Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das...

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Temperatur und Porenfüllungsgrad – die zwei Freiheitsgrade der Adsorption Bei Kondensation herrscht bei konstanter Temperatur T ein Flüssigkeits-Dampf-Gleichgewicht, das durch die Dampfdruck- kurve p 0 = f(T) des reinen Stoffes beschrieben wird und das in einem inerten Behälter unabhängig von der darin befindlichen Stoffmenge ist. Die Adsorption an mikroporöser Aktivkohle ist eine Funktion des Porenfüllungsgrades Ξ und der Temperatur T, also p = f(T,Ξ) mit zwei Freiheitsgraden. Will man für das System mit zwei Freiheitsgraden, Adsorptiv a plus Adsorbens s, bei gegebener Temperatur T den Gleich- gewichtspartialdampfdruck p als Funktion einer stofflichen Zusammensetzung darstellen, so hat man die Möglichkeit z. B. Molanteil, Massenanteil, Volumenanteil oder Beladung X = =ma /m s = v s ·ρ a (T), jeweils in den Grenzen von 0 bis 1 zu nutzen. Die Parameter Temperatur T, Gleichgewichtspartialdampfdruck p und z. B. die Beladung X müssen dabei unabhängig von einander sein. Dies gelingt hier nicht, weil sich die Dichte des flüssigen Adsorptivs mit der Temperatur ändert, die Dichte des festen Adsorbens praktisch nicht. Damit sind die Mol-, Massen- und Volumen-Anteile und die Beladung temperaturabhängig. Bei z.B. gegebener Beladung X ist bei tiefer Temperatur mehr Substanz des Adsorptivs a in der Pore. Dies erschwert Vergleiche der thermody- namischen Zustände erheblich. Mit dem Porenfüllungsgrad lassen sich Adsorptionseffekte in Poren unterschiedlicher Größe direkt miteinander vergleichen. Ausschlaggebend ist, wie viele Moleküle des Adsorptivs a mit welcher Bindungsenergie an welcher Stelle in der Pore gebunden sind. Der Porenfüllungsgrad ist somit aussagekräftiger als die absolute Adsorptiv-Menge in der Pore. Deshalb wird für die folgenden Überlegungen und Modelle als Beladungsmaß der Porenfüllungsgrad Ξ eingeführt. Er ist mit der Masse des Adsorptivs ma in den Poren und der maximal möglichen Masse des Adsorptivs in den Poren ma,max , definiert als (1) Ξ kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Damit werden die Temperaturabhängigkeit und die problematischen anteilsgemäßen Betrachtungsweisen umgangen. Der Bestimmung von m as,max , war ein Kapitel in [1] gewidmet. Adsorption und Kondensation von Reinstoffen – die Analogie Für die Temperaturabhängigkeit des auf den Standarddruck bezogenen Partialdampfdrucks für die Kondensation eines reinen Stoffes gilt die allgemeine Clausius-Clapeyron Beziehung [2]: (2) Der Standardbezugsdruck ist p std = 1bar hier nur p0(T) ge- schrieben. Dabei ist Rm die allgemeine molare Gaskonstante und ΔH m,con (T) und ΔS std m,con (T) sind die molaren Kondensations- enthalpien und -entropien bei der Temperatur T für den Übergang aus der Gasphase bei 1 bar in die flüssige Phase, sowie ΔH m,eva (T) und ΔS std m,eva (T) die entsprechenden Größen für die Verdampfung. Wegen der Druckabhängigkeit der Entropie ist zu beachten, dass sie sich nicht auf den zur Temperatur T gehörenden Dampfdruck p(T) bezieht, sondern auf den Standarddruck 1bar. Die Funktion p 0(T) ist für fast alle technisch relevanten Lösemittel aus Literaturangaben leicht zugänglich. Für den weiten Temperaturbereich, der mit dem ALI-Modell abgedeckt werden kann, bewährt sich eine in p implizite Vier-Parametergleichung [3]. Die Werte der Funktion ΔHm,con(T) sind für fast alle flüssigen Stoffe auch leicht zugänglich. Mit der Siedetemperatur Tboil bei 1 bar, der Kondensationsenthalpie am Siedepunkt ΔH m,con (T boil ) und der kritischen Temperatur T crit ist auch die Berechnung mit Hilfe der Korrelation nach Watson [6] mit in der Regel sehr guter Genauigkeit möglich. Mit p0 (T), ΔH m,con (T) und Gleichung (2) wird dann die Standard-Verdampfungsentropie ΔS std m,eva(T) als Funktion der Temperatur berechnet. F & S Filtrieren und Separieren Jahrgang 22 (2008) Nr. 6 309 Schwerpunktthemen Adsorption von Lösemitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern Teil 2: Modellbildung und Messergebnisse E. Schippert*, K. Kimmerle** Die vorliegende Arbeit ist Teil II zum Thema Adsorption und wird gefolgt von einem dritten mit dem Untertitel Modell- parameter, Erkenntnisse und Messergebnisse. Vorgestellt werden insgesamt die Messergebnisse der Adsorptions- Isothermen von acht Adsorptiven, in (I) waren dies Toluol, Butyl-Glycol-Ether-Acetat, Aceton und n-Oktan, hier in (II) dann vertieft Toluol, Pentan, Iso-Propanol an mikroporösen Aktivkohlefasern und in (III) Ethyl-Acetat und Wasser an mikroporösen Aktivkohlefasern und mikroporösem Aktivkohlegranulat in Temperaturmessbereichen von 35°C bis 180°C mit Gasbeladungen von 10 mg/m³ bis 300000 mg/m³. Grundlage der Modellbildung des Adsorptionsprozesses ist dessen Zerlegung in Kondensations-, Bindungs- und Mischungsschritte sowie die Betrachtung der Summe Adsorbens plus angelagertes Adsorptiv als ein Adsorbat-Löse- mittel. Ausgehend von der Clausius-Clapeyron-Gleichung wird durch die Einführung des Porenfüllungsgrades eine, auf die molare differentielle Adsorptionsenthalpie und molare differentielle Adsorptionsentropie basierende Adsorbat- Lösemittel-Isothermen-Gleichung abgeleitet. Messwerte von acht Adsorptiven und zwei Adsorbentien können mit einer einzigen Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung, der ALI-Gleichung, mit einer Genauigkeit von 92% bis 98% beschrieben werden. Die ALI-Gleichung erfüllt auch die Randbedingungen sowohl der Langmuir- als auch der Dubinin- Asthakov-Gleichungen. * Dr. rer. nat. Egbert Schippert Schippert + Partner GbR, Lessingstraße 28, D-66121 Saarbrücken ** Prof. Dr.-Ing. Klaus Kimmerle Institut für Physikalische Prozesstechnik in der HTW, (IPP-HTW) Goebenstraße 40, D-66117 Saarbrücken

