Äquinoktium

7
Äquinoktium Äquinoktium (von lat. aequus „gleich“ und nox „Nacht“) oder Tagundnachtgleiche (auch Tag-und- Nacht-Gleiche) werden die beiden Tage im Jahr genannt, an denen der lichte Tag und die Nacht gleich lange dauern. Die Tagundnachtgleichen fallen auf den 20. oder 21. März und den 22. oder 23. September. Sie markieren den kalendarischen Anfang der astronomisch definierten Jahreszeiten von Frühling und Herbst. In der Astronomie wird das Datum eines Äquinokti- ums über die Einheit Tag hinaus näher bestimmt und als sekundengenauer Zeitpunkt angegeben. Dabei han- delt es sich um jenen Moment, zu dem die Sonne den Himmelsäquator im Frühlings- beziehungsweise im Herbstpunkt passiert, und mit dem der Beginn dieser Jah- reszeiten dann astronomisch definiert ist. Sowohl diese genauen Zeitpunkte als auch die jeweili- gen Lagen des passierten Frühlings- bzw. Herbstpunkts heißen abgekürzt ebenfalls Äquinoktien. Himmelsnordpol Frühlingspunkt (oder Widderpunkt) Ein Äquinoktium ist der Moment, wenn die Sonne bei ihrer scheinbaren Jahresbewegung auf der Ekliptik den Himmelsäquator überschreitet. Die Schnittpunkte von Ekliptik und Äquator werden Frühlings- und Herbst- bzw. Widder- und Waagepunkt genannt. 1 Begriffsbestimmungen Als Äquinoktium werden auf die Nordhalbkugel der Erde bezogen folgende Sachverhalte bezeichnet: 1.1 Zeitpunkte eine Tagundnachtgleiche – der Kalendertag, an dem die Sonne den Erdäquator überquert und damit Frühling oder Herbst anfangen Primaräquinoktium: Querung von Süden her nach Norden, Frühlingsanfang Sekundaräquinoktium: Querung von Norden nach Süden hin, Herbstanfang ein wahres Äquinoktium – zu einer Tagundnacht- gleiche der exakte Zeitpunkt, in dem die Sonne den Himmelsäquator quert, und damit der genaue Be- ginn der astronomischen Jahreszeiten Frühling und Herbst Frühlingsäquinoktium: exakter Zeitpunkt des Frühlingsanfangs, um den 20./21. März Herbstäquinoktium: exakter Zeitpunkt des Herbstanfangs, um den 22./23. September 1.2 Orte am Himmel ein Äquinoktialpunkt – der Punkt auf der Ekliptik, an dem sich die Sonne bei wahrem Äquinoktium be- findet: Frühlingspunkt und Herbstpunkt ein mittlerer Äquinoktialpunkt – der Punkt auf der Ekliptik, an dem sich die Sonne im langjährigen Mittel bei wahrem Äquinoktium befindet: Widderpunkt und Waagepunkt. 2 Tagundnachtgleichen als Jahres- anfang und bestimmendes Da- tum für religiöse Feste In einigen Kalendersystemen ist die Frühlingsgleiche der Jahresbeginn und eines der zentralen Feste des Jahres, so als Nouruz (wörtlich „Neulicht“) des astronomisch- solaren iranischen Kalenders und des Bahai-Kalenders. Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, ist nicht identisch mit der Herbstgleiche, ist aber davon abhängig 1

description

savbas sgf

Transcript of Äquinoktium

Page 1: Äquinoktium

Äquinoktium

Äquinoktium (von lat. aequus „gleich“ und nox„Nacht“) oder Tagundnachtgleiche (auch Tag-und-Nacht-Gleiche) werden die beiden Tage im Jahr genannt,an denen der lichte Tag und die Nacht gleich langedauern. Die Tagundnachtgleichen fallen auf den 20. oder21. März und den 22. oder 23. September. Sie markierenden kalendarischen Anfang der astronomisch definiertenJahreszeiten von Frühling und Herbst.In der Astronomie wird das Datum eines Äquinokti-ums über die Einheit Tag hinaus näher bestimmt undals sekundengenauer Zeitpunkt angegeben. Dabei han-delt es sich um jenen Moment, zu dem die Sonneden Himmelsäquator im Frühlings- beziehungsweise imHerbstpunkt passiert, und mit dem der Beginn dieser Jah-reszeiten dann astronomisch definiert ist.Sowohl diese genauen Zeitpunkte als auch die jeweili-gen Lagen des passierten Frühlings- bzw. Herbstpunktsheißen abgekürzt ebenfalls Äquinoktien.

