—Chefsache Mielkefi - StaSi gegen Kommunistenkpd-ml.org/doc/partei/opposition_ddr_rm2.pdf ·...

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Nr.1 21.1.98 32.Jahrgang 1DM Zeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands Erscheint 14-tägig Henkels Angriff auf den Tarifvertrag Seite 3 Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker, vereinigt Euch! § 218: Rüschen-Claudi auf dem Vormarsch Seite 7 DKP-Delegation in China: Trotz Skepsis glaubenssicher Seite 11 E 9835 D ISSN 0939-2947 Redaktion: Zeitungsverlag RM, Postfach 401051, 70410 Stuttgart Tel. 0711/8702209 Fax 0711/8702445 Vertrieb: Literaturvertrieb, Zeitungsverlag RM, Postfach 1942, 61289 Bad Homburg v.d.H. E-Mail: [email protected] Internet: http://home.t-online.de/home/KPD-Roter-Morgen In diesem Untersuchungsgefängnis der StaSi in der Umfassungsstraße am Moritzplatz in Magdeburg saß der Verfasser des Berichtes für einige Zeit wegen staatsfeindlicher, kommunistischer Aktivitäten ein. Auf dem Foto sieht man die Zellen für den täglichen Aufenthalt an der frischen Luft. Diese Zellen hatten die Größe eines Hundezwingers. Chefsache Mielke - StaSi gegen Kommunisten Neue Erkenntnisse über die Arbeit und die Zerschlagung der Sektion DDR der KPD/ML (2.Teil) von Herbert Polifka Jahrzehntelang hat die Staats- sicherheit die Menschen in der DDR beherrscht. In dieser Zeit wuchs dieser Arm der revisioni- stischen Partei zu einem mon- strösen Gebilde. Es gab kaum eine Familie, beinahe kein Indi- viduum, das sich völlig frei füh- len konnte. Weder vor Bespitze- lung, Einschüchterung, Erpres- sung und Verfolgung noch vor Anwerbeversuchen durch die Stasi. Zum Selbstverständnis des MfS findet man unter der Rubrik Sicherheitspolitik, sozialisti- sche folgende Definition: Das MfS habe, entsprechend dem Klassenauftrag der Partei (...) vorrangig alle subversiven An- griffe des Gegners, insbesonde- re auf die Verteidigungsfähigkeit des Sozialismus, die störungs- freie Durchsetzung der ökonomi- schen Strategie der Partei und die ideologischen Grundlagen der Weltanschauung der Arbei- terklasse vorbeugend zu verhin- dern, rechtzeitig aufzudecken und wirksam zu bekämpfen. (Vgl. Das Wörterbuch der poli- tisch-operativen Arbeit des MfS (Geheime Verschlußsache), zweite Auflage. Erarbeitet an der Juristischen Hochschule des Mi- nisteriums in Potsdam-Eiche, 1985. Nachdruck: Ch. Links Fortsetzung auf S.12 Sozialismus-Seminar Wann und warum der Sozialismus in der Sowjetunion scheiterte Diskussionsveranstaltung um das 1996 im Verlag Roter Mor- gen erschienene Buch unter diesem Titel und damit zusam- menhängende Fragen. 24./25. Januar 1998, Beginn: 14.00 Uhr, Frankfurt/Main, Haus der Jugend, Deutschherrnufer 12 Als Podiumsredner haben bisher zugesagt: Dr. Robert Steigerwald (DKP), Diethard Möller (Vorsitzender des ZK der KPD), Heiner Karuscheit und Alfred Schröder (Aufsätze zur Diskussion) Peter Urban (Vertreter des Autorenkollektivs). Kontakt, Infos, Anmeldung bei: Literaturvertrieb Zeitungsverlag RM, Postfach 1942, 61289 Bad Homburg 100.000 am Grab von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg Bericht auf S.7

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Nr.1 21.1.98 32.Jahrgang 1DM Zeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands Erscheint 14-tägig

Henkels Angriff auf den Tarifvertrag Seite 3Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker, vereinigt Euch!

§ 218: Rüschen-Claudi aufdem VormarschSeite 7

DKP-Delegation in China:Trotz �Skepsis� glaubenssicherSeite 11

E 9835 DISSN 0939-2947

Redaktion: Zeitungsverlag RM, Postfach 401051,70410 StuttgartTel. 0711/8702209 Fax 0711/8702445Vertrieb: Literaturvertrieb, Zeitungsverlag RM, Postfach1942, 61289 Bad Homburg v.d.H.E-Mail: [email protected]: http://home.t-online.de/home/KPD-Roter-Morgen

In diesem Untersuchungsgefängnis der StaSi in der Umfassungsstraße amMoritzplatz in Magdeburg saß der Verfasser des Berichtes für einige Zeit

wegen �staatsfeindlicher�, kommunistischer Aktivitäten ein. Auf dem Foto siehtman die Zellen für den täglichen Aufenthalt an der frischen Luft. Diese Zellen

hatten die Größe eines Hundezwingers.

�Chefsache Mielke� - StaSi gegen KommunistenNeue Erkenntnisse über die Arbeit und die Zerschlagung der Sektion DDR der KPD/ML (2.Teil)von Herbert Polifka

Jahrzehntelang hat die Staats-sicherheit die Menschen in derDDR beherrscht. In dieser Zeitwuchs dieser Arm der revisioni-stischen Partei zu einem mon-strösen Gebilde. Es gab kaumeine Familie, beinahe kein Indi-viduum, das sich völlig frei füh-len konnte. Weder vor Bespitze-lung, Einschüchterung, Erpres-sung und Verfolgung noch vorAnwerbeversuchen durch dieStasi.

Zum Selbstverständnis desMfS findet man unter der Rubrik�Sicherheitspolitik, sozialisti-sche� folgende Definition: DasMfS habe, entsprechend dem�Klassenauftrag der Partei (...)

vorrangig alle subversiven An-griffe des Gegners, insbesonde-re auf die Verteidigungsfähigkeitdes Sozialismus, die störungs-freie Durchsetzung der ökonomi-schen Strategie der Partei unddie ideologischen Grundlagender Weltanschauung der Arbei-terklasse vorbeugend zu verhin-dern, rechtzeitig aufzudeckenund wirksam zu bekämpfen.�(Vgl. Das Wörterbuch der poli-tisch-operativen Arbeit des MfS(Geheime Verschlußsache),zweite Auflage. Erarbeitet an derJuristischen Hochschule des Mi-nisteriums in Potsdam-Eiche,1985. Nachdruck: Ch. Links

Fortsetzung auf S.12

Sozialismus-Seminar

�Wann und warum der Sozialismus in der Sowjetunion scheiterte�Diskussionsveranstaltung um das 1996 im Verlag Roter Mor-

gen erschienene Buch unter diesem Titel und damit zusam-menhängende Fragen.

24./25. Januar 1998, Beginn: 14.00 Uhr,Frankfurt/Main, Haus der Jugend, Deutschherrnufer 12

Als Podiumsredner haben bisher zugesagt:Dr. Robert Steigerwald (DKP),

Diethard Möller (Vorsitzender des ZK der KPD),Heiner Karuscheit und

Alfred Schröder (Aufsätze zur Diskussion)Peter Urban (Vertreter des Autorenkollektivs).

Kontakt, Infos, Anmeldung bei: LiteraturvertriebZeitungsverlag RM, Postfach 1942, 61289 Bad Homburg

100.000 am Grab von KarlLiebknecht und Rosa Luxemburg

Bericht auf S.7

ImpressumHrsg.: ZK der KPD.Verlag: Diethard Möller, Zeitungsver-lag Roter Morgen, Postfach 401051,70410 StuttgartV.i.S.d.P.: D.Möller, Postf. 401051,70410 StuttgartISSN 0939-2947

Redaktion: Zeitungsverlag RM, Post-fach 401051, 70410 StuttgartTelefon: 0711/8702209Telefax: 0711/8702445

Vertrieb: Literaturvertrieb, Zeitungs-verlag RM, Postfach 1942, 61289 BadHomburg v.d.H.

Redaktionsschluß für RM 2/98:31.1.98; Eilmeldungen bis 2.2.98 anRedaktion in Stuttgart.

"Arbeit, Wohnung und Auskommen für alle!" - dassteht im Mittelpunkt der Arbeit unserer Partei. Nutzen Siedie Gelegenheit, die KPD einmal näher kennenzulernen.q Ich möchte das Programm der KPD zugeschickt

bekommen (bitte 3 DM in Briefmarken beilegen).q Ich möchte zu Veranstaltungen der KPD eingela-

den werden.q Ich möchte ein unverbindliches Gespräch

Name................................. Vorname.........................

Straße........................................................................

PLZ, Wohnort...........................................................Bitte ausschneiden und einsenden an: Literaturvertrieb,Zeitungsverlag RM, Postfach 1942, 61289 Bad Homburgv.d.H.

Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) stellt sich vor:In der Tradition von Luxemburg,

Liebknecht und Thälmann wurdedie KPD am 31.12.1968 in Ham-burg neu gegründet, als Gegenpolzur von der SED finanzierten DKP.Gründer der Partei waren ErnstAust und andere Kommunisten,die erkannt hatten, daß in verschie-denen Ländern wie in der Sowjet-union, DDR u.a. der Sozialismuszu Grabe getragen worden war. Ih-nen war klar, daß mit dieser nega-tiven, unumkehrbar gewordenengesellschaftlichen Entwicklung indiesen Ländern die Rückkehr in dieArme des �normalen� Kapitalis-mus vorprogrammiert war.

Folgerichtig wurde 1975 auch inder damaligen DDR unter sehrschwierigen Bedingungen die Sek-tion DDR der KPD gegründet. Sieversuchte, eine illegale Arbeit ge-gen die SED und das Honecker-Regime aufzubauen, verbundenmit dem politischen Ziel der Wie-derherstellung tatsächlicher sozia-listischer Verhältnisse. Anfang derachtziger Jahre wurde durch dieStasi die Struktur der illegalenKPD in der DDR aufgedeckt, Mit-glieder verhaftet und viele muß-ten für Jahre ins Gefängnis.

In Westdeutschland wurde dieKPD zunehmend ein Spielball vonpolitischen Kräften, deren erklär-tes Ziel darin bestand, die KPDaufzulösen. Trotz zeitweiliger Er-folge der Partei, die zu einem spür-baren Einfluß in Betrieb und Ge-werkschaft, sowie in einzelnenStädten und Regionen führten, ba-sierte die Entwicklung der KPDnoch nicht auf wirklich soliden

Fundamenten. In erster Linie des-halb, weil man die wissenschaftli-che Methode des Marxismus nochallzuoft mit dem Nachbeten angeb-licher, zuweilen religiöse Züge an-nehmender Prinzipien verwechsel-te. Idealistische Träumereien, aberauch Anpasserei vermischten sichmit ernsthaften Bemühungen, ge-gen Ausbeutung und Unterdrük-kung eine Alternative zu entwik-keln.

Die Marxisten-Leninisten in derPartei begannen 1985 mit demNeuaufbau.

Nach jahrelangen Klärungspro-zessen - analog zum endgültigenZusammenbruch des Sozialismusweltweit - konnte die KPD Anfang1993 ein den Verhältnissen inDeutschland angepaßtes kommu-nistisches Programm vorlegen. Freivon jeglicher Anlehnung an Sek-

tenmentalität, an neue und alte �so-zialistische Götter�, ob sie nunHonecker, Mao, Kim Il Sung oderCastro heißen mögen. Dieses Pro-gramm ermöglicht die Entwick-lung zu einer ernsthaften politi-schen Kraft.

Heute geht es um eine zielstre-bige Verbreitung einer soliden, anden Interessen der arbeitendenMenschen orientierten Kommuni-stischen Partei. Die politische Lo-sung der KPD �Arbeit, Wohnungund Auskommen für alle!� signa-lisiert das. Wir sprechen die an, dienach einer Alternative zum kapi-talistischen Deutschland suchen,sich fortschrittlich, klassenkämp-ferisch engagieren und bewußt or-ganisieren wollen:

Nehmt Verbindung auf zur Kom-munistischen Partei Deutschlands!

Ko m m e n t a rSeite 2

Meine Meinung:

Linke PfauenSchon lange nicht mehr habe ich

eine solch fruchtlose Demonstra ti-on erlebt wie die LLL-D emo in Be r-lin. Es war eine Demo von Linken fürLinke, bzw. für ihre Selbst darste l-lung und den Konkurr enzkampf. Daforderte die MLPD auf einem Trans-parent auf, Mitgl ied i n der „ Parteides echten Sozialismus“ zu werden.Bei der PDS sah man ein Tr anspa-rent, wo „Freihei t für die Kundschaf-ter der DDR!“ ve rlangt wurd e. DieDKP hatte ihren Block zu einem klei -nen Meer von Pa rteifähn chen ve r-wandelt. Die Au tonomen spulte nihre üblichen supe rrevolutionäre nRituale i n i hrem supe rrevolutionä-ren Block ab. Jeder kämpfte darum

zu glänzen und der Beste z u s ein.Um die Menschen ging es nichtmehr.

An einer U-Bahn-Station sah ich,wie ein junges Pärchen die Tr eppeheraufkam, um an der D emonstra -tion teilzunehmen. Obe n bl ieben sieratlos stehen. Die junge Fra u frag-te: „Sollen wir da mitmachen?“ EineWeile schwankte n sie, dann drehte nsie um. Schlos sen sich be i den er-sten Demonstr ationen dieser Artnoch spontan Menschen an, bliebe ndiesmal Linke unte r sich.

Die D emonstr ation ist zu einerreinen Selbstbe friedigung von Orga-nisationen verkommen, die nicht alserste s Ziel haben, etwas für die ar-beitenden Menschen zu tun, son-dern die arbeitenden Menschen hin-ter ihre Parteifahne bekommen wol-len. Liebknecht und Luxemburg wer-

den mißbr aucht, um sich selbst zubeweihräuchern. B eide habe n a lsFührer der KPD immer für die arbei-tenden Menschen gekämpft . Siewaren keine Nostalgike r, sondernRevolutionäre , die mi tten im Lebenstanden. Sie kämpfte n für Frieden,gegen den imp erialistischen Kr ieg.Sie kämpften für Arb eit und Br ot.Sie kämpfte n für Freihei t. Und des-halb fanden sie Anklang bei denMenschen. D eshalb auch fand ihrKampf für den S ozialismus zahllo-se Anhänger.

Natürl ich wurden bei der Demon-stration zahllose Flugblätte r ve r-teilt, in denen der K apitalismus„grundsätzlich“ entlarv t und verur-teilt, in denen feurig zum Kampf auf-gerufen wurde. Man ve rte ilte s iegegenseitig, um Linke durch Linke zuüberzeugen. Eine Missionsve ran-

staltung von Sekte n, d ie s ich ge-genseitig ihre Jünger absp enstigmachen wollen.

So sind die Linken unfruchtba r!Anders wirkte da der Zug von

Menschen, die zum Grab strömte n.Zigtausend einfache Leute : Rent-nerinnen und R entner, denen gera -de wieder die Rente gekürz t wordenist, Arbeitslose, die nun nur noc hal le 4 Wochen ihr Geld erhal ten, Ar-beiterinnen und Arbe iter, die um ih-ren Arbeitsplatz b angen, Schülerund Student en, die gegen Bildungs-abbau kämpfen usw. Für diese muß-te der Demonstr ationszug wie vo neinem anderen St ern wirke n. Siehaben ihre Sorgen und Probleme. Siekommen zum Gra b vo n Liebknechtund Luxemburg, wei l sie unzufriedensind, weil s ie etwas ändern möch-ten.

Als KPD habe n wi r d ie Aufgabe,unter diesen Menschen zu wirke n,mit ihnen zu kämpfen und zugleichdas l inke Sektenwesen scharf an-zuprangern. D emonstr ationenmüssen für die arbe itenden Men-schen und ihre Interessen gemachtund nicht für „Li nke“. Die KPD wi rd indiesem S inne in den zukünftigenJahren versuchen, auf die D emon-stration einzuwirk en, um ihr einenandere n Charakter zu geben.