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Page 1: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

Temperatur und Poren füllungs grad – die zweiFreiheitsgrade der Adsorption

Bei Kondensation herrscht bei konstanter Temperatur T einFlüssigkeits-Dampf-Gleichgewicht, das durch die Dampf druck -kurve p0 = f(T) des reinen Stoffes beschrieben wird und das ineinem inerten Behälter unabhängig von der darin befindlichenStoffmenge ist. Die Adsorp tion an mikroporöser Aktivkohle isteine Funktion des Porenfüllungsgrades Ξ und der Temperatur T,also p = f(T,Ξ) mit zwei Freiheitsgraden.

Will man für das System mit zwei Frei heitsgraden, Adsorptiv aplus Adsorbens s, bei gegebener Temperatur T den Gleich -gewichtspartialdampfdruck p als Funktion einer stofflichenZusammen setzung dar stellen, so hat man die Möglichkeit z. B.Molanteil, Massenanteil, Volumenanteil oder Beladung X ==ma/ms = vs·ρa(T), jeweils in den Grenzen von 0 bis 1 zu nutzen.

Die Parameter Temperatur T, Gleich gewichtspartialdampfdruckp und z. B. die Beladung X müssen dabei unabhängig von einandersein. Dies gelingt hier nicht, weil sich die Dichte des flüssigenAdsorp tivs mit der Temperatur ändert, die Dichte des festenAdsorbens praktisch nicht. Damit sind die Mol-, Massen- undVolumen-Anteile und die Beladung temperaturabhängig. Bei z.B.gegebener Beladung X ist bei tiefer Temperatur mehr Substanz desAdsorptivs a in der Pore. Dies erschwert Vergleiche der thermody -namischen Zustände erheblich.

Mit dem Porenfüllungsgrad lassen sich Adsorptionseffekte inPoren unter schiedlicher Größe direkt miteinander vergleichen.Ausschlaggebend ist, wie viele Moleküle des Adsorptivs a mitwelcher Bindungsenergie an welcher Stelle in der Pore gebundensind. Der Porenfüllungsgrad ist somit aussage kräftiger als dieabsolute Adsorptiv-Menge in der Pore.

Deshalb wird für die folgenden Überlegungen und Modelle alsBeladungs maß der Porenfüllungsgrad Ξ eingeführt. Er ist mit derMasse des Adsorptivs ma in den Poren und der maximal möglichenMasse des Adsorptivs in den Poren ma,max, definiert als

(1)Ξ kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Damit werden dieTemperaturabhängigkeit und die problematischen anteilsgemäßenBetrachtungsweisen umgangen. Der Bestimmung von mas,max, warein Kapitel in [1] gewidmet.

Adsorption und Kondensation von Reinstoffen – die Analogie

Für die Temperaturabhängigkeit des auf den Standarddruckbezogenen Partialdampfdrucks für die Kondensation eines reinenStoffes gilt die allgemeine Clausius-Clapeyron Beziehung [2]:

(2)Der Standardbezugsdruck ist pstd = 1bar hier nur p0(T) ge -

schrieben. Dabei ist Rm die allgemeine molare Gaskonstante undΔHm,con(T) und ΔSstd

m,con(T) sind die molaren Kondensations -enthalpien und -entropien bei der Temperatur T für den Übergangaus der Gasphase bei 1 bar in die flüssige Phase, sowie ΔHm,eva(T)und ΔSstd

m,eva(T) die entsprechenden Größen für die Verdampfung.Wegen der Druck abhängigkeit der Entropie ist zu beachten, dasssie sich nicht auf den zur Temperatur T gehörenden Dampfdruckp(T) bezieht, sondern auf den Standarddruck 1bar.

Die Funktion p0(T) ist für fast alle technisch relevantenLösemittel aus Literaturangaben leicht zugänglich. Für den weitenTemperaturbereich, der mit dem ALI-Modell abgedeckt werdenkann, bewährt sich eine in p implizite Vier-Parametergleichung [3].Die Werte der Funktion ΔHm,con(T) sind für fast alle flüssigen Stoffeauch leicht zugänglich. Mit der Siedetemperatur Tboil bei 1 bar, derKondensationsenthalpie am Siedepunkt ΔHm,con(Tboil) und derkritischen Temperatur Tcrit ist auch die Berechnung mit Hilfe derKorrelation nach Watson [6] mit in der Regel sehr guterGenauigkeit möglich. Mit p0(T), ΔHm,con(T) und Gleichung (2) wirddann die Standard-Verdampfungsentropie ΔSstd

m,eva(T) als Funktionder Temperatur berechnet.

F & S Filtrieren und Separieren Jahrgang 22 (2008) Nr. 6 309

Schwerpunktthemen

Adsorption von Lösemitteln anmikroporösen AktivkohlefasernTeil 2: Modellbildung und MessergebnisseE. Schippert*, K. Kimmerle**

Die vorliegende Arbeit ist Teil II zum Thema Adsorption und wird gefolgt von einem dritten mit dem Untertitel Modell -parameter, Erkenntnisse und Messergebnisse. Vorgestellt werden insgesamt die Messergebnisse der Adsorptions-Isothermen von acht Adsorptiven, in (I) waren dies Toluol, Butyl-Glycol-Ether-Acetat, Aceton und n-Oktan, hier in (II)dann vertieft Toluol, Pentan, Iso-Propanol an mikroporösen Aktivkohlefasern und in (III) Ethyl-Acetat und Wasser anmikroporösen Aktivkohlefasern und mikroporösem Aktivkohlegranulat in Temperaturmessbereichen von 35°C bis 180°Cmit Gasbeladungen von 10 mg/m³ bis 300000 mg/m³. Grundlage der Modellbildung des Adsorptionsprozesses ist dessen Zerlegung in Kondensations-, Bindungs- undMischungsschritte sowie die Betrachtung der Summe Adsorbens plus angelagertes Adsorptiv als ein Adsorbat-Löse -mittel. Ausgehend von der Clausius-Clapeyron-Gleichung wird durch die Einführung des Porenfüllungsgrades eine, aufdie molare differentielle Adsorptionsenthalpie und molare differentielle Adsorptionsentropie basierende Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung abgeleitet. Messwerte von acht Adsorptiven und zwei Adsorbentien können mit einereinzigen Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung, der ALI-Gleichung, mit einer Genauigkeit von 92% bis 98%beschrieben werden. Die ALI-Gleichung erfüllt auch die Randbedingungen sowohl der Langmuir- als auch der Dubinin-Asthakov-Gleichungen.