Himmelsnordpol

Frühlingspunkt(oder Widderpunkt)

Ein Äquinoktium ist der Moment, wenn die Sonne beiihrer scheinbaren Jahresbewegung auf der Ekliptik denHimmelsäquator überschreitet. Die Schnittpunkte von Ekliptikund Äquator werden Frühlings- und Herbst- bzw. Widder- undWaagepunkt genannt.

1 Begriffsbestimmungen

Als Äquinoktiumwerden auf die Nordhalbkugel der Erdebezogen folgende Sachverhalte bezeichnet:

1.1 Zeitpunkte

• eine Tagundnachtgleiche – der Kalendertag, an demdie Sonne den Erdäquator überquert und damitFrühling oder Herbst anfangen

• Primaräquinoktium: Querung von Süden hernach Norden, Frühlingsanfang

• Sekundaräquinoktium: Querung von Nordennach Süden hin, Herbstanfang

• ein wahres Äquinoktium – zu einer Tagundnacht-gleiche der exakte Zeitpunkt, in dem die Sonne denHimmelsäquator quert, und damit der genaue Be-ginn der astronomischen Jahreszeiten Frühling undHerbst

• Frühlingsäquinoktium: exakter Zeitpunkt desFrühlingsanfangs, um den 20./21. März

• Herbstäquinoktium: exakter Zeitpunkt desHerbstanfangs, um den 22./23. September

1.2 Orte am Himmel

• ein Äquinoktialpunkt – der Punkt auf der Ekliptik,an dem sich die Sonne bei wahremÄquinoktium be-findet:

• Frühlingspunkt und• Herbstpunkt

• ein mittlerer Äquinoktialpunkt – der Punkt auf derEkliptik, an dem sich die Sonne im langjährigenMittel bei wahrem Äquinoktium befindet:

• Widderpunkt und• Waagepunkt.

2 Tagundnachtgleichen als Jahres-anfang und bestimmendes Da-tum für religiöse Feste

In einigen Kalendersystemen ist die Frühlingsgleiche derJahresbeginn und eines der zentralen Feste des Jahres,so als Nouruz (wörtlich „Neulicht“) des astronomisch-solaren iranischen Kalenders und des Bahai-Kalenders.Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, ist nichtidentisch mit der Herbstgleiche, ist aber davon abhängig

1

Page 2: Äquinoktium

2 3 ÄQUINOKTIUM ALS JAHRESZEITENBEGINN

(vorher bis nachher). Analog verhält es sich mit dem jü-dischen Pessachfest und dem christlichen Ostern, die im-mer nach der Frühlingsgleiche stattfinden.

3 Äquinoktium als Jahreszeitenbe-ginn

3.1 Astronomischer Beginn des Frühlingsund des Herbstes, wahres Äquinokti-um

Die genaue Definition lautet:[1]

Die Äquinoktien sind die Zeitpunkte, in denendie scheinbare geozentrische ekliptikale Längeder Sonne 0° respektive 180° beträgt.

• Scheinbar heißt: unter Berücksichtigung vonAberration und Nutation.

• Geozentrisch heißt: von einem (hypothetischen) Be-obachter im Erdmittelpunkt aus gesehen.

Die Definition ist also unabhängig vom Standort einesrealen Beobachters; die Äquinoktien treten weltweit zumselben Zeitpunkt ein (der aber in verschiedenen Zeitzonenverschiedenen Uhrzeiten entspricht).Diese Zeitpunkte fallen bis auf wenige Sekunden mitden Zeitpunkten zusammen, in denen der Mittelpunktder Sonnenscheibe den Himmelsäquator durchquert, indenen die Sonne also von der südlichen zur nördlichenHimmelshälfte (ekliptikale Länge 0°) oder von der nörd-lichen zur südlichen Himmelshälfte (ekliptikale Län-ge 180°) überwechselt. Die Zeitdifferenz resultiert ausdem Umstand, dass es ja eigentlich der Schwerpunktdes Erde-Mond-Systems ist, der sich in der mittlerenErdbahnebene um die Sonne bewegt, während die Erdeselbst diesen Schwerpunkt umkreist („wahre Erdbahn“)und sich somit – da die Bahnebene des Erde-Mond-Systems gegenüber der Erdbahnebene leicht geneigt ist– in der Regel etwas oberhalb oder unterhalb dieser Ebe-ne befindet. Vom geozentrischen Beobachter aus gesehenläuft daher die Sonne nicht exakt auf der Ekliptik (und hateine ekliptikale Breite ungleich Null). Sie passiert auchnicht exakt den Frühlings- bzw. Herbstpunkt und über-quert den Äquator bevor oder nachdem sie die ekliptikaleLänge dieser Punkte erreicht hat. Dieser Zeitunterschiedmacht einige Sekunden aus.Weil die durchschnittliche Dauer eines Umlaufs derErde um die Sonne bezogen auf den Frühlingspunkt(tropisches Jahr) mit etwa 365,2422 Tagen knapp sechsStunden länger ist als die Dauer des kalendarischenGemeinjahres mit genau 365 Tagen, verschiebt sich daskalendarisch angegebene Datum der Äquinoktien von ei-nem Gemeinjahr zum nächsten auf eine um etwa sechs

