines Phasenmodells lassen sich drei wesentliche Einheiten unterscheiden. Die Phase vor der Entscheidung, in der beobachtend und meinungsbildend gearbeitet wird, die Phase des Entscheids mit der Konsequenz einer Handlung oder einem Handlungsverzicht und die Phase nach getroffener Entscheidung, in der die Entscheidung überprüft, bewertet und ggf. revidiert wird.

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Welche Ausprägungen dieses Vorgehen im praktischen Alltag niedergelassener Ärzte und Ärztinnen und der Pflegenden in stationären Einrichtungen der Altenhilfe haben kann, wird im Anschluss vorgestellt.

Die Aussagen der Befragten unterscheiden sich aus der Perspektive der jeweiligen Profes-sion heraus. So sind Pflegende stärker in der Alltagsbeobachtung und Begleitung des Es-sens und Trinkens aus der Situation in einer Altenpflegeeinrichtung involviert. Die Ärzte kon-zentrieren sich auf die Schilderung medizinischer Sachverhalte und dominieren bei der Indi-kationsstellung. Ihr Blickwinkel umfasst zu den Menschen in der Altenpflege auch die ambu-lante Situation. In Bezug auf den Entscheidungsprozess gab es jedoch eine Reihe von Überschneidungen. Um Redundanzen zu vermeiden, wurde vom ursprünglichen Vorhaben abgesehen, die jeweiligen Sichtweisen getrennt voneinander darzustellen. In diesem Bericht ist immer dann allgemein von Befragten die Rede, wenn sowohl Pflegende als auch Ärzte gemeint sind. Aussagen werden dann getrennt vorgestellt, wenn es keine Überschneidungen der beiden Berufsgruppen gab oder Einzelaussagen vorgestellt werden und wenn die spezi-fische Perspektive für die Fragestellung relevant erschien. Ärzte sprechen von Patienten, Pflegende von Bewohnern, wenn über die Person berichtet wird, bei der eine PEG in Erwä-

Abbildung 1: Prozessphasen

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gung gezogen wurde. Die Bezeichnung wurde so beibehalten, wie es in den jeweiligen Be-rufsgruppen üblich ist.

Die meisten der Befragten verfügen über eine lange Berufserfahrung. So gibt es Pflegende und Ärzte, die sich noch daran erinnern können, dass die Applikation von PEG-Sonden noch gar nicht üblich war. Gründe für die aktuelle Problematisierung einer PEG seien auf die Zu-nahme der Hochaltrigkeit inklusive Demenz und auf ein steigendes Bewusstsein für Quali-tätssicherung zurückzuführen (Gudrun Kohlmann2 - Pflegende). Seien Entscheidungen in früheren Jahren immer von Ärzten getroffen worden, so würde heute die Einbeziehung des Patienten-/Bewohnerwillens stärker berücksichtigt und die Entscheidung hinterfragt (Kati Nimwegen - Pflegende).

Wie werden Entscheidungen getroffen?

Der Entscheidungsprozess zur Anlage einer PEG dauert nach Schilderungen aus den Inter-views je nach Indikation zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen, manchmal auch Monate.

„Bei dem Herrn J, wo wir drüber gesprochen haben, ging`s innerhalb von zwei Wochen, sehr schnell finde ich. Dann gibt`s so Entscheidungsfindungen, die dauern vier-sechs-acht Wochen. Habe ich auch schon erlebt“ (Jörg Demmler – Pflegender)

Wann und wie eine Entscheidung getroffen wird, hängt stark vom zugrundeliegenden Krank-heitsbild und den beteiligten Akteuren ab. Ein einheitlicher Standard oder Richtlinien für Vor-gehensweisen, wie in anderen Zusammenhängen, sei in der Frage der PEG nicht vorhan-den.

„Und so was gibt es bei der PEG-Sonde nicht, sondern es gibt so viele verschiedene Faktoren, hm... auch die Herangehensweise ist immer anders hm, so dass es immer uneinheitlich ist“ (Jörg Demmler - Pflegender).

Die Befragten berichten in ihren Schilderungen von verschiedenen Arten eine Entscheidung zu treffen. Dem Abwägen der Vor- und Nachteile und dem klinischen Urteil kommt eine große Bedeutung zu. Parameter hierzu werden ausführlich in Kapitel zur Entscheidungsfin-dung dargestellt.

Berichtet werden aber auch Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ und vom Rückgriff auf persönliche und berufliche Erfahrungen oder das eigene ethische Bewusstsein.

„Also ich tue mich da eigentlich gar nicht schwer mit der PEG, ich lasse das einfach so laufen und frage die Angehörigen und das Personal und entscheide dann wirklich ganz individuell und aus dem Bauch heraus“ (Rainer Braun - Arzt).

2 Alle Namen der Interviewpartner wurden anonymisiert und sind frei erfunden, auf akademische

Titel oder detailliertere Berufsbezeichnungen wurde in der Darstellung verzichtet, um eine Wiedererkennung beteiligter Personen zu vermeiden.

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Bei der Entscheidung nach persönlicher Wertvorstellung wird auf Hintergründe eigener Er-fahrungshorizonte zurückgegriffen und das eigene ethische Bewusstsein aktiviert. Einige Befragte nehmen sich selbst, andere eine nahestehende Person, um die Situation für sich erfahrbar und spürbar werden zulassen. Die Besinnung auf eigene Werte scheint eine Mög-lichkeit zu sein, den Schweregrad der Entscheidung bewerten und im Sinne einer guten, richtigen und einer menschengerechten Entscheidung urteilen zu können.

„Das ist dann einfach die persönliche Sache, würde ich so leben wollen, würde ich das meinen El-tern wünschen wollen und hm?“ (Sabine Murnau - Ärztin)

„und da habe ich schon viel bei meinen Kollegen so etwas geäußert, wie zum Beispiel, ich würde für meinen Vater oder Mutter auch die letzte Möglichkeit ausschöpfen, die dem Mensch einfach zusteht. Weil, wie gesagt, entscheidend ist, wie ich lebe, wie meine Eltern gelebt haben und wie die Gesellschaft überhaupt heut zu Tage lebt“ (Max Toschik - Pflegender).

Entscheidungen auf der Grundlage erlernter Verhaltensmaßnahmen oder langjähriger per-sönlicher und beruflicher Erfahrung können nur mit der Zeit und mit viel Übung erworben werden. Je jünger und unerfahrener, desto eher werden nach Angaben einiger Befragter PEG-Sonden veranlasst und Hilfen zur Entscheidung benötigt (siehe Entscheidungshilfen).

„aber, wenn ich durch eine Ernährungssituation den Patienten doch in seiner Lebensqualität nicht helfe, dass, wie ich es von meinem Lehrherren gelernt habe, (..) eine sinnvolle Lebensverlänge-rung also das heißt Leben mit guter Lebensqualität, wenn ich das sagen kann, dann sollte man´s tun, wenn ich aber da nur Leiden verlänger, und der evtl. ne Woche länger lebt, aber da nur hinve-getiert, dann sollte man´s nicht tun und das ist dann Erfahrung, ne“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

Maßnahmen, wie die PEG können auch Bestandteil eines Behandlungsplans sein, die als Standard in ein Therapiekonzept eingeflochten sind. Für die PEG kommt dies bei onkologi-schen Fragestellungen in Betracht. Dort dient sie der Vorbereitung anderer Therapien.

“die kriegen einen Stent, die kriegen eine Chemotherapie und die kriegen eine PEG, nicht wahr, entweder klappt´s oder es klappt nicht, also da kann man doch gar nicht solange diskutieren (Ingo Klare - Arzt).

Auch die Zuhilfenahme von Literatur kann bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein.

„Es gab mal vor ein paar Jahren in Dr. med. Mabuse, kennen Sie die Zeitschrift? - so einen Artikel über Für und Wider PEG. Das fand ich gut. Und die haben dann eben gesagt, eigentlich gibt es keine Studie, die dann sagt, das ist für oder das ist gegen. Eigentlich ist es völlig egal, ob man ne PEG hat oder nicht. Den nehm ich manchmal auch zur Hilfe. Ja. Diesen Artikel. (..) Auch für die Angehörigen“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende).

Es ist davon auszugehen, dass getroffene Entscheidungen selten ausschließlich auf einer Form basieren. Eher ist eine Mischung unterschiedlicher Zusammensetzung aus allen An-teilen anzunehmen. Eine These diesbezüglich lautet: Je eindeutiger und offensichtlicher sich die Parameter darstellen, desto weniger wird auf persönliche oder intuitive Elemente zurück-gegriffen.

Wo wird die Entscheidung getroffen?

Den Befragten zufolge gibt es drei Orte der Entscheidung: die ambulante, häusliche Situa-tion, die Situation in der Altenpflegeeinrichtung oder während eines Krankenhausaufenthal-tes.

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Nach Einschätzung der befragten Ärzte und Ärztinnen gibt es selten Situationen, in denen aus der häuslichen Situation heraus Entscheidungen für oder gegen eine PEG getroffen werden müssen.

„Nee, also dann, wenn im ambulanten Bereich, dann kommen die Patienten mit einer PEG aus dem Krankenhaus zurück. (...) Dann müssen wir sie halt versorgen oder, oder betreuen, aber das wir die Entscheidung treffen ist eigentlich eher nicht der Fall“ (Rainer Braun - Arzt).

Indikationen mit positivem Entscheid beziehen sich zumeist auf onkologische Fragestellun-gen im Rahmen einer OP- oder Chemotherapie-Vorbereitung. Ein Arzt berichtet auch von PEG-Sonden, die ambulant implantiert werden, im Regelfall ist der Ort der Anlage das Kran-kenhaus.

“(...) Kollegen schicken uns jemand zur PEG oder wenn die gewechselt werden muss oder wir le-gen manchmal selber welche im Rahmen von onkologischen Fragestellungen, nech, aber das das ist nicht (..), das Gro der PEGs wird im Krankenhaus gelegt, (...)“ (Ingo Klare - Arzt)

Vermehrt stehen Entscheidungen in Bezug auf eine PEG in den Altenheimen oder den Klini-ken an. Letzteres sei der weit häufigere Fall (Klaus Krämer - Arzt).

Auch aus der Perspektive der Pflegenden werden viele Entscheidungen für eine PEG bereits vor Einzug in die Altenpflegeeinrichtung getroffen. In diesen Fällen werden die Bewohner mit PEG, meist nach einem Krankenhausaufenthalt mit anschließender Rehabilitationsmaß-nahme in die Einrichtung aufgenommen. In diesen Fällen ist den Befragten so gut wie nichts über den Entscheidungsprozess bekannt. Aber auch während des Heimaufenthaltes kommt es infolge eines akuten Ereignisses, z. B. aufgrund eines Schlaganfalles oder einer Ver-schlechterung des Gesundheitszustandes zu einer Verlagerung der Entscheidungssituation in die weiterbehandelnden Kliniken. Auch in diesen Fällen gibt es kaum Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien eine Entscheidung angestoßen und getroffen wurde.

„und dann kam sie ins Krankenhaus, wegen Pneumonie, und sie ist wieder gekommen mit PEG“ (Martina Reger - Pflegende)

„dann haben wir es ein- oder zwei mal auch so gehabt, dass nach so stationären Aufenthalt je-mand eben mit der PEG wieder kam, wegen einer akuten Verschlechterung oder wegen einem Apoplex“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Werden Entscheidungen für oder gegen eine Entscheidung in der Altenpflegeeinrichtung getroffen, handelt es sich um Entscheidungen infolge schleichend verlaufender chronischer Prozesse.

„also, bei uns ist das ja meistens, sage ich mal, diese PEG-Anlagen, wenn es von uns aus kommt, also aus dem Haus her, dass meistens die Leute nicht mehr essen und trinken von sich aus, also irgendwann nichts mehr zu sich nehmen (Steffen Schmidtmeier - Pflegender).

„Ja, das sind ja meistens Patienten, die tatsächlich im Altenheim Bereich leben, ganz selten mal jemand der zu Hause ist, weil, wenn die Entscheidung zu fällen ist, dann sind die Patienten meis-tens schon in so einem Zustand, dass die nicht mehr zu Hause betreut werden und diese Patienten im Altenheim sind meistens ja demente Patienten, muss man schon sagen, weil sie sehr betagt sind (...)“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin).

Ein Arzt unterscheidet dabei zwei Vorgehensweisen:

„Ich schreibe dann eine Einweisung, PEG-Anlage erforderlich und schreibe drunter eine kurze Be-gründung, also in fast allen Fällen ist das ja so vorbereitet auch mit Betreuer, der dann da hin geht und unterschreibt, dass die sagen: „ok, alles klar, ist nachvollziehbar“, weil die gedankliche Arbeit ist ja getan und sollten Fragen da sein, rufen die an. Das ist ganz selten, häufiger ist, das jemand

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gar nicht wegen PEG im Krankenhaus ist, sondern dass der einfach da ist und der ist „unterer-nährt“ in Anführungsstrichen und die fragen nach, wie stehen Sie zur PEG. Das passiert also doch schon öfter. Wir kennen den nicht, Sie kennen den, der ist aus dem Pflegeheim, wie stehen sie dazu, das passiert öfter, aber wenn wir mit Betreuer, mit Pflegeteam, mit uns letztlich sagen PEG ja, ist es eigentlich ein Selbstgänger, wenn diese Vorarbeit geleistet ist und der ist dann auch übernächsten Tag wieder da“ (Niklas Seifert - Arzt).

Nicht immer werden jedoch bereits gefasste Entscheidungen durch die weiterbehandelnden Ärzte beachtet, wie in folgendem Beispiel:

„ja dann haben wir uns halt entschlossen eine PEG zu legen, das hat auch nicht gleich geklappt, das Krankenhaus hat das erst abgelehnt gehabt, ich weiß gar nicht mehr welcher Grund das war, ist auch egal. Im zweiten Anlauf haben sie es dann gemacht, (...)“ (Rainer Braun - Arzt)

Akteure im Entscheidungsprozess

Zu den zentralen Personen im Entscheidungsprozess zählen die Patienten selbst, ihre Angehörigen mit und ohne Betreuungsvollmacht, Berufsbetreuer, sofern beauftragt, die behandelnden Ärzte und die Pflegenden (vgl. Abbildung 3).

„dann ist an der Entscheidungsfindung, wenn er kann der Patient beteiligt, auch wenn er den ganzen Umfang nicht erkennen mag, versucht man ihn dran zu beteiligen oder im Vorfeld eben. Beteiligt sind dann eben Angehörige auf jeden Fall, Betreuer, auf jeden Fall, Pflegekräfte, oft auch im negativen, weil sie nicht damit Umgehen können, dass der nun mal abnimmt und wenig trinkt, dann auch wieder Druck. Ja und natürlich der Hausarzt, wobei meine Funktion oft darin besteht zu moderieren, was die Beteiligten wollen“ (Niklas Seifert - Arzt)

Den beteiligten Akteuren können aus Sicht der Befragten je nach Situation und Position un-terschiedliche Rollen zugeordnet werden. Aussagen hierzu werden im Folgenden beschrie-ben.

Abbildung 2: Primäre Akteure im Entscheidungsprozess

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Die Rolle des Patienten/Bewohners

In Bezug auf die Entscheidung für oder gegen eine PEG gelten die Patienten zum einen durch ihren Gesundheitszustand als „Gegenstand“ oder Anlass der Entscheidung und zum anderen als die primären Entscheidungsträger, was bedeutet, dass der Wille oder ein Ent-scheid, sofern erfahrbar oder bekannt, zählt und für die Entscheidung ausschlaggebenden Charakter besitzt.

„Wenn er sich äußern kann, ist es eine tragende Rolle.“ (Dieter Kronau - Pflegender).

Die Entscheidungsfähigkeit ist ein grundlegender Parameter, der bestimmt, in welcher Form Patienten/Bewohner einen Einfluss auf die Entscheidung ausüben können. Die Rolle des Entscheiders wahrnehmen und sich aktiv an Überlegungen im Entscheidungsprozess betei-ligen, setzt eine uneingeschränkte Entscheidungsfähigkeit voraus. Nach den Erfahrungen der befragten Ärzte und Ärztinnen ist dies für Entscheidungssituationen im ambulanten, häuslichen Bereich eher, bei Menschen im stationären Bereich seltener bis gar nicht der Fall. Zwei der Ärztinnen berichten von Menschen mit einer Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), die sich aus eigenem Willen für eine PEG entschieden.

„Wir hatten einmal ne ALS-Patientin, (...) die konnte das wirklich bei vollem Bewusstsein selber entscheiden, aber ist natürlich die Ausnahme. Normal können die Patienten das nicht selber“ (Sa-bine Murnau - Ärztin).

Auch die Pflegenden schildern vereinzelt Situationen, in denen jemand die Entscheidung für eine PEG selbst getroffen hat.

„Ich hatte jetzt wie gesagt, der Bewohner hat selber die Entscheidung getroffen. Und hat vor vier Wochen eine PEG bekommen. Und ich war, als er das gesagt hat, ja ich möchte das, ich war da-bei. Da war ein Betreuer anwesend und am nächsten Tag der Arzt, besser gesagt einen Tag davor war der Arzt da und ich finde das in Ordnung, dass der Patient das noch selber, Bewohner selber noch machen kann“ (Max Toschik - Pflegender).

Situationen einer aktiven Negativentscheidung wurden von den Ärzten nicht berichtet, wohl aber Situationen, in denen unklar war, ob eine Entscheidungsfähigkeit angenommen werden konnte. Ein Arzt führt dies auf beginnende dementielle Prozesse, Uneinsichtigkeit oder feh-lende Reflektion der eigenen Situation seitens der Patienten zurück.

„ich esse doch genug, ich weiß nicht, was Sie wollen, Herr Doktor,“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

Eine Pflegende berichtet von einer Bewohnerin, die zu Lebzeiten eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht eingerichtet hat, mit dem Wunsch keine PEG zu bekommen. Nach zwei Jahren des Lebens und Wohnens im Heim entschied sie sich nichts mehr zu es-sen und zu trinken:

„Ja, das hat die gesagt, sie hat gesagt, ich möchte jetzt nichts mehr essen, ich möchte jetzt nichts mehr trinken, das war´s jetzt für mich, ich möchte jetzt sterben, das hat sie jetzt gesagt“ (Verena Meißner - Pflegende).

In den meisten Fällen, bei denen eine PEG diskutiert wurde, handelte es sich nach Einschät-zung der Befragten um Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder ihres Alters nicht mehr selbst entscheiden können. Vorliegende Nichteinwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung erschwert den Entscheidungsprozess erheblich.

Die werden ja gar nicht mehr gefragt. Leider Gottes sind die alle dann in dem Zustand wo die sel-ber nicht mehr entscheiden können“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende).

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Dem Patienten/Bewohner stehen hier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung weiterhin die Entscheidung in seinem Sinne zu lenken, indem er zum Zeitpunkt seiner noch vorhande-nen Entscheidungsfähigkeit vorsorglich mündlich oder schriftlich seinen Willen an Angehö-rige und Betreuende weitergibt, eine Vorsorgevollmacht einrichtet oder eine Patientenverfü-gung bzw. ein Patiententestament erstellt (vgl. Patientenverfügung).

„dass die eben mit der Situation konfrontiert werden, ( ) sie sind jetzt hier im Pflegeheim, das ist vielleicht ihr letzter Wohnort, es kann sein, dass es ihnen mal schlechter geht und wir würden gerne wissen, wie stehen Sie dazu. Das versuchen wir natürlich, wenn wir den rechtzeitig erwi-schen, machen wir das aktenkundig und dann gilt das auch (Niklas Seifert- Arzt)

„um solchen fiesen Situationen, sag ich jetzt mal aus dem Weg zu gehen, sollte man sich vielleicht schon in Zeiten auseinandersetzen wo man noch selbst entscheiden kann, weil das ist ja nicht nur eine Hilfe für die Pflegekräfte oder für die Ärzte und Angehörigen, sondern man ist ja auch selbst irgendwie sicherer, wenn man weiß, man wird, es wird das später gemacht was man will (Lisa Griffler - Pflegende).

Auch eine Notiz in den Akten kann als Hinweis bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens hilfreich sein und den stellvertretend Entscheidenden das Gefühl geben, im Sinne des Be-wohners gehandelt zu haben. Zu einer Patientenverfügung seien die meisten auch nicht mehr bereit (Monika Reichert - Pflegende).

„oder auch als bloßer Eintrag in unsere Karteikarten, dass wir mit dem gesprochen haben, dass er das halt nicht will und für mich ist dann die Anlage eine Körperverletzung, weil gegen den Willen des Patienten, den er erklären konnte, muss ich dann ganz harte Kriterien haben( Niklas Seifert - Arzt).

Nur wenige machen den Aussagen der Befragten zufolge davon Gebrauch. Weder sprechen sie mit ihren Angehörigen über ihre Wünsche, noch liegt ein schriftliches Dokument vor, auf das sich im Falle einer Nichteinwilligungsfähigkeit berufen werden kann. Als Grund hierfür wird die Angst, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzten genannt oder wie eine Ärztin dies beschreibt.

„Weil die junge Leute, wenn die dann sagen du musst Vater, du bist jetzt so krank, wie stellst dir jetzt vor, den Tod? Das tut keiner. Das ist ja auch bisschen hm....das kann man eben nicht ma-chen. Das muss schon hmm von den Betroffenen selbst kommen. Sonst hatten wir auch oft das Gefühl man redet den Tod herbei oder das Ende...ist zu schwierig, ist einfach ein Tabuthema“ (Sa-bine Murnau - Ärztin)

Eine Pflegende gibt auch zu bedenken, dass es typbedingt Menschen gibt, die eine Verant-wortung auch für das eigene Leben gern abgeben und die Entscheidung anderen überlassen (Gudrun Kohlmann - Pflegende). Hat ein Mensch für den Fall der Nichteinwilligungsfähigkeit nicht vorgesorgt, beginnt die Suche nach dem mutmaßlichen Willen. Die Angehörigen wer-den nun zu zentralen Personen im Entscheidungsprozess.

In diesem Sinne erscheint das Priorat der primären Entscheidungsträgerschaft des Betroffe-nen in stationären Einrichtungen formal, denn als praktisch erfahrbare Handhabung im Ent-scheidungsprozess für Situationen in stationären Einrichtungen der Altenhilfe und wird annä-hernd bedeutungslos.

Die Rolle der Angehörigen

Angehörige sind die wichtigsten Entscheidungs- und Informationsträger, wenn ein Patient sich zur Frage der PEG nicht mehr äußern kann. Sie verfügen über ein langjähriges biografi-sches Wissen zur Person aus einer „erlebten Anamnese“ (Sabine Murnau - Ärztin) und ste-

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hen, vor allem in häuslichen Pflegearrangements in direktem Kontakt zu den Betroffenen. Angehörige übernehmen oft eine Vermittler- und Fürsprecherfunktion zwischen Arzt und Be-troffenem, besonders bei Hochaltrigkeit oder schwerer Krankheit, in der Regel mit, aber auch ohne gesetzlich geregeltem Betreuungsverhältnis.

„Meistens sind ja unsere Bewohner nicht mehr selbst entscheidungsfähig und haben einen Be-treuer und dann ist der Betreuer, sprich Tochter, Sohn oder der vom Gericht eingesetzt worden ist , ein Betreuer da“ (Arina Schnürer - Pflegende)

„und dann ist natürlich auch so die Frage, wie reagieren die Angehörigen. Gibt es, gibt es über-haupt eine Betreuung, eine offizielle auf die man, nach der man sich richten kann, oder nicht, meistens gibt es die natürlich nicht. Dann muss man die erst einrichten und wenn die eingerichtet ist, dann ist die Frage, ja wie geht man dann vernünftigerweise vor“ (Sören Wißling - Arzt).

„Denn die Entscheidung trifft der Betreuer oder der Patient oder wer halt da ist und es kommt nur ganz selten vor, dass jetzt praktisch notfallmäßig ohne Betreuer gehandelt werden muss“ (Niklas Seifert - Arzt).

Die Arbeit mit den Familien gehört aus der Perspektive der Befragten zum Behandlungs- oder Betreuungsalltag. Daraus erwachsen den Angehörigen Aufgaben der Überzeugungs-arbeit und der Einflussnahme auf die Entscheidung sowie die Unterstützung hinsichtlich ei-ner gesunden und regelmäßigen Nahrungsaufnahme des Patienten/Bewohners im Vorfeld einer Entscheidung. Auch die Versorgung und Integration einer PEG in den Alltag nach posi-tivem Entscheid gehört dazu. Pflegende berichten von engen und häufigen Kontakten zu den Angehörigen, mit denen sie oft zusammenarbeiten, aber auch von distanzierten Verhältnis-sen, wenn Angehörige selten zu Besuch sind.

Die Befragten berichten in diesen Situationen von Angehörigen, die sehr klar wissen, welche Entscheidung sie treffen wollen. Manche von ihnen seien „mit (Literatur aus) dem Internet bewaffnet“ (Ingo Klare - Arzt) und fordern sehr forsch alles medizinisch Machbare ein. An-dere, die sagen:

„man soll die Kirche im Dorf lassen und soll eben das (..) so menschenwürdig wie möglich machen. Keine Schmerzen, aber eben wenn, wenn sie nicht mehr isst und trinkt, dann ist das halt so, dann gibt man halt so viel Flüssigkeit wie möglich und nimmt den natürlichen Verlauf in Kauf, was auch in meinen Augen vernünftig ist.“ (Sören Wißling - Arzt).

Wieder andere sind unsicher, holen sich Rat beim Hausarzt oder den Pflegenden, bewegen die Argumente für und gegen, brauchen viel Zeit für die Entscheidung und bleiben mitunter unentschlossen.

„das war dann ein schwieriger Entscheidungsprozess, weil die, ja auch die Tochter sich immer sich so richtig, wusste eben auch nicht so richtig, was sie wollte“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin).

„und die Angehörigen dann selbst in der Situation überfordert sind, und eigentlich den Rat bei uns suchen, wo eigentlich wir denken, jetzt müsste ich die Angehörigen fragen und hab dann schon den Wunsch, die wissen, wer die Person ist, was oft nicht der Fall ist“ (Meike Saalfeld - Pfle-gende).

Als Gründe werden außer der prekären Entscheidungssituation vor allem Angst vor Tren-nung und einem Nicht-loslassen-können oder einer falschen Entscheidung genannt. Manchmal sind es auch Erfahrungen mit einer PEG aus dem direkten Bekanntenkreis, die eine Entscheidung beeinflussen oder Ängste verursachen (Ines Junkers - Pflegende), einer Angst, der man im Gespräch begegnen müsse (Niklas Seifert - Arzt). Söhne könnten diese Entscheidung häufig einfacher und weniger emotional beteiligt treffen als Töchter (Steffen Schmidtmeier - Pflegender).

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Nach Erfahrung der Befragten stehen die Angehörigen unter hoher emotionaler Belastung. Zum einen käme es zu einer Rollenvermischung, gleichzeitig Betreuer und Tochter/Sohn oder Ehepartner zu sein. Zum anderen bedeute die Entscheidung gegen eine PEG häufig die Entscheidung „für den Tod“ und ist implizit mit dem Vorwurf des „Verhungern-und-ver-dursten-lassens“ verbunden. Eine Entscheidung für eine PEG hingegen kann selten ein Ver-sprechen auf eine tatsächliche Verbesserung der Situation einlösen. Diese Verantwortung ist von den Angehörigen schwer zu (er)tragen. Ambivalenz und Unentschlossenheit sind die Folge.

„Und die PEG, tja, da kommt dann wieder so, ja sollen wir den denn verhungern lassen, den Pati-enten oder dann kommen oft die Angehörigen, auf der einen Seite sagen sie, nee, wir wollen nichts lebensverlängerndes haben, aber verhungern sollen sie och nicht. Das ist eine ganz schwierige Kiste“ (Rainer Braun - Arzt).

„Was machen wir mit der Mutter. Lassen wir sie jetzt hier sterben oder lassen wir sie nicht sterben“ (Rainer Braun - Arzt).

Diese Angehörigen würden sich oft auf die Empfehlungen der Pflegenden und Ärzte verlas-sen. Gibt es unterschiedliche Auffassungen zum Vorgehen, besitzt der Betreuungsbevoll-mächtigte die Entscheidungsgewalt.

„also das kann man nur in Absprache mit den Angehörigen machen, und dann sagen, dass ma-chen wir nicht mehr, wenn die das wollen, müssen sie es machen“ (Bernhard Beinbühl – Arzt).

Unterscheiden sich die Auffassungen zum Vorgehen jedoch so gravierend und besteht aku-ter Handlungsbedarf aus medizinscher Sicht, kann die Betreuung in Frage gestellt und per Gerichtsverfahren angezweifelt werden. Ein Arzt berichtet von einem derartigen Entschei-dungskonflikt, in dem er den Eindruck hatte, der bestellte Betreuer, in diesem Fall ein Ange-höriger, hätte die Situation nicht korrekt erfasst. Nachdem sich dies im Gespräch nicht lösen konnte, stellte der Arzt die Betreuung in Frage und erhob Einwand beim Gericht, wobei im Anschluss ein Berufsbetreuer den Angehörigen in seiner Vollmacht ablöste.

Die Rolle der Berufsbetreuer

Stehen keine Angehörigen im direkten Umfeld des Patienten zur Verfügung, die für eine Betreuungsvollmacht in Frage kommen, werden Berufsbetreuer mit dieser Rolle beauftragt und übernehmen die Entscheidungsverantwortung. Sie stehen häufig in einem distanzierten, wenig persönlichem Verhältnis zu den Betroffenen, was zur Folge hat, dass sie die Ent-scheidung treffen müssen, ohne den Patienten richtig zu kennen. Eine Ärztin antwortet auf die Frage, wer eine Entscheidung trifft folgendermaßen:

„Ja wenn es sie gibt, natürlich Angehöriger, wenn sie denn da sind...Oder eben Betreuer, wobei die Berufsbetreuer ja meistens nicht so`ne intensive Beziehung zur dem Betroffenen haben. (..) Also wenn jemand ablehnt, habe ich bis jetzt bei Berufsbetreuer nicht erlebt, sondern nur von Angehöri-gen. Die sagen wir haben das früher so besprochen, das wird er nicht gewollt, das hat unsere Oma schon gehabt und mein Mann fand das schon immer so schrecklich oder irgendwie so was, das wissen nur die Angehörigen aus der erlebten Anamnese. Ein Berufsbetreuer weiß das ja nicht“ (Sabine Murnau - Ärztin)

Auch Pflegende beschreiben die Rolle der Berufsbetreuer als wenig involviert und auf die formale Beziehung begrenzt. Es gäbe selten mal einen Berufsbetreuer, der sich nach seinen Schutzbefohlenen erkundige, geschweige denn vorbeischaue (Meike Saalfeld - Pflegende). Das erschwere den Prozess, besonders bei der Suche nach dem Willen des Betroffenen (Steffen Schmidtmeier - Pflegender).

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„man sieht das ja, bei den gesetzlichen Betreuern erlebt man das ja immer wieder, die kommen vielleicht einmal im Jahr, man muss hinter allem möglichen her rennen und die haben ja gar nicht diese Verbindung, oder die Bindung als wenn man jetzt wirklich Angehöriger ist“ (Sandra Kutschke - Pflegende).

Dabei scheint es so zu sein, dass auch die Berufsbetreuer in ihrer Entscheidung häufig der professionellen Empfehlung Folge leisten, was bedeutet, dass der Haltung und der Begrün-dung ärztlicher Entscheidungsfindung in diesen Konstellationen ein starker und wegweisen-der Einfluss zukommt.