* Dr. rer. nat. Egbert Schippert Schippert + Partner GbR, Lessingstraße 28, D-66121 Saarbrücken

** Prof. Dr.-Ing. Klaus KimmerleInstitut für Physikalische Prozesstechnik in der HTW, (IPP-HTW)Goebenstraße 40, D-66117 Saarbrücken

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Page 2: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

Der Adsorptionsvorgang kann thermodynamisch völlig analogzur Kondensation von Reinstoffen behandelt werden, solange dieBeladung des Adsorbens praktisch konstant bleibt. Für nurinfinitesimale Beladungsänderungen kann dann, in Analogie zurKondensation von Reinstoffen, die Gleichung (2) genutzt werden.

(3)ΔHm,Ξads(T) und ΔSstd

mΞ,ads(T) sind die temperaturabhängigen differen -tielle molare Adsorptionsenthalpie und Standardads orptions -entropie für den Übergang des Stoffs aus der Gasphase in denadsorbierten Zustand, bezogen auf den Standarddruck in derGasphase von 1bar bei konstantem Porenfüllungsgrad Ξ.

Mit Berücksichtigung des Porenfüllungsgrad Ξ lautet dievollständige allgemeine Dampfdruckgleichung für das „Adsorbat-Lösemittel“ dann:

(4)Diese Gleichung ist gleichzeitig auch die allgemeine Form der

Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung (ALI-Gleichung),weil sie die implizite Form der Funktion Ξ = f(p,T) ist.

Messergebnisse von Toluol, Pentan und Isopropanol

Formal ist die Gleichung (4) für die Adsorption identisch mitder Gleichung (2) für die Kondensation, enthält jedoch diezusätzliche Variable Porenfüllungsgrad Ξ. Bei dieser Be trach -tungs weise ist das Adsorbat, für jeden Porenfüllungsgrad als eineigenes und separates „Adsorbat-Lösemittel“ mit jeweils einereigenen Dampfdruckkurve anzusehen und auch so zu behandeln.

Um dies zu veranschaulichen werden in den Messwerten derIsothermenfelder, siehe Abbildung 1, für die Lösemittel Toluol,Pentan und Isopropanol Punkte gleichen Porenfüllungsgrads Ξeingezeichnet und daraus die zum jeweiligen „Adsorbat-Lösemittel“ gehörende Dampfdruckkurve konstruiert. Die Punktekonstanter Porenfüllung auf den Isothermen werden Isosterengenannt. Die Isosteren sind identisch mit den Dampfdruckkurvendes jeweiligen „Adsorbat-Lösemittels“.

Modellvorstellung für das Adsorbat-Lösemittel

Gleichung (4) ist noch sehr allgemein. Um konkreteAdsorptionsisothermen zu erhalten, muss der funktionaleZusammenhang der Funktionen ΔHmΞ,ads(T,Ξ) und ΔSstd

mΞ,ads(T,Ξ)bekannt sein. Hierfür kann man den Adsorptionsvorganggedanklich in folgende drei Teilschritte zerlegen:1. Kondensation des gasförmigen Adsorptivs zur Flüssigkeit

Abb. 2: Veranschaulichung des Kondensationsprozesses

2. Bindung des flüssigen Adsorptivs an nicht besetzte Adsorp -tionsplätze d. h. Bildung des „Adsorbat-Lösemittels“ in seinerkonzentrierten Form

Abb. 3: Veranschaulichung des Bindungsprozesses

3. Gleichverteilung, des angelagerten Adsorptivs mit dessenMolvolumen auf das Adsorbens, d. h. Verdünnung oderMischung des Adsorbat-Lösemittels von der konzentriertenForm um den Faktor 1/Ξ auf das endgültige Molvolumen desangelagerten Adsorptivs

Abb. 4: Veranschaulichung des Mischungsprozesses

In Abbildung 4 wird ein Mol konzentriertes Adsorbat-Lösemittel, z. B. für einen Porenfüllungsgrad von 0,5 auf dasDoppelte seines zuvor eingenommenen Volumens verteilt. Ist derPorenfüllungsgrad sehr klein, wird folglich das Molvolumen desangelagerten Adsorptivs sehr groß, bis zu Werten des freienAdsorptivs. Diese Verdünnung kann aber auch als Mischung vonbesetzten Adsorptionsplätzen mit allen anderen noch freienAdsorptionsplätzen angesehen werden [5]. Wenn wir dieseMischung, bei ansonsten inertem Adsorbens, als eine Komponenteund Phase interpretieren, ist die Gibbs‘sche Phasenregel erfüllt.

Modellbildung für das Adsorbat-Lösemittel

Entsprechend dieser dreistufigen Modellvorstellung wird dieAdsorptionsenthalpie und Adsorptionsentropie aus Gleichung (4)in jeweils drei Anteile aufgeteilt, die molare Konden -sationsenthalpie ΔHm,con(T), die molare differentielle Bindungs -enthalpie ΔHmΞ,bin(Ξ) und die molare differentielle Mischungs -enthalpie ΔHmΞ,mix(Ξ):

(5)und die auf 1bar bezogene molare Standard konden sations entropieΔSstd

m,con(T), die molare differentielle Bindungsentropie ΔSmΞ,bin(Ξ)und die molare differentielle Mischungs entropie ΔSmΞ,mix(Ξ) :

(6)

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Schwerpunktthemen

Abb. 1: Adsorptions-Isothermen-Felder von Toluol, Pentan undIsopropanol auf ACC. Die Punkte sind gemessene Werte, die Liniensind Anpassungen mit dem ALI-Modell. Beispielhaft ist für Poren -füllungs grade Ξ von 30%, 20% und 10% dargestellt, wie sich hierausdie jeweilige nur für Ξ gültige Adsorbat-Lösemittel-Dampfdruckkurveergibt.