Stunden spätere Uhrzeit. Mit der Einfügung des 29.Februars in einem Schaltjahr ergibt sich eine im Ver-gleich zum Vorjahr um etwa 18 Stunden frühere Uhrzeitfür den Äquinoktialzeitpunkt. Die folgenden Angaben[2]der Äquinoktien sind auf Minuten gerundet (zum Be-ginn der vier Jahreszeiten siehe auch Tabelle im ArtikelJahreszeiten).

Die Verschiebung des Herbstanfangs von 1900 bis 2520. Ange-geben ist der Tag im September, bezogen auf die MESZ. Bestimmtwird die genaue Lage des Herbstanfangs durch das Wechselspielzwischen der tropischen Jahreslänge mit der Einschaltung vonSchalttagen.

3.2 Tagundnachtgleichen

Die Tagundnachtgleichen sind die verkürzt auf den Ka-lendertag angegebenen Zeitpunkte des AstronomischenBeginns von Frühling beziehungsweise Herbst. Auf derNordhalbkugel der Erde beginnt der Frühling im Märzund der Herbst im September. Auf der Südhalbkugel istes jeweils umgekehrt.Die Sonne überquert zur Tagundnachtgleiche denHimmelsäquator, steht also an diesem Tag um denZeitpunkt des Äquinoktiums senkrecht über dem Er-däquator. Tag und Nacht sind dann überall auf derErde ungefähr gleich lang, da eine Hälfte der täglichenSonnenbahn oberhalb (Tagbogen), die andere unterhalbdes Horizonts liegt. Überall auf der Erde geht die Sonnean diesem Tag daher fast genau im Osten auf und imWesten unter (siehe Aufgangspunkt).In der sphärischen Astronomie werden Himmelsobjek-te vereinfacht behandelt und die Ausdehnung der Son-nenscheibe bleibt zunächst unberücksichtigt, ebenso wieatmosphärische Einflüsse. Wegen der atmosphärischenBrechung des Sonnenlichts und der Bezugnahme auf denersten bzw. letzten Sonnenstrahl haben allerdings tatsäch-lich zum Termin einer „Tagundnachtgleiche“ die Zeit-spannen von lichtem Tag und Nacht nicht gleiche Dauer,sondern die Nacht ist um einige Minuten kürzer (sieheunten Equilux).Zwischen den Äquinoktien liegen die Sonnenwenden, al-so die Tage, an denen die Sonne ihren größten Abstandvom Himmelsäquator erreicht und senkrecht über einemder Wendekreise der Erde steht. Die beiden Äquinokti-

Page 3: Äquinoktium

4.2 Frühlingspunkt und Herbstpunkt 3

en und die beiden Sonnenwenden in einem Jahr stellenjeweils den Beginn der astronomischen Jahreszeiten dar.EquiluxMit „Equilux“ wird ein Kalendertag bezeichnet, an demauf der Erdoberfläche bei idealem (mathematischen) Ho-rizont die Belichtungsdauer, gemessen zwischen dem ers-ten Sonnenstrahl morgens und dem letzten Sonnenstrahlabends, genau zwölf Stunden betragen würde; diese De-finition bezieht sich also auf den Rand der Sonnenschei-be, nicht deren Mitte. Das Datum des Equilux fällt da-her nicht auf das Datum eines Äquinoktiums („Equin-ox“), sondern findet im Jahreslauf einige Tage vor demPrimär- bzw. nach dem Sekundäräquinoktium statt. ImGegensatz zu den erdmittelpunktbezogenen und so welt-weit gleichen Äquinoktien hängt das Equilux-Datum dar-über hinaus jeweils vom Breitengrad des Standortes ab.Für den 40. Breitengrad liegt es um den 17. März bzw.den 26. September, für den 5. Breitengrad um den 25.Februar bzw. den 15. Oktober.[3]

