„Die Krise genutzt“ · Ausgabe33 14.August2020 Lebensmittel JOURNAL Zeitung 19 telständisches...

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Ausgabe 33 14. August 2020 Lebensmittel Zeitung 17 JOURNAL FOTO: RECKITT BENCKISER Herr Narasimhan, in Zeiten von Corona will jeder Sagrotan und andere Desin- fektionsmittel. Wie sehr profitieren Sie von der Krise? Ich glaube, Profit ist ein zu hartes Wort. Wir erfüllen unsere Rolle in dieser besonderen Situation. Warum existieren wir als Unternehmen? Weil wir Menschen schützen, heilen und pflegen, im dauernden Streben, je- dem eine sauberere und gesündere Welt zu ermöglichen. Das ist unser Zweck. Das klingt ein ganz klein bisschen nach Marketing. Das ist kein Marketing. Das ist das, was uns antreibt. Das ganze Unter- nehmen ist davon motiviert. Unser Team wird sehr von der Aufgabe an- getrieben, das Virus zu bekämpfen. Darüber hinaus haben wir einen sig- nifikanten Betrag zur Verfügung ge- stellt, um der Gemeinschaft zu hel- fen. Wie viel genau? Wir haben das Äquivalent von einem Prozent unseres bereinigten operati- ven Ergebnisses gespendet, zum Bei- spiel an das Centre for Disease Con- trol in den USA oder die Internationa- le Rettungskommission für Flüchtlin- ge. Sagrotan hat in Deutschland dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Roten Kreuz und der Diakonie Produkte und mehr als zwei Millionen Euro zur Ver- fügung gestellt. In Indien haben wir zehn Millionen Stück Seife und eine Million Liter Lysol verschenkt. Au- ßerdem haben wir eine internationale Kampagne für Verhaltensänderungen gestartet. Auf Tiktok haben wir zum Beispiel Menschen gezeigt, wie sie sich die Hände richtig waschen und damit 115 Milliarden Views generiert. Wie hat Corona für Sie an- gefangen? Wir haben es erstmals Mit- te Januar in China mitbe- kommen, denn eine unserer Fabriken liegt etwas außerhalb der Stadt Wuhan. Wir mussten Wege finden, um sicherzustellen, dass die Fabrik geöffnet bleibt. Daraus haben wir eine Menge gelernt. Was haben Sie denn gelernt? Zunächst einmal hatten wir ein gan- zes Protokoll, um unsere Mitarbeiter zu schützen und sie darin zu schulen, wie sie das selbst tun können, sie zu testen und im Falle einer Infektion zu isolieren. Es war ein großer Segen, dass wir in China keinen einzigen Co- rona-Fall hatten. Außerdem wussten wir, dass einige unserer Produkte auf „Die Krise genutzt“ Laxman Narasimhan, CEO des Sagrotan-Herstellers Reckitt Benckiser, über Sinn und Zweck des Weltkonzerns, Lehren aus der Corona-Pandemie und die Zukunft des stationären Handels. Fortsetzung auf Seite 18

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Page 1: „Die Krise genutzt“ · Ausgabe33 14.August2020 Lebensmittel JOURNAL Zeitung 19 telständisches Unternehmen, mit deutscher Innovation und Technolo-gie als Kern. Seine Forschungsergeb-

Ausgabe 3314. August 2020

LebensmittelZeitung 17JOURNAL

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Herr Narasimhan, in Zeiten von Coronawill jeder Sagrotan und andere Desin-fektionsmittel. Wie sehr profitieren Sievon der Krise?Ich glaube, Profit ist ein zu hartesWort. Wir erfüllen unsere Rolle indieser besonderen Situation. Warumexistieren wir als Unternehmen? Weilwir Menschen schützen, heilen undpflegen, im dauernden Streben, je-dem eine sauberere und gesündereWelt zu ermöglichen. Das ist unserZweck.

Das klingt ein ganz klein bisschennach Marketing.Das ist kein Marketing. Das ist das,was uns antreibt. Das ganze Unter-nehmen ist davon motiviert. UnserTeam wird sehr von der Aufgabe an-getrieben, das Virus zu bekämpfen.Darüber hinaus haben wir einen sig-nifikanten Betrag zur Verfügung ge-

stellt, um der Gemeinschaft zu hel-fen.