Seite 3

Im ROTEN MORGEN 23 vom 11.12.97 wiesen wir auf die vom Kapital vorbereiteten scharfen Angriffe gegen Interessen,Rechte, Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Menschen sowie gegen die Gewerkschaften hin - unter der Überschrift�Vor scharfen Angriffen des Kapitals!� Die Realität hat diesen Artikel bestätigt. Das soll ausdrücklich aber nicht heißen, daß ihmnichts hinzuzufügen sei. Es sieht eher so aus, als könnte der ROTE MORGEN im neuen Jahr eine Fortsetzungsgeschichte darausschreiben. Deshalb nun:

Vor scharfen Angriffen des Kapitals! (Teil II)

1. Henkels Angriff auf den TarifvertragDas Nachrichtenmagazin

�Spiegel� gab in Nummer 1/98Hans-Olaf Henkel, Chef desBDI, Gelegenheit zu einem gro-ßen Auftritt. Den durchaus pas-senden Rahmen bot ein Streitge-spräch zwischen Henkel undMöchtegern-Kanzler(kandidat)Schröder von der SPD. So wur-de Schröder, im Zivilberuf An-walt und Notar, unfreiwillig Zeu-ge für einige wichtige Mitteilun-gen an die arbeitenden Men-schen des Landes und an dieDGB-Gewerkschaften. Seine in-zwischen sattsam bekannte ersteMitteilung: Die Kapitalistensollten sich ein Beispiel an denUnternehmern der neuen Bun-desländern nehmen und die Ta-rifverträge brechen. Er fände die-ses Verhalten nicht verheerend,sondern vorbildlich. Entsetztappellierte Schröder daraufhinan Henkel, man brauche doch dieVerläßlichkeit der Tarifverträge,Henkel direkt darauf wörtlich :�Im Gegenteil. Ich hoffe, daßder Westen von der ostdeut-schen Beweglichkeit lernt.�

Das ist deutlich! Daran ändertauch nichts, daß sofort daraufandere Kapitalvertreter, zumBeispiel BDA-Chef DieterHundt, öffentlich diese Aussagenrelativierten. Denn was Hundtdenkt, ist ebenfalls bekannt. Erfordert seinerseits die �Reformder Flächentarifverträge�, willsagen, die Beseitigung aller dieKapitalisten zwingenden bzw.einschränkenden Bestimmungender Tarifverträge. Und auch Hen-kel leitete in demSpiegel-Streitgespräch gleich auf

dieses Thema über, nachdem ersich mit Schröder darauf �geei-nigt� hatte, daß auf alle Fälle dieAnpassung der Tarifverträge an�radikal veränderte Gegebenhei-ten� nötig sei.

Was will Henkel? Er will er-reichen, daß die Unternehmenbetriebliche Vereinbarungengegen die Tarifverträge oderan ihnen vorbei abschließenkönnen! Das ist zur Zeit, auchwenn es faktisch bereits in vie-len Fällen geschieht, nach §77(3) Betriebsverfassungsgesetznicht zulässig. Henkel will also,daß diese Bestimmung aus demGesetz gekippt wird.

Hundt dagegen erklärt, HerrHenkel müsse ja keine Tarifver-handlungen führen (der BDI istdafür nicht zuständig), und wis-se daher gar nicht, wie wichtigdiese für das einzelne Unterneh-men seien. Die Stuttgarter Zei-tung sekundierte, viele Mittel-ständler und Kleinbetriebe woll-ten am Flächentarif festhalten.Für eigene Lohnverhandlungenmüßten die ja �teure Rechtsab-teilungen� aufbauen.

Aber es ist wohl klar, daß we-der Hundt noch Mittelständleretwas dagegen einzuwenden hät-ten, wenn die Großkapitalisten,die sich teure Rechtsabteilungenbereits leisten, mit den Tarifver-trägen soweit aufräumen, daß�die Kleinen� sich auch nichtmehr darum kümmern müßten.Deshalb ist es auch kein Trost,wenn immer wieder, auch vonGewerkschaftsseite, betont wird,Henkel sei mit seiner Meinungsehr umstritten. Das stört ihn

nicht. Ihm reichte es, wenn eini-ge �mutige� Unternehmen Tat-sachen schaffen würden. Dannhätte die �Reform des Flächen-tarifvertrages�, über die sich dieKapitalseite ja insgesamt einigist, gleich eine ganz andereDurchschlagskraft,

Sehr interessant und bezeich-nend, aber keineswegs erfreulichsind die Reaktionen vonDGB-Chef Schulte undIG-Metall-Chef Zwickel! Zwik-kel (ähnlich Schulte!) laut Stutt-garter Zeitung: �Uns bliebe nacheiner solchen Tarifreform�, aufdie sich die Gewerkschaftennicht einlassen könnten, ohnesich selbst aufzugeben, �nichtsanderes übrig, als die betriebli-che Ebene Betrieb für Betriebdurch Firmentarifverträge wie-der zurück zu erobern� Das Be-merkenswerte an dieser Stel-lungnahme, die bereits am Tagder Spiegelveröffentlichung inder Presse stand, ist, daß sie soklingt, als sei die Schlacht umden Flächentarifvertrag schonfast verloren gegeben. Als sei eswichtiger, die KollegInnen derBetriebe bereits auf die Zeit nachder Zerschlagung der Flächenta-rifverträge einzustimmen!

Das kann nicht sein! Es reichtnicht, die Arbeitgeber im Info-dienst der IG Metall �Direkt� Nr.1/98 daran zu erinnern, daß Ta-rifverträge �verbindliche Rechts-normen� seien, an die sich �Ar-beitgeber und Gewerkschaften zuhalten� hätten. Wir haben eseben mit einem Gegner-Lager zutun, dessen Führer Henkel ebendiese Frage austesten will. Sind

die Tarifverträge wirklich ver-bindlich? Haben die Gewerk-schaften tatsächlich die Kraft,sie verbindlich zu halten? Diesist die alles entscheidende Fra-ge! Sie richtet sich direkt an dieKolleginnen und Kollegen dergewerkschaftlichen und betrieb-lichen Basis!! Hier wird sie ent-schieden, Die KollegInnen müs-sen mobilisiert sein, statt sich invermeintlicher Rechtssicherheitzu wiegen. Lenin hat stets dar-auf hingewiesen, daß eineRechtsnorm ein Nichts sei, wenndie Kraft, die sie notfalls durch-setze, nicht vorhanden sei. BeiFragen der Tarifverträge gibt esnur eine Kraft, die dies könnte;Die Arbeiter/innen und Ange-stellten selbst.

�Direkt� macht aber noch wei-tere Illusionen: �Die Tarifauto-nomie hat Verfassungsrang.�Trumpft die Redaktion auf Undman zitiert das (ach so arbeiter-freundliche) Handelsblatt, als seies ein Kronzeuge der Gewerk-schaftssache, mit den Worten�Diese seit Jahrzehnten gewach-sene Rechtsordnung ist kein Ex-erzierfeld für Husaren!� Das sol-len sie mal dem Husaren sagen,der dort bereits exerziert hat,dem Husaren Hans-Olaf Hen-kel!!

Heute gehört den KollegInnenan der Basis erklärt, daß mankeine Illusionen in Gesetze ha-ben darf, wo es um das nackteInteresse des Kapitals bzw. derArbeiterklasse geht,

Fortsetzung imnächsten RM

Seite 4 Betr ieb und Gewerkschaft

Tarifrunden: Ende der Bescheidenheit?DGB-Chef Schulte muß sich

wundern. Schon wieder hat dasKapital keine �Gegenleistungen�für das �Entgegenkommen� derArbeiter und Angestellten beiden Löhnen erbracht. Währenddie Arbeitnehmer �bescheiden�seien, könnten die Arbeitgeber�den Hals einfach nicht vollkrie-gen�. Bei den kommenden Ta-rifrunden seien deshalb ordent-liche Lohnerhöhungen fällig,kündigte er auf der Neujahrs-pressekonferenz des DGB an (FR14.1.). Schon im Oktober hattenKlaus Zwickel und Oskar Lafon-taine das �Ende der Bescheiden-heit� verkündet. ÖTV und IGChemie fordern 4,5% mehr.

Seit Jahren nutzen Gewerk-schaftsführungen die falschenVersprechungen des Kapitals,um Reallohnsenkungen im Inter-esse des Kapitals durchzusetzen.Die Versprechungen, mehr Inve-stitionen, mehr Arbeitsplätze,mehr Steuerzahlungen, konnteman angeblich nur mit �Vorlei-stungen� der Arbeiterklasse er-füllen. Das war die Logik desBündnisses für Arbeit. DieSchultes und Zwickels brauchtensolche Versprechungen, um mo-derate Lohnabschlüsse gegen dieArbeiterklasse durchzusetzen.Einzige Folge waren höhere Pro-fite. Dafür gab es dann Hundert-tausende Arbeitsplätze weniger,weniger Investitionen und Steu-ersenkungen.

Daß �Arbeitgeber� den Halsnicht vollkriegen können, ent-spricht nicht einer persönlichenUnverschämtheit der Manager,sondern den Gesetzen der Kapi-talverwertung. Mit sinkendenLöhnen, weniger Beschäftigtenund weniger Steuern, läßt sichdie Rendite steigern. Einen an-deren Zweck hat das Kapitalnicht. Die Schultes und Zwickelshaben die Gewerkschaftsbewe-gung dem Ziel der Vermehrungder Renditen untergeordnet, in-dem sie dem Kapital soziale Zie-le andichteten und nichts dafürbekommen.

Daraus muß der Schluß gezo-

gen werden, daß es gegen dieInteresse der Arbeiterklasse ver-stößt, zugunsten von Profiten zuverzichten. Die Arbeiterklassemuß ausschließlich von ihreneigenen Interessen ausgehen undihre Interessen nicht von vorn-herein hinter die des Kapitalszurückstellen.

Genau diesen Schluß ziehendie Zwickels und Schultes nicht.Um ihre Haut zu retten, verkün-den sie nun zwar (zumindest für1998) das Ende der Bescheiden-heit, aber nicht das Scheiternihrer Zusammenarbeit mit demKapital. Sie verkünden das Endeder Bescheidenheit nur, um die-se Zusammenarbeit zu retten.

Während die Gewerkschafs-führer ein bißchen unbescheide-ner werden, bieten sie die Zu-sammenarbeit schon wieder an.Die höheren Lohnforderungenwerden nicht damit begründet,daß man sinkenden Reallöhnenentgegenarbeiten will. Sie wer-den nicht mit den Interessen derArbeiterklasse begründet, son-dern mit �gesamtwirtschaftli-chen Interessen�. �Vor dem Hin-tergrund der ausbleibenden In-vestitionsdynamik und derschwachen Entwicklung des Pri-vatverbrauchs ist es notwendig,wieder den Kaufkraftcharakterdes Lohns in den Vordergrund zustellen, in Klartext: Das Endeder Bescheidenheit ist schon auskonjunktur- und beschäftigungs-politischen Gründen angezeigt.�(IGM, direkt, der Info-Dienst derIG Metall, Nr. 24/ 1997, S. IV).Wo käme man dahin, wenn manso unbescheiden wäre, aus-schließlich den Lebensstandardder Lohnabhängigen zum Aus-gangspunkt zu machen? WennLohnerhöhungen als Interesseauch des Kapitals angepriesenwerden, bedeutet das, daß mansie nur aufstellt, weil man sicheinbildet, sie könnten auch imInteresse des Kapitals sein. Wie-der erklärt man der Arbeiterklas-se, daß sie in erster Linie des-halb Lohnforderungen aufstellensoll, um den Unternehmen zu

ermöglichen, Waren zu verkau-fen und darüber Arbeitsplätze zuschaffen. Ihre eigenen Interessen- Erhöhung des Lebensstandards- werden nur als Mittel zumZweck der Verwirklichung an-geblicher gesamtwirtschaftlicherInteressen gesehen. Dem Kapi-tal werden Lohnerhöhungenschmackhaft gemacht, indemman erklärt, Lohnerhöhungenim Rahmen der Produktivitäts-steigerung und der Preissteige-rungen seien kostenneutral, wür-den also nicht die Profite beein-trächtigen. Die �Bescheiden-heit�, deren Ende die gewerk-schaftlichen Sozialpartner desKapitals gerade verkündet ha-ben, ist immer noch Grundlageder Lohnforderungen. Sie dürfennicht zu einer Senkung der Pro-fite führen. Lohnsenkungen dür-fen zwar zu Steigerungen derProfite führen, aber Lohnsteige-rungen dürfen nicht zur Senkungder Profite führen. Warum ei-gentlich nicht?

Nur: Lohnsteigerungen liegen

nicht im Interesse des Kapitals,da sie immer auf Kosten der Pro-fite gehen und Druck auf die Sen-kung der Profitrate ausüben. Vondaher begrüßen Unternehmenkeine Lohnsteigerungen, son-dern stimmen die Arbeiterklas-se auf massive Lohnsenkungenin den nächsten Jahren ein.Lohnsteigerungen und damit ingewissen Sinne auch positivegesamtwirtschaftliche Auswir-kungen (Steigerung der Kauf-kraft) können nur im Klassen-kampf durchgesetzt werden undhängen davon ab, wie konse-quent dieser geführt wird. Allediejenigen, die den Klassen-kampf untergraben und abmil-dern, werden deshalb ihre ange-strebten Ziele von Lohnerhöhun-gen gar nicht in ausreichendemMaße erreichen können. Sie kön-nen das Ende der Bescheidenheitzwar verkünden, da sie aber dieInteresse der Arbeiterklasse andie letzte Stelle setzen, könnensie nur bescheidene Ergebnisseerzielen.

Minus-Rekord bei ArbeitsplätzenDie Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland ist auf den niedrig-

sten Stand seit der Vereinigung gesunken. Im Jahresdurchschnitt1997 waren nur noch rund 34 Millionen �Arbeitnehmer� und Selb-ständige beschäftigt, 463.000 weniger als 1996. Den größten Rück-gang gab es im �produzierenden Gewerbe�, also der Industriepro-duktion, mit 400.000 Beschäftigten weniger.

Der Reichtum, den die arbeitenden Menschen schaffen, richtetsich zunehmend gegen diese selbst. Das wird sich erst ändern, wenndie Arbeiterklasse den Kapitalisten die Produktionsmittel entreißt.

NeujahrsumfragenNur 30 Prozent der Bürger in Ostdeutschland halten die bürgerli-

che Demokratie des Grundgesetzes für verteidigungswert. In West-deutschland sollen es noch zwei Drittel sein. Die �soziale� Markt-wirtschaft lehnen zwei Drittel der Ostdeutschen ab und sprechensich statt dessen für einen �dritten Weg� aus. Das geht aus der all-jährlich vom Institut für Demoskopie in Allensbach erhobenen Neu-jahrsumfrage hervor.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes InfratestDimap geht hervor, daß sich nur eine Minderheit der Deutschenvon der Europäischen Währungsunion Vorteile verspricht. Erwar-tet werden noch mehr Arbeitslose und eine beschleunigte Geldent-wertung und Preiserhöhungen. Die Bürger im Osten sind besonderspessimistisch. Sie haben erst vor einigen Jahre ihre Erfahrungenmit einer Währungsunion gemacht mit all ihren negativen Folgen.

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Imperialismus Konkret

Übernahme von Preussag: Schröder - dem Kapital zu Diensten

Microsoft und Intel: Weltmonopolismus statt Neoliberalismus

Die Preussag kaufte in Erwar-tung hoher Profite aus dem Tou-rismusgeschäft die Hapag-Lloydfür 2,8 Mrd. DM. Die Hapag-Lloyd ist der größte Reisekon-zern Europas. Hapag-Lloyd istmit 30% an der TUI beteiligt.Sowohl an der Preussag als auchan TUI hält die WestdeutscheLandesbank jeweils 30%. �Undniemand zweifelt daran, daß(die) 30% , die der WestLB ge-hören, bald dem Preussag-Reichzugeschlagen werden� (Wirt-

schaftswoche 8.1.98). Um dieVerlagerung des Kapitals in pro-fitablere Bereiche zu finanzieren,trennte sich Preussag, immerhinnach Krupp-Thyssen der zweit-größte deutsche Stahlkonzern,von seiner laut Wirtschaftswocheprofitablen Stahltochter. Nun hatdas Land Niedersachsen fürmehr als eine halbe Mrd. DM diePreussag-Stahl als Mehrheitsak-tionär übernommen (FR 14.1.),um dem Konzern mit HauptsitzHannover die Umschichtung sei-

nes Kapitals zu ermöglichen.Da das Land Niedersachsen

ebenso ein Selbstbedienungsla-den der Banken und Konzerneist wie die Länder Bayern, Ba-den-Württemberg usw., stellteSchröder die Staatsgelder zurVerfügung, obwohl das LandNiedersachsen hochverschuldetist. Es geht nicht um die �Ret-tung von Arbeitsplätzen�, son-dern ausschließlich um Staats-hilfe für die beschleunigte Um-schichtung des Kapitals zum

Zweck der Erzielung höhererProfitraten. Schröder bewährtsich als dynamischer Macher desKapitals, um seinem Konkurren-ten Kohl den Rang abzulaufen.Die WestLB und die Preussagwerden ebenso von Sozialdemo-kraten geführt, wie das LandNiedersachsen. Da hilft man sicheben gegenseitig. Der heutigeStaat, ob er von den Schrödersoder den Kohls geleitet wird, isteine Maschine zur Bereicherungdes Kapitals.

