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49 Leitthema: Werkstoffe für die additive Fertigung Fachteil Neue Werkstoffe Eine vielversprechende Alternative zur Herstellung makroskopisch großer Bauteile bzw. Halbzeuge über guss- technische Verfahrensrouten ist die additive Synthese mittels generativer Fertigungsverfahren. Hierbei lassen sich die mit den kritischen Abkühl- raten bzw. maximal realisierbaren Ab- gussdicken verbundenen Problema- tiken der Reinheit und Kontamination, sowie die mit komplexeren Bauteil- geometrien einhergehenden Schwie- rigkeiten bei gusstechnischen Verfah- ren geschickt umgehen. Grundsätzlich sind dabei zwei Ansät- ze zu unterscheiden: zum einen ein additiver Aufbau von Bauteilen aus amorphem Halbzeug wie z. B. Granu- lat oder Pulver mittels Thermoplasti- schen Formens (Vgl. Abb. 1); zum anderen die Herstellung amorpher Bauteile über Verfahren, bei welchen die Legierung zunächst erneut aufge- schmolzen wird und anschließend amorph, d. h. als Glas, erstarrt. Bei Letzterem muss das zugrunde liegen- de Feedstock-Material/Halbzeug nicht zwangsläufig bereits im Glaszustand vorliegen. Formgebung und Glasbil- dung sind somit zunächst gekoppelt, können jedoch durch anschließendes thermoplastisches Formen erneut entkoppelt werden (Vgl. Abb. 1). Auf- grund der Tatsache, dass es sich bei unterkühlten Schmelzen um thermo- dynamisch metastabile Systeme han- delt, erfordert das Thermoplastische Formen eine genaue Kenntnis der thermischen Stabilität der Legierung. Letztere beschreibt wie lange die hochviskose, unterkühlte Schmelze stabil gegenüber einsetzender Kris- tallisation ist, und bestimmt somit das verfügbare Prozessfenster zur Umfor- mung. Wie die Glasbildungsfähigkeit variiert auch die thermische Stabilität stark mit der Legierungszusammen- setzung. In Zusammenarbeit mit uni- Additive Fertigung metallischer Gläser Wie Heraeus moderne Werkstoffe neu definiert – Teil 2 Ph: +49 (0)911-967 937 0 Email: [email protected] www.aerotechgmbh.de Hauptsitz: USA Amerika Europa & Naher Osten Asien Dedicated to the Science of Motion AH1215B-PMG-GmbH Additive Fertigung auf höchstem Niveau Bewegungssysteme für 3D-Bearbeitung von Aerotech Steuerung Modernste Steuerung für Bahnkonturen Innovative Funktionen zur Minimierung von dynamischen Schleppfehlern Geschwindigkeitsprofile sorgen für eine konstante Bahngeschwindigkeit über komplexe Konturen Mechanik 3D Bewegung bis in den Nanometerbereich hinein Einzelne Komponenten oder vollständige Bewegungssysteme verfügbar Kundenspezifische Anpassungen möglich System mit sechs Freiheitsgraden Unsere Motion-Produkte finden Anwendung in vielen Prozessen der additiven Fertigung. Gelingt es, Metallschmelzen ohne Kristallisation erstarren zu lassen, erhält man eine ungeordnete, amorphe atomare Struktur. Man spricht von amorphem Metallen oder metallischem Glas. Der Technologiekonzern Heraeus entwickelt und vertreibt bereits heute diese neuartige Materialklasse. Die Erforschung neuer, gezielt an die technischen Anforderungen angepasster Legierungen, sowie die Entwicklung technologischer Verfahren zur Herstellung und Verarbeitung amorpher Metalle stehen dabei in besonderem Fokus. Ziel ist diese neuartige Materialklasse mit ihrem einzigartigen Eigen- schaftsprofil neuen Märkten und Anwendungen zugänglich zu machen. In Teil 1 der Serie wurden die Grundlagen und Eigenschaften amorpher Metalle beschrieben. Teil 2 beleuchtet die Herausforderungen und Potentiale rund um aktuelle Entwicklungen zur industriellen Verarbeitung amorpher Metalle mittels generativer Verfahren.