Die Sonne geht auf, wenn ihr oberer Rand über derHorizontlinie sichtbar wird, bevor also ihr Mittelpunkterscheint. Der Sonnenuntergang ereignet sich, nachdemder Sonnenscheibenmittelpunkt scheinbar unter den Ho-rizont gesunken ist, wenn der letzte Sonnenstrahl desoberen Sonnenrandes erlischt. Gegenüber einer punkt-förmigen Betrachtung der Sonnenmitte kommt damit jeein halber Durchmesserbogen der Sonne (etwa 0,25°bzw. 16' Bogenminuten) hinzu. Außerdem bewirkt dieLichtbrechung durch die Erdatmosphäre jeweils einescheinbare Anhebung der Sonnenscheibe (um etwa 0,6°bzw. 34'). Diese Verlängerung des lichten Tages auf Kos-ten der Nacht um knapp 7 Minuten (1,7 Winkelgrad × 4Minuten/Winkelgrad) am Äquator (in Mitteleuropa umknapp 11 Minuten) wird bei der Bestimmung des Equi-lux berücksichtigt.

4 Äquinoktium als Koordinaten-nullpunkt

4.1 Wahres Äquinoktium und mittleresÄquinoktium

Die wahren Äquinoktialpunkte sind die tatsächlichenSchnittpunkte des Himmelsäquators mit der Ekliptik:

• der Durchgang durch den Frühlingspunkt definiertden astronomischen Frühlingsanfang;

• der Durchgang durch den Herbstpunkt definiert denastronomischen Herbstanfang.

Die mittleren Äquinoktialpunkte hingegen sind fiktiv. Siesollen nur die langperiodische Bahnbewegung widerspie-geln, weswegen bei ihrer Bestimmung keine kurzfristi-gen Störungen (zum Beispiel Nutation und Aberration)

berücksichtigt werden. Daher können die mittleren Äqui-noktialpunkte von den tatsächlichen ummehrere Stundenabweichen.

• Der mittlere Frühlingspunkt ist der „Widderpunkt“,benannt nach dem Sternbild Widder.

• Der mittlere Herbstpunkt ist der „Waagepunkt“, be-nannt nach dem Sternbild Waage.

Das übliche Symbol für den Widderpunkt, der eine her-ausragende Bedeutung in der Himmelsmechanik hat, istW oder (U+2648). Er ist der Koordinatennullpunkt fürekliptikale Koordinaten und äquatoriale Koordinaten undetliche andere astronomische Grundgrößen. Seine engli-sche Bezeichnung ist first point of Aries.

4.2 Frühlingspunkt und Herbstpunkt

Auch der Frühlings- und der Herbstpunkt selbst, also jenePunkte, auf denen die Sonne zum Zeitpunkt eines Äqui-noktiums (im obigen Sinne) vor dem Fixsternhintergrundsteht, heißen Äquinoktien. In deutlicher unterscheiden-dem Sprachgebrauch werden sie auch als „Äquinoktial-punkte“ bezeichnet.Der Frühlingspunkt (auchWidderpunkt) ist der Punkt aufder imaginären Himmelskugel, bei dem die Sonne auf ih-rer auf diese Kugel projizierten Bahn, der Ekliptik, aufdem Weg von Süden nach Norden den Himmelsäquatordurchschneidet (Rektaszension = 0 h).Dementsprechend ist der Herbstpunkt (auchWaagepunkt) der Punkt auf der imaginären Him-melskugel, bei dem die Sonne auf ihrer auf diese Kugelprojizierten Bahn den Himmelsäquator auf dem Wegvon Norden nach Süden durchschneidet (Rektaszension= 12h).ImWinkel von 90° zum Frühjahrspunkt und Herbstpunktliegen jeweils der Sommerpunkt (Rektaszension = 6 h)und der Winterpunkt (Rektaszension = 18 h), in denendie Sonne bei der Sonnenwende steht.

4.3 Äquinoktiallinie

Die Verbindungslinie zwischen den beiden Positionen derErde zum Zeitpunkt eines Äquinoktiums wird Äquinok-tiallinie genannt. Diese Linie geht also mitten durch dieSonne hindurch, ihre Verlängerung außerhalb der Erd-bahn durch die Äquinoktialpunkte. Sie steht senkrechtauf der Solstitiallinie.