Weltweit laufen im Weltmaß-stab 90% aller Rechner auf demWindows-Betriebssystem vonMicrosoft. Ebenfalls sind 90%aller Computer mit Chips desHalbleiterkonzerns Intel be-stückt. Intel und Microsoft, zweiWeltmonopole, haben zudemeine einträgliche Partnerschaft.Nachwievor aber stehen sie auchin Konkurrenz. Die Konkurrenzwird durch den tendenziellenFall der Profitrate gefördert, derauch Bereiche mit Extraprofitennicht verschont. Intel�s 6,9 Mrd.Dollar Gewinn von 1997 ist zwarriesig, aber relativ weniger alsAnfang der 90er Jahre. In dieserSituation schließt Intel im Rah-men der Allianz mit Microsoftneue Allianzen, die in Konkur-renz zu Microsoft stehen. Auchder Monopolkapitalismus beruhtauf der Konkurrenz des Kapitalsuntereinander. Vorherrschendsind jedoch die Versuche, dieKonkurrenz weitgehend zu be-

schränken und sich der umfas-senden ökonomischen Hilfe desStaates zu versichern, um dieMonopolprofite zu halten. Mo-nopolkapitalismus heißt geradenicht, daß die Monopole denStaat nur als �Nachtwächter-staat� haben wollen. Es sind ins-besondere die schwächere Mono-pole, die mit Staatshilfe denstärksten Monopolen entgegen-treten. So sieht man in Deutsch-land, Frankreich und Japan einemassive staatliche Förderung dereigenen Elektronik-Monopole.Dresden als deutsches Elektro-nik-Zentrum ist ein Hort desStaatsmonopolismus.

Angesichts von solchen Mono-polen in den Kernbereichen destechnischen Fortschritts vonNeoliberalismus als vorherr-schender Ideologie des Kapitalszu sprechen, geht völlig an derSache vorbei. Der Liberalismuswar die Weltanschauung derBürgertums zur Zeit des Konkur-

renzkapitalismus im 19. Jahr-hundert. Der Konkurrenzkapita-lismus ist seit dem Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhundertsvom Monopolkapitalismus abge-löst. Monopole schließen Kon-kurrenz nicht aus, denn Konkur-renz gehört zur Natur des Kapi-tals. Die modernste Technologiesteht heute aber in allen Berei-chen unter der Kontrolle vonMonopolen, die Extraprofite er-zielen. Hier regiert nicht die Frei-heit, der faire Wettbewerb, hier

herrscht eine durch die Techno-logie begünstigte Diktatur. DieKritiker des �Neoliberalismus�bilden sich ein, daß sie den Staatals Hüter gesellschaftlicher Inter-essen gegen die Monopole zuHilfe rufen könnten. Doch jemächtiger die Monopole werden,desto mehr können sie sich wie-derum den Staat unterwerfen.Die Alternative zum Monopol-kapitalismus kann nur noch derSozialismus sein.

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Seite 6 Imperialismus konkret / Bundestagswahlen

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KurzNachrichtenBetriebsgemeinschaft unglaubwürdig

Nach einer Umfrage des Frauenmagazins �Elle� halten 61% der Be-fragten den kollegialen Führungsstil für einen Trick, mit dem die Unter-nehmen noch mehr Leistung herausholen wollen. In den Neuen Bundes-ländern empfanden sogar 70% diesen Führungsstil als �aufgesetzt�. ImBewußtsein der Lohnabhängigen drückt sich der Widerspruch aus, daßeinerseits ein solcher Führungsstil gewünscht ist und er notwendig ist,um produktiver zu arbeiten, andererseits aber die Besitzverhältnisse, diediktatorische private Verfügung über die Produktionsmittel und die pri-vate Aneignung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums, die Gemein-samkeit zwischen Kapital und Arbeit letztlich unmöglich machen. Hier-in steckt auch eine deutliche Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Ge-werkschaftsführung, die im eigenen Interesse diese �kollegiale� Koope-ration mit den Geschäftsleitungen auf dem Rücken der Lohnarbeiterbetreibt.

Hoechst-Marion-Roussel (HMR)Neue Entlassungen zwecks Profitrate

Hoechst-Chef Dormann verkün-dete, die �Umsatzrendite� müssevon 13% auf 20% gesteigert wer-den. Er verwies auf die Konkurrenzaus den USA, die 26% einstreicht.Die zentrale Vorgabe lautet des-halb: Senkung der Kosten um welt-weit 460 Mio. DM, um der US-Rendite näher zu kommen. Dasbedeutet Personalabbau, Stillegungoder Verkauf von zu wenig profi-tablen Geschäftszweigen usw. ge-rade in Deutschland. Dabei ist dieEntlassungswelle im Gefolge derVerschmelzung von Hoechst mitRoussel Uclaf und Marion Merrellnoch gar nicht beendet. HMR-Be-triebsratsvorsitzender Arnold We-ber verstand die Welt nicht mehr,weil HMR doch kräftig verdiene(FR 15.1.). Da er gewohnt ist, vonkleinen Zugeständnissen des Ka-pitals zu leben, dichtet er dem Ka-pital ein soziales Interesse an. Essoll eben nicht den weltweitenDurchschnittsprofit anstreben, umdie Belegschaft und die Regisseu-re der Sozialpartnerschaft im Be-triebsrat zufriedenzustellen. Daßgenau diese Maßlosigkeit in derJagd nach Profiten der Natur desKapitals entspricht, kann er nichtverstehen. Er versteht auch nicht,daß die Übernahme von Marion

und Roussel für zusammen 15Mrd. DM die Profitrate senkenmußte. Während das Managementin zu niedrigen Profitraten eineKrise des Geschäfts sieht, sieht erdeshalb nur eine Krise des Mana-gements. Sicherlich untergrabendie Manager das Vertrauensver-hältnis zur Belegschaft, sofern esnoch existiert. Weber, als Maklerdieses Vertrauens, sieht seine Ge-schäftsbasis schwinden. Wenn dieManager doch bloß Verständnisfür die Belegschaft hätten, träumter. Haben sie aber nicht. Die Be-legschaften sind für das Kapitalund seine Manager nur Maschinenzur Profitvermehrung. Eine Wirt-schaftsordnung, in der �Sozialpart-nerschaft� zwischen Leitung undBelegschaft herrscht ist nur mög-lich, wenn die Leitung aus denReihen der Arbeiterklasse kommtund unter Führung der Arbeiter-klasse steht. Eine Wirtschaftsord-nung, in der nicht die Profitrate re-giert, ist nur ohne Kapital möglich,ist nur möglich, wenn die Produk-tionsmittel in der Hand der Gesell-schaft sind, nur im Sozialismus.Vom Sozialismus auf dem Bodendes Kapitalismus zu träumen, istutopisch. Es wird Zeit, daß Be-triebsräte vom Schlage Webers auf

die hintersten Plätze verwiesenwerden.

Konsequente Aktionen und revo-lutionäre Perspektiven sind nurmöglich, wenn die Träume vongemeinsamen Interessen zwischenBelegschaft und Kapital, die Träu-me von vertrauensvoller Zusam-

menarbeit für die große Konzern-familie durch eine nüchterne Ein-sicht in die Realität ersetzt werden.Die Arbeiterklasse kann vom Ka-pital nichts erwarten außer wach-sende Ausbeutung und größereExistenzunsicherheit.

Positive Resonanz auf Vorschlag der KPDzu den Bundestagswahlen

Auf den Vorschlag der KPD, zuden Bundestagswahlen 98 ein fort-schrittliches Bündnis zu bilden,hat im Gegensatz zur Situation vorvier Jahren eine, wenn auch nochgeringe, positive Resonanz gefun-den. Zwei Organisationen, derBund der Kommunisten und dieKPD-Ost, erklärten sich bereit, aneinem solchen Bündnis mitzuar-beiten. Eine PDS-Basisorganisa-tion erklärte ihr Interesse und ihreBereitschaft, eine solche Initiati-ve publizistisch zu unterstützen.Wir sehen diese Resonanz als klei-nen Fortschritt an, der aus den ne-gativen Erfahrungen der letztenWahlen resultiert. Die Realität hatgezeigt, daß Alleingänge nur zueiner Niederlage führen und daßein breites Bündnis dringend nö-tig ist.

Leider reichen die Kräfte für einsolches Bündnis nach Ansicht derKPD jedoch nicht aus. Eine Wahl-kampagne erfordert starke Kräfte.Dazu ist insgesamt eine tiefereVerankerung in der Arbeiterbewe-gung und anderen fortschrittlichenBewegungen des Volkes nötig.Denn nur mit Unterstützung undaktiver Mitarbeit fortschrittlicherKräfte der Basis kann ein solchgroßes Projekt mit einiger Aus-sicht auf Erfolg angegangen wer-den. Die Schwäche der linken,

fortschrittlichen Kräfte verhindertzur Zeit die Lösung der notwendi-gen aufgaben.

Schlimm ist, daß Kräfte wie dieMLPD und die DKP die Lösungder notwendigen Aufgaben blok-kieren. Die MLPD, die der PDSvor 4 Jahren Angebote für einegemeinsame Kandidatur machte,weigert sich, mit fortschrittlichen,revolutionären Kräften auch nur zureden. Die DKP hängt sich an diePDS ran und verewigt damit aufewig deren linkssozialdemokrati-sche Vorherrschaft. Beide Positio-nen laufen darauf hinaus, die PDS,die offen für Marktwirtschaft unddamit für Kapitalismus eintritt, zustärken. Der Aufbau einer glaub-würdigen Alternative wird so ver-hindert.

Auch wenn diesmal eine fort-schrittliche Kandidatur, ein brei-tes Bündnis noch nicht möglichist, lassen wir uns nicht entmuti-gen. Die ersten positiven Reaktio-nen, die Erfahrungen des kom-menden Wahlkampfes werden dieBasis für ein künftiges breiteresBündnis sein. In den kommendenAusgaben des ROTEN MOR-GEN werden wir uns ausführli-cher mit den Haltungen und Posi-tionen der DKP, MLPD und PDSzu den Wahlen auseinandersetzen.

Seite 7Verschiedenes

Chemnitz: 3500 Familien geraten in Not!Für 3500 Chemnitzer Familien

bahnt sich ein finanzieller Konfliktan, der im Laufe des Januar sei-nen Höhepunkt erreicht habenwird. Mit dieser �wenig festtägli-chen� Nachricht trat am 20. De-zember 1997 der SozialdezernentPeter Fittig vor die Presse. . Ver-ursacht wird der Notstand durchdie in Bonn beschlossene neueAuszahlungsregelung, wonachArbeitslose und �andere Lei-stungsempfänger� des Arbeitsam-tes ab Januar nicht mehr alle vier-zehn Tage, sondern nur noch mo-natlich - und zwar am Monatsen-de für den vergangenen Monat -ihr Geld erhalten. Das bedeutet,daß das Januargeld erst AnfangFebruar auf dem Konto ist.

Fittig: �Der Zeitpunkt dieserRegelung ist nach den Weih-nachtsfeiertagen denkbar un-günstig. Das können sich nurLeute in Bonn ausgedacht ha-ben, die gar nicht unmittelbarvon ihrem monatlichen Einkom-men leben müssen!�

Bei den schätzungsweise 3500Familien handelt es sich vor allemum diejenigen, die neben dem Ar-beitslosengeld eine ergänzendeSozialhilfe in Anspruch nehmenmüssen, um ihr Leben finanzierenzu können. Im Januar wird es dop-pelt schlimm für sie, weil die Ver-mieter am fünften Werktag desMonats auf ihre Miete pochen!

�Dem zu erwartendem An-sturm auf das Sozialamt, umeventuell ein Überbrückungs-geld zu erhalten, sind wir alsStadt nicht gewachsen. Und wirkönnen dafür wirklich keine ech-te Lösung anbieten�, gesteht derSozialdezernent ein.

Im Arbeitsamt sieht man eben-falls finanzielle Engpässe auf vie-le Chemnitzer zukommen. DerBundestag wollte einen �Sparef-fekt� erzielen. Im Arbeitsamt mußman nun die Betroffenheit erleben.Die Situation wird zusätzlich ver-schärft, da ständig mehr Arbeits-lose hinzukommen. Haben imNovember 1996 noch 12.000 Per-sonen Arbeitslosenhilfe erhalten,waren es im November 1997 be-reits 19.000.

Chaos im Sozialamt befürchtetdie Amtsleiterin. Die fast 7000Sozialhilfeempfänger (1996 noch5400) zu versorgen, sei schon

ohne den neuen Konflikt proble-matisch genug. Die wenigen Mit-arbeiter in den fünf Außenstellen�halten den Ansturm nicht durch�.Es werde lange Wartezeiten gebenund es wird mit wesentlich mehr�Aggressivität� der Wartenden ge-rechnet.

Man kann es drehen und wen-den wie man will, die Kleinenmüssen dafür bluten, was die Gro-ßen verzapfen. Da muß man keinFinanzexperte sein, um die paarGroschen in vielen Familienkas-sen zusammenzuzählen. Währendsich bei den �Besserverdienen-den� die Gabentische gebogenhaben, sieht es bei Familien mitmehreren Kindern, in denen Mut-ter und Vater arbeitslos sind, ganzanders aus. Da kann schon dienotwendige Winterbekleidungzum Problem werden! Immermehr Arbeitslose sind auf die Hil-fe des Sozialamtes angewiesen,weil sie mit den Bezügen vomArbeitsamt allein nicht leben kön-nen. Die Zahl der Sozialhilfeemp-fänger wächst unaufhaltsam. DerSozialhaushalt der Stadt Chemnitzverschlingt heute schon ein Drit-tel des Vrewaltungsetats.

Und daß den im Sozialamt aufeine kleine Finanzhilfe wartendenChemnitzern immer öfter der Ge-duldsfaden reißt, ist nur zu ver-ständlich. Es ist eine Folge derderzeitigen Wirtschafts- und So-zialpolitik in diesem Land!

Wie war das noch mit der Hal-bierung der Arbeitslosenzahlen?

H.R., Chemnitz

Rüschen-Claudi auf dem VormarschAls ob es Ende des Jahres nichts

Besseres zu tun gäbe, hat die Bun-desfamilienministerin mal wiedereinen Vorstoß gegen den - ohnehinmiserablen - §218 gewagt. Hinter-grund war die Zahl der gemelde-ten Abtreibungen, die 1996 gegen-über dem Vorjahr um ein Drittel an-gestiegen ist. Wohlgemerkt, dieZahl der gemeldeten Abtreibun-gen, verlangt doch das neue Bera-tungsgesetz die Meldung jederAbtreibung - also ist offensichtlichdie Dunkelziffer gesunken. Wasjeden Kriminalisten nur freuenkönnte, für Claudia Nolte ist dasein Grund zur Besorgnis. Sollte dieZahl der Abtreibungen nicht zu-rückgehen, droht sie, müsse der§218 in Karlsruhe erneut überprüftwerden.

In die gleiche Kerbe schlägt Kar-dinal Wetter, der in einer seinerFesttagspredigten dazu aufruft,sich doch nicht so sehr über denSexualmord an der kleinen Nata-lie aufzuregen. Schließlich würdenmit den Abtreibungen jeden Tagviele Kinder ermordet.