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Leitthema: Werkstoffe für die additive Fertigung

Fachteil Neue Werkstoffe

Eine vielversprechende Alternative zur Herstellung makroskopisch großer Bauteile bzw. Halbzeuge über guss-technische Verfahrensrouten ist die additive Synthese mittels generativer Fertigungsverfahren. Hierbei lassen sich die mit den kritischen Abkühl-raten bzw. maximal realisierbaren Ab-gussdicken verbundenen Problema-tiken der Reinheit und Kontamination, sowie die mit komplexeren Bauteil-geometrien einhergehenden Schwie-rigkeiten bei gusstechnischen Verfah-ren geschickt umgehen. Grundsätzlich sind dabei zwei Ansät-ze zu unterscheiden: zum einen ein

additiver Aufbau von Bauteilen aus amorphem Halbzeug wie z. B. Granu-lat oder Pulver mittels Thermoplasti-schen Formens (Vgl. Abb. 1); zum anderen die Herstellung amorpher Bauteile über Verfahren, bei welchen die Legierung zunächst erneut aufge-schmolzen wird und anschließend amorph, d. h. als Glas, erstarrt. Bei Letzterem muss das zugrunde liegen-de Feedstock-Material/Halbzeug nicht zwangsläufig bereits im Glaszustand vorliegen. Formgebung und Glasbil-dung sind somit zunächst gekoppelt, können jedoch durch anschließendes thermoplastisches Formen erneut

entkoppelt werden (Vgl. Abb. 1). Auf-grund der Tatsache, dass es sich bei unterkühlten Schmelzen um thermo-dynamisch metastabile Systeme han-delt, erfordert das Thermoplastische Formen eine genaue Kenntnis der thermischen Stabilität der Legierung. Letztere beschreibt wie lange die hochviskose, unterkühlte Schmelze stabil gegenüber einsetzender Kris-tallisation ist, und bestimmt somit das verfügbare Prozessfenster zur Umfor-mung. Wie die Glasbildungsfähigkeit variiert auch die thermische Stabilität stark mit der Legierungszusammen-setzung. In Zusammenarbeit mit uni-

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Ph: +49 (0)911-967 937 0 • Email: [email protected] • www.aerotechgmbh.deHauptsitz: USA

Amerika • Europa & Naher Osten • AsienDedicated to the Science of Motion

AH1215B-PMG-GmbH

Additive Fertigung auf höchstem NiveauBewegungssysteme für 3D-Bearbeitung von Aerotech

Steuerung• Modernste Steuerung für Bahnkonturen• Innovative Funktionen zur Minimierung von dynamischen Schleppfehlern• Geschwindigkeitsprofile sorgen für eine konstante Bahngeschwindigkeit über komplexe Konturen

Mechanik• 3D Bewegung bis in den Nanometerbereich hinein• Einzelne Komponenten oder vollständige Bewegungssysteme verfügbar• Kundenspezifische Anpassungen möglich

System mit sechs

Freiheitsgraden

Unsere Motion-Produkte finden Anwendung in vielen Prozessen der additiven Fertigung.

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Gelingt es, Metallschmelzen ohne Kristallisation erstarren zu lassen, erhält man eine ungeordnete, amorphe atomare Struktur. Man spricht von amorphem Metallen oder metallischem Glas. Der Technologiekonzern Heraeus entwickelt und vertreibt bereits heute diese neuartige Materialklasse. Die Erforschung neuer, gezielt an die technischen Anforderungen angepasster Legierungen, sowie die Entwicklung technologischer Verfahren zur Herstellung und Verarbeitung amorpher Metalle stehen dabei in besonderem Fokus. Ziel ist diese neuartige Materialklasse mit ihrem einzigartigen Eigen-schaftsprofil neuen Märkten und Anwendungen zugänglich zu machen. In Teil 1 der Serie wurden die Grundlagen und Eigenschaften amorpher Metalle beschrieben. Teil 2 beleuchtet die Herausforderungen und Potentiale rund um aktuelle Entwicklungen zur industriellen Verarbeitung amorpher Metalle mittels generativer Verfahren.

