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Forschungsverbund FORKAST Ökosysteme im Wandel 85 18.Jahrgang; Ausgabe 6-2011; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: 5,– aktuell Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Zentrum Wald - Forst - Holz Weihenstephan mit Waldforschung aktuell 44|2011

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Forschungsverbund FORKASTÖkosysteme im Wandel

85

18. Jahrgang; Ausgabe 6-2011; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,–

aktuell

Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaftim Zentrum Wald - Forst - Holz Weihenstephan

mit Waldforschung aktuell 44|2011

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INHALT

Titelseite: Vom Waldboden bis in die Spitzen der Baumkronen bildet der Wald einhochkomplexes, vernetztes Ökosystem. Die Klimaerwärmung stellt den Wald vorgroße Herausforderungen. Forscherteams aus den unterschiedlichsten naturwissen-schaftlichen Disziplinen gehen im Forschungsverbund FORKAST den vielfältigenVeränderungen nach und suchen nach den richtigen Anpassungsstrategien.Foto: K.-H. Häberle, Lehrstuhl für Ökophysiologie der Pflanzen, TU München

Fotos: (v.o.) M. Weiß, T. Bosch, Holzabsatzfonds

In unserer neuen Serie beleuchten wir dievielfältigen Aspekte der Waldnutzung. Dererste Beitrag beschreibt die wichtige Klima-schutzleistung, die mit der nachhaltigenNutzung des Rohstoffes Holz verbunden ist.

Blattaustrieb drei Wochen früher alsnormal und Spätfrost inbegriffen: Daswird in Zukunft nicht mehr so selten sein.Verschieben sich dadurch die ökologi-schen Nischen unserer Waldbäume?

15 Maitriebe im März

40 Kohlenstoffspeicher Wald und Holz

51 Stilllegung vs. Holznutzung

LWF aktuell 85/2011

In Bayern speichern Waldbäume undWaldböden im Durchschnitt fast 300 Ton-nen Kohlenstoff pro Hektar. Die Kohlen-stoffbilanz der bayerischen Forst- undHolzwirtschaft unterstreicht daher ihrenwichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

FORKASTWälder im Klimawandel Camilla Wellstein und Carl Beierkuhnlein 4

Naturwaldreservate im Höhengradient als Indikatoren für den KlimawandelMarkus Blaschke, Johannes Bradtka, Heinz Bußler, Hagen Fischer, Stefan Müller-Kroehling,Helge Walentowski und Anton Fischer 6

Zur Trockenstresstoleranz von Eichen und Buchen Cathrin Meinardus und Achim Bräuning 9

Innerartliche Plastizität und lokale Anpassungen von WaldbäumenJürgen Kreyling, Gerhard Huber, Anke Jentsch, Monika Konnert, Laura Nagy, Daniel Thiel,Camilla Wellstein und Carl Beierkuhnlein 12

Wenn der Maitrieb zum Märztrieb wirdChristoph Schleip, Christine Cornelius und Annette Menzel 15

Ein Dürre-Index für die Forstwirtschaft? Tobias Mette, Thomas Rötzer und Hans Pretzsch 19

Walddynamik im Klimawandel Klara Dolos und Björn Reineking 22

WALDFORSCHUNG AKTUELLDie Buche Bernhard Felbermeier und Reinhard Mosandl 25

Nachrichten und Veranstaltungen 28

WALD-WISSENSCHAFT-PRAXISWKS-Witterungsreport: Sommer mit gemischten GefühlenLothar Zimmermann und Stephan Raspe 30

WKS-Bodenfeuchtemessungen: Nasse Füße und volle GläserStephan Raspe und Winfried Grimmeisen 32

Energiewald unter Dauerbeobachtung Martina Zacios, Jörg Niederberger und Christoph Schulz 34

Mangan-Mangel in Weihnachtsbaumkulturen Jürgen Matschke 37

Wälder und Holzprodukte als Kohlenstoffspeicher Daniel Klein und Christoph Schulz 40

Möglichkeiten und Grenzen der Auswertbarkeit der BWI3 in BayernHans-Joachim Klemmt und Michael Neubert 44

Katastrophe oder Chance? Anton Fischer, Hagen Fischer und Ulrike Lehnert 47

SERIE: NACHHALTIGKEITStilllegung ist nicht nachhaltig Stefan Nüßlein 50

Wald nutzen heißt Klimaschutz maximieren Christoph Schulz und Daniel Klein 51

KURZ & BÜNDIGNachrichten 54

Impressum 55

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3LWF aktuell 85/2011

Liebe Leserinnen und Leser,

EDITORIAL

die Anpassung an die unvermeidlichen, aber dennoch mit großen Ungewiss-heiten versehenen Abläufe des anthropogenen Klimawandels ist eine Aufga-be von gesellschaftlicher Dimension. Insbesondere die indirekten Folgen, wieAuswirkungen für die Funktionalität langlebiger Ökosysteme, sind derzeitnur bedingt abzuschätzen. Dabei sind es gerade solche Ökosysteme wieWäl-der, wo frühzeitig und präventiv gehandelt werden muss. Der Klimawandelstellt auf Grund seiner Geschwindigkeit und Stärke eine immense Heraus-forderung für die begleitende Entwicklung insbesondere von Wäldern dar.Heute schonmüssen Richtungsentscheidungen gefällt werden, um amEndedieses Jahrhunderts noch funktionierende Waldbestände zu gewährleisten.Die Komplexität der Materie erfordert auch eine konzeptionelle Verknüp-

fung verschiedener Ansätze. Neben der Analyse bisheriger Entwicklungenund der Etablierung eines effizientenMonitorings müssen realitätsnaheMo-delle entwickelt werden, die uns verschiedene mögliche Optionen der künf-tigen ökologischen Abläufe und Reaktionen vermitteln. Nur wenn aber die-se beiden Methodologien durch gezielte Experimente ergänzt werden, inwelchen vernünftige, aber nicht bewiesene Hypothesen getestet werden kön-nen, sind tragfähige Befunde zu erwarten. Genau diese Verknüpfung leistetder bayerische Forschungsverbund FORKAST (»Auswirkungen des Klimasauf Ökosysteme und klimatische Anpassungsstrategien«). Dieser Verbundist in seiner Art bislang einzigartig, nicht nur bezüglich der disziplinärenBreite, sondern auch auf Grund seiner expliziten Fokussierung auf künftigeUmsetzungen der Ergebnisse.Im Zuge der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus der Bayerischen

Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, die in diesem Forschungsver-bund ebenfalls mitarbeiten, es hat es sich angeboten, in dieser LWF-aktuell-Ausgabe jene Teilaspekte von FORKAST vorzustellen, die sich explizit aufdie Zukunft der bayerischen Wälder beziehen.

Ihr

Carl Beierkuhnlein(Leiter des ForschungsverbundesFORKAST)

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FORSCHUNGSVERBUND FORKAST

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Wälder im KlimawandelInterdisziplinäre Forschung über ökologische Folgen und Anpassungsoptionen

Camilla Wellstein und Carl Beierkuhnlein

Der bayerische Forschungsverbund FORKAST »Auswirkungen des Klimas auf Ökosysteme und klimatische Anpassungsstrate-gien« untersucht mit einem Schwerpunkt auch Waldbäume und Waldökosysteme. Wälder stellen eine der wichtigsten natürli-chen Ressourcen dar. Sie tragen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, zur Wasserqualität und zur Klimastabilität bei. Die prog-nostizierten Klimaänderungen werden sich nachhaltig auf die Ökologie und die ökosystemaren Dienstleistungen heimischerWälder auswirken. Es zeichnet sich ab, dass diese Veränderungen und vor allem die Reaktionen von Organismen und Öko-systemen eine der größten Herausforderungen für die Entwicklung von Anpassungsstrategien darstellt.

beispielsweise Dürre und Spätfrost. Dabei ist insbesonderedas Potential der innerartlichen phänotypischen und geneti-schen Variabilität von Arten wenig erforscht.

Um bessere Einschätzungen über die Reaktion ausgewähl-ter Artengruppen der Fauna und Flora einschließlich der Pilz-flora zu erhalten, untersucht FORKAST Teilprojekt (TP) 02(Prof. Fischer et al.) anhand von Höhengradienten in natur-nahen Waldökosystemen Zusammenhänge zwischen Mittel-und Extremtemperaturen und ausgewählten Artengruppen.TP 03 (Prof. Bräuning et al.) untersucht für die stärkstenTrockenjahre des 20. Jahrhunderts anhand zeitlich hochauf-lösender Jahrringuntersuchungen, wie lange die Erholungs-reaktion der Waldbaumarten Rotbuche und Traubeneichegedauert haben. TP 01 (Prof. Beierkuhnlein et al.) untersuchtin Klimawandelexperimenten Plastizität und Anpassung ver-schiedener Herkünfte wichtiger Baumarten bezüglich Erwär-mung und klimatischer Extremereignisse. TP 10 (Prof. Men-zel et al.) prüft, wie sich klimatische Extremereignisse auf diePhänologie von Baumarten, beispielsweise deren Austreibenund Blattentfaltung, auswirken.

Ergebnisse zu Artengruppen und Hauptbaumarten

Blaschke et al. (S. 6–8 in diesem Heft) bestätigen den Einflussder Höhenlage auf die Artenzusammensetzung verschiedenerArtengruppen. Für im Holz lebende (xylobionte) Käfer undSchnecken waren Klimaextreme relevant. Die Untersuchun-gen zielen darauf, nachMöglichkeit Klimaschwellenwerte fürArten abzuleiten. Dies ist insbesondere für eineModellierungder Temperaturansprüche forstlich relevanter Schadinsekten(Borkenkäfer) und Pilze (Hallimasch und Feuerschwämme)und somit für Risikoabschätzungen bezüglich der Baumartenwichtig.

Meinardus und Bräuning (S. 9–11 in diesem Heft) berichtenüber Unterschiede in der Erholungsreaktion von Rotbucheund Traubeneiche nach Trockenperioden. Aus den Untersu-chungen soll abgeleitet werden, ob die genannten Baumartenbei einer zu erwartenden höheren Intensität und Frequenz ex-tremer Dürreereignisse langfristige Überlebensperspektiven

Die mitWäldern befassten Forschergruppen in FORKAST ge-nerieren durch disziplinenübergreifende Forschung Wissen,welches angesichts der erwarteten neuartigen Umweltbedin-gungen zeitnah hilft, optimierte Ansätze der Waldgestaltungzu entwickeln. Unsicherheiten bezüglich der ökologischenAuswirkungen des Klimawandels ergeben sich nicht nur ausder Erwärmung, sondern vor allem durch zunehmende Klima-variabilität und -extreme. Einzelne Ereignisse wie die frühenMorgenstunden der Spätfrostnacht am 4. Mai 2011 oder zeit-lich begrenzte Phasen mit außergewöhnlichen Bedingungenwie der von einer extremen Dürre begleitete Hitzesommer imJahr 2003 sind es, die sich ökologisch und teils nachhaltig –leider im negativen Sinne – auswirken. Die Wahrscheinlich-keit solcher Ereignisse nimmt mit dem Klimawandel zu. Essind nun genau solche extremen Bedingungen, die unzurei-chend in den existierenden regionalen Klimamodellen abge-bildet werden. Aus der Vergangenheit können sie nicht abge-leitet werden und sie erst dann zu analysieren, wenn sieaufgetreten sind, ist für eine Anpassung forstwirtschaftlicherStrategien zu spät.

Verbundforschung wird genau dort benötigt, wo komple-xe Systeme nicht hinreichend verstanden werden. Die ökolo-gischen Auswirkungen des Klimawandels sind ein solcher Fall.Ist inzwischen gut bekannt, welche Konsequenzen die Freiset-zung klimawirksamer Gase in die Atmosphäre haben wird, sosind die ökologischen Auswirkungen dieser Entwicklungenkeinesfalls gut einzugrenzen. Genau dies muss aber ermöglichtwerden, wenn den sich abzeichnenden Risiken (und Chancen)begegnet werden soll.

Forschungsbedarf zur Reaktion von Organismen

Wuchsbedingungen werden sich durch ansteigende Tempera-turen, veränderte Niederschlagsmuster und durch erhöhte Kli-mavariabilität innerhalb dieses Jahrhunderts dramatisch ver-ändern. Wie Arten und Bestände der Wälder auf einensolchen Klimawandel reagieren, ist ungewiss. Explizit fehltWissen zum Anpassungspotential von Baumarten an klimati-sche Extremereignisse und deren gegenseitige Verstärkung,

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Die Waldforschung in FORKAST erbringt hier Integrations-leistung: Empirische Daten aus Monitoring und Experimen-ten sowie konzeptionelle Entwicklungen der Teilprojekte ge-hen in die übergreifende Modellierung ein. TP 13 (Prof.Pretzsch et al.) modelliert schwerpunktmäßig Mortalitätspro-zesse und Baumartenveränderungen auf Bestandesebene. TP14 (Prof. Reineking et al.) modelliert Störungsinteraktionenund innerartliche Variabilität. Beide Projekte haben zumZiel,ein besseres Verständnis der Belastbarkeit und Resilienz vonWaldökosystemen unter Klimawandel zu erreichen.

Dolos und Reineking (S. 22–24 in diesem Heft) zeigen einekonzeptionelle Darstellung der Interaktionen der wichtigstenStörungsregime bayerischer Wälder. Insbesondere gehen sieauf die Populationsdynamik des Borkenkäfers und dessen In-teraktionen mit anderen Störungen ein.

Strategien für Anpassungsoptionen

Die Forstwirtschaft unseres Jahrhunderts steht vor der He-rausforderung, trotz verschiedener Entwicklungsoptionen(Szenarien) und entsprechend unterschiedlicher Klimaprog-nosen Entscheidungen für den Wald von morgen treffen zumüssen. Auf Grund dieser prognostischen Unsicherheiten ei-nerseits und dem noch immer geringenWissen zu der Reakti-on von Arten und ihrer lokalen Bestände andererseits ist diesmit Unsicherheit behaftet. Eine verbesserte Einschätzung derReaktion von Organismen (Projektziel von FORKAST) kannOrientierung bieten. Die Ergebnisse von FORKAST belegendas Potential der biologischen und genetischen Vielfalt der Or-ganismen. Es bedarf des Erhalts und der Stärkung dieser Viel-falt, um die Funktionalität von Ökosystemen in einer sich än-dernden Welt zu erhalten. So betrachtet hat auch eineökonomisch leistungsfähige Forstwirtschaft das Potential, mitder Vielfalt ihre eigene Zukunftssicherung zu unterstützen.

Dr. Camilla Wellstein, Lehrstuhl für Biogeografie an der UniversitätBayreuth, ist wissenschaftliche Koordinatorin des Forschungs-verbundes FORKAST. [email protected]. Dr. Carl Beierkuhnlein, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhlsfür Biogeografie, ist Leiter des Forschungsverbundes [email protected]

an stark trockengefährdeten Standorten haben oder ob an ei-nen langfristigen Umbau der Baumartenzusammensetzung ge-dacht werden muss. Die erhobenen Daten gehen weiterhin inWaldwachstumsmodelle anderer Projektpartner ein.

Kreyling et al. (S. 12–14 in diesem Heft) konnten Nachwei-se zur lokalen Anpassung von Baumarten an Extremereignis-se erbringen. Es zeigte sich, dass sich die Dürretoleranz derRotbuche signifikant zwischen verschiedenen europäischenHerkünften unterscheidet. Unterschiede von Herkünften inder Spätfrosttoleranz zeigten sich bei Rotbuche, Schwarz-kiefer und Flaumeiche. Beobachtungenwährend des Spätfrost-ereignisses imMai 2011 weisen darüber hinaus auf die Bedeu-tung des »timings«, insbesondere der Blatt-Phänologie, imZusammenhang mit auftretenden Extremereignissen hin.Dass mit solchen Verschiebungen im »timing« in Zukunft häu-figer gerechnet werden muss, belegen Schleip et al. (S. 15–18 indiesem Heft). Extrem warme Frühjahrstemperaturen führenzu einem verfrühten Blattaustrieb. Dies wiederum erhöht dasRisiko von Spätfrostschäden.

Standards zur Einschätzung von Klimaextremenfehlen

Änderungen der klimatischen Bedingungen eines Standorts,vor allem jedoch Veränderungen von klimatischen Extrem-ereignissen, wirken sich auf Bestandesstrukturen und Verjün-gung von Wäldern aus und beeinträchtigen so deren Produk-tivität und ökologische Serviceleistungen. InsbesondereExtremereignisse, wobei deren Häufigkeit, Dauer und Inten-sität entscheidend sind, bestimmen wesentlich Struktur undMortalität in Waldökosystemen. Generell lässt sich feststel-len, dass Standards zur Einschätzung relevanter klimatischerExtreme in der Forstwirtschaft fehlen.Mette et al. (S. 19–21 indiesem Heft) prüfen die Anwendbarkeit der wichtigsten der-zeit verwendeten Dürreindizes und schaffen damit eineGrundlage für zukünftige Entwicklungen zur Beurteilung desDürrestresses von Wäldern.