Wie viel genau?Wir haben das Äquivalent von einemProzent unseres bereinigten operati-ven Ergebnisses gespendet, zum Bei-spiel an das Centre for Disease Con-trol in den USA oder die Internationa-le Rettungskommission für Flüchtlin-ge. Sagrotan hat in Deutschland demArbeiter-Samariter-Bund, dem RotenKreuz und der Diakonie Produkte undmehr als zwei Millionen Euro zur Ver-fügung gestellt. In Indien haben wirzehn Millionen Stück Seife und eineMillion Liter Lysol verschenkt. Au-ßerdem haben wir eine internationaleKampagne für Verhaltensänderungengestartet. Auf Tiktok haben wir zumBeispiel Menschen gezeigt, wie siesich die Hände richtig waschen unddamit 115 Milliarden Views generiert.

Wie hat Corona für Sie an-gefangen?Wir haben es erstmals Mit-te Januar in China mitbe-kommen, denn eine unsererFabriken liegt etwas außerhalbder Stadt Wuhan. Wir musstenWege finden, um sicherzustellen,dass die Fabrik geöffnet bleibt. Daraushaben wir eine Menge gelernt.

Was haben Sie denn gelernt?Zunächst einmal hatten wir ein gan-zes Protokoll, um unsere Mitarbeiterzu schützen und sie darin zu schulen,wie sie das selbst tun können, sie zutesten und im Falle einer Infektion zuisolieren. Es war ein großer Segen,dass wir in China keinen einzigen Co-rona-Fall hatten. Außerdem wusstenwir, dass einige unserer Produkte auf

„Die Krise genutzt“

Laxman Narasimhan, CEO des Sagrotan-Herstellers ReckittBenckiser, über Sinn und Zweck des Weltkonzerns, Lehren aus derCorona-Pandemie und die Zukunft des stationären Handels.

Fortsetzung auf Seite 18

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große Nachfrage stoßen würden: Det-tol, Lysol und alle anderen Desinfek-tionsartikel.

Wie decken Sie die größere Nachfrage?Unsere zweite Priorität war, dieNachfrage unserer Kunden zu befrie-digen. Wir mussten an unserer Lie-ferkette arbeiten. Wir haben Drittan-bieter aktiviert und in unsere eigenenKapazitäten investiert. Wir habenunsere Fabriken mit einer verein-fachten Struktur betrieben, um unsauf die wichtigsten Produkte zu kon-zentrieren. Wir haben auch unserPortfolio vereinfacht. In China habenwir zum Beispiel die Anzahl der Ar-tikel um 80 Prozent reduziert. Aufdiese Weise stellen wir im Juli 13-malmehr Handdesinfektionsmitteln alsim Vorjahr her. Trotzdem konntenwir nicht die gesamte Nachfrage be-friedigen.

Es haben aber nicht all Ihre Produktegewonnen, oder?Durex hatte dieses Jahr einen langsa-men Start. Die Leute gehen nicht soviel aus. Produkte, die auf soziale In-teraktion angewiesen sind, haben imAllgemeinen nicht gut abgeschnitten.Aber es steht außer Frage, dass dieNachfrage zurückkommen wird,wenn sich die Dinge wieder normali-sieren. Menschen sind und bleibenMenschen.

Was hat Corona Sie gelehrt?Wir haben die Krise genutzt, um dasUnternehmen umzugestalten. Wirsind schneller geworden. Wir warenschon vorher schnell, aber jetzt ha-ben wir ein ganz anderes Level er-

reicht. Darüber hinaus haben Krisendie erstaunliche Fähigkeit, zu zeigen,wer die wahren Führungskräfte in ei-nem Unternehmen sind, die wissen,wie man Unmögliches möglichmacht. Wir haben unseren Zwecktiefer im Unternehmen etabliert.Unsere Mitarbeiter haben sich derHerausforderung gestellt, und dashat mir gezeigt, wie belastbar siesind.

In welcher Hinsicht wird Corona dasVerbraucherverhalten verändern?Hygiene wird sehr wichtig bleiben.Wenn Menschen 60 Tage lang neueVerhalten erlernen, ändern sie sich.Deshalb investieren wir in Kapazitä-ten, Marken und Innovationen, umsicherzustellen, dass wir einige derVorteile, die aus der Krise entstandensind, erhalten können.

Wird der Aufstieg des Onlinehandelsebenfalls von Dauer sein?Ja, das erwarten wir. Der Onlineanteilan unserem Geschäft ist bereits zwei-stellig und wächst schnell. Vor allembei Produkten wie Durex, bei denendie Menschen ihre Privatsphäreschützen wollen.