„der Gedanke wird dann schon so vermittelt, dass es eigentlich wenig Entscheidungsmöglichkeiten noch gibt, ehrlich gesagt, also die haben ja auch oft dieses medizinische Bild gar nicht und oft, die sind ja selten vor Ort“ (Meike Saalfeld - Pflegende)

„Der Kontakt mit den Betreuern ist ausschließlich telefonisch. Also meine Erfahrung ist, die Be-treuer, das sind ja in der Regel Profis, also ich spreche jetzt Betreuer, Rechtsanwälte, Berufsbe-treuer, die wissen um die Problematik. (...) Die wissen für sich selber auch welche Kriterien da eine Rolle spielen, die kennt man per Telefon mittlerweile und man kann sich da austauschen, dass man sagt, die fragen auch wie ist denn ihre Meinung und dann sage ich meine Meinung ganz klar, ja oder nein begründe die auch und versuche denen Argumentationen zu liefern, das ist ein Tele-fongespräch von sieben Minuten und dann sage ich, wenn Fragen sind oder so, rufen sie doch bitte noch mal durch oder wie auch immer. Das geht ganz unkompliziert“ (Niklas Seifert - Arzt).

Die Rolle beruflich Pflegender

Pflegende üben während des Entscheidungsprozesses mehrere Rollen aus. Sie fungieren als direkte Kontaktpersonen zum Patienten bis hin zum „Familienersatz“, wenn keine Ange-hörigen mehr da sind oder selten zu Besuch kommen. Desweiteren übernehmen sie die Rolle der Informationsträger aus der Patientenbeobachtung, agieren als Initiatoren und Ko-ordinatoren im Kontakt zu Ärzten und Angehörigen und können in Situationen unklarer Indi-kationsstellung durch ihre Initiative eine PEG hinauszögern oder beschleunigen. Das gilt sowohl für ambulante Situationen häuslicher Pflege als auch für den Bereich stationärer Al-tenpflege.

„Pflegekräfte sind ja an der Entscheidung, eh in der Entscheidung relativ wichtig (...) wie oft sehe ich denn den Angehörigen, selten und dann ist es eine äußere Situation, das ist ja eine andere Si-tuation als die Alltagssituation, die der Pflegekraft begegnet, (...) und die muss ich fragen, wie geht´s, was war, was ist das, wer macht da was“ (Ingo Klare - Arzt).

Der direkte und regelmäßige Kontakt, „tags und nachts“ zu den Betroffenen, vor allem in den Pflegeheimen, mache die Pflegenden zu den „wichtigsten Bezugspersonen“ der Patienten (Sabine Murnau - Ärztin). So scheint es, dass den Pflegenden eine Schlüsselstellung inner-halb der Akteure zugeordnet wird. Neben den Angehörigen sind die Pflegenden in der Regel diejenigen, die eine Entscheidung hauptsächlich initiieren.

„ja, über uns praktisch, wir sind ja diejenigen, die vor Ort sind, wir sind ja mit dem Bewohner den ganzen Tag zusammen, führen die ganzen Protokolle, haben die Beobachtung, wir reagieren dann da drauf, setzen uns dann mit allen Richtungen in Verbindung“ (Heidrun Stocke - Pflegende)

„diejenigen, die in der stationieren Altenpflege den Anstoß geben, sind in aller Regel das Pflege-personal, natürlich weil die ja beim Essen dabei sind“ (Sabine Murnau - Ärztin).

An dieser Stelle besitzen sie eine gewisse Steuerfunktion.

„der Arzt muss sich doch darauf verlassen, was wir über diesen Patienten wissen, und wir verbrin-gen soundso viele Stunden mit dem Patienten, der Arzt sieht ihn einmal die Woche für zehn Minu-ten, und deswegen kann man die son bisschen leiten“ (Monika Reichert - Pflegende)

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Pflegenden werden weitere Möglichkeiten zugeordnet sich im Entscheidungsprozess zu positionieren und Einfluss auf die Entscheidung auszuüben. Die Pflegenden selbst sehen ihre Aufgabe „als Begleitung, als Betreuung und als Wegbegleiter der alten Menschen, auf dem letzten Stück des Weges“ (Karin Kridow - Pflegende). Das Nahrungsanreichen gehört zu den zentralen pflegerischen Aufgaben. Nach Ansicht der Befragten hat die Art, das En-gagement und die Kompetenz der Pflegenden entscheidend Einfluss, wie lange eine PEG hinausgezögert werden kann. Nach Ansicht einiger Ärzte sind die Pflegekräfte um den Patienten sehr bemüht, wiegen, überlegen, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Sondenkost hilfreich sein könnte, bieten Nahrung und Flüssigkeiten in diversen Konsistenzen an oder versuchen ein Flüssigkeitsdefizit auszugleichen, stoßen dabei jedoch an strukturelle Grenzen (vgl. Versorgungsstrukturen).

„Nur, ne es muss halt auch so ein Bewusstsein da sein. Man kann sich das ja wirklich total einfach machen. Den Pflegekräften sagen okay, wir übersehen das. Wir stellen der mal einen Pudding hin, damit sie noch was isst, aber dass sie vielleicht auch gerne ein Brot kauen würde, ne (..) das liegt auch viel eben an der Kompetenz vor Ort (..). (2 )Und am Mut (!). Man muss das ja auch riskieren. Man kann ja auch sagen, okay, aber der hat die doch. Und die Kompetenz vor Ort, die muss das entscheiden können“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende).

Hinsichtlich des Entscheidungsprozesses beschreibt eine Pflegekraft ihre Rolle als „mei-nungsbildend“, indem sie Empfehlungen ausspreche, man könne den Angehörigen die Ent-scheidung nicht abnehmen. (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

„wir können nur beraten und empfehlen und wenn wir, wir sind ja auch in dem Moment auch keine Fachkräfte, wir können dann praktisch nur an den behandelnden Hausarzt noch weitervermitteln und sagen so, sprechen sie mit ihrem Arzt, der dann die genaueren Informationen geben kann. Wir können ja praktisch nur hinweisen und den Weg praktisch ebnen oder ihnen sagen, diese Möglich-keit besteht, aber alles andere muss dann auch mit dem Arzt besprochen werden (Arina Schnürer - Pflegende),

Ein Arzt schildert auf die Frage der Rollenzuordnung den Einfluss von Persönlichkeit und der Berufserfahrung auf die Art, wie Pflegende im Prozess agieren.

„Bei den Pflegepersonen ist es natürlich individuell sehr verschieden, da würde ich sagen einmal die Rolle der juristischen Unangreifbarkeit und wenn sie etwas professioneller, länger im Geschäft und mutiger sind auch eher diese menschliche Rolle des Abwägens“. (Niklas Seifert - Arzt)

Die juristische Unangreifbarkeit bezieht sich auf die Zurückhaltung der Pflegenden eine Po-sition im Entscheidungsprozess einzunehmen, sich in die Entscheidung aktiv einzumischen und Verantwortung zu übernehmen, was sich nach Ansicht des Arztes auf den Prozess för-derlich auswirken würde. Ein anderer Arzt würde sich mehr Begegnung auf Augenhöhe und Mut zur Auseinandersetzung seitens der Pflegenden im Sinne eines Dialoges oder ggf. auch eines Streitgespräches wünschen, was eng mit Verantwortungsübernahme verknüpft ist.

Wissen Sie, was mich ärgert mit den Pflegekräften ist oft, die erzählen zuhause den Patienten im häuslichen Bereich abenteuerliche Dinge, mich hat noch nie einer angerufen und hat mir das ge-sagt, und wenn sie (die Patienten) mir das erzählen, ich sag oft, sagen sie doch mal Schwester Heidi, sie soll mich anrufen, dann hat se wenigstens einen Gegner, nicht wahr, und dann soll sie mir das mal erklären, wissen Sie, da wird eine Konkurrenzsituation aufgebaut, die in keiner Weise dienlich ist, für alle Situationen“ (Ingo Klare - Arzt).

Die Pflegenden selbst bestätigen diese Haltung, indem sie es anderen überlassen, eine Richtung vorzugeben. Eine Pflegende sagt: „die Entscheidung letztendlich treffen für uns andere“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende) Eine andere betont: „wenn es nach mir ginge, wä-

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ren es mehr Bewohner mit einer PEG-Anlage, aber ich entscheide nicht“ (Ines Junkers - Pflegende). Wieder eine andere Pflegende sagt:

„weil ich als Pflegekraft werde nicht zu raten und nicht abraten zu einer PEG. Das ist nicht meine Aufgabe, das ist die Aufgabe des Arzt, des Arztes. (..) ja dann kommt natürlich immer die Frage, ja, Jutta, was meinen Sie denn und da muss ich natürlich immer so bisschen ausweichen, weil ich möchte nicht ja oder nein sagen, das ist nicht meine Aufgabe“ (Jutta Vorsig - Pflegende)“

Auch ein Pflegender in leitender Position sagt über seine eigene Berufsgruppe:

„Aber ich denke viele Pflegekräfte können vor allem diese emotionelle ethische Verantwortung auch vielleicht nicht unbedingt mit tragen. Die haben es nicht gelernt. Ne, und das was dort ent-schieden wird, wird an sich immer auf der mittleren oder höheren Leitungsebenen mitentscheiden. Das heißt ist immer Wohnbereichsleitung, Pflegedienstleitung, Heimleitung“ (Jörg Demmler - Pfle-gender).

Eine Pflegekraft schildert, dass es Situationen gibt, in denen sich Pflegende der Verantwor-tung nicht entziehen können.

„wenn dann noch nicht einmal ein Angehöriger da ist, dann bist du seine Familie, du bist dann derjenige der für ihn, für ihn Entscheidungen trifft teilweise und mit ihm lebt.“ (Lisa Griffler - Pfle-gende)

Weiter scheinen sich die Persönlichkeit und die fachliche Ausrichtung auf die Entscheidung indirekt auszuwirken. Pflegende mit einer Altenpflegeausbildung bezeichnen sich als stärker alltagsbezogen und sozialpflegerisch orientiert. Eine PEG erscheint vor diesem Hintergrund „künstlich“. Diese Pflegenden stehen einer PEG zögerlich gegenüber. Pflegende mit einem Krankenpflegehintergrund scheinen stärker medizinisch ausgerichtet zu sein und haben we-niger Berührungsängste, was sich auch anhand der Aussagen in den Interviews bestätigen lässt.

„PEG gehört noch nicht zum normalen Alltag, PEG ist immer noch sowas Befremdliches und dann muss man gucken ja wo ist die Pflegekraft groß geworden. ja?(...) Das heißt, wir aus der Kranken-pflege sehen so mehr aus der medizinischen Sicht, die Leute aus der Altenpflege haben einen ganz anderen Ansatz“(Jörg Demmler - Pflegender).

Nach Ansicht einer Pflegenden hänge ihr Einfluss auf die Entscheidung von der Kooperati-onsbereitschaft des betreuenden Arztes ab, diese sei je nach Persönlichkeit sehr verschie-den (Ines Junkers - Pflegende). Die meisten Pflegenden fühlten sich genügend beteiligt und respektiert. Auf die Frage nach mehr Einbezug in den Entscheidungsprozess, antworten ei-nige Pflegenden, dass sie ihre Position durchaus akzeptabel finden und sich auch keine Veränderung wünschen. Eine stärkere Verantwortungsübernahme lehnen die meisten der befragten Pflegenden sogar ab. Pflegende hätten keine Entscheidungsgewalt, das sei von Gesetzgeber so vorgesehen, und es sei gut, dass es Regelungen dieser Art gäbe (Ines Junkers - Pflegende).

„Ich denke wir sind jetzt recht, sehr beteiligt, also die Beteiligung ist, ist wenn ich vergleiche jetzt vor fünf, sechs oder zehn Jahren, dann ist heute die Beteiligung der Pflegekräfte/ Fachkräfte ist sehr, sehr groß. Also da, da läuft wenig ohne, ohne Fachkräfte bei der Entscheidung“ (Max Toschik - Pflegender).

Die Rolle niedergelassener Ärzte

Die befragten Ärzte und Ärztinnen beschreiben ganz unterschiedliche Aufgaben und Rollen-verteilungen für sich selbst. Ein Arzt beschreibt die Rolle des Arztes, im Gegensatz zu Ange-hörigen und Pflegenden, als distanziert. Ein Aspekt, der es einfacher mache eine Entschei-

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dung zu treffen (Rainer Braun - Arzt). Ein anderer versteht sich primär als „Verwalter eines Krankheits- und Lebenslaufes“ (Ingo klare), was bedeutet, dass Entscheidungen im Kontext einer langjährigen ärztlichen Begleitung und im Kontakt mit der betroffenen Person und sei-ner Familie oder den Pflegepersonen stattfinden. Daraus erwachsen wichtige Funktionen, wie die des Vermittlers und Beraters.

„ja, ich meine Verantwortlichkeit, also ich habe im Rahmen meiner ärztlichen Verantwortlichkeit bin ich dafür da den Patienten zu beraten“ (Ingo Klare - Arzt)

Dies beinhaltet die Aufklärung in medizinischen Fragen, z. B. über technische Details in der Vorgehensweise der PEG-Anlage sowie das Aufzeigen einer Perspektive und das Abwägen der Vor- und Nachteile einer PEG in der spezifischen Situation, in der sich die Familien be-finden. Je nach Situation finde die Kontaktaufnahme auf Initiative der Angehörigen, manch-mal auf Anraten durch eine Pflegeperson oder umgekehrt durch den Arzt statt. Je nach Be-dürfnis seien auch längere oder mehrfache Gespräche erforderlich, um den (mutmaßlichen) Willen des Betroffenen zu ergründen oder die Angehörigen bei der Entscheidung zu unter-stützen, wenn eine Nichteinwilligungsfähigkeit der erkrankten Person vorliegt.

Sind die Angehörigen entschieden und fordern ein Vorgehen für oder gegen eine PEG ein, empfinden sich die Ärzte eher in einer formalen Rolle verantwortlich für die Prozedur in Form des „Einweisers“ oder desjenigen, der dazu die Unterschrift gibt.

„Bitte schön. Also ich bin da nur derjenige, der die Unterschrift über einen Einweisungsschein gibt“ (Rainer Braun - Arzt)

Sind die Angehörigen unentschieden oder möchten die Verantwortung nicht tragen, über-nehmen die Ärzte auch die Funktion eines indirekten Entscheidungsträgers. Zum einen sei es eine zentrale Aufgabe, den Angehörigen die Angst zu nehmen eine falsche Entscheidung zu treffen (Klaus Krämer - Arzt). Zum anderen kann argumentativ auf die Entscheidung Ein-fluss genommen werden. Letztendlich jedoch seien es die Angehörigen, die die Entschei-dung zu treffen hätten.

„der Gedanke geht mir natürlich auch immer, darf ich darüber überhaupt entscheiden. Deswegen tue ich mich da eigentlich nicht so sehr schwer, da sage ich, lass die Angehörigen das entschei-den. Und ich gebe meinen Willi drunter, ich diskutier mit den Angehörigen das für und wider betone natürlich besonders das wieder, aber wenn die darauf bestehen, bitte schön, habe ich keine Prob-leme mit“ (Rainer Braun - Arzt).

Sind Angehörige sehr unsicher oder nicht mehr vorhanden, rücken die behandelnden Ärzte im Kreis der Professionellen, z. B. den Berufsbetreuern oder den Pflegenden an eine zent-rale Position im Entscheidungsprozess und werden zu Entscheidungsträgern mit direkter Auswirkung auf das Geschehen. Einige sehen sich als „derjenige, der die Entscheidung fällt“ (Sören Wißling - Arzt).

„wenn da jetzt von den Kindern jetzt nichts kommt, oder vom nächsten Angehörigen oder er hat überhaupt keine, ja dann liegt es an uns oder am Arzt, zu entscheiden, und oftmals ist es dann der traurige Weg ins Krankenhaus, weil wir mit unserem Latein am Ende sind“ (Monika Reichert - Pfle-gende).

Andere betonen stärker die vermittelnde und moderierende Funktion zwischen den beteilig-ten Personen:

„Das man selber mal wirklich entscheidet, selten. Also ich verstehe mich mehr also Moderator des Entscheidungsprozesses und die Entscheidung das sage ich auch, muss der Betreuer treffen, aber ich sage ihm auch ganz klar, damit sie für sich diese Entscheidung auch nachvollziehbar treffen können, können sie auch schriftlich haben meine Meinung dazu, Entscheidungsfindung gar kein

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Problem, aber ich kann es im Endeffekt ja nicht gegen den Betreuer entscheiden, der entscheidet das, letztlich (Niklas Seifert - Arzt).

Ein Arzt schildert auch die Zwickmühle, in der sich Ärzte im Geflecht der Beteiligten befinden können und beschreibt die Verantwortung als belastende Situation:

„das ist eigentlich im Prinzip so,(...) man steht () zwischen diesen Interessen manchmal (..) Ange-hörige, die sagen, ich möchte gar nicht und der Druck von, von außen, du musst aber, wenn du es nicht tust bist du ein schlechter Arzt und du lässt die Leute verkommen. Und letztendlich, die ganze Verantwortung wird immer auf den Arzt abgeschoben, der muss dann entscheiden, was passiert und der muss auch dafür gerade stehen, muss unterschreiben und so. Das ist, das ist manchmal, ist das schon, nimmt schon bizarre Züge an das Ganze aber wir haben ja breite Schultern“ (Sören Wißling - Arzt).

Eine Pflegende beschreibt, dass sich die Rolle des Arztes im Laufe der Zeit auch gewandelt habe, der Einbezug der Patienten /Bewohner, der Angehörigen oder auch der Meinung der Pflegenden wäre erst ein neues Phänomen, dass in den letzten Jahren zugenommen hätte. Früher hätten die Ärzte mehr entschieden (Kati Nimwegen - Pflegende). Andere Pflegende heben auch hervor, dass es von der Persönlichkeit, der Haltung und dem Rückgrat des betreuenden Arztes abhänge, ob eine PEG forciert würde oder ob man eine vernünftige Sterbephase einleiten könne (Steffen Schmidtmeier - Pflegender).

„Die Rolle des Arztes, es gibt verschiedene Ärzte, einige sagen, wenn ich den anrufen würde, pass mal auf die Frau Z. kann seit paar Tagen nicht mehr essen, nicht mehr schlucken, trinken. Was mache ich jetzt? Ja dann sagt er mir, zu mir, ja dann müssen wir über eine PEG-Anlage nachden-ken. So und am nächste Tag wahrscheinlich ruft er selber die Betreuerin und die, den Betreuer an und bespricht das und dann wird die PEG-Anlage gelegt. Also es gibt Ärzte die anders denken, also unterschiedlich denken, woran das liegt, weiß ich nicht“ (Max Toschik - Pflegender).

„wir haben Glück, wir haben wirklich einen Arzt, der ein totales Rückgrat hat, der also mit den An-gehörigen Tacheles redet, der spricht mit denen und fragt dann auch, hätte ihre Mutter das gewollt, (..)“ (Monika Reichert - Pflegende)

Die Rolle externer Personen im Entscheidungsprozess

Als externe Personen werden Diätassistentinnen, Ernährungsberaterinnen und andere The-rapeuten genannt, die im Entscheidungsprozess mitwirken. Logopäden und Seelsorgern konnte für den Bereich der Altenheimversorgung nur eine geringe Bedeutung zugeordnet werden.

„Ja so von den Externen, Logopädin (3) hatten wir schon mal gehabt. Ernährungsberatung von den ( ) sogar hatten wir vor Ort. jemanden gehabt vor drei Jahren. Vor drei Jahren glaube ich war das. Ja sonst fällt mir nichts anderes ein“.

„Ich denk so wenn man die letzte, sich die letzte Lebensphase dann anguckt, dann ist schon gut, dass sie hier vor Ort sind, wenn sich der Bewohner das gewünscht hat oder in den letzten Stun-den. Aber wenn wir jetzt über die Entscheidungen für eine PEG sprechen und was davor alles ent-scheidend ist, dann hat ( ) nichts zu tun.“ (Max Toschik – Pflegender)

Auch gab es nur in einem Fall den Einbezug eines richterlichen Beschlusses und keine Er-fahrungen mit Ethikkommissionen im Entscheidungsprozess.

ErnährungsberaterInnen scheinen im Vorfeld einer Entscheidung hilfreich bei der Wahl von Trinknahrung und anderen Produkten zu sein, wenn es darum geht die Nahrung zu ergänzen und eine PEG zu verhindern. Weiterhin wird ein Einfluss auf therapeutische Entscheidungen zur Zusammensetzung der Sondenkost nach Anlage der PEG beschrieben. Kompetenz

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kommt ihnen bei der Errechnung eines notwenigen Energiebedarfs sowie der Beratung an-fallender Kosten zu. Ihre Rolle im Entscheidungsprozess für oder gegen eine PEG scheint gering, ihre Absicht zuweilen auch „dubios“ (Bernhard Beinbühl - Arzt). So wird ihnen von einigen Ärzten und Pflegenden vorrangig ein Verkaufsinteresse unterstellt, anstatt sich für das Wohl des Patienten zu bemühen, vor allem wenn im Auftrag einer Firma der Sonden-kostherstellung oder für ein Sanitätshaus gearbeitet wird.

Ethikkommissionen werden nach Aussagen der Interviewteilnehmer selten eingesetzt und sollten auch dem Extremfall oder in Sondersituationen vorbehalten sein, denn je mehr Per-sonen sich theoretisch damit beschäftigten, desto unübersichtlicher würde die Situation (Sa-bine Murnau - Ärztin). Besser sei ein Gespräch mit den beteiligten Personen auf direkter "kleiner“ Ebene, bei dem alle Beteiligten miteinbezogen seien (Klaus Krämer - Arzt). Theore-tische Expertise sei zudem wenig hilfreich, denn Experten seien diejenigen, die den Betrof-fenen am besten kennen (Sabine Murnau - Ärztin).

Zusammenarbeit der Akteure

Die häufigste Form der Kontaktaufnahme zwischen den Akteuren sind Gespräche. In der Regel handelt es sich um Einzelgespräche der jeweiligen Personen untereinander. Es wer-den Gespräche jeweils zwischen Patient, Angehörigen, Pflegekraft und Arzt beschrieben sowie der Pflegenden und Ärzte untereinander oder gelegentlich auch mit externen Perso-nen. Nach Ansicht eines Arztes ist „das direkte Gespräch (..) immer noch die Wahl Nummer eins“ (Rainer Braun - Arzt).

Gespräche

Über Gespräche zwischen Patient/Bewohner und Angehörigen wird meist im Zusammen-hang mit dem mutmaßlichen Willen oder einer Verfügung des Patienten berichtet. Sie wer-den im Vorfeld der Entscheidung, manchmal auch Jahre vorher, geführt und haben eher grundsätzlichen Charakter. Die PEG spielt zu diesem Zeitpunkt selten eine akute Rolle und ist fiktiv in eine unbestimmte Zukunftsperspektive eingebunden.

Gespräche zwischen Arzt und Patient und/oder Angehörigen werden geführt, um herauszu-finden, was der Patient und/oder der Angehörige/die Familie an Wünschen und Einstellun-gen hat und welche Form der Aufklärung und Information benötigt wird, um eine Entschei-dung treffen zu können.

„dann versuch ich, ich eigentlich schon so im Vorfeld einmal mit dem Betreuer oder mit dem Ange-hörigen Kontakt aufzunehmen, das und das Problem kommt demnächst auf uns zu, wie denken sie da drüber, haben sie das mit ihrem Vater, Mann irgendwie besprochen, möchte, der das, möchte der das auf keinen Fall. Manchmal findet man dann da schon hm zu einer definierten Einstellung“ (Sabine Murnau - Ärztin)

„und dann will ich von den Angehörigen, ich will deren Einstellung kennen lernen, ich will wissen, wie denken die darüber, wie sind die gestrickt.“ (Sören Wißling - Arzt)

Manchmal sind mehrere oder längere Gespräche nötig, um Ängste abzubauen und Unsi-cherheiten zu klären.

„Sehr positiv, weil die stehen ja auch unter hoher emotionaler Belastung, sehen im Prinzip ja auch keinen Ausweg und haben aber dann am Ende eines solchen Gesprächs irgendwie das Gefühl, gut dass wir das jetzt mal zur Sprache gebracht haben und das, das geht“ (Niklas Seifert - Arzt).

Gespräche dieser Art werden von beiden Professionen geführt und haben aufklärenden und beratenden Charakter. Dazu werden Termine in der Pflegeeinrichtung oder in der Praxis

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vereinbart. Pflegende berichten auch von Begegnungen mit den Angehörigen, die spontan und zwischendurch stattfinden, weil sie als Ansprechpersonen immer präsent sind.

„Wir rufen die an und sagen, die Situation ist die, der braucht das, kommen se längs, em weil, wenn der Patient schon nicht will, und wir wollen, dann muss jemand von Außen noch kommen und sagen: "Vatter, Du musst jetzt",(Bernhard Beinbühl – Arzt)

„wo dann häufig wir uns dann einigen, dass er (der Arzt) aber doch erst mal mit dem Angehörigen vorab einfach das Medizinische erklärt, was hier stattfindet, ne und mit den pflegerischen Fragen, die dann immer von den Angehörigen kommen, das übernehmen dann wir, kann sie dann noch mobilisiert werden, das sind dann so die Hauptfragen, ne, bekommt sie jetzt überhaupt noch was zu essen“ (Meike Saalfeld - Pflegende)

„Angehörigen, die häufig kommen, die man auch gut kennt, ist das eigentlich ein entspannteres Gespräch, das findet schon in Ruhe statt, und schon mit der Erklärung und wo die Befürchtungen liegen und die Gründe für die PEG erläutert werden, es gibt dann auch Angehörige, die muss man per Telefon erst zum Gespräch bitten muss, wo man dann erst mal wartet und die auch viel Zeit benötigen“ (Meike Saalfeld - Pflegende)

Der Austausch mit Berufsbetreuern hingegen findet eher kurz, zielorientiert und „ausschließ-lich telefonisch“ (Niklas Seifert - Arzt) statt.

Pflegende und Ärzte tauschen sich zur Informationsweitergabe in Bezug auf ein medizinisch therapeutisches Vorgehen aus. Zur gängigen Praxis gehören Kontakte zu strukturierten Zei-ten, wie „immer mittwochs zur Visite“, ein Austausch über Informationen in den Akten sowie spontane telefonische Kontakte aus akuten Anlässen, seltener auch in Form von einberufen-den Besprechungen.

„also wir haben eigentlich hier eh viele Hausärzte, die regelmäßig ins Haus kommen, ihre Visiten ein bis zweimal in zwei Wochen durchführen, auch zu den Bewohnern selbst ans Bett gehen, die sehen ja den Prozess eigentlich auch, man fängt irgendwann an über das Gewicht zu sprechen, ne das geht weiter runter, ne es kommt noch, verschluckt sich ständig, der Hausarzt ist also schon informiert, und wundert sich dann nicht, wenn man dann über eine PEG dann redet“ (Meike Saal-feld - Pflegende)

Ein Pflegender bewertet die Kooperation folgendermaßen:

„aber die Zusammenarbeit hat zugenommen und wir werden gefragt, unsere, unsere Meinung zählt, doch. Bei uns ist derjenige der das praktisch vierundzwanzig Stunden am Tag dann beo-bachten, messen, dokumentieren, ja und sich dann austauschen auch“ (Max Toschik - Pflegender)

Der Austausch zwischen den Institutionen, vor allem dem Altenheim und dem Krankenhaus wird von den Beteiligten als problematisch beschrieben. Es scheint als herrsche hier eine Lücke im Informationstransfer als klassische Schnittstellenproblematik. Die befragten Pfle-genden können sich nicht erinnern jemals bei einer Entscheidung, die in der Klinik gefällt wurde, um ihre Einschätzung gefragt worden zu sein. Viele berichten jedoch, dass sie häufig von Angehörigen während des Klinikaufenthaltes als Kontaktpersonen aufgesucht und um Rat zu einer Entscheidung gefragt werden.

„das wird maximal von den Angehörigen abgefragt, aber niemals und ich betone wirklich niemals von ärztlicher Seite, das wir gefragt wurden, hatte der Mensch noch den Wunsch weiterzuleben, wenn dies und das eintritt, noch nie“ (Rudi Menrich - Pflegender).

Die behandelnden Ärzte berichten Ähnliches. Eine Ärztin bemerkt dazu:

„Vom Krankenhaus ruft normalerweise keiner hier an und sagt uns, sollen wir eine PEG legen oder nicht“ (Sabine Murnau - Ärztin).

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Dies wird unterschiedlich bewertet. Manche Ärzte vertrauen dabei auf die Kompetenz ihrer Kollegen in den Kliniken, andere finden es grundsätzlich nicht sinnvoll. Eine Ärztin meint,

„die Kollegen, die das entschieden haben, haben sich natürlich was dabei gedacht (...). Und wenn die Krankenhauskollegen mit dem Betreuer sprechen und er ist einverstanden, dann würde ja meine theoretische Meinung unwesentlich helfen“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Manche wünschen sich mehr Einbezug, wieder andere sind selbst aktiv und mischen sich von sich aus in die Entscheidung ein, was die Vermutung nahelegt, dass die Persönlichkeit von Bedeutung ist, wie bei diesem Arzt, der sich die Rücksprache mit den Kollegen einfor-dert: „der ruft mich an, (..) würde ich ja gar nicht verstehen, nun gut, ich mach das schon so lang und ich habe ne gewisse Form mich durchzusetzen“ (Ingo Klare - Arzt).

Fallbesprechungen

Fallbesprechungen werden auf zwei Ebenen angesprochen, der Besprechung zwischen Beteiligten im Entscheidungsprozess, bestehend aus Arzt, Pflegekraft, Angehörigen und Bewohner/Patient oder als Besprechung innerhalb der Berufsgruppe, dem pflegerischen Team oder als interdisziplinäre innerärztliche Fallkonferenz.

Fallbesprechungen vom ersten Typ werden von einigen Befragten positiv bewertet. Sie hel-fen Zeit für unnötige Telefonate im Nachhinein zu sparen und stärken den interprofessionel-len Dialog. Auch eine Pflegende, die bereits Erfahrungen mit Fallbesprechungen gemacht hat, schildert ihre Eindrücke:

"dann wird dann gemeinsam richtig, gemeinsam (..), und das ist wirklich gut, wenn wirklich dann alle miteinander, dann ihre Blickwinkel zusammentragen können, um eben halt diese Entscheidung zu treffen, ob eine PEG-Anlage erforderlich ist oder nicht (..) weil auch schnell eine Entscheidung getroffen wird, weil ansonsten kann das passieren, dass eben halt ein Arzt dann den Angehörigen in die Sprechstunde bittet, um da in Ruhe das Thema noch zu besprechen, und da vergeht ja auch Zeit“ (Heidrun Stocke - Pflegende)

Andere Befragte stehen dem kritisch gegenüber und vermuten ein logistisch schwieriges Unterfangen, da die Zeiten der einzelnen Akteure nicht immer kompatibel seien. Es bedeute mehr Arbeit, sei organisatorisch schwierig, sehr zeitaufwändig und ändere nichts am Ender-gebnis (Niklas Seifert - Arzt, Gudrun Kohlmann - Pflegende). Auffällig ist, dass in diesen Fällen so gut wie keine Erfahrungen mit tatsächlich durchgeführten Fallbesprechungen ge-macht worden sind. Möglicherweise auch, weil die Befragten die herkömmliche Gesprächs-praxis genauso effektiv finden:

„Wobei da ist dann noch die Frage ( ), das geht dann jetzt nicht alle zusammen, aber es ist dann irgendwie schon auch zusammengetragen“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin)

Nach den Erfahrungen der Befragten sind Fallbesprechungen selten. Häufiger erfolgen Be-sprechungen des zweiten Typs. Pflegende tragen erste Überlegungen im Team mit den Kollegen zusammen und diskutieren, bevor sie die Angehörigen oder dem Arzt involvieren, denn „Keiner von uns würde das alleine entscheiden“ (Monika Reichert - Pflegende). Steht eine Entscheidung an, dann werden die Pflegedienstleitung und die Heimleitung hinzugezo-gen. Fallbesprechungen werden auch zur Entlastung der Pflegekräfte durchgeführt.