Modellierung benötigt konzeptionellenund empirischen Input

Die prozessbasierte Modellierung kann insbesondere auf Be-standes- und Landschaftsebene das Verständnis von Klimafol-gen inWaldökosystemen verbessern. Extremereignisse wirkendirekt als Störungsregime aufWälder, zumBeispielWindwurfoder Dürren; indirekt können sie weitere Störungen wie zumBeispiel Borkenkäferkalamitäten begünstigen. Daher sollte diekonzeptionelle Einbindung komplexer Prozess-Interaktionenwie beispielsweise Dürre und Borkenkäferkalamitäten inWaldmodelle erfolgen. Weiterhin wird ebenso wie in der or-ganismischen Forschung zunehmend dieWichtigkeit innerart-licher Variabilität erkannt. Innerhalb einer Baumart könnenIndividuen und Populationen beispielsweise unterschiedlicheDürretoleranz aufweisen.

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Die Ergebnisse der nachfolgendenBeiträge sind im Rahmen von Teil-projekten innerhalb des Forschungs-verbundes FORKAST entstanden. Der ForschungsverbundFORKAST »Auswirkungen des Klimas auf Ökosysteme undklimatische Anpassungsstrategien« wird aus Mitteln desKlimaprogramms Bayern 2020 finanziert.Weitere Informationen unter:http://www.bayceer.uni-bayreuth.de/forkast/

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Naturwaldreservate im Höhengradientals Indikatoren für den KlimawandelAnalyse zahlreicher Artengruppen im Bayerischen Wald

Markus Blaschke, Johannes Bradtka, Heinz Bußler, Hagen Fischer, Stefan Müller-Kroehling, Helge Walentowski und Anton Fischer

Der Einfluss des Klimas auf die Biodiversität ist denMenschenmindestens seit den Reisen des Alexander von Humboldt bekannt.Doch nirgendwo sonst kann man auf kurzer Distanz denWechsel des Klimas und der Vegetation so erleben wie im Gebirge. DieUntersuchungen entlang eines über 1.000 Höhenmetern umfassenden Höhengradienten belegen die große Bedeutung vonHöhenlage und Temperatur für die Zusammensetzung verschiedener Artengruppen. Die Klimaerwärmungwird vor allem für diein den höheren Lagen lebenden Arten eine ernste Bedrohung sein.

raus ergaben sich insgesamt 48 Probeflächen, die sich wie aneiner Perlenschnur über die Höhenstufen des BayerischenWaldes von 325 bis 1.410 Meter ü. NN aufreihen.

An jedem der 48 Punkte wurden neben einer Inventur deslebenden Baumbestandes und des Totholzes mit einer jeweilsangepasstenMethode die Arten aus den sieben ArtengruppenVegetation, Flechten, holzbesiedelnde Pilze, Vögel, Schnecken,holzbesiedelnde Käfer und Laufkäfer erfasst. Zudem wurdenfür jeden Punkt zahlreiche abiotische Parameter erhoben. Ne-ben den Bodenparametern konnten an zehn Probeflächen dieWitterungsdaten Temperatur und Luftfeuchtemit eigenenDa-tenloggern gemessen sowie für alle Punkte verschiedene Kli-madaten aus einemModell berechnet werden. Aus den Klima-daten wiederum konnten für alle Punkte zu erwartendeExtremereignisse abgeschätzt werden, so zum Beispiel diehöchste und niedrigste Tagesmitteltemperatur, der maximaleTagesniederschlag und die längsten zu erwartenden Trocken-perioden innerhalb von 100 Jahren.

Angeregt durch einen bereits auf vier Transekten angelegtenHöhengradienten im Nationalpark Bayerischer Wald (Bässler2009)waren das Fachgebiet Geobotanik der Technischen Uni-versität München und die Bayerische Landesanstalt fürWaldund Forstwirtschaft bestrebt, einen ergänzenden Höhengra-dienten in Naturwaldreservaten anzulegen, der den bestehen-den Gradienten insbesondere in den Höhenlagen von 300 bis650 Metern ü. NN ergänzt sowie in höheren Lagen nördlichdes Nationalparks im Bereich des Arbers abbildet.

Acht Naturwaldreservate decken den Höhengradien-ten im Bayerischen Wald ab

Aus dem vorhandenen Pool der Naturwaldreservate im Baye-rischenWald und im angrenzenden Neuburger Wald wurdenacht Naturwaldreservate ausgewählt, um möglichst alle Hö-henstufen von den Ufern an Donau und Inn bis zu den Hoch-lagen des Bayerischen Waldes am Arber-Gipfel abzudecken(Tabelle 1). In jedem der Reservate wurden, angelehnt an dieInventurpunkte der Forsteinrichtung, sechs Probeflächennach einem Zufallsprinzip ausgewählt, von denen je zwei denunteren Bereich des Reservats, zwei denmittleren Bereich undzwei den obersten Bereich des Reservates repräsentieren. Da-

Temperaturverlauf20

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1971 – 20002009

Leitenwies Seeloch1971 – 20002009

Abbildung 1: Jährlicher Temperaturverlauf auf zwei Beispielsflächenim Höhengradienten aus dem Jahr 2009 und dem langjährigen Mit-tel von 1971 bis 2000

Naturwald-reservat

Kurzbeschreibung Höhe[m ü. NN]

Hecke Edellaubbaumreiche Buchenwälder mit Fichte 310 – 405

Leitenwies Buchen- und Stieleichenwald mit Fichte 370 – 420

Frauenberg Edellaubbaumreiche Buchenwälder mit Fichte 460 – 650

Rehberg Fichten-Tannen-Buchenwälder 510 – 620

Rusler Wald Fichten-Tannen-Buchenwälder auf Blockhalde 700 – 820

Rießloch Bergmischwald 775 – 1.035

Seeloch Hochlagen-Fichtenwald u. Bergmischwald (NNO) 915 – 1.430

Grübel Hochlagen-Fichtenwald (SSO) 1.170–1.260

Tabelle 1: Die Naturwaldreservate im Höhengradienten

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Buche, Tanne und Fichte prägen die Naturwald-reservate

Die Baumartenzusammensetzungen auf den Probekreisen bil-den die zu erwartenden natürlichenWaldgesellschaften in derRegion sehr gut ab. So stellen in den tiefen Lagen buchendo-minierte Laubmischwälder mit unterschiedlichen Baumarten-anteilen die Wälder, während die mittleren Lagen von Berg-mischwäldern mit Buche, Tanne und Fichte geprägt werden.In den Hochlagen über 1.100 Metern ü. NN bestimmenschließlich die Fichten das Bild (Abbildung 4).

Die Meereshöhe bestimmt die Temperatur,diese die Artenzusammensetzung

Die Artenzahlen der einzelnen Artengruppen (Tabelle 2) ver-halten sich entlang des Höhengradienten ganz unterschied-lich. Während wir bei den Schnecken und den holzbesiedeln-den Pilzen eine deutliche Abnahme der Artenzahlen mit derHöhe aufzeigen konnten, nahm die Artenzahl bei den Flech-ten wie zu erwarten mit der Höhe zu. Bei den anderen Arten-gruppen waren keine so deutlich ausgeprägten Tendenzen zu

Ein kalter Winter und warme Frühjahrs-und Herbstmonate

Die Jahresverläufe derMonatsdurchschnittstemperaturen fürdie beidenNaturwaldreservate Leitenwies und Seeloch zeigenbeispielhaft, dass die ersten drei Wintermonate des Untersu-chungsjahres 2009 kälter waren als der Durchschnitt der Jah-re 1971 bis 2000 (Abbildung 1). Der April sowie die MonateAugust, September und November lagen dagegen deutlichüber dem langfristigen Mittelwert. Dies macht deutlich, dassauch in Zukunft über längere Zeiträume erhebliche Abwei-chungen von den Mittelwerten zu erwarten sind.

Ein Vergleich der Tagesdurchschnittstemperaturen in denZeiten der Schneeschmelze verdeutlicht, wie die Schneedeckedie Erwärmung der Lufttemperatur verzögert. Hier ist in Zei-ten des Klimawandels zu vermuten, dass dieser Puffer zukünf-tig verloren geht und somit die Erwärmung in den Hochlagennochmals beschleunigt wird.

Klimaextreme und Höhenverbreitung

Die zu erwartenden 100-jährigen Extremwerte für die maxi-male und minimale Tagestemperatur auf den einzelnen Flä-chen zeigen in Abhängigkeit zur Höhenlage eine flachere Ver-teilung als die durchschnittliche Tagestemperatur (Abbildung2). Die Extremwerte im Höhengradienten sind im Vergleichzu den Durchschnittstemperaturen deutlich nivelliert.

Bei denmaximalen Dürrezeiten zeigt sich ein zweistufigesBild. Während im Bereich des Tieflands und des VorderenBayerischenWaldes überall eine Länge von etwa 35 Tagen fürdie längste zu erwartendenDürreperiode abgeschätzt werdenkonnte, sinkt diese Zeitspanne erst in höheren Lagen des In-neren Bayerischen Waldes auf etwa 25 Tage (Abbildung 3).Unter einer Dürreperiode versteht man das Aufeinanderfol-gen von Tagenmit weniger als einemMillimeter Niederschlag.

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Temperaturreihen entlang des Höhengradienten30

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ProbeflächenErwarteter wärmster Tag einer 100-jährigen PeriodeJahresdurchschnittstemperatur (1971 – 2000)Erwarteter kältester Tag einer 100-jährigen PeriodeMeereshöhe der Probeflächen

Abbildung 2: Temperaturreihen entlang des Höhengradienten

Länge und Anzahl von Dürreereignissen80

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ProbeflächenLängste zu erwartende Dürreperiode in 100 JahrenDauer aller Trockenperioden pro Jahr (1971–2000)Meereshöhe

Abbildung 3: Dürreereignisse entlang des Höhengradienten

Artengruppe Artenzahl Bestimmungsproben

Gefäßpflanzen 90 699

Flechten 79 483

Vögel 55 545

Schnecken 46 460

Laufkäfer 40 465

Xylobionte Käfer 170 570

Holzpilze 265 1.632

Tabelle 2: Artenanzahl in den einzelnen Artengruppen

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haft der AlpenlattichHomogyne alpina, das Berg-Alpenglöck-chen Soldanella montana, der Dünne Feuerschwamm Phelli-nus viticola und der Wald-Großlaufkäfer Carabus silvestrisidentifiziert werden. Auch die Blattflechte Parmeliopsis hyper-opta, eine typische Vertreterin der Hochlagenwälder der Mit-telgebirge, scheint dem Klimawandel zum Opfer zu fallen.

Literatur

Bässler, C.; Förster, B.; Moning, C.; Müller, J. (2009): The BIOKLIM Pro-jekt: Biodiversity Research between Climate Change and Wilding in atemperate montane forest – The conceptual framework.Waldökologie,Landschaftsforschung und Naturschutz, 7: S. 21–34

Fischer, A.; Blaschke, M.; Bässler, C. (2011): Altitudinal gradients in bio-diversity research:the state of the art and future perspectives under cli-mate change aspects.Waldökologie, Landschaftsforschung und Natur-schutz, in Druck

Müller-Kroehling, S.; Walentowski, H.; Bußler, H.; Kölling, C. (2009):Na-türliche Fichtenwälder im Klimawandel – hochgradig gefährdete Öko-systeme. LWFWissen 63: S. 70–85

Markus Blaschke, Heinz Bußler, Stefan Müller-Kroehling und Dr.Helge Walentowski sind Mitarbeiter der Abteilung »Biodiversität,Naturschutz und Jagd« der Bayerischen Landesanstalt für Waldund Forstwirtschaft. Johannes Bradtka ist Revierleiter beim Amtfür Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Weiden und als Flech-tenspezialist tätig. Dr. Hagen Fischer ist Mitarbeiter und Prof.Dr. Anton Fischer ist Leiter des Fachbereichs »Geobotanik« ander TU München.Korrespondierender Autor: [email protected]

erkennen. Insgesamt konnte über die hier beobachteten Ar-tengruppen eine ausgeglichene Artenzahl über alle Höhenstu-fen festgestellt werden.

Mit Hilfe des statistischenOrdinationsverfahrens der DCA(Detrended Correspondence Analysis)wurde versucht, die Pa-rameter für die Artenzusammensetzung der einzelnen Arten-gruppen zu identifizieren. Dabei zeigen sich über alle Arten-gruppen regelmäßig die Meereshöhe und dazu entsprechenddie Jahresmitteltemperatur als die entscheidenden Faktoren.Zahlreiche weitere Faktoren schließen sich allerdings daranan. So spiegeln sich zum Beispiel auch die Baumartenzusam-mensetzungen in diesemGradienten wieder. Dies gilt auch fürdie zu erwartenden klimatischen Extremereignisse, wie diesbeispielhaft die Schnecken zeigen (Abbildung 5).

Folgen für die Artenausstattungenim Bayerischen Wald

Forschungen zu Höhengradienten nehmen weltweit im Rah-men der Klimafolgenforschung immer breiteren Raum ein (Fi-scher et al. 2011). Unsere Untersuchung macht dabei noch ein-mal deutlich, dass die Artenzusammensetzung in denverschiedenenHöhenstufen stark von der Höhenlage und denentsprechenden Temperaturverhältnissen abhängt. Darauslässt sich schließen, dass wegen der zu erwartenden Klima-und insbesondere auch Temperaturveränderungen auch dieArtenzusammensetzungen in allen Höhenlagen Veränderun-gen unterliegen werden. Während für die unteren und mittle-ren Lagen zu erwarten ist, dass es im Wesentlichen zu einerHöhenverschiebung kommen wird, sind die Arten, die insbe-sondere an den Fichtenhochlagenwald angepasst sind, massivbedroht (Müller-Kroehling et al. 2009). In diesen Regionen ist inZukunft mit den größten Veränderungen zu rechnen. Auf un-seren Flächen konnten als typische Arten dieser Zone beispiel-

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Baumarten auf den Probeflächen80

70

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ProbeflächenBuche

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Abbildung 4: Baumartenverteilung auf den Probeflächen in achtNaturwaldreservaten entlang des Höhengradienten

Schnecken und Klima-Extremwerte

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Eigenwert 1. Achse = 0,4283

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a: Meereshöheb: 100-jähriges

Niederschlagsextremc: Jahresniederschlag

d: 100-jähriges Dürreextreme: Jahresdurchschnittstemperaturf: 100-jähriges Extrem der

Tageshöchsttemperatur

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Abbildung 5: Die Ordinationstechnik der DCA zeigt, dass Meeres-höhe und Jahresdurchschnittstemperatur die wichtigsten Faktorenfür die Artenzönosen auf den Probekreisen des Höhengradientensind.

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FORSCHUNGSVERBUND FORKAST

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Fragestellung FORKAST – Teilprojekt 03

Noch ist ungewiss, wie dieWälder bzw. Baumarten im Einzel-nen auf die sich verändernden Klimabedingungen und derenFolgen reagieren werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dassdie häufigeren Trockenstressbedingungen die Vitalität, die Sta-bilität sowie die Produktivität derWälder beeinträchtigen wer-den. Bewirtschaftungskonzepte sowie dieWahl derNutzbaum-artenmüssen überdacht und gegebenenfalls angepasst werden(Sutmöller et al. 2008).

Das Teilprojekt 03 »Kurzfristige Auswirkungen und lang-fristige Konsequenzen klimatischer Extremjahre auf Wald-ökosysteme Nordbayerns« des FORKAST-Forschungsverbun-des setzt an dieser Problematik an. Auf neun klimatischenbzw. edaphischen Trockenstandorten in Nordbayern (Abbil-dung 1, Tabelle 1) werden die Auswirkungen extremerDürreereignisse des letzten Jahrhunderts auf die beiden wich-tigenWaldbaumarten Rotbuche (Fagus sylvatica) und Trauben-eiche (Quercus petraea) dendrochronologisch untersucht.

Zur Trockenstresstoleranz von Eichenund BuchenErholungsreaktionen der Rotbuche und der Traubeneiche nach Dürrejahren

Cathrin Meinardus und Achim Bräuning

Die prognostizierten Klimaänderungen führen vermutlich in Zentraleuropa unter anderem zu einer höheren Frequenz und In-tensität von Dürreereignissen. Solche Trockenjahre werden sich in starkemMaße auch auf die heimischenWälder, ihre Artenzu-sammensetzung und ihre Bewirtschaftungsweise auswirken. Das Teilprojekt 03 des FORKAST-Forschungsverbundes geht mitHilfe dendroökologischer Untersuchungen der Frage nach, wie viel Zeit die beidenWaldbaumarten Rotbuche und Traubeneichein der Vergangenheit benötigt haben, um sich von extremen Trockenjahren zu erholen. Ziel ist es, besser abschätzen zu können,wie trockenstresstolerant diese beiden Baumarten in Zukunft sein werden.

Prognosen zufolge werden die Temperaturen in Zentraleuro-pa im Verlauf dieses Jahrhunderts weiter ansteigen (Christen-sen et al. 2007). Das A1B-Klimaszenario erwartet, dass die Tem-peraturen in den Sommermonaten in Süddeutschland bisEnde dieses Jahrhunderts um 2,4 °C zunehmen (Rennenberg etal. 2004). Bezüglich der Niederschläge wird für Süddeutsch-land damit gerechnet, dass die gemittelte Jahres-Niederschlags-menge entgegen dem globalen Trend um bis zu 15 Prozent ab-nehmen wird (Rennenberg et al. 2004). Außerdem wird es zueiner deutlichen Änderung der saisonalen Verteilung der Nie-derschläge kommen. In Zentraleuropa ist mit einer ZunahmederWinterniederschläge und einer Abnahme der Sommernie-derschläge zu rechnen.Man geht davon aus, dass die Sommer-monate in Süddeutschland sowohl wärmer als auch trockenerwerden, wohingegen im Frühjahr ein Überschuss an Wasservorhanden sein wird (Christensen et al. 2007; Rennenberg et al.2004; Sutmöller et al. 2008).