Bleibt dem Offlinehandel da nur einetrübe Zukunft?Nein, die Verbraucher gehen immernoch gerne in Geschäfte. Sie suchendie Geselligkeit und wollen sehen,was im Laden passiert. Deshalb inves-tieren wir sowohl in Offline als auchin Online. Wir haben kein Personalvom einen zum anderen versetzt. Off-line und Online sind ohnehin nurzwei Seiten einer Medaille. Die Händ-ler werden lernen müssen, beide zubedienen. Dafür gibt es großartigeBeispiele in China und den USA.

Sie meinen Alibaba und Amazon?Wir bedienen alle unsere Kunden. Einstarkes Wachstum verzeichnen wirauch bei Kunden, die über den Omni-channel oder mit Bricks and Clicks ar-beiten.

Wie bereiten Sie sich auf die durch Co-rona verursachte weltweite Rezessionvor?Verbraucher werden verstärkt nachPreis-Leistung suchen. Aber Vertrau-en wird wichtig bleiben, gerade in un-seren Kategorien. Wir werden weiter-hin für attraktive Preispunkte für ver-schiedene Produkte sorgen, denen dieVerbraucher vertrauen.

Werden Händler Sie in einer Rezessionnicht dazu drängen, die Preise zu sen-ken?Ich bevorzuge einen kooperativen An-satz. Für uns ist die Partnerschaft mitunseren Kunden immens wichtig.Wenn wir beide investieren, wächstdie ganze Kategorie.

Funktioniert das in der Krise?Das tut es sicherlich. Ich stehe mit sovielen meiner Kunden in Kontakt.Wir haben einen sehr kooperativenAnsatz und sie schätzen unsere Vor-denkerrolle. Wir lernen auch viel vonunseren Partnern. Wir haben großenRespekt vor den Menschen an vor-derster Front, die sich in Gefahr bege-ben, um für die Verbrauchern da zusein.

Das klingt ein bisschen zu schön, umwahr zu sein.Na ja, Sie bekommen immer das Maßan Partnerschaft, das Sie zulassen.Dafür gibt es so viele Beispiele. Undwir gehen auf unsere Partner ein, ge-nau wie sie auf uns. Wenn ich mir vonden Händlern etwas wünschen könn-te, wäre es, dass sie sich noch stärkerfür Innovation und Nachhaltigkeit en-gagieren.

Aber ist Innovation das, was die Ver-braucher wollen? Während der Krisesind die Menschen doch konservativergeworden, oder?Das ist richtig. Im Moment kehren dieVerbraucher zu Dingen zurück, die siekennen. Aber wenn die Beschränkun-gen gelockert werden, sind die Men-schen wieder offener für Neues.

Wann, glauben Sie, wird das sein?Das ist schwer zu sagen – die Situati-on entwickelt sich dynamisch. Wirbeobachten sie genau. Und wir sind

offen für Input von allen. Sobald Sieden Zeitpunkt vorhersagen können,lassen Sie es mich bitte wissen.

Viele Händler behaupten, dass Start-ups heutzutage innovativer sind alsKonzerne. Was würden Sie erwidern?Ich glaube nicht, dass das stimmt. Wirbringen ständig neue Dinge auf denMarkt. Wir haben eine Menge kleiner,feiner, flexibler Forschungs- und Ent-wicklungseinheiten. Und wir habendie Fähigkeit zur Skalierung. NehmenSie zum Beispiel das Innovationszen-trum für unser Geschirrspülmittel Fi-nish in Heidelberg. Es ist wie ein mit-

»Durex hatte diesesJahr einen langsamenStart. Die Leute gehennicht so viel aus «

UMSATZ WÄCHST, GEWINN SCHRUMPFTGeschäftsentwicklung von Reckitt Benckiser

8,87 9,4811,51 12,6 12,85

201920182017201620152014

LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIKQUELLE: JAHRESBERICHTE RECKITT BENCKISER

Nettoumsatz in Milliarden britischen Pfund Nettogewinn in Milliarden britischen Pfund

8,84

1,75 1,84

6,19

2,18

–3,67

3,22

Laxman Narasimhan ist seit 2019CEO von Reckitt Benckiser. Geborenund aufgewachsen in Indien, stu-dierte Narasimhan in den USADeutsch und Internationale Studi-en, machte seinen Master of Busi-ness Administration mit demSchwerpunkt Finanzen. Danach warder Deutschland-Fan rund 20 Jahrebei der BeratungsgesellschaftMcKinsey: in Cleveland, Tokio,Toronto, dem Silicon Valley undNeu-Delhi; in Handel, Technik undGesundheit. 2014 wechselte er zuPepsico, zunächst als CEO für La-teinamerika, dann auch für Europaund Afrika. Zuletzt arbeitete er alsChief Commercial Officer an derWachstumsstrategie von Pepsico.