„Warum diese Fallbesprechungen? Viele Pflegekräfte haben sich unter anderem bei solchen Be-wohnern sehr schwer getan, die sind nach Hause mit, mit so einer gewissen Belastung gegangen, nach dem Motte in meiner Schicht hatte er das, hat er sich verschluckt, konnte nicht schlucken und konnte sich nicht beruhigen oder musste ins Krankenhaus, weil ich ihm eigentlich etwas Gutes tun wollte. Essen reichen, trinken und ich habe das nicht geschafft“ (Max Toschik - Pflegender).

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Fallbesprechungen würden gelegentlich mit Ärzte geführt, die alle vier Wochen oder einmal im Quartal vorbeischauen. Für Ärzte, die jede Woche zum Hausbesuch kommen finden Ab-sprachen auf dem „kurzen Dienstweg“ statt (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Der Austausch unter ärztlichen Kollegen wird unterschiedlich hoch bewertet. Zur diagnosti-schen Urteilsbildung im Zusammenhang mit einer PEG wird gelegentlich die Meinung eines Kollegen z. B. eines Neurologen, Onkologen oder eines Psychiaters konsiliarisch hinzugezo-gen. Das sei besonders sinnvoll um z. B. depressive Verstimmungen differentialdiagnostisch von anderen Ursachen des „Nicht-Essen-Wollens“ abzugrenzen.

„ja natürlich haben wir das, wenn´s schwierig ist wir haben, wir können ja eine Fallkonferenz mit dem Palliativmediziner ergänzend machen, ich selber bin Onkologe und darf das auch vertreten, (..), wir sind ja manchmal fachärztlich gerufen nicht wahr, als Facharzt, mit dem Hausarzt treffen wir uns da und sprechen sowas ab, wir ziehen in Einzelfällen Neurologen dazu, nicht wahr, man muss ja einfach sehen was ist Krankheit, was ist Depression, wissen Sie manchen Patienten aus seiner depressiven Episode herausbringen, sind Sie ganz erstaunt, was er doch noch kann, also solche Gespräche sind einfach notwendig, und die werden auch gemacht, da kommt nicht ein stil-les Konsil, da geht mal einer hin und gucken und sondern ggf. ruft der zurück und wenn´s nicht am Bett stattfindet gibt es eine telefonische Rücksprache also dass ist ein ganz hoher Stellenwert, den wir da haben“ (Ingo Klare - Arzt).

Fallbesprechungen in Form von interdisziplinären Fallkonferenzen helfen Konflikte und pro-fessionellen Kränkungen vorzubeugen und unnötiges „Ärztehopping“ zu vermeiden. Sie er-höhen das Verständnis der jeweiligen Perspektiven. Ein Arzt sah dies pessimistischer und hatte wenig Hoffnung, was den Erfolg eines Dialoges unter den Kollegen betraf.

„ich glaube das ist sinnlos, brauchen wir gar nicht, (...) die Chirurgen wollen das nicht und die an-deren denken nicht, soweit, das ist nicht ihr Problem, das erfassen die Leute noch nicht als ihr Problem“ (Bernhard Beinbühl - Arzt).

Konflikte bei der Zusammenarbeit der Akteure

Nach Angaben einer Ärztin ist die PEG per se „ein klassisches Konfliktthema“. Konflikte tau-chen immer dann auf, wenn es konträre Auffassungen zu Therapieentscheidungen gibt. Es werden sowohl Konflikte im Sinne von Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Akteuren als auch zu verschiedenen Zeitpunkten/Positionen im Prozess beschrieben.

Konflikte mit Patienten werden nur von einem Arzt beschrieben. Dabei handelte es sich pri-mär um die fehlende Zustimmung von Patienten zur empfohlenen Therapie, z. B. bei der Verordnung von Zusatznahrung, die nach Meinung des Arztes nicht indiziert war oder in Form eines grundsätzlichen Empfindens, dass alte Menschen häufiger Therapieentschei-dungen ablehnen.

Angehörige gelten als konfliktträchtig, wenn sie den Ärzten „nörgelnd und besserwissend“ (Ingo Klare - Arzt) entgegentreten, mit der Therapieentscheidung nicht einverstanden sind oder sich nicht entscheiden können. Oftmals hätten die Angehörigen auch einen persönli-chen Konflikt mit sich oder den Patienten. Das äußere sich dann in einem schlechten Gewis-sen ihren Partnern oder Eltern gegenüber (Rainer Braun - Arzt). Nach Aussage eines Arztes gäbe es eher Konflikte mit Angehörigen als mit Pflegekräften (Klaus Krämer - Arzt). Auch Pflegende schildern schwierige Auseinandersetzungen mit Angehörigen, besonders, wenn sie selten da sind, sehr fordernd auftreten oder sich gegen eine Empfehlung entscheiden (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Umgekehrt gibt es Kritik am Umgang ärztlicher Kollegen mit Angehörigen, besonders in Be-zug auf eine adäquate Aufklärung. So berichten die Befragten über Situationen, in denen

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Angehörige bei der Entscheidung durch das Klinikpersonal unter Druck gesetzt wurden, in-dem sie die Frage stellten: „Wollen Sie ihre Mutter/ ihren Vater verhungern und verdursten lassen?“ Ein Arzt kommentiert dies:

„wer will das schon, (...) Das ist ein Totschlag Argument, (...) kriege ich oft, oft gesagt, warum ha-ben sie denn zugestimmt, ja die haben gesagt, wollen Sie meine Mutter verhungern, ich wollte doch nicht meine Mutter verhungern lassen. Das ist also, die diskutieren oft nicht, die machen (Sören Wißling - Arzt).

„wo die Angehörige dann im Krankenhaus unter Druck gesetzt werden, indem gesagt wird, ja, Sie können doch Ihre Mutter, Ihren Vater nicht verhungern lassen, dann sind das so Situationen, wo ich mir denke, da fehlt dann doch so ein bisschen mehr Vorinformation für die Angehörigen“ (Sandra Kutschke - Pflegende).

Auf die Angehörigen würde nicht nur Druck ausgeübt, sie würden manchmal weder infor-miert, noch würde ihre Einwilligung abgewartet, sondern vor vollendete Tatsachen, nämlich der einer gelegten PEG, gestellt.

„nein, die haben gar nicht informiert, absolut nicht informiert, das löst auch bei der guten Bekann-ten auch wirklich Entsetzten aus, die sagte, die sagen ja gar nichts, die erzählen einem ja gar nichts“ (Rudi Menrich - Pflegender).

Eine Pflegende beschreibt, wie eine Angehörige bei ihr Rat suchte, deren 90jährige Mutter, von der bekannt war, dass sie in fremder Umgebung kaum aß, im Krankenhaus mit dem Argument des Nicht-Verhungern-Lassen-Könnens eine PEG bekam:

„sie ruft da an und kommt andern Tag völlig aufgelöst wieder und sagt: meine Mutter hat schon eine, weil der Arzt gesagt hat, ist Gefahr in Verzug und sie braucht jetzt eine, also da wird nicht mehr gehört“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Nicht eindeutig ist, ob eine Betreuung in diesen Situationen vorlag. Neuerdings sei jedoch ein Wandel zu beobachten und es würde mehr Rücksicht auf die Angehörigen genommen.

Konflikte zwischen Ärzten und Pflegekräften werden im Zusammenhang mit der Versor-gungssituation im Vorfeld einer PEG-Anlage beschrieben. Obwohl es aus ärztlicher Sicht sehr positive Beispiele über das Engagement der Pflegenden und ihre Bemühungen um das Anreichen der Nahrung gibt, schildern einige auch Meinungsverschiedenheiten bei den Möglichkeiten der Flüssigkeitssubstitution und über Versorgungsengpässe in den Einrichtun-gen.

„ja sicher gibt`s ...was heißt Konflikte, ich meine wir streiten uns ja nicht in dem Sinne, ja. Es gibt halt die... die Theorien natürlich, dass man sagt: „man möchte jede möglichst lange ermöglichende orale Stimulation um Geschmacksnerven und auch menschliche Zuwendung natürlich, die übers Nahrungs- anreichen kommt möglichst lange, möglichst hm...lebensnah zu ermöglichen und wenn das Pflegepersonal sagt geht nicht, man kriegt ja häufiger die Hektik mit, dann hat man schon manchmal den Verdacht, das ist schlicht Zeitproblem.... wo die einzelnen Schwestern ja nicht, in dem Sinne, ja das können die ja auch nicht beeinflussen, Personalschlüssel oder irgendwas, hm... ja das ist natürlich gewisser Konfliktpunkt aber hm... das ist jetzt auch keiner dem ich mit der Pfle-gepersonal lösen kann, ja? Wie viel Zeit, wie viel den einzelnen Patienten zum Schlucktraining und so, Nahrungsanreichen zum Verfügung haben.“ (Sabine Murnau - Ärztin)

Pflegende schildern ihre Konflikte mit Ärzten dann, wenn sie von ärztlicher Seite wenig En-gagement wahrnehmen, ihnen eine PEG zu früh erscheint oder sie die Entscheidung gegen eine Anlage nicht mittragen wollen. Eine Pflegende beschreibt auch, dass Aspekte des In-formationstranfers dabei eine Rolle spielen.

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„Im Laufe der Zeit fand ich dann schon manche Situationen sehr, sehr schwierig in Bezug auf Ärzte, also wir sind ja nun mal der Komplex um den Bewohner (.) im Heim. Sprich Ärzte, Angehö-rige, Pflegemitarbeiter, Betreuung jetzt die, was ich ja hier auch mache und das ist ein Zusammen-spiel und wenn da der Informationsfluss nicht richtig stimmt, dann kommt es zu Missverständnis-sen, dann kommt es vielleicht zu Entscheidungen, die hätten vielleicht anders ausfallen können aufgrund mangelnder Informationen, Wissen, Fachwissen und so weiter (Karin Kridow - Pflegende)

Der Zeitpunkt der Anlage sorgt für Konflikte unter Arztkollegen. Besonders eine frühe Indika-tionsstellung bei onkologischen Patienten, wie sie von zwei Ärzten favorisiert werden, hätte sich noch nicht bei allen Kollegen, besonders den „Chirurgen“ als gängiges Modell durchge-setzt. Dies bringe Zwist und Wahrung der Pfründe mit sich.

Konfliktlösungen

Die befragten Ärzte berichten von Situationen, in denen ihnen sehr daran gelegen ist, die Konfliktpartner von ihrer Haltung zu überzeugen.

„den Leuten muss man klar machen in dem Gespräch zur PEG-Anlage, dass dadurch seine Be-handlungssituation deutlich verbessert wird und auch (..) die Wahrscheinlichkeit der Therapiewirk-samkeit viel viel größer ist, und dann machen die das schon (Bernhard Beinbühl - Arzt).

„das war immer so, dass man, gerade bei solchen Fällen, extremen Fällen, wenn es mal wirklich hart auf hart kommt, dann redet man, kann man mit den Leuten reden, kann denen klar machen was wirklich los ist und wie sich das alles darstellt und dann die meisten sehen es auch wirklich, alle haben es bisher eingesehen. Das man da, das man wirklich nicht, das nichts mehr zu machen ist (Sören Wißling - Arzt)

Andere Befragte wollen die Situation prinzipiell weniger dominieren und vertreten die Posi-tion, dass man im professionellen Kontext eine konträr gefällte Entscheidung der berechtig-ten Personen respektieren müsse. Andere fügen sich eher in die Situation.

„Der Konsens besteht darin, natürlich, dass ich sage, ok, ich unterschreibe euch, dass sie ins Krankenhaus geht“ (Rainer Braun - Arzt)

Lehnen Angehörige entgegen einer medizinisch-pflegerischen Empfehlung eine PEG ab, müsse man nur aus Gründen der Qualitätssicherung die Heimaufsicht involvieren, um wei-tern Konflikten im Prozess vorzubeugen. Dies sei auch eine Maßnahme, um z. B. Akzeptanz für eine chronische, aber biografisch bedingte Mangelernährung ohne PEG einzuholen (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Eine Pflegende sieht auch Potential zur Stärkung der Angehörigen gegenüber den Professi-onellen in Form von Aufklärung und Information z. B. durch Informationsabende für Angehö-rige, um Konfliktsituationen vorzubeugen (Sandra Kutschke - Pflegende).

Scheint keine Einigung in Sicht, werden zwei Handlungsalternativen beschrieben. Die Mei-nung richterlich anzufechten und wie in einem Fall die Betreuung in Frage zu stellen, mit der Idee die eigene Haltung unter medizinischer Begründung durchzusetzen.

„in dem Fall würde ich sogar die Behandlung dann ablehnen, würde ich den Patienten abgeben. Wenn, also wenn ein Patient, wenn jemand () Tumor im Endstadium ist oder im dement Endsta-dium und, und die wollten unbedingt eine PEG-Sonde haben, dann würde ich sagen, dann behan-dele ich den Patienten nicht weiter, dann sollen sie sich einen Arzt suchen, der das macht“ (Sören Wißling - Arzt).

“und da gibt es dann Verfügungsberechtigten und wenn se sagt nein, dann sind das oft Situatio-nen, wo ich eine weitere Behandlung ablehne, wenn ich ein völlig anderes Verständnis der Krank-heitssituation habe als die Familie und der Fürsorgeberechtigte hat, es gibt viele Ärzte und man

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kann sie öfters wechseln, dann muss man den suchen, den man haben möchte, das bin nicht ich (Ingo Klare – Arzt),

Der Abbruch einer Behandlung scheint die letzte vorstellbare Konsequenz einer Uneinigkeit zu sein und ist als fiktive Drohung zu verstehen, die de facto von befragten Ärzten noch nicht erlebt wurde. Wahrscheinlicher sei eine Einigung.

„weil die Angehörigen sehen ja einen Patienten, wie der sich verschlechtert, das sehen die ja auch und von daher, ich habe noch nie ( ) erlebt, aber wenn es mal so wäre, würde ich das so tun, würde ich klipp und klar meine Meinung sagen, und sagen ich trage das nicht mit, ich lehne die Behandlung dann weiter ab“(Sören Wißling – Arzt)

Der Abbruch einer Behandlung ist eine Konfliktlösung, die in diesem Prozess den Ärzten vorbehalten ist, Pflegende müssen aus ihrer Selbstwahrnehmung eine Entscheidung, auch wenn sie konträrer Ansicht sind „hinnehmen“ und aushalten, sie müssen weiter pflegen und je nach Entscheidung eine PEG bestücken, weiter essen anreichen oder gar nichts tun, also „etwas tun“, was ihrer Ansicht nach „dem Bewohner nicht gut tut, das ist so schwer“ (Judith Riese)

„ich kann ihnen sagen, ich habe Blicke erlebt von Leuten, die vorher immer den Kopf weggedreht haben, die nicht mehr sprechen konnten, wo sie aber dann doch eine PEG–Anlage bekommen ha-ben, die uns bitter böse sind und die dann mit ihren Blicken uns das spüren lassen, wenn wir je-desmal wieder den Schlauch anschließen oder einen angucken mit Augen, dass vergessen sie nicht“ (Monika Reichert - Pflegende).

„wissen Sie, bei dieser Dame jetzt, bei der kommt noch so viel, bei den anderen (Bewohnerinnen mit einer PEG) kommt einfach nichts, also weniger und die bekommen die einfach, die PEG und bei ihr sagt man nein, gut die anderen Damen oben die sind noch nicht so alt, also mit ihr kann man wirklich kommunizieren, und die muss man verhungern lassen, jetzt, also das ist schon schwer (Martina Reger - Pflegende).

Entscheidungsfindung

Ereignisse, die eine Entscheidung einleiten

„eigentlich, fängt das eigentlich häufig damit an, dass die Menschen anfangen, weniger zu essen oder weniger zu trinken oder beides“ (Verena Meißner - Pflegende)

„Nicht mehr essen und trinken wollen“ scheint ein eher unspektakuläres, aber typisches Er-eignis zu sein, was am Beginn einer ganzen Entscheidungskette steht und hinsichtlich der Anlage einer PEG eine auslösende Funktion einnimmt. „Nicht mehr essen und trinken wol-len“ lässt eine enge Konnotation an die Person, ihre Lebenssituation und einen implizierten Willen assoziieren und wird als ein besonderes Problem des alten Menschen angesehen.

„Nicht mehr essen und trinken können“ steht ebenfalls am Anfang einer Entscheidungssitua-tion, deutet hingegen stärker auf ein manifestes, organisch begründetes Krankheitsgesche-hen hin, durch das die Fähigkeit Nahrung aufzunehmen vermindert oder gänzlich unmöglich geworden ist. Hierbei steht die Diagnose weniger abhängig des Alters im Vordergrund der Entscheidung.

„das ist für mich noch wieder ein Unterschied, ob Patienten so zu sagen eigentlich essen möchten, aber es nicht mehr hinbekommen, weil der Schluckakt irgendwo zentral gestört ist, sich da ver-schlucken, ist eine Quälerei und auch für die Pflegenden, das Pflegepersonal oder pflegende An-gehörige ganz furchtbar, wenn sie das, wenn sie dann jemanden sehen, der da anfängt zu husten, sich verschluckt und aspiriert und ich meine, das ist auch nicht ganz ungefährlich dann oder ob es so ist, dass Patienten schwächer und schwächer werden und einfach nicht mehr essen wollen,

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einfach so, man merkt, sie wollen nicht mehr. Sie wollen vielleicht auch wirklich mit dem Leben ab-schließen, sie wollen nicht mehr essen“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin)

Situationen, in denen eine Entscheidung zur PEG getroffen werden muss, können akut auf-treten und durch ein plötzliches Ereignis, wie das eines Schlaganfalles das Leben der Be-troffenen abrupt verändern und Entscheidungen dieser Art kurzfristig notwendig machen. Sie können aber auch chronisch verlaufen und sich langsam ankündigen, z. B. in Form eines fortschreitenden Gewichtsverlustes, ohne ein klar definiertes Ereignis als Auslöser aufzuwei-sen. Die Handelnden müssen in diesen Situationen den Zeitpunkt der Entscheidung selbst einleiten. Welche Überlegungen hierzu angestellt werden, wird nun erläutert.

Parameter zur Entscheidungsfindung / Indikationsstellung

Aus den Aussagen der Befragten konnten Indikatoren identifiziert werden, die den Entschei-dungsprozess für oder gegen eine PEG maßgeblich beeinflussen. Dazu gehören:

die Diagnose der erwartete Nutzen in Bezug auf den Gesundheitsstatus die Lebensqualität die Lebenserwartung der (mutmaßliche) Patienten/Bewohnerwille

Im Folgenden werden die Aspekte im Kontext einer positiven oder negativen Entscheidung zur Anlage einer PEG betrachtet und vorgestellt. Hierfür ist die Ausprägung der Indikatoren entscheidend.

Diagnoseabhängige Indikationsstellung

Den Aussagen der Interviewteilnehmer zufolge lassen sich Krankheitsbilder bestimmen, in denen eine Entscheidung eindeutig getroffen werden kann. Entscheidungsverläufe dieser Art sind klar und werden als wenig problematisch beschrieben. Davon unterscheiden sich Krankheitsverläufe, die keine eindeutige Entscheidung zulassen und den Entscheidungs-prozess erschweren.

Abbildung 2 - Auslösende Ereignisse

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Diagnosen mit eindeutiger Indikation

Als Diagnosen, die für die Anlage einer PEG sprechen, werden anhaltende oder ausge-prägte Schluckstörungen mit drohender Aspirationsgefahr nach apoplektischen Insult, selten auch infolge einer Demenz oder anderer neurologischer Erkrankungen (Chorea Huntington, ALS) genannt. Weniger häufig ist von Erkrankungen des Magen-Darmtraktes sowie malig-nen Erkrankungen des oberen Verdauungstraktes, z. B. ein Ösöphagus- oder Larynxcarci-nom die Rede. Allen gemeinsam ist eine krankheitsbedingte anatomische Passageblockade.

Patienten mit diesen Diagnosen können in der Regel keine Nahrung mehr zu sich nehmen und entwickeln infolge dessen vorhersehbare Mangelerscheinungen. Kann dies mit anderen Maßnahmen nicht ausgeglichen werden, drohen ein progredienter Gewichtsverlust mit ein-hergehender chronischer Mangelernährung, allgemeine Dekompensation oder falls trotzdem Nahrung oral aufgenommen wird, die Gefahr einer Aspirationspneumonie. Zur Anlage einer PEG gibt es nach Aussage der befragten Ärzte in diesen Situationen keine Alternative und wird "so früh, wie möglich" (Niklas Seifert - Arzt) empfohlen. Entscheidungen dieser Art sind unzweifelhaft und werden "ohne Frage" und vor allem schnell getroffen. Die Befragten emp-finden diese Situationen häufig als einfach und problemlos.

„der kann nicht essen, da ist die PEG ja gar keine Frage, die wird rein gemacht und zwar so früh wie möglich, ich weiß ja, das wird nichts und den kann ich ja ernähren, den lass ich doch jetzt nicht abmagern und lege dann eine PEG, die kriegt er mit achtzig Kilo. Das ist doch gar kein Problem,“ (Niklas Seifert - Arzt)

„Ja einmal von der Indikation her, wie Magencarcinom, Ösöphaguscarcinom, Kopf-Halstumore, sofort, muss man gar nicht drüber nachdenken“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

"Also hauptsächlich waren das Bewohner mit neurologischen Krankheitsbildern, also häufig sind die Entscheidungen schnell gefallen bei Parkinson Erkrankten, bei richtig heftigen Schlaganfällen, habe ich eigentlich die Mehrheit erlebt mit PEG-Sonde, wo auch der Entscheidungsprozess ziem-lich schnell ablief, länger gedauert hat die Entscheidungsfindung bei Demenzerkrankten älteren Bewohnern“ (Meike Saalfeld - Pflegende).

Des Weiteren finden sich Entscheidungssituationen bei Menschen im terminalen Stadium ihrer Erkrankung. Genannt wurden vor allem Spätstadien einer Demenz und schwere per-sistierende cardiale Dekompensationen im Krankheitsverlauf. Auch Tumorerkrankungen zählen dazu, kommen jedoch stärker im häuslichen, ambulant betreuten Bereich vor. Hier handelt es sich primär um Entscheidungen am Lebensende und um Situationen, in denen die befragten Ärzte und die Pflegenden eine Behandlung mit einer PEG ablehnen oder nicht empfehlen würden. Der Sterbeprozess und der Einsatz palliativer Maßnahmen mit dem Ziel der Lebensqualität stehen im Vordergrund medizinisch therapeutischer Maßnahmen.

„wenn Sie aber jetzt einen Patienten haben, einen Tumorpatienten und wissen, das dauert viel-leicht noch drei bis vier Wochen, eine überschaubare Zeit, dann brauchen wir nicht diskutieren, der braucht keine PEG“ (Ingo Klare - Arzt)

„nicht empfehlen würde ich das, wenn jemand praktisch so schlecht liegt, wenn man weiß, derje-nige wird ohnehin nicht mehr lange leben, um z. B. einen Sterbeprozess über Gebühr hinauszuzie-hen“ (Heidrun Stocke - Pflegende)

Diagnosen mit unklarer Indikation

Wiederum berichten einige der befragten Ärzte und Ärztinnen von Situationen, in denen sich die Indikation für oder gegen eine PEG nicht so eindeutig darstellt. Diese Situationen werden als schwierig empfunden. Unklare Indikationsstellungen betreffen meist alte, multimorbide und demente Menschen, deren Ernährungszustand und in Folge auch deren Allgemeinzu-

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stand sich zunehmend verschlechtert und chronifiziert, eine Prognose nicht klar gegeben werden kann oder die sich nicht unmittelbar in einer Sterbephase befinden. Die Pflegenden nennen hier chronische Gewichtsabnahme bis hin zur Mangelernährung, Flüssigkeitsdefizite, Schluckstörungen bei Demenz und Nahrungsverweigerung.

„Indikation ist eben, dass der Bewohner abnimmt, d. h. nicht genügend isst, nicht genügend trinkt, kann ja auch sein, das nur halt jemand nicht auf die zu erreichende Flüssigkeitsmenge kommt, kann auch alleine ein Grund dafür sein, ne (..) ja, Nahrungsverweigerung, sagt, ich will nicht, kann natürlich auch ein Grund sein (Heidrun Stocke - Pflegende).

Probleme treten auf verschiedenen Ebenen auf. Geschildert werden Situationen, in denen es "schwierig" ist

eine klare Diagnose zu stellen, aufgrund derer dann eine Entscheidung für oder gegen eine PEG getroffen werden kann

auch mit bestehender Diagnose die Lebenserwartung einzuschätzen den Patientenwillen zu ermitteln, vor allem bei vorliegender Nichteinwilligungsfähigkeit gegen eine PEG zu argumentieren, also Parameter zu finden, die eine Entscheidung

begründen und dem Vorwurf des „Verhungern und Verdursten-Lassens“ standzuhal-ten

sich dem Druck von Leitlinien und Medien entgegenzustellen Meinungsdifferenzen oder Konflikte beteiligter Akteure zu moderieren und ggf. zu lö-

sen Die meisten Befragten betonen dass Entscheidungen dieser Art nicht allein von der

Diagnose her, sondern immer im Kontext der Gesamtsituation der betroffenen Person und individuell, für den Einzelfall getroffen werden müssen.

Erwarteter Nutzen

Neben einer Diagnose muss nach Aussage eines Arztes auch eine Perspektive aufgezeigt werden, denn die Entscheidung hänge immer davon ab, was man erreichen wolle (Rainer Braun - Arzt). Eine Grundlage im Entscheidungsprozess ist daher das Ziel einer Handlung und meint im therapeutischen Prozess die Wirksamkeit einer Maßnahme. Therapeutische Maßnahmen sind in der Regel mit einer positiven Konsequenz oder dem Benefit für den Pa-tienten verknüpft und können auch als Nutzen beschrieben werden. Als Nutzen einer (Nicht-) Anlage einer PEG werden Auswirkungen auf den Ernährungszustand und infolgedessen auch auf den Gesundheitsstatus, die Lebensqualität und die Lebenserwartung assoziiert.

„da muss ich einfach gucken, was kann ich mir leisten, was kann ich mir therapeutisch leisten, wo habe ich Ansätze (..) für eine Sublimierung seines Allgemeinbefindens, wo komm ich hin mit oder wo könnte ich hinkommen, wenn ich ihn körperlich etwas besser restaurieren kann“ (Ingo Klare - Arzt).

„ja, ich denke immer den therapeutischen, den therapeutischen Sinn, darf man bei einer PEG nie-mals vergessen“ (Verena Meißner - Pflegende)

Die Befragten sind sich prinzipiell einig darüber, dass eine PEG eine unkomplizierte und sinnvolle Methode zur Substitution von Nahrung und/oder Flüssigkeit sein kann.

„ja, was spricht dafür, es ist eigentlich ein relativ unkompliziertes Verfahren, es hat jetzt, es geht relativ zügig, das Anlegen der PEG-Anlage selbst, es ist ein relativ sicheres Verfahren“ (Meike Saalfeld - Pflegende)

Als eindeutiger Vorteil dieser Form künstlicher Ernährung gilt die Applikation über die dafür vorgesehene enterale Passage und dem Beibehalt der natürlichen Verdauungsvorgänge des

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unteren Gastrointestinaltraktes. Dennoch gibt es Bedenken für einen unkritischen Einsatz. Die starke Unterschiedlichkeit des Patientenklientels macht außerdem eine differenzierte, aber klare Indikationsstellung für eine ausgewählte Personengruppe notwendig. In diesem Spannungsfeld scheint es nicht immer einfach eine klare Entscheidung zu treffen.

(Nicht-) Anlage einer PEG

den Ernährungszustand

Gesundheitsstatus Lebenserwartung

Lebensqualität

Auswirkungen auf den Ernährungs- und Gesundheitszustand

Nach Angaben der Befragten dient die PEG in erster Linie der Stabilisierung des körperli-chen Zustandes durch Ausgleich oder Vorbeugung eines Mangels, z. B. Flüssigkeit oder Nährstoffen. Je nach Diagnose stehen folgende Aspekte im Vordergrund:

Aufrechterhaltung der Stoffwechselfunktion Stabilisierung des Flüssigkeitshaushaltes und des Ernährungsstatus Prophylaxe und Ausgleich von Fehl- und Mangelernährung und damit zusammenhän-

genden Folgeerscheinungen Verbesserung des Allgemeinbefindens

Die Ernährungssituation alter Menschen sei eine besondere Problemlage, die auch einer besonderen Beachtung und Unterstützung bedürfe. Bezug genommen wird auf eine Minde-rung der Appetenz, dem Nachlassen des Hunger- und Durstgefühls und der mangelnden Einschätzung dieser Misslage von Seiten der Betroffenen, besonders in Zusammenhang mit einem dementiellen Prozess. Dieses müsse man versuchen auszugleichen oder zu respek-tieren (Klaus Krämer - Arzt).

„der ältere Mensch isst weniger, trinkt weniger, meint er täte beides gut, ist unterernährt, ist unter-hydriert, und muss vom Doktor her dazu bewogen werden das zu tun“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

Ein Nutzen für den Patienten wird in einem erhöhten Wachheitsgrad, einer gesteigerten Akti-vität und darin gesehen, über genügend Kraft zu verfügen, wieder selbst trinken und essen zu können (vgl. Lebensqualität). Von der PEG wird in diesem Zusammenhang die Überbrü-ckung einer vorübergehenden akuten Verschlechterung erwartet und dient einer Kriseninter-vention.

Abbildung 3: Parameter zum erwarteten Nutzen

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„Und ja für mich ist es einfach wichtig, dass die Folgeschäden durch schlechte Versorgung mit Flüssigkeit, Mangelernährung vermieden werden können“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende)

In bestimmten Situationen z. B. zur Vorbereitung einer Chemotherapie ist die PEG Teil eines ganzen Behandlungsprogramms und reiht sich als eine von mehreren Maßnahmen in das Therapiekonzept ein. Der Nutzen wird hier als „Grundsicherung, sonst nichts“ (Ingo Klare - Arzt) beschrieben, die zu gewährleisten sei, weil es nicht sein könne, dass Patienten kos-tenintensiven Behandlungen unterzogen würden, aber nicht ausreichend zu essen hätten (Bernhard Beinbühl - Arzt).

Auf der Grundlage der Stabilisierung des Ernährungszustandes, vor allem des Eiweißhaus-haltes vermuten einige der Befragten einen positiven Effekt auf die Wundheilung und damit auf die Vermeidung und/oder Behandlung von Dekubitalgeschwüren.

„Also ich habe schon den Eindruck, dass die Patienten, die gut versorgt sind, dass die also dann auch weniger Komplikationen mit diesen Dekubitusproblemen haben.“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin)

„Aber ich denke allein schon durch die Zuführung von Eiweiß hat man doch auch die Unterstützung einer Wundheilung“ (Dieter Kronau - Pflegender)

Handelt es sich um sterbende Menschen, wird der Nutzen, also der Vorteil, den eine PEG für den Patienten bedeuten würde als gering eingeschätzt.

„bei diesem Menschen erreicht man ja auch keinen Muskelaufbau und nichts mehr, man wässert die und macht ein bisschen Fett rein, da ist denen ja letztlich nicht mit geholfen“ (Niklas Seifert - Arzt).