Weiter werden die Häufigkeit und die Intensität klimati-scher Extremereignisse ansteigen. Dazu zählen Stürme undStarkregenereignisse ebenso wie Trockenperioden im Sommer(Christensen et al. 2007; Rennenberg et al. 2004; Sutmöller et al.2008). In Zentraleuropa werden zukünftig vermehrt Sommer-dürren auftreten, wodurch dieWälder zunehmend häufigeremTrockenstress während der Vegetationsperiode ausgesetzt seinwerden (Christensen et al. 2007; Sutmöller et al. 2008). Für Wäl-der spielt auch der Bodenwassergehalt eine entscheidende Rol-le, denn die erwarteten Temperatur- undNiederschlagsregimewerden diesen (und damit die Wasserverfügbarkeit für dieBäume) maßgeblich beeinflussen. Modellen zufolge wird dieKombination von höheren Temperaturen und abnehmendenSommerniederschlägen zu einemRückgang des Bodenwasser-gehalts von mehr als 50 Prozent führen (gemittelt über Süd-deutschland) (Rennenberg et al. 2004). Auch Kölling und Falk(2010) schätzen, dass sich im Zuge des Klimawandels der An-teil der günstigen Wasserhaushaltsstufen in Bayern von über70 Prozent (2000) auf unter 40 Prozent (2100) verringern wird.Gleichzeitig wird der Anteil der als trocken eingestuften Stand-orte von vier Prozent (2000) auf 28 Prozent (2100) erheblichansteigen (Szenario B1, WETTREG-Regionalisierung).

Schweinfurt

Schweinfurt

Markt ZellingenEbrach Bamberg

GeisfeldGroßer Schirm

GeisfeldOttobrunnen

Bayreuth

HiltpoltsteinErlangen

Fürth NürnbergMarkt Erlbach

Waldbrunn

RimparWürzburg

Untersuchungs-standorte

Abbildung 1: Lage der Untersuchungsflächen in Nordbayern

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•Jahrringbreite•maximale Spätholzdichte•quantitative holzanatomische Merkmale wie zum Beispieldie Gefäßfläche pro Jahrring

•Variationen der KohlenstoffisotopeDie beiden letztgenanntenMethoden werden sowohl in annu-eller als auch in intra-annueller Auflösung untersucht, um dieErholungsreaktion nach einem Extremjahr zeitlich besser auf-lösen zu können. Ergänzend werden an den Untersuchungs-standorten Bodenanalysen durchgeführt, um denWasserhaus-halt der Böden beziehungsweise den Trockenstress derPflanzen einschätzen zu können.

Erholungsreaktionen von Buche und Eiche

Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse einer so genannten Superpo-sed Epoch Analysis (Bunn 2008) am Beispiel des Untersu-chungsstandorts Zellingen. Diese Methode macht den durch-schnittlichen Zuwachsverlauf vor, während und nachExtremjahren sichtbar. Die Buchen reagierten hier in denstärksten Dürrejahren (acht Ereignisse) mit einem signifikan-tenWachstumseinbruch im Ereignisjahr (Jahr 0), der auch imFolgejahr (Jahr 1) noch anhielt. Erst im zweiten Jahr (Jahr 2)nach demDürreereignis wurde das ursprünglicheWachstums-niveau wieder erreicht und die Erholungsreaktion beendet.Die Eiche hingegen zeigt im Ereignisjahr nur eine geringe Ab-nahme der Jahrringbreite (Lasermann und Bräuning 2011).

Das Anpassungspotential der Buche wird seit einiger Zeit kon-trovers diskutiert (für weiterführende Literatur sei hier aufAngaben in Sutmöller et al. 2008 verwiesen).

Klimatische Extremereignisse wie Trockenjahre spiegelnsich in den Jahrringmustern häufig als abrupte Zuwachsein-brüche wider, die noch über mehrere Folgejahre andauernkönnen und von denen sich die Bäume erst wieder erholenmüssen (Schweingruber 2001). Da die Frequenz und IntensitätvonDürreereignissen ansteigen sollen, stellt sich die Frage, obBuche und Eiche unter den sich zukünftig verändernden kli-matischen Bedingungen noch an trockenheitsgefährdetenStandorten wachsen können oder ob die Zeitspanne zwischenzwei Dürreereignissen zu kurz ist, als dass sich die Bäume in-nerhalb dieser Phase erholen können. Ziel ist es daher, zu un-tersuchen wie lange die Erholungsreaktionen von Rotbucheund Traubeneiche nach den stärksten Trockenjahren des letz-ten Jahrhunderts gedauert haben, beziehungsweise wie vielZeit die beiden Baumarten benötigt haben, um ihr ursprüng-liches Wachstumsniveau wieder zu erreichen.

Methodik

Die Variabilität verschiedener Holzparameter kann die Reak-tion der Bäume auf diverse klimatische Variablen widerspie-geln (Skomarkova et al. 2006). Um die verschiedenen, im Holzgespeicherten Informationen zugänglich zu machen, unter-sucht das Teilprojekt 03 eine Kombination ausmehrerenHolz-parametern:

10

Standort Höhe ü. NN Geologie Baumarten

Mark Zellingen ca. 310 m ObererMuschelkalk

Rotbuche,Traubeneiche

Waldbrunn ca. 365 m ObererMuschelkalk,Unterer Keuper

Rotbuche,Traubeneiche

Schweinfurt ca. 420 m UntererKeuper

Rotbuche,Traubeneiche

Ebrach ca. 455 m Sandstein-keuper

Rotbuche,Traubeneiche

Markt Erlbach ca. 470 m Sandstein-keuper

Rotbuche,Traubeneiche

Geisfeld(Großer Schirm)

ca. 390 m Dogger(Brauner Jura)

Rotbuche,Traubeneiche

Geisfeld(Ottobrunnen)

ca. 560 m Malm(Weißer Jura)

Rotbuche

Hiltpoltstein ca. 580 m Malm(Weißer Jura)

Rotbuche

Rimpar ca. 300 m ObererMuschelkalk,Unterer Keuper

Traubeneiche

Tabelle 1: Standorte und untersuchte Baumarten

Quellen: Bayerisches Geologisches Landesamt 1964;Bayerisches Landesamt für Umwelt 2011

Zuwachsreaktionen von Buche und Eiche1,2

1

0,8

0,6

0,4

0,2

0

Jah

rrin

gbre

iten

ind

ex

Jahr

Rotbuche

* *

Traubeneiche

Jahr

–5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 –5 –4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5

Abbildung 2: Superposed Epoch Analysis der acht extremstenDürrejahre für Rotbuche und Traubeneiche (*: signifikante Wertefür p<0,05) (nach Lasermann und Bräuning 2011, verändert)

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Lasermann, B.; Bräuning, A. (2011): Themanifestation of drought eventsin tree rings of beech and oak in northern Bavaria (Germany). TRACE,Volume 9, S. 42–47

Rennenberg, H.; Seiler, W.; Matyssek, R.; Gessler, A.; Kreuzwieser, J.(2004):Die Buche (Fagus sylvatica L.) einWaldbaum ohne Zukunft imsüdlichen Mitteleuropa? Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung, 175. Jg.,S. 210–224

Schweingruber, F. H. (2001): Dendroökologische Holzanatomie. VerlagPaul Haupt, Bern, 472 S.

Skomarkova, M. V.; Vaganov, E. A.; Mund, M.; Knohl, A.; Linke, P.; Bo-erner, A.; Schulze, E.-D. (2006): Inter-annual and seasonal variability ofradial growth, wood density and carbon isotope ratios in tree rings ofbeech (Fagus sylvatica) growing in Germany and Italy. Trees 20, S.571–586

Sutmöller, J.; Spellmann, H.; Fiebiger, C.; Albert, M. (2008):Der Klima-wandel und seine Auswirkungen auf die Buchenwälder in Deutschland.Beiträge aus der NW-FVA, Band 3, S. 135–158

Prof. Dr. Achim Bräuning ist Inhaber des Lehrstuhls für PhysischeGeographie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn-berg und Projektleiter des FORKAST-Projekts [email protected]. Geogr. Cathrin Meinardus ist Doktorandin an der FAUErlangen-Nürnberg und Mitarbeiterin im FORKAST-Projekt [email protected]

Abbildung 3 veranschaulicht die Reaktionen der beiden Baum-arten auf das Trockenjahr 1976, welches sich sowohl in denJahrringbreiten der Buche als auch der Eiche als negativesWei-serjahr widerspiegelt (Lasermann und Bräuning 2011). Währendbei der Buche das Ereignisjahr sowie das Folgejahr durch sehrschmale Jahrringe geprägt sind, bildete die Eiche bereits imFolgejahr wieder einen breiteren Jahrring aus.

Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die un-tersuchten Buchen auf Dürrejahre sensitiver reagieren als dieEichen, die sich nach extremen Dürrejahren deutlich schnel-ler zu erholen scheinen. Inwieweit diese vorläufigen Ergebnis-se räumlich repräsentativ sind und ob diese Befunde bereitsetwas über die Zukunftsaussichten der Buche an Trocken-standorten aussagen, sollen die noch ausstehenden Isotopen-analysen und die Netzwerkanalysen über den gesamten Un-tersuchungsraum zeigen.

Literatur

Bayerisches Geologisches Landesamt (Hrsg.) (1964): Geologische Kar-te von Bayern 1:500 000. 2. Auflage. München

Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2011):GeoFachdatenAtlas(Bodeninformationssystem Bayern). http://www.bis.bayern.de/bis/(aufgerufen am 16.08.2011)

Bunn, A.G. (2008): A Dendrochronology Program Library in R (dplR).Dendrochronologia 26, S. 115–124

Christensen, J.H.; Hewitson, B.; Busuioc, A.; Chen, A.; Gao, X.; Held, I.;Jones, R.; Kolli, R.K.; Kwon, W.-T.; Laprise, R.; Magaña Rueda, V.; L. Me-arns; Menéndez, C.G.; Räisänen, J.; Rinke, A.; Sarr, A.; Whetton, P.(2007): Regional Climate Projections. In: Solomon, S.; Qin, D.; Manning,M.; Chen, Z.; Marquis, M.; Averyt, K.B.; Tignor, M.; Miller, H.L. (Hrsg.):Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution ofWorkingGroup I to the FourthAssessment Report of the Intergovernmental Panel onClimate Change. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdomand New York, NY, USA

Kölling, C.; Falk, W. (2010): Heute reichlich, morgen knapp: Wasser imWald. LWF aktuell 78, S. 15–17

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Rotbuche

1975

1974 1975 1976 1977 1978

1976 1977 1978 1979

1 mm

Traubeneiche

Abbildung 3: Vergleich der Erholungsreaktion von Rotbuche undTraubeneiche nach dem Trockenjahr 1976 (Standort Waldbrunn)

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LWF aktuell 85/201112

Innerartliche Plastizität und lokaleAnpassungen vonWaldbäumenDie innerartliche Vielfalt ist ein Schlüsselkriterium für eine erfolgreiche Klimaanpassung

Jürgen Kreyling, Gerhard Huber, Anke Jentsch, Monika Konnert, Laura Nagy, Daniel Thiel, Camilla Wellstein und Carl Beierkuhnlein

Der Klimawandel wird die Wuchsbedingungen für Waldbäume nachhaltig verändern. Besonders in der Forstwirtschaft müssenbei Umtriebszeiten von circa 100 Jahren schon jetzt die Weichen für stabile und ertragreiche Waldökosysteme der Zukunft ge-stellt werden. Bäume, die heute gepflanzt werden, werden auf Grund ihrer Langlebigkeit den veränderten Klimabedingungenbis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts ausgesetzt sein. Dabei sind veränderte Durchschnittsbedingungen wie graduelleErwärmung nur ein Aspekt, mindestens ebenso wichtig ist die Rolle klimatischer Extremereignisse wie Dürre oder Frost. DasFORKAST-Teilprojekt 01 untersucht in Experimenten die Plastizität und Anpassung verschiedener Herkünfte wichtiger Baum-arten unter klimatischen Extremereignissen.

Rotbuche

Die Rotbuche wurde ausgewählt, weil sie die heimischen Laub-mischwälder natürlicherweise dominiert und dort auch für dieGewährleistung von Ökosystemfunktionen wie Biomasseer-trag oder Artenvielfalt maßgeblich verantwortlich ist. Mit Hil-fe regionaler Klimamodelle (z.B. REMO, UBA (2006)) wurdenkünftig erwartete Klimabedingungen für Nordostbayern er-mittelt und europäische Regionen identifiziert, welche schonheute solche Bedingungen aufweisen (Abbildung 1). Aus die-sen Regionenwurden anschließend Rotbuchen akquiriert undinnerhalb des Experiments erwarteten klimatischen Bedin-

Die Annahme, dass die Toleranz vonWaldbäumen gegenüberden künftig erwarteten Klimabedingungen auf Grund ihrergegenwärtigen Verbreitung beurteilt werden könnte, ignoriertdie genetischen Unterschiede innerhalb ihrer Verbreitungs-gebiete (also Genotypen bzw. Ökotypen). Herkunftsversuchehaben in der Forstwirtschaft eine lange Tradition und konn-ten zeigen, dass Populationen beziehungsweise geographischeHerkünfte an das lokale Klima angepasst sind und sich somitvoneinander unterscheiden. Es muss aber heute bekannt sein,welche Arten und welche Herkünfte dieser Arten den künfti-gen Bedingungen an einem Standort gewachsen sein werden,um gegen Ende des 21. Jahrhunderts stabile und ertragreicheWälder zu formen (Konnert 2007; Kölling et al. 2008).

In dem Experiment »Plastizität und Anpassung verschie-dener Herkünfte langlebiger Schlüsselpflanzenarten bezüglichklimatischer Extremereignisse«, welches Teil des Forschungs-verbundes FORKAST ist, arbeiten der Lehrstuhl für Biogeo-grafie der Universität Bayreuth und das Bayerische Amt fürforstliche Saat- und Pflanzenzucht der Bayerischen Forstver-waltung eng zusammen. Ziel des Experimentes ist es, die Va-riabilität und genetische Vielfalt innerhalb der Baumarten Rot-buche (Fagus sylvatica), Schwarzkiefer (Pinus nigra) undFlaumeiche (Quercus pubescens) unter verschiedenen Klima-bedingungen zu beleuchten.

Auf der Suche nach potentiell geeigneten Arten oder Her-künften fällt der Blick auf Gebiete, die bereits heute Klima-bedingungen aufweisen, wie sie für Bayern am Ende diesesJahrhunderts erwartet werden (Kreyling, Bittner et al. 2011). DieNutzungsmöglichkeiten solcher Herkünfte muss nun im Hin-blick auf häufigere und extremere Wetterereignisse getestetwerden.

Zielort (Bayreuth) Heutige Verbreitung der RotbucheHeutiges Klima (ähnlich der Zukunftsprognose für den Zielort)

Genetische Gruppen1–9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Abbildung 1: Gegenwärtige Verbreitung der Rotbuche (grün,EUFORGEN 2009) und durch Linien hervorgehobene genetischunterschiedliche Regionen auf Grund von Isoenzymen (nach Magriet al. 2006). Die dunkelblauen Pixel verdeutlichen Regioneninnerhalb dieser Verbreitung, in denen schon heute ähnliche Klima-verhältnisse herrschen, wie sie für Bayreuth für die Periode 2071–2100 prognostiziert werden (Klimamodell: REMO; Szenario: A1B).Verändert nach Kreyling, Bittner et al. 2011.

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Schwarzkiefer lokale Anpassungen an Frost, hierWinterfrost.So wiesenHerkünfte aus Gebietenmit kälterenWintern aucheine erhöhte Frosttoleranz auf (Kreyling, Wiesenberg et al., in Be-gutachtung). Die Frosttoleranz ist also mindestens teilweise ge-netisch fixiert, wurde aber darüber hinaus auch von Sommer-trockenheit oder Sommermitteltemperatur beeinflusst.

Flaumeiche

Ähnliche Untersuchungen laufen derzeit für Herkünfte derFlaumeiche, welche besonders auf trocken-warmen Standorteneine Alternative zur Stiel- oder Traubeneiche und Buche dar-stellen könnte. Auch bei der Flaumeiche zeigt sich eine lokaleAnpassung an Frost mit erhöhter Frosttoleranz der nördlichs-ten gegenüber der südlichsten Herkunft (Schenk et al., in Vorbe-reitung). Für alle drei Arten läuft darüber hinaus derzeit die ge-netische Charakterisierung aller verwendeten Herkünfte.