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Differentiell bedeutet, dass, im Gegensatz zum integralen Wert,siehe Teil III der Veröffentlichungen in 2009, der Wert der Größean der Stelle Ξ gemeint ist.

Vereinfachend wird angenommen, dass es sich um einesogenannte athermische Mischung [6] handelt, so dass mitΔHmΞ,mix(Ξ) = 0 die Gleichung (6) vereinfacht werden kann.

(7)Weiterhin wird angenommen, dass die Temperaturabhängigkeit

der differentiellen Bindungsenthalpie und Bindungsentropiewesentlich geringer ist als die der Kondensationsenthalpie undKondensationsentropie [7]. Dies ist erfahrungsgemäß so, weil imZustandspunkt der Bindung die Kondensation mit ihrer starktemperaturabhängigen Wärmetönung bereits abgeschlossen ist undsich somit immer bereits flüssiges Adsorbens mit den starrenWände des Adsorptivs verbindet. Mann kann folglich in ersterNäherung annehmen, dass die Bindungsenthalpie und dieBindungsentropie nur vom Porenfüllungsgrad abhängen.

Mit dieser prinzipiellen Aufteilung in drei bzw. zwei Termegelingt es, den Vorgang der Adsorption anschaulicher und vor allenDingen für unterschiedliche Adsorbentien und Adsorptivevergleichbar zu machen:- ΔHmΞ,con(T) und ΔSstd

mΞ,con(T) sind Stoffeigenschaften des reinenAdsorptivs und aus Literatur und Tabellenwerken leichtzugänglich.

- ΔHmΞ,bin(Ξ) und ΔSmΞ,bin(Ξ) beschreiben in der Adsorbatphase dieWechselwirkung der Adsorptivmoleküle mit dem Adsorbens undmiteinander im Vergleich zur Wechselwirkung der Adsorptiv -moleküle nur miteinander in der reinen flüssigen Phase. Folglichcharakterisieren sie die Materialpaarung Adsorptiv undAdsorbens, d. h. deren chemisch-physikalische und sterischeEigenschaften wie z. B. Molmasse, Polarität, Porenstruktur undPorengrößenverteilung.

- ΔSmΞ,mix(Ξ) ist ein reiner Mischungsterm mit keinerlei stoff spezi -fischem Bezug zu Adsorptiv und Adsorbens.

Mit diesen Aufteilungen von Enthalpie und Entropie kann dieGleichung (4) zur Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung(ALI-Gleichung) umformuliert werden:

(8)Mit dem Gleichgewichtsdampfdruck p0(T) des reinen flüssigen

Absorptivs bei der Temperatur T ergibt sich vereinfacht:

(9)

Modellvorstellung und Modellbildung für diedifferentielle molare Mischungsentropie

Als einfachster Ansatz des Entropieterms für die Mischung(Gleichverteilung, Verdünnung) bietet sich die aus der klassischenz. B. [8] und statistischen Thermodynamik z. B. [5] bekannteFormel der Mischungsentropie für eine ideale Mischung an. Fürdie Mischungsentropie von n1 Molen Komponente 1 und n2 MolenKomponente 2 gilt:

(10)Da der Prozess der Adsorption mit dem Adsorptiv, Komponente

1, beschrieben werden soll, ist es sinnvoll, die Mischungsentropieauf das Adsorptiv zu beziehen. Die molare Mischungsentropiebezogen auf die Komponente 1 ergibt dann:

(11)Es liegt nahe, siehe [5], diesen Ansatz auf das Adsorp -

tionsgleichgewicht anzuwenden. Im Falle der Adsorption und beiBetrachtung des adsorbierten Adsorptivs als „Adsorbat-Lösemittel“, welches über das Adsorbens gleichmäßig verteilt ist,sind die nicht besetzten Adsorptionsplätze des Adsorbens alszweites, masseloses „Adsorbens-Lösemittel“ mit extrem hohenSiedepunkt, zu betrachten. In [6] wird über [9] berichtet, die beiMischungsgrößen die Molmenge Polymer nPolymer durch Polymer-Ketten-Segment-Menge (r·n)Polymer-Ketten-Segmente ersetzten, die dasgleiche Molvolumen wie das Lösemittel haben. In analogerVorgehensweise haben hier die besetzten und nicht besetztenAdsorptionsplätze das gleiche Molvolumen.

Damit kann der Molenbruch ψ durch den Porenfüllungsgrad Ξersetzt werden und es ergibt sich folgender Ansatz für dieMischungsentropie der Adsorption ΔSm,mix(Ξ):

(12)Mit diesem Ansatz nimmt die Isothermen-Gleichung (9)

nunmehr die Form an

(13)und delogarithmiert

(14)

Den Verlauf der Funktion zeigt die

Abbildung 5. Wie man erkennen kann, verläuft die Funktion bis zuPorenfüllungsgraden von etwa 30% parallel zum entsprechendenTerm Ξ/(1–Ξ) aus der Langmuir-Isotherme, allerdings um denFaktor 1/e niedriger. Sie geht beim Porenfüllungsgrad Ξ→1 gegenden endlichen Wert +1.

Das bedeutet, dass die differentielle Mischungsentropie dort denWert 0 annimmt. Dies ist auch realitätsnah, da ein Flüssig -keitsmolekül bei Porenfüllungsgrad Ξ = 1 in der Pore nur aufMolekühle seiner eigenen Art trifft. Es ist keine Mischung, sondernschlicht eine Volumenaddition. Der entsprechende Term Ξ/(1–Ξ)aus der Langmuir-Isotherme geht gegen +∞ und damit diedifferentielle Adsorptionsentropie gegen –∞, siehe [7], [10].Dieses Verhalten der Langmuir-Isotherme erscheint den Autorenals eher nicht sehr plausibel.