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Leitthema: Werkstoffe für die additive Fertigung

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versitären Partnern erforscht Heraeus die Technologie des Thermoplasti-schen Formens und entwickelt neue, glasbildende Legierungen, welche sich speziell für dieses Umformver-fahren eignen. Abseits der Umfor-mung von gegossenem Bulkmaterial, wird ebenfalls untersucht, wie sich Bauteile auf Basis amorphen Pulvers fertigen lassen. Neben Ansätzen zum thermoplasti-schen Formen (Kompaktieren) der Pulver erforscht und entwickelt Hera-

eus zudem die additive Fertigung amorpher Metalle mittels Pulverbett-verfahren wie Elektronenstrahl-schmelzen oder Selektivem Laser-strahlschmelzen.

PulverbettverfahrenAls additiv oder generativ bezeichnet man Fertigungsprozesse, die durch schichtweisen Aufbau Lage für Lage Bauteile aus Metallen, Polymeren oder Sondermaterialien erzeugen. Im Falle der sogenannten Pulverbett- Verfahren werden Schichten eines Pulvers mit typischen Partikelgrößen

von 10-100 µm auf eine Bauplattform aufgetragen und der Querschnitt des zu erzeugenden Bauteils per Laser (Selektives Laserschmelzen) oder Elektronenstrahl (Selektives Elektro-nenstrahlschmelzen) aufgeschmolzen und mit darunterliegenden Bauteil-schichten verschweißt (s. Abb. 2). In dieser Weise lassen sich schichtweise komplexeste Strukturen aus einer Vielzahl an Werkstoffen herstellen. Beschränkungen fertigungsgerechter Konstruktion für klassische Ferti-gungsverfahren gelten hier nicht mehr, da ohne Werkzeug auch Überhänge, Hinterschnitte oder Hohlräume er-zeugt werden können.

Potentiale und Herausforde-rungen bei der additiven Ferti-gung metallischer GläserDie generelle Eignung additiver Ferti-gungsverfahren wie Elektronenstrahl-schmelzen (EBM) und selektivem La-serstrahlschmelzen (SLM) zur genera-tiven Fertigung von metallischem Glas konnte in neueren Arbeiten bereits bestätigt werden. Die Nutzung gene-rativer Verfahren wie SLM zur Herstel-lung von Bauteilen aus metallischen Glas wäre ein Durchbruch, nicht nur für den langerhofften Einsatz von metallischen Gläsern als Strukturma-terial, sondern ebenso für die end-formnahe Herstellung hochfester, metallischer Bauteile komplexer Geo-metrien.Das Aufschmelzen lediglich dünner Pulverschichten resultiert zwangsläu-fig in sehr hohen Abkühlraten, die die notwendigen Abkühlraten zur Herstel-lung metallischer Gläser gewährleis-ten. In der Literatur werden erzielbare Abkühlraten von 4 × 104 K/s bis 5 × 106

K/s berichtet. Moderne speziell entwi-ckelte, glasbildende Legierungssyste-me erstarren bereits bei Abkühlraten <10² K/s amorph. Die hohe Leistungsdichte moderner Lasersysteme bei gleichzeitig kleinen Fokusdurchmessern erlaubt weiterhin ein schnelles und präzises Aufschmel-zen von Pulverschichten oder Bau- teiloberflächen. Hierdurch lassen sich

▲ Abb. 1: Schematisches Zeit-Tempera-tur-Umwandlungs-(ZTU)-Diagramm. ZTU- Diagramme sind graphische Auf-tragen, welche Informationen über die Stabilität von Phasen sowie Phasenän-derungen in Abhängigkeit der Zeit und Temperatur geben.