In einem wissen wir uns mit derKirche und unserer Bundesungebo-renenministerin einig: Dieser §218ist wahrlich nicht geeignet, Lebenzu schützen - und schon gar nichtin einer Zeit , in der durch Vernich-tung von Sozialleistungen Famili-en bedroht sind; in einer Zeit, inder die finanzielle Situation der Ge-meinden das Recht auf einen Kin-dergartenplatz hinterrücks wiederkippt; in einer Zeit, in der Wohl-fahrtsverbände konstatieren müs-sen, Kinder seien heute das Ar-mutsrisiko Nummer Eins.

Möglicherweise müßte mal je-mand die Dame an die in ihremTitel angegebene Arbeitsplatzbe-schreibung erinnern: Sie ist Fa-milienministerin! Sie findet esnämlich besonders schrecklich,daß 52 % der Abtreibungen inEhen und Familien stattfinden.Und statt sich zu fragen, wie daszustandekommt, unterstellt sie ein-fach, Abtreibung würde als Mittelder Familienplanung eingesetzt.Aber gerade den Familien werdenmehr und mehr die Mittel gestri-chen, Erhöhungen von Steuer undSozialversicherung schmälern dasFamilieneinkommen so weit, daßviele schon jetzt nicht mehr wis-sen, wie sie durchkommen sollen.Aber statt sich dafür einzusetzen,daß Kindergartenplätze entstehen,daß Familien vernünftige Wohnun-gen haben und rundherum ein nor-males Leben führen können, ver-sucht sie mit diesem Vorstoß, dieSituation der Familien noch einmalzu erschweren.

Sicher, es mag einzelne Frauengeben, die aus Gründen abtreiben,die der einzelne nicht nachvollzie-hen kann. Aber der einzelne istauch gar nicht gefragt, denn dieseFrauen, die das Kind bekommensollen, müssen sich darum küm-mern - und sie müssen selber ent-scheiden können, ob sie sich dazuin der Lage sehen.

Liebe Frau Nolte, wir sind unsja doch einig: Dieser §218 taugtnichts. Er taugt noch nicht mal zumRecyceln. Tun wir ihn doch einfachdahin, wo er hingehört: Auf denMüllhaufen der Geschichte.Streichung des §218 jetzt!

100.000 am Grab von Karl Liebknecht und Rosa LuxemburgMehr Menschen als je zuvor

kamen am Sonntag, dem11.1.98, zur Gedenkstätte für die1918 von der Reichswehr imAuftrag der SPD ermordetenRevolutionäre und Gründer derKPD. Der Menschenstrom be-gann schon früh morgens undebbte erst am späten nachmittagab. Zigtausende Nelken bedeck-ten das Grab.

Die KPD hatte vor dem Fried-hof einen Stand, der viel besuchtwurde. Schon mittags war fast

alles ausverkauft: Programm,ROTER MORGEN usw. Wirverteilten ein Flugblatt zur Steu-ern- und Rentenfrage, das sehrgut ankam.

Linke Organisationen organi-sierten eine Demonstration mitca. 10.000 Teilnehmer/innen, diezum Friedhof ging. Leider wirk-ten die zahllosen Organisations-blöcke nach außen nicht geradeeinladend, sondern eher ab-schreckend. Einfache Menschenwaren daher im Zug kaum noch

anzutreffen. Die Polizei provo-zierte mehrfach Einsätze. NachAngaben der �jungen welt� sol-len sich erneut Polizeispitzel imAntifa-Block der Autonomenbefunden haben. Eine einzelneFahne in kurdischen Farben wur-de von der Polizei zum Anlaß füreine brutalen Knüppeleinsatzund mehrere Verhaftungen ge-nommen. Und ein Vermummter(wahrscheinlich ein Polizeispit-zel) diente als Vorwand für eineweitere Knüppelorgie.

Seite 8

ANTIFA-BERICHTEaktuell

Reaktion und Faschismus

Großer Lauschangriff: �Die Gedankensind frei - lich in unsrer Kartei�

Nach langem Hin und Her ha-ben sie ihn endlich formal abge-segnet, den großen Lauschan-griff. Zwar haben sie bereits jetztgemacht, was sie wollten, unab-hängig von der Rechtslage. Dochdie Anpassung der Rechtslage andie Praxis hat für diese Herr-schaften schon seine Vorteile.

Wir wollen aus einer bürgerli-chen Zeitung zitieren, die dieSache durchaus treffend auf denPunkt gebracht hat. Die Süddeut-sche Zeitung vom 8.1. schreibt(Hervorhebung v. RM):

�Nun ist es wohl endgültig so-weit: CDU/CSU, FDP und SPDbrechen in Privatwohnungen,Büros, Arztpraxen, Kanzleien,Kirchen und Pfarrhöfe ein (nichtdiese Parteien tun es, sie habenes nur legalisiert, RM), hinter-lassen dort ihre Wanzen - undnehmen den Bewohnern und Be-schäftigten die innere Sicherheit:die Sicherheit, daß es einen Be-reich gibt, der für den Staat tabuist. Es wird künftig keinen poli-zeifesten Bereich mehr geben,kein Vertrauensverhältnis, dasnicht elektronisch ausgehorchtwerden könnte.

Früher einmal sagte der Volks-mund: Der Lauscher an derWand hört seine eigene Schand.Aber der großen Bonner Koali-tion ist das egal. Sie sagt, daßes so schlimm schon nicht kom-men werde, schließlich gebe esja Grundrechte - der Beichtstuhlsei zum Beispiel vom Grundrechtauf Glaubensfreiheit geschützt.Und zum Schutz des Gesprächszwischen dem Mandanten undseinem Verteidiger gebe es docheine klare Rechtsprechung desBundesgerichtshofs. Wenn das soklar wäre, dann hätte man daspartielle Wanzenverbot auchklar in das Lauschangriffs-Ge-setz schreiben können. Man willes nicht tun, und das heißt: Lau-schen darf die Polizei künftigüberall. Anschließend, nach derLauscherei, wird dann geprüft,wie das Gehörte verwendet undverwertet werden darf. Wenn derAbgehörte Glück hat, bleiben

seine Beichte, sein Gespräch mitdem Anwalt oder Arzt davor be-wahrt, in einem Strafprozeß auf-getischt zu werden. Aber sicherkann er auch hier nicht sein,denn es wird �die Bedeutung desVertrauensverhältnisses � für denBetroffenen und das staatliche�Interesse an der Erforschungdes Sachverhalts� gegeneinan-der abgewogen. Summa summa-rum haben also die �Nachver-handlungen�, die der SPD-Par-teitag in Hannover erzwungenhat, nicht viel erbracht. (Genau-er: Sie dienten lediglich der�rechtsstaatlichen� Tarnung,RM)

(...)Derzeit sieht die richterliche

Kontrolle so aus: Ab und zu hältder Staatsanwalt dem Richterkurz die Akten hin, weil er eineUnterschrift braucht. Hat derRichter unterschrieben (Haus-durchsuchung, Telefonüberwa-chung oder künftig den Lausch-angriff), geht ihn die Sachenichts mehr an. Er befindet sichalso in der Rolle dessen, der Tik-kets für eine Vorstellung ver-kauft, die er nicht kennt.�

Das SED-Regime hatte seineGründe für die flächendeckendeBespitzelung der Bevölkerung.Aber genutzt hat diese Bespitze-lung diesem Regime letztlichnichts. Sie hat dazu beigetragen,das Regime nur um so verhaßterzu machen.

Auch das Regime der privat-kapitalistischen Monopole hatGrund für den systematischenAusbau der Bespitzelung. DieVerhältnisse werden für immermehr Menschen immer uner-träglicher. Der Ausbau der Be-spitzelung ist Ausdruck derSchwäche der Herrschenden.

Schon heute gibt es riesigeDatensammlungen.

Post billigt Kühnen-MarkeRechtsextremisten verbreiten nach einem Bericht des Spiegel mit

Billigung der Post eine Gedenkmarke für den im April 1991 gestor-benen Neonazi-Führer Michael Kühnen. Die Zentrale Kundenbe-treuung der Generaldirektion der Deutschen Post AG entschied, daßdie Kühnen-Marke als Briefschmuck prinzipiell zulässig ist. Vor-ausgegangen war eine Beschwerde des früheren Kühnen-Stellver-treters Thomas Brehl gegen Schaltermitarbeiter der Post, die dieBeförderung von Briefmarken mit der Kühnen-Marke verweigerthatten. Die Marke zeigt das Konterfei des toten Neonazis sowie dieUmschrift �Der Kampf geht weiter!� und �Deutsches Reich�.

Selbstdiagnose für Nazi-FansGott sei Dank hat der Bundestag nun einen Untersuchungsaus-

schuß eingesetzt, der die rechtsextremistischen Vorkommnisse beider Bundeswehr �rückhaltlos� aufklären soll. Der Ausschußvorsit-zende wird der CDU-Abgeordnete Kurt Rossmanith sein, der nacheinem Gerichtsbeschluß als �Nazi-Fan� bezeichnet werden darf, seiter 1994 seiner Meinung Ausdruck gegeben hat, der zum Tode ver-urteilte Kriegsverbrecher und �Lieblingsgeneral� Hitlers �General-oberst Dietl war und ist für mich auch heute noch eine Vorbild inmenschlichem und soldatischem Handeln�.

Die sind schon toll, diese Bonner: Für alles haben sie einen Ex-perten.

Rühe ruft Linke auf, in die Bundeswehrzu gehen

Kriegsminister Rühe forderte �die Linken� auf, in die Bundes-wehr zu gehen. Mit diesem Schachzug erklärte er, �die Linken�seien ja selbst schuld, wenn sie die Bundeswehr den Faschisten über-lassen. Er könne da nichts dafür.

Man sollte ihm den Gefallen tun. Wir sind durchaus der Mei-nung, daß fortschrittliche junge Menschen den Wehrdienst in derBundeswehr ableisten sollten und sich dort dafür einsetzen sollen,daß die Bundeswehr für den Kampf gegen andere Völker und ge-gen das eigene Volk so weit wie möglich unbrauchbar gemacht wird.Das wird dem Kriegsminister freilich nicht gefallen, denn im Kampfgegen andere Völker sowie das eigene Volk besteht schließlich derAuftrag der Bundeswehr.

Keine Entschädigung für KommunistenDeserteure der Wehrmacht, die wegen Fahnenflucht, Kriegsdienst-

verweigerung oder Wehrkraftzersetzung verurteilt wurden, könneneine Entschädigung erhalten. Nachdem der Bundestag im Mai 97entsprechende Urteile der Wehrmachtsjustiz für Unrecht erklärthatte, beschloß das Bundeskabinett eine Entschädigungsregelung.Für die Verurteilung ist eine einmalige Zahlung von 7.500 Markvorgesehen. Für die Entschädigung muß bis Ende 1998 ein Antragbei der Oberfinanzdirektion Köln gestellt werden. Ausgeschlossenwerden Personen, die nach Gründung der BRD �die freiheitlichdemokratische Grundordnung bekämpft� haben. Damit sind vorallem Kommunisten gemeint.

Seite 9Bürgerliche Ideologie

Zum Tode Rudolf Bahros:

War die DDR ein �säkularisierter Gottesstaat�?Im Dezember 1997 starb Ru-

dolf Bahro.Lohnt es sich überhaupt, zum

Tode Rudolf Bahros etwas zuschreiben? Man könnte sagen, eslohne sich nicht, denn Leute wieihn habe es schließlich massen-haft gegeben. Schema: Fanati-scher Anhänger des revisionisti-schen Regimes in der DDR wan-delt sich zum Befürworter derbürgerlichen Ordnung im We-sten, bewahrt sich aber seinenmissionarischen Eifer, indem erletztere �verbessern� will. War-um also ist Bahro überhaupt in-teressant?

Zum einen vielleicht deshalb,weil er das oben skizzierte Sche-ma in besonders markanten For-men durchlief. Sein 1977 in derBRD veröffentlichtes Buch �DieAlternative. Zur Kritik des realexistierenden Sozialismus� führ-te zu seiner Verhaftung undschließlich zur Verurteilung zuacht Jahren Haft. 1979 wurde eramnestiert und ging in den We-sten. Er gehörte zu den Gründernder grünen Partei, wandte sich�dem Transzendentalen� zu, alsodem Gespensterglauben moder-ner Spielart, und wurde Jüngerdes Sektengurus Bhagwan. Hat-te er einst seine psychische Stüt-ze bei einer Partei gesucht, diedem Menschen angeblich �allesgegeben� hat, unter anderem�Sonne und Wind�, wie es in ei-nem Lied hieß, in dem die SEDsich feierte, so lebte er nun - vondieser Partei enttäuscht - seinreligiöses Gemüt offener aus.Das hinderte ihn nicht an demVersuch, Gysi nach dem Zusam-menbruch der DDR dazu zuüberreden, eine �neue kommu-nistische Partei� zu begründen.Das wäre wohl eine hübsche Par-tei geworden! Freilich scheiter-te er bei diesem Versuch, dennGysi und seinesgleichen suchenihr Reich durchaus in dieserWelt, und da herrscht allein dieReligion des Marktes und desProfits.

Doch der wichtigere Grund,warum Bahro interessant ist, istfolgender:

Bahros Buch �Die Alternati-

ve� ist zwar ein Sammelsuriumkrauser und unausgegorener Ge-danken, die keiner marxistischenKritik standhalten, doch es ent-hält einige Termini, die be-stimmte Erscheinungen an derOberfläche der damaligen DDR-Gesellschaft durchaus treffendbeschreiben: �Subalternität�(also Über- und Unterordnungs-verhältnisse im Rahmen hierar-chischer Strukturen), �Inquisiti-on�, �säkularisierter Gottes-staat� (säkularisiert: verwelt-licht). Erschien diese Gesell-schaft etwa nicht in der Formeiner alles erfassenden Hierar-chie, in der Weisungen von ganzoben bis ganz unten �durchge-stellt� wurden, wie es im Jargonhieß? War die Stasi etwa keineInquisition, die versuchte, jegli-chen Widerstand mit geheimpo-lizeilichen Mitteln auszuspitzelnund zu brechen? Und wurde diesalles etwa nicht durch eine qua-si-religiöse (sich als marxistisch-leninistisch ausgebende) Ideolo-gie abgesegnet, deren Priestervorgaben, im Besitze der allein-seligmachenden Wahrheit zusein, die jedem einzelnen Akt derStaatsgewalt die Weihe höherergeschichtlicher Zwecke verlieh?Zweifellos.

Und Bahro sprach aus, daßhier Interessen am Wirkenwaren. Das schlug ein wie eineBombe, denn genau das wurdevon der Staatsreligion entschie-den geleugnet. Ihr zufolge wardie ganze Gesellschaft - von ei-nigen �Konterrevolutionären�und �geistig Verwirrten� abgese-hen - daran interessiert, den ob-jektiven Gang der Geschichte zuvollstrecken. So vertuschte dieStaatsreligion die verschiedenen- teils identischen, teil gegenein-anderwirkenden - Interessen derverschiedenen Glieder des hier-archischen Apparats, der dieMacht ausübte.

Damit war allerdings wederder bestehende Gesellschaftszu-stand wirklich begriffen, nochwar erklärt, wie es zu diesemZustand gekommen war, undBahro versuchte auch gar nicht,das zu erklären. Er sagte statt

dessen, �der Begriff des Appa-rats� (nämlich des Machtappa-rats der Herrschenden) sei �ex-akt genug für strategische Zwek-ke�, und damit war jeder weite-ren Analyse der Weg versperrt.

Das Kapital war beseitigt,doch eine Herrschaft (und zwarnicht die der Arbeiterklasse!)war vorhanden - damit hatteBahro recht. Doch er erklärtediese Herrschaft zum �allgemei-nen Wesen aller Klassenherr-schaft� und erklärte sie damiteben nicht, denn die Wahrheit istimmer konkret. Ein allgemeinesWesen, welches getrennt undunabhängig von konkreten Din-gen existiert, gibt es in dieserWelt nicht und muß tatsächlichim Geisterreich des �Transzen-dentalen� gesucht werden.