Auch hindere man den Patienten durch eine PEG daran, in eine friedvolle Sterbephase ein-treten zu können. Eine PEG sei in diesen Fällen nicht ratsam (Klaus Krämer - Arzt).

In Situationen vom Typ der unklaren Diagnosen herrscht Uneinigkeit über den tatsächlichen Nutzen. So gibt es Stimmen, die gerade bei Vorliegen einer Demenz der PEG einen gerin-gen Nutzen zuordnen, andere Ärzte fordern eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten einer PEG. Zum einen sei zu bedenken, dass der Stellenwert der PEG in Bezug zu Kosten und Aufwand im Vergleich mit anderen invasiven Maßnahmen als gering einzuschätzen sei.

„das ist ja ein Unterschied oder ob man ihm jetzt alle möglichen, ich sage mal sonstigen Dinge noch angedeihen lässt, was weiß ich, mal Herzkatheter und all solche Sachen, das ist für mich ein Unterschied oder ob man eben nur eine ausreichende Ernährung garantiert.“ (Sigrid Kreuzer - Ärz-tin)

Zum anderen seien weder Wunder in Form eines “Jungbrunnens“ durch die PEG zu erwar-ten, noch ein Muskelaufbau oder eine dauerhafte Verbesserung der kognitiven Funktionen, sondern lediglich ein Ausgleich einer Krankheitssymptomatik mit Hilfe der Zufuhr von Nähr-stoffen.

„damit kann man natürlich klar die Kalorienzufuhr und die Eiweiß und alles ein bisschen bessern aber die Fehlernährung ist ja Folge der Krankheit und nicht Ursache.“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Eine Ärztin findet es sinnvoll sich lediglich auf die Mangelernährung zu konzentrieren und diese auszugleichen:

„weil wir haben doch auch viele Patienten, die im schlechten Zustand waren und dann mit so einer Sonde da muss man oft ja sehen, dass man sogar, dass die richtig deutlich dicker werden wieder, das die richtig zunehmen, manchmal muss man dann auch die Kost ein bisschen runter fahren, dass es zu viel ist kalorisch einfach und dass man damit eigentlich eine ganz guten Zustand hat, natürlich sind die weiterhin dement, aber doch eigentlich in einem gut gepflegten, gut ernährtem Zustand und das finde ich ist dann eigentlich auch, dann hat man auch was erreicht, ob die des-

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wegen länger leben, das kann ich ihnen auch nicht sagen, aber sie sterben dann zumindest nicht daran“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin).

Wieder andere schildern Situationen, in denen das Ernährungsdefizit gut behandelbar war, für den Patienten der Benefit im zeitlichen Verlauf fraglich bleibt, wie zwei Ärzte bemerken:

„Natürlich erholt sich jemand primär wieder. Die ersten vier-sechs Wochen geht’s den Leuten dann besser, wenn die bisschen zunehmen, aber dann..... dass die dann wirklich wieder aufstehen und loslaufen oder cerebral deutlich besser werden, weil die jetzt besser ernährt sind.... das kann ich nicht so jetzt nachvollziehen“ (Sabine Murnau - Ärztin)

„das ist ja manchmal paradox, die haben dann manchmal eine PEG-Sonde und werden dicker und dicker, die mästen ja auch unheimlich und sterben natürlich nicht, weil die, die, die leben, leben da vor sich hin, aber gucken nach rechts oben und wissen nicht was passiert“ (Sören Wißling - Arzt).

Auch müsse man bedenken, dass eine PEG nicht so komplikationsarm sei, wie oftmals an-genommen, es käme nicht selten zu Durchfällen oder Reflux von applizierter Nahrung bis hin zur Aspiration, die man ja eigentlich verhindern wolle, das sei für die Patienten nicht immer angenehm und bedeute außerdem eine Minderung der Lebensqualität (Klaus Krämer - Arzt).

Pflegende berichten auch davon, dass sich die Einstichstellen entzünden oder der Schlauch porös würde, so dass eine Neuanlage inklusive Krankenhausaufenthalt nötig würde (Gudrun Kohlmann - Pflegende, Ines Junkers - Pflegende). Eine andere Pflegende berichtet davon, dass die PEG gerade für die Bewohner mit einer Demenz ein Störfaktor sein kann. Der lie-gende Schlauch könne einen Reflex auslösen daran zu greifen, zu fummeln oder sich diesen wieder herauszuziehen. Das birge auch Gefahren, z. B. sich zu verletzen. Beobachtet wor-den waren Situationen, in denen sich die Bewohner die Sondenkost samt Infusionsständer ins Bett gerissen hätten, weil sie den Gegenstand als solchen nicht erkannt hätten (Kati Nimwegen - Pflegende). Eine Pflegende schildert, dass man bei unruhigen Menschen mit-unter die Hände oder die Person fixieren müsste, damit die Sondenkost appliziert werden könne. Das sei eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität. Der medizinische Nutzen müsse hier einwandfrei nachgewiesen werden (Jutta Vorsig - Pflegende).

Aspekte der Lebensqualität

Lebensqualität stellt einen bedeutenden Parameter in den Entscheidungsprozessen zur An-lage einer PEG dar. Ein Arzt bezieht hier deutlich Stellung und sagt:

„der einzige Nutzen, der für mich wirklich Nutzen wäre, wäre, wenn ich einem Menschen durch eine Maßnahme eine höhere Lebensqualität verschaffen würde“ (Niklas Seifert - Arzt).

Ein wesentlicher Aspekt, der für die Befragten mit Lebensqualität des Patienten verbunden ist, ist die Teilhabe und der Grad der Einbezogenheit in das soziale Leben sowie die Fähig-keit aktiv am Leben teilzunehmen, über das eigene Leben verfügen und entscheiden zu kön-nen. Teilhabe kann bedeuten einfach die Umgebung wahrzunehmen.

„Teilnahme, Teilnahme, so, (...) an allem, an Krach, an Leben, ob er sich aufregt oder sich nicht aufregt, also, wenn ich Regungen sehe, Emotionen sehe oder erkennen kann, auch wenn er nicht sprechen kann, Augen, ja, wie er mit den Augen spricht, wie er teilnimmt“ (Martina Reger - Pfle-gende).

Teilhabe bedeute auch auf Gerüche zu reagieren, den Duft von Apfelkuchen zu reichen, Ap-petit zu verspüren, einen warmen Tee zu trinken oder gemeinsam Mahlzeiten einzunehmen. Essen bedeute genießen können und sei gleichbedeutend mit Lebensqualität (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

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„Es ist halt, was, was ist Lebensqualität, in wieweit kann ich die messen, wie empfindet der Mensch, der da liegt, diese Lebensqualität.(.) Also der bekommt was mit, der kann am Leben teil-haben, sprich Augenkontakt, Körperkontakt, Berührungen, ne, die die, die Angebote die wir ja auch haben ne, durch basale Stimulation, Ausstreichung und diese ganzen Sachen, also in Ruhe auf diesen Menschen eingehen und der der PEG zu verdanke hat, da ist jemand bei mir, da habe ich den Kontakt und kann mich vielleicht nicht äußern, aber da ist einfach jemand bei mir“ (Karin Kri-dow - Pflegende)

Teilhabe bezieht sich auch auf den jeweiligen familiären Kontext, in dem die Entscheidung stattfindet und kann sowohl als Verstärker für als auch gegen die Anlage einer PEG gerichtet sein. Scheint Teilhabe ein erreichbares Ziel in Form von Stabilisierung oder Wiedererlangung des gesundheitlichen Status durch den Einsatz einer PEG, ist dies ein unterstützender Fak-tor für die PEG.

„wissen Sie, wenn Sie alleine sehen, dass solche Leute mit einem definierten Ende vielleicht ein halbes bis ein Jahr, wenn die nach einem viertel Jahr vielleicht draußen sind, nicht wahr mitgehen können in den Aufenthaltsraum, vor dem Fernseher einschlafen wie die anderen und aus m Bett, das finde ich ne tolle Sache, das finde ich ein tolles Erlebnis und ich freue mich auch, wenn meine Oma da sitzt auf der Bettkante und sacht: hallo Herr Doktor, das finde ich toll, wenn ich das damit erreicht hab, habe ich ganz viel gemacht,“ (Ingo Klare - Arzt)

„Aber ich habe genug Beispiele, hier erlebt, wo wir einfach dann gemerkt haben, bemerkt haben, dass nach ein paar Monaten sich der Zustand verändert hat weil, nämlich die Versorgung mit Flüs-sigkeit, mit Nahrung, mit Medikamenten auf einem ganz anderen Wege dazu beigetragen hat, dass der Mensch allgemein sich verbessert hat, also der Zustand und angefangen hat selbstständig zu essen. Und da war praktisch noch später die PEG, die Sonde dafür da, dass man ihm Flüssigkeit dann einfach verabreicht hat. Wenn er einen schlechten Tag hatte. (..) also ich sehe das nicht als längeres, verlängernde Maßnahme, ich sehe das in erster Linie als Möglichkeit zum besser leben“ (Max Toschik - Pflegender).

Die Perspektive der Angehörigen und Familien und das, was für sie Lebensqualität bedeuten kann, ihre Gefühle und Möglichkeiten selbst aktiv an einer Besserung der Lebensqualität mitarbeiten zu können, kann bei der Entscheidung mitgedacht werden.

„also Lebensqualität würde ich in dem Sinne ja nicht nur einseitig sehen, sondern schon auch so ein bisschen die Angehörigen sehen, wie leiden die, wenn sie sehen, wie die Mutter oder der Vater stirbt“ (Rainer Braun - Arzt)

Ein Verbleiben in der häuslichen Situation besitzt eine hohe Wertigkeit in der Beurteilung und Ermöglichung von Lebensqualität, denn:

„häuslicher Bereich ist für mich gleich Lebensqualität, ist gleich besser als sonst“. (Ingo Klare - Arzt)

Aspekte von Normalität und gemeinsam gelebtem Alltag unter Erhalt gewachsener Bezie-hungsstrukturen bilden dafür eine Grundlage, wenn ein Arzt den Angehörigen ermöglicht "das selbstgemachte Süppchen“ durch die PEG zu geben und damit selbst am Leben ihres Angehörigen „teilhaben“ und „mit Sorge tragen“ (Ingo Klare - Arzt) zu können.

Lebensqualität ist deutlich positiv konnotiert. Im Gegenzug dazu bedeutet keine Lebensqua-lität für den Betroffenen aus ärztlicher Sicht, wenn es nicht möglich ist mithilfe medizinisch therapeutischer Maßnahmen, und in diesem Fall mittels PEG, diese Teilhabe wieder her-stellen zu können, möglicherweise damit einen „Zustand zu stabilisieren, den man gar nicht stabilisieren möchte“ (Sabine Murnau - Ärztin) oder schlimmstenfalls durch die Behandlung Schmerzen, Leiden oder Siechtum unnötig zu verlängern.

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„Wenn man da hin kommt und man ist kaum noch weckbar und nur, reagiert nur auf Schmerzreize, das ist ja keine Lebensqualität“ (Niklas Seifert - Arzt)

In diesem Fall bedeutet Lebensqualität eine gute Sterbephase erleben zu können und keine unnötigen Schmerzen oder Qualen erleiden zu müssen. Lebensqualität fungiert in den meisten Schilderungen als hemmender Faktor für die PEG. In einem Fall jedoch berichten Pflegende von einer positiven Entwicklung durch Anlage einer PEG, obwohl eine palliative Situation vorlag. Sie bewerteten dies als Steigerung der Lebensqualität.

„Aber wir möchten, dass der Tagesbedarf gedeckt ist. Die die Lagerung war einfacher, das Gesicht war nicht mehr schmerzverzehrt und sie ist dann so zwei Monate später ganz toll friedlich einge-schlafen. (..) Und die Angehörigen konnten viel besser begleiten(..). Und konnten richtig loslassen. Und waren zufrieden.“ (Erika Weiße - Pflegende).

Lebensqualität bleibt ein weicher, subjektiver Parameter zur Einschätzung eines sinnhaften Einsatzes einer PEG und ist für die Behandelnden und Betreuenden nicht immer einfach zu beurteilen. Ein Arzt sagt in Bezug auf die Lebensqualität: „wie man die dann misst, muss man sich drüber unterhalten,“ (Niklas Seifert - Arzt). Besonders problematisch ist die Ein-schätzung der Lebensqualität bei Menschen, die nur eingeschränkt kommunizieren können z. B. durch eine Aphasie oder zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht einwilligungsfähig sind, „weil wir eben Lebensqualität bei Leuten, die sich nicht selber äußern können, auch nicht messen können.“ (Sabine Murnau - Ärztin). Der Aspekt der Fremdeinschätzung durch Dritte erschwert diese Unsicherheit.

Lebensqualität versus Lebenserwartung

Lebensqualität wird häufig in Abgrenzung zur Lebenserwartung oder einer Verlängerung der Lebenszeit diskutiert.

„wenn ich aber da nur Leiden verlänger, und der evtl. ne Woche länger lebt, aber da nur hinvege-tiert, dann sollte man´s nicht tun“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

Dabei konkurriert die Quantität, dem mehr an Lebenszeit mit der Qualität, dem „Wie“ der verbleibenden Zeit als antizipierte Konsequenz der Behandlung.

„mit keiner PEG verlängern Sie das Leben, sie verbessern nur die Lebensqualität oder sie ist sinn-los“ (Ingo Klare - Arzt).

„natürlich kann ein Patient dann länger leben, aber es wäre ja falsch zu denken, wenn man ihm das jetzt vorenthält, dann hat er ja im Grunde einen Mangel.“(Sigrid Kreuzer - Ärztin).

Ähnlich der Lebensqualität lässt sich nach Angaben der Befragten die Lebenswartung nur selten präzise vorhersagen. So gibt es Situationen, in denen es sich die Lebenserwartung relativ eindeutig bestimmen lässt, und Situationen, die eine Prognose nicht zulassen. Ein Arzt antwortet auf die Frage nach der Einschätzbarkeit der Lebenserwartung:

„Also bei Krebserkrankungen ist es ja schon schwierig, aber immerhin so absehbar, dass man sagt, na ja, PEG muss jetzt nicht, bei Demenzerkrankungen also praktisch unmöglich.“ (Niklas Seifert - Arzt)

„Keine Ahnung, wie soll ich so was feststellen, wenn jemand präfinal ist, das sehe ich natürlich, das ist ja keine ( ) ist klar, aber, aber wenn jemand, ob jemand noch vier Wochen lebt oder fünf oder acht, keine Ahnung ( ) gibt es da irgendwelche, ich kenne sie nicht.“ (Sören Wißling - Arzt)

„Es gibt einzelne Situationen, wo man es vielleicht einschätzen kann, aber Karzinom-Pati-enten oder so was. Aber in den Senioren, die halt regelmäßig immer weniger werden in An-

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führungsstrichen kann man nicht sagen vier Wochen, acht Wochen, vier Monate. Das geht nicht“. (Sabine Murnau - Ärztin)

Alter ist ein Einflussfaktor der Lebenserwartung. Für die Entscheidung spielt das Alter in Verbindung mit dem Allgemeinzustand eine Rolle. Je älter und je schlechter der Allgemein-zustand, desto weniger wird eine PEG als sinnvoll erachtet. Eine Pflegende äußert sich:

„ich sag mal so, für diese Frau würde ich jetzt nicht unbedingt mit 99 Jahren empfehlen noch eine PEG anzulegen, weil vielleicht jetzt in einem halben Jahr oder in einem Jahr, ist das nicht schlimm, dann macht man vielleicht ein bisschen mehr Flüssigkeit, noch vielleicht eine Sondenkost, dann isst sie, das ist für sie dann weniger Stress, aber mit 99 weiß ich ja, soviel Jahre lang habe ich na-türlich nicht mehr viel zu leben, was soll da jetzt mit nach 99 noch viel kommen“ (Verena Meißner - Pflegende).

Ist die Lebenserwartung deutlich eingeschränkt und lässt sich eine Prognose relativ eindeu-tig auf eine absehbare Zeiteinheit begrenzen, spricht dies eher gegen eine PEG. Ist die Le-benswartung nicht einschätzbar, spricht dies eher für eine Anlage.

„da sind wir uns ganz einig, nur wenn Sie das Ende nicht absehen können oder es Zeiträume sind der möglicherweise im häuslichen Bereich ein Verbleiben möglich macht und häuslicher Bereich ist für mich gleich Lebensqualität, ist gleich besser als sonst, dann würde ich sagen, sollte man es machen“ (Ingo Klare - Arzt)

„Also, wenn man jetzt weiß, da ist ein Mensch, der lebt maximal noch zwei Wochen, dann braucht man nicht unbedingt noch eine PEG legen. Aber wenn man denkt, das geht jetzt noch ein halbes Jahr, das geht noch ein Jahr, und wir legen dem jeden Abend da ne Infusion, da finde ich da sollte man sagen, okay da ist es mit einer PEG besser. Es ist auch menschlicher und weniger Komplika-tionen“ (Irmgard Buschmühler).

Überlegungen dieser Art sind ethischer Natur. Die Beteiligten stellen Fragen nach dem Sinn einer Behandlung und dem Recht auf Entscheidung über Leben und Tod. Die Fragen bleiben offen, eine Antwort bleibt aus.

„ob das wirklich so schön ist, ob das menschenwürdig ist ( ) die große Frage, was soll man tun. Ist das, soll man sie einfach sterben lassen, darf man das, darf man das nicht?“ (Sören Wißling - Arzt)

„und ich würde mir von keinem Menschen vorschreiben lassen, wenn es mich selber beträfe, dass einer vor mir steht, Schwester Hiltrud sagt, der braucht das nicht mehr, der wird nichts mehr, wir sehen gerade in den Verläufen bei Apoplexen oder so etwas, nicht wahr, sehen wir einfach wieviel die Leute nach einem Zeitraum von sechs acht Wochen oder einem Viertel Jahr plötzlich wieder an Lebensqualität und Aktivitäten haben, ja, habe ich ein Recht das abzuwürgen? Oder ist das einfach nur gesellschaftspolitisch gesehen, ein sozialverträgliches Absterben, nicht wahr, dass müssen dann andere sagen und nicht wir“ (Ingo Klare - Arzt)

„also wenn ich sage keine, dann habe ich definitiv bestimmt, sie stirbt, und mit PEG habe ich die Entscheidung nicht getroffen, dann übernimmt sie der liebe Gott“ (Martina Reger - Pflegende).

(Mutmaßlicher) Patientenwille

Der Patientenwille gehört ebenfalls zu den zentralen Parametern im Entscheidungsprozess zur PEG. Ist es möglich den Willen desjenigen zu erkunden, der die PEG erhalten soll, dann hat diese Entscheidung Priorität. Häufig ist es jedoch so, dass die Betroffenen zu einer kla-ren Stellungnahme nicht mehr in der Lage sind, was in Bezug zur Eruierung des Willens Probleme und Hürden aufwirft, die es zu überwinden gilt.

Zur Ermittlung des Patientenwillens unterscheiden die Befragten zwischen einem mündlich geäußerten Willen oder in Form eines schriftlichen Dokuments z. B. eine Patientenverfügung oder ein Testament.

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„Ja, also mein, ein Hauptkriterium für mich wäre die Frage, würde dieser Mensch, wenn er denn selber über sich entscheiden dürfte, würde er es wollen. Eine ganz zentrale Frage. Die stelle ich auch den Angehörigen immer, sind sie denn der Meinung, dass ihr Großvater, Vater, Tante, Onkel wenn er jetzt wach wäre, das wirklich wollte. Das ist mein Hauptkriterium, wenn jemand sich nicht mehr selbst bestimmt entscheiden kann für oder gegen etwas, dann versuche ich seinen vermeint-lichen Willen, aber das ist sehr weich, dann sagen, wenn ich dann Angehörige habe und die sagen mir, das hätte Onkel Fritz aber wirklich nicht gewollt, dann ist für mich die Sache eigentlich klar, dann will er das halt nicht und dann werde ich auch versuchen trotz BMI oder alles, es zu vermei-den und wenn die sagen, also der war immer der Meinung Hundertprozent und alles muss und kann und soll, dann eben doch. Also da würde ich meine persönliche Sicht der Dinge dem auf je-den Fall unterordnen wollen. Also das wäre so ein Kriterium“ (Niklas Seifert - Arzt).

Ist es nicht möglich, den Willen des Betroffenen zu eruieren, geht es um die Erfassung eines mutmaßlichen Willens und die Entscheidung durch einen Stellvertreter. In erster Linie über-nehmen Angehörige diese Funktion, stehen diese nicht zur Verfügung werden Berufsbe-treuer für diese Aufgabe herangezogen (siehe Akteure im Entscheidungsprozess).

Aus den Interviews mit den Pflegenden erscheint die Entscheidungsfindung im Zusammen-hang mit einer Demenz als besonders problematisch hinsichtlich der Ermittlung des mut-maßlichen Willens. Die Bedeutung von Mimik und Gestik bei Menschen, deren Willen nur eingeschränkt oder gar nicht ermittelbar ist, wird verschiedentlich beurteilt. Zum einen ver-muten einige der Befragten, dass hinter einer Ablehnung der Nahrung, also nicht mehr essen und trinken wollen (s.o.) und mit dem Leben abschließen wollen ein Zusammenhang besteht.

„gut, ich denke mal wenn jemand, wenn jemand nicht mehr essen möchte und sie haben eigentlich da doch den Eindruck sie gucken da noch in etwas wachere Augen und der Mund wird zugeknif-fen und es wird vielleicht auch die Hand die etwas anreicht wegge (unverständlich), ist die Sache für mich ziemlich eindeutig, da will jemand nicht mehr“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin).

Die gleiche Ärztin hält es im Falle einer vorliegenden Demenz für schwierig einen Rück-schluss auf den tatsächlichen Willen zu ziehen, „Ist schwierig, kann ich auch jetzt mal nicht so sagen,“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin), da andere Gründe für eine solche Verhaltensweise nicht auszuschließen sind, z. B. Schmerzen beim Kauen, die Antipathie mit der nahrungsanrei-chenden Person oder eine bloße situative Verstimmung. Eine Pflegende sagt diesbezüglich: „Lippen zukneifen ist eine Aussage, aber warum, das ist ja die Frage, keine Lust, keinen Ap-petit, einfach vergessen“, nicht immer könne man auf ein Nicht-Mehr-Leben-Wollen schlie-ßen (Ines Junkers - Pflegende).

Die Frage nach dem Lebenswillen ist ein zentraler Aspekt im Entscheidungsprozess, der die therapeutische Zielorientierung lenkt. Auf die Frage, wie denn dieser Lebenswille herausge-funden werden kann, wenn die entsprechende Person sich hierzu nicht mehr äußern kann, sagen die Pflegenden:

„und ich merke, da glimmt es aber. Also hinter diesem gar nicht wollen, aber doch dieses Stück, ja ich, ich, ich stabilisiere mich, war sehr schwach der Mann und da merke ich, da kommt so ein biss-chen, da kommen die Ressourcen. Da ist Kraft hinter und in dieser Kraft ist auch der Lebenswille“ (Karin Kridow - Pflegende)

„Wenn jetzt jemand wirklich nicht mehr möchte, das merken wir schon, dass da überhaupt keine Kooperationsbereitschaft mehr ist. Wir werden weggedrückt, ich sag mal der Mund wird ganz be-wusst zu gemacht und da können Sie auch mit zureden nicht mehr arbeiten. Und dann ist das egal, ob das die Pflegefachkraft macht oder der Angehörige. Da ist so ein Abschalten, der Glanz ist aus den Augen“ (Erika Weiße - Pflegende)

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Ein Arzt möchte sich auf die Interpretation nonverbaler Äußerungen nicht einlassen, wenn er sagt:

„also jetzt erstmal zur Demenz, Demenz ist ja ne Frage, wenn ich eine Abwehrung eines Demen-ten als Willensäußerung werte, kriege ich persönliche Schwierigkeiten,(...) ganz einfach aus dem Grunde, weil primär bei jedem Dementen erstmal eine Abwehrreaktion auf alles, was anders als das, was er im Umfeld hat, ja den können Sie nicht motivieren, können nicht klarmachen, dass eine sinnvolle Therapie vor ihm steht, (Ingo Klare - Arzt)

Offensiv versus Defensiv

Weitere Einflussfaktoren, die sich auf die Anlage einer PEG auswirken beziehen sich auf den Zeitpunkt der Anlage und einer dahinterstehenden offensiven und eine defensiveren Haltung zur Vorgehensweise. Einige der Befragten bemängeln, dass die PEG mit zu vielen negativen Assoziationen behaftet sei und oftmals viel zu spät eingesetzt würde.

„was mich bedrückt, ist, dass die meisten Patienten das zu spät angeboten bekommen“ (Ingo Klare - Arzt)

Gefordert wird sowohl ein Abbau der Ängste und Vorurteile als auch ein offensiverer Um-gang mit der Anlage einer PEG als hilfreiche und unterstützende Methode zur Nahrungser-gänzung. Eine Nichtanlage wird als „Versäumnis“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin) interpretiert, zu dem man kein Recht hätte und dem Patienten Schaden zufügen könne. Ein Umdenken sei vor allem in präventiven, onkologischen Zusammenhängen dringend erforderlich, um Scha-den vom Patienten durch die voraussehbaren Folgen einer Chemotherapie oder anderen invasiven Maßnahmen, wie Operationen im Vorhinein abwenden zu können und wiederholte Arztbesuche und stationäre Einweisungen unnötig zu machen.

Gründe für eine Zurückhaltung einer Indikationsstellung lägen vor allem darin, dass alle noch die Idee hätten, die PEG sei etwas Furchtbares und könne in der terminalen Lebensphase vielleicht hilfreich sein, wenn man nicht mehr schlucken und essen könne. Das sei jedoch etwas ganz anderes (Ingo Klare - Arzt).

Ein anderer Arzt sieht das Problem für einen zögerlichen Umgang mit der PEG in der Zu-sammenarbeit ärztlicher Kollegen anderer Fachdisziplinen und führt die Ablehnung auf ein Nichtwissen und eine gewollte Verlagerung der Arbeit zurück. Er sagt:

„es gibt in der Onkologie eindeutige Indikationen zu PEG, die leider von den Leuten, die sie kennen müssten, nicht gesehen werden, insbesondere den Chirurgen, oder den diagnostizierenden Inter-nisten, also ein Ösöphagus-Ca sollte vor Behandlung grundsätzlich mit ner PEG versorgt werden, passiert vielleicht in zehn Prozent er Fälle, weil man sagt, dem geht´s ja noch gut, und der Ge-wichtsverlust, der war ja gar nicht so schlimm und das ist ja gar nicht so schlimm und das wird schon gehen, und dann ist der ja woanders und dann sollen die sich da mal drum kümmern.“ (Bernhard Beinbühl - Arzt).

Auch eine Pflegekraft wünscht sich eine Anlage „bei Zeiten“ damit Folgeschäden vermieden werden können (Irmgard Buschmühler - Pflegende). Eine andere Pflegekraft betont: „wenn es nach mir ginge wären es mehr Bewohner mit einer PEG-Anlage, aber ich entscheide nicht“ (Ines Junkers - Pflegende).

Ein Arzt warnt jedoch vor einer unkritischen frühzeitigen PEG-Anlage und merkt kritisch an: „was heißt früh legen, wenn ich jetzt anfange mit einem BMI von einundzwanzig, dann haben ich ja eine halbe Bundesrepublik hinterher mit der PEG da rumflitzen, das ist doch quatsch“. (Niklas Seifert – Arzt)

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Eine defensive Haltung wird vor allem in palliativen Situationen eingenommen. Hier erscheint die PEG-Anlage am Ende einer langen Kette von Maßnahmen, um z. B. Fehlernährung oder Mangelzustände zu kompensieren. Ihr Einsatz erfolgt zögerlich und in der Regel wohlüber-legt. Ein Arzt beschreibt seine Position folgendermaßen:

„Also das unkritische Legen ist meines Erachtens viel riskanter als vielleicht mal ein, ja was heißt zu spät, ein spätes Legen“ (Niklas Seifert - Arzt).

Hintergrund einer solchen zögerlichen Haltung gegenüber der Anlage einer PEG ist die Er-fahrung, dass man „durch Legen einer PEG eben viele Menschen in ihrem letzten Lebens-abschnitt in eine Situation hinein zwingt, die keiner wollte“ (Niklas Seifert - Arzt) Auch hier ist vorausschauendes, prophylaktisches Denken erforderlich, führt jedoch zum umgekehrten Schluss, dem abwartenden Umgang mit einer PEG-Anlage.

„solange der ausreichend schlucken kann, bei einem reinen terminalen Tumorstadium würde ich die Indikation bei einer Schluckfähigkeit, würde ich die also sehr differenziert und sehr zurückhal-tend sehen“ (Ingo Klare - Arzt)

Eine Pflegende merkt an: „wann ist früh genug (..), wo ist der richtige Moment, das sagt ei-nem keiner“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

„das ist eine Vermischung, das ist wirklich eine hochindividuelle Geschichte, also das wird wohl beides richtig sein, dass wir oft viel zu spät handeln, und manchmal, dass es einfach unsinnig war“ (Meike Saalfeld - Pflegende)

Einsatz von Instrumenten zur Entscheidungsfindung

Zur Ermittlung eines Handlungsbedarfs werden verschiedene Parameter erhoben, die im Vorfeld der Entscheidung unterstützend genutzt werden. Auch hier handelt es sich eher um beispielhafte, denn um eine vollständige Beschreibung möglicher Erhebungsparameter, da dieses Themengebiet in den Interviews sehr unterschiedlich stark angesprochen wurde. Die klinische Beobachtung, das Messen von Größe und Gewicht und die Dokumentation der Trink- und Essmengen dienen primär der Einschätzung des Ernährungszustandes und der Ermittlung einer Mangelernährung. Sie sind nur indirekt als Instrumente der Entscheidungs-findung zu bewerten. Eine Patientenverfügung oder Entscheidungshilfen hingegen sind ei-gens zur Erleichterung einer Entscheidung für oder gegen z. B. eine PEG ausgelegt.

Klinische Beobachtung des Bewohners/Patienten

Die Beobachtung ist das erste Instrument zur Erkennung von Veränderungen. Im Alltag kommt den betreuenden Personen mit direktem Kontakt eine große Bedeutung zu (vgl. Ak-teure im Entscheidungsprozess). Pflegende kennen den Bewohner oft über Jahre und nen-nen Aspekte, die in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit erhalten. So müsse genau geschaut werden, welche Ursache z. B einer Gewichtsabnahme oder einer Appetitlo-sigkeit zugrunde lägen.

„auch die Befindlichkeit, war die traurig, hatte die ein Erlebnis, wie war der Vormittag? Hatte die eine schlechte Nacht? Wie ist die in den Tag gekommen und Punkt Mahlzeiten, essen, trinken ist ganz schwierig“ (Karin Kridow - Pflegende).

Dazu müsse auch der Mund- und Zahnstatus genau geprüft werden, um auszuschließen, dass Druckstellen für ein Nicht essen wollen verantwortlich gemacht werden kann. Zusätzlich müsse darauf geachtet werden, ob und inwiefern sich die Essgewohnheiten verändert hätten (Kati Nimwegen - Pflegende, vgl. Unterstützen oraler Nahrungszufuhr).

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Auch den Ärzten ist eine kontinuierliche Patientenbeobachtung wichtig. Regelmäßige Pati-entenkontakte in Form von Hausbesuchen, Praxisterminen oder wöchentlichen Visiten in den Einrichtungen dienen der Meinungsbildung und dem klinischen Urteil.

„Ich fahre ja... wenn das jetzt meine Patienten sind fahre ich ja regelmäßig hin und da gucke ich halt, was die wiegen“ (Sabine Murnau - Ärztin).