Im Gegensatz dazu ist für Ξ→1 bei der ALI-Gleichung derGrenzwert von p(T,Ξ) der Gleichgewichtspartialdampfdruck desreinen flüssigen Adsorptivs p0(T), da auch ΔHmΞ,bin(Ξ→1) = 0 undΔSmΞ,bin(Ξ→1) = 0 gilt. Bei der Langmuir-Isotherme geht p(T,Ξ→1)gegen +∞ , was bei der Adsorption von Stoffen bei Temperaturenunterhalb von deren kritischer Temperatur der Erfahrung

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Schwerpunktthemen

Abb. 5: Verlauf der Mischungsterme aus der ALI-Gleichung und derLangmuir-Isotherme

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Page 4: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

widerspricht. Dementsprechend beschränkt [7] die Gültigkeit derLangmuir-Isotherme für technische Adsorbentien und Lösemittelauf sehr kleine Porenfüllungsgrade von <10%.

Modellvorstellung für die differentiellen molarenBindungsenthalpien und –entropien

Für die differentiellen molaren Bindungsenthalpien und -entropien kann prinzipiell ein beliebiger funktionaler mathe -matischer Ansatz gewählt werden, sofern folgende Randbe -dingungen eingehalten werden, siehe auch [1].

Bei verschwindender Porenfüllung Ξ → 0 muss der Gradientder differentiellen molare Bindungsenthalpie und -entropie beiallen Temperaturen einen festen Grenzwert annehmen, da dieAdsorptions-Isotherme bei kleinen Porenfüllungsgraden in dieHenry-Isotherme p(T,Ξ) = kH(T)·Ξ übergehen muss. Daraus ergibt sich zwangsläufig ΔHmΞ,bin(Ξ→0) = ΔHmΞ,bin,0 und auch

ΔSmΞ,bin(Ξ→ 0) = ΔSmΞ,bin,0, weil bei konstantem ein

Schnittpunkt mit der Ξ =0-Linie existieren muss.Bei vollständiger Porenfüllung Ξ → 1 muss die differentielle

molare Bindungsenthalpie und -entropie bei allen Temperaturen 0werden, d. h. ΔHm,bin(Ξ→1) = 0 und ΔSmΞ,bin(Ξ→1) = 0, weil dieletzten Adsorptivmoleküle ausschließlich an Adsorbat-Moleküleund nicht direkt an das Adsorbens gebunden werden, sieheAbbildung 6.

Hinter diesen Bedingungen steht als Idee und Grundsatz, dassdie ALI-Gleichung und ihre Einzelterme über den gesamtenBereich der Konzentration, der Temperatur und des Poren -füllungsgrads thermodynamisch konsistent sein müssen. Darüber -hinaus sollte die resultierende ALI-Gleichung die Messergebnissemit möglichst wenigen Anpassungsparametern beschreiben.

ΔHmΞ,bin(Ξ) und ΔSmΞ,bin(Ξ) beschreiben im Prinzip die Ab -hängig keit der differentiellen molaren Reaktionsenthalpie und -entropie vom Porenfüllungsgrad Ξ für folgende Reaktion:

(15)Das Adsorbens selbst wird bei dieser Betrachtung als inert

angesehen, stellt aber die Adsorptionsplätze zur Verfügung. Dieseverhalten sich wie ein masseloses Lösemittel mit sehr hohemSiedepunkt.

In der Regel sind ΔHmΞ,bin(Ξ) und ΔSmΞ,bin(Ξ) in realen Adsor -bentien abhängig von der Porenbeladung Ξ, wie man es sich leichtanhand der folgenden Skizze veranschaulichen kann:

Abb. 6: Adsorptionsplatztypen mit unterschiedlicher freier Reaktions -enthalpie, wobei 1 die höchste und 10 die niedrigste freie Reaktions -enthalpie ΔGmΞ,bin(Ξ) repräsentiert.

Als adsorbiert gilt ein Adsorptivmolekül, das direkten oderindirekten, also über mindestens ein anderes Adsorptivmolekül,Kontakt zur Wand der Adsorbenspore hat. Abbildung 6 zeigt 10Adsorptionsplatztypen mit unterschiedlicher freier Reaktions -enthalpie ΔGmΞ,bin(Ξ) = ΔHmΞ,bin(Ξ) – T·ΔSmΞ,bin(Ξ), wobei 1 diehöchste und 10 die niedrigste freie Reaktionsenthalpierepräsentiert. Die Adsorptionsplatztypen sind also energetischnicht gleichwertig. Streng genommen gilt der Ansatz für diemolare differentielle Mischungsentropie in Gleichung (12) nur fürgleichwertige Adsorptionsplätze und auch nur dann, wenn keineWechselwirkung zwischen den adsorbierten Adsorptivmolekülenstattfinden. Folglich müsste eine adsorptionsplatzspezifischeIsotherme (multi-site-Isotherme) definiert werden, bei der für

jeden Adsorptionsplatztyp (site) ihr eigener Porenfüllungsgraddefiniert ist [5]. Für praktische Zwecke ist dieser Ansatz aber nichtbrauchbar, da mit jedem zusätzlichen Adsorptionsplatztyp (site)mindestens 2 weitere Anpassungsparameter erforderlich wären.

Für das hier untersuchte Adsorbens Aktivkohlefaser und dasAdsorptiv Lösemittel könnten die Messwerte mit einer Anzahl vonetwa 10 Adsorptionsplatztypen (sites) befriedigend modelliertwerden. Da aber, den weiter unten im Detail dargestelltenErgebnissen zufolge, bei allen bisher untersuchten Lösemitteln undAktivkohlen im gesamten Temperatur- und Porenfüllungsbereichdie Messergebnisse innerhalb der Messfehlergrenze durch den„Eine-Isotherme“-Ansatz von Gleichung (14) beschrieben werdenkönnen, wird hier der adsorptionsplatzspezifische Isotherme-Ansatz (multi-site-Isotherme-Ansatz) nicht weiter verfolgt.

Natürlich ist anzustreben, passende Funktionen zu finden, dieallgemeinerer Natur sind und in denen für spezielle Systeme nurParameter angepasst werden. Diese Parameter sollten zudemmöglichst mit einer „physikalischen Bedeutung“ verknüpfbar sein.Wie im folgenden gezeigt wird, können, zumindest für das SystemAktivkohle-Lösemittel, derartige Funktionen gefunden werden,mit denen gemessene Isothermenfelder in weitestem Temperatur -bereich (0°C bis 230°C) und Dampfdruckbereich (10-6bar bis 1bar)so gut beschrieben werden, dass mögliche Fehler durch unzu -längliche Modellgleichungen auf jeden Fall kleiner sind als dieMessfehler.