Doch seien wir selbstkritisch:Auch wir begriffen damals dasWesen der gesellschaftlichenVerhältnisse in der DDR nicht.Wir erklärten die DDR für kapi-talistisch, was mit der Wirklich-keit nichts zu tun hatte. Erst spä-ter begriffen wir, was in der So-wjetunion und anderen Ländernwirklich geschehen war. Grobschematisch skizziert handelt essich um folgendes:

Die Arbeiterklasse benötigt diesozialistische Verstaatlichung,um die warenproduzierendenVerhältnisse von Grund auf zuzerschlagen. Doch damit ist erstein roher Entwurf des Kommu-nismus geschaffen. Diese erstenMaßnahmen der siegreichen Ar-beiterklasse erscheinen �ökono-misch unzureichend und unhalt-bar�, treiben aber �im Lauf derBewegung (nämlich im Lauf desÜbergangs zum Kommunismus,RM) über sich selbst hinaus�(Marx/Engels, Manifest derkommunistischen Partei, MEW4 S. 481) Dieser Übergang isthistorisch gesehen ein Augen-blick: �Der erste Akt, worin derStaat wirklich als Repräsentantder ganzen Gesellschaft auftritt- die Besitzergreifung der Pro-duktionsmittel im Namen derGesellschaft - ist zugleich seinletzter selbständiger Akt alsStaat.� (Engels, Anti-Dühring,

MEW 20 S. 262) Dieser histori-sche �Augenblick� macht aberfür die Individuen, die ihn durch-laufen, eine längere Periode aus,in welcher der Staat einerseitsGeburtshelfer des Neuen ist, derGesellschaft frei assoziierter(verbundener) Produzenten, dieEntwicklung des Neuen aber zu-gleich hemmt, weil sich auf derGrundlage der Staatlichkeit, derhierarchischen Apparate, zu-gleich besondere Interessen her-ausbilden, die sich aber als all-gemeine tarnen müssen. Im So-zialismus nutzt die Arbeiterklas-se ihren Staat, ist zugleich abergezwungen, sich mit klassen-fremden Interessen herumzu-schlagen, die sich aufgrund die-ser Staatlichkeit entwickeln. Istdie Bewegung zur klassenlosenund staatsfreien Gesellschaftaber gestoppt, so wird die Bewe-gung dieser Sonderinteressen zurbestimmenden Bewegungsformvon Gesellschaft und Staat. DieFührer der Wirtschaft und despolitischen Machtapparats bil-den - bei all den fortbestehendenWidersprüchen untereinander -ein gemeinsames, gegen die Ar-beiterklasse gerichtetes Klassen-interesse heraus. Doch die bür-gerliche, die warenproduzieren-de Ordnung wird zunächst nichtwiederhergestellt.

Es ist also ein sozialökonomi-sches Element in Erscheinunggetreten, das bereits geschicht-lich überwunden geglaubt war:Persönliche statt sachlicher Herr-schaftsverhältnisse. Das waren-produzierende �Individuum be-sitzt die gesellschaftliche Machtunter der Form einer Sache.Raubt der Sache diese gesell-schaftliche Macht, und ihr müßtsie Personen über die Personengeben.� (Marx, Grundrisse derKritik der Politischen Ökono-mie, MEW 42 S. 91) Die Errich-tung persönlicher Machtstruktu-ren ist zur grundlegenden Zer-schlagung der warenproduzie-renden Ordnung erforderlich, isteine Krücke der alten Gesell-schaft, die die Arbeiterklassenutzen muß. Sie ist aber allesandere als Selbstzweck. Die Ge-schichte hat die Entwickungsstu-fe persönlicher Abhängigkeitennicht durch die Stufe sachlicher

Fortsetzung auf S.10

Seite 10 Bürgerliche Ideologie / Soziales

Abhängigkeiten abgelöst, umdanach die erstere wiederherzu-stellen, sondern der Übergang zueiner dritten, höheren steht ge-schichtlich an: �Freie Individua-lität, gegründet auf die univer-selle Entwicklung der Individu-en und die Unterordnung ihrergemeinschaftlichen, gesell-schaftlichen Produktivität alsihres gesellschaftlichen Vermö-gens, ist die dritte Stufe.� (eben-da) Persönliche Abhängigkeits-verhältnisse haben nur als vor-übergehend erforderliche Krük-ke, die den Übergang zu dieserdritten Stufe ermöglichen soll,einen fortschrittlichen Inhalt.

Geht die Orientierung auf denKommunismus indessen verlo-ren, so werden diese persönli-chen Machtverhältnisse nochreaktionärer als die bürgerlicheOrdnung selbst, denn beim ge-gebenen Entwicklungsstand derProduktivkräfte ist persönlichestatt sachlicher Macht als eigen-ständige sozialökonomische For-mation nicht mehr möglich. Dieherrschenden Revisionisten wa-ren daher in wachsendem Maßezum Ausbau von Ware-Geld-Kategorien gezwungen, doch eshalf alles nichts: Entweder hättedie Arbeiterklasse in einer erneu-ten Revolution die Macht wiederergreifen und die Orientierungauf den Kommunismus wieder-herstellen müssen, oder die be-stehende Ordnung mußte demKapitalismus weichen. Da erste-res nicht geschah, trat letzteresein.

Bahro witterte also ganz rich-tig, daß die persönlichen Herr-schaftsstrukturen keine Perspek-tive hatten. Er witterte ganz rich-tig, daß es sich in gewisser Wei-se um vorbürgerliche Herr-schaftsformen handelte. DieseHerrschaftsformen hatten in derErscheinung tatsächlich gewis-se Ähnlichkeiten mit dem Feu-dalismus, und die ideologischenVerkleidungen, zu denen dieHerrschenden gezwungen wa-ren, ließen das Regime tatsäch-lich als säkularisierten Gottes-staat erscheinen. Doch es warkein Feudalismus, und da Bahronicht von den Interessen der Ar-

beiterklasse ausging, konnte erdie Mängel seiner Auffassungennicht beseitigen. Seine prakti-sche Konsequenz hieß vielmehr:Beseitigung der persönlichenHerrschaftsverhältnisse durchWiederherstellung der sachli-chen, also des Marktes, aber bit-te ohne Ausbeutung und Ent-fremdung. Alternativer Landbauauf Genossenschaftsbasis - dar-in versuchte er sich nun. DochAusbeutung und Entfremdungkönnen ohne Beseitigung desMarktes nicht verschwinden.Den Widerspruch, der in derWirklichkeit nicht aufzulösenwar, suchte Bahro nun �tran-szendental� aufzulösen, mittelsder Religion. Einst Funktionäreiner Partei, die �immer recht�hatte, weil sie angeblich die Ge-schichte vollstreckte, suchte erauch jetzt etwas Höheres als dasder bürgerlichen Gesellschaft ei-gene egoistische Streben des In-dividuums nach borniertem per-sönlichem Vorteil. Er fand die-ses �Höhere� bei Bhagwan. DerKritiker des �säkularisiertenGottesstaates� landete beimnicht-säkularisierten Gottesstaateiner religiösen Sekte.

Fortsetzung von S.9Zum Tode Bahros...

Wolf Biermanns�Abgesang auf den

Kommunismus�

Wolf Biermann traf sich inWildbad Kreuth mit der Füh-rungsriege der CSU. Bis weitnach Mitternacht saß er mit denHerrschaften im Bierstüberl bei-sammen und sang ihnen vor.�Der gute Christ bleibt auch mallänger�, freute sich Waigel. Erhatte Grund zur Freude, zele-brierte Biermann doch den �Ab-gesang auf den Kommunismus�:

�Kommunisten können sichheute nur noch Leute nennen, dienie welche waren.� Und die wel-che waren, müssen heute Freun-de von Waigel und Stoiber sein?Wohl kaum. Die Sache ist die,daß Biermann nie einer war.

Wenn die Waigel und Stoibersich über den �Abgesang auf denKommunismus� freuen, dannhaben sie sich zu früh gefreut.

�Oberlandesgericht erteilt Redeverbot fürgeistig Behinderte:

Köln: Sieben geistig Behinder-te aus dem Kreis Düren dürfensich nach der Entscheidung desKölner Oberlandesgerichts(OLG) nur noch zu bestimmtenUhrzeiten in ihrem Garten un-terhalten. Ein Nachbar hattewegen Lärmbelästigung geklagt.Das OLG entschied, das in Arti-kel 3 des Grundgesetzes festge-schriebene Diskriminierungsver-bot gegen Behinderte bedeutetnicht, daß ein Nachbar störendenLärm hinnehmen müsse. DieKlage war in erster Instanz ab-gewiesen worden.�

(aus dem WDR - Videotextvom 08.01.98, Seite 117)

Wie würden sie sich fühlen:Stellen Sie sich mal vor, IhrNachbar wollte ihnen vorschrei-ben, wann sie Ihren Garten be-treten dürfen und wann nicht.Wann sie sich unterhalten dür-fen und wann nicht. Sicher wür-den sie sich in Ihrer Würde (zu-recht) verletzt fühlen. Das Ge-richt ging sogar soweit, daß essich nicht etwa wegen der Laut-stärke für dieses Urteil entschied,sondern daß es das Urteil damitbegründete, daß die Geräusche�außerordentlich belastend� sei-en. Diese Aussage ist eine Dis-kriminierung.

Warum entschied das Ge-richt so? Das Gericht entschiedgegen Artikel 3 des Grundgeset-zes (dieser verbietet die Diskri-minierung von Behinderten) undgab stattdessen dem Recht aufEigentum den Vorzug. Dies be-weist, welche Urteilskriterien fürdeutsche Gerichte Priorität ha-ben. Es sind an erster Stelle ka-pitalistische Kriterien (Schutzdes Kapitals, Schutz des Eigen-tums), erst nach diesen (wennüberhaupt) werden moralischeGesichtspunkte untersucht. So-mit ist wieder einmal klar: Ge-richte in einem kapitalistischenWirtschaftssystem handeln zumSchutz des Kapitals, nicht aberzum Schutz von Schutzbedürfti-gen!

Wie glaubwürdig ist �unser�System? Ganz klar verstößt dasUrteil gegen die verfassungsmä-

ßig �geschützte� Würde desMenschen. Die Verfassung istein einziges Alibi des Systems!Mit ihm will man Kritikern dieLuft aus den Segeln nehmen.�Wir haben doch einen huma-nen, demokratischen Staat, wenIhr es nicht glaubt, lest die Ver-fassung�. Das Urteil gegen dieBehinderten zeigt, wie ernst esden �verfassungsschützendenGerichten� um die angeblichenGrundrechte ist. Ob so ein Ge-richt zurecht demokratisch ge-nannt werden sollte, können sieselbst beurteilen. Wenn wir alsovon Diskriminierung sprechen,so sprechen wir von systembe-dingter Diskriminierung!

Behinderte und insbesonde-re geistig Behinderte habennur wenige Möglichkeiten, fürsich einzustehen: Auch deshalbsind sie oft Diskriminierungen,Vorurteilen und Gewaltanwen-dungen ausgesetzt. Dieser Zu-stand ist unerträglich! Er ändertsich nur, wenn wir uns aktiv fürGleichberechtigung einsetzen!Gleichberechtigung wird sichnur verwirklichen können, wenndas bestehende System grundle-gend neu aufgebaut wird.

Auch in Kierspe gibt es gei-stig behinderte Menschen: Nunmüssen wir damit rechnen, daßdie zunächst gewonnene Klagekein Einzelfall bleibt. Auch inKierspe könnte es zu ähnlichenBeschwerden und Klagen kom-men. Dem müssen wir gemein-sam entgegentreten! In was füreinem Land leben wir, wenn Be-hinderten jetzt sogar das Redenverboten wird? In einem demo-kratischen?

Gegen ungerechteBehandlungen undDiskriminierung vonBehinderten!Gegen das diskriminierendeKapital!

Dieses Flugblatt wurde vonFreunden der KPD in Kierspegeschrieben und verteilt. Eskönnte für andere Orte als Vor-lage dienen.

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DKP-Delegation in China:Trotz �Skepsis� glaubenssicherDer 15. Parteitag der �kommu-

nistischen� Partei Chinas hatteim Herbst letzten Jahres klareBeschlüsse gefaßt: Umwandlungvon Staatsbetrieben in Aktienge-sellschaften, mehr Fusionen, ver-stärkte Monopolbildung, undwer dabei nicht mithalten kann,soll rausfliegen: mehr Konkur-se, zügigere Entlassungen. Miteinem Wort: Zügige Entwick-lung des Kapitalismus und Mo-nopolismus. (vgl. Roter Morgen18/97, S. 12)

Nun besuchte eine Delegationder DKP unter Leitung des DKP-Vorsitzenden Heinz Stehr China.Fazit der Delegation: �Diesespannende und anstrengendeWoche zeigte uns, daß wir es inChina mit einer kommunisti-schen Partei zu tun haben, dieauch nach 1990 nicht das Hand-tuch geworfen hat, sondern wei-terhin versucht, den Sozialismuschinesischer Prägung aufzubau-en.� (UZ 24.12.)

Wie das? War die Delegationdenn völlig blind für die offen-kundigen Tatsachen?

Nein, das nicht. �Eine gehö-rige Portion Skepsis bleibt�, soheißt es in der UZ. Nun, zwei-feln muß dem Menschen erlaubtsein. Aber der Zweifel darf denGlauben nicht verdrängen. Esbleibe �aber auch der Eindruck,daß die KP Chinas nicht nur aufden Marxismus schwört, um eineRückkehr zum Kapitalismus zuverschleiern, sondern daß siedurchaus bewußt und zielgerich-tet versucht, die Mechanismender Marktwirtschaft im Sinneihrer Zielvorstellungen vom So-zialismus chinesischer Prägungauszunutzen.� (UZ) So wird bei-spielsweise berichtet, daß einchinesischer Funktionär �dieSituation der Freihandelszonenin die marxistische Strategie derKP Chinas einordnete.� (UZ)

Wie? Darüber kein Wort.Die DKP-Delegation behaup-

tet nicht mehr und nicht weni-ger als folgendes: Die KP Chi-nas verfolge eine marxistische,an den Interessen des Proletari-ats orientierte Strategie, und wasnach Kapitalismus aussehe, sei-en in Wirklichkeit taktischeMaßnahmen im Rahmen einersolchen Strategie. Wie dieseStrategie aussehen soll, dar-über fällt buchstäblich keinWort. Kein Wunder, denn einesolche Strategie gibt es nicht. Esbleibt bei Wiederholung vonPhrasen der chinesischen Funk-tionäre, wie z.B.: �Da der Mar-xismus aber wissenschaftlicheEntwicklung bedeute, müsse manihn immer eng mit der Praxisverbinden.� Das heißt auf gutDeutsch, in China müsse �derMarxismus� heute auf die rascheEntwicklung des Kapitals orien-tieren, und das eben sei Sozia-lismus.

Eine schöne �Wissenschaft�,die auf ein plattes Glaubensbe-kenntnis reduziert ist! Man kannebensogut an die jungfräulicheEmpfängnis Mariens glaubenwie an den Aufbau des Sozialis-mus in China. Wir hoffen, daßdie Genossinnen und Genossender DKP sich nicht mit derartplatten Glaubensbekenntnissenbegnügen werden, sondern sichden Tatsachen stellen werden.

Denn eines muß klar gesagtwerden: Man kann nicht für denSozialismus in Deutschlandkämpfen, wenn man bereit ist,die stürmische Entwicklung desKapitalismus in China, bei derdie chinesische Arbeiterklasseunter die Räder kommt, als �Auf-bau des Sozialismus� zu verklä-ren.

Im Roten Morgen 19/97schrieben wir über die Bericht-erstattung des Pekinger UZ-Kor-

Weitere Massenentlassungen in ChinaMindestens 1,1 Millionen Be-

schäftigte bei der Eisenbahn wer-den entlassen, meldet die amtli-che englischsprachige Zeitung�China� am 5. Januar 1998. ImZuge des Wandels soll lediglichder reine Verkehrtsbetrieb derBahn staatliches Monopol blei-ben. Die Abteilung für Lokomo-tiven-, Wagen- und Streckenbausollen sich privater Konkurrenzstellen.