Innerartliche Vielfalt – ein wichtiges Kriterium fürerfolgreiche Anpassung an den Klimawandel

Die hier skizzierten Ergebnisse lassen vermuten, dass die ge-zielte Nutzung innerartlicher Vielfalt ein potentielles Werk-zeug zur Anpassung an ungewünschte Folgen des Klimawan-dels in der Forstwirtschaft sein kann. Allerdings ist dieÜbertragung von Klimaeigenschaften nicht trivial. Arten undHerkünfte reagieren teils sehr individuell. Mitunter treten Ef-fekte erst verzögert ein Jahr nach der Behandlung auf. Die Er-gebnisse deuten darüber hinaus auf die hohe Relevanz vonFrost innerhalb und außerhalb der Vegetationsperiode hin,denn sowohl für die Rotbuche als auch für die Schwarzkieferwurden lokale Anpassungen an Winterprozesse gefunden,während die Durchschnittstemperatur und das Auftreten vonSommerdürren offensichtlich nicht im selben Maße selektivwirken. Auch vor dem Hintergrund einer allgemeinen Erwär-mung sollten deshalbMinimumtemperaturen jahreszeitspezi-fisch berücksichtigt werden.

gungen ausgesetzt. Dabei wurden sowohl veränderte Mittel-werte (Erwärmung) als auch Extrembedingungen wie Tro-ckenheit und Spätfrost berücksichtigt. Durch den Vergleichverschiedener geographischer Herkünfte sollen jeneHerkünf-te identifiziert werden, welche diesen Bedingungen am bestengewachsen sind.

Erste Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Herkünfte derRotbuche unterschiedlich auf Dürre reagieren, d.h. sich in ih-rer Dürreresistenz unterscheiden (Nagy et al., in Vorbereitung).Weiterhin variieren die Herkünfte auch in ihrer Spätfrost-toleranz (Kreyling, Thiel et al. 2011). Trotz eines allgemeinenErwärmungstrends wird es in unseren Breiten auch in Zu-kunft immer wieder zu Spätfrostereignissen kommen. Dies istzu bedenken, wennmanHerkünfte aus Regionen einführt, indenen eine Anpassung an solche Ereignisse nicht gefordert ist.Die Ergebnisse legen jetzt nahe, dass ein Frostereignis imMaiden Zuwachs von Buchen aus südlicheren Regionen wie zumBeispiel Bulgarien stärker negativ beeinflusst als den Zuwachsheimischer Provenienzen. Besonders interessant dabei ist,dass eine vorausgehende Wärmebehandlung die Spätfrost-schäden verringert. Durch die künstliche Erwärmung treibendie Pflanzen schneller aus und erreichen bis zum Zeitpunktdes Frostereignisses schon die Blattreife, was vermutlich diehöhere Resistenz der wärmebehandelten Gruppe erklärt. Dieszeigt die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Orga-nismen, Ökosystemen und Klimaparametern.

Schwarzkiefer

Die Schwarzkiefer ist eine submediterran verbreitete Baum-art, die besonders auf Trockenstandorten unter Klimawandelauch in Deutschland eine Alternative zur Waldkiefer seinkönnte (Huber 2011). Auch bei dieser Art unterscheiden sichverschiedeneHerkünfte massiv inWuchsleistung undWuchs-form (Abbildung 2). Allerdings zeigten sich keine Variationoder lokale Anpassungen unter verschiedenen Temperaturni-veaus oder Dürrestress (Thiel et al., in Vorbereitung). Interessan-terweise reagierten auch die juvenilen Individuen nicht imJahr des Dürrestresses, sondern erst im darauf folgenden Jahr.Wie schon bei der Rotbuche dargelegt, zeigte auch die

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Abbildung 2: Herkünfte der Schwarzkiefer aus Frankreich, Italien,Deutschland und Kroatien (v.l.n.r.) im Alter von drei Jahren. DerMaßstab (jeweils im rechten Topf) hat eine Höhe von 25 cm.

Fotos: J. Kreyling

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Generell kann die Empfehlung gegeben werden, genetischeVielfalt zu erhalten und zu fördern, da sie den Schlüssel zurAnpassungsfähigkeit der Bäume an klimatische Veränderun-gen darstellt (Konnert 2008). Die Auswahl einer bestangepass-ten Herkunft erscheint dagegen in Anbetracht der Unsicher-heiten in der Klimaprognose und bezüglich der großen Anzahlvon zu beachtenden Klimaparametern, besonders bei der dar-gestellten Bedeutung ihrer Interaktionen, nicht sinnvoll.

Literatur

EUFORGEN (2009): Distribution map of Beech (Fagus sylvatica).www.euforgen.org

Huber, G. (2011): Neue Tests für Schwarzkiefern-Herkünfte in Bayernim Hinblick auf den Klimawandel. Forstarchiv 82; S. 134–141

Kölling, C.; Konnert, M.; Schmidt, O. (2008):Wald und Forstwirtschaftim Klimawandel. AFZ/Der Wald 15, S. 804–807

Konnert, M. (2007): Bedeutung der Herkunft beim Klimawandel. LWFaktuell 60, S. 38–39

Konnert, M. (2008): Genetische Vielfalt der Wälder – Grundlage ihrerAnpassungsfähigkeit. Unser Wald 2, S. 8–9

Kreyling, J.; Bittner, T.; Jaeschke, A.; Jentsch, A.; Steinbauer, M. J.; Thiel,D.; Beierkuhnlein, C. (2011): Assisted colonization – a question of focalunits and recipient localities. Restoration Ecology 19, S. 433–440

Kreyling, J.; Thiel, D.; Nagy, L.; Huber, G.; Konnert, M.; Jentsch, A.; Bei-erkuhnlein, C. (2011): Late frost tolerance of juvenile Fagus sylvatica isaffected by preceding air temperature and differs between southern Ger-many and Bulgaria. European Journal of Forest Research10.1007/s10342-011-0544-y

Kreyling, J.; Wiesenberg, G.; Thiel, D.; Wohlfart, C.; Huber, G.; Jentsch,A.; Konnert, M.; Beierkuhnlein, C. (in Begutachtung): Frost hardinessof Pinus nigra as influenced by geographic origin, extreme summerdrought and gradual warming. Environmental and Experimental Bota-ny

Magri, D.; Vendramin G.G.; Comps B.; et al (2006): A new scenario forthe Quaternary history of European beech populations: palaeobotanicalevidence and genetic consequences. New Phytologist 171; S. 199–221

Nagy, L.; Thiel, D.; Jentsch, A.; Beierkuhnlein, C.; Kreyling, J. (in Vorbe-reitung):Warming and drought affect leaf phenology and growth of dif-ferent Fagus sylvatica provenances

Schenk, V.; Kreyling, J.; Thiel, D.; Huber, G.; Konnert, M.; Jentsch, A.;Beierkuhnlein, C.; Wellstein, C. (in Vorbereitung): Late frost toleranceof juvenile Quercus pubescens Willd. differs by geographic origin

Thiel, D.; Nagy, L.; Kreyling, J.; Konnert, M.; Huber, G.; Jentsch, A.; Bei-erkuhnlein, C. (in Vorbereitung): Uniform sensitivity and delayed re-sponse to drought and warming in juvenile Pinus nigra despite proven-ance effects in general performance

UBA (2006): Künftige Klimaänderungen in Deutschland – RegionaleProjektionen für das 21. Jahrhundert.Dessau: Umweltbundesamt, MaxPlanck Institut für Meteorologie Hamburg

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Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des21. Jahrhunderts. Er wird sich unvermeidlich in vielen Gebietenauswirken, das Spektrum reicht von der menschlichen Gesund-heit über die Nahrungsmittelproduktion, die Ökosysteme bis zurpolitischen Stabilität.

Über die Bemühungen zur deutlichen Senkung klimaschädli-cher Emissionen hinaus ist es notwendig, Maßnahmen zur An-passung an die Auswirkungen des sich ändernden Klimas zu kon-zipieren. Durch präventives Handeln können die nachteiligenFolgen des Klimawandels eingegrenzt werden.

In dieser Studie wird für den Freistaat Bayern aufgearbeitetund analysiert, wie sich das Klima entwickeln wird und wie Öko-systeme und wichtige Bereiche der Gesellschaft auf die Verän-derungen reagieren werden. Eine Vielzahl von Experten verschie-denster Einrichtungen, Universitäten, Forschungszentren undBehörden haben dabei mitgewirkt. Ziel der Studie ist es, geeig-nete Maßnahmen zur Eingrenzung negativer Konsequenzenfrühzeitig aufzuzeigen und aus dem heutigen Kenntnisstand he-raus Konzepte zur Lenkung der Entwicklungen abzuleiten. Da-rüber hinaus werden Wissensdefizite offen gelegt und For-schungsstrategien entwickelt. bayceer

Carl Beierkuhnlein undThomas FokenKlimawandel in Bayern.Auswirkungen undAnpassungsmöglichkeitenBayreuther Forum Ökologie,Band 113, 2008501 Seiten mit 99 Abbildungen,broschiertISSN: 0944-4122Preis: 25 €

Studie zum Klimawandel in Bayern

Dr. Jürgen Kreyling, Daniel Thiel und Dr. Camilla Wellstein sindMitarbeiter am Lehrstuhl für Biogeografie von Prof. Carl Beierkuhn-lein an der Universität Bayreuth. Gerhard Huber und Dr. MonikaKonnert sind Forschungsgruppenleiter am Bayerischen Amt fürforstliche Saat- und Pflanzenzucht. Laura Nagy ist Mitarbeiterin amLehrstuhl Störungsökologie von Prof. Anke [email protected], [email protected],[email protected], [email protected],[email protected],[email protected]

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LWF aktuell 85/2011 15

tica), Eiche (Quercus robur) und Esche (Fraxinus excelsior)untersucht. Ausgewählt wurden nur Stationen aus demBeobachtungsnetz des DeutschenWetterdienstes, die über einenahezu vollständige Beobachtungszeitreihe von mehr als 50Jahren (1951–2008) verfügen. In Abhängigkeit von der unter-suchten Phase variiert somit dieAnzahl der verfügbaren Statio-nen innerhalb Deutschlands zwischen 11 und 70. Um regional-klimatische Unterschiede zu berücksichtigen, wurden dieEintrittstermine standardisiert (»standardisierte Anomalien«),das heißt, für jede Station und für jedes Jahr wurde vom Ein-trittstermin der langjährige Mittelwert abgezogen und an-schließend durch die empirische Standardabweichung geteilt.

Gauß-Perzentil MethodeZurQuantifizierung von Extremwerten liefernHäufigkeitsver-teilungen der jeweiligen Zeitreihen, die in normierter FormWahrscheinlichkeitsdichtefunktionen (engl. Probability Den-sity Functions, PDF) heißen, einen möglichen Lösungsansatz(Trömel und Schönwiese 2006). Für alle verfügbaren Daten einerBaumart, das heißt über alle verfügbaren Stationen innerhalbDeutschlands und über die gesamte Zeitperiode (1951–2008),haben wir eine Gauß-Verteilung berechnet. Ausgehend vondieser »Basisverteilung« werden die unteren und oberen fünfProzent der Daten (5 %- und 95 %-Perzentile) abgeleitet. Da-ten, die solche Schwellen unter- bzw. überschreiten, werdendann als extrem definiert und für jede Dekade deren Unter-schreit- bzw. Überschreitwahrscheinlichkeit berechnet.

Bei allen untersuchten Baumarten zeigt derMittelwert derVerteilungen besonders in den letzten beiden Dekaden auf ei-ne signifikante Verfrühung der phänologischen Ereignisse hin.Im gleichen Zeitraum steigt bei fast allen Baumarten dieWahr-scheinlichkeit, dass ein frühes Ereignis auftritt, von 0,04 auf0,08; gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein extremspätes Ereignis von 0,06 auf 0,01. Da die Standardabweichungkeinen korrespondierenden Trend aufweist, ist die extremeVerfrühung nicht auf eine steigende Variabilität der Eintritts-termine zurückzuführen, sondern auf eine echte Verschiebungder Häufigkeitsverteilungen.

Wenn der Maitrieb zumMärztrieb wirdLehrstuhl für Ökoklimatologie der TU München untersucht extreme Wetterereignisseund ihre Auswirkungen in der Phänologie

Christoph Schleip, Christine Cornelius und Annette Menzel

Extremereignisse in der Phänologie können eine entscheidende Rolle in der Ökologie von Wäldern spielen. Die Wahrscheinlich-keit, dass phänologische Ereignisse extrem früh eintreffen, ist insbesondere in den letzten beiden Dekaden um die Hälfte – unddamit sehr deutlich – angestiegen. So ergrünen Bäume im Frühling in extremen Jahren circa 18 Tage früher. Auch Untersuchun-gen aus demNationalpark Berchtesgaden zeigen imMittel entlang eines Höhengradienten temperaturabhängige Verfrühungenvon 17 Tagen. Es ist damit zu rechnen, dass alle 50 Jahre der Maitrieb und die Blattentfaltung einmal mit circa 35 Tagen Verfrü-hung auftritt. Dann können die »Maitriebe« schon mal im März austreiben. Dadurch kann es zu einer Erhöhung des Spätfrost-risikos und zu einer Verschiebung der ökologischen Nische verschiedener Waldbaumarten kommen.

Zu den beobachteten und prognostizierten Auswirkungen desKlimawandels gehört unter anderem eine höhere Frequenzund Intensität von Extremereignissen. Ein Extremereigniswird als ein seltenes Wetter- und Naturereignis definiert, wel-ches stark vom Durchschnitt abweicht. Der Zusammenhangzwischen Klima, Extremereignissen und deren Auswirkungenauf Ökosysteme ist außerordentlich komplex. Durch Verknüp-fung von Phänologie – der Lehre der jährlich wiederkehren-den Ereignisse in der Tier- und Pflanzenwelt – mit mathema-tischen Ansätzen werden diese Zusammenhänge genauerbeschrieben.

Phänologie und Extremereignisse

Phänologische Ereignisse in gemäßigten Breiten sind überwie-gend temperaturgesteuert, bisher wurden meist die Verände-rungen von mittleren Eintrittsterminen analysiert (Menzel etal. 2006). In Zukunft werden allerdings auch extreme Ereignis-se in der Phänologie immer wahrscheinlicher, was enormeAuswirkungen auf die Atmosphäre, die Biosphäre sowie aufgesamte Ökosysteme haben wird. Oft werden allerdings nurmeteorologische Parameter betrachtet. Nur wenige Publika-tionen beschreiben die Auswirkung von Extremereignissen aufdie Phänologie (Parmesan et al. 2000; Luterbacher et al. 2007).Weitgehend vernachlässigt wurde die Frage, ob sich extremephänologische Ereignisse in ihrer Häufigkeit und Stärke ver-ändert haben, ein Hinweis auf kritische Störungen in Ökosys-temen (Parmesan 2007; Jentsch et al. 2007). Da Extremereignis-se per Definition relativ selten sind, ist die Datenbasis oftdünn und die konventionellen statistischen Analysen sindmeist wenig aussagekräftig. Wir haben deshalb neben derGauß-Perzentil Methode eine semi-parametrische Quantil Me-thode und eine moderne Extremwertmethode (Block Maxi-mum Methode) für unsere Analyse verwendet.

An acht Waldbaumarten haben wir den Maitrieb der Lär-che (Larix decidua), der Fichte (Picea abies) und der Kiefer(Pinus silvestris) sowie die Blattentfaltung von Birke (Betulapendula), Schwarzerle (Alnus glutinosa), Buche (Fagus sylva-

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Abbildung 1: Für phänologische Zeitreihen von 1951 bis 2008 wurdenmit der Semi-Quantil Methode Splines für die 5., 10., 25., 50., 75.,90. und 95. Quantile geschätzt. Das 95. und 5. Quantil werden alsextrem späte bzw. frühe Eintrittstermine definiert. Die linke y-Achsezeigt »standardisierte Anomalien« auf, dagegen zeigt die rechtey-Achse für jede Baumart die entsprechende Anomalie (Abweichungenin Tagen vom langjährigen Mittelwert). Jeder einzelne Kreis repräsen-tiert eine phänologische Station. Die Baumarten sind chronologisch(von a nach h) nach ihrem mittleren Eintrittstermin angeordnet. Einestandardisierte Anomalie entspricht in Tagen: bei Lärche 11,7; Birke9,8; Erle 12,8; Buche 7,9; Eiche 8,6; Fichte 9,1; Esche 9,6; Kiefer 10,3.

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Esche (BE)g)

Median25., 75. Quantile10., 90. Quantile5., 95. QuantileMT: MaitriebBE: Blattentfaltung

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Kiefer (MT)h)

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Sandbirke (BE)b)

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Schwarzerle (BE)c)

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Rotbuche (BE)d)

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Semi-Quantil MethodeSemi-parametrische Ansätze schließen die Lücke zwischennicht-parametrischen und parametrischen Modellen mit sehrgeringen Verteilungsannahmen (Bühlmann und Hothorn 2007).Bei unseren untersuchten Waldbaumarten kommt die Semi-Quantil Methode zu ähnlichen Ergebnissen (Abbildung 1). Beifast allen Baumarten und Quantilen ist im zeitlichen Verlaufzunächst eine leichte Verspätung in den 1980er Jahren zu se-hen, gefolgt von einer Verfrühung der Eintrittstermine in denDekaden danach. Dieses zeitliche Verlaufsmuster ist beson-ders bei Baumarten, die eher spät im Frühjahr austreiben, zuerkennen (z.B. Eiche, Fichte und Esche). Betrachtet man je-doch die extrem frühen Ereignisse (10. und 5. Quantil) imDe-tail, so fällt auf, dass die Baumarten, die besonders früh imJahr austreiben, wie zum Beispiel Lärche, Birke und Erle, inden letzten Jahren sogar eine Verspätung der extrem frühenEintrittstermine erfahren haben. Im Durchschnitt über alleBaumarten beträgt die »standardisierte Anomalie« -1,8, dasentspricht in etwa einer generellen Verfrühung von 18 Tagen.Bei einzelnen Baumarten und Phasen, wie zum Beispiel demMaitrieb der Kiefer, kann sogar eine Verfrühung von bis zu 21Tagen aufgezeigt werden.