Modellbildung für die differentiellen molarenBindungsenthalpien und -entropien

Für die Abhängigkeit von ΔHmΞ,bin(Ξ) und ΔSmΞ,bin(Ξ) vomPorenfüllungsgrad Ξ wurde ein sehr einfacher mathematischerAnsatz gewählt, der aus einem exponentiellen Term für kleineBeladungen und einem überlagerten linearen Term besteht und dieoben erwähnten Randbedingungen erfüllt.

Eine Rechtfertigung dieses Ansatzes besteht zunächst darin,dass regelmäßig beobachtet wird, dass der Betrag der Adsorption -enthalpie bei kleinen Beladungen stark abfällt [7], und bestehtnachträglich darin, dass sich mit diesem Ansatz die Isothermen vonpolaren und unpolaren Lösemitteln an Aktivkohle, unabhängig vonderen Siedepunkt, über den gesamten Bereich der Konzentrationenund Temperaturen hervorragend mit einer relativ geringen Zahlvon Anpassungsparametern beschreiben lassen.

Der Ansatz für die Bindungsenthalpie ΔHmΞ,bin(Ξ) ist

(16)

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Abb. 7: Typischer Verlauf der Funktion für die differentiellen molareBindungsenthalpie und die Parameter der Funktionsgleichung

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Page 5: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

und wird in Abbildung 7 dargestellt. Für die Parameter dieserAbbildungen wurden Werte, ähnlich dem des SystemsToluol/ACC-1 verwendet.

Den drei Anpassungsparametern können folgende physikalischeBedeutungen zugeordnet werden. Für Ξ → 0 bei verschwindender Porenfüllung folgt ΔHmΞ,bin(Ξ) = ΔHlin+ΔHexp, d.h. ein end licher Wert der maximalen Bindungsenthalpie und

, d. h. ein endlicher Wert und notwendige Bedingung für die in Ξ lineare Henry-Isotherme.

Für Ξ → 1 bei vollständiger Porenfüllung folgt ΔΗmΞ,bin(Ξ),ΔHlin

und ΔHexp = 0, d. h. das Adsorbat-Lösemittel verhält sich wie dasKondensat des reinen Adsorptivs, d. h. die Bindungsenthalpieverschwindet.

Der gleiche mathematische Ansatz für die BindungsentropieΔSmΞ,bin(Ξ)

(17)führt zu völlig analogen Folgerungen für die Parameter und die

Grenzwerte der Funktion.Der Verlauf der Funktionen in Abbildung 7 ist nur beispielhaft.

Während die Enthalpiekurven immer monoton sind, können bei denEntropiekurven durchaus Extrema auftreten, siehe Abbildung 8.

Die Abbildung 8 zeigt die konkreten Ergebnisse des Verlaufs derAdsorptionsenthalpie und der Standardadsorptions entropie fürToluol, Pentan und Isopropanol. Die Funktion ΔHmΞ,ads(Ξ,T) ist inder Abbildung gemäß Gleichung (7) die Summe der beiden Einzelterme ΔHmΞ,bin(Ξ) und ΔHm,con(T), dieFunktion ΔSstd

mΞ,ads(Ξ,T) gemäß Gleichung (6) die Summe der dreiEinzelterme ΔSmΞ,bin(Ξ), ΔSmΞ,mix(Ξ) und ΔSstd

m,con(T).Die Diskussion von erkennbaren Systematiken des jeweiligen

Verlaufs dieser Kurven für alle vermessenen Lösemittel undmöglicher Zusammenhänge mit speziellen chemisch-physika -lischen Eigenschaften der verschiedenen untersuchten ALI-Feldersowie die Wiedergabe der Anpassungsparameter werden im drittenTeil dieser Arbeiten erfolgen.

Formulierung der Gleichung für die Adsorbat-Lösemittel-Isotherme

Mit den Beziehungen für die differentiellen molaren Bindungs -enthalpie, Bindungsentropie und Mischungsentropie ergibt sichnun die endgültige Form der Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung (ALI-Gleichung) mit sechs Anpassungsparametern und

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Schwerpunktthemen

Abb. 8: Abhängigkeit der differentiellen molaren Enthalpien undEntropien vom Porenfüllungsgrad bei 400 K für Toluol, Pentan undIsopropanol, wie sie sich aus der Anpassung der Messdaten mit derALI-Gleichung ergeben.

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Page 6: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

mit Gleichung (2) zu

(18)Für die Grenzfälle vollständige Porenfüllung Ξ → 1 und sehr

kleine Porenfüllung Ξ → 0 ergeben sich aus der ALI-Gleichungfolgende Zusammenhänge für den Dampfdruck

(19)d. h. der Sättigungsdampfdruck der reinen Komponente und alsHenry-Isotherme

(20)In vielen Fällen, insbesondere bei unpolaren und/oder

großmolekularen Adsorptiven ergibt die Datenanpassung, dass dieexponentiellen Terme in Gleichung (18) vernachlässigt werdenkönnen. Dann vereinfacht sich die ALI-Gleichung mit nur nochzwei Anpassungsparameter zu

(21)

Parameter der Adsorbat-Lösemittel-Isotherme

Der Porenfüllungsgrad ist definiert als:

Durch Einsetzen der Beziehung Xas,max(T) = vs·ρ(298K)a· [1+αas(T–298K)] aus [1] folgt mit T0 = 298K dann

(22)Das spezifische Porenvolumen vs des Adsorbens ist in der Regel

eine bekannte spezifische Größe des jeweiligen Adsorbens. Mitausreichender Genauigkeit ist dieser Wert unabhängig vomjeweiligen Adsorptiv. Abweichungen von dieser Regel werden nurbei extrem polaren Adsorptiven, z. B. Wasser oder Ethanol(vermutlich wegen Cluster-Bildung in der Pore), oder bei sehrgroßen Adsorptiv-Molekülen mit Moleküldurchmessern in dieNähe des Porendurchmessers beobachtet, die geometrisch nichtmehr in die kleinsten Adsorbens-Poren passen. Ein Beispiel hierfürist Hexamethyldisiloxan mit einem Moleküldurchmesser von ca.0,7nm [11]. Aber auch in diesen Fällen betragen dieAbweichungen vom mittleren Wert in der Regel weniger als ~10%.Geringfügige positive Abweichungen werden bei Aromatenbeobachtet. Ursache hierfür ist möglicherweise, dass sich dieAromatenstruktur des Adsorbtivs, z. B. Toluol oder Benzol,besonders gut an die ebenfalls aromatische Graphitstruktur desAdsorbens Aktivkohle, anpasst. Die Änderungen von vS im Laufeder Anpassung sind dementsprechend nur geringfügig. Fürkommerzielle Aktivkohlen liegt die Bandbreite für das spezifischePorenvolumen vS zwischen 25ml/100g und 75ml/100g.