Zentralbankchef Dai Xi-anglong und Vizepremier WuBangguo kündigten an, daß dieUmstrukturierung der WirtschaftChinas in den kommenden Jah-ren zügig voranschreitet. DieStaatsregierung will die Textil-industrie �wiederbeleben�. Der

Durchbruch wird sich zuerst inden neuen Arbeitslosenzahlenzeigen: 600 000 Menschen wer-den in der Textilbranche auf dieStraße gesetzt.

Betriebliche Rentabilität ge-winnt auf dem Weg zum Privat-eigentum an Produktionsmittelnimmer mehr den Vorrang. Chi-na ist 1996 mit einem Volumenvon 42,3 Mrd. Dollar hinter denUSA das attraktivste Land fürAuslandskapital gewesen. Diechinesischen Staatsmonopolemöchten hinter den Profiten derausländischen Konzerne nichtzurückbleiben.

Aus Südchina werden Streiksvon Arbeitern gemeldet, die seitMonaten nicht bezahlt werden.

respondenten Eike Kopf: �Offen-bar ist der Autor damit zufrie-den, wenn eine vom Volk völligabgeschottete Kaste von Leuten,die sich als �Kommunisten� be-zeichnen, die Macht ausübenund diese Machtausübung als�Diktatur des Proletariats� unter�Führung der Partei� bezeich-nen, völlig unabhängig vomKlassencharakter dieser Herr-schaft, völlig unabhängig z.B.auch davon, daß diese Kaste so-eben entschieden hat, zig Millio-nen Industriearbeiter zu entlas-sen und damit ins soziale Elendzu stürzen.� Leider trifft auf dieDKP-Delegation, die China be-sucht hat, dasselbe zu.

Übrigens: Der Bericht der UZüber den Besuch der DKP-Dele-gation in China enthält einenKasten, in welchem sich EikeKopf wieder zu Wort meldet. Wirwollen diese von der UZ unkom-mentiert wiedergegebene Stel-lungnahme unsererseits vollstän-dig wiedergeben:

�Die chinesisch-deutschenBeziehungen hätten sich in denvergangenen 25 Jahren gesundund in rapid wachsendem Maße

entwickelt und seien �von großerSignifikanz� (Wichtigkeit, RM)für die bilaterale ökonomischeKooperation, sagte der BRD-Botschafter in der VR China,Konrad Seitz, in einem Interviewmit �China Daily� anläßlich des25. Jahrestages der Aufnahmediplomatischer Beziehungen.Allein im Juni 1997 betrug dievon deutschen Firmen in Chinainvestierte Summe 2 MilliardenUS-Dollar. Allein VW habe etwa2 Milliarden US-Dollar inve-stiert. Siemens sei an 36 undDaimler Benz an 13 Joint Ven-tures beteiligt. Bayer, Hoechst,BASF und Henkel seien die füh-renden Investoren auf dem Ge-biet der Chemieindustrie; jedesdieser Unternehmen sei an 15 bis25 Joint Ventures beteiligt.�

Wie gesagt, dies bringt die UZohne jeglichen Kommentar, undzwar als Kasten innerhalb einesArtikels, der ohne jeglichenVersuch einer Begründung be-hauptet, in China würden �Me-chanismen der Marktwirtschaft�zum Zwecke des Aufbaus desSozialismus genutzt.

Seite 12 Der Kampf der StaSi gegen unsere Par tei in der DDR

Verlag, Berlin 1996)Auffallend ist, daß der Schutz

der �Weltanschauung der Arbei-terklasse� zu den Aufgaben desStaatssicherheitsdienstes gezähltwurde, der damit in der Tat auchdie Funktion einer Art �Gedan-ken- bzw. Ideologiepolizei� fürsich reklamierte.

Und die �Weltanschauung derArbeiterklasse� (d.h. der Revi-sionismus) konnte schon von denjüngsten Bürgern des Landes�angegriffen� werden. Folgerich-tig konnten auch Kinder als �ne-gative Kräfte� eingestuft werden.

Aufgefallen bin ich bereits als14jähriger Jugendlicher. Bereitsals Kind hatte ich viel Interessean Literatur und Geschichte.Nikolai Ostrowskis Buch �Wieder Stahl gehärtet wurde� hin-terließ einen tiefen Eindruck beimir.

Recht früh las ich bereits dasManifest von Marx und Engels.Später kamen andere Klassikerhinzu.

Dieses lesen geschah �frei�von den üblichen Erklärungen.Kein Schullehrer, kein FDJ-Lei-ter o.ä. der eine SED-Interpreta-tion gab. Selbstständig studierteich eine Reihe der Klassiker.(Auch wenn es langwierig war)Das waren wichtige Grundlagenmeiner oppositionellen Haltung.

Die überall sichtbaren Miß-stände in der Gesellschaft unddie eklatante Kluft zwischenTheorie und Praxis: Erklärungengaben die Klassiker.

Eine andere Meinung imStaatsbürgerkundeunterricht,Diskussionen im Ferienlagerüber die Intervention der War-schauer Vertragsstaaten in dieCSSR 1968 genügten für dasMfS. �Erschwerend� kam hinzu,daß ich öffentlich Radio Tiranaim Kinderferienlager hörte.

Als 17jähriger hatte ich danneinen eigenen operativen Vor-gang (OV). Aufgabe eines sol-chen OV ist es Informationenund detaillierte Angaben zusam-menzutragen, um ein Ermitt-lungsverfahren einzuleiten undZersetzungsarbeit zu leisten.

Fortsetzung von S.1�Chefsache Mielke�...

Wichtige Maßnahmen des OVsind:

Ziel war, Beweise für eine ver-mutete Straftat zu erarbeiten unddie jeweiligen Handlungen zuunterbinden. Alles wurde nachbestimmten Richtlinien des Mi-nisterrates festgelegt, um ge-heimdienstlich zu arbeiten:A) Die Briefe des Bürgers wer-

den geöffnet ( Maßnahme�M�, Postkontrolle)

B) Man brach in die Wohnungein (Konspirative Wohnungs-durchsuchung durch Abtei-lung VIII)

C) Baut Wanzen in die Wohnung(Maßnahme 26B)

D) Observation (Abteilung VIII)und heimliches fotografieren(Maßnahme 26F)

E) Telefon wird abgehört (Maß-nahme 26A)

F) Baut ein stecknadelkopfgro-ßes Video-Objektiv in dieWohnung (Maßnahme 26D)

G) Drückt ihn von seinem Ar-beitsplatz weg (durch opera-tive Spiele/ Kombination)

H) Man verleitet den Bürger zumHandeln und Reagieren durchoperative Spiele/ Kombinatio-nen. Der Bürger sollte dazugebracht werden, sich durchunbedachte Handlungen sel-ber zu belasten bzw. entlasten.

I) Setzt Spitzel auf ihn an (Ein-satz eines IM durch den fe-derführenden Offizier)

(Vgl. dazu auch die Richtlinie:Nr. 1/76 zur Entwicklung undBearbeitung Operativer Vorgän-ge OV/GVS MfS 008-100/76)

Sollten die Maßnahmen denTatbestand ergeben, daß es sichhier um einen kritischen DDR-Bürger handelt, wurde er gleich-zeitig in die Liste für Personenaufgenommen, die in Krisensi-

tuationen zu isolieren sind. Inder Direktive Nr.1/67 (GeheimeKommandosache) wurden dieAufgaben für eine stabsmäßigeVorbereitung zur Errichtung vonInternierungslager festgelegt. Inder Anlage 1 zur Direktive�Kennziffernsystem zum Mobil-machungsplan� wurde u.a. ge-nannt: Schaffung der Grundla-ge, um Personen zu isolieren,von denen eine Gefährdung fürdie Verteidigungsfähigkeit derDDR ausgehen könnten. DieZuführung dieser Personen soll-te durch Angehörige des MfSerfolgen, Sammelpunkte warenvorzubereiten und der Transport

in die Isolierungsobjekte zu or-ganisieren.

Im Dokument GVS MfS 0005- 99/86 ist es erkennbar, welchePersonen gemeint sind: Bürgerder DDR, �von denen auf Grundihrer verfestigten feindlich-ne-gativen Grundhaltung gegen-über der sozialistischen Staats-und Gesellschaftsordnung undunter Berücksichtigung ihresbisherigen Auftretens, ihrer of-fiziell und inoffiziell bekanntgewordenen Äußerungen, ihrerKontakte und Verbindungen so-wie bestimmter Lebens- und Ver-haltensweisen mit Wahrschein-lichkeit im Verteidigungszustandeine akute Gefährdung der staat-lichen Sicherheit und Ordnungausgehen kann oder die solcheHandlungen dulden oder unter-stützen.�

Nicht zu isolieren, sonderngleich zu verhaften, (Kennziffer4.1.1.) waren Personen mit so-genannter feindlichen Zielstel-lung, die

�Forderungen nach einer Ver-änderung der Staats- und Gesell-schaftsordnung in der DDR

durch die Verbreitung von Auf-fassungen über einen `demokra-tischen Sozialismus` und neueSozialismusmodelle aufgestellthaben.�

(Nach Angaben der Vertreterder DDR-Generalstaatsanwalt-schaft am 30.8.1990 vor der Re-gierungskommission zur Auflö-sung des MfS umfaßte die Listeder für eine Isolation Vorgesehe-nen mit Stand vom 30. Novem-ber 1983 insgesamt 10.919 Per-sonen)

Grundlage meines OV war dieEinschätzung ich vertrete öffent-lich pseudorevolutionäre undmaoistische Ansichten. Dies wir-ke �zersetzend� auf die Gesell-schaft und die Partei. Deshalbwurde der operative Vorgangwohl auch als OV-�Toxin� ge-führt.

In diesen Operativen Vorgangwurden dann alle Maßnahmendes MfS festgehalten.

Auf konspirative Weise wur-den betriebliche Beurteilungen(Kaderakte) gesammelt. Diejüngste Beurteilung war übrigenseine aus der 6. Schulklasse. Wei-terhin wurden alle möglichenEinschätzungen zusammenge-tragen, die über verschiedeneQuellen (z.B. IM�s) ermitteltwurden. Sei es im Wohngebiet,im Betrieb usw. Ärztliche Gut-achten wurden gesammelt. Hob-bys ermittelt.

Eingeleitet wurde eine Post-überwachung.

Die gesamte familiäre Umge-bung wurde in den OV mit ein-bezogen.

Das DDR-Ministe-rium als Einbre-cherbande

Es dauerte dann auch nichtlange und es kam zur ersten�konspirative Hausdurchsu-chung�.

Eine solche Hausdurchsu-chung wurde äußerst bedachtgetätigt. Sämtliche Hausbewoh-ner wurden im Vorfeld �durch-leuchtet�. Über jeden einzelnenwurden Akten angelegt. DerWohnungseinbruch wurde präzi-se geplant und durfte �nicht ge-stört� werden. D.h. in dieser Zeit

Wanzen: Sie wurdenin Lichtschalter,

Holzleisten, hinterSchrankwändeninstalliert. Als

Maßstab dient einFeuerzeug. MeineWohnung war voll

mit solchenGeräten.

Seite 13Der Kampf der StaSi gegen unsere Partei in der DDR

durfte kein Hausbewohner anwe-send sein. Jeder Bewohner wur-de dann genaustens beobachtet.Da wurden dann fingierte Kader-gespräche getätigt, Arztbesuchearrangiert usw. (Legende = Täu-schung. So die Spezialspracheder Stasi). Die Fäden zog immerdie Stasi.

Der Zweck einer solchenHausdurchsuchung war es, Infor-mationen über mich zu sam-meln. Fotos von der Wohnung,von Büchern und Briefen wur-den gemacht. Zeitungen undBücher wurden aufgelistet usw.

Wohnungseinbrüche mußtenstets vom Stasi-Chef genehmigtwerden. Diese wurden nach

Durchführungsbestimmungendes Ministers durchgeführt. Ineinem großen roten Buch warendie Ministerbefehle für dieDurchführung von konspirativenMaßnahmen festgehalten.

Daß diese Maßnahmen gegengeltendes DDR-Recht verstie-ßen, war kennzeichnend für dieDDR. Auf der einen Seite forma-le Rechtsstaatlichkeit auf deranderen Seite wurde diese tag-täglich mit Füssen getreten. Mil-lionenfache Briefkontrollen, zig-tausendfache Wochnungseinbrü-che und Abhören der Bürgerusw. - dies alles wäre nach DDR-Recht kriminell.

Mitte der siebziger Jahre wur-

de dann meine Wohnung ver-wanzt. Anfänglich gab es tech-nische Probleme und eine ange-kündigte Renovierung ließ dieLauscher arg schwitzen. Nurunter großer Mühe gelang esrechtzeitig, für einige Tage dieAbhörgeräte nocheinmal abzu-bauen. Von diesem Zeitpunkt anliefen die Schallaufzeichnungs-geräte des MfS. Es kam in derFolgezeit immer wieder zu Woh-nungseinbrüchen. Das MfS fer-tigte gleich Nachschlüssel anund ich hatte so gewissermaßeneine �öffentliche� Wohnung.

Die Wanzen selber waren festinstalliert und auf Dauerbetriebeingestellt. Zwar geben die Ak-

ten nur eine zeitlich befristeteAbhörtätigkeit her (ca. 3 Mona-te im Jahr). Das besagt abernichts: Der Umfang der Sammel-wut der Stasi war so groß, daßeine Unmenge an Aktenmateri-al auf Mikrofilm archiviert wur-de. Davon existiert aber nur nochein Teil.

Nicht protokolliert wurde je-doch der Abbau der Wanzen. Daich aber bis zum Ende der DDRals �feindlich negative� Personüberwacht wurde - noch 1988wurde ein IM auf mich angesetzt- sind diese Gerätschaften wahr-scheinlich als �Erbe� der DDRmitübernommen worden.

Gleichzeitig wurde noch op-

tisch observiert: 24 Stundenrundum Bespitzelung, wegenmeiner �negativen Einstellung�zur DDR lasen sich dann so:�5.10 Uhr: Afro (so mein Bear-beitungsname durch das MfS)steht auf5.11 Uhr: Rasieren, Zähneputzen5.15 Uhr: Oase (die Ehefrau)steht auf . Gähnen.5.15 Uhr: Westradio - NDR 2 -wird gehört.5.18 Uhr: Oase tätigt Morgen-toilette.5.29 Uhr: Afro verläßt das Ob-jekt.5.44 Uhr: Oase verläßt das Ob-jekt.5.45 Uhr: Im Objekt herrschtRuhe.(...)�Eine Observationsgruppe �be-gleitet� mich bis zum Betrieb.Dort stehe ich unter �Aufsicht�der IM´s �Bernd� und �Dreher�.Keine besonderen Vorkomnisse,heißt es dann lapidar.�14.00 Uhr: Am Haupttor Wei-terführung der Beobachtung:14.32 Uhr: Afro schlendert dieStraße entlang.14.39 Uhr: Afro betritt einenKonsum. Kauft Waren im Wertvon 11.47 Mark.15.01 Uhr: Afro betritt das Ob-jekt.15.04 Uhr: Afro hört albanischeMusik.16.00 Uhr: Westfernsehen läuft.Eine Sendung über F.J. Straußläuft auf ARD.16.10 Uhr: Afro lacht überStrauß.16.13 Uhr: Afro schimpft überGenossen Erich Honecker.(...) 22.29 Uhr. Es herrscht Ruhe imObjekt.�

Sparen wir uns diese Spitzel-berichte. Sie sollen nur einenkleinen Einblick geben über diealltägliche Spitzeltätigkeit. ImÜbrigen war es aber so, daß dieAbteilung, die abhörte oder ob-servierte, nicht die Gründe derVerfolgung erfuhren. Sicher istsicher, war die Devise.

Erwähnen muß ich auch, daßdas MfS, um die Konspiration zuwahren, die strafrechtliche Ver-wendung solcher �inoffiziellen�Beweise untersagte. Gerichtsver-wendbar war nur, was �legal�

beschafft worden war. DerSchein sollte irgendwie gewahrtbleiben.

Richtlinien einerGangsterbande

Das MfS kannte keine Gren-zen; jedes Mittel das zum Erfolgführen konnte, wurde ange-wandt. In den Richtlinien lagendie Grundlagen des Spitzelsy-stems. Zynisch und menschen-verachtend legte Mielke dieMaßnahmen der Zersetzung fest.