Extremwerttheorie (Block Maximum Methode)Die meisten gängigen Verfahren zur Schätzung von Verteilun-gen sind so ausgelegt, dass dieAnpassung für die Daten im Zen-trum gut ist (wo in der Regel die große Mehrheit der Daten-punkte liegt), während die Ränder mit wenigen Daten eherungenau geschätzt werden. Dies wird dann problematisch,wenn die Ränder einer anderen Verteilung entstammen als dieweniger extremen Werte. Aus diesem Grund hat sich die Ex-tremwertstatistik entwickelt, in deren Mittelpunkt die Model-lierung extremer Ereignisse steht. Die Extremwertanalyse be-zieht nur Daten ein, die auch in der Vergangenheit schon alsextrem bewertet wurden. Sie konzentriert sich also nur auf dieäußeren Abschnitte der PDFs, die sogenannten »Tails«, derenVerteilungen mit eigenen Funktionen beschrieben werden(Gumbel 1958; Coles 2001). Die Ergebnisse zeigen bei dieserAnalyse, dass bei einer Wiederkehrperiode von 50 Jahren imDurchschnitt über alle Baumarten ein Extremereignis in Hö-he von 3,5 Standardabweichungen auftritt. Dies würde bedeu-ten, dass der Wald alle 50 Jahre bis zu 35 Tage früher grünwird. Somit wird der Maitrieb alle 50 Jahre im Extremfall zueinem Märztrieb.

Extreme Phänologie im Nationalpark BerchtesgadenErgebnisse aus dem Nationalpark Berchtesgaden stützen dieAussagen über mögliche Extremereignisse. Seit mehr als 15Jahren führen Mitarbeiter des Nationalparks phänologischeUntersuchungen an verschiedenen Baumarten entlang einesHöhengradienten (600 bis 1.400 m) durch. Auf Grund derTemperaturabnahme mit der Höhe von 0,45 °C pro 100 Hö-henmeter (Mittelwert März bis August; Konnert 2004) sind un-terschiedliche Temperaturszenarien gegeben, die für artspezi-fische Untersuchungen hinsichtlich der Reaktion aufTemperaturänderungen im Zuge des Klimawandels herange-zogen werden können. Die hier untersuchten Baumarten, un-

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Frühlingsphänologie und Frostrisiko

Klimatische Veränderungen wirken sich direkt auf einzelnePhänologiestadien, wie z.B. den Blatt- oder Blütenaustrieb,aus. Die Phänologie ist deshalb einer der besten Bio-Indikato-ren für Temperaturveränderungen. Phänologische Zeitreihenliefern somit wertvolle Aussagen über den Einfluss veränder-ter Umweltbedingungen auf die Vegetationsentwicklung. Phä-nologische Phasen werden in vielen Ländern Europas von na-turinteressierten Bürgern beobachtet und auf den Tag genaufestgehalten; deshalb sind zeitliche Verschiebungen genauquantifizierbar. Seit 2009 wird an der Waldklimastation Frei-sing sogar eine innovative, automatische Phänokamera einge-setzt, die zeitlich hochaufgelöste Phänodaten liefert.

Die Entwicklungsstadien vieler Pflanzen im Frühling ha-ben sich in Deutschland nachweislich verfrüht. Ein frühererBeginn der Vegetationsperiode kann das Risiko von Schädendurch Spätfrost erhöhen, da die Frostgefahr in den erstenFrühjahrsmonaten trotz Erwärmung erhalten bleibt.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass nicht nur die Mini-mumtemperatur, sondern auch der Entwicklungsstand derPflanzen entscheidend ist. So können z.B. geschlossene Blü-tenknospen Temperaturen bis -8 °C ertragen, ohne dass Schä-den entstehen. Völlig geöffnete Blüten hingegen ertragen nurnoch Temperaturen, die geringfügig unter dem Gefrierpunktliegen. Die sehr gefürchteten Spätfröste können je nach Zeit-punkt im Obst-, Reb- und Gemüseanbau, aber auch in Wald-kulturen große Schäden verursachen. Bei der Beurteilung vonFrostereignissen spielen also die Minimumtemperatur, dieLänge der Frostperiode und die phänologische Phase eine ent-scheidende Rolle.

Spätfrostschäden an Buchen: Nach dem sehr frühen Blattaustrieb in der ers-ten Aprilhälfte 2011 haben starke Fröste Anfang Mai in weiten Teilen Bay-erns umfangreiche Spätfrostschäden verursacht.

Foto: M. Weiß

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ter anderem Lärche, Fichte und Bergahorn, treiben ihr Laubcirca 2,6 Tage pro 100 m Höhendifferenz später aus. Mit je-demGrad Erwärmung verfrüht sich folglich das Ergrünen derBäume um ungefähr fünf Tage. Der Zeitpunkt des Blattaus-triebs wird vor allem durch die Temperaturen der vorangegan-genen Monate bestimmt. Besonders deutlich wurde dies imJahr 2007, als extrem warme Frühjahrstemperaturen (1,84 °Cüber dem Mittel des Beobachtungszeitraumes) zu einem ex-trem frühen Beginn des Blattaustriebs führten. ImMittel zeig-ten sich die ersten neuen Blattspitzen 17 Tage früher. Auch inden Daten des Deutschen Wetterdienstes ist die extreme Ver-frühung besonders im Jahr 2007 wiederzuerkennen (Abbil-dung 1).

Mögliche Auswirkungen von Extremereignissen

Bei der Interpretation unserer Ergebnisse ist zu beachten, dassdie Definition von Extremen immer räumlich explizit und rel-ativ zu der für die Gegenwart abgeleiteten Normskala erfolgt.Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Häufigkeit von extrem frü-hen Eintrittsterminen beträchtlich zugenommen hat, und dassin absehbarer Zukunft solche Ereignisse eine enorme Intensi-tät aufweisen können. Die Auswirkungen solcher Extremer-eignisse mit bis zu einer über einmonatigen Verfrühung derBlattentfaltung und des Maitriebes sind vielfältig. Ein früherBlattaustrieb führt zwar häufig zu einer verlängerten Vegeta-tionsperiode, erhöht aber gleichzeitig das Risiko von Spätfrost-schäden. Auch die Anfälligkeit gegenüber Schadinsekten kannsich, je nach Populationsentwicklung und Synchronisation derSchadinsekten, verändern.

Literatur

Bühlmann, P.; Hothorn, T. (2007): Boosting algorithms: regularization,prediction and model fitting. Statistical Science, 22(4), S. 477–505

Coles, S. (2001):An introduction to statistical modeling of extreme val-ues. 208 S., Springer-Verlag London

Gumbel, E.J. (1958): Statistics of extremes. 375 S., Columbia Universi-ty Press, New York

Jentsch, A.; Kreyling, J.; Beierkuhnlein, C. (2007): A new generation ofclimate change experiments: events not trends. Frontiers in Ecologyand the Environment, 6(6), S. 365–374

Konnert, V. (2004): Standortkarte Nationalpark Berchtesgaden. For-schungsbericht des Nationalparks Berchtesgaden 49, S. 1–151

Luterbacher, J.; Liniger, M.A.; Menzel, A.; Estrella, N.; Della-Marta, P.M.;Pfister, C.; Rutishauser, T.; Xoplaki, E. (2007): Exceptional warmth ofautumn 2006 and winter 2007: Historical context, the underlying dy-namics, and its phenological impacts. Geophysical Research Letters,34 (L12704)

Menzel, A.; Sparks, T.H.; Estrella, N. et al. (2006): European phenolog-ical response to climate change matches the warming pattern. GlobalChange Biology, 12, S. 1969–1976

Parmesan, C.; Root, T.L.; Willing, M.R. (2000): Impacts of extremesweather and climate on terrestrial biota. Bulletin of the American Me-teorological Society, 81 (3), S. 443–450

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Parmesan, C. (2007): Influences of species, latitudes and methodolo-gies on estimates of phenological response to global warming. GlobalChange Biology, 13, S. 1860–1872

Trömel, S.; Schönwiese, C.-D. (2006): Probability change of extreme pre-cipitation observed from 1901 to 2000 in Germany. Theoretical andApplied Climatology, 87, S. 29–39

Prof. Dr. Annette Menzel leitet das Fachgebiet für Ökoklimatologie,wo Dr. Christoph Schleip ([email protected]) und Christine Cor-nelius ([email protected]) als Post-Doktorand bzw. Doktoran-din im Rahmen des Verbundprojekts FORKAST an phänologischenFragestellungen arbeiten.

Vor Königsfeld (Lkrs. Pfaffenhofen) steht ein Kastanienbaum, derregelmäßig im Herbst eine zweite Blüte zeigt. Die Aufnahmewurde am 24. September 2011 gemacht. Die Ursache dieses un-gewöhnlichen Ereignisses ist wohl auf die Stressbelastung zurück-zuführen, die der Schädlingsbefall der Roßkastanienminiermot-te auslöst. In Wien, so haben bereits Mitte der 1990er JahreWaldschutzexperten berichtet, blühten Kastanien vereinzelt imOktober 1995 ein zweites Mal, nachdem die Bäume in den Jah-ren 1994 und 1995 von der Kastanienminiermotte stark befallenwaren. In Folge des vorzeitigen Blattfalls wird die Blühinduktionaktiviert und der Baum reagiert mit einer zweiten Blüte. Obwohlder Befall mit Roßkastanienminiermotten weit verbreitet ist, sindBeobachtungen wie diese in Königsfeld doch gar nicht so häufig.

Eine weitere Erklärung, warum der Hormonhaushalt geradedieser Kastanie derart durcheinanderkommt, könnten geneti-sche Mutationen geben. Aber auch weitere noch unbekanntePrädispositionfaktoren könnten eine Rolle spielen, wenn derBaum gegenüber Umweltreizen eine physiologische Überemp-findlichkeit aufweist.

Was auch immer den Hormonhaushalt des Baumes durchei-nander bringt, interessant wäre es zu wissen, ob andere eben-falls solche Beobachtungen an Kastanien oder auch an anderenBaumarten gemacht haben. Wer Ähnliches beobachtet hat, soll-te dies der Redaktion doch bitte melden. Michael Mößnang

Und alle Jahre wieder: Kastanienblüte im Herbst

Foto: M. Mößnang

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Seit 1993 hat auch der einfachere standardisierte Nieder-schlags-Index SPI (standardized precipitation index) viel Be-achtung gefunden (McKee et al. 1993). ImGegensatz zum PDSIbezieht sich der SPI nur auf den Niederschlag. Dabei werdenje nach Anwendung Niederschlagssummen aus 3 bis 24 Mo-naten gebildet. Die Einteilung ist ähnlich wie beim PDSI, al-lerdings beginnt eine Dürre ab -0.5 und wird schon bei -2 alsexzeptionell eingestuft (ebenso für Feuchte im positiven Be-reich). Auch der SPI ist monatlich beim UCL Department Spaceand Climate Physics abrufbar.

Die Kunst der Dürre-Indizes (und gleichzeitig ihre Vor-und Nachteile) besteht darin, dass sie eine Dürre auf eine ein-fache Maßzahl reduzieren und in mögliche Konsequenzenübersetzen. Dies geht notwendigerweise nur unter bestimm-ten Annahmen, die der Verwendung des Dürre-Index ange-passt werden.

Ein Dürre-Index für die Forstwirtschaft?FORKAST Projekt »Mortalität der Hauptbaumarten« untersucht die Auswirkungvon Dürren auf Bäume und Wälder in Bayern

Tobias Mette, Thomas Rötzer und Hans Pretzsch

Die allgemeine Klimaerwärmung und die Zunahme von Klima-Extremen hat besonders nach dem Rekordsommer 2003 die Fra-ge aufgeworfen, wie gut unsereWälder und die Forstwirtschaft auf Dürren vorbereitet sind. Dabei gibt es in der Forstwirtschaftbislang keinen Standard für die Abschätzung einer Dürre-Intensität. Auf der einen Seite gibt es sehr genaue lokale Bodenfeuch-te-Messungen und komplexe Wasserhaushalts-Modelle. Auf der anderen Seite werden Indizes wie der in Nordamerika üblichePalmer Dürre-Index (PDSI) und der standardisierte Niederschlags-Index (SPI) auch in Europa immer populärer. Was steckt hinterdiesen Indizes? Was sagen sie uns über den Dürrestress von Wäldern? Was können wir aus ihnen lernen?

Dürre ist ein zentrales Thema des FORKAST-Netzwerks. DieBefürchtung, dass extrem trockene Sommer wie 2003 inZukunft öfter auftreten, hat einen Teil der Forschergruppenveranlasst, die Auswirkungen von Dürre auf verschiedenenEbenen zu untersuchen – vomEinzelbaum- und Bestandeszu-wachs, über die Mortalität bis hin zur Landschaftsebene. EinProblem dabei ist, dass es in der Forstwirtschaft bisher keinenStandard zur Messung einer Dürre-Intensität gibt. Im Folgen-den sollen daher zwei in Nordamerika sehr verbreitete Dürre-Indizes vorgestellt und bezüglich ihrer Verwendung in derForstwirtschaft diskutiert werden.

PDSI und SPI: Maßzahlen für Dürreereignisse

Die zentrale Arbeit zur Erfassung der Intensität von Dürren(engl. drought severity) stammt von Wayne C. Palmer (1965).Der nach ihm benannte Palmer drought severity index PDSIist mit einigen Anpassungen auch heute noch der gebräuch-lichste Dürre-Index in den Vereinigten Staaten. Er wird seit1998 auf wöchentlicher Basis vom U.S. National Weather Centerfür die Vereinigten Staaten veröffentlicht und seit 2007 mo-natlich auch für Europa bzw. die gesamteWelt durch das UCLDepartment Space and Climate Physics in Form des GlobalDrought Monitor im Internet bereitgestellt. Abbildung 1 zeigtden PDSI für Europa im Juni 2011. Hinter dem PDSI stecktein einfaches Wasserhaushaltsmodell, das Niederschlag, Eva-potranspiration (=Verdunstung von Vegetationsflächen), nutz-baren Bodenwasserspeicher und Abfluss miteinbezieht. Derlokal sehr heterogene Bodenwasserspeicher wird für die PDSI-Dürre-Kartierung großflächig ermittelt, kann prinzipiell aberauch lokal angepasst werden. Wie Tabelle 1 zeigt, werdenPDSI-Werte von -1 bis -4.9 Dürre-Graden vonmild bis extremzugeordnet, Werte unter -5 als exzeptionell eingestuft (genau-so dient eine positive Skala für die Klassifizierung feuchterJahre).

Deutschland

Polen

SchwedenNorwegen

Dänemark

Holland

Belgien

Frankreich

Italien

Österreich

Tschechien

Kroatien

UngarnSchweiz

Dürre

mäßigmild

starkextrem

Abbildung 1: Der Palmer Dürre-Index PDSI wird monatlich vom UCLDepartment Space and Climate Physics veröffentlicht. Auf diesemAusschnitt über Europa vom Juni 2011 erkennt man deutlich, dassganz Deutschland von einer frühsommerlichen Dürre betroffen ist.

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DauerIm Gegensatz zu Orkanen oder Feuern sind Dürren Extrem-ereignisse, die sich erst über Monate aufbauen und auch Mo-nate anhalten können. Für land- und forstwirtschaftliche An-wendungen sollten wenigstens 3-Monats-Zeiträume betrachtetwerden. Für Langzeitspeicher wie Grundwasser oder Wasser-reservoirs integriert man bis über 24Monate undmehr (McKee1993).

Eignung der Dürre-Indizes für Wälder

In Abbildung 2 sind die Wasserhaushaltsparameter für diePDSI-Berechnung, der PDSI selbst und der SPI auf 3- und 6-Monats-Basis von 2001 bis 2011 für die DWD-Station Regens-burg dargestellt. Vergleicht man die Wasserhaushaltsparame-ter für die trockenen Sommer 2003 und 2008 (Abbildung 2oben), erkennt man, wie infolge des geringen Niederschlagsdie aktuelle »tatsächliche« Evapotranspiration stark hinter derpotentiellen zurückbleibt und der nutzbare Bodenwasserspei-cher fast völlig aufgebraucht wird. In feuchteren Sommernwie2002 oder 2010 folgt die aktuelle der potentiellen Evapotran-spiration, die Wasserverfügbarkeit ist kaum eingeschränkt.

Entsprechend schlägt auch der PDSI gegen Ende der Vege-tationszeit 2003 und 2008 Alarm (allerdings liegen z.B. die Au-gustwerte für 2009 noch niedriger). Der 3- bzw. 6-Monats-SPIsieht nur im Jahr 2003 eine »extreme« Dürre während derVegetationszeit, für Juli 2008 zeigt der 3-Monats-SPI eine »ex-treme« Dürre an. Offensichtlich kommen die verschiedenenDürre-Indizes zu verschiedenen Beurteilungen einer Dürre-Intensität. Welcher Index (und welcher Monat) ist der aussa-gekräftigste für Dürrestress im Wald?