Der relative Temperaturkoeffizient der Dichte αas des Adsorptivsim adsorbierten Zustand liegt zwischen minimal 0 und dem Wertαa für das freie Adsorptiv [1]. Der Einfluss auf den Verlauf derAdsorptionsisothermen zwischen 20°C und 250°C ist relativgering. Man macht deswegen keinen großen Fehler, wenn man fürαas einen Wert von 0,5·αa (298K) einsetzt. αas ist deshalb nur alsAnpassungsparameter für eine „Feinstanpassung“ anzusehen.

Durch Einsetzen der Beziehung für Ξ aus Gleichung (22) in dieALI-Gleichung (18) und mit

(23)

erhält man dann die Isothermen-Gleichung mit den technischüblichen Einheiten für die Gasphasen-Konzentration in g/Norm-m³und für die Adsorbens-Beladungen in Gewichts-%.

Methode der Parameteranpassung

Die Qualität der Anpassung der Parameter der Adsorbat-Lösemittel-Isotherme ist entscheidend davon abhängig, wie dieseerfolgt. Grund hierfür ist, dass mit herkömmlichen „einstufigen“Anpassungsalgorithmen wegen der gegenseitigen Abhängigkeitder Parameter die Gefahr besteht, dass sich der Anpassungs -algorithmus in lokale Minima hineinrechnet, z. T. dann auch mitphysikalisch unsinnigen Werten für die einzelnen Parameter. Eswurde deshalb ein mehrstufiges Prozedere für die Parameter -anpassung entwickelt, das stabile und „vernünftige“ Ergebnisseliefert.

Schritt 1: Die Anpassung der vorliegenden Messwerte Xmeas,j

und Cmeas,j erfolgt für jede Temperatur Tmeas,j durch jeweils einegeeignete Anpassungsfunktion Cmeas,j = f (Xmeas). Damit könnendiese mit relativen Abweichungen |Ccale(Xmeas,j) – Cmeas,j | /Cmeas,j vonim Mittel 2.5% und maximal 5.0% für den gesamten Bereich derPorenfüllungsgrade beschrieben werden.

Schritt 2: Mit den geglätteten Messwertkurven C = f(X)T undmit einem ersten Schätzwert für vS aus Herstellerangaben oder ausMessungen anderer Adsorptive, werden mit Gleichung (22) dieMesswerte von X in Porenfüllungsgrade Ξ und mit Gleichung (23)die Gasphasenkonzentrationen in Partialdampfdrücke umgerech -net. Damit können dann Isosteren berechnet werden, aus derenSteigungen sich vorläufige Werte für ΔHmΞ,bin(Ξ,T) ergeben. Dazuwird die Funktion 1n(ϕ(T,Ξ)) bei konstantem Porenfüllungsgradgegen 1/T aufgetragen.

(24)Es werden nur Werte jener Temperaturen und Poren -

füllungsgrade verwendet, welche im Vertrauensbereich liegen, d. h.für die auch Messwerte vorliegen. Mit den so berechneten Wertenvon ΔHmΞ,bin(Ξ) ergeben sich durch Anpassung vorläufigeStartwerte für die Parameter ΔHlin, ΔHexp und kh.ex derAdsorptionsenthalpie-Gleichung für die eigentliche Anpassungs -prozedur.

Schritt 3: Damit können vorläufige Werte für die ParameterΔSlin, ΔSexp und ks.ex mit den Gleichungen (17) und (25) für diedifferentielle molare Bindungsentropie abgeschätzt werden.

Schritt 4: Die endgültige Anpassung aller Parameter an dieAdsorbat-Lösemittel-Isotherme und an die in der Technik üblichenEinheiten g/Norm-m³ für die Gasphasenkonzentration C undGewichts-% für die Beladung X an die Messwerte, erfolgt miteiner Monte-Carlo-Methode. Dabei wird der zulässige Werte -bereich der zwei plus sechs Parameter (vS und αas) sowie (ΔHlin,ΔHexp, kh.ex, ΔSlin, ΔSexp und ks.ex) jeweils durch vorgegebene,physikalisch sinnvolle obere und untere Grenzen beschränkt. Diedabei angewendeten Gleichungen sind (18), (22), (23) und dieDampfdruckgleichung. Die Umkehrfunktion für die Erstellung vonIsothermenfeldern in der üblichen Darstellungsweise X = f(C,T)wird durch ein numerisches Verfahren ermittelt.

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Schwerpunktthemen

Tabelle 1: Physikalische Eigenschaften der vermessenen Lösemittel

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Page 7: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

Ergebnisse der Parameteranpassung

Tabelle 1 gibt einige physikalische Eigenschaften der achtvermessenen Lösemittel wieder. Sie zeigt, dass mit der Auswahlder bis jetzt vermessenen Lösemittel schon ein relativ weiterBereich der technisch eingesetzten Lösemittel abgedeckt wird.

Tabelle 2 demonstriert die Güte der Anpassung für die siebenvermessenen Lösemittel.

Überprüfung des ALI-Modells durch die Lage derMesswerte bezüglich des Verlaufs derdifferentiellen molaren Bindungsentropie

In der Adsorbat-Lösemittel-Iso thermen-Gleichung wird diedifferentielle molare Bindungsentropie ΔSmΞ,bin(Ξ) durch einetemperaturunabhängige Gleichung nur als Funktion desPorenfüllungsgrads Ξ be schrieben. Wenn die ALI-Gleichung undihre funktionalen Zusammenhänge aus Gleichung (18) diegemessene Realität zutreffend beschreiben, müssen alle PunkteΔSmΞ,bin(Ξmeas,j) für alle Poren füllungsgrade Ξ und für alle Temperaturen T auf einer Kurve liegen. Um dies zu prüfenwerden die original Messwerte vonpmeas und Ξmeas = Xmeas(Tmeas,j)/Xmax,meas(Tmeas,j) mit der folgendenGleichung aus gewertet:

(25)Diese Gleichung enthält nur Messwerte und die beiden aus der

Literatur verfügbaren Daten für die molare Konden -sationssenthalpie und die molare Standardkondensationsentropie

des reinen Adsorptivs. Die Größe der Abweichung dieserMesswerte von der Kurve der Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Gleichung gibt Auskunft über die Güte des ALI-Modells. Wie diefolgenden Abbildungen 9 und 10 beispielhaft für Toluol, Oktan,Pentan, Aceton, Isopropanol und i-Butylglykoletheracetat zeigen,wird das Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Modell eindrucksvollbestätigt.