4.4 Frühlingspunkt als Koordinatennull-punkt

Im Zusammenhang mit astronomischen Koordinatensys-temen bezeichnet der Begriff Äquinoktium stets den

Page 4: Äquinoktium

4 4 ÄQUINOKTIUM ALS KOORDINATENNULLPUNKT

Frühlingspunkt, nie den Herbstpunkt. Der Frühlings-punkt dient sowohl für das äquatoriale wie für das eklipti-kale Koordinatensystem als Nullpunkt, von dem aus Rek-taszension bzw. ekliptikale Länge gezählt werden (nachOsten positiv). Der Frühlingspunkt ist zwar kein direktbeobachtbarer und anmessbarer Punkt, aber seine Lagekann stets aus geeigneten Beobachtungen rechnerisch er-mittelt werden.

4.5 Wanderung der Äquinoktialpunkte

Die Gravitationskräfte von Sonne, Mond und den übri-gen Planeten versuchen, den Äquatorwulst der um 23,5°gegen die Ekliptikebene geneigten Erde in diese Ebenezu ziehen und so die Erde bezüglich der Ekliptik „aufzu-richten“. Die Erde richtet sich jedoch nicht auf; vielmehrweicht die Erdachse aufgrund des Trägheitsmomentesunter Beibehaltung ihres Neigungswinkels seitlich aus, sodass die Richtung, in die sie geneigt ist, in etwa 25.800Jahren einmal volle 360° durchläuft. Die senkrecht aufder Erdachse stehende Äquatorebene nimmt an dieserBewegung teil, so dass die Äquinoktialpunkte als Schnitt-punkte von Äquatorebene und Ekliptikebene in 25.800Jahren einmal rund um die Ekliptik laufen. Diese Bewe-gung der Erdachse bzw. der Äquinoktialpunkte wird alsPräzession (lat. „Vorangehen“) bezeichnet.Die Äquinoktialpunkte verschieben sich dabei pro Jahrum etwa 50 Bogensekunden in westlicher Richtung ent-lang der Ekliptik. Dieser Effekt ist so groß, dass er übereinen Beobachtungszeitraum von wenigen Jahrzehntenauffällt, und daher in der Antike schon bekannt war.

Der Präzessionsbewegung überlagern sich zusätzliche

periodische Einflüsse; sie werden verursacht von derSchiefe der Umlaufbahn des Mondes, die um 5° 9'gegen die Ekliptik geneigt ist, der sich kontinuier-lich verschiebenden Knotenlinie der Mondumlaufbahnund periodischen Schwankungen in der Verlagerung derRotationsachse der Erde. Diese verschiedenen periodi-schen Schwankungen, die die Erdachse zusätzlich zurPräzession ausführt, werden in der Astronomie unter demBegriff Nutation zusammengefasst. Die Drift der Äqui-noktialpunkte entlang der Ekliptik erfolgt daher nichtvöllig gleichmäßig, sondern mit periodisch leicht schwan-kender Geschwindigkeit.Anmerkung: Die Straßburger Münsteruhr enthält einTeil, das diese Präzession darstellt.

4.6 Das Äquinoktium von astronomischenKoordinaten

Ekliptikales und äquatoriales Koordinatensystem haben dieÄquinoktien als gemeinsamem Fixpunkt

Die Wanderung der Äquinoktialpunkte hat insbesonderezur Folge, dass die Nullpunkte der oben genannten as-tronomischen Koordinatensysteme nicht im Raum fixiertsind, sondern mit dem Frühlingspunkt langsam entlangder Ekliptik wandern. So nimmt zum Beispiel die eklip-tikale Länge eines Sterns ohne Eigenbewegung in einemJahr um 50 Bogensekunden und in 100 Jahren um 1,4°zu. Die Koordinaten eines Himmelsobjekts ändern sichalso, ohne dass dies einer eigentlichen Bewegung des Ob-jekts entspricht. Bei ihrer Angabe muss deshalb stets derZeitpunkt, also die Lage des Frühlingspunkts, angegebenwerden, auf den sich die Koordinaten beziehen. DieserZeitpunkt (nicht zu verwechseln mit einer der Tagund-nachtgleichen) heißt ebenfalls Äquinoktium und wird alsJahreszahl, gegebenenfalls mit Bruchteil, angegeben. VonBedeutung für Beobachtungen sind die Koordinaten fürdas Äquinoktium des Beobachtungszeitpunkts (zum Bei-

Page 5: Äquinoktium

4.6 Das Äquinoktium von astronomischen Koordinaten 5

spiel 2005.432), das so genannte Äquinoktium des Da-tums.Die Umrechnung von Koordinaten zwischen verschiede-nen Äquinoktien ist eine häufig anzutreffende Aufgabe.