Die forstliche Vegetationsperiode ist von Anfang Mai bisEnde September definiert. Hier erfolgt der jährliche Wachs-tumsschub der Wälder in Mitteleuropa. Folglich macht esSinn, im Fall des 3-Monats-SPI den Augustwert zu verwenden,der die Monate Juni, Juli und August integriert. Im Fall deslängerfristigen 6-Monats-SPI bzw. des PDSI sollte man denSeptember betrachten. Die Ausschläge im Winter sind unterdem Aspekt der Dürre in Mitteleuropa wenig relevant, da derBodenspeicher im Regelfall noch vor Februar wieder aufge-füllt ist. Daher ist auch die Einbeziehung des Abflusses im

Die verschiedenen Dimensionen einer Dürre

Dürre-Indizes müssen verschiedene Aspekte einer Dürre be-rücksichtigen. Dies macht eine ältere Definition der AmericanMeteorological Society deutlich, die Dürren als ein länger an-haltendes, anomales Wasserhaushalts-Defizit beschreibt(Huschke 1959). Folgende drei wichtige Aspekte einer Dürrewerden angesprochen:

1. WasserhaushaltsdefizitDieWasserverfügbarkeit ist das zentrale Element vonDürren.Da der Niederschlag im Allgemeinen die wichtigste Wasser-quelle ist, beziehen sich meteorologische Dürre-Indizes wieder SPImeist nur auf denNiederschlag. Allerdings wirken sichje nach nutzbarer Wasserspeicherkapazität des Bodens Nie-derschlagsdefizite auf verschiedenen Böden unterschiedlichaus. Daher beruhen agrarwirtschaftliche Dürre-Indizes wieder PDSI stark auf der Bodenwasserverfügbarkeit. Hydrologi-sche Dürre-Indizes orientieren sich am Abfluss, zum Beispielüber dieWasserstände von Flüssen. Diese Größe ist nicht nurinteressant für die Sicherheit der städtischen Wasserhaushal-te und Bewässerung in der Landwirtschaft, sondern auch fürdie Energieversorgung.

2. AnomalieEine Dürre ist ein Ausnahmeereignis, das statistischmit einerbestimmten Wiederkehrwahrscheinlichkeit auftritt (vgl. Ta-belle 1). ImGegensatz zur Aridität, die Räume abgrenzt, in de-nen eine (wenigstens saisonale) geringe Wasserverfügbarkeitnormal ist, grenzen Dürren Zeiten ab, in denen die Wasser-verfügbarkeit bezogen auf die langjährige Verteilung sehr ge-ring ist. So definiert kommenDürren überall gleich häufig vor,auch wenn man in regenreichen Gebieten wahrscheinlichnicht von Dürren sprechen würde. Zum Beispiel summiertsich der Sommerniederschlag (Juni – August) in Regensburgim Mittel (1947–2010) auf 227 Millimeter. Aus der langjähri-gen Verteilung ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von zehnProzent (= alle zehn Jahre), dass der Niederschlag unter 157Millimeter fällt. Eine Niederschlagsmenge von unter 113 Mil-limeter wäre statistisch gesehen alle 100 Jahre, Niederschlägeunter 86 Millimeter alle 1.000 Jahre zu erwarten.

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Dürregrad Wiederkehr Mögliche Folgen PDSI SPI

Milde Dürre 3 – 4 J. geringe Drosselung des Wachstums; erhöhtesFeuerrisiko; möglicher Beginn (Ende) einer Dürre

-1,0 bis -1,9 -0,5 bis -0,7

Mäßige Dürre 5 – 9 J. Getreideschäden; hohes Feuerrisiko;Rückgang der Wasserstände

-2,0 bis -2,9 -0,8 bis -1,2

Starke Dürre 10 – 17 J. Ernteeinbußen; sehr hohes Feuerrisiko;Wassermangel

-3,0 bis -3,9 -1,3 bis -1,5

Extreme Dürre 18 – 43 J. Ernteausfälle; extremes Feuerrisiko;großflächiger Wassermangel

-4,0 bis -4,9 -1,6 bis -1,9

ExzeptionelleDürre

> 43 J. Großflächige Ernteausfälle; Feuergefahr;Erschöpfung von Wasservorräten

ab -5,0 ab -2,0

Tabelle 1: Einteilung von Dürre-Intensitäten nach dem U.S. National Weather Center

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•vermehrte Berücksichtigung autochthonen Saatguts und an-gepasster Genotypen

•erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber trockenheitsliebendenForstschädlingen

•Wachsamkeit und Vorbeugung von WaldbrändenAuch bei den genannten Nachteilen stellen Dürre-Indizes eineinfaches und verständliches Maß zur Beurteilung von Dür-ren auf statistischer Grundlage dar. Angesichts der prognosti-zierten Zunahme von Sommertrockenheiten empfiehlt es sich,solche Dürre-Indizes für forstökologische oder forstwirtschaft-liche Zwecke weiter zu entwickeln und verfügbar zu machen.

Literatur

Palmer, W.C. (1965): Meteorological Drought. Research Paper No. 45.US Weather Bureau, Washington, D.C. 58 S.

U.S. National Weather Center (abgerufen im Juli 2011)http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/monitoring_and_data/drought.shtml

UCL Department Space and Climate Physics (abgerufen im Juli 2011):http://drought.mssl.ucl.ac.uk/drought.html

McKee, T.B; Doesken, N.J.; Kleist, J. (1993): The relationship of droughtfrequency and duration to time scales. Preprints 8th Conf. on AppliedClimatology, Anaheim CA. Amer Meteor Soc, S. 179–184

Huschke, R.E. (Hrsg.) (1959):Glossary of Meteorology.AmMet Soc, Bos-ton, MA, 638 S.

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (2004): Auswir-kungen der Trockenheit 2003 und Waldschutzsituation 2004. LWF ak-tuell 43, 44 S.

Dr. Tobias Mette und Dr. Thomas Rötzer sind Mitarbeiter am Lehr-stuhl für Waldwachstumskunde an der Technischen UniversitätMünchen. Prof. Dr. Hans Pretzsch leitet diesen [email protected], Thomas.Rö[email protected],[email protected]

PDSI eher störend. Er ist eine hydrologische Größe, die beilandwirtschaftlicher Bewässerung in Gebieten wie z.B. demmittleren Westen der USA eine Rolle spielt, aber nicht für diehiesige Forstwirtschaft. Hingegen ist die Pufferwirkung desBodens ein wichtiger Aspekt, der nur im PDSI und nicht imSPI berücksichtigt wird. Auch dem Anstieg der Evapotranspi-ration bei steigenden Sommertemperaturen durch den Klima-wandel wird nur der PDSI gerecht.

Beide Indizes, PDSI und SPI, können letztendlich – vor al-lem bei großer räumlicher Auflösung – nur als Anhaltspunktfür den Dürrestress von Wäldern dienen. Im Vergleich zuAgrarpflanzen sindWaldbaumarten nicht auf Ertragsmaximie-rung, sondern auf Maximierung der Fitness auf Einzelbaum-ebene (Ressourcengewinn, Überleben, Fortpflanzung) »pro-grammiert«. Standortsgemäße und insbesondere autochthoneBaumarten kommen daher mit den Klima-Extremen ihrerStandorte zurecht. Dürren können den Einzelbaum oder denBestand temporär schwächen und anfällig machen für tro-ckenheitsliebende Schädlinge wie den Borkenkäfer, aber siesind bisher keine direkte Ursache für großflächiges Waldster-ben (Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 2004).

Trotzdem sollte der Umgangmit zunehmender Dürrewahr-scheinlichkeit im Rahmen des Klimawandels diskutiert wer-den. Es empfiehlt sich eine vielseitige Herangehensweise:•Weiterführung des Umbaus hin zu standortsgemäßenWald-beständen

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Abbildung 2: (oben) Wasserhaushaltsparameter für die Berechnungdes PDSI, (unten) PDSI und SPI auf 3- und 6-Monats-Basis darge-stellt für die DWD-Station Regensburg im Zeitraum 2001– 2011. Epot= potentielle Evapotranspiration, Eakt = aktuelle Evapotranspiration,Nd = Niederschlag, Boden = nutzbare Wasserkapazität des Bodens(Sättigung bei 150 mm angenommen). PDSI = Palmer Dürre Index,SPI.6M bzw. SPI.3M standardisierter Niederschlags-Index auf 6bzw. 3-Monats-Basis. Die Dürre-Indizes sind in erster Linie interes-sant während der Vegetationsperiode (Mai – September), die durchdie grauen bzw. farbigen Balken angedeutet wird. Die Farbskalavon gelb nach rot zeigt die fünf Dürrestufen nach Tabelle 1 an.

150

50

50

150

6

4

2

0

–2

–4

–6

3

2

1

0

–1

–2

–3

150

50

50

150

Was

serh

aush

alt

[mm

]PD

SI SPI

Epot NdEakt PDSI SPI.6M SPI.3M

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Boden

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Walddynamik im KlimawandelModellstudie zeigt: innerartliche Variabilität und Störungsinteraktionen habenbedeutenden Einfluss auf die künftige Waldentwicklung

Klara Dolos und Björn Reineking

Innerartliche Variabilität und Störungsinteraktionen stellen eine Herausforderung für die Prognose zukünftiger Walddynamikim Klimawandel dar. Modellierungsstudien bilden eine wertvolle Grundlage für ein besseres Verständnis dieser Themenkom-plexe und unterstützen daraus abgeleitete wissenschaftlich basierte Handlungsempfehlungen.

Störungsregime und ihre Interaktionen stellen einen weiterenThemenkomplex innerhalb des Projektes dar. Neben mittel-und längerfristigen Schwankungen der Umweltbedingungenprägen insbesondere die Störungsregime Borkenkäfer,Wind-wurf, Dürre und in Zukunft voraussichtlich verstärkt auchFeuer die Dynamik temperaterWälder. Es wird angenommen,dass die einzelnen Störungstypen maßgeblich durch KlimaundWaldstruktur bestimmt werden. Prognosen bezüglich derin Zukunft zu erwartenden Störungsregime werden häufig aufdieser Annahme erstellt. Unberücksichtigt bleiben dabei oft-mals Interaktionen zwischen Störungen, die zu einer gegen-seitigen Verstärkung oder Abschwächung führen können. Ineinem ersten Schritt wurde daher ein konzeptionelles Modellvon Störungsinteraktionen entwickelt. Es formuliert explizitdie Annahmen, welche häufig in störungsregimebezogenen In-teraktionsstudien getroffen werden, und es ermöglicht, dieKonsequenzen dieser Annahmen über Interaktionen abzu-schätzen.

In beiden Studien – zur innerartlichen Variabilität und zuStörungsinteraktionen – liegt der methodische Schwerpunktauf der Modellierung. Modellierung ist ein nützliches Werk-zeug, um vorhandenesWissen über Systeme zu strukturieren,ihre Prozesse besser zu verstehen, um allgemeine Konzepte zutesten und die Konsequenzen von Annahmen bezüglich zu-künftigen Verhaltens einzuschätzen. Im Folgendenwerden deraktuelle Stand der beiden Studien und vorläufige Ergebnissezusammengefasst beschrieben.

Innerartliche Variabilität

Bisher wurde innerartliche Variabilität in Modellierungsan-sätzen auf Landschaftsebene kaum berücksichtigt und das Po-tential dieser Variabilität für die Anpassung bestehenderWäl-der an das für die Zukunft prognostizierte Klima nurunzureichend bewertet. Mittels des WaldlandschaftsmodellsLandClim (Schumacher und Bugmann 2006a; Schumacher et al.2006b; Henne et al. 2011) werden derzeitig die Auswirkungeninnerartlicher Variabilität in der Dürretoleranz auf das Baum-wachstum untersucht.

Wälder sind zeitlich dynamischeÖkosysteme, die Lebensraumfür eine Vielzahl unterschiedlichster Organismen bieten. IhreStruktur und Artzusammensetzung werden ausgehend vomlokalen Artenpool vonUmweltfaktorenwie Klima und Bodensowie von kurzfristigen Ereignissen, wie dem Eintreten vonStörungen, bestimmt. Die Reaktion einesWaldes auf Umwelt-veränderungen und die Fähigkeit seine Ökosystemdienstleis-tungen aufrecht zu erhalten, werden durch die Eigenschaftenund das Anpassungspotential der vorkommendenOrganismenbeeinflusst. Wichtige Arteigenschaften sind beispielsweiseDürreempfindlichkeit und Schattentoleranz. Für eine Ein-schätzung der Auswirkungen von Umweltveränderungen wiedes Klimawandels werden oftmals mittlere Arteigenschaftenherangezogen. In realen Ökosystemen unterscheiden sich je-doch Individuen, auch innerhalb derselben Art, voneinander(Jung et al. 2010). Daher ist eines der Ziele des Teilprojektes 14»Auswirkungen klimatischer Extremereignisse auf Störungs-regime in Wäldern der Mittel- und Hochgebirge« des For-schungsverbundes FORKAST, herauszufinden, wie sich Prog-nosen hinsichtlich der zukünftigen Waldentwicklungverändern, wenn die innerartliche Variabilität bezüglich derDürretoleranz berücksichtigt wird.

Abbildung 1: Windwurf am »Lotharpfad« im Schwarzwald

Foto: K. Dolos

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Interaktionen zwischen Störungsregimen

JedesWaldökosystem besitzt eine eigene Kombination aus Stö-rungsregimen, die Waldstruktur und Verjüngung wesentlichbeeinflusst (Dale et al. 2000). Für Bayern von besonderer Be-deutung sind Borkenkäferkalamitäten (Abbildung 2), derenDynamik noch unzureichend verstanden ist und nur einge-schränkt prognostiziert werden kann. Der Lebenszyklus vonBorkenkäfern ist stark temperaturabhängig. Tendenziell ent-wickeln sich Borkenkäferlarven schneller unter wärmeren Be-dingungen und ihre Sterblichkeit sinkt (Wermelinger 2004). Zu-sätzlich ist die Populationsdynamik potentiell von denStörungen Windwurf, Dürre und Feuer beeinflusst, derenHäufigkeit und Intensität sich wahrscheinlich mit demKlimaverändern werden. Interaktionen zwischen Störungsregimenundmögliche positive wie negative Rückkoppelungenmacheneine Abschätzung von Risiken für Wälder unter dem zukünf-tig erwarteten Klima zu einer Herausforderung.

LandClim ist ein räumlich explizites Simulationsmodell, dasentwickelt wurde, um die Bedeutung von Klima, Waldbrän-den und Management für die aktuelle und zukünftige Wald-dynamik zu untersuchen. Es besteht aus einem lokalenVegetationsmodell für die Waldsukzession und einem Land-schaftsmodell für Störungsregime, Management und Samen-ausbreitung. LandClim simuliert die Waldentwicklung überlange Zeiträume (Jahrhunderte bis Jahrtausende) und großeräumliche Ausdehnung von mehreren Quadratkilometern inrelativ hoher Auflösung (Raumeinheiten von 25 mal 25 Me-tern). LandClim wurde in Studien über Wälder der Europäi-schen Alpen, der Rocky Mountains in Nordamerika und immediterranen Raum erfolgreich verwendet (Henne et al. 2011;Colombaroli et al. 2010; Cairns et al. 2008).

Durch denmodularen Aufbau LandClims war es möglich,den Prozess der Etablierung von Bäumen um ein Modell fürdie innerartliche Variabilität zu ergänzen. Anstelle eines iden-tischen Wertes für die Dürretoleranz aller Individuen einerArt erhielt jedes Individuum einenWert für die Dürretoleranz,der zufällig aus einer Verteilungmit festemMittelwert und Va-rianz gezogen wird. Dabei dienten die bayerischen Populatio-nen der Rotbuche (Fagus sylvatica) und Fichte (Picea abies)sowie an diese angelehnteModellarten als Beispiele. Die Kon-sequenzen der Modellregeln für das Wachstum und den rela-tiven Erfolg von Artenmit unterschiedlicher innerartlicher Va-riabilität wurden in Simulationsstudien untersucht.

In einer Landschaft, in der Dürre eine Rolle spielte, kames auf Grund von innerartlicher Variabilität zu einer Verschie-bung des realisierten Mittelwertes hin zu größerer Dürre-toleranz. Ursache dieser Entwicklung war, dass sich besser an-gepasste, konkurrenzstärkere Individuen etablierten, welchesin diesemModell immer die dürretoleranteren Individuen wa-ren.

Entlang eines Dürregradienten, der zumBeispiel inMittel-gebirgswäldern mit einem Höhengradienten einhergehenkann, zeigte sich folgendesMuster: In geringer Höhe, woDür-re in der simulierten Landschaft stärker wachstumshemmendwirkte, hatten Arten mit großer Variabilität bezüglich Dürre-toleranz und ansonsten gleichen Eigenschaften eine größeremittlere Biomasse als Arten mit geringer Variabilität. Mit zu-nehmender Höhe und abnehmender Bedeutung von Dürrewirkte sich große innerartliche Variabilität negativ auf diemittlere Biomasse aus. Dies konnte damit erklären werden,dass Arten mit einer größeren Variabilität in höheren Lagenkeinen Vorteil mehr auf Grund größerer Dürretoleranz erzie-len konnten. In höheren Lagen hatten sie sogar einen Konkur-renznachteil, wenn sich durch Zufall nur schlecht angepassteIndividuen in einer Raumeinheit befanden. Die Strategie, mit-tels innerartlicher Variabilität flexibel auf die Umwelt reagie-ren zu können, war damit bei günstigen Wuchsbedingungenrisikoreicher.