“Ich mache jede Woche Visite, jeden Mittwoch, in dem Pflegeheim, sodass man also die Entwick-lung erstmal persönlich erlebt, den Patienten kennt man eh“ (Niklas Seifert - Arzt).

„bei uns ist die Situation auch noch etwas anders wie in der normalen Praxis, zu uns kommen ja die Patienten relativ regelmäßig und häufig und dadurch sehen wir die natürlich anders und erfas-sen das möglicherweise auch vielleicht frühzeitiger, ob wir die davor bewahren, weiß ich nicht“ (Bernhard Beinbühl - Arzt).

In diesen Situationen sind die Ärzte sehr auf die betreuenden Personen angewiesen, um wichtige Informationen zu erhalten (vgl. Rolle der Pflegenden).

Biophysiologische Messungen - Gewicht, Größe, Body Mass Index (BMI)

Die Messung des Gewichts stellt einen wesentlichen Indikator für die Bestimmung des Er-nährungszustandes dar, vor allem, wenn wiederholte Kontrollen durchgeführt werden, um einen Verlauf beobachten zu können. Nach Aussagen der Pflegenden gibt es regelmäßige Termine, z. B. einmal im Monat immer sonntags (Robert Längerich - Pflegender, Ines Junkers - Pflegende), an denen das Gewicht kontrolliert wird. Handele es ich um einen auf-fälligen Befund, würde häufiger gemessen.

„da wird ja auch immer sehr drauf geachtet, das da die Dokumentation der, des Gewichtes da ist und wenn man jetzt, das sehe ich ja dann auch oft wenn ich komme, Patient wird deutlich dünner und ich mal frage, wie ist denn da der Gewichtsverlauf und wenn man dann sieht, da nimmt je-mand also kontinuierlich ab, und kommt so an so eine kritische Grenze, das man so sagt, man das ist, was machen wir denn jetzt,“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin).

Würde sich vor allem in palliativen Situationen gegen eine PEG entschieden, dann würde auch vorsätzlich weder das Gewicht, noch ein BMI erhoben (Klaus Krämer - Arzt).

Der auf der Messung von Gewicht und Körpergröße basierende Body Mass Index (BMI) scheint ein entscheidender, wenn auch ambivalent bewerteter Parameter. Zum einen habe der BMI „den unglaublichen Vorteil, dass er ein Messwert ist“ (Niklas Seifert - Arzt) anhand dessen ein weiteres Vorgehen geplant werden kann.

„wenn jemand den BMI nicht mehr hat, den er haben sollte, dann ist das auch ein Kriterium für eine Überlegung, was muss daraus geschehen, wenn er nicht mehr selber essen, trinken kann oder will, muss er eine PEG bekommen oder nicht“ (Sören Wißling - Arzt)

„also wenn ich sehe, beim Patienten geht der BMI runter oder der entwickelt ne Schluckstörung oder.... ja, also die beiden Sachen sind ja meistens, dann versuch ich, ich eigentlich schon so im Vorfeld einmal mit dem Betreuer oder mit dem Angehörigen Kontakt aufzunehmen, das und das Problem kommt demnächst auf uns zu, wie denken sie da drüber“ (Sabine Murnau - Ärztin).

BMI – basierte Entscheidungen werden nicht immer als sinnvoll angesehen, gerade bei alten und vor allem bettlägerigen Menschen sei das Problem der Fehlmessung vorprogrammiert. Das führe zu einem falschen Ergebnis (Klaus Krämer - Arzt). Diese seien nur bedingt aussa-gekräftig und seine Unterschreitung sei für die Handelnden ein Problem, besonders, wenn daraus resultierende Maßnahmen als nicht sinnvoll erachtet werden.

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„Nur ist das, sagen wir mal BMI gesteuerte Indikationsstellung im Grunde genommen quatsch, bei diesem Menschen erreicht man ja auch keinen Muskelaufbau und nichts mehr, man wässert die und macht ein bisschen Fett rein, da ist den ja letztlich nicht mit geholfen“ (Niklas Seifert - Arzt).

Handeln müsse man aber, da der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) BMI´s vor-schreibe, die nicht unterschritten werden dürften und die Unterschreitung dieser BMI´s re-gelmäßig als Pflegefehler interpretiert würden, so dass also auf das Pflegeheim schon mal Druck ausgeübt würde Richtung PEG (Niklas Seifert - Arzt). Auch die Pflegenden berichten davon, dass grenzwertige BMI-Werte direkt an die Heimaufsicht im Sinne einer Qualitätssi-cherung weitergeleitet werden müssen (Ines Junkers - Pflegende).

Dieser Zirkel scheint nach den Aussagen der Befragten unterbrochen oder umgangen wer-den zu können, wenn es möglich ist, einen klaren Patientenwillen zu eruieren, der eine sol-che Entscheidung untermauert. Ein Arzt schildert auch, dass er durch systematische Neu-messungen einige grenzwertige BMIs aus dem kritischen Bereich korrigieren konnte.

„wenn ich dann Angehörige habe und die sagen mir, das hätte Onkel Fritz aber wirklich nicht ge-wollt, dann ist für mich die Sache eigentlich klar, dann will er das halt nicht und dann werde ich auch versuchen trotz BMI oder alles, es zu vermeiden“ (Niklas Seifert - Arzt.)

„da ist eine Dame, die wiegt, glaube ich 39 oder 37 Kilo, aber da sagt die Betreuerin auch, die möchte das nicht, die Bewohnerin sagt das auch selber, sie war schon immer so schlank, , sie möchte auch nicht zunehmen“ (Ines Junkers - Pflegende).

Eine Pflegekraft äußert entrüstet:

„also ein BMI spielt schon eine Rolle, der Expertenstandard sagt ja alles, was unter 20 ist, ist ka-chektisch und da muss man gucken, aber auch da muss man gucken, und ich lass mir meine Fachlichkeit nicht durch einen Expertenstandard nicht abnehmen und da habe ich auch ein Kreuz im Nacken, wie gesagt, ich muss mich allerdings auch absichern, d. h. ich würde mir dann auch die Heimaufsicht ins Boot holen, die Heim- und Pflegedienstleitung, damit die informiert sind, was da los ist, mit dem Angehörigen zusammen“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Richtwerte können nicht nur eine Behandlung erzwingen, sie können auch eine hinauszö-gern, wie in folgendem Beispiel berichtet wird.

„Was ich noch nie verstanden habe, eine gewisse Vorgabe von dem Arzt, der sagt, wenn er sechsunddreißig Kilo erreicht, bzw. wenn er erstmal sechsunddreißig Kilo wiegt, also Beispiel, dann müssen wir was tun. Das habe ich schon erlebt, das heißt, ein gewisser Zahlenwert fixiert, ohne diese Zahl läuft nichts. Das heißt der Mensch muss so lange warten bis er diese magische Zahl erreicht hat. Das, das fand ich immer wieder so bisschen verblüffend. Letzte Zeit weniger, aber vor vier Jahren, doch, doch, das war noch so. Immer also alle sieben Tage gewogen und dann bis irgendwann gesagt wurde, ja gut, jetzt können wir machen. Jetzt haben wir keine Mög-lichkeit“ (Max Toschik - Pflegender).

Um die Ernährungssituation laborchemisch erfassen und eine Diagnose erhärten zu können, werden von einem Arzt die Bestimmung des Gesamteiweiß in der Elektrophorese, Albumin direkt genannt.

Bioimpedanzmessungen dienen dazu die Körperfettmasse im Verhältnis zu Wasseran-sammlungen im Körper zu bestimmen und würden bei Bedarf durchgeführt (Gudrun Kohl-mann - Pflegende, Bernhard Beinbühl - Arzt).

Bilanzierungen und Ernährungsprotokolle

Bilanzierungs- und Ernährungsprotolle werden angelegt, wenn sich die Ernährungssituation verschlechtert oder ein BMI unter 20 gemessen wurde (Ines Junkers - Pflegende). Mit ihrer

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Hilfe scheinen sich erste Verdachtshinweise zu bestätigen, dass sich ein Ernährungsproblem manifestiert. Aufzeichnungen dieser Art dienen dazu eine Ist-Situation zu dokumentieren und die Kommunikation zwischen Arzt und Pflegekraft zu erleichtern.

„die Kriterien sind natürlich, dass wir engmaschig die Gewichte kontrollieren, gucken, ob da eine Veränderung ist, auch gezielt ein Ernährungsprotokoll führen, um zu sehen, was geht rein, was geht raus, ist ja auch wichtig“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende)

„die Schwester oder das Pflegepersonal stellt fest, der, der nimmt nicht mehr genug zu sich. Als erstes legen die ein Protokoll an, so und dann sieht man, aha, anhand es Protokolls, der hat zu wenig gegessen zu wenig getrunken und dann kommt die Frage so, was jetzt, wie können wir drauf reagieren?“ (Sören Wißling - Arzt).

Assessmentinstrumente

Instrumente zur Einschätzung des Ernährungszustandes werden durch die Befragten kaum erwähnt. Nach Ansicht eines Arztes sind sie als eine sinnvolle Unterstützung anzusehen, dürfen aber gerade in der Betreuung alter Menschen nicht überbewertet werden. Alte Men-schen trinken oft wenig, das gilt es auch zu respektieren (Klaus Krämer - Arzt). Von einem anderen Arzt wurde ein Fragebogen zur Ernährungssituation der Firma Nestle genannt, mit dem gute Erfahrungen gemacht wurden. Andere Einschätzungsinstrumente wurden nicht genannt.

Patientenverfügungen

Patientenverfügungen werden als ein wichtiges Instrument zur Entscheidungsfindung ange-sehen. Leider spielen sie nach aktuellen Erfahrungen der Befragten bei den jetzt alten Men-schen eine marginale Rolle und würden kaum eingesetzt. Entweder seien die Angaben zu pauschal verfasst oder Aussagen zur künstlichen Ernährung gar nicht erwähnt.

Zukünftig sei jedoch eine Zunahme des Einsatzes von Patientenverfügungen oder Testa-menten zu erwarten, das sei eine positive Entwicklung (Klaus Krämer - Arzt).

Ein Arzt schlägt vor, bereits bei Eintritt in eine Pflegeeinrichtung das Thema der Patienten-verfügung mit den Betroffenen anzusprechen und die Wünsche zu verschriftlichen, um dieje-nigen, die möglicherweise später eine stellvertretende Entscheidung treffen müssten in ihrer Verantwortung zu entlasten.

„Und ich hatte schon angeregt, im Rahmen einer Palliativ-Fortbildung, die ich im Pflegeheim da mal abgehalten habe, dass man überlegt, ob man nicht bei Eintritt in ein Pflegeheim zum Stan-dardaufnahmeverfahren, bei bewussten Menschen, diese Frage klärt.?“ (...) „Also ein Argument was ich immer im persönlichen Gespräch sage ist, Sie müssen für sich eine Entscheidung treffen, aber genauso wichtig ist, dass Sie die Menschen, die Sie dann versorgen, juristisch freistellen, Sie können denen nicht sagen, ich will das nicht, Sie müssen denen schreiben, ich will das nicht“ (Niklas Seifert - Arzt).

Andere geben zu bedenken, dass die Patienten zum Zeitpunkt des Heimeinzuges diese Ent-scheidung schon nicht mehr treffen könnten und empfehlen grundsätzlich eine frühzeitigere Verfassung des Patientenwillens, wenn eine Entscheidungsfähigkeit noch gegeben ist. Ein Arzt schildert ein Erlebnis mit einer dementen Patientin:

„gerade eben fragten die Angehörigen, ob ich ne Patientenverfügung habe, ob ich eine hätte, die die Mutter dann unterschreiben würde, habe ich gesagt, wenn die die heute unterschreibt, die glaubt ihnen doch keiner, es ist zu spät“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

Ein anderer Arzt berichtet auch davon, dass er eine eigene Patientenverfügung entwickelt habe, die er dann gemeinsam mit seinen Patienten bespreche (Rainer Braun - Arzt). Prob-

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lematisch sei weiterhin, dass Verfügungen immer aktualisiert werden müssten, um gültig und aussagekräftig zu sein.

„und auch obwohl früher mal Vollmachten gegeben worden sind, dass die an dem Tag, an dem die Entscheidung getroffen werden muss, nicht mehr unbedingt aussagekräftig sind, vor allem, weil auch der Betroffene vielleicht in dieser Situation seine Meinung geändert hat, ne? Auch vielleicht gar nicht mehr, weil er vielleicht so geschwächt ist, auch gar nicht mehr für sich selbst entscheiden kann, was ist mal in einem halben Jahr, ja, vielleicht hat er ganz andere Dinge jetzt im Kopf, lässt sein Leben Revue passieren und was in einer Woche ist, das kann er vielleicht gar nicht mehr so für sich in Anspruch nehmen, das zu entscheiden, ne?“(Jörg Demmler - Pflegender)

„ja, Patientenverfügungen ist etwas, was wir ernst nehmen, eh Patientenverfügungen ist aber sehr stark abhängig davon wieder in welchem Stadium wir ihn antreffen, wenn zum Zeitpunkt, dass der Krankheitsverlauf nicht absehbar ist, ist die Patientenverfügung relativ (...) wenn eine klare Diagno-sesituation da ist, die den Krankheitsverlauf abschätzen lässt, dann ist die Verfügung da, dann hat sie auch ne Rechtsverbindlichkeit, zum anderen, dass diese Rechtsverbindlichkeit ja oft nicht so gemeint ist, wie sie angekreuzt ist, das muss man nämlich abfragen, wenn ich also eine Verfügung habe, die eine 55 jährige vor ihrem Tod mit 70 zuletzt aktualisiert hat, dann muss ich sagen, kann die keine Verbindlichkeit mehr haben, dann spielt man Golf und fährt Cabrio und mit 70 hat man andere Bedürfnisse, zum anderen ist unklar, was gemeint ist mit Infusionen, Tropf und Schläuchen, ob das ein Flüssigkeitsersatz ist, das muss man dann mit den Betroffenen und mit den Angehöri-gen besprechen“(Ingo Klare - Arzt).

Außerdem müsse man immer in der aktuellen Situation wieder neu entscheiden und „selbst, wenn man sowas hat, ist ja nicht sicher, dass sich daran gehalten wird, also es ist, ja, die letzte Entscheidungskraft hat dann derjenige, der am nächsten steht,“ (Steffen Schmidtmeier - Pflegender).

„also, wir hatten hier so ne Dame, die hatte so ne Patientenverfügung, und eh die hatte ganz klar gesagt, meine Schwester hat ne PEG bekommen, zu Zeiten wo sie noch relativ orientiert war, meine Schwester hat ne PEG bekommen, ich möchte das für mich definitiv nicht! Hat das in einer Patientenverfügung also dann dementsprechend dann fixiert, hat ihre, hat zu Lebzeiten schon eine Betreuerin, das war ihre Nichte, eine Betreuerin festgemacht, wenn ich mal nicht, ne dann Ent-scheidungen treffen kann, dann möchte ich, dass Du die Betreuung übernimmst, und bitte achte darauf, dass ich auch keine PEG kriege und dann ist die Dame irgendwann ins hier ins Altenheim gekommen und hier war sie auch, sagen wir mal zwei Jahre hat sie auch ganz normal gelebt, wo sie auch gegessen und getrunken hat ohne das da irgendwelche Probleme da waren, und irgend-wann hat sie entschieden für sich, so jetzt will ich nicht mehr essen, jetzt will ich nicht mehr trinken, jetzt will ich sterben, und im Endeffekt ist unterm Strich rausgekommen, dass die Nichte dann im Krankenhaus gesagt bekommen hat, Sie können doch ihre Tante, können Sie doch nicht verhun-gern und verdursten lassen und sie hat die Unterschrift für eine PEG-Anlage gegeben, ja und dann hat die natürlich dementsprechend lang mit so ner PEG dann noch gelebt“ (Verena Meißner - Pfle-gende).

Entscheidungshilfen

Entscheidungshilfen werden nach Aussagen der Ärzte und Ärztinnen aus dieser Untersu-chung in aktuellen Entscheidungsverläufen nicht angewendet, noch wurden sie aktiv er-wähnt. Einige Ärzte und Ärztinnen sehen auf Nachfrage eine Entscheidungshilfe als mögli-che Unterstützung an. Ein anderer Arzt grenzt die Personengruppe auf weniger erfahrene Ärzte ein, für die eine Entscheidungshilfe nützlich sein könnte und sagt dazu:

„wenn Leute keine keinerlei Erfahrung damit haben, kann es, sowas sicherlich sinnvoll sein, aber ich bin jetzt über zwanzig Jahre niedergelassen, ich mache 30 Jahre Onkologie und betreue nur schwerstkranke Leute und diese Ernährungssituation liegt mir so am Herzen, eh also ich brauche da keinen Baum mehr, sondern ich gucke mir die Leute an, sehe, in was für einem desolaten Zu-

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stand sie sind und sehe, die werden dünner, sehe die Laborwerte, sehe die Fette sind niedrig, die die Schilddrüse ist n, es ist alles nur am Boden, da muss ich gar nicht mehr Entscheidungsbäume treffen“ (Bernhard Beinbühl - Arzt).

Weiterhin scheint es, dass die Entwicklung eines solchen Entscheidungsbaumes nicht nur begrenzt für notwendig gehalten, sondern auch kritisch begutachtet wird. Entscheidungs-hilfen seien zum einen zu theoretisch und ein Eingriff in die medizinische Behandlungsfrei-heit, zum anderen würde den Bedürfnissen der Patienten nach einer individuell angepassten Entscheidung nicht gerecht.

„Also arbeiten nach einem gewissen Schema ist, ist einfach, vereinfacht das Leben für viele Men-schen, weil die einfach so etwas brauchen, ist aber wieder für die, also für mich so eine theoreti-sche ( ) Geschichte, wo ich denke, da muss ich mich wieder an irgend ein, so eine ja, also Vor-schriften nicht, aber so eine bestimmte Vorgabe halten. Das heißt, ich habe da wahrscheinlich auch wenig, vielleicht auch wenig Spielraum für den, für den Menschen, als, als Mensch,“ (Max Toschik - Pflegender)

„Der Vorteil dieser Ablaufpläne ist natürlich, dass man versucht etwas zu standardisieren und vor-formuliert auch Entscheidungshilfen zu geben, der große Nachteil ist, dass man sich mit vielen Ablaufplänen von den Bedürfnissen der Menschen entfernt“ (Niklas Seifert - Arzt).

Auch wird eine solche Entscheidungshilfe als Gefahr gesehen, sich juristisch angreifbar zu-machen.

„Wobei immer natürlich, immer dann die Gefahr läuft, wenn man dann so etwas hat und richtet sich dann nicht danach, hat man natürlich noch ein größeres Problem, wenn was passiert“.

Viel interessanter und hilfreicher als eine Entscheidungshilfe wäre ein Hinweis auf juristische Fallstricke, die im Entscheidungsprozess zur Anlage einer PEG zu beachten seien (Rainer Braun - Arzt).

Maßnahmen, um eine Mangelernährung zu vermeiden

In Situationen, in denen keine klare Indikation gestellt werden kann, gilt die PEG als eine der letzten Möglichkeiten, um Nahrung oder Flüssigkeit zu substituieren.

„dann ist immer die Entscheidung, machen wir eine subkutane Flüssigkeitszufuhr oder machen wir es nicht, machen wir gleich eine PEG oder so was, wobei PEG eigentlich immer die letzte Ent-scheidung ist“ (Rainer Braun - Arzt).

Maßnahmen, mit deren Hilfe ein Mangel an Flüssigkeit und/oder Nährstoffen kompensiert werden kann, lassen sich wie folgt gliedern. Der Stimulation über den natürlichen Verdau-ungsweg wird dabei Priorität verliehen.

Unterstützen oraler Nahrungszufuhr

Die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme durch Angehörige und Pflegende bildet nach Ansicht der Befragten dabei eine wichtige Komponente bei dem Versuch die orale Ernährung aufrechtzuerhalten, bevor man durch kostenintensive Maßnahmen das Gesundheitswesen belaste (Bernhard Beinbühl - Arzt). Essen bedeute Lebenskraft, Lebensfreude, Genuss und Gemeinschaftlichkeit. Das könne eine PEG nicht leisten (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Kleine und häufige Mahlzeiten über den Tag verteilt, z. B. auch Joghurt und Quark seien ein erster Versuch die Ernährung sicherzustellen (Bernhard Beinbühl - Arzt).

Die Pflegenden beschreiben weitere Möglichkeiten. So könne man die Getränke andicken, wenn es sich um eine Schluckstörung handele. Man müsse sich nach den Gewohnheiten

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richten, Lieblingsspeisen und dazugehörige Uhrzeiten herausfinden und Biografiearbeit leis-ten. Für ausländische Bewohner würde auch speziell eingekauft und gekocht (Heidrun Sto-cke - Pflegende). Man müsse auch berücksichtigen, ob die Betroffenen schon immer sehr schlank waren und wenig gegessen hätten. Auch gäbe es Veränderungen in der Ge-schmacksverhalten. Manche Bewohner hätten ihr Leben lang Wurst gegessen und würden dies spontan nicht mehr mögen (Kati Nimwegen - Pflegende). Wieder andere äßen prinzipiell nur noch Süßes gern. Hier müsse man ständig austesten und ausprobieren, was möglich sei, müsse die Lippen mit Nahrung benetzen und immer wieder Reize setzen oder die Sinne anregen, auch ein Lolly sei manchmal hilfereich, um den Appetit anzuregen. Eine Pflegende berichtet von einer Situation, in der ein Bewohner nur mit Lakritzwasser zu motivieren war, etwas zu trinken (Karin Kridow - Pflegende). Eine andere beschreibt einen Bewohner, der aufgrund eines Zufallsbefundes seither sein Brot mit Leberwurst und Kaffee aß (Kati Nimwegen - Pflegende) Manchmal hilft auch einfach abwarten und Geduld haben:

„Am Anfang waren es vielleicht nur zwei drei Löffelchen und wir haben uns wirklich gedacht, wa-rum ist die Frau denn nicht. Was ist denn los mit der und dann haben wir es einfach ihr hingestellt und stehen gelassen und dann fing sie einzeln mal an, hat sie vielleicht mal nur einen Joghurt ge-gessen (..) Ja und jetzt isst sie meistens halt was Weiches, was Passiertes und was süß ist, isst sie gerne und hat auch zugenommen, also sie ist ein kleines Pummelchen geworden (Lisa Griffler - Pflegende).

Auch hätte man bei Menschen mit Demenz eine halbe Stunde später manchmal das Glück, dass sie vergessen hätten, was sie vorher vehement abgelehnt hätten (Gudrun Kohlmann - Pflegende). Gerade diese Menschen bräuchten die Stimulation über Gerüche und eine Hin-führung zur sinngefüllten Nahrungsaufnahme, die mehr bedeute als die Zuführung von Nähr-stoffen.

„ja, probiert wird erstmal über Lieblingsspeisen, was mag sie denn, über Biographie, gucken was hat er gern gegessen,(...) zwischendurch mal hinzugehen, zu fragen möchten Sie irgendetwas, die meisten Dementiellen können es nicht mehr sagen, ich selber bin noch jemand vom alten Schlag, muss ich sagen und wenn ich dann merke, dass so dieses Essverhalten sich verändert, ich stell mich dann auch mal selber in die Küche und (...)ich hab letztens noch mit den Bewohnern Apfelku-chen gebacken, und dann direkt auch gleich im Aufenthaltsraum (..) und oh, es riecht wie zuhause, mmh, und du siehst richtig, Leute, die sich sonst vor Essen ekel, oh ja, oder stell mich abends hin, mach ne Pfanne Bratkartoffel, mach eine Pfanne Rührei, irgendetwas fällt mir immer ein, (…) dann sind auch selbst die, die eigentlich unlustig sind am Essen, die sind dabei“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Es käme auch darauf an, nicht nur zu beachten, was jemand isst, sondern wie er es gereicht bekomme. Das Essen müsse warm sein, man müsse Ruhe ausstrahlen, Bettlägerige müs-sen vernünftig sitzen oder in eine gute Position gebracht werden, das Essen müsse sichtbar ihm zugewandt sein, die Düfte müssen aufsteigen und man müsse nonverbal mit den Be-wohnern in Kontakt sein, dann wäre Essen auch weiterhin Lebensqualität (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Desweitern wird von einigen Pflegenden erwähnt, dass Mund- und Zahnprobleme oder Druckstellen durch eine schlecht sitzende Prothese für ein Nicht-essen-wollen ausgeschlos-sen werden müssten, bevor man Maßnahmen zur Nahrungsergänzung ergreife (Kati Nim-wegen - Pflegende, Heidrun Stocke - Pflegende).

Führen all diese Maßnahmen nicht in absehbarer Zeit zum Erfolg, wird ein Ernährungsplan erstellt und eine hochkalorische, eiweißreiche Zusatzernährung hinzugezogen, die in Form von Trinkpäckchen eingenommen werden kann.

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„also hier setzen sich die Schwestern dann hin und füttern und dann kriegen die eiweißreiche Zu-satznahrung, das rezeptieren wir auch gegen den Widerstand der ganzen Kassen“ (Bernhard Beinbühl - Arzt)

„Also wenn das Thema aufkommt, PEG könnte drohen, dann machen, versuchen wir eben durch hoch kalorische Zusatzkost, Trinknahrung und so weiter zunächst mal vor uns her zuschieben“. (Niklas Seifert - Arzt)

Dazu verfügen die Pflegenden über Risikolisten, in denen ein Kalorien- oder Nährstoffman-gel ablesbar ist (Kati Nimwegen - Pflegende). Problem bei der Trinknahrung sei, dass diese von den Krankenkassen nicht finanziert würden, manche Bewohner könnten sich das nicht auf Dauer leisten, eine PEG hingegen würde bezahlt (Kati Nimwegen - Pflegende). Inwiefern sich solche Aspekte auf die Entscheidung auswirken, konnte anhand vorliegender Daten nicht geklärt werden.

Flüssigkeitssubstitution

Liegt das Problem primär darin den Flüssigkeitshaushalt zu stabilisieren, weil die Trink-menge pro Tag nicht ausreicht, werden subkutane Infusionen als gängige Methode vorge-schlagen.

„klar und wir gehen dann auch her und geben schon mal subkutan Flüssigkeit an heißen Tagen wenn so die Trinkmenge nicht reicht. Oder wenn das wahrscheinlich eine vorübergehende Proble-matik ist, das man einfach sagt, man gibt jetzt mal tausend Milliliter pro Tag. Manchmal klaren die dann auch wieder auf und fangen wieder an zu trinken, das überbrücken wir schon“ (Niklas Seifert - Arzt)

Flüssigkeitssubstitution dient jedoch in erster Linie dazu kurzfristige Mangelzustände aus-zugleichen, um die Ressourcen der Patienten zu aktivieren oder alternativ die Sicherstellung einer Minimalversorgung in palliativen Situationen zu garantieren.

„Ja immer nicht, aber in Einzelfällen so als Palliativmaßnahme schon, ja. Das machen wir schon. Aber das ist ja schon, kann man ja rein nur Flüssigkeit geben hm....Das geht dann wenn jemand einfach die Mengen nicht aufnehmen kann, oder wirklich wenn klar ist sie Patienten/Angehörigen wollen keine PEG und jemand ist moribund und man muss dann paar Wochen überbrücken, um eine Überweisung zu vermeiden“. (Sabine Murnau - Ärztin)

Ein Arzt empfahl auch die rektale Applikation, um die Resorptionsfähigkeit des Enddarmes auszunutzen, was auf wenig Akzeptanz seitens des Pflegepersonals stieß. Eine Pflegende wünscht sich mehr Handlungsspielraum auch in der Altenpflege Flüssigkeit intravenös vera-breichen zu dürfen.

„Wenn wir zum Beispiel hier ganz legal i.v. geben dürfen. Ja. Da wär ja vielen mit geholfen, ne Viggo zu legen. Ein paar Tage. (3) Und dann eben den Verlauf beobachten“(..) „Es gibt Krisensitu-ationen im Leben eines Menschen, wo man im Krankenhaus zum Beispiel dann ja ohne Probleme einen ZVK legt, ja. Der Mensch stabilisiert sich wieder und ist in einem anderen Zustand, besseren Zustand oder wie vorher kann der entlassen werden. Diese Möglichkeit haben wir hier nicht. Mit dem ZVK“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende).

Wendepunkte der Entscheidung

Den vorgestellten Verfahren sind nach Ansicht der Befragten Grenzen gesetzt. Sind diese Grenzen erreicht, scheint es zu einem Wendepunkt im Entscheidungsprozess zu kommen. War bislang das therapeutische Ziel die Ernährung auf natürlichem Wege zu sichern und eine PEG zu vermeiden, wird nun aktiv über Vorteile eine PEG nachgedacht. Seltener sind es tatsächliche einschneidende Ereignisse, die diese Wendepunkte einleiten, sondern „ir-

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gendwann kommt da die Frage, kann man da nicht was anderes machen“ (Sören Wißling - Arzt), denn „da kann man auch dann irgendwie nicht gut zusehen. Vor allen Dingen, wenn das dann so lange geht“ (Sigrid Kreuzer - Ärztin). Grenzen werden aufgezeigt, wenn auspro-bierte Maßnahmen nicht ausreichen, das Gewicht zu stabilisieren oder eine Nahrungszufuhr über einen längeren Zeitraum zu garantieren, wenn die betreffende Person Nahrung dauer-haft verweigert, wenn die Ressourcen und der zeitliche Rahmen der Versorgungsstruktur ausgeschöpft sind oder wenn dem Empfinden „handeln zu müssen“, auch auf Druck äußerer Rahmenbedingungen, nachgegeben wird. Eine Pflegende beschreibt, wie sich das Problem immer mehr in den Vordergrund drängt:

"es deutet sich in den Übergaben schon an, hat sich heut häufig verschluckt, man hört das dann jeden Tag, so jetzt ist Schluss, wir müssen jetzt handeln, es ist wie ein Prozess zu sehen, der Name fällt in der Übergabe oft, das Problem wird ständig erwähnt“ (Meike Saalfeld - Pflegende).

„ .. uns das eine Zeitlang angucken, mit den Hausärzten uns kurzschließen und dann also eine be-stimmte Grenze haben, wo wir dann sagen, hier ist Schluss, und eh dann muss eine Entscheidung fallen so oder so,“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende)

Grenzen substituierender Maßnahmen

Subkutane Infusionen scheinen keine dauerhafte Lösung zu sein und eine wirkliche Alterna-tive zur PEG darzustellen. Zum einen kann lediglich Flüssigkeit und keine Nahrung ergänzt werden, zum anderen kann nur eine begrenzte Menge Flüssigkeit, z. B. max. 1 l pro Tag appliziert werden und drittens stelle sich auch hier die Frage, inwieweit die tägliche Gabe von Flüssigkeit in den Oberschenkel, der dann wie ein Ballon aufquille und den Patienten immo-bilisiere, für den Patienten wirklich angenehm sei (Klaus Krämer - Arzt, Irmgard Buschmühler - Pflegende), was den Aspekt der Lebensqualität berührt.

„Es gibt ja alte Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht genug trinken und diese subkutanen Flüssigkeitszufuhren sind dann auch nicht so toll und die durch eine PEG und richtige Flüssigkeitszufuhr auch mal wieder wacher werden“ (Niklas Seifert - Arzt)

Andere Alternativen, wie eine parenterale Ernährung via Port oder intravenöser Applikation werden von den Ärzten nicht diskutiert und nur von einigen Pflegenden angesprochen. Letzteres ist in stationären Einrichtungen der Altenhilfe kein legitimiertes, da an die Anwe-senheit eines Arztes gebundenes Verfahren.