Zusammenfassung

Für die Lösemittel Toluol, Pentan und Isopropanol aufAktivkohlefaser-Gewebe wurde der Partialdampfdruck alsFunktion der Temperatur und des Porenfüllungsgrads vermessen.Um deren Messwerte mit Parametern nachrechnen zu können,wurde ein Adsorbat-Lösemittel-Isothermen-Modell entwickelt undvorgestellt, welches thermodynamisch konsistent ist und dieIsothermen von Langmuir und Dubinin-Asthakov mit einschließt.

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Schwerpunktthemen

Tabelle 2: Güte der Anpassung

Abb. 10: Darstellung der differentiellen molaren Bindungsentropie für i-Butylglykoletheracetat, Isopropanol und Aceton. Die Punkte wurden aus denMesswerten mit Gleichung (25) berechnet, die durchgezogene Linie ergibt sich aus den Parametern der Adsorbat-Lösemittel-Isotherme durch dieMesswertanpassung des Isothermenfeldes.

Abb. 9: Darstellung der differentiellen molaren Bindungsentropie für Toluol, Oktan und Pentan. Die Punkte wurden aus den Messwerten mit Gleichung(25) berechnet, die durchgezogene Linie ergibt sich aus den Parametern der Adsorbat-Lösemittel-Isotherme durch die Messwertanpassung desIsothermenfeldes.

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Page 8: Adsorption von Lösungsmitteln an mikroporösen Aktivkohlefasern · Form um den Faktor 1/auf das endgültige Molvolumen desΞ angelagerten Adsorptivs Abb. 4: Veranschaulichung des

Mittels einer Monte-Carlo-Methodewerden die sechs Anpassungsparameterfür die differentielle molare Bindungs -enthalpie und die Bindungsentropie ineinem Mehr-Schritt-Verfahren errechnet.Vier dieser Parameter besitzen darüberhinaus direkte physikalische Bedeutungen.

Mit der Adsorbat-Lösemittel-Iso -thermen-Gleichung lassen sich unpolareniedrigsiedende und mittelsiedende sowiepolare niedrigsiedend und mittelsiedendLösemittel in einem sehr großen Tempera -turbereich und im gesamten Poren -füllungs bereich des Adsorbens sehr gutbeschreiben. Dies gilt sowohl fürfaserförmige Aktivkohle und vermutlichauch für konventionelle granulierteAktivkohlen.

Außerdem sind Extrapolationen inpraktisch beliebig niedrige Bereiche derGasphasenkonzentration sicher möglich,weil die ALI-Gleichung bei niedrigenAdsorbensbeladungen in eine Henry-Isotherme übergeht und die Temperatur -abhängigkeit der Isothermen richtigbeschreibt. Solche Bereiche sind heutigenMessungen mit vernünftigem Aufwand,wenn überhaupt, praktisch nicht zugäng -lich. Weiterhin ist es möglich beihochsiedenden Lösemitteln durchMessungen bei höheren Temperaturen, z. B. von mehr als 150°C, sicher aufIsothermen bei Raumtemperatur zuextrapolieren.

Ausblick

Im folgenden Teil III werden dieErgebnisse der Adsorptive Ethyl-Acetatund Wasser an Aktivkohlefaser-Gewebenund Aktivkohle-Granulat dargestellt. Fürden Nutzer werden die ALI-Parameteraller vermessenen Lösemittel tabellarischwiedergegeben. Auf einige Zusammen -hänge zwischen Modell-Parametern undEigenschaften des Systems Lösemittel/Aktivkohle wird eingegangen. In einemEnthalpie-Entropie-Porenfüllungsgrad-Diagramm wird der Prozess derAdsorption visualisiert.

Dank

Der Autor Kimmerle widmet diesen Artikelseinen Lehrern, Dr. Richard William Baker,Prof. Karl Stephan und Prof. HeinerStrathmann. Dem saarländischen Ministeriumfür Wirtschaft und Wissenschaft danken wir fürdie projektorientierte Unterstützung (D4-14.2.1.1-LFFP 0614).

Nomenklatur

Indizes

Abkürzungen

Literatur[1] E.Schippert, K.Kimmerle, Adsorption von Lösemitteln an

mikroporösen Aktivkohlefasern, Teil 1, F&S, Filtrierenund Separieren, Jahrgang 22 (2008), Nr.5

[2] Rolf Haase, Thermodynamik der Mischphasen,Springerverlag (1956)

[3] Verfahrenstechnische Berechnungsmethoden, Band 7,Stoffwerte, VCH-Verlag (1986)

[4] VDI-Wärmeatlas, DA 20, Springer-Verlag, Berlin,Heidelberg, (2002)

[5] Wolfgang Göpel, Hans-Dieter Wiemhöfer, StatistischeThermodynamik, Spektrum Akademischer Verlag (2000)

[6] Lüdecke Christa, Lüdecke Dorothea, Thermodynamik,Springer (2000)

[7] Werner Kast, Adsorption aus der Gasphase, VCHVerlagsgesellschaft (1988)

[8] Karl Stephan, Franz Mayinger, Thermodynamik,Grundlagen und technische Anwendungen,Einstoffsysteme, Mehrstoffsysteme und chemischeReaktionen (1991) Springer

[9] Flory, PJ (1942) J.Chem.Phys. 10:51, Huggins ML(1942) Ann. NJ Acad. Sci. 43:1

[10] A.L. Myers, Thermodynamics of Adsorption in PorousMaterials, AICHE Journal, Vol.48, No.1 (2002)

[11] N.Forbert, Fortschritts-Berichte der VDI-Zeitschrift, Bd.3 (1994) , Heft 369

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