In einem nächsten Schritt soll die Robustheit dieser Ergeb-nisse bezüglich der spezifischen Modellregeln zur innerart-lichen Variabilität geprüft sowie das Ausmaß innerartlicherVariabilität in realen Wäldern für Rotbuche und Fichte abge-schätzt werden.

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Abbildung 2: Borkenkäfer-Flächen im Bayerischen Wald

Foto: M. Steinbauer

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Literatur

Bigler, C.; Kulakowski, D.; Veblen, T. (2005):Multiple disturbance inter-actions and drought influence fire severity in rocky mountain subalpi-ne forests. Ecology 86, S. 3018–3029

Cairns, D.; Lafon, C.; Waldron, J.; Tchakerian, M.; Coulson, R.; Klepzig,K.; Birt, A.; Xi, W. (2008): Simulating the reciprocal interaction of forestlandscape structure and southern pine beetle herbivory using LANDIS.Landscape Ecology 23, S. 403–415

Colombaroli, D.; Henne, P.; Kaltenrieder, P.; Gobet, E.; Tinner, W.(2010): Species responses to fire, climate and human impact at tree linein the Alps as evidenced by palaeo-environmental records and a dyna-mic simulation model. Journal of Ecology 98, S. 1346–1357

Dale, V.; Joyce, L.; McNulty, S.; Neilson, R. (2000): The interplay bet-ween climate change, forests, and disturbances. Science of the Total En-vironment 262, S. 201–204

Hebertson, E.; Jenkins, M. (2008): Climate factors associated with histo-ric spruce beetle (Coleoptera Curculionidae) outbreaks in Utah and Colo-rado. Environmental Entomology 37, S. 281–292

Henne, P.; Elkin, C.; Reineking, B.; Bugmann, H.; Tinner, W. (2011):Didsoil development limit spruce (Picea abies) expansion in the Central Alpsduring the Holocene? Testing a palaeobotanical hypothesis with a dy-namic landscape model. Journal of Biogeography 38, S. 933–949

Jung, V.; Violle, C.; Mondy, C.; Hoffmann, L.; Muller, S. (2010): Intraspe-cific variability and trait-based community assembly. Journal of Ecolo-gy 98, S. 1134–1140

Okland, B.; Berryman, A. (2004): Resource dynamic plays a key role inregional fluctuations of the spruce bark beetles Ips typographus. Agri-cultural and Forest Entomology 6, S. 141–146

Schroeder, L.; Lindelow, A. (2002): Attacks on living spruce trees by thebark beetle Ips typographus (Col. Scolytidae) following a storm-felling: acomparison between stands with and without removal of wind-felledtrees. Agricultural and Forest Entomology 4, S. 47–56

Schumacher, S.; Bugmann, H. (2006a): The relative importance of cli-matic effects, wildfires and management for future forest landscape dy-namics in the Swiss Alps. Global Change Biology 12, S. 1435–1450

Schumacher, S.; Reineking, B.; Sibold, J.; Bugmann, H. (2006b): Mode-ling the impact of climate and vegetation on fire regimes in mountainlandscapes. Landscape Ecology 21, S. 539–554

Veblen, T.; Hadley, K.; Nel, E.; Kitzberger, T.; Reid, M.; Villalba, R. (1994):Disturbance Regime andDisturbance Interactions in a RockyMountainSubalpine Forest. Journal of Ecology 82, S. 125–135

Wermelinger, B. (2004): Ecology and management of the spruce barkbeetle Ips typographus - a review of recent research. Forest Ecology andManagement 202, S. 67–82

Klara Dolos promoviert an der Juniorprofessur BiogeographischeModellierung im Rahmen des Teilprojekts 14 »Auswirkungenklimatischer Extremereignisse auf Störungsregime in Wäldern derMittel- und Hochgebirge« des Forschungsverbundes [email protected]. Dr. Björn Reineking ist Juniorprofessor für BiogeographischeModellierung an der Universität [email protected]

Bisherige Studien erlaubten es, ein Konzept der Interaktionenzwischen den vier wichtigsten Störungsregimen Borkenkäfer,Windwurf, Dürre und Feuer zu entwerfen (Abbildung 3). Vie-le empirische Studien ermöglichten aber lediglich eine quali-tative Einschätzung der jeweils untersuchten Interaktion (Ve-blen et al. 1994). Darüber hinaus wurden in Feldstudien sehrverschiedeneMethoden eingesetzt, unterschiedliche Kenngrö-ßen erhoben (Hebertson und Jenkins 2008; Okland und Berryman2004) und uneinheitliche Zeit- und Raumskalen betrachtet(Bigler et al. 2005; Schroeder und Lindelow 2002), so dass ein Ver-gleich der Ergebnisse zwischen Studien erschwert wurde. Einquantitativer Vergleich von Ergebnissen verschiedener Studi-en ist jedoch wesentlich um abzuschätzen, ob die angespro-chenen Interaktionen von ökologischer und ökonomischer Be-deutung sind. Darüber hinaus ermöglicht das Wissen um denZusammenhang zwischen Störungen die Prognose zukünfti-ger ökologischer Zustände (z.B. bezüglich der Altersstruktureines Bestandes).

Um zu einem besseren Verständnis dieses Systems von Stö-rungsregimen und ihrenWechselwirkungen beizutragen, wur-de das Konzept der Störungsinteraktionen im Rahmen einesstrukturell einfachen, zeitlich diskreten mathematischen Mo-dells formuliert, das mit Standardmethoden analysiert werdenkonnte. Dabei zeigte sich, dass auch dann ein stabiles Gleich-gewicht zwischen Waldbestand und Störungsflächen entste-hen konnte, wenn sich alle Störungen gegenseitig verstärken.

In einem nächsten Schritt sollen die Ergebnisse dieses stra-tegischen Störungsinteraktionsmodells mit Simulationsstudi-en des Landschaftsmodells LandClim, in dem die StörungenBorkenkäfer, Windwurf, Dürre und Feuer repräsentiert sind,in Situationen realistischer Komplexität überprüft werden.

Die beiden vorgestellten Studien verdeutlichen, dass dieAuswirkungen von innerartlicher Variabilität und Störungs-interaktionen auf die zukünftige Waldentwicklung ein span-nendes Forschungsfeld darstellen. Erste Ergebnisse zeigten,dass beide Themen einen Einfluss auf die Prognose zukünfti-ger Walddynamik im Klimawandel haben und daher ein ver-bessertes Verständnis dieser Prozesse wichtig für die Ablei-tung sinnvoller Handlungsempfehlungen ist.

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Wurzelschäden

Windwurf

Geschädigte Bäume

Ressourcen/Habitat

Borkenkäfer

VitalitätDürre

Entzündbarkeit

Feuer

Brenn-material

+

+

+ +

++ +

Abbildung 3: Mögliche Interaktionen zwischen den wichtigstenWald-Störungsregimen

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Ausgabe 44|2011

Nachrichten aus dem Zentrum Wald-Forst-Holz

Waldforschung aktuell

Die BucheNeue Perspektiven für Europas dominierendeLaubbaumart

Bernhard Felbermeier und Reinhard Mosandl

Der Deutsche Buchenwald ist UNESCO-Weltnaturerbe geworden. Fernsehen, Inter-net und Druckmedien berichten über dieses faszinierende Waldökosystem. Die Er-haltung des Buchenwaldes ist auf der politischen Agenda und soll zur Entwicklungvon Wildnis in Deutschland beitragen.

AUS DEM ZENTRUM WALD-FORST-HOLZ

Die Buche ist in den gemäßigten undwarm gemäßigten Klimazonen der nördli-chen Hemisphäre zu Hause. In Europa undKleinasien einschließlich der benachbartenRegionen gehört sie zu den wüchsigstenund forstwirtschaftlich bedeutendstenwaldbildenden Laubbäumen. Sie ist aus-gesprochen schattentolerant und kannsich daher unter dem dichten Kronendachvon Altbeständen, wo andere Baumartenkaum eine Chance haben, erfolgreich an-siedeln. Die Buche dominiert infolgedes-sen auf großer Fläche die natürliche Wald-entwicklung in Rein- und Mischbeständen.

Wo liegt der Ursprung der Buche?Die fossilen Überreste der ersten europäi-schen Buchen stammen aus dem mittlerenTertiär. In dieser durch subtropisches Klimageprägten Zeit lebten in Europa zahlreicheBaumarten, darunter auch mehrere Bu-chenarten. Im darauffolgenden Pleistozänwaren Buchen während der Warmzeitenimmer in Europa nachzuweisen, doch star-ben sie bis auf die Orientalische Buche aus.Die Orientbuche siedelt heute zusammen

mit anderen Überresten der tertiären wär-meliebenden Laubwaldflora in Kleinasien,im Kaukasus und im Elbursgebirge. Nachderzeitigem Kenntnisstand entwickeltesich erst während der letzten Eiszeitaus der Orientbuche die etwas kleinblättri-gere Rotbuche, welche Europa nach derletzten Eiszeit wiederbesiedelte. In Süd-osteuropa bilden beide Buchen Über-gangsformen. Auf Grundlage neuerermorphologischer und genetischer Unter-suchungen wird heute im westlichen Eura-sien botanisch nur mehr die Buchenart Fa-gus sylvatica ausgeschieden, welche in diebeiden Unterarten Rotbuche (Fagus sylva-tica ssp. sylvatica) und Orientbuche (Fagussylvatica ssp. orientalis) unterteilt wird. Fürdie Orientbuche lassen sich verschiedenegeographische Rassen und eine im Ver-gleich zur Rotbuche höhere genetischeDifferenzierung der Populationen nach-weisen. Man erklärt sich diese Unterschie-de unter anderem mit der fragmentiertenVerbreitung der Orientbuche sowie mitstarken Standortsunterschieden vor allemim Kaukasus und Elbursgebirge.

Merkmale und Verbreitungder BucheFagus sylvatica entwickelt im Freistand ei-ne weit ausladende Krone und bildet imBestandesschluss bis zu 25 Meter langeastfreie Schäfte. Die maximal gemessenenBaumhöhen betragen 50 Meter, die größ-ten Durchmesser in Brusthöhe liegen bei2,90 Meter. An der natürlichen Waldgren-ze verkümmert Fagus sylvatica zu Busch-formen.

Das natürliche Verbreitungsgebiet vonFagus sylvatica erstreckt sich vom Nord-westen der Iberischen Halbinsel bis in dasöstliche Elbursgebirge am KaspischenMeer. Die nördliche Verbreitungsgrenzeliegt bei Oslo. An ihrer Südgrenze siedeltsie auf Sizilien, im syrisch-türkischen Ama-nusgebirge und in den Gebirgsregionennördlich von Teheran. Die vertikale Ver-

Abbildung 1: Kleinflächiger Wechsel von vitalen,absterbenden und toten Buchen im slowenischenBuchen-Tannen-Urwald Rajhenavski Rog; in denentstehenden Lücken entwickelt sich Buchennatur-verjüngung.

Foto: B. Felbermeier

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Waldforschung aktuell 44|2011

breitungsgrenze steigt von Meeresniveauin Skandinavien bis auf 2.600 Meter im El-bursgebirge an. Außerhalb ihrer natürli-chen Verbreitung wird Fagus sylvatica un-ter anderem in Großbritannien erfolgreichangebaut.

Das Areal von Fagus sylvatica wird kli-matisch durch Trockenperioden und Konti-nentalität begrenzt. Der Jahresnieder-schlag im Verbreitungsgebiet beträgt inhumiden Regionen mindestens 500 Milli-meter, in sommertrockenen Gebieten min-destens 600 Millimeter. Sommerliche Tro-ckenperioden über drei Monate schließendie Buche aus. Nebellagen an der Küsteund in den Gebirgen sowie hangwasserzü-gige Standorte begünstigen die Buche insommertrockenen Gebieten. Schnee för-dert in trockeneren Gebieten die Buchen-verjüngung, da die Austrocknung derempfindlichen Sämlinge vermieden wird.Im Bereich der klimatisch bedingten Ver-breitungsgrenzen bestimmt vor allem dieWechselwirkung von Strahlungshaushaltund Topographie die Besiedlung.

Die Dynamik des BuchenwaldesStandardmäßig lässt sich der Lebenszyklusdes Buchenwaldes in vier Phasen einteilen,welche in der Fläche mosaikartig ineinan-der greifen:(1) Reifephase: Kräftiges Baumwachstumbei geschlossenem Kronendach und Ver-ringerung der Stammzahl durch intensiveKonkurrenz.(2) Terminalphase: Ein- und mehrschichti-ge Waldstrukturen mit ersten altersbe-dingten Ausfällen einzelner Bäume. Die

Terminalphase nimmt wegen ihrer langenDauer den größten Flächenanteil ein.(3) Zerfallsphase: Absterben und Zusam-menbruch von Altbäumen. Erste Verjün-gung stellt sich in den Lücken ein.(4) Verjüngungsphase: Intensive Verjün-gung unter Beteiligung von Mischbaum-arten abhängig von der Lückengröße.

In den europäischen Buchenurwaldres-ten dauert ein Entwicklungszyklus circa250 Jahre. Die einzelnen Phasen treten da-bei meist kleinräumig und häufig in Di-mensionen unter 0,1 Hektar auf (Abbil-dung 1). Nur bei flächigen Störungen,etwa durch Sturm, kann sich das Mosaikvergröbern und es bilden sich mitunter hal-lenartige Bestände. Auf Grund fehlenderKonkurrenz setzt sich die Buche in Europameist durch. Weitläufige Urwälder der Ori-entbuche sind auf der Nordseite des persi-schen Elbursgebirges zu finden. Sie weisendurchgehend eine sehr kleinflächige Struk-tur auf und besitzen einen plenterwald-artigen Aufbau (Abbildung 2). Zusammenmit zahlreichen Laubbaumarten und Eibebildet die Buche dort wüchsige Mischbe-stände. Weitere Nadelbaumarten kom-men im Elbursgebirge von Natur aus nichtvor. In den naturnahen Buchenwälderndes Kaukasus und der Nordtürkei findensich hingegen Bergmischwälder mit Fich-ten- und Tannenarten.

Nutzung des BuchenwaldesDeutschland war bis zum Eintreffen derRömer fast vollständig von Wald und zuzwei Dritteln mit Buchenwald bedeckt. Erdiente den Menschen in den darauffolgen-

den Perioden vorwiegend für landwirt-schaftliche und jagdliche Zwecke sowie zurEnergiegewinnung und Glasherstellung.Bis in die Neuzeit wurde ein Großteil derBuchen- und Buchenmischwälder zerstört.Heute sind 31 Prozent der Landesflächebewaldet und 15 Prozent der Waldflächemit Buche bedeckt. Der überwiegende Teildes Buchenwaldes wird für die Holzpro-duktion genutzt.

Buchenholz ist gut zu bearbeiten, leichtspaltbar und mit Ausnahme des rotkerni-gen Bereiches gut zu imprägnieren. Eskann geschält, gemessert, gedrechselt undpoliert werden. Nagel-, Schraub- und Leim-verbindungen sind leicht durchzuführen.Die Trocknung muss langsam und sehrsorgfältig erfolgen, da das Holz leicht zurRissbildung und zum Werfen neigt. Es lässtsich jedoch sehr gut dämpfen, wodurchdiese für die Holzverwendung nachteiligeEigenschaft verringert wird. Das Holz er-hält dabei zunächst einen hellroten, späternachdunkelnd einen rotbraunen, den Tro-penhölzern ähnlichen Farbton. In heiß ge-dämpftem Zustand ist es gut formbar.

Stammholz wird traditionell bei derHerstellung von Möbeln, Treppen, Parkettund Holzpflaster verwendet. Auch rotker-niges Holz wird unter dem Namen »Wild-buche« verkauft und für dekorativeZwecke eingesetzt. Ferner lassen sich Holz-waren wie Werkzeugstiele, Fässer, Instru-mententeile, Spielwaren, Schlitten undHausgeräte daraus herstellen. Neuere Ein-satzmöglichkeiten ergeben sich nach Vor-behandlung auch im Außenbereich oderals Bau- und Brettschichtholz. Stammholzminderer Qualität wird zu Paletten undEisenbahnschwellen verarbeitet. Aus Bu-chenwertholz werden meist Furniere her-gestellt, welche in der Sperrholzprodukti-on oder im Möbelbau Einsatz finden.

Buchenindustrieholz wird in großemUmfang zu Holzwerkstoffen verarbeitet.Es ist Bestandteil von Tischler-, Verbund-,Partikel-, Span-, Faser- und Gipsplatten.Kunstfasern wie Viskose werden aus Bu-chenhalbstoffen hergestellt.

Abbildung 2: Plenterwaldstrukturen imkaspischen Buchenurwald; dicke und dünneBäume stehen auf kleiner Fläche beieinander.