4.6.1 Äquinoktium und Epoche

Nicht mit dem Äquinoktium verwechselt werden darf derBegriff der Epoche. Die Epoche bezeichnet den tatsäch-lichen Zeitpunkt einer Beobachtung oder eines Vorgangs:das Äquinoktium das Koordinatensystem, in dem gemes-sen wird.

4.6.2 Standardäquinoktien

Kataloge von Himmelsobjekten werden in der Regel aufsogenannte Standardäquinoktien bezogen. Das sind Ko-ordinatensysteme, die auf bestimmte Zeitpunkte bezo-gen sind und auch Standardepochen genannt werden. DieZeitpunkte sind zumWechsel jedes 25. Jahres festgelegt.Früher betrug der Zeitunterschied zwischen zwei Stan-dardepochen 25 besselsche Jahre (ca. 9131,055 Tage),heute sind es 25 julianische Jahre (9131,25 Tage). Die-se Standardäquinoktien werden mit einer Jahreszahl undeinem B oder J davor bezeichnet. Dies sind:Beispiel: Der Stern Arktur hat zu verschiedenen Epochendie folgenden auf verschiedene Äquinoktien bezogenenäquatorialen Koordinaten Rektaszension und Deklinati-on:Die Änderung der Koordinaten für verschiedene Epo-chen, aber dasselbe fixe Äquinoktium (J2000.0 oderJ2050.0) spiegelt die Eigenbewegung des Sterns wider.Die Verschiedenheit der Koordinaten für dieselbe Epo-che, aber unterschiedliche Äquinoktien ist auf die Präzes-sion zurückzuführen. Die im Äquinoktium des Datumsgegebenen Koordinaten beinhalten den Einfluss sowohlder Eigenbewegung als auch der Präzession.Für Berechnungen ist es oft vorteilhaft, den periodischenEinfluss der Nutation auf die Bewegung des Äquinokti-ums zu ignorieren und sich auf ein fiktives gleichmäßigbewegtes Äquinoktium zu beziehen (die Nutation mussdann natürlich nachträglich auf die Resultate wieder ad-diert werden). Es handelt sich dann um das mittlere Äqui-noktium, während das wahre Äquinoktium den Einflussder Nutation enthält.

4.6.3 Katalogäquinoktium und dynamisches Äqui-noktium

Die genaue Lage des Äquinoktiums muss ebenso wiedie Lage des Äquators und der Ekliptik durch Beob-achtung bestimmt werden. Dazu wird gelegentlich ge-eignetes Beobachtungsmaterial besonders sorgfältig aus-gewertet. Das Ergebnis ist zum Beispiel ein Sternkata-log, dessen Koordinatenangaben möglichst genau die Po-

sition der Sterne bezüglich des gesuchten Äquinoktiumsangeben. Diese Koordinaten verkörpern das Koordina-tensystem für den praktischen Gebrauch und stellen einFundamentalsystem dar, auf das sich andere Positions-messungen beziehen können. Werden zum Beispiel dieKoordinaten eines Sterns bestimmt, indem sein Abstandvon geeigneten Fundamentalsternen gemessen wird, sobeziehen sich seine gefundenen Koordinaten automa-tisch auf das Äquinoktium des Fundamentalsystems. DasÄquinoktium, das aus Katalogpositionen abgeleitet wird(als Schnittpunkt des Stundenkreises der RektaszensionNull mit dem Äquator), ist das Katalogäquinoktium. Dasvom Fundamentalsystem verkörperte Äquinoktium fälltaufgrund unvermeidlicher Messungenauigkeiten nie völ-lig exakt mit dem tatsächlichen Äquinoktium zusammen.Bei hohen Genauigkeitsansprüchen ist daher der Kataloganzugeben, auf dessen Katalogäquinoktium sich die Mes-sungen beziehen. Wird das Äquinoktium ausschließlichaus Planetenbeobachtungen abgeleitet (der Drehimpuls-vektor der Erdbewegung steht beispielsweise senkrechtauf der Ekliptikebene und erlaubt diese zu bestimmen),so erhält man ein dynamisches Äquinoktium.

4.6.4 Umrechnung von einem Äquinoktium in einanderes

Die folgenden Umrechnungen transformieren äquatoria-le Koordinaten von einem Äquinoktium in ein anderes.Die Eigenbewegung astronomischer Objekte ist nicht be-rücksichtigt. Vorgehensweise:

1. Umrechnen der äquatorialen Koordinaten des bishe-rigen Äquinoktiums in kartesische Koordinaten (ei-ner Einheitskugel).