Grenzen oraler Nahrungszufuhr

Grenzen der oralen Nahrungszufuhr können dadurch versursacht sein, dass die Patien-ten/Bewohner nicht essen wollen und die Nahrung ablehnen oder nicht essen können (Übel-keit, Erbrechen, Schluckstörungen) oder weil die Art der gereichten Nahrung nicht ausgewo-gen genug ist, z. B. wenn nur Joghurt oder Milchsuppe gegessen werden, um dadurch den Ernährungszustand dauerhaft stabil zu halten.

„manchmal ja, wenn die im klinisch guten Zustand sind, dann spricht das schon dafür, dass man das (die PEG) macht, weil da ist es schon, der natürlichere Weg ist schon über den Magen-Darm-Takt was zu bekommen, ist schon der natürlichere als ständig nur Joghurt essen oder Pudding und Infusionen über die Haut zu bekommen, das ist schon nicht so natürlich und auch, störend für den Patienten, da ist schon eine PEG dann leichter,“ (Sören Wißling - Arzt)

„wenn das alles nicht mehr fruchtet, gibt´s letztendlich nur diese eine Lösung, aber das wird schon bis zum Ende ausgelotet“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

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Eine Pflegende berichtet, wie sie vorsichtig versucht hat einer Bewohnerin Nahrung anzu-bieten, um zu testen, ob diese überhaupt die Fähigkeit besitzt die nötigen Mundbewegungen zu machen:

„ja, ich habe sie heute gefragt, ob sie Schmerzen hat , nein, hätte se nicht, ob sie Hunger hat, ob sie mal was essen möchte, hat se ja gesagt und dann habe ich mal probiert, ob sie einen Joghurt, nicht essen kann, also das nicht, also ich habe nur mal den Löffel mal in den Joghurt gehalten, das der die Löffelflächen mal mit Joghurt benetzt waren, ich hab ihr das mal so in den Mund gege-ben, den Löffel in den Mund gehalten, also sie kann nichts vom Löffel nehmen“ (Martina Reger - Pflegende).

Eine Ärztin bestärkt dies und zeigt Grenzen auf, die durch die Krankheit selbst bedingt sind:

„wenn die Grundkrankheit da ist, nach dem Apoplex hm.., ist das schwierig. Ist es unmöglich, wenn Schluckstörungen, wo wirklich das, Speichel aus dem Mund läuft, da kann man ja nichts sinnvolles anderes machen, ansonsten kann man ja wirklich nur versuchen hochkalorisch oral zu ernähren und wir haben es ein oder zweimal auch versucht, mit Schlucktraining über Schlucktherapeuten und so, das ist aber dann nicht wirklich von Erfolg gekrönt gewesen. Es war mehr so eine Ver-zweiflungstat, hat alles andere ausreizen wollte. Sonst ja Zeit und Zuwendung, ja natürlich, aber es hilft halt auch nicht immer. Es ist nicht nur ein Zeitproblem“ (Sabine Murnau - Ärztin).

„da haben wir schon drei vier Leute gehabt, die wir mit PEG versorgt haben, weil es nicht anders ging,(...) nicht, weil wir zu faul waren (Bernhard Beinbühl - Arzt)“

Ein Pflegender gibt zu bedenken, dass sinnvolles Nahrungsanreichen sich dann erschöpft, wenn man damit Schaden verursacht.

„und letztendlich zum Schluss, es kam zu massiven Hustenanfällen und immer wieder hat sie aspi-riert, so und da verbinde ich eben so diese Nahrungsaufnahme oder Nahrungsgabe mit Schaden, sich Schaden zufügen oder (jemandem) Schaden zufügen oder schaden, der Gesundheit schaden“ (Max Toschik - Pflegender).

Anders ist es, wenn die Nahrungsaufnahme abgelehnt wird. Jemandem das Essen anbieten müssen, der dies vehement ablehnt wird als Quälerei für beide Seiten oder gar als „Verge-waltigung“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende) angesehen. Vor allem die Pflegenden geraten hier unter Druck, dem eigenen professionellen Anspruch nicht gerecht werden zu können oder zu versagen. Dies verursacht Gefühle der Ohnmacht, nicht zu wissen, wie man weiter agieren soll. Die PEG scheint hier zur sinnvollen Lösung beitragen zu können.

„Also ich erlebe auch Menschen, die einfach dann wirklich an die Grenze kommen, wo es immer schwieriger wird, immer schwieriger. (..) genau. Trinken oder Essen immer wieder verweigern und der mir mit allen zu seiner Macht stehenden Mitteln signalisiert, ich will nicht mehr. Also er () zeigt mir, Kopfschütteln, Augen zu, Mund zu, die Lippen zusammen pressen. Manchmal sogar noch der Gesichtsausdruck, angewidert, ne. Wobei, das auch wieder auf den Zeitpunkt ankommt. Also es kann natürlich sein, dass der in einer halben Stunde später, dieser Mensch zugänglich ist oder vielleicht Hunger-, Durstgefühle lässt dann ja auch oft nach. Das, das Angebot machen wir ja im-mer wieder. Aber ich merke so innerlich, das ich an meine Grenze stoße, wenn ich sehe, (.) der will nicht (Karin Kridow - Pflegende)

Hier erleben die Befragten professionelle und persönliche Grenzen. Eine Pflegende schildert die Situation aus der Perspektive der Betroffenen und hofft, dass die PEG eine Entlastung für alle Beteiligten ist.

„dieser Druck, jetzt muss ich essen, jetzt muss ich trinken, jetzt steht die Schwester da mit dem Teller, läuft mit der Tasse hinter mir her, und oft, wenn dieser Druck ist, ich muss, und der Bewoh-ner hat mit Sicherheit das Gefühl alle quälen mich, (..) ich muss essen, ja die gucken ja auch ganz gequält, machen den Mund auch zu, an der Gestik, Mimik sieht man das ja auch“ (…) „Und oft ist

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es ja auch so, durch die PEG-Anlage, dass die Leute, wenn der Druck dann weg ist, dass die dann auch wieder alleine essen, später“ (Heidrun Stocke - Pflegende),

Druck erleben und sich juristisch absichern wollen

Von allen Beteiligten werden Situationen geschildert, in dem Sie „Druck erleben“. Druck er-zeugt innere Konflikte der handelnden Person. Innere Konflikte entstehen, wenn der Forde-rung nach oraler Nahrungszufuhr nicht entsprochen werden kann, wenn die Ressourcen ausgeschöpft sind und nicht genügend Zeit oder qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Innere Konflikte entstehen auch dann, wenn die zu versorgende Person die Nahrung ablehnt oder das Pensum der erforderlichen Menge auf Dauer nicht erreicht. Diese Problematik ist vor allem für die Pflegenden erfahrbar, die unmittelbar Verantwortung für das Essen und trinken reichen übernehmen Druck wird auch durch Forderungen seitens der Kontrollbehör-den wie dem MDK oder der Heimaufsichtsbehörde erlebt. Die Interviewteilnehmer schildern, wie sie sich zum Handeln verpflichtet fühlen.

„Aber sobald man natürlich auch ne Kontrolle hat, was solche Sachen angeht, wird es für den Be-wohner natürlich manchmal auch brenzlich, das ist dann halt, denke ich auch so diese Problematik, dann muss man den Menschen drängen zu diesen, dementsprechende Sollzahl zu essen und die Sollzahl zu trinken und er kann das dann meistens oft gar nicht mehr in der Form leisten und dann ist man in Druck, muss man alles Mögliche sich ausdenken, wie kann ich jetzt wirklich die Milliliter-zahl am Tag erhöhen, mach ich z. B. einen Wackelpudding, nehme dann Vorsuppen, habe ich dann die Kalorienzahl, die Nährstoffdichte der einzelnen Mahlzeiten, die ich dann erhöhe also dann muss ich manchmal schon erfinderisch sein“ (Verena Meißner - Pflegende)

Zum einen können sie diesen Druck an die Bewohner durch „Drängen“ weitergeben oder in Form einer künstlichen Ernährung die Situation entspannen. In allen Interviews ist die Suche nach der richtigen Entscheidung deutlich spürbar. Auch hier wird ein Konflikt geschildert, nämlich die richtige Entscheidung für den Bewohner zu treffen oder sich juristisch unangreif-bar zu verhalten. Die meisten der Befragten äußerten Befürchtungen, eine falsche Entschei-dung zu treffen, angeklagt zu werden oder die Entscheidung öffentlich verantworten zu müs-sen.

„Der Druck, der äußere Druck, der macht einen, der lässt einen eher dazu sagen ich stimme, als ich stimme nicht zu, weil man immer das Gefühl hat, da kommt sofort, es könnte mal eine Anklage kommen“(Sören Wißling - Arzt).

Die Angst, sich juristisch angreifbar zu machen erhöht die Bereitschaft einer PEG zuzustim-men, denn „der bequeme, der einfache Weg ist die PEG und der schwere und komplizierte Weg ist die Nicht-PEG.“ (Niklas Seifert - Arzt).

„ich mein jetzt z. B. einfach so ne Heimaufsicht z. B. oder auch eben so beim MDK, ja die gucken, wieso hat der Bewohner hier nur einen BMI nur von 18, sag ich jetzt mal, so, warum ist der unter-gewichtig, was für Maßnahmen haben sie ergriffen, was hat der Arzt gesagt, was hat der Betreuer, wo sind im Grunde genommen die Maßnahmen, die sie ergriffen haben, so das können Sie soweit machen, aber das ist immer ein wahnsinniger Wust an Arbeit, das ist richtig Arbeit, wenn Sie, Sie können ja nicht einfach mal eben so im Bewohnerzimmer entscheiden, o.k. ich lass mal heute den Bewohner in Ruhe, der möchte jetzt nicht essen und trinken, verhackstücken Sie das mit den An-gehörigen, verhackstücken Sie das mit, Sie müssen das alles schriftlich niederlegen, sie müssen alles in mehrfacher Art dokumentieren, warum und wieso, welche Versuche und m m m, das ist natürlich viel viel aufwendiger, als wenn ich sage, ja o.k. der hat dementsprechend einen geringen BMI, der will nicht mehr soviel essen, er will nicht so trinken, also zack ins Krankenhaus, ab PEG-Anlage, die kann ich bestücken, kann ich nach Bedarf, ist auch weniger zeitaufwendig, denn gebe ich so ein bisschen mal was zu essen, ein bisschen was zu trinken, ansonsten hänge ich die Fla-sche da dran, hänge ich Flüssigkeit da dran, habe immer die komplette Sollzahl, die ein Mensch so

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haben soll, ist ja auch nicht mal eben so auszurechnen, sie haben ein umfangreiches Krankheits-bild“ (Verena Meißner - Pflegende)

Unterstützt würde dieser Druck von einer schlechten Darstellung der Versorgungssituationen in den Heimen in den Medien. Schlagzeilen, wie „Bewohner ist verhungert“ führen dazu, dass man doppelt und dreifach vorsichtig sei, weil man hätte reagieren müssen (Ines Junkers - Pflegende).

„in der stationären Pflege erzählen die mir immer dass Heimaufsicht und Verhungert und Bild-Zei-tung und es ist alles zu gefährlich und es darf man nicht. Da bleibt einem nichts anderes übrig, denke ich“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Unterstützt würde dies auch durch die Unfähigkeit, den Tod zuzulassen oder die Angst sich dem Sterbeprozess zu stellen. Faktoren, die ebenfalls die Anlage einer PEG begünstigten. Das sei ein gesellschaftliches Problem und ein Problem unserer Zeit.

„weil ja im Grunde immer, im Grunde ist es ja wirklich so, wenn jemand nicht mehr isst und trinkt dann, dann wird er irgendwann sterben, aber der wird dann sterben, weil es halt so ist, und im Grunde wäre das ja auch ein natürlicher Prozess, der Sterbeprozess wäre auch natürlich, wir las-sen es aber nicht zu, also wir können nicht zugucken wie jemand stirbt, das können wir nicht mehr und weil wir das nicht können und im Heim möglicherweise gar nicht dürfen, weil da irgendwelche Kontrollen sind, sagt man sich, ja gut wir müssen, wir müssen, wir müssen Flüssigkeit rein be-kommen (Sören Wißling - Arzt).

Eine Pflegende beschreibt den Konflikt, in dem Entscheidungen getroffen werden, dass es einen gewissen Spielraum für Entscheidungen gibt, die professionell begründet werden kön-nen, dass letztlich jedoch im Zugzwang eine Handlung im Sinne eines „handeln müssen“ erfolgen muss.

„ja, wir haben ja nun mal den Expertenstandard Ernährung und der gibt ja nun gewisse Kriterien vor, und eh wir sind ja natürlich auch angehalten uns ein stückweit daran zu halten, en stückweit, weil jeder Expertenstandard wird auch mit Leben gefüllt, ne und ich denke, da muss man auch schon eine gerade Linie fahren, und auch sagen, wenn ich zum Beispiel jemand sehe, der völlig multimorbid ist, der im Endeffekt letztendlich sagt, ach lasst mich doch einfach nur in Ruhe, das ist manchmal für uns sehr schwierig zu entscheiden, lassen wir ihn in Ruhe oder tun wir irgendetwas, letztendlich sind wir verpflichtet was zu tun,“ (Gudrun Kohlmann - Pflegende).

Grenzen der Versorgungsstruktur

Pflegende und Ärzte schildern gleichermaßen, dass sie alternativ etwas tun wollen würden, aber durch Grenzen struktureller Art ausgebremst werden. Eine Pflegende merkt an, dass Maßnahmen, die Sinne der Bewohner zu stimulieren oder selbst etwas für sie zu kochen, um den Appetit anzuregen in der gängigen Altenheimstruktur sowohl organisatorisch als auch architektonisch nicht vorgesehen seien. Sie vermisse es gerade für die dementiell Erkrank-ten gemeinsam zu kochen oder sie in den Alltag zu integrieren. Dazu sei höchstens im Spät-dienst mal Zeit (Gudrun Kohlmann - Pflegende). Zeit sei eine wichtige Grundvoraussetzung beim Essen reichen, die oft nicht genügend vorhanden wäre (Ines Junkers - Pflegende).

„ja, Zeit auf jeden Fall, die Versorgung einer PEG geht schneller als wenn, ist ein ganz anderer Zeitfaktor, wenn sich jemand daneben setzen muss, und jede Nahrung dann anreicht, zwischen-durch denjenigen dann immer ermuntert, nehmen sie ein Schlückchen, (..)

weil ich bin der Überzeugung, essen ist Lebensqualität. Zeit haben für das Essen, der, der Zeit-faktor ist, ist ein ganz wichtiger und je nachdem welche Veränderungen bei dem alten Menschen vorliegen, sei es jetzt diagnostisch Krankheiten, durch eine Demenz, dann brauch der Mensch

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vielleicht dreißig, vierzig oder fünfzig Minuten, und kann aber in Ruhe sein Essen einnehmen. Die Zeit ist nicht, die Zeit ist nicht immer da (Karin Kridow - Pflegende).

Bei der Entscheidung für oder gegen eine PEG müsse man den Zeitfaktor jedoch außer Acht lassen (Heidrun Stocke - Pflegende). Nicht immer scheint dies möglich. Ein Arzt bemängelt die Qualität herrschender Versorgung in den Altenheimen. Dabei werden neben organisato-rischen Rahmenbedingungen auch Aspekte unzureichender pflegerischer Kompetenz ange-sprochen, die die Erwägung einer PEG beschleunigen. Er schildert seine Erfahrungen wie folgt:

„und auch in den Heimen oben, wissen Sie, eh das ist so desolat, Sie gehen dahin, da ist ne rus-sisch sprechende Pflegerin nicht wahr, (...), mit einer türkischen Vorgesetzten und eine deutsche, 88 Jahre alte Dame, die Durst hat, die kriegt ihre Tasse dahingestellt, die kommt nicht da dran, die kommt gar nichts, und kommt nach 5 Stunden wieder, und es ist genau und die kriegt ihr Essen hingestellt, was sie nicht wahrnimmt (...) und das! sind alles Dinge, wo man ernsthaft überlegen muss, natürlich bräuchte ich nur das Altenheim verbessern, ich bräuchte die Pflegesituation, nur das habe ich nicht, so wie kann ich das machen, da muss ich mir überlegen, welchen Vorteil hat mein mir anvertrauter Patient, wenn ich ihm helfe, dass er trinken kann, (...) und die derzeitige fi-nanzielle Versorgung in den Heimen, nicht wahr, im Rahmen ihrer Qualitäts-, ihrer Kräfte, nicht, ist schwierig, die zunehmenden Dokumentationsmaßnahmen behindern ja auch noch und da bleibt im Endeffekt an Versorgung der Patienten mit in Anführungsstrichen, nicht despektierlich "Hilfskräften" übrig, weil die, die verantwortlich sind dafür in andere Sachen eingebunden sind, leiden die Heime drunter, also, da kann man manchmal überlegen in Abhängigkeit von der Kenntnis und der Le-benssituation der alten Leute in Heimen, dass man da etwas liberaler noch ist mit der Indikation... (Ingo Klare - Arzt).

Andere Befragte stellen einen Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und Entscheidung für eine PEG her. Sie schildern, dass auch die eigene Be- und Entlastung die Anlage einer PEG begünstigen können.

„Wobei manchmal, gebe ich ehrlich zu manchmal, manchmal sagt man auch ja, komm egal mach, hau rein, damit man auch seine Ruhe hat, manchmal ist es auch so, für mich auch manchmal leichter dann, das gebe ich ehrlich zu. Bei so Fällen, wo man denkt ja, kann der nicht noch trinken, geht das nicht noch irgendwie, kann man vielleicht noch mehr machen und so, aber dann ist auch die Personalsituation im Heim nicht so optimal, wenn man ganz ehrlich ist und dann sind dann solche Kriterien spielen auch eine Rolle“ (Sören Wißling - Arzt).

„dass wir von zig Institutionen geprüft werden, finde ich auch richtig, ist o.k., hat aber für uns manchmal wirklich, bei der Arbeit, die auf uns lastet, und so viel ist, dass man wirklich, oder ich manchmal bestimmt schon Entscheidungen getroffen habe, gesagt, o.k. dann geht se eben ins Krankenhaus, dann wird ne PEG gelegt, ich kann es nicht länger verantworten, weil mir keiner hilft, sag ich einfach mal, (..), aber und dann sage ich manchmal wirklich, da habe ich es einfacher, ich brauche die PEG nur anzuschließen, und da ist wunderbar nachzuvollziehen für jeden, dann bin ich auf der sicheren Seite" (Monika Reichert - Pflegende).

Evaluation

In der dritten Phase des Entscheidungsprozesses geht es um eine Bewertung der getroffe-nen Entscheidung. Diese Überprüfung sei wichtig und würde oft vergessen.

„Dass ich denke so problematisch ist immer wieder dieser also bei PEG dann später sich mit dieser bestehenden PEG so dann auseinandersetzen fachlich und das was ich gesagt hatte mit diesen Zielen auseinandersetzen und die Ziele nicht einfach aus, aus den Augen verlieren und das heißt dann regelmäßig überprüfen. Was hat die PEG-Anlage, also das Legen einer PEG so gebracht, nicht nur die Zahlen, also die Parameter, die ich dann sehe, dass dann einmal in einem Monat so der Bewohner so einen Kilo zugenommen hat, sondern auch die anderen Aspekte, habe ich auch

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versucht oder habe ich überhaupt Versuch gestartet, dass ich ihm die Möglichkeit gebe, dass er dann irgendwann seine Ressourcen evtl. nutzen kann. Fähigkeiten, also selbstständig zu essen, trinken, ja” (Max Toschik - Pflegender)

Verläufe ohne PEG

Eine Pflegende berichtet von einer Situation, in der es als Quälerei für sich und den Bewoh-ner befand, das Essen anzureichen, weil dieser nicht mehr essen und trinken wollte. Es kam es zu einer Krankenhauseinweisung. Der Betreuer sprach sich gegen die Anlage einer PEG aus und der Patient verstarb innerhalb weniger Tage. Aus der Perspektive der Pflegenden hätte man durch Flüssigkeitsgabe eine Stabilisierung erreichen können, sie selbst hätte an-ders entschieden und war mit der getroffenen Entscheidung nicht zufrieden (Ines Junkers - Pflegende).

Über Situationen, in denen gegen eine PEG und für eine Sterbephase entschieden wurde, wurden nur von den Pflegenden angesprochen. In einem Fall waren sich alle Beteiligten bis auf die Pflegenden über das Vorgehen einig.

„da hatte derjenige halt so ne Patientenverfügung, wo es halt über eine PEG ging, und wo es auch um andere Geräte jetzt ging, was da halt drinsteht in so einer Patientenverfügung und da wurde die PEG halt definitiv abgelehnt und derjenige durfte dann halt in Ruhe dann auch sterben (..) für die Angehörigen war das in Ordnung, aber für einige vom Pflegepersonal her, die haben das wiederum nicht verstanden, das ist, da hat ja jeder sowieso wiederum seine eigene Meinung zu“ (Sandra Kutschke - Pflegende).

Denn „die Pflege hat immer noch mehr die Hoffnung - es wird schon wieder. ja?“ (Jörg Demmler - Pflegender)

„also wenn wir jetzt entscheiden müssten, wir würden ihr, da sind wir uns um Team auch einig, wir würden ihr ne PEG legen, weil wir das Gefühl haben, da kommt was“ (Martina Reger - Pflegende)

In einem anderen Fall wurde die Entscheidung für gut befunden keine PEG gelegt zu haben und eine gute Sterbephase gestalten zu können.

„Da war es so, das diese Frau einfach, ja das, dass wir dann verschiedene Dinge ausprobiert ha-ben und das hat auch geklappt, wie gesagt mit dem trinken, aber mit dem Essen war es dann ein-fach nicht mehr möglich und die ist verstorben und friedlich eingeschlafen. Das ging relativ schnell und da habe ich gedacht, vielleicht war es gut so, da keine PEG einzusetzen“ (Karin Kridow - Pfle-gende).

Verläufe mit PEG

Wurde der Entscheidungsprozess mit einem positiven Votum für eine PEG abgeschlossen, lassen sich aus den berichteten Fallbeispielen unterschiedliche Verlaufsvarianten beschrei-ben. Nach Angaben der Befragten ist es kaum vorhersagbar, wie lange eine PEG zum Ein-satz kommt.

Episodischer Einsatz der PEG

Situationen der ersten Variante sind dadurch gekennzeichnet, dass nach kurzer Kriseninter-vention die PEG stillgelegt oder erfolgreich gezogen werden konnte, weil die Patienten an-schließend in der Lage waren wieder selbstständig zu essen und zu trinken. Meist handelte es sich um eine Verbesserung der Allgemeinsituation nach unklaren oder depressiven Ver-stimmungen oder durch Wiedererlangung der Fähigkeiten nach Rückgang einer Schlagan-fallsymptomatik.

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„das war eine Frau die, die, der Sohn sagte immer, die stirbt sowieso, wir machen nicht s mehr, aber die war nicht so weit, dass sie stirbt, die war überhaupt nicht so weit und,(...) Die Frau lebt immer noch, ist schon, also die, und interessanter Weise, bei der war es interessanter Weise so, die bekam dann die PEG-Sonde und wurde auf, war dann auf, ein viertel Jahr oder so und dann hat die wieder selbst gegessen, die braucht sie gar nicht mehr, die hat sie noch liegen aber eigent-lich bräuchte sie die gar nicht mehr. Aber das war auch so ein Fall, wo man wirklich kurzfristig für ein viertel Jahr was machen konnte und dann ging es der wieder gut und der hätte die, der hätte die jetzt sterben lassen und aber die war klinisch einfach gut.“ (Sören Wißling - Arzt)

„Und da ist auch eigentlich zu sehen, dass gerade bei solchen Patienten es einher geht mit dem Schlucktraining, d. h. sie wird komplett versorgt, Flüssigkeit wie auch Nahrung, und auf der ande-ren Seite bemüht man sich trotzdem das Schlucken wieder zu aktivieren und wir haben im Moment einen Fall, wo das sogar ganz gut gelingt. Man fängt mit (kleinen) Flüssigkeit an oder eben halt mit nem Joghurt und das ist eine unterstützende Maßnahme bis man vielleicht soweit kommt, dass man auch eine PEG wieder absetzen kann. Das wird dann auch getan. Ne, man kann sie ja im Prinzip auch still legen und sagt, ja okay wir benutzen sie nicht mehr, weil es nicht gebraucht wird und wenn das Schlucktraining so gut ist, dass man hundert Prozent das so wieder übernehmen kann, dann ist PEG auch eigentlich in dem Moment reversibel, ne. Dann ist das so“ (Dieter Kronau - Pflegender).

Voraussetzung einer solchen Entwicklung ist ein positiver Krankheitsverlauf, eine situative Patientenbeobachtung und der beständige Versuch immer wieder Nahrung oral anzubieten und hängt eng mit den personellen und strukturellen Bedingungen der Versorgungssituation zusammen. Eine Ärztin merkt diesbezüglich an:

„und da haben wir ja auch absolut einige Fälle schon gehabt, wo man dann gemerkt hat, das reicht, die essen gut wieder und dass man dann die Sonde dann sogar wieder entfernt hat oder eben belässt für den Fall das dann mal Flüssigkeitsgabe nicht ausreichend ist, dass da aber gar keine Ernährung mehr drüber läuft, nur noch Flüssigkeit und das kann man eigentlich nur errei-chen, wenn vom pflegerischen her immer wieder, (...) Angebot da ist und Versuch da ist“.(Sigrid Kreuzer - Ärztin)

Auch Pflegende berichten, wie unterschiedlich mit einer liegenden PEG umgegangen wer-den kann und dass die persönliche Einstellung der Betreuenden einen wichtigen Einfluss ausübt, ob zusätzlich Nahrung angeboten wird.

„Deswegen es ist schon interessant was man bei der Begutachtung eines Bewohners erlebt, Be-wohner mit Apoplex links gelähmt, PEG- Anlage seit März 2008 und bekommt Biosorb ( ) PEG be-kommt er auch Flüssigkeit nach unsrer praktisch Berechnung so und so viel am Tag und wir kreu-zen bzw. führen unsere Tätigkeitsnachweise durch und da steht irgendwo im Bereich Ernährung steht Zubereitung Sondennahrung (..) da steht allerdings Zubereitung der Mahlzeiten und da habe ich unterzeichnet, abgezeichnet, also dreimal am Tag mit meinem Handzeichen, dann Zwischen-getränke reichen fünf Mal am Tag, da wurde ich gefragt warum, der hat doch PEG-Anlage. Da habe ich gesagt, weil der Mensch das will, der wünscht sich das, das ist die Hauptquelle () Mög-lichkeit ihn zu ernähren, aber ich habe ihm trotzdem drei Mal am Tag Essen angeboten, Pudding, Kekse zermatscht und Brot klein geschnitten und zu trinken habe ich ihm fünf Mal angeboten und deswegen habe ich auch die Zeit für den Menschen, für die Pflege, für die Pflege investiert und das war mir wichtig. Für ihn und für mich und das wird auch oft dann vergessen. Man denkt verdammt noch mal jetzt hat er drei Flaschen am Tag, hat er die Pumpe oder (9) oder wie auch immer oder Schwerkraft, so jetzt braucht er gar nichts mehr und da wird der Mensch als Mensch vergessen“ (Max Toschik - Pflegender).

Auf die Frage, wie man das merkt, dass ein Bewohner wieder essen und trinken kann und will, antwortete ein Pfleger:

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„Das kam dadurch, dass sie im Aufenthaltsraum war mit anderen Bewohnern am Tisch und wenn dann da was stand, dass sie auch selber zugegriffen hatte und was genommen hatte und dann konnten wir das dann irgendwann sehen und dann, wir haben auch Rücksprache mit dem Haus-arzt gehalten und der hat gesagt, ja, wenn das funktioniert, dann sollen wir mal weiter versuchen Sachen anzureichen (Hannes Berger).

Ein solcher Verlauf bestätigt die Handelnden in ihrer getroffenen Entscheidung. Das Ergeb-nis ist erfreulich, es kann eine positive Bilanz gezogen werden.

„Ja, bei dieser einen Bewohnerin, wo es sich dann hinterher gebessert hat, da waren die Angehö-rigen natürlich froh, dass es so gut verlaufen ist und dass sie auch wieder selber Nahrung aufneh-men kann“ (Hannes Berger).

Desweiteren werden Situationen geschildert, in denen PEG-Sonden liegen bleiben ohne benutzt zu werden. Dies geschieht aus Gründen der Sicherheit und Prophylaxe für den Fall einer Verschlechterung, die nicht immer auszuschließen ist, auch um einen erneuten Kran-kenhausaufenthalt zu vermeiden. Oder auch, um bei Bedarf, z. B. einem kurzfristigen Fie-berschub genügend Flüssigkeit verabreichen zu können. Das sei eindeutig ein Vorteil (Gud-run Kohlmann - Pflegende).

„Die Frage ist dann natürlich, wenn es dem Patienten wieder halbwegs gut geht, das ist eine viel wichtigere Frage, ziehen wir sie wieder raus? (..) Und was machen wir, wenn man sie raus gezo-gen hat, am nächsten Tag kriegt er wieder einen Apoplex oder irgend so was. Oder spülen wir sie nur ab und zu und lassen die Leute normal essen, aber PEG lassen wir drin, um eventuell mal nach zu füttern oder Flüssigkeit nach zu füllen oder irgend so was“ (Rainer Braun - Arzt).

In Situationen wie diesen herrscht Skepsis, ob eine dauerhafte Krisenbewältigung ange-nommen werden kann, die Bewertung bleibt verhalten und abwartend.

Dauerhafter, zeitlich nicht begrenzter Einsatz einer PEG

In anderen Verläufen gibt es keine Begrenzung zum zeitlichen Einsatz einer PEG. Hier scheint eine dauerhafte Gabe von Sondenernährung oder Flüssigkeit indiziert. Gründe hier-für sind eine unveränderte klinische Situation und keine Aussicht auf Besserung.

Eine Ärztin beschreibt eine Situation, in der die PEG lediglich zur Flüssigkeitssubstitution verwendet wird und die Patientin wieder oral essen und trinken kann.

„Ich hab eine Patientin, die profitiert schon. Sie ist ja untergewichtig und die hatte Nierenkoliken und bei Nierenstein inoperabel, weil sie halt alt ist und (..) die ist nicht dement, hat klar entschie-den: ich esse jetzt wieder, ich will das nicht mehr. Hatten wir überlegt, ob wir die ziehen und dann haben wir gesagt, ne, wegen der Flüssigkeit lassen wir ihr die, die schafft das nicht, zwei Liter zu trinken. Und das klappt gut. (..) Sie hat auch keine Koliken mehr seit dem. Und sie isst aber, ganz normal und die, denke ich, profitiert davon, dass sie keine Beschwerden hat. Die würde alleine nie Mals die zwei Liter schaffen, das kann sie einfach nicht mehr“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Obwohl die PEG weiter nötig erscheint, wird die Entscheidung positiv bewertet, ein Nutzen ist eingetreten.

Eine dauerhafte Vollsubstitution kommt nach Aussagen einer Pflegenden besonders bei irre-versiblen Schluckstörungen und implizitem Schluckverbot zum Tragen (Kati Nimwegen - Pflegende). Obwohl es nach Ansicht einer Pflegenden nicht so ist, „dass Leute mit PEG endlos leben“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende) berichten andere Befragte von Fallbei-spielen in denen Patienten seit mehreren Jahren mit einer PEG ernährt werden.