Er gab Anweisungen, �Kennt-nisse zu erarbeiten, die wir-kungsvoll für offensive Zerset-zungs- und Kompromittierungs-maßnahmen genutzt werden kön-nen.�

Gegen die KPD wurden dazudie Maßnahmen aus RICHTLI-NIE Nr.1/76 angewandt:

�Geheime Verschlußsache,MfS Nr. 100/76

Mielke, Generaloberst(S. 46-48, Auszüge)2.6. Die Anwendung von Maß-

nahmen der Zersetzung2.6.1. Zielstellung und Anwen-

dungsbereiche von Maßnahmender Zersetzung

Maßnahmen der Zersetzungsind auf das Hervorrufen sowiedie Ausnutzung und Verstärkungsolcher Widersprüche bzw. Dif-ferenzen zwischen feindlich-ne-gativen Kräften zu richten, durchdie sie zersplittert, gelähmt, des-organisiert und isoliert und ihrefeindlich-negativen Handlungeneinschließlich deren Auswirkun-gen vorbeugend verhindert, we-sentlich eingeschränkt odergänzlich unterbunden werden.

(...)Zersetzungsmaßnahmen kön-

nen sich sowohl gegen Gruppen,Gruppierungen und Organisa-tionen als auch gegen einzelnePersonen richten und als relativselbstständige Art des Abschlus-ses Operativer Vorgänge oder imZusammenhang mit anderen Ab-schlußarten angewandt werden.

2.6.2. Bewährte anzuwenden-de Formen der Zersetzung sind:

- systematische Diskreditie-rung des öffentlichen Rufes, desAnsehens und des Prestiges aufder Grundlage miteinander ver-

Oben: Einemobile

Schlüsselfräse.Damit konnteman jederzeit

Wohnungsschlüsselkopieren.

Unten: EineSammlung

verschiedenerRohlinge zurHerstellung

vonNachschlüsseln.

Seite 14 Der Kampf der StaSi gegen unsere Par tei in der DDR

bundener wahrer, überprüfbarerund diskreditierender sowie un-wahrer, glaubhafter, nicht wider-legbarer und damit ebenfalls dis-kreditierender Angaben;

- systematische Organisierungberuflicher und gesellschaftli-cher Mißerfolge zur Untergra-bung des Selbstvertrauens ein-zelner Personen;

- zielstrebige Untergrabungvon Überzeugungen im Zusam-menhang mit bestimmten Idea-len, Vorbildern usw. und die Er-zeugung von Zweifeln an derpersönlichen Perspektive;

- Erzeugung von Mißtrauenund gegenseitigen Verdächtigun-gen innerhalb von Gruppen,Gruppierungen und Organisa-tionen;

- Erzeugung bzw. Ausnutzungund Verstärken von Rivalitäteninnerhalb von Gruppen, Grup-pierungen und Organisationendurch zielgerichtete Ausnutzungpersönlicher Schwächen einzel-ner Mitglieder;

- Beschäftigung von Gruppen,Gruppierungen und Organisa-tionen mit ihren internen Proble-men mit dem Ziel der Einschrän-kung ihrer feindlich-negativenHandlungen;

- örtliches und zeitliches Un-terbinden bzw. Einschränken dergegenseitigen Beziehungen derMitglieder einer Gruppe, Grup-pierung oder Organisation aufder Grundlage geltender gesetz-licher Bestimmungen, z.B. durchArbeitsplatzbindungen, Zuwei-sung örtlich entfernt liegenderArbeitsplätze usw.

Bei der Durchführung von Zer-setzungsmaßnahmen sind vor-rangig zuverlässige, bewährte,für die Lösung dieser Aufgabengeeignete IM einzusetzen.

Bewährte Mittel und Metho-den der Zersetzung sind:

(...)- die Verwendung anonymer

oder pseudonymer Briefe, Tele-gramme, Telefonanrufe usw.;kompromittierender Fotos, z.B.von stattgefundenen oder vorge-täuschten Begegnungen;

- die gezielte Verbreitung vonGerüchten über bestimmte Per-sonen einer Gruppe, Gruppie-rung oder Organisation;

- gezielte Indiskretion bzw. das

Vortäuschen einer Dekonspira-tion von Abwehrmaßnahmen desMfS;

- die Vorladung von Personenzu staatlichen Dienststellen odergesellschaftlichen Organisatio-nen mit glaubhafter oder un-glaubhafter Begründung.

Diese Mittel und Methodensind entsprechend den konkretenBedingungen des jeweiligenOperativen Vorganges schöpfe-risch und differenziert anzuwen-den, auszubauen und weiterzu-entwickeln.

(...)Die Durchführung der Zerset-

zungsmaßnahmen ist einheitlichund straff zu leisten. Dazu ge-hört die ständige inoffizielleKontrolle ihrer Ergebnisse undWirkung. Die Ergebnisse sindexakt zu dokumentieren.�

Die Zerschla-gung der Sekti-on DDR

Die Ausforschung des �Feind-objektes� bot die Möglichkeit, imDezember 1980 und vor allemim März 1981 auf eine härtereLinie umzuschwenken und zumgroßen Schlag auszuholen: Ins-gesamt acht Mitglieder und An-hänger der Sektion DDR wurdenverhaftet und Ermittlungsverfah-ren wegen Vergehens nach § 106StGB (�Staatsfeindliche Hetze�)eingeleitet, gegen zwei weitereliefen Ermittlungsverfahrenohne Haft. (Vgl. Informationender Hauptabteilung IX/2 vom5.11.1981; BStU, ZA,AU 2409/83 Bd.7,Bl. 189f.)

Die beiden führenden Aktivi-sten der Sektion DDR - der einearbeitete als Diplommathemati-ker, der andere war als Maschi-nenschlosser pikanterweise inder Druckerei des �NeuenDeutschland� beschäftigt, wur-den beide jeweils zur Höchststra-fe von acht Jahren Freiheitsent-zug verurteilt. An ihrer Vertei-digung war auch der bekannteRechtsanwalt Wolfgang Vogelbeteiligt.

Der eine der beiden Hauptver-antwortlichen saß seine Strafe inBrandenburg, der andere inBautzen ab. Beide stellten noch

in der Haft Anträge auf Über-siedlung in die BRD; erst nachfünfeinhalbjähriger Haftdauerwurden sie in den Westen abge-schoben.

Die Reihenfolge der Verhaf-tungen ergab sich aus der Ab-sicht zunächst beim vermeintlich�schwächsten Glied�, das heißtden eher schwankenden Anhän-gern anzusetzen. Auf der Grund-lage ihrer Aussagen, so vermu-tete die Stasi, würde sich genü-gend belastendes Material zurFestnahme der maßgeblichenKPD-Aktivisten ergeben. Durch

die Festnahmen konnte die Sta-si die Aktivitäten der SektionDDR weiter rekonstruieren. Inder Wohnung eines Verhaftetenwurde eine verschlüsselte Listemit 150 Namen gefunden, vondenen die Stasi binnen kurzem36 entschlüsselt hatte: 24 davonerwiesen sich als �inoffiziellePositionen� des MfS.

Anhänger und Sympathisan-ten der Sektion DDR, denenstrafrechtlich relevante Vergehennicht nachgewiesen werdenkonnten, wurden durch vorüber-gehende �Zuführung� unterDruck gesetzt. (�Befragung zueiner Angelegenheit�) Würdensie sich dann gegenseitig bela-sten, hätte das MfS die ge-wünschten Beweise in der Handgehabt. Wenn sie dagegen vor-ziehen sollten zu schweigen,vermochte die Stasi sie zwarnicht festzuhalten, konnte sieaber gerade wegen ihrer raschenFreilassung in den Augen ihrerGesinnungsgenossen wirkungs-

voll diskeditieren - so oder sohatte das MfS alle Vorteile aufseiner Seite. (Vgl. Maßnahme-plan der Abteilung IX der BVBerlin zur Vorbereitung undDurchführung der am 29.9.81geplanten strafprozessualen Prü-fungsbedingungen vom 26.8.81;BStU,ZA,AU 2409/83Bd.7,Bl.8-10.)

Auch die nächsten Verwand-ten der Inhaftierten wurden, oft-mals unter Legende, zu Verneh-mungen �geladen�.

Im April 1981 unternahm eineAngehörige eines Inhaftierten

einen Selbstmord-Versuch, dennin ihrem Verhör hatte der Staats-sicherheitsdienst seine Aura von�Allwissenheit� und �Allmacht�deutlich demonstriert. (Vgl.BStU,ZA,AOP 643/85 Bd.1,Bl.257-260)

Meine Frau wurde die Schei-dung nahegelegt und in Aussichtgestellt, das gemeinsame Kindzwangsweise zu adoptieren, dadie Familie nicht die Gewährstellt das Kind im �Sinne desDDR-Sozialismus� zu erziehen.Es wurde darauf hingewiesen,daß das Kind (3 Jahre alt) in sei-ner Entwicklung ebenfalls beob-achtet würde.

Zu den Mitteln der Verhöregehörten neben Drohungen, wie:�nicht unter 10 Jahre Knast�,�Wir können sie zwangsweisescheiden lassen� offene Mord-drohungen: �Sollten Sie noch-einmal in der Nähe der albani-schen Botschaft sein, bedenkenSie auch, wir sind überall prä-sent. Und wie rasch kommt es zu

Ein Schließbesen zum Entriegeln von Schlössern. Mit dem �T54� (unten)wurden Kronenschlösser geöffnet. Westliche Geheimdienste, auch der

Verfassungsschutz, benutzen ähnliche Werkzeuge

Seite 15Der Kampf der StaSi gegen unsere Partei in der DDR

einem Verkehrsunfall!� (Vgl.Notizen: �Furcht und Elend derStasi�, Die Lehren der Stasiver-höre.)

Das waren aber nicht nur Dro-hungen, um einzuschüchtern. InPolen z.B. wurden viele Genos-sen der illegalen Kommunisti-schen Partei von den Sicherheits-organen ermordet. Dazu gibt esgenügend Beweise. In der DDRunterhielt die Stasi eine Sonder-einheit (ca. 300 Personen) die fürMord und Terror zur Verfügungstanden. Auch wenn diese Ein-heit für einen Westeinsatz vor-gesehen war (�Spannungsfall�)konnte sie für Sonderaufgaben inder DDR aktiviert werden. In�zahlreichen Varianten� sei trai-niert worden, wie jemand ermor-det werden könnte, so ein Mit-glied der Einheit. Die Sonderein-heit war nicht nur spezialisiert,fingierte Autounfälle perfekt aus-zuführen, sondern verfügte auchüber alle Kenntnisse, um Selbst-morde bei Gewaltverbrechenvortäuschen zu können. (Vgl.�Stasi-und kein Ende. Die Per-sonen und Fakten�, Ullstein-Buch Nr. 34773; 1991 -S. 213-215)

Sofern Aussagen von Festge-nommenen auch inoffizielle Mit-arbeiter namentlich belasteten,sorgte die Staatssicherheit für dasmöglichst unauffällige �Heraus-lösen� der IM aus der SektionDDR.

Grundsätzlich verhaftete dieStasi diejenigen Personen, denensie strafrechtlich relevante Ver-gehen nachweisen konnte unddie nicht zugleich IM�s waren.

Als flankierende Maßnahmezu den Verhaftungen leitete dasMfS im Frühjahr 1981 in gro-ßem Maßstab Reisesperren- undFahndungsmaßnahmen ein. Ins-gesamt wurden 357 Reisesperrengegen bundesdeutsche KPD-Ge-nossen verhängt (betroffen wa-ren 65 Funktionäre, 14 Instruk-teure, 16 Kuriere und 262 wei-tere Parteiaktivisten - nach An-gaben des MfS.)

Wie gut das Mielke-Ministe-rium unterrichtet war, zeigte sichetwa, als im MfS die Frage ab-gewogen wurde, ob die Präsenzeines IM auf dem V. Parteitag derKPD im Winter 1983 sinnvoll

sei. Offensichtlich kamen sie zudem Resultat, daß die Parteitags-beschlüsse ohnehin zu erfahrensind und es nachteilig sei, wenndie Anwesenheit eines Delegier-ten der Sektion es der KPD er-lauben würde, ihre Präsenz imOsten zu behaupten. Außerdemwaren dem MfS mit Hilfe inoffi-zieller Mitarbeiter sogar die Re-debeiträge einzelner Delegierterim Vorfeld der Veranstaltungbekannt geworden. (Vgl. Ab-schrift eines Antrages bzw. Stel-lungnahme eines Funktionärsder KPD zum bevorstehendenParteitag, welche der IM einse-hen konnte vom 26.6.1983;BStU,ZA,AOPK 8286/87,Bl.253-262.)

Die öffentlichenProteste -Solidaritäts-arbeit der KPD

Nach der massiven Verhaf-tungswelle in der DDR wertetedie KPD die Ursachen dafür aus.Neben ungenügender konspira-tiver Arbeit der Genossen derSektion wurde auf die Zuarbeitder DKP verwiesen, die als ver-längerter Arm des MfS wirkte.(Vgl. Bericht der AG XXII derBV Berlin vom 22.12.83 zumTreffen mit dem InoffiziellenMitarbeiter der Abwehr mitFeindberührung (IMB) �Tra-bant�, BStU,ZA, Neiber 91,Bl.183-191.)

Es kam bundesweit zu einerVielzahl von Aktivitäten zurFreilassung der gefangenenKommunisten in der DDR. Ak-tivisten der Partei besetzten dasBonner adn-Büro (Oktober1981), versuchten Autobahn-übergänge an der Grenze zublockieren oder ketteten sich andem Gebäude der Ständigen Ver-treteung der DDR in Bonn fest(Juli 1982). Vor dem Grenzpo-sten an der Bornholmer Straßeeröffneten fünf Genossen einenviertägigen Hungerstreik (De-zember 1981). Zweimal bemüh-ten sich Genossen, Unterschrifts-listen gegen die Festnahme anDDR-Organe zu überreichen(Oktober und Dezember 1981).Sechsmal (zwischen Dezember

1981 und Mai 1982) wurden vonWestberlin aus mittels BallonsFlugblätter in der anderen Hälf-te der Stadt verbreitet und so dieVerhaftungen publik gemacht.(Vgl. Information 230/82 übererneute Hetzschriften-Ballonak-tionen von Berlin (West) auso.D.; BStU, ZA, Neiber 90, Bl.155f.)

Auch in die �Höhle des Lö-wen� wagten sich bundesdeut-sche Kommunisten vor. Vier vonihnen reisten für die DDR völligüberraschend von Westberlin ausin den Ostteil der Stadt und ket-teten sich auf dem Alexander-platz an (November 1981); einanderer warf zur selben Zeitnicht weit davon entfernt Flug-blätter über die Balustrade des�Centrum�-Warenhauses. (Vgl.Abschlußbericht der AbteilungXXII/8 zum OV �Sektion� vom30.3.1989; BStU, ZA, AOP2796/89, Bd. 1, Bl. 216-220.)

Schließlich sammelte ein west-deutscher Halbbruder eines In-haftierten rund 200 Unterschrif-ten (unter anderem die von Hein-rich Böll und Heinrich Albertz)für die Freilassung der Gefange-nen und reiste am Vormittag des18. November 1982 unbehelligtin die DDR ein, konnte die Peti-tion an die Eingabestelle desMinisteriums der DDR überge-ben und kehrte ohne Problemewieder in den Westen zurück.(Vgl. Bericht vom 1.12.82. Sie-he auch AOPK �Springer�,BStU, ASt Frankfurt/Oder,AOPK Cottbus 1819/84.)

Das MfS versuchte, dieseKampagne effektiv und zugleichmöglichst unauffällig abzuweh-ren. Die Genossen, die sich aufdem Alex angekettet hatten, wur-den festgenommen. Zwei Tagenach ihrer Verhaftung wurdensie zu sechs Monaten Gefängnisverurteilt und aus der DDR aus-gewiesen.