2. Transformation der kartesischen Koordinaten inkart. Koordinaten des Zieläquinoktiums mit Hilfeeiner Drehmatrix.

3. Umrechnung der transformierten kartesischen Ko-ordinaten in äquatoriale Koordinaten.

Umrechnung äquatoriale Koordinaten in kart. Koor-dinaten Mit Rektaszension α und Deklination δ gilt

für P =

xyz

Drehungen mit Hilfe einer Drehmatrix

P ·M = P ′xyz

·

m11 m12 m13

m21 m22 m23

m31 m32 m33

=

x′

y′

z′

Die Drehmatrix ergibt sich aus der Überlagerung von dreiDrehungen um die mit Polynomen ermittelten Winkel ζ,z und θ[4]:

Page 6: Äquinoktium

6 7 EINZELNACHWEISE

cos(ζ) · cos(Θ) · cos(z)− sin(ζ) · sin(z) − sin(ζ) · cos(Θ) · cos(z)− cos(ζ) · sin(z) − sin(Θ) · cos(z)cos(ζ) · cos(Θ) · sin(z) + sin(ζ) · cos(z) − sin(ζ) · cos(Θ) · sin(z) + cos(ζ) · cos(z) − sin(Θ) · sin(z)

cos(ζ) · sin(Θ) − sin(ζ) · sin(Θ) cos(Θ)

Das bedeutet die Matrixmultiplikation:

x′ = x ·m11 + y ·m12 + z ·m13

y′ = x ·m21 + y ·m22 + z ·m23

z′ = x ·m31 + y ·m32 + z ·m33

Errechnen der äquatorialen Koordinaten des Ziel-äquinoktiums

α′ = sgn(y′) · arccos x′√x′2 + y′2

δ′ = arcsin(z′)

4.6.5 Umrechnungen zwischen Standardäquinokti-en

Für die Standardäquinoktien B1875, B1900, B1950,B1975 und J2000 gelten folgende Matrizen:

4.6.6 Beispiel

Für die Umrechnung von B1950 nach J2000 gelten dieWerte ζ = 1152,4075′′ , z = 1152,750′′ und Θ =1002,2442′′ ; woraus sich die Matrix

0,9999257352 −0,0111761178 −0,00485988340,0111761178 0,9999375449 −0,00002716070,0048598834 −0,0000271560 0,9999881903

ergibt. Das bedeutet für die Matrixmultiplikation:

x′ = x·m11+y·m12+z·m13 = 0,9999257352x−0,0111761178y−0,0048598834z

y′ = x·m21+y·m22+z·m23 = 0,0111761178x+0,9999375449y−0,0000271607z

z′ = x·m31+y·m32+z·m33 = 0,0048598834x−0,0000271560y+0,9999881903z

Für beispielsweise den Himmelspol des ÄquinoktiumsB1950 gilt:

α = 0

δ = +90◦

x = cos(α) · cos(δ) = 0

y = sin(α) · cos(δ) = 0

z = sin(δ) = 1001

·

0,9999257352 −0,0111761178 −0,00485988340,0111761178 0,9999375449 −0,00002716070,0048598834 −0,0000271560 0,9999881903

=

−0,0048619076−0,00002718330,9999881805

und daraus

α′ = 180,320341641◦

δ′ = 89,721427765◦

5 Literatur• Andreas Guthmann: Einführung in die Himmels-mechanik und Ephemeridenrechnung. 2. Auflage,Spectrum, Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0574-2.

• Oliver Montenbruck: Grundlagen Der Ephemer-idenrechnung. 7. Auflage, Spectrum, Heidelberg2009, ISBN 978-3-8274-2291-0.

• Manfred Schneider: Himmelsmechanik, 2. Auflage,Bibliographisches Institut, Mannheim / Wien / Zü-rich 1981, ISBN 3-411-01619-1.

6 Weblinks

Wiktionary: Äquinoktium – Bedeutungserklärun-gen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Commons: Äquinoktium – Sammlung von Bildern,Videos und Audiodateien

Berechnung des Äquinoktium von−4000 bis 2500, Insti-tut de Mecanique Celeste et de Calcul des Ephemerides(IMCCE)

7 Einzelnachweise[1] J. Meeus: Astronomical Algorithms. 27. Kapitel. 2. Aufl.

Willmann-Bell, Richmond 2000. ISBN 0-943396-61-1.

[2] Jahreszeitentabelle des USNO. Aufgerufen 23. September2014.

[3] Equinoxes. usno.navy.mil. Abgerufen am 28. Januar2014.

[4] Jean Meeus, 1991, Astronomical Algorithms, Willmann-Bell, Richmond VA.