„Nee, also ich habe eine Patientin, die hat neunzehnhundertfünfundachtzig mit PEG das Pflege-heim, also kam ins Pflegeheim, hat dann nach sieben Jahren die PEG haben wir dann wieder zie-

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hen können. Sie hat mich noch nie bewusst wahrgenommen, sie lebt immer noch, ist in einem de-menten Zustand, hat dann glaube ich seit drei Jahren wieder eine PEG, das ist sehr, sehr schwie-rig. Also hätte man mich damals gefragt wie lang lebt die noch, hätte ich gesagt, weiß ich nicht vielleicht zwei Jahre, vielleicht auch drei und jetzt schreiben wir zweitausendundacht und sie lebt immer noch in diesem völlig dementen Dämmerzustand mit tausendfünfhundert Kalorien pro Tag, das ist sehr, sehr problematisch.“ (Niklas Seifert - Arzt)

„Also ich denke, ich habe eine Patientin, die hat vor zehn Jahren, vor zehn Jahren hat die eine PEG bekommen und die liegt im Bett, total abwesend, die wird gepflegt, die wird künstlich ver-sorgt, jetzt fängt sie an Dekubitalgeschwüre zu entwickeln aber ansonsten, sie reagiert nicht. Ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist“ (Rainer Braun - Arzt).

Situationen, wie diese werfen das Licht auf eine besondere Problematik der einmal getroffe-nen Entscheidung, die niemand verifizieren mag. Die PEG ist gelegt und erfüllt die Erwar-tung, die Ernährungssituation zu stabilisieren. Ein Nutzen im Sinne der Lebensqualität kann nicht klar beschrieben, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Die Pflegenden berichten von Angehörigen, die ihre Entscheidung im Nachhinein bereuen und sich fragen: „Warum haben wir dem zugestimmt? (Rudi Menrich - Pflegender). Es scheint, als befänden sich die Handelnden in einer Patt-Situation oder einem Entscheidungsvakuum. Die Entscheidung in Frage zu stellen und sich aktiv gegen eine Ernährung bei liegender Ernährungssonde zu entscheiden, gerät in das Grenzgebiet passiver Sterbehilfe. Eine Entscheidung, für die nie-mand die Verantwortung übernehmen will.

„Allerdings muss ich dazu sagen, die Dame hatte ein sehr starkes Herz und aber der Lebenswille fehlte, die Dame hat dann zwar einige Zeit oder mindestens zwei Jahre dann noch mit der PEG gelebt und die Tochter war dann enttäuscht gewesen, dass die Mutter dann praktisch nicht sterben konnte und das war dann für sie sehr schlimm. Sie hat dann im nach hinein hat sie gesagt, hätte ich das nur nicht tun lassen, denn meine Mutter, ist ja kein Leben, sie, sie vegetiert nur noch dahin und das war für die Tochter sehr, sehr schwer, denn sie wollte dann, hat mit dem Arzt gesprochen, dass sie die Nahrung absetzen können, das ging ja dann nun auch nicht mehr, das war sehr schwer für die Angehörigen, dass sie diesen Schritt gemacht haben.“ (Arina Schnürer - Pflegende).

„ich habe auch erlebt, weil viele Angehörige, die das später bereut haben, dass sie das zugestimmt haben, die haben das bereut, aufgrund dieses Vegetierens, die haben geweint, und die waren der Meinung, dass die leiden, ihre Mutter, ihr Vater“(Mari Minowski - Pflegende).

Eine Pflegende schildert, wie aus einer PEG, die zuerst nur zur Flüssigkeitssubstitution ge-dacht war, fast unbemerkt zu einer Vollernährung via PEG wird und dass die Grenzen flie-ßend sind.

„ich sag mal, wenn jemand dann nur teilweise isst oder nur teilweise trinkt, machen wir das ja auch so, dass wir teilweise was zu essen reichen und teilweise was dann über die PEG dann bestücken, dann will der, ich sag mal, dann am nächsten Tag weniger essen, dann irgendwann landet der im kompletten System der PEG-Bestückung, dann haben sie irgendwann so ein, das ist so ein schlei-chender Prozess, das ist echt oft so ein schleichender Prozess, dann ist das so aus der Routine draußen, normalerweise bin ich ja verpflichtet als Pflegekraft ihm auch wenigstens täglich etwas anzubieten, bin ich verpflichtet, aber irgendwann bei solchen Besetzungen wandert das dann ir-gendwo in der Versenkung“ (..) „und so kommt das dann ganz schnell zu einem ganz schleichen-den Prozess, dass nur noch die Bestückung da ist, so vielleicht kriegt er dann noch einen Joghurt oder einen Wackelpudding und das war´s und wenn die dann oftmals, dann oftmals, ich weiß nicht warum und wieso, aber sie sind dann natürlich optimal in Anführungsstrichen sind sie natürlich von der Ernährung her, von der Flüssigkeitszufuhr her, aber der Abbau schreitet ja trotzdem voran, und irgendwann liegen die komischerweise alle im Bett und sind nur bedingt mehr mobilisierbar und dann entsteht, ich sag nur und dann entsteht, weil der BMI muss ja erhalten bleiben, dann entsteht hier so n riesen Trommelbauch, das Bauchfett, das das wächst, die Gliedmaßen, weil die Mobilität eben weniger ist, habe ich ganz dünne Gliedmaßen, der Muskelabbau findet statt und das erleben

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wir hier ganz ganz häufig, dass dann auf einmal die Leute nur noch bestückt werden, die liegen da, wie so lebendige Leichen, über Jahre hinweg, und werden ernährt, bekommen ausreichend Flüs-sigkeit, werden gelagert alle zwei Stunden, werden eben grundpflegerisch versorgt, kriegen irgend so n buntes Tuch oder ein Mobile dahin, sind aber schon komplett in einer anderen Welt, und em weiß ich nicht, also da, unter Leben stell ich mir dann noch n bisschen was anderes vor, als das einfach so, als das, was dann so am Ende dieser ganzen Prozedur dann entsteht, nach zig zig Jahren, (…) nur wenn die einmal liegen, dann liegen die, dann ist es dann nicht mehr zur Flüssig-keitsbilanzierung gewesen, dann ist hinterher doch ne Sondenkost dazugekommen, dann ist noch ne Sondenkost dazugekommen und dann irgendwann haben wir dann das Problem gehabt, dass Sie irgendwann im Bett gelegen hat, dann waren eben halt andere Erkrankungen, die dann noch dazukamen, und dann wir dieser Sterbeprozess, der wird einfach dann so wahnsinnig lang, der wird dann manchmal Jahre! die quälen sich manchmal Jahre, die haben dann solche Trommelbäu-che, darum geht es einfach, (Verena Meißner - Pflegende)

Anders scheint es zu sein, wenn auch bei liegender PEG eine Sterbephase eindeutig er-kennbar ist.

„Die PEG kann man ja auch so nutzen, mittlerweile kann man eine PEG auch so nutzen, dass, wenn man sieht, dass ein Bewohner im Sterben liegt, oder die letzten Wochen anfangen, denke ich ist man mittlerweile so weit, und kann Sondenkost reduzieren, man kann das ja human anpassen und denjenigen nicht mit Nährstoffen vollpumpt, die gar nicht mehr verwertet werden können, also wenn man die PEG so nutzt, sehe ich eigentlich keine Probleme“ (Meike Saalfeld - Pflegende).

Verbesserungspotentiale / Persönliche Empfehlungen

Zum Abschluss des Interviews hatten die Befragten die Möglichkeit persönliche Empfehlun-gen zu äußern, die helfen könnten, den Entscheidungsprozess zu verbessern.

Einige der Pflegenden sind mit der gängigen Praxis der Entscheidungsfindung zufrieden und sehen keine Notwendigkeit einer Verbesserung.

„Es ist gut, wie es ist“ (Ines Junkers - Pflegende)

Das heißt, wenn man das in dieser Form beibehält, so wie ich das jetzt kenne, die ersten drei, vier Jahre. Dass man praktisch sich mit Informationen austauscht, dass man dann gewisse Parameter festhält, schriftlich, immer wieder die Messungen macht. Körpergewicht, Hautzustand, auch so ge-wisse Körperteile Umfang messen, je nachdem. Veränderungen in der Psyche des Menschen auch berücksichtigen und dann irgendwann sich mit dem Thema so ja, PEG jetzt legen oder nicht, das finde ich in Ordnung“ (Max Toschik - Pflegender).

Eine wichtige Forderung war die nach einer guten, aber praktikablen Aufklärung der Angehö-rigen über Sinn, Zweck und Möglichkeiten einer PEG. Die Informationen sollten realistisch und vor allem überschaubar sein und besonders den Angehörigen helfen, die ängstlich und unsicher in der Entscheidung sind. Zur Form der Informationstransfers wurde verschiedenes vorgeschlagen. Viel Papier würde nicht gelesen, das müsse man bedenken (Klaus Krämer - Arzt), Genügend Material sei auch vorhanden, das müsse man nur nutzen. Manche Angehö-rige nähmen dieses jedoch sehr gerne auf (Gudrun Kohlmann - Pflegende), einfache, aber informative Broschüren können mit nach Hause genommen und gelesen werden, wenn sie es wollen, Gespräche seien oft zu spontan (Meike Saalfeld - Pflegende). Auch Informations-veranstaltungen könne man machen (Niklas Seifert - Arzt), würden aber häufig nur von Per-sonen besucht, die unmittelbar von der Thematik betroffen wären, dafür sei eine PEG doch recht selten (Rainer Braun - Arzt). Nach Ansicht einer Pflegekraft muss die Beratung der Angehörigen professionell sein, was bedeutet, die persönliche Einstellung „außen vor“ zu lassen und eine getroffene Entscheidung zu respektieren (Kati Nimwegen - Pflegende). Di-rekte Anschauungen einer PEG können Berührungsängste mildern und konkrete Fragen

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beantworten helfen (Martina Reger - Pflegende). Auch Information über das Internet würden mittlerweile von vielen Angehörigen genutzt.

„Ja also, Papier, aber auch schon Internet. Weil viele, die jetzt kommen, ne. Wenn die googeln, PEG, dass dann sowas kommt. (Machen viele...) Weil es gibt, natürlich haben wir auch einen Großteil Angehörige, die sind so um die siebzig, aber wir haben natürlich mittlerweile auch Ange-hörige, die sind vierzig, die können alle mit dem Internet umgehen“ (Irmgard Buschmühler - Pflegende)

Einen großen Verbesserungsbedarf sahen die Beteiligten für die Situation in den Kranken-häusern, in denen Veränderungen im Aufklärungsstil unter der Devise: Information statt Druck dringend erforderlich seien (Sandra Kutschke - Pflegende).

Eine Ärztin empfahl eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Thematik des „Lebensen-des“ im Familienverbund und wünschte sich eine sachlichere Darstellung in den Medien (Sabine Murnau - Ärztin). Einige Pflegende wünschen sich nicht nur mehr Sachlichkeit, son-dern auch mehr positive Berichte über die Versorgungssituation z. B. von Erfolgen mit einer PEG, die dann wieder gezogen werden konnte (Ines Junkers - Pflegende). Das Thema müsse in der Öffentlichkeit stärker präsent sein und die allgemeine Bevölkerung erreichen, damit ein Tabu aufgelöst würde. Auch müsse man von professioneller Seite das Thema frühzeitiger ansprechen und stärker kultivieren (Lisa Griffler - Pflegende).

„und ich denke, ich kann das nur mit meinen Kindern besprechen, das die dann, in dem Falle, wenn ich mich nicht mehr äußern kann, für mich entscheiden also, das man immer im Gespräch bleibt, das die wissen, was meine aktuelle Verfassung ist, was ich so gerade möchte“ (Martina Re-ger - Pflegende).

Wie bereits erwähnt legen die Befragten sehr viel Wert auf das direkte persönliche Ge-spräch. Ein formalisiertes Vorgehen zur Ermittlung des Patientenwillens wurde von einem Arzt zum Zeitpunkt der Aufnahme in eine Einrichtung empfohlen. Andere sahen dies skepti-scher:

„ ich persönlich halte nichts davon, dass so zum standardisierten Zeitpunkt zu machen, weil es eben sehr individuelle Entscheidung ist und ich versuch, wenn es irgendwie geht, das halt recht-zeitig zu besprechen, aber der Punkt ist halt bei jedem anders und je theoretischer man das macht, desto weniger hilfreich ist es ja dann“ (Sabine Murnau - Ärztin).

Eine Pflegende wünscht sich „kürzere Wege der Entscheidung“ (Gudrun Kohlmann - Pfle-gende). Andere, dass eine bessere Vorarbeit geleistet würde, um direkt handlungsfähig zu sein.

„Ich denke, wir haben schon eine sehr große Entscheidungskraft, also - mehr wünschen? - viel-leicht etwas bessere Vorarbeit, also die nicht die Pflege leistet, sondern die einfach fertig ist, wenn die Pflege ihre Arbeit beginnt,(...) dass man dann wirklich die Materialien zur Verfügung hat und ei-gentlich viel klarer, zügiger, unaufgeregter arbeiten kann, das wäre eher wünschenswert (Meike Saalfeld - Pflegende)

„wenn im Vorfeld geklärt werden könnte, wenn dieser Tag X kommen sollte, dass man dann auch handeln darf, dass man nicht mehr groß telefonieren muss, und praktisch so erst auch Personen davon überzeugen muss“ (Jörg Demmler - Pflegender).

Hierzu könne man durch Schulungen des Personals einen verbesserten Wissenstransfer ermöglichen und Ängste auf Seiten der Professionellen abbauen, (Lisa Griffler - Pflegende). Das gelte auch für junge und unerfahrene Ärzte (Monika Reichert – Pflegende)

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Eine engere Zusammenarbeit der Akteure wurde von den meisten Befragten als sinnvoll und erstrebenswert erachtet. Ein Arzt betonte besonders die Kooperation der Ärzte untereinan-der, auch eine frühzeitigere Anlage einer PEG sei zu überdenken:

"mein Votum, das wichtigste: PEG ja, bei einem speziellen Patientenklientel, dass diese Indikation hat, dann aber bitte ein bisschen früher als bisher, solange er noch bewusst profitieren kann“. (Ingo Klare - Arzt)

Eine Pflegekraft wünscht sich eine weniger betriebswirtschaftliche Ausrichtung der Pflege-kultur, sondern eine Versorgungsstruktur, die stärker alltagsbezogen, an sinnvoller Beschäf-tigung und menschlicher Wärme für die alten Menschen orientiert ist (Gudrun Kohlmann - Pflegende). Vor allem für Menschen mit Demenz, die oftmals das Essen nur vergessen müsse man alternative Betreuungskonzepte einführen und auf ungewöhnliche Esskulturen, wie z. B. Fingerfood zurückgreifen (Sandra Kutschke - Pflegende).

Für alle befragten Ärzte und Pflegende ist Individualität das zentrale Kriterium der Entschei-dung, die von Person zu Person getroffen werden müsse und für die ein standardisiertes Vorgehen nur bedingt von Nutzen wäre. Es bliebe „schwierig“ und sei auch weiterhin eine Einzelfallentscheidung, mit oder ohne Entscheidungshilfe, die immer nur aktuell getroffen werden kann.

„nein, dass, was jetzt zählt, ist akut entscheidend nicht was vor paar Jahren mal entschieden wor-den ist ne? weil noch der Betroffene ändert auch seine Ansichten, weil er vor Jahren als er dieser Entscheidungen getroffen hat konnte er sich gar nicht vorstellen, wie ist das wenn man unterer-nährt ist wie ist das wenn man so geschwächt ist dass man dem Tod sehr nahe ist, die Entschei-dung kann keiner für sich im Vorfeld definitiv treffend, ich kann nur mir vorstellen als meiner jetzi-gen gesunden Situation möchte ich das nicht“ (Jörg Demmler - Pflegender).

„also ich denke, dass man diese Entscheidungsprozesse, dass die immer schwer bleiben werden, egal was kommt, oder welche Hilfsmittel man auch hat, weil da spielen immer Emotionen mit, und der, der die Entscheidung treffen muss, der Betreuer, der Angehörige, (...) entscheidet immer aus der Emotion heraus, in der er sich gerade befindet, ich weiß nicht, ob ich für mich eine Patienten-verfügung machen werde, weil ich jetzt sage, das möcht ich nicht, ich will keine lebensverlängern-den Maßnahmen, ich weiß aber nicht, was ich will, wenn ich jetzt in dieser Situation bin“ (Martina Reger - Pflegende)

Ein Arzt fasst seine Empfehlungen folgendermaßen zusammen:

„die PEG früh genug einzusetzen, das in einem vernünftigen Kreis der Verantwortlichen mit zu dis-kutieren, wozu die Familie, die Pflegedienste und die Krankenhäuser gehören und auch die Idee abzubauen, dass die PEG etwas ist, was der Willensverfügung eines Patienten nicht entgegen-steht, mit keiner PEG verlängern Sie das Leben, sie verbessern nur die Lebensqualität oder sie ist sinnlos. Ich bin überzeugt dass von den spät implantierten PEGs 70% unsinnig sind, ich gehe da-von aus, dass 50% eine PEG, die davon profitieren könnten nicht kriegen“ (Ingo Klare - Arzt)

6.3 Zusammenfassung

Entscheidungsprozesse

Entscheidungsprozesse durchlaufen einen Regelkreis. Im Sinne eines Phasenmodells las-sen sich drei wesentliche Einheiten unterscheiden. Die Phase vor der Entscheidung, in der beobachtend und meinungsbildend gearbeitet wird, die Phase des Entscheids mit der Kon-sequenz einer Handlung oder einem Handlungsverzicht und die Phase nach getroffener Ent-scheidung, in der die Entscheidung überprüft, bewertet und ggf. revidiert wird.

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Entscheidungsprozesse zur Anlage einer PEG dauern je nach Indikation zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen, manchmal auch Monate. Die meisten Entscheidungen wer-den in den Kliniken getroffen.

Entscheidungsprozesse zur Anlage einer PEG stellen sich komplex und uneinheitlich dar. Uneinheitlich, da die Krankheitsbilder und die Interventionsdauer differieren und spezifische Entscheidungen notwendig machen. Uneinheitlich auch, da viele Akteure zu unter-schiedlichen Anteilen und Zeitpunkten beteiligt sind und den Prozess beeinflussen.

Neben akuten, meist als unproblematisch erlebten Entscheidungssituationen lassen sich drei Konfliktfelder der eher langsam fortschreitenden, chronischen Krankheitsprozesse identifi-zieren. Die kritische Ernährungssituation in der Phase der Entscheidungsfindung, der nicht eruierbare Bewohnerwille mit besonderer Auswirkung in der Phase des Entscheids, und in Phase drei die fehlende Evaluation einer einmal befürworteten PEG. Diese problematischen Entscheidungsfindungen sind weniger wegen der Häufigkeit ihres Auftretens, als vielmehr wegen der Konfliktträchtigkeit und Dominanz im Stationsalltag für alle Beteiligten bedeutsam und besitzen für die Situation der stationären Altenhilfe typischen Charakter.

Akteure und Rollen

Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem erlebten und dem formalen Entscheidungsprozess. Formal und nach Ansicht der Befragten gelten die Bewohner/Patienten als die primären Ent-scheidungsträger. De facto sind die wenigsten Bewohner/Patienten in stationären Einrich-tungen der Altenhilfe entscheidungsfähig, noch ist ein Wille bekannt oder schriftlich fixiert. In diesen Situationen übernehmen Angehörige mit Betreuungsvollmacht oder beauftragte Be-rufsbetreuer stellvertretend die Entscheidungsverantwortung. Familienangehörige sind stark emotional involviert, durch Rollenkonflikte mit der Entscheidung oft überfordert oder schlecht beraten. Berufsbetreuer zeichnen sich durch Nichtpräsenz aus und vollziehen einen forma-len Akt der Unterschrift ohne mit der Person tatsächlich in Verbindung zu stehen.

Pflegende sind durch ihren engen und häufigen Kontakt mit Bewohnern Informationsträger in Bezug auf ein „Nicht essen und trinken wollen oder können“ und lösen initial einen Entschei-dungsprozess aus. Ärzte treffen die medizinische Indikation und bleiben je nach professio-nellem Schwerpunkt mit den Pflegenden vermittelnd, beratend und aufklärend tätig. Pfle-gende lehnen hingegen eine stärkere Verantwortungsübernahme im Prozess ab. Die eigent-

Abbildung 4: Konfliktfelder im Entscheidungsprozess

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liche Entscheidung verbleibt aufgrund der Insuffizienz formaler Entscheidungsträger in ärztli-cher Hand.

Konflikte werden vor allem zwischen den Institutionen als Schnittstellenproblematik be-schrieben, indem es zu einer Lücke im Informationstransfer zwischen den Kliniken, den Al-tenheimen und den Arztpraxen gibt.

Entscheidungsfindung

Entscheidungen zur Anlage einer PEG werden individuell, durch Abwägen der Vor- und Nachteile anhand der vorliegenden Diagnose im Hinblick auf den erwarteten Nutzen aus Krankheitsverlauf, Lebensqualität und Lebenserwartung getroffen und dem Patientenwillen gegenübergestellt. Schwierige Entscheidungssituationen sind solche, in denen eine kaum merkliche Verschlechterung der Ernährungssituation täglich fortschreitet, keine klare Prog-nose gestellt werden kann, ein Nutzen nicht sicher scheint und ein mutmaßlicher Wille nicht bekannt und/oder erfahrbar ist. Eine PEG steht hier am Ende aller Maßnahmen. Für Indikati-onsstellungen zur Anlage einer PEG in Einrichtungen der Altenhilfe ist das der typische Fall. Der Rückgriff auf persönliche Wertvorstellungen und das eigene ethische Bewusstsein sowie situativer Aspekte treten in den Vordergrund der Entscheidung.

Es lassen sich episodische Implementierungen zur akuten Krisenintervention und dauerhafte Anlagen einer PEG unterscheiden. Eine Vorhersagbarkeit scheint nicht gegeben.

Instrumente zur Entscheidungsfindung wie Fallbesprechungen oder Entscheidungshilfen spielen aktuell eine marginale Rolle und werden kritisch diskutiert. Patientenverfügungen sind wichtig, liegen in der Realität jedoch nicht vor oder sind nicht aktuell oder explizit genug.

Eindeutige Indikationen, Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen oder die Vorlage einer aktu-ellen und gültigen Patientenverfügung sowie ein Konsens der Entscheidungsträger sind Faktoren, die eine Entscheidung erleichtern.

Im Gegenzug wird eine Entscheidung erschwert, wenn eine unklare Prognose in Zusam-menhang mit einer Nichteinwilligungsfähigkeit des Betroffenen vorliegt, Angehörige nicht vorhanden oder verfügbar sind und der mutmaßliche Wille fraglich bleibt. Mangelnde Infor-miertheit kann den Prozess beschleunigen oder verzögern, führt jedoch häufig zu einer Ne-gativbewertung der Entscheidung. Konträre Meinungen und Konflikte in der Zusammenarbeit der Professionen erhöhen die Unzufriedenheit der Beteiligten im Prozess.

Dilemmata

Sichtbare Mangelernährung und dokumentierte oder messbare Ernährungsdefizite erhöhen den Druck auf die Handelnden im Sinne eines „Handeln müssens“. Prüfungen durch den MDK, der Heimaufsicht und eine Angst sich juristisch angreifbar zu machen, also eine Fehl-entscheidung zu treffen, in Verbindung mit einer schlechten Versorgungsstruktur wirken als Verstärker in diesem Prozess. Sie unterstützen den als bequemer und einfacher wahrge-nommenen Weg, eine PEG-Anlage zu befürworten. Als schwerer und komplizierter wird die Entscheidung gegen eine PEG-Anlage gesehen.

Essen zu reichen entgegen dem Willen oder ein Verschlucken zu provozieren bedeutet Schaden zufügen und eine „Quälerei“. Attribute, die helfender Tätigkeit prinzipiell entgegen-stehen. Kein Essen zu reichen bedeutet über kurz oder lang den Tod. Maßnahmen zur Vermeidung einer PEG bieten keine wirkliche Alternative. Wenn zudem ein klarer Nutzen der PEG nicht beschrieben werden kann und nicht auszuschließen ist, dass die PEG Leiden

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verlängert und Siechtum fördert, geraten die Beteiligten in eine Zwickmühle der Entscheidung. Ein klassisches Dilemma zeichnet sich ab, nämlich die Wahl zwischen zwei oder mehreren schlechten Alternativen. Unterstützt wird dies wiederum durch mangelnde argumentative Kraft die Entscheidung zu einer einmal gelegten PEG ohne Zustands-besserung wieder rückgängig machen zu können.

6.4 Grenzen vorliegender Untersuchung

Grenzen vorliegender Untersuchung liegen in der Wahl des Zugangs und in der Sättigung vorhandener Daten.

Wie oben beschrieben wurde eine Vorauswahl möglicher Teilnehmer durch die Einrichtun-gen vorgenommen, um geeignete Interviewteilnehmer zu finden, die sich an der Untersu-chung beteiligen und ihr Wissen weitergeben wollen. Die Voraussetzung zur freiwilligen Teil-nahme und der Involviertheit in das Thema führt zu einer starken Selektion der Interview-partner. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich dieser Selektionseffekt auf vorlie-gende Daten insofern ausgewirkt hat, als dass vor allem engagierte und um den Patienten /Bewohner sehr bemühte Ärzte und Pflegende ihre Erfahrungen im Umgang mit einer PEG mitgeteilt haben. Es ist also davon auszugehen, dass es sich bei aufgezeigtem Ablauf des Entscheidungsprozesses und seiner Einflussfaktoren um ein „beschönigtes Abbild der Rea-lität“ handelt. Dennoch zeigt sich bei beiden Teilnehmergruppen in Bezug auf vorhandene Qualifikationen, wie Ausbildungshintergrund, vorhandene Spezialisierungen und Art der Tätigkeit eine deutliche Heterogenität, die diesen Effekt abmildern können. So konnten ei-nige klare Positionen herausgearbeitet und den eher diffus verlaufenden Prozessen gegen-übergestellt werden. Auch sind geschilderte Konflikte und Selbstdarstellungen der reell han-delnden Akteure von Offenheit geprägt und zeigen ein vielschichtiges spannungsgeladenes Wechselspiel aus Irritationen des Für und Wider auf, denen sie bei der Anlage einer PEG ausgesetzt sind. Das bestärkt, dass von einer gewissen Wahrhaftigkeit der Aussagen aus-

Abbildung 5: Spannungsfeld "Druck erleben"

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zugehen ist, die nicht den Eindruck erwecken, als hätten sich die Interviewteilnehmer für das Interview verstellt, absichtlich die Unwahrheit gesagt oder versucht ein verzerrtes positives Bild der Entscheidungsprozesse zu zeichnen oder negative Aspekte aus der Schilderung auszuschließen. Lediglich bei einigen Pflegekräften war zu spüren, dass sie fürchteten ein geäußerter Verbesserungsvorschlag könnte als Kritik an der eigenen Einrichtung ausgelegt werden und führte zu einer Betonung besonderer Qualitäten der Einrichtung.

Eine Sättigung der Daten liegt dann vor, wenn keine neuen Aspekte gefunden oder vermutet werden können und bezieht sich auf die theoriebildende Funktion qualitativer Forschung. Mit vorliegender Untersuchung wurde jedoch ein vorwiegend deskriptives Ziel verfolgt, den Ent-scheidungsprozess zu rekonstruieren, wie er sich in der Realität und im Alltag der Akteure zeigt. In diesem Zusammenhang zeigt sich ein Problem, das in den Äußerungen selbst liegt. Einige der Fallbeispiele liegen einige Jahre zurück und gehören in den Erfahrungsschatz der Interviewteilnehmer. Nicht immer ist bei geschilderten Situationen die zeitliche Dimension zuordbar gewesen. Der Umgang mit einer PEG hat sich vor allem in letzter Zeit sehr im Sinne eines kritischen und bewussteren Umgangs hinsichtlich der Beachtung der Patienten-autonomie oder der Zusammenarbeit mit Angehörigen gewandelt. Deshalb können berich-tete Beispiele nur als erlebte Realität interpretiert werden und könnte erklären, warum in vor-liegender Dokumententenanalyse der Krankenhausakten die Angehörigen entgegen man-cher Interviewaussagen in den Prozess immer einbezogen waren.

Es ist aufgrund der Wahl der Interviewteilnehmer durchaus denkbar, dass sich weitere As-pekte und Einflussfaktoren auswirken können oder eine andere Betonung erhalten, wenn weitere Personen befragt worden wären oder eine gezieltere Auswahl stattgefunden hätte. Auch wäre im Sinne einer theoriegeleiteten Auswahl die Perspektive der Patien-ten/Bewohner, der Angehörigen und Berufsbetreuer wichtig für eine Datensättigung. Dies muss Aufgabe anderer Forschungsprojekte sein.

6.5 Diskussion

Die Auswertung der Experteninterviews ergab, dass es nach Einschätzung der Befragten eindeutige Indikationsstellungen gibt, wie die einer ausgeprägten Dysphagie, bei denen eine frühzeitige Anlage unumstritten ist und allgemein empfohlen wird (Löser et al., 2005; Volkert et al., 2004). Problematische Entscheidungsfindungen beziehen sich eher auf chronische Verläufe einer langsam fortschreitenden Ernährungssituation, einhergehend mit unklarer Inappetenz bis hin zum Ablehnen von Nahrung seitens des alten Menschen. Sie sind nicht zwingend durch die Häufigkeit des Auftretens gekennzeichnet, sondern durch ihren zeit- und raumfordernden Charakter und ihrer Dominanz im Stationsalltag. Solche Entscheidungs-situationen sind für die Altenheimsituation besonders typisch und werden von allen Beteilig-ten als schwierig und belastend empfunden. In den aus der Dokumentenanalyse vorliegen-den Daten (vgl. Quasdorf, Bartholomeyczik in dieser Untersuchung) kann in etwa der Hälfte der Fälle eine chronische Verschlechterung der Ernährungssituation zumindest ange-nommen werden. Becker und Hilbert (2004) zeigen in ihrer Untersuchung, dass in immerhin einem Drittel der Untersuchten eine drohende Unterernährung und eine Exsikkose für die PEG-Anlage verantwortlich gemacht werden konnte.