▲ Abb. 2: Schematische Darstellung der Additiven Fertigung metallischer Bau-teile im Pulverbettverfahren am Bei-spiel des Laserstrahlschmelzens (SLM).

Die Fachmesse für Industrieautomation in Norddeutschland

2017jan25. 26.

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hamburg

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komplexe, dünnwandige Bauteile pro-duzieren, die gusstechnisch nicht rea-lisierbar sind. Durch den generativen Aufbau einzelner Schichten lassen sich zudem nicht nur dünne bzw. weni-ge Millimeter kleine, sondern auch makroskopisch größere Bauteile er-zeugen, deren Abmessungen die mit-tels Gussverfahren herstellbaren Bau-teilgrößen sogar übertreffen. Abseits der oben genannten Vorteile im Vergleich zu konventionelleren Herstellungsverfahren zur Herstellung metallischer Gläser gilt es jedoch auch beim 3D-Druck gewisse, verfahrens-bedingte Herausforderungen zu meis-tern. Ein Beispiel ist der Wärmeein-trag in das Material. Um einen amor-phen Strukturzustand zu gewährleisten muss die mittels Laser-/Elektronen-strahl eingebrachte Wärme effektiv abgeleitet werden. Durch den schicht-weisen Aufbau geschieht dies vor-nehmlich durch das Bauteil selbst, d.h. entlang der zuvor erstellten, dar-unterliegenden Schichten. Im Zuge der Herstellung von Bauteilen erfah-ren die einzelnen Schichten somit einen akkumulierten Wärmeeintrag,

was wiederum zur Kristallisation (s. Abb. 1) und somit zu einem Verlust der für den amorphen Zustand cha-rakteristischen Eigenschaften führen kann. Die Herstellung amorpher Bau-teile erfordert demnach eine Kenntnis der thermophysikalischen Eigenschaf-ten der Legierungen, und bedingt eine Anpassung der Prozessführung auf die thermische Stabilität des Materials. Zudem werden ebenfalls hohe Anfor-derungen an die Pulvereigenschaften gestellt. Das Erzeugen glatter und dichter Pulverschichten setzt eine gewisse Fließfähigkeit des Pulvers voraus, welche neben Einflüssen wie z. B. der Feuchtigkeit maßgeblich durch Form und Verteilung der Par-tikel gegeben wird. Die Qualität des Pulverbetts ist entscheidend für die entstehenden Materialeigenschaften (z. B. Porosität) und wirkt sich somit wiederum auf die mechanischen Ei-genschaften der Bauteile aus. Die Bestimmung geeigneter Pro-zessparameter ist folglich eine kom-plexe, keinesfalls triviale Aufgabe. Vielmehr erfordert diese umfassende

Studien unter Vernetzung experimen-teller und simulativer Methoden. Die Gewährleistung optimaler Bauteil-eigenschaften bedingt die gezielte Anpassung der Prozesse auf allen Ebenen der Additiven Fertigung: Pul-verentwicklung, -herstellung und -cha-rakterisierung, sowie die Entwicklung und Optimierung Legierungs- und Bauteil-angepasster Prozessparame-ter. Heraeus nutzt interdisziplinäre Expertise in der eigenen Forschung & Entwicklung von Materialien und Pro-zessen für die Additive Fertigung sowie für kundenspezifische Entwick-lungen.

■ INFO

Autoren:Moritz StolpeE-Mail: [email protected]

Alexander ElsenHead of Innovation Additive ManufacturingE-Mail: [email protected]

Heraeus Deutschland GmbH & Co. KGHeraeusstr. 12 - 1463450 Hanauwww.heraeus.com

Leitthema: Werkstoffe für die additive Fertigung