Page 7: Äquinoktium

7

8 Text- und Bildquellen, Autoren und Lizenzen

8.1 Text• Äquinoktium Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84quinoktium?oldid=146392614 Autoren: Flups, Wst, Ben-Zin, Unukorno,Fgb, Paul Ebermann, Cymacs, Aka, Rivi, Reinhard Kraasch, VigarLunaris, HenrikHolke, Angie, Aglarech, Hashar, Geof, Zwobot, Wolf-gang1018, Robbot, Karl-Henner, RokerHRO, Hinnerk, Sadduk, Geos, Thuringius, Acf, Uwe5904, °, Martin-vogel, Ot, Solid State, Mo-mo, Uwe Gille, Centic, S.K., Zwoenitzer, Botteler, Mps, Bierdimpfl, Udo T., Thire, Diba, Jergen, Laza, FlaBot, Gerbil, Saperaud, Hu-bertl, Frquadrat, RedBot, Jordi, Helgo BRAN, Calma, Sch, WikiNick, Schweikhardt, Ma-Lik, Str1977, Abubiju, Stepri2003, W!B:, Cho-bot, Ephraim33, Hydro, RobotQuistnix, Lotse, Löschfix, Botulph, MelancholieBot, Ironix, KommX, PortalBot, Jü, Bjs, Janwo, Myko-las OK~dewiki, Logograph, HALsixsixsix, Thornard, Flo422, Cjesch, DuMonde, Sister Ray, Franz Halac, SeL, Secular mind, Marvolo,Spuk968, Thijs!bot, Pyxlyst, Escarbot, HalcyonDays, JAnDbot, Sebbot, Soulbot, Wewoewi, Stefan Neumeier, Don Magnifico, Complex,VolkovBot, Gravitophoton, Lampart, TXiKiBoT, Aibot, Rei-bot, Regi51, Gierczyk, Idioma-bot, ScD, BotMultichill, Strombomboli, Sie-Bot, Loveless, Der.Traeumer, PaterMcFly, Chricho, Frits, NebMaatRe, Nitramtrebla, Alnilam, Pittimann, Christian1985, ToePeu.bot,DragonBot, Alexbot, Sprachpfleger, Moritz Gradmann, Yohohoho!, Raumfahrtingenieur, Sa-se, Analemma, Chari, HerculeBot, Graumull,Luckas-bot, Laufe42, Matthias Hake, Xqbot, ArthurBot, Hin-Tse, 24karamea, SteKrueBe, Gustav Broennimann, Jivee Blau, HRoestBot,Nothere, Troubled asset, PhChAK, Antonsusi, R*elation, EmausBot, Niklas Nüssle, Sprachfreund49, WikitanvirBot, Heljastrom, CocuBot,Dringend, Jmv, Schnabeltassentier, Alfred Kiefer, Myon12 und Anonyme: 97

8.2 Bilder• Datei:AstroDeklinationRektazension-de.jpg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cf/AstroDeklinationRektazension-de.jpg Lizenz: CC-BY-SA-3.0 Autoren: Übertragen aus de.wikipedia nach Commons durch Sa-semithilfe des CommonsHelper. Ursprünglicher Schöpfer: Das Original wurde von Ulrich.fuchs in der Wikipedia auf Deutsch hochgeladen

• Datei:Commons-logo.svg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4a/Commons-logo.svg Lizenz: Public domain Au-toren: This version created by Pumbaa, using a proper partial circle and SVG geometry features. (Former versions used to be slightly warped.)Ursprünglicher Schöpfer: SVG version was created by User:Grunt and cleaned up by 3247, based on the earlier PNG version, created byReidab.

• Datei:Ecliptic.svg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a3/Ecliptic.svg Lizenz: CC BY-SA 3.0 Autoren: Globusvon Globe Atlantic.svg, sonst eigene Arbeit Ursprünglicher Schöpfer: S.fonsi

• Datei:Equinox_path.png Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bd/Equinox_path.png Lizenz: CC-BY-SA-3.0 Au-toren: Eigenes Werk Ursprünglicher Schöpfer: Kevin Heagen

• Datei:Herbstanfang.png Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/a/a2/Herbstanfang.png Lizenz: CC-by-sa 3.0 Autoren:berechnet und geplottet.Ursprünglicher Schöpfer:Frank Klemm

• Datei:Wiktfavicon_en.svg Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c3/Wiktfavicon_en.svg Lizenz: CC BY-SA 3.0Autoren: ? Ursprünglicher Schöpfer: ?

8.3 Inhaltslizenz• Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0