Auf die Genossen der Sektionmußte das MfS weniger Rück-sicht nehmen, doch sollten dieverbliebenen Aktivisten keinespektakuläre Aktionen starten.(�Bei aller Konsequenz unsererMaßnahmen müssen jedochKonfrontationen, die zu spekta-kulären Aktionen der ̀ KPD` oderanderen Auswirkungen mit hoher

Öffentlichkeitswirkung führendürfen, vermieden werden� - soNeiber in Wiedergabe von An-weisungen Mielkes. SchreibenNeibers vom 3.12.82)

Studium desMarxismus-Leni-nismus wirdverboten

Obwohl viele Aktivisten derSektion DDR verhaftet wurden,glaubte sich das Ministeriumgegen den zersetzenden �Bazil-lus� der KPD noch besonderswappnen zu müssen. Gegen vierder Inhaftierten wurden eigensOperative Personenkontrollenmit dem Decknamen �Igel� ein-geleitet, weil die für die Sicher-heit der Justizvollzugsanstaltenzuständige Hauptabteilung VIIdes MfS befürchtete, daß dieGefangenen durch ihre �feindli-che Haltung� Mitgefangene be-einflussen. Um dies zu verhin-dern, kamen 4 IM`s des MfS so-wie 2 IM`s der Kripo (Arbeits-gebiet I) zum Einsatz.

Zu den subversiven Absichteneines Gefangenen gehörte es,ungestört die Klassiker des Mar-xismus-Leninismus zu studieren.Das Ministerium für Staatssi-cherheit untersagte das aber undgeriet bei der Begründung die-ses Verbotes in große Argumen-tationsschwierigkeiten. (Vgl.BStU, ZA, AOPK 427/85.)

Damit ließ es das MfS aller-dings nicht bewenden, sondernführte im Strafvollzug auch�Zerse tzungsmaßnahmen�durch. �Durch zielgerichtetepolitisch-operative Maßnahmenwurde bei den Mithäftlingen desLeiters der ehemaligen SektionDDR der Eindruck vertieft, daßer als `Stasi-Spitzel` für das MfStätig ist. Infolgedessen wird ihmzunehmend mit Mißtrauen be-gegnet und er von anderen Häft-lingen gemieden.� (Zwischen-einschätzung der AbteilungXXII/3 zum OV �Sektion� vom3.1.86; BStU, ZA, AOP 2796/89Bd. 1, Bl. 186-189; Informationder Arbeitsgruppe XXII der BVBerlin vom 12.4.85 zur linksex-tremistischen �KPD�; BStU, ZA,Neiber 91, Bl. 73-75; Sachbe-

Seite 16

standsbericht der Abteilung VIIder BV Brandenburg zur OPK�Igel� vom 4.7.85; BStU, AStBerlin, AOPK 2172/83, Bl. 42-45.)

Und auch für die Zeit nach derHaftentlassung wollte das MfSgleich Vorsorge treffen:�M(eines) E(rachtens),� so Miel-ke-Stellverterter Gerhard Neiber,�sollte überlegt werden, wie wirdie in der DDR inhaftierten`KPD`-Mitglieder gegenüber ih-

ren Verbindungen und vor allemder `KPD` so kompromitieren,daß wir sie aus der Haft entlas-sen und in die BRD abschiebenkönnen, um die Zersetzung der`KPD` zu fördern und den zuÜbersiedelnden selbst jeglicheMöglichkeit nehmen, bei Gleich-gesinnten Anschluß zu finden.�(Schreiben Neibers vom 3.12.82;Information 75/308/83; Vor-schlag (der HA IX) des MfS überdie Anwendung weiterer Mög-lichkeiten zur Zersetzung derfeindlichen Gruppierung �Sekti-on DDR� der KPD/ML� aus derSicht des bearbeitenden Ermitt-lungsverfahrens vom 19.7.82;BStU, ZA, AU 2409/83 Bd. 7,Bl. 2678f. Im persönlichen Um-feld des Betreffenden wurdensolche Maßnahmen nachweis-lich auch praktiziert. Vgl. Be-

Der Kampf der StaSi gegen unsere Par tei in der DDR

richt der Arbeitsgruppe XXIIvom 1.12.82; BStU, ZA, Neiber90, Bl. 24-27.)

Eine Haftentlassung und Über-siedlung wollte Neiber überhaupterst dann zulassen, wenn ent-sprechende Möglichkeiten zurKompromittierung gegeben wa-ren. ( Vg. Schreiben GerhardNeibers an Harry Dahl vom14.4.82; BStU, ZA, Neiber 90,Bl. 225. Auch zwei Verwandtevon inhaftierten KPD-Mitglie-dern wurden in den Westen ent-lassen (und ihrer Wiedereinrei-se sogar zugestimmt), �um denVerdacht zu erwecken, daß bei-de Personen langjährig für dasMfS tätig sind und im Auftrageunseres Organs übergesiedeltsind.� Information 75/306/83.)

Präventationgegen einenWiederaufbauder Sektion DDR

Neben der Furcht vor der Öf-fentlichkeit, die über Aktivitätender KPD berichten könnte, wardie Hauptsorge des MfS, dieKPD könne die Sektion DDRreorganisieren. Deshalb solltenalle möglichen Aktivitäten be-reits im Keim erstickt werden.Dazu bediente sich das MfS aber-mals seiner IM, die ihren west-deutschen Instrukteuren nun na-helegen sollten, daß ein erneu-tes Engagement in der DDRsinn- bzw. zwecklos sei. Dabeigalt es geschickt vorzugehen:�Es müssen gründliche Überle-gungen angestellt und die rich-tigen Argumente erarbeitet wer-den, die geeignete IM nutzenkönnen, um die Bildung einereigenen `KPD` in der DDR zuverhindern. Die Argumente müs-sen für alle nutzbaren IM so in-dividuell sein, daß der Gegnernicht im geringsten eine Steue-rung des MfS vermutet.� (SoNeiber in Wiedergabe von An-weisungen Mielkes. SchreibenNeibers vom 3.12.82)

Sofern die Partei von einemweiteren Engagement nicht ab-zubringen sei, müsse zumindestSorge getragen werden, daß sichihre Strukturen in der DDR be-sonders leicht aufklären ließen.Das bisherige Organisations-

prinzip - ähnlich dem aus derNaziherrschaft - verschiedeneInstrukteure leiten unterschied-liche DDR-Zellen an, die unter-einander nur konspirativ in Kon-takt stehen - bot dazu nicht diebesten Voraussetzungen. DemMfS wäre es lieber, die KPD,hätte ein gesondertes Gremiumzwischen KPD/West und KPD/Ost geschaffen (mit Zuständig-keit für alle DDR-Zellen), in deminoffizielle Mitarbeiter sichleicht einen Überblick hättenverschaffen können. (Entspre-chendes versuchte der Staatssi-cherheitsdienst seinen IM in denDDR-Zellen nahezulegen und

ihnen auch gleich die richtigenArgumente gegenüber der Füh-rung der KPD, in die Hand zugeben. �Die Einladung eines IMzur Teilnahme am 5. Parteitagder ̀ KPD` (November-Dezember1983) soll genutzt werden, umpersönlichen Einfluß auf Funk-tionäre der KPD auszuüben, kei-ne selbstständige Partei in derDDR zu bilden und zu propagie-ren. Eine selbstständige Parteiin der DDR könnte als Ausein-anderbrechen der `KPD` ausge-legt werden, die dem gesamt-deutschen Gedanken der Parteiwiderspreche und in der DDR alsverfassungsfeindlicher Zusam-menschluß ausgelegt werdenkann. Der Gegenvorschlag soll-te sein, die weitere Anleitung derpersonellen Stützpunkte in derDDR von einem aus DDR-Bür-gern zu bildenden Gremium vor-nehmen zu lassen und nur diesenoch durch erfahrene Funktionä-re der ̀ KPD`anzuleiten.� Bericht

Fortsetzung imnächsten RM

�Wir sind nicht davorgefeit, daß wir mal einenSchuft unter uns haben.Wenn ich das schon jetztwüßte, würde er ab mor-gen nicht mehr leben.Kurzen Prozeß. Weil ichHumanist bin. Deshalbhab ich solche Auffas-sung. (...) Das ganze Ge-schwafel, vonwegen nichthinrichten und nicht To-desurteil - alles Käse, Ge-nossen. Hinrichten, wennnotwendig auch ohne Ge-richtsurteil.�

Erich Mielke in seinerSchlußbemerkung auf derKollegiumssitzung vom19. 02. 1982; Tonbandpro-tokoll

(�Stasi intern - Machtund Banalität�, Forum Ver-lag Leipzig 1991)

Ein DDR-Witz:

Erich Honecker ist aufStaatsbesuch. Es ist einLand mit vielen hundertMillionen Einwohnern. Ineiner Pause fragt Honeckerden Präsidenten unter vierAugen: �Wieviele Gegnergibt es eigentlich beieuch?�

Antwort: �Nicht sehrviele. Ungefähr 15 - 16Millionen.�

�Ach so, genausovielewie in der DDR.�

vom 1.12.1982.)Weil die offensiven Maßnah-

men (Verhaftungen und Einrei-sesperren) aber immer nochnicht ausgereicht hatten, um dieAktivitäten der KPD gänzlich zuersticken, täuschte das MfS derParteispitze den Zerfall der Sek-tion vor. Ihre IM�s erklärten auf-tragsgemäß: �Enttäuschungüber den langsamen Parteiauf-bau�, kurzfristig notwendig ge-wordene stationäre Kranken-hausaufenthalte o.dgl., um sichaus der Partei zurückzuziehen.Mit Hilfe seiner IM�s lähmte dasMfS die Tätigkeit der SektionDDR. Die �Ausgabe DDR� desROTEN MORGEN wurde ein-gestellt. Der zeitliche Abstandvon Besuchen der Instrukteurewuchs so von zwei auf bis zusechs Monaten.

Die Dokumentationzum Thema!

In dieser hochinteressantenDokumentation (Nachdruck von1980) sind Berichte über die Ar-beit der illegalen Sektion DDRder KPD, Artikel aus dem ille-galen ROTEN MORGEN in derDDR, Flugblätter der Sektionusw. erhalten. Die Dokumentegeben einen Einblick in die po-litische Arbeit und Anschauun-gen der Sektion sowie in die da-malige Situation in der DDR ausder Sicht von Kommunisten.

48 Seiten, DM 3,50Bestellungen an:Literaturvertrieb, Zeitungs-

verlag RM, Postfach 1942,61289 Bad Homburg v.d.H.

Seite 17Neuerscheinungen im Ver lag ROTER MORGEN

Neuerscheinung:Otto Wiesner: Eine unge-wöhnliche Liebesgeschichte

Aus dem Inhalt: Der Vormarsch der sowjetischenArmee ist nicht mehr aufzuhalten. In Eile werden Häft-linge aus den überfallenen Ländern westwärts inMarsch gesetzt, unter ihnen auch Frauen aus einemWiener Rüstungsbetrieb. Erschöpft erreichen sie, vonder SS angetrieben, das KZ Mauthausen. Es ist eineeiskalte Januarnacht. Blockältester Wendt muß die vonihren Kleidern Beraubten ins Lager �Drei� bringen.Er versucht alles, ihnen zu helfen. Unter den Frauenentdeckt er eine Deutsche, die ihm hilft, einem jüdi-schen Jungen, der aus einer Laune des Lagerkomman-danten heraus am Leben blieb, dessen Mutter aber ver-gast wurde, der SS zu entziehen, die ihren makabrenSpaß an ihm hat. Mit der Zeit kommen sich beidenäher und hoffen, nach der Befreiung des Lagers mitdem Jungen gemeinsam zusammenleben zu können.Die darauf folgenden Ereignisse verlangen von ihnennoch viel Mut und gegenseitige Hilfe für sich und ihreKameraden.

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Seite 18 Ver sch iedenes

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Es geht voran mit der KPD!Der 9.Parteitag konnte eine po-sitive Bilanz ziehen. Die Zahlder Mitglieder, der Orte, wo dieKPD aktiv ist, ist gestiegen. DerVerlag RM und die KPD habenwieder ihr erstes öffentlichesBüro. Doch gleichzeitig steigendie Anforderungen des Klassen-kampfes. Die aufkeimendenKämpfe erfordern immer mehr,daß die KPD aktiv eingreift. Inden zurückliegenden Jahren hatdie KPD mit Flugblättern, Pla-katen, dem ROTEN MORGEN,wichtigen Büchern und Schu-lungsheften eine für ihre Größe

ungeheure Propagandaarbeit ge-leistet. Deshalb sind wir drin-gend auf Spenden angewiesen.Spendet nach Kräften unter dem

Stichwort:�30 Jahre RM�, Kto. 239997-

759, Verlag RM D.Möller, Post-giro Karlsruhe, BLZ 66010075.

Spendenliste:

11.12. H. Asperg 4.-C., Freiburg 10.-

12.12. S., Gera 400.-16.12. H. Bremen 60.-

D. Homburg 34.-20.12. Büro Stuttg. 20.-

22.12. Solifest Ffm 570.-28.12. Frankfurt 29.-29.12. Stuttgart 31,87

S., Hoyersw. 14.-10.1. Frankfurt 2000.-13.1. D., Stuttg. 500.-

Gesamt 5256,33

Pause im OstenDer Osten legt eine �Anpas-

sungspause� ein. Mit diesenschmeichelnden Worten geben die�weisen Wirtschaftsexperten� ihreEinschätzung zur Lage der Ost-wirtschaft zu Papier. Frühestens1999 wird der �Aufholprozeß� fort-geführt.

Trotz �Beschäftigungspaketesvom Mai� ist die Zahl der Erwerbs-tätigen bis Jahresende 97 um165.000 auf 6,13 Millionen (1988:knapp 10 Millionen Erwerbstätige)gesunken. Die Arbeitslosenquotewird auch 1998 weiter steigen. Dieostdeutsche Arbeitsgesellschaftsteht Kopf.

Die Bauindustrie erwartet den�eigentlichen dramatischen Pro-duktionseinbruch� erst in der erstenHälfte diesen Jahres. 1997 sindetwa 50.000 Stellen auf dem Bau

weggefallen. Für 1998 wird esweitere Streichungen geben (ca.25% der verbliebenen Beschäftig-ten)

Im Handwerk sind weit mehrMenschen beschäftigt als in Indu-striebetrieben, ganz zu schweigenvom öffentlichen Dienst.

Keines der 200 umsatzstärkstenUnternehmen Deutschlands hatseinen Hauptsitz im Osten. Die 77größten Ostunternehmen habenzusammen einen geringeren Um-satz als die Telekom.

�Um Wachstum anzukurbeln�,wird erneut die Aussetzung derLohnangleichung bis zu Nullrun-den gefordert.

Für diejenigen, die �auf Arbeitwarten�, hält das Arbeitsamt ab 1.Januar 1998 einen neuen Katalogder Grausamkeiten bereit.(�Es

wächst zusammen was zusammen-gehört�, an dieses Brandt-Mottohält sich auch das Amt und des-halb gilt dieser neue Katalog bun-desweit).

So überweist dasArbeits(losen)amt grundsätzlichnur noch einmal monatlich nach-träglich ihre Leistungen.- Für Geldleistungen, die an den

Wohnsitz übermittelt werden,muß der Empfänger die Kostentragen.

- Arbeitslose müssen künftig spä-testens alle drei Monate ihrepersönliche Arbeitslosenmel-dung erneuern, um eine Einstel-lung der Zahlung von Leistun-gen zu vermeiden. Eine telefo-nische Meldung genügt nicht.

- Für den Anspruch auf Leistungenreicht es künftig nicht mehr aus,daß Arbeitslose die Beschäfti-gungssuche allein dem Arbeist-amt überlassen.

- Arbeitslose sind verpflichtet aufVerlangen des Arbeitsamtesihre persönlichen Bemühungenum einen Arbeitsplatz nachzu-weisen.

- Abfindungen werden nach Abzugeines pauschalen Steuersatzesauf das Arbeitslosengeld ange-rechnet. (Mindestfreibetrag:10.000Mark)

Das sind einige der Neuregelun-gen ab 1. Januar 1998. Daß da-durch kein einziger Arbeitsplatzgeschaffen wird, ist klar. Der Druckauf Arbeitslose wächst weiter.

Durch die Bonner Auflagen fürdie Bundesanstalt für Arbeit (BA)werden 1998 im Osten 80.000 bis90.000 weniger Menschen einevom Arbeitsamt geförderte Maß-nahme beginnen können, als es derBA-Etat ursprünglich vorsah.

Die Aussichten sind also mehrals Trübe.