INDISCHERDEUTSCH-FAN

Breit aufgestellt: DieProdukt-Range vonReckitt Benckiserreicht von Wasch- undDesinfektionsmittelnüber Kondome bis zuEnthaarungscremes.

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telständisches Unternehmen, mitdeutscher Innovation und Technolo-gie als Kern. Seine Forschungsergeb-nisse nutzen wir auf der ganzen Welt.Der Kunst für ein globales Unterneh-men besteht darin, aus vielen mittel-ständischen Einheiten zu bestehen.

Das hört sich an, als seien Sie ein gro-ßer Deutschland-Fan.Ja, ich liebe Deutschland. Ich habedreizehn Jahre Deutsch gelernt. 1991,zur Zeit der Wiedervereinigung, habeich in München studiert. Wie meinTeam in Heidelberg zu seiner Überra-schung feststellte, kann ich immernoch Heinrich Heine rezitieren. UndBenckiser hat vor 197 Jahren inDeutschland angefangen.

Die Deutschen sind aber ziemlich be-sorgt über den Brexit. Wie sehr wirdder Austritt Großbritanniens aus derEU Ihr Geschäft verändern?Wir lieben das Vereinigte Königreichund bekommen hier viele gute, talen-tierte Leute. Aber global betrachtet istunser Geschäft dort nicht riesig undmacht nur 5 Prozent vom Gesamtum-satz aus.

Sehen Sie sich als britisches oder alsglobales Unternehmen?

Wir sind ein multinationales Unter-nehmen mit Hauptsitz in London.Wir sind eng mit dem Rest der Weltverbunden. Für uns unterstreicht derBrexit daher nur die Notwendigkeitder länderübergreifenden Zusam-menarbeit.

Das klingt, als wären Sie gegen denBrexit.Das stimmt nicht. In meiner Rolle istes mir wichtig, alles zu unterstützen,was für den Erfolg eines globalen Un-ternehmens erforderlich ist. Ein glo-bales Unternehmen braucht klare Re-geln und Stabilität. Wenn es Unklar-heiten und Unsicherheiten gibt, wirdes schwieriger, Investitionen zu recht-fertigen.

Vor Corona ist Ihr Umsatz nicht geradestark gestiegen. Wie wollen Sie dyna-mischer wachsen?Wir müssen innovativ sein und unsereProduktivität steigern. Wir nehmenGespräche mit Handelspartnern übergemeinsames Wachstum auf. Wirstraffen unsere Abläufe und Kosten,und investieren das gesparte Geldwieder in Wachstum.

Das ist eine sehr allgemeine Aussage.Worauf konzentrieren Sie sich dabei?

Wir fokussieren uns auf Marktdurch-dringung und Marktanteil. In Europahaben wir noch nicht das Niveau er-reicht, das ich mir wünsche. Zudemsuchen wir dauernd neue Märkte.Wir betreiben schon 75 Ländergesell-schaften, unsere Category MarketUnits, aber wir wollen, dass dieseZahl mittelfristig auf 100 steigt.

Vor allem im Gesundheitsbereich legenSie einen starken Schwerpunkt aufSchwellenländer. Warum glauben Sie,dass das die richtige Strategie ist?Wir suchen überall nach Wachstum.Die USA sind stark, die Entwick-lungsländer sind es, Europa ist gut,und auch China ist für uns sehrgroß.

Letztes Jahr hatten Sie einen Nettover-lust. Wie wollen Sie das Unternehmenwieder profitabel machen?Das war auf die einmalige Abschrei-bung einer Übernahme zurückzufüh-ren. Darüber hinaus haben wir einenVergleich mit dem US-Justizministe-rium geschlossen. Das zugrundelie-gende Geschäft wächst, ist profitabelund gesund. lz 33-20

Das Gespräch führte Mathias Himbergper Videokonferenz.

➊ Schönheit für Forscher: Entwicklungs-zentrum von Reckitt Benckiser in Hull.➋ Bescheidene Zentrale: Hauptsitz desKonzerns in Slough bei London.➌ Viele Maschinen, wenige Menschen:Produktionshalle in Hull.➍ Breites Portfolio: Das ArzneimittelGavison soll gegen Schluckauf helfen.➎ Hinaus in die Welt: Lastwagen derFußpflege-Marke Scholl.➏ Deutscher Ableger: Finish-For-schungszentrum in Heidelberg.

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