Schwierigkeiten für die Pflegenden beginnen bereits zu einem Zeitpunkt, wenn von einer PEG noch gar keine Rede ist und sie sich erfinderisch um ein situativ und zugleich biogra-fisch orientiertes Angebot an regelmäßiger, ausgewogener, den Mund- und Zahnverhältnis-sen angepasster Nahrung bemühen müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Vermei-dung einer Mangelernährung zentrale Aufgabe von Pflegenden ist (Schreier,

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Bartholomeyczik 2004), wäre eine PEG in diesen Situationen das Synonym für ein Versagen der Profession. Aufgezeigte Dilemmata bestätigen die Situation der Pflegenden in einem Spannungsfeld aus handeln müssen gegen ein nicht essen und trinken können/wollen. Ergebnisse der qualitativen Studie zur Nahrungsverweigerung in der Pflege von Borker (2002) konnten fast deckungsgleich diesen Konflikt bestätigen, der auch in älteren Untersuchungen als double-bind Situation beschrieben wird (Aakerlund, Norberg 1993) und als moralisch belastend erlebt wird (Schwerdt 2005). Borker (2002) entwickelte daraus ein Nahrungsverweigerungsmodell mit den Kategorien müssen und nicht wollen oder können, wobei in diesem Fall müssen die auslösende Funktion einer Nahrungsverwei-gerungssituation übernimmt. Je stärker die beiden Pole ausgeprägt sind, desto größer zeigt sich das Spannungsfeld. Spannungsabbau kann durch Aufgabe einer der beiden Positionen erfolgen. Geben die Pflegenden auf, ist die Konsequenz ein Verhungern oder eine künstliche Ernährung (Borker 2002: 322). Ein Argument, was häufig als Grund für die Anlage einer PEG verwandt wird (Synofzik 2007). Wie sich in der vorliegenden Untersuchung zeigt, kann ein Spannungsabbau in manchen, den episodisch eingesetzten PEG-Sonden gelingen und führt zu einer positiven Bilanz. Durch die Unvorhersehbarkeit der Anlagedauer und der Ungewissheit eines Garants auf Erfolg geraten die Handelnden erneut in einen Entscheidungskonflikt. Pflegende lösen an dieser Stelle einen Entscheidungsprozess für oder gegen eine PEG aus und übergeben der ärztlichen Profession die Aufgabe der Indikationsstellung. Diese müssen ihrerseits nun handeln gegen eine Unbekannte, dem nicht eruierbaren Willen der Person, die eine PEG erhalten soll oder nicht. In einem Geflecht insuffizienter Entscheidungsträger, die aufgrund mangelnder Fähigkeit, Kenntnis oder Zeit der ärztlichen Empfehlung vertrauen, werden und bleiben Ärzte die eigentlichen Entscheidungsträger. Wie eingangs aufgezeigt ist dies kein isoliertes Ergebnis. Sämtliche Untersuchungen zum Thema bestätigen die gewollte oder ungewollte Dominanz ärztlicher Entscheidungsträgerschaft (Van Rosendahl et al. 1999). Auch wurde die Funktion der Pflegenden als Fürsprecher im Hintergrund der Entscheidung, wie sie von Todd et al. (2005) beschrieben wird in vorliegender Untersuchung bestätigt. Dass die Pflegenden ihre Rolle adäquat finden und ein mehr an Entscheidungsverantwortung nur selten befürworten, obwohl sie in vorliegender Untersuchung nur geringfügig in den Prozess einbezogen waren (vgl. Quasdorf und Bartholomeyczik in dieser Untersuchung), kann damit erklärt werden, dass sie ihren Verantwortungsbereich vor allem im Bereich des Nahrunganreichens sehen. Andererseits nimmt die berufliche Sozialisation als Assistenzberuf, in dem nur auf Anweisung gehandelt, aber nicht selbst entschieden wird, darauf starken Einfluss. Ein Aspekt, der erst mühsam durch die Einführung professionellen Handelns aufgrund eigener Pflegediagnosen revidiert werden musste und auch weiterhin erfolgen muss. Die besondere Rolle im Entscheidungsprozess benötigt nach Köpke und Meyer (2005) dringend eine Kompetenzstärkung. Sie empfehlen hier die Befähigung Entscheidungen zu treffen sowie den Ausbau von Beratungskompetenz, was dringend unterstützt werden muss.

Ein drittes Dilemma zeigt sich in der Phase der Evaluation einer getroffenen Entscheidung, wenn eine Ernährung via PEG mitunter jahrelang ohne sichtbaren Nutzen erfolgt. Der allge-meine zögerliche Haltung eine liegende PEG wieder entfernen zu wollen, scheint neben dem Aspekt, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt bei eintretender Verschlechterung erneut als nützlich erweisen könnte auch an Angst vor einer Fehlentscheidung oder auch mangeln-dem Wissen über die herrschende Rechtslage zu liegen. Marckmann (2007) ordnet den Ab-bruch oder die Unterlassung einer Sondenernährung eindeutig der passiven Sterbehilfe zu, gibt aber zu bedenken, dass diese nach dem Strafgesetzbuch unter bestimmten Vorausset-zungen nicht nur erlaubt, sondern geboten sei. Seiner Ansicht nach sei jedoch bereits die Anlage einer PEG rechtfertigungsbedürftig. Es müsse daher im Vorfeld geklärt werden, unter

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welchen Bedingungen eine PEG überhaupt legitimiert werden kann. Ein Argument, welches die gründliche Entscheidungsfindung und den Einsatz von Entscheidungshilfen nicht nur unterstützt, sondern dringend für notwendig erklärt und außerdem für die Entscheidenden zur Druckentlastung beitragen kann.

Grundsätzlich wird ein sorgfältiges Abwägen des Nutzens einer PEG im Vorfeld einer Ent-scheidung empfohlen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005; Finucane et al., 1999; Löser et al., 2005). (Marckmann (2007) weist außerdem daraufhin, dass bei der Entscheidung zwi-schen Wirksamkeit und Nutzen unterschieden werden muss und die Lebensqualität die Ent-scheidung maßgeblich lenken soll. Auch wenn sich dies anhand der Aktenanalyse nicht klar darstellen lässt (vgl. Quasdorf und Bartholomeyczik in dieser Untersuchung) zeigt sich in den von den Interviewten geschilderten Entscheidungssituationen nachweislich, dass die Inter-viewten eine Entscheidung selten aus dem hohlen Bauch treffen als vielmehr ernsthaft darum bemüht sind eine begründete und für den Betroffenen sinnvolle Entscheidung zu treffen, die sich an empfohlenen Parametern orientieren. Da diese oftmals nicht vorhersag-bar, geschweige denn erfahrbar sind, scheinen die Akteure auf sich selbst gestellt zu sein. Ein weiterer Aspekt, der für die Entwicklung und Implementierung einer Entscheidungshilfe sowohl für Angehörige als auch für die professionell Handelnden spricht. Eine Entschei-dungshilfe, die inhaltlich über den formalen Algorithmus (vgl. Jox et al. 2008)) hinausgeht, da offensichtlich formale Kriterien sehr wohl bekannt sind und auch eingehalten werden wollen, sich im Alltag jedoch aufgrund verschiedentlicher Störfaktoren wie Nichteinwilligungs-fähigkeit, fehlende Patientenverfügung, etc. als schwierig erweisen.

Besondere Beachtung verdient der Vorschlag der Tropenklinik in Tübingen (www.tropenklinik.de/Archiv/PEG.pdf), in der bereits mit einer Entscheidungshilfe aus den USA gearbeitet wird, die von Mitchell und Mitarbeitern entwickelt worden ist. Auch das Stif-tungsklinikum Mittelrhein empfiehlt ein stufenweises Vorgehen, indem immer bei Bedarf er-gänzendes Informationsmaterial und verschiedene Akteure hinzugezogen werden können (vgl. Anlage, www.stiftungsklinkum.de).

Es ist zu erwarten, dass mit einer solchen Unterstützung die Beteiligten auch ein Stück von dem gespürten und eindrücklich geschilderten Druck, eine Entscheidung gegen eine PEG ausführlichst begründen zu müssen, entlastet werden, wenn Anhaltspunkte einer sinnvollen Entscheidung dagegen gegeben sind und bereits im Vorfeld geklärt werden können. Exper-tenstandards und Hausbesuche durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder der Heimaufsichtsbehörde sind als Instrumente zur Qualitätsentwicklung und -verbesserung gedacht, eine Kontrollfunktion ist gewollt. Einer begründeten Entscheidung anhand dem ge-genwärtigen Stand des Wissens, nachdem ein Nutzen gerade für Menschen mit einer fort-schreitenden Demenz nicht nachgewiesen werden kann und deshalb kritisch diskutiert wird (Synofzik 2007), scheint erst einmal kein Widerspruch zu sein. Eine stärkere Zusammenar-beit mit kontrollierenden Instanzen im Vorfeld und während „schwieriger“ Entscheidungssitu-ationen, wie in einigen Fällen berichtet, scheint ebenfalls hilfreich. Desgleichen konnte ein stärkerer Austausch der beteiligten Akteure im Sinne einer geteilten Verantwortung die Ent-scheidungslast verringern, obwohl die Beteiligten praktische Hürden der Umsetzung vermu-ten. Wichtig ist vor allem für die Pflegekräfte ein von Schaeffer (2002) an anderer Stelle ge-forderter Ausbau von speziellen Pflegekonzepten zur Pflege von Menschen mit Demenz oder Pflege am Lebensende („end of life care“), damit das „Aushalten“ einer getroffenen Ent-scheidung zu einer bewussten und kreativen Gestaltung der Betreuung umgewandelt wer-den kann.

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6.6 Schlussfolgerung

Ein Umdenken erscheint notwendig. Verbesserungen müssen das Ziel verfolgen die Indivi-dualität der Entscheidung zu erhalten, aber den Entscheidungsprozess mit Struktur zu füllen und dadurch die Transparenz zu erhöhen. Sie sind auf mehreren Ebenen zu erarbeiten.

Zum einen erscheint es sinnvoll die Entscheidungsträger durch beschreibbare Argumente handlungsfähig zu machen und sie in Form von Information und Aufklärung in ihrer Rolle zu stärken und auch gegenüber oder unter Einbezug kontrollierender Instanzen eine Entschei-dung gegen eine PEG zu begründen. Eine besondere Betonung muss dabei auf dem tat-sächlichen Nutzen zum Zeitpunkt der Anlage gelegt werden.

Geprüft werden müssen Aspekte der Versorgungsstruktur. Im Besonderen, ob tatsächlich alle Möglichkeiten der oralen Nahrungsaufnahme ausgeschöpft sind und ob ausreichend Wissen und Fertigkeiten der Betreuenden oder unverzichtbare Rahmenbedingungen z. B. Wohngruppenkonzepte vorhanden sind, dies zu ermöglichen.

Geprüft werden muss ebenso, ob eine frühzeitigere Anlage die Krise tatsächlich verhindern hilft. Das geht nur, wenn gleichzeitig Instrumente implementiert werden, die helfen, die Indi-kation der PEG auch nach getroffener Entscheidung regelmäßig zu prüfen und ggf. zu revi-dieren.

Eine zentrale Problematik im Prozess berührt den nicht eruierbaren Patientenwillen. Frühzei-tige Ermittlung reicht über Einrichtungen des Gesundheitswesens hinaus und bedeutet Öf-fentlichkeitsarbeit. Die setzt da an, wo Menschen noch in der Lage sind ihre Wünsche kund zu tun. Familien müssen ermutigt werden, offen Gespräche über Problematiken des Altwer-dens und das Sterben zu führen und Entscheidungen präventiv zu treffen, was auch bedeu-ten kann stärker vom Instrument der Betreuungsvollmacht Gebrauch zu machen.

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7. Gemeinsame Diskussion der Teilergebnisse Vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Entscheidungsprozess zur Einleitung einer künstli-chen Ernährungsbehandlung mittels perkutaner endoskopischer Gastrostomie (PEG). Die Untersuchung gliedert sich in drei Teilbereiche. Im ersten Teil wurden an drei großen Klini-ken, je eine der Maximal- und Schwerpunktversorgung im Bereich der Inneren Medizin sowie ein geriatrischer Klinikverbund, Krankenakten retrospektiv als auch prospektiv zur Frage der PEG-Anlage analysiert. Im zweiten Teil wurde in 11 Altenpflegeeinrichtungen ebenfalls Akten von PEG-Trägern retrospektiv ausgewertet. Im dritten Teil wurden sowohl Pflegende dersel-ben Altenpflegeinrichtungen als auch niedergelassene Ärzte mittels Experteninterviews zu ihrer Perspektive befragt. Fokussiert wurden verschiedene Phasen eines Entscheidungsver-laufes, verschiedene Akteure und verschiedene Institutionen. Dadurch ergibt sich ein vielfäl-tiges Bild, in dem sich einzelne Teile aneinanderfügen lassen.

7.1 Prozessphasen

Der Entscheidungsprozess kann in drei Phasen aufgeteilt werden.

In der hinführenden Phase wird ein Problem wahrgenommen, bewertet, abgewogen und ein Meinungsbild erzeugt, das allerdings keineswegs festgelegt sein muss. Eine Entscheidung wird nicht getroffen. Die hinführende Phase kann wenige Tage dauern, wenn der Anlass ein akutes Ereignis ist (z.B. Apoplex). Sie kann sich aber auch über mehrere Wochen oder Mo-nate erstrecken und dann die verschiedensten Akteure einbeziehen.

Die Entscheidung selbst ist das Ergebnis der ersten Phase und führt zu der Maßnahme: An-legen einer PEG oder Verzicht auf eine PEG.

Die dritte Phase umfasst die Evaluation der Entscheidung mit Beibehaltung oder Revision der Anlage.

Die erste Phase ist vor allem Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, da hier der Pro-zess mit allen Abwägungen und ethischen Dilemmata stattfindet. Die dritte Phase bedürfte auch intensiverer Bearbeitung, gerade vor dem Hintergrund, dass Entscheidungen evtl. revi-diert werden müssen. Sie ist im vorliegenden Material allerdings nur marginal vertreten.

7.2 Klientel

Das Krankenhaus ist der zentrale Ort der PEG-Anlage. Entscheidungen vor Implantation einer PEG-Sonde werden in allen drei Versorgungsstrukturen zu unterschiedlichen Teilen der dort handelnden Akteure vorbereitet, werden durch eine für die Anlage nötige Kranken-hausaufnahme jedoch in der Klinik erneut auf ihre Indikation geprüft. Zielaufträge zur PEG als Einweisungsdiagnose aus dem ambulanten häuslichen Bereich und den Altenpflegehei-men sind selten, das zeigen die Daten der Dokumentenanalyse der Krankenhausakten und ist kongruent mit dem Erleben der befragten Experten. Das erstaunt, da ein Großteil der be-reits vor der PEG pflegebedürftigen Krankenhauspatienten in einer Pflegeeinrichtung betreut wurde. In den Altenheimen lag der Anteil der in einer Pflegeeinrichtung prästationär ver-sorgten Menschen mit 75% noch höher.

Der Großteil der Menschen, die eine PEG erhalten sind über 80 Jahre alt und aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einschränkungen nicht einwilligungsfähig. Frauen überwiegen. Das ent-spricht den Ergebnissen andere Untersuchungen (Becker, Hilbert, 2004). Das Diagnose-spektrum der Krankenhauspatienten in Bezug auf eine PEG umfasst im Gegenteil zur Bewohnerstruktur der Altenheime auch einige jüngere zum Teil tumorerkrankte Menschen, die in der Regel ihre Zustimmung zur PEG selbst geben konnten. Trotzdem bilden in beiden Untersuchungsergebnissen Menschen mit altersneurologischen Erkrankungen das Hauptklientel für eine PEG. Hier lassen sich akut auftretende Ereignisse mit einem Schwer-punkt apoplektischer Insulte von chronischen Verläufen mit einem hohen Anteil demenzer-krankter Menschen unterscheiden. Leider geben die vorliegenden Daten wenig Aufschluss über den Grad der Demenz oder die spezifische Indikation, die der Anlage der PEG-Sonde

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zugrunde lagen. Aus den Interviews und anderen Untersuchungen kann vermutet werden, dass eine Inappetenz oder eine Nahrungsverweigerung, die vielfach mit einer dementiellen Erkrankung einhergeht mit der PEG-Anlage in Zusammenhang stand.

Anhand der KH-Akten lässt sich nicht nachweisen, dass eine Verschlechterung der Ernäh-rungssituation Grund für eine PEG-Anlage ist. Eher überwiegt die Dysphagie als primäre Diagnose, nicht zuletzt wegen mangelnder Dokumentation biometrischer Daten. Aus den Altenheimakten lässt sich jedoch für die Hälfte der PEG-Träger eine chronische Verschlech-terung der Ernährungssituation mit der Folge einer Mangelernährung zumindest vermuten. Auch hier ist eine unzureichende Dokumentation von Parametern wie Größe, Gewicht, BMI oder die Zuhilfenahme von Einschätzungsinstrumenten auffällig. Prüfungen des MDK Sach-sen-Anhalt bestätigen diese unzureichende Dokumentation (Bucher, Hufnagel, 2004).

Letztlich gibt es zwei idealtypische Entscheidungssituationen:

Die akute Erkrankung, nach der unvorhergesehen eine orale Nahrungsaufnahme erschwert oder unmöglich ist. Hier steht oftmals die Krisenintervention im Vordergrund mit dem Plan, die PEG nur befristet nutzen zu müssen. Diese Art der Entscheidungsfindung wird als wenig problematisch angesehen. Die in diesem Forschungsprojekt erhobenen Daten weisen darauf hin, dass der Forderung nach frühzeitiger Einleitung enteraler Ernährung innerhalb weniger Wochen (vgl. Löser et al., 2005; Volkert et al., 2004) zumindest im Bezug auf akute Ereig-nisse in der Praxis weitestgehend nachgekommen wird.

Dem steht die langsame und progrediente Verschlechterung der Ernährungssituation gegen-über, bei der die Unsicherheit besonders hoch ist, wenn keine klare Prognose getroffen wer-den kann. Dabei kann sich als Sondersituation die Weigerung der Nahrungsaufnahme durch die betroffene Person ergeben. Hier ergeben sich eine Menge ethischer Dilemmata, die ohne professionellen Paternalismus im Sinne des Patienten abgewogen werden müssen.

7.3 Prozess und Akteure

Der Entscheidungsprozess für die Anlage einer PEG stellt ein komplexes und individuelles Verfahren dar, dessen Grundlagen allerdings häufig nicht transparent sind. Dies zumindest lässt sich nach der Analyse der Dokumentationen sowohl aus den Krankenhäusern als auch aus den Altenheimen feststellen. Nachvollziehbar ist lediglich der formale Akt, in dem nach-gewiesen wird, wer letztlich "offiziell" die Einwilligung gegeben hat. Im Altenheim, insbeson-dere bei hochaltrigen und vor allem bei Menschen mit Demenz ist das der gesetzlich be-stimmte Betreuer, in vielen Fällen ein Berufsbetreuer. Der Einbezug der Patienten oder Be-wohner ist selten (vgl. auch (Becker, Hilbert, 2004). Auch bei Vorlage eines Betreuungsver-hältnisses muss hier kritisch hinterfragt werden, ob das die Einbeziehung der betroffenen Person tatsächlich ausschließt.

Die Art des Entscheidungsprozesses scheint weiterhin von den Personen abzuhängen, die zum Zeitpunkt mehr oder weniger zufällig da sind. Das bedeutet, dass die Prioritäten, das Engagement und die Kenntnisse dieser Akteure eine große Bedeutung für den Ablauf des Entscheidungsprozesses haben. Gespräche zwischen Angehörigen und Ärzten überwiegen.

Angehörige scheinen oftmals überfordert, wenn sie Verantwortung für die Entscheidung übernehmen sollen. Es ist unklar, ob sie zwischen ihrer eigenen Meinung und dem mutmaß-lich Patientenwillen unterscheiden (können).

Die Beteiligung der Pflegekräfte ist kaum dokumentiert, obwohl sie den Aussagen der Ex-perten zufolge, Probleme mit der Nahrungsaufnahme in der Regel als erste wahrnehmen und damit einen Entscheidungsprozess auslösen können oder auch müssen. Sie sehen sich bisher vor allem als Informationsübermittler in diesem Prozess und fühlen sich genügend eingebunden (vgl. Todd et al., 2005). Das könnte darauf hinweisen, dass ihnen formal wenig Bedeutung beigemessen wird, im Gegensatz zur ärztlichen Profession, der auf rechtlicher Ebene die Aufgabe der Indikationsstellung und Aufklärung zukommt.

Relativ klar ergibt sich auch aus den Dokumentationen, dass die geforderten minimalen rechtlich-ethischen Kriterien eingehalten werden, was dem geschilderten Bedürfnis der Ex-

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perten nach juristischer Unangreifbarkeit entspricht. Inwiefern sich dokumentierte Entschei-dungen inhaltlich an geforderten Kriterien und eines sorgfältigen Abwägens derselben orien-tieren, lässt sich anhand der Aktenanalyse nicht beurteilen. Nicht ersichtlich ist, wie klar hier-bei der mutmaßliche Patientenwille tatsächlich zum Tragen kommt, noch wie gut der gesetz-liche Betreuer diesen tatsächlich kennt. Dies wird besonders deutlich durch die in beiden Dokumentenanalysen beobachtete extrem geringe Rolle von Vorsorgevollmachten und Pati-entenverfügungen. Diese waren oft weder klar genug, noch explizit auf die Ernährungssitua-tion bezogen. In der übergroßen Mehrzahl aller Fälle ist somit der mutmaßliche Patienten-wille nicht darzustellen.

Nicht ersichtlich ist ebenfalls, inwieweit inhaltlich ethische Dilemmata reflektiert und abgewo-gen werden. Hinweise hierzu können die Aussagen befragter Experten geben und zeigen, dass das Bedürfnis eine „richtige Entscheidung“ zu treffen durchaus entscheidungsleitend ist und dass Aspekte des Nutzens wie Lebensqualität und Lebenserwartung sehr wohl diskutiert und abgewogen werden. Ebenfalls erscheint gerade die Ermittlung des mutmaßlichen Wil-lens bei vorliegender Nichteinwilligungsfähigkeit besonders problematisch und konfliktauslö-send. Demgegenüber steht der in allen drei Herangehensweisen dieses Projektes aufge-zeigte geringe Gebrauch von unterstützenden und strukturierenden Instrumenten zur Ent-scheidungsfindung. Dazu gehören neben schriftlichen Entscheidungshilfen mit Algorithmen auch systematisch organisierte Fallbesprechungen. Sie liegen bisher nicht vor, sind offenbar nicht klar genug oder ihre Brauchbarkeit wird in Zweifel gezogen. Hier besteht dringender Aufklärungsbedarf, vor allem da der Nutzen einer enteralen Ernährung bei Menschen mit Demenz äußerst umstritten ist und eines Nachweises bedarf.

Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch die äußerst seltene Einbeziehung des Hausarztes in den im Krankenhaus stattfindenden Entscheidungsprozess wie auch die nahezu nicht vorhandene Kontaktaufnahme zu den Alten- bzw. Pflegeheimen der bereits vorstationär heimversorgten Patienten als klassische Schnittstellenproblematik. Hier wären sicherlich wichtige Informationen zum sozialen Gesamtkontext und zum mutmaßlichen Pati-entenwillen zu erhalten. Vor allem, da in vorliegender Untersuchung ein Großteil der PEGs bei bereits pflegebedürftigen und in einer Pflegeeinrichtung betreuten Patienten gelegt wurde und in einigen Fällen keine Angehörigen zur Verfügung standen. An dieser Stelle muss dar-aufhin gewiesen werden, dass sich die Altenheimsituation durch ihren sozialpflegerischen Ansatz der Alltagsorientierung im Gegensatz zur stark medizinausgerichteten Krankenhaus-situation auch durch ihre Dauerhaftigkeit und die Nähe zum medizinischen Personal unter-scheidet. In vorliegender Untersuchung wurde die Perspektive der Pflegenden in den Kran-kenhäusern nicht einbezogen. In der Befragung von Krankenhauspersonal (Borker 2002) konnten ähnliche Konflikte beim Essenanreichen und ein geringen Einbezug in die Entschei-dung identifiziert werden.

Drei grundsätzliche Probleme lassen sich für die vorliegende Untersuchung identifizieren. Zum einen erscheint die Rekonstruktion eines komplexen Entscheidungsprozesses zur Ein-leitung einer künstlichen Ernährungsbehandlung aufgrund retrospektiv erhobener Daten problematisch, da sich Lücken in der Dokumentation nicht aufklären lassen. Des Weiteren wurden ausschließlich solche Patienten/Bewohner erfasst, bei denen eine PEG-Anlage er-folgte, nicht hingegen jene Patienten, bei denen diese Maßnahme erwogen, letztendlich dann aber nicht durchgeführt wurde. Erst die Gegenüberstellung dieser beiden Patienten-/ Bewohnergruppen würde eine Bewertung über den Zusammenhang einer künstliche Ernäh-rung mittels PEG und dem faktischen oder mutmaßlichen Willen erlauben. Das dritte Prob-lem bezieht sich auf die Selektion der Interviewteilnehmer und einer möglichen positivver-zerrten Darstellung geschilderter Entscheidungsprozesse sowie der Schwierigkeit einer zeit-lichen Zuordnung einiger Fallbeispiele, was die Rekonstruktion aktueller Entscheidungsfin-dung anhand der Interviewdaten erschwert. Dies ließe sich am ehesten in Form einer pro-spektiven Untersuchung auflösen.

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7.4 Empfehlungen

Ziel dieses Forschungsprojektes war es den Entscheidungsprozess vor Anlage einer PEG-Sonde darzustellen, um Anhaltspunkte zur Qualität dieses Prozesses zu gewinnen und die Relevanz für die Entwicklung einer Entscheidungshilfe zur Optimierung des Prozesses zu ermitteln.

Die Ergebnisse des Projektes bestätigen dass es sich bei untersuchter Population in Bezug auf ihre gesundheitliche und ernährungsspezifische Situation um eine Gruppe von Menschen handelt, bei denen ein sorgfältiger und individueller Entscheidungsprozess hinsichtlich der Anlage einer PEG-Sonde obligat erscheint. Insbesondere das vorwiegend hohe Alter der Teilnehmer und die damit häufig einhergehende Multimorbidität sowie ein in vielen Fällen vorliegendes Betreuungsverhältnis, das offensichtlich mit kognitiven Einschränkungen der betroffenen Personen zu begründen ist, sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben. Eine lückenlose Darstellung des Entscheidungsprozesses war anhand der Aktenanalyse nicht zu erwarten. Dennoch unterstützt die aufgezeigte geringe Transparenz und ein auf for-male Aspekte beschränkte Entscheidungsfindung die Notwendigkeit strukturierender Hilfen. Gerade für problematische Entscheidungssituationen erscheint eine Handlungsorientierung sinnvoll und wird von den befragten Personen als auch von öffentlicher Seite (Gemeinsamer Bundesausschuss 2005; Löser et al., 2005) befürwortet. Hier scheint ein „Gesamtpaket“ unterschiedlicher Maßnahmen angebracht.

Herausgestellt werden muss vor allem die Bedeutung des mutmaßlichen Patientenwillens, der im Gegensatz zum Willen von Angehörigen, aber auch zum fachlichen Urteil der Profes-sionellen stehen kann. Gültige Patientenverfügungen können stellvertretende Entschei-dungsträger in ihrer Verantwortung entlasten. Wichtig ist ein möglichst aktueller und konkret auf die Ernährungssituation bezogener Eintrag. Neben Verfügungen erscheint auch ein stär-kerer Gebrauch von Vorsorgevollmachten in gesundheitlichen Belangen für den Fall einer Nichteinwilligungsfähigkeit eine Entscheidung im Sinne der Person zu erleichtern.

Dazu bedarf es weiterhin einer Gesprächskultur, die nicht auf informelle Kontakte beschränkt bleibt. Den Empfehlungen zufolge (Callahan et al., 1999; Hasan et al., 1995; Todd et al., 2005) und entgegen geäußerter Skepsis sind hier die Einführung von Fallkonferenzen in beiden Settings sowohl innerhalb der professionellen Teams als auch mit allen Beteiligten - Patienten/Bewohnern, Angehörigen und gesetzlichen Betreuern - bei Bedarf einzuberufen und zu kultivieren. Das Instrument einer solchen Fallbesprechung käme dem Bedürfnis der Pflegenden entgegen den Grad der Verantwortung nicht zwingend zu verändern, ohne von einer begründeten Entscheidungsfindung entlastet zu sein und gleichzeitig Einfluss ausüben zu können. An dieser Stelle hätte auch eine zu empfehlende systematische Überprüfung der getroffenen Entscheidung mit Entscheidungsalgorithmen ihren Platz.

Eine auf die Person konzentrierte Organisationsstruktur mit Bezugspflegeelementen und verantwortlichen Ansprechpartnern könnte die Willkür im Prozess reduzieren und Informati-onslücken schließen. Das bestätigen die wenigen, aber positiven Erfahrungen einzelner be-fragter Ärzte und Pflegekräfte. Spezialisierungen im Bereich geriatrischer/geronto-psychiatrischer und palliativer Qualifizierungen beider Professionen erhöhen die Fach-kompetenz und sind für die Betreuung von alten Menschen auch in Bezug zur Frage der PEG institutionsunabhängig auszubauen.

Für die Zusammenarbeit der Institutionen erscheint es vor allem hilfreich, wenn eine Entscheidung nicht dem Zufall überlassen bleibt, sondern durch vorgeschaltete Bereiche bereits vorbereitet ist. Denkbar sind frühzeitige Gespräche mit den Betroffenen und die Mitgabe aller nötigen Dokumente oder Informationen bei einem Klinikaufenthalt, damit keine ungewollten oder unvorgesehenen Entscheidungen getroffen werden.

Deshalb ist eine Entscheidungshilfe besonders für Altenheime von großer Bedeutung, auch um die Möglichkeiten und die Rolle der Pflegenden in diesem Prozess zu stärken. Denn sie sind diejenigen, die aufgrund der Nähe zu den Bewohnern und den Angehörigen den mut-maßlichen Patientenwillen erkunden und ggf. auch Einfluss auf die Qualität von Patienten-verfügungen nehmen können. Hierzu bedarf es vermehrter Kenntnisse zum Thema, auch um

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die Entscheidungen für die Nicht-Anlage einer PEG mit ihren Informationen stützen zu kön-nen (vgl. DNQP 2009).

Von einer Entscheidungshilfe profitieren durch den Informationsgewinn letztlich alle zentralen Akteure im Entscheidungsprozess. Patienten/Bewohner, damit der mutmaßliche Wille entscheidungsleitend eruiert und eingesetzt wird; Ärzte und Pflegende, um ihre Aufklärungs- und Beratungskompetenz zu stärken und eigenen ethischen Konflikten und Dilemmata präventiv begegnen zu können und Angehörige, um der emotionalen Betroffenheit stich-haltige Argumente im Sinne einer informierten Zustimmung oder Ablehnung entgegen setzen zu können.

Vor diesem Hintergrund wurde in Anlehnung an die von Mitchell und Mitarbeitern am Ottawa Health Research Institute, Kanada entwickelte und 2008 überarbeitete Entscheidungshilfe „Making Choices: Long Term Feeding Tube Placement in Elderly Patients“ (www.tropenklinik.de/Archiv/PEG.pdf) in einem ebenfalls durch den AOK-Bundesverband geförderten und am Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke durchgeführten Folgeprojekt eine Entscheidungshilfe entwickelt. Sie wird voraussichtlich ab Frühjahr 2011 beim AOK-Bundesverband als Leitfaden in gedruckter Form oder unter der Internetadresse: verfügbar sein wird.

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www.aok.de/gesundheitsnavi –> Entscheidungshilfen

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9. Anhang Teil 1

Einverständniserklärung Allg. Krankenhaus Hagen

Erhebungsbogen Dokumentenanalyse Krankenhäuser - Indikationsstellung

Teil 2

Informationsschreiben Bewohner

Informationsschreiben Angehörige

Einverständniserklärung

Erhebungsbogen Dokumentenanalyse Altenpflegeeinrichtungen

Teil 3

Informationsschreiben Ärzte/Ärztinnen

Informationsschreiben Pflegende

Einverständniserklärung

Bogen zur Erfassung allgemeiner Angaben zum Interviewteilnehmer

Interviewleitfaden

Beispiel Entscheidungshilfe

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Teil 1

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Teil 2

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Teil 3

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Ablaufschema PEG-Anlage, Quelle: Stiftungsklinikum Mittelrhein (download: 19.07.09: www.stiftungsklinikum.de/patienten_service/Ablaufschema zur PEG3.pdf)

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Forschungsbericht im Auftrag des AOK-Bundesverbandes

Ablauf der Entscheidungs-prozesse zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)

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EG Sabine Bartholomeyczik • Rainer Markgraf Tina Quasdorf • Claudia Dinand • Julia Müller

INKLUSIVE:ENTSCHEIDUNGSHILFEFÜR ANGEHÖRIGE

Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten /Herdecke, Lehrstuhl Epidemiologie – Pflegewissenschaft

Allgemeines Krankenhaus Hagen, Abteilung Gastroenterologie Universität Witten /Herdecke

AOK-BundesverbandStab MedizinDr. Gerhard SchillingerRosenthaler Straße 3110178 Berlinwww.aok-bv.de