Foto: R. Mosandl

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Waldforschung aktuell 44|2011

Buchenbrennholz und -hackschnitzel spie-len bei den erneuerbaren Energien einezunehmend wichtige Rolle. Ausreichendan der Luft getrocknet kann es umwelt-freundlich verbrannt werden. Die bei derHolzbearbeitung anfallenden Buchenspä-ne werden zu Holzbriketts und -pellets ver-arbeitet.

Wege zur natürlichen biologischenVielfaltBuchenwälder sind ein wichtiger Bausteinzur Erreichung der gesellschaftlichen Ziel-setzung einer nachhaltigen Entwicklung.Die Verwendung des durch reine Sonnen-energie erzeugten und vielseitig nutzba-ren Rohstoffes Buchenholz mindert denEinsatz von Energie und schützt dadurchdie Bio-, Geo- und Atmosphäre.

Buchenwirtschaftswälder besitzen je-doch eine im Vergleich zum Urwald gerin-gere biologische Vielfalt. Auf einem Pro-zent der Buchenwaldfläche in Deutschlandwurden daher weitgehend urwaldähnli-che Buchenwaldreste unter Prozessschutzgestellt, d.h. sich selbst überlassen, um dienatürliche Biodiversität und Walddynamikzu erhalten. Diese zerstreuten, durch einenaturferne Infrastruktur und Landwirt-schaft isolierten Schutzgebiete können je-doch nur eine begrenzte Wirkung entfal-ten. Die natürliche Biodiversität lässt sichim Grunde nur in der Fläche wiederherstel-len. Dies geht aber nicht ohne Nutzungs-verzichte.

Im Wirtschaftswald müssten also die Flä-chenanteile der Buche insgesamt und ins-besondere die Zerfallsphasen des Buchen-waldes soweit ausgeweitet werden, dasssich die natürliche Biodiversität wieder ein-stellt. Je kleinflächiger dabei die waldbau-lichen Eingriffe erfolgen, desto mehr nä-hert man sich der natürlichen Dynamik desBuchenwaldes an und desto geringer wirdder Flächenbedarf für die derzeit noch feh-lenden Entwicklungsphasen.

Femelschlagverfahren und die Anwen-dung von Plenterprinzipien haben sichhierbei sowohl in Europa als auch im Ori-ent bewährt. Zusätzlich können einzelnelebende, abgängige und tote Buchen inausreichender Dichte und Dimensionie-rung zwischen den potentiellen Erntebäu-men belassen werden, um späte Terminal-und Zerfallsphasen in natürlicher Vertei-lung in den Wirtschaftswald zu integrie-ren. Auch geringwertiges Astholz kann imWald verbleiben, um die natürlichen Zer-setzungsprozesse zu fördern.

Die kleinflächige Vorgehensweise istwirtschaftlich vorteilhaft, da natürlicheEntwicklungsprozesse genutzt und Pro-duktionsrisiken reduziert werden. Nut-zungsverzichte beim Holz und Mehrauf-wendungen für die Gewährleistung derArbeitssicherheit im Umfeld von totenBäumen müssten jedoch entschädigt wer-den, um den Waldeigentümer gegenüberanderen Wirtschaftszweigen nicht zu be-nachteiligen.

Forstwirtschaft und NaturschutzDieses mehr an Wildnis – man könnte auchsagen der »wirtschaftsnahe Naturwald« –könnte die biologische Vielfalt im großenMaßstab am umfassendsten schützen undinfolgedessen die Funktionalität und An-passungsfähigkeit des Waldes verbessern.Das Naturkapital und das Geldkapital imWald wären dadurch bestens gesichert.Ein naturschutzkonformer Umgang mitdem Buchenwald ist also eine verantwor-tungsvolle Aufgabe, welche professionelleAusbildung, langjährige Erfahrung mitdem Wald und ausreichend Personal imWald erfordert.

Dass die Naturschutzorientierung vonder Bevölkerung gewünscht ist, zeigenUmfragen der Bundesregierung: Über 90Prozent der Bürger sind der Meinung, dasses wichtig ist, Tier- und Pflanzenarten vordem Aussterben zu schützen und für einenverbesserten Naturschutz zu sorgen. Die-sen Auftrag sollte man annehmen und zei-gen, dass die »Deutschen Buchenwälder«bei den für Naturschutzfragen offenenForstleuten in guter Hand sind.

ZusammenfassungDie im westlichen Eurasien beschriebenenBuchenarten werden heute alle botanischder Art Fagus sylvatica zugeordnet. Ihr Ver-breitungsgebiet reicht von Spanien bis inden Iran und von Skandinavien bis nachSizilien. Das Areal von Fagus sylvatica wirdklimatisch durch Trockenperioden undKontinentalität begrenzt. Der Jahresnie-derschlag im Verbreitungsgebiet beträgt inhumiden Regionen mindestens 500 Milli-meter, in sommertrockenen Gebieten min-destens 600 Millimeter. Sommerliche Tro-ckenperioden über drei Monate schließendie Buche im Regelfall aus. Die natürlicheEntwicklung der Buchenwälder in Europaund im Orient verläuft vorwiegend kleinflä-chig. Entsprechend angepasste Waldbau-verfahren ermöglichen es, die natürlichebiologische Vielfalt auch im Wirtschafts-wald zu erhalten und wiederherzustellen.

Dr. Bernhard Felbermeier ist wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Waldbauder Technischen Universität Mü[email protected]. Dr. Reinhard Mosandl leitet denLehrstuhl für Waldbau der TechnischenUniversität Mü[email protected]

Literaturhinweise

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2007): Natio-nale Strategie zur Biologischen Vielfalt. 178 S.

Ellenberg, H.; Leuschner, C. (2010): VegetationMitteleuropas mit den Alpen. 1333 S.

Felbermeier, B.; Marvie-Mohadjer, M.R.(2011): Fagus orientalis. In: Roloff, A.; Weis-gerber, H.; Lang, U.; Stimm, B.: Enzyklopädieder Holzgewächse. Im Druck.

Felbermeier, B., Mosandl, R. (2002): Fagus syl-vatica. In: Roloff, A.; Weisgerber, H.; Lang, U.;Stimm, B.; Enzyklopädie der Holzgewächse.20 S.

Gayer, Karl (1886):Der gemischteWald. Parey.168 S.

Korpel, S. (1995): Die Urwälder der Westkar-paten. Fischer. 310 S.

Mosandl, R. (2009): Geschichte der Wälderund Forste in Mitteleuropa im letzten Jahrtau-send. In: Herrmann, B.: Beiträge zum Göttin-ger Umwelthistorischen Kolloquium 2008 –2009. S. 91–114

Meyer, P.; Tabaku, B.; v. Lüpke, B. (2003):DieStruktur albanischer Rotbuchen-Urwälder: Ab-leitungen für eine naturnahe Buchenwirt-schaft. Forstwissenschaftliches Centralblatt122 (2003), 47−58

Sefidi, K.; Marvie-Mohadjer, M.R.; Mosandl,R.; Copenheaver, C.A. (2011):Canopy gaps andregeneration in old-growth Oriental beech (Fa-gus orientalis Lipsky) stands, northern Iran.Forest Ecology and Management 262: 1094–1099

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Waldforschung aktuell 44|2011

IM RÜCKBLICK

Tag der offenen Tür am ZentrumWald-Forst-Holz

Großer Andrang herrschte Ende Juli beimTag der offenen Tür am Zentrum Wald-Forst-Holz. Tausenden Besuchern wurdenin schönem naturverbundenen Ambientespannende Ausstellungen, Vorträge, einetolle Greifvogelschau und viele kulinari-sche Genüsse geboten.

Anlass für den erstmalig gemeinsamveranstalteten Tag der offenen Tür warendie Jubiläen der Hochschule Weihenste-phan-Triesdorf (HSWT) und der Bayeri-schen Landesanstalt für Wald und Forst-wirtschaft (LWF). Die HSWT wurde 40Jahre alt, die LWF kann sogar auf stolze130 Jahre zurückblicken.

Familien und Interessierte aus Freisingund Umgebung nutzten die Angebote amFostcampus, um mehr über die ThemenWald und Klima, Waldbewohner undForstwirtschaft zu erfahren. Den wissen-schaftlichen Rahmen bildeten Fachvorträ-ge über aktuelle Auslandsprojekte in Ecua-dor und Äthiopien sowie politischrelevante Themen zum Klimawandel undnachwachsenden Ressourcen. Als beson-derer Gast verriet die BR-RedakteurinChristine Schneider von der Sendung »Un-ser Land«, wie Themen rund um den Waldden Weg ins Fernsehen finden.

Vor den Augen zahlreicher Zuschauerfielen tausende Späne, als der Motorsä-genkünstler Christian Herzog seine künst-lerischen Fertigkeiten mit der Motorsägepräsentierte. So entstanden im Laufe desTages mehrere kleine Tierskulpturen. AlsBeweggründe für die etwas ungewöhnli-che Freizeitbeschäftigung nannte derKünstler die Freude an der Arbeit mit Holzund die Möglichkeit, in kurzer Zeit mit derMotorsäge ein Kunstwerk zu schaffen.

Als Besuchermagnet erwiesen sich diebeiden Falkner Sandra und WolfgangSchreyer. Mit ihren fünf Greifvögeln botensie eine spektakuläre Show voller atembe-raubender Flugvorführungen und Jagd-szenen. So konnten die Besucher unteranderem einen Lannerfalken, einenSchwarzen Milan und einen Weißkopfsee-adler aus nächster Nähe bestaunen und indie Faszination der Falknerei eintauchen.Die Besucherkinder wurden sogar aktiv indie Show eingebunden: Sie durften die Vö-gel auf ihren Arm nehmen oder sich als As-sistenten betätigen.

Viele bunte Stände waren rund um dieForstgebäude aufgebaut. Für jeden, ob altoder jung, war etwas zum Bestaunen,zum Selbermachen und zum Lernen dabei.

Zur Stärkung gab es viele kulinarischeGenüsse. Dicht gedrängt standen die Leu-te, um etwas von dem köstlichen Spanfer-kel zu ergattern. Im Angebot warenaußerdem Grillspezialitäten, Wildschwein-gulasch sowie Kaffee und Kuchen zumNachtisch.

Auch die Kinder kamen nicht zu kurz.Als Nachwuchsforscher konnten sie im Kin-derlabor in die Welt der Wissenschaft ein-tauchen (siehe Foto). Für die Kleinen warKinderschminken geboten und für die Mu-tigen stand ein acht Meter hoher Baumbereit, den sie wie die Baumkletterprofiserklimmen konnten.

Viele Studieninteressierte nutzen denTag der offenen Tür und informierten sichüber die verschiedenen Studiengänge derTU München und der Hochschule Weihen-stephan-Triesdorf. Gerade in Zeiten desAtomausstiegs und der knapper werden-den natürlichen Ressourcen steigt dieNachfrage nach nachwachsenden Roh-stoffen und ausgebildeten Fachkräften indiesen Bereichen.

Den Organisatoren gelang mit dem Tagder offenen Tür ein spannender und ab-wechslungsreicher Tag, bei dem auch diebayerische Waldprinzessin Eva Ritter, dieselbst Forststudentin der TU München ist,anwesend war. red

22. Weihenstephaner Forsttag:»Bachelor trifft Arbeitsmarkt«Mit Ende des Sommersemesters 2011verabschiedete die Fakultät Wald undForstwirtschaft der Hochschule Weihen-stephan-Triesdorf ihre ersten Bachelor-Ab-solventen. Der Bachelor wurde im Rahmendes europäischen Bologna-Prozesses alsNachfolger des Dipl. Ingenieurs (FH) ein-geführt. Dekan Professor Andreas Rothestellte den Studienablauf und die aktuelleAbsolventenbefragung vor. Die Ergebnissezeugen von einer hohen Berufszufrieden-heit, über 80 Prozent arbeiten nah am klas-sischen Forstbereich und würden wiederForstwirtschaft an der HSWT studieren.

Die Vertreterin der Studenten, SilviaBackhaus, stellte das Studium aus ihrer Sichtda. Die Studenten des Bachelorstudien-gangs eigneten sich in sechs theoretischenSemestern mit insgesamt 47 Prüfungen einumfangreiches Fachwissen an. Dieses wirdim Praxissemester und im achtwöchigenPraxisprojekt vertieft und umgesetzt. DieAusbildungsinhalte sind denen des ehema-ligen Diplomstudienganges sehr ähnlich, sodass die Absolventen beider Studiengängeannähend gleich qualifiziert seien.

Dies sahen die Teilnehmer der anschlie-ßenden Podiumsdiskussion ähnlich. Des-halb sei nicht der Abschluss, sondern derAbsolvent und seine Leistungen entschei-dend für einen guten Start in das Berufsle-ben. Das Podium bestand aus Arbeitgeber-vertretern der Forstverwaltung, derBayerischen Staatsforsten, der Waldbesit-zervereinigungen, der Gemeindewälder,der Industrie und der Entwicklungshilfe.Sie alle wünschen sich neben dem fachlichgut ausgebildeten Förster einen Mitarbei-ter mit großer sozialer Kompetenz.

Alle Organisationen bescheinigten denBachelorabsolventen aktuell gute Chan-cen für den Berufseinstieg. red

Foto: F. Mergler

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ZWFH unterstützt »InternationalLeadership Training« der GIZ

Seit Januar 2011 bündelt die Deutsche Ge-sellschaft für Internationale Zusammenar-beit (GIZ) die Kompetenzen und langjähri-gen Erfahrungen des DeutschenEntwicklungsdienstes (DED), der Deut-schen Gesellschaft für Technische Zusam-menarbeit (GTZ) und der InternationalenWeiterbildung und Entwicklung gGmbH(InWEnt) unter einem Dach. Im Rahmendes GIZ-Trainingsprogramms besuchtenAnfang August künftige Nachwuchsfüh-rungskräfte aus China, Tadschikistan, Ne-pal und Pakistan auch das Forstzentrumund informierten sich dort ausführlichüber dessen Struktur und Ressourcen.

enders

Professor Volker Zahner wirdneuer Dekan an der HSWT

Professor Dr. Volker Zahner übernimmtmit Beginn des Wintersemesters 2011/12das Amt des Dekans der Fakultät Waldund Forstwirtschaft der Hochschule Wei-henstephan-Triesdorf. Sein VorgängerProf. Dr. Andreas Rothe bleibt als Prode-kan in der Fakultätsleitung. Der von der Fa-kultät eingeschlagene Kurs bleibt durchden Wechsel unberührt. mergler

Thomas Lutz: Neuer Mitarbeiteran der HSWT

Thomas Lutz unterstützt die Lehre an derFakultät Wald und Forstwirtschaft. Zu sei-nen Aufgaben gehört die Vorbereitungund Durchführung von Praktika, dieBetreuung der Versuchsflächen sowie dieMitwirkung in der Lehre. Thomas Lutz,der Mitte der neunziger Jahre selbst ander Hochschule Weihenstephan-Triesdorf(HSWT) Forstwirtschaft studiert hatte,betreut auch die Versuchsflächen der Fa-kultät. Zuvor war Lutz sechs Jahre lang Re-vierleiter eines Privat- und Körperschafts-waldreviers am Amt für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten in Ingolstadt.Nun gibt er seine Erfahrungen als Prakti-ker an die Studierenden weiter. mergler

Foto: G. Enders Foto: F. MerglerFoto: V. Zahner

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AUS DEM ZENTRUM WALD-FORST-HOLZ

AUS DER LESEECKE

Waldtypen, Vegetation undKlimawandel»Waldtypen, Vegetation und Klimawan-del im Vinschgau, einem inneralpinen Tro-ckental«, so lautet der Titel einer Broschü-re, die die Beiträge der Tagung derArbeitsgemeinschaft Forstliche Standorts-und Vegetationskunde (AFSV) zusammen-fasst, die im Jahr 2011 im südtiroler Vinsch-gau stattfand. Hauptthema und zentraleFrage war, wie wohl die Waldbäume aufdie Klimaerwärmung reagieren werden.Mit seinen Kontrasten zwischen Weinbau-klima und Gletschern ist der Vinschgau derideale Ort, um über den Wald im Klima-wandel zu diskutieren. 13 Fachautoren –Heinz Wanner, Thomas Wilhalm, Chris-toph Hintner, Jörg Ewald, Markus Wallner,

Birgit Reger, Franz Klaushofer, AndreasRigling, Matthias Dobbertin, Christian Köl-ling, Ralf Klosterhuber, Imelda Ellecostaund Georg Pircher – haben sich eingehendmit dieser Thematik beschäftigt. Heraus-gegeben hat diese Broschüre Prof. Dr. JörgEwald, der an der Hochschule Weihenste-phan-Triesdorf Botanik und Vegetations-kunde lehrt. red

Jörg EwaldWaldtypen, Vegetation und Klima-wandel im Vinschgau, einem inner-alpinen TrockentalVerlag Kessel, 118 Seiten mit 17 Farb- und24 S/W- AbbildungenISBN: 978-3-941300-45-3Preis: 19,00 Euro

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

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Sommer mit gemischten GefühlenWKS-Witterungsreport: Unbeständig feucht-kühler Juli und warmer August

Lothar Zimmermann und Stephan Raspe

Nachdem bisher alle Monate in diesem Jahr zuwarm ausgefallen waren, wurde es im Juli endlich wieder einmal zu kalt. Unbestän-diges Tiefdruckwetter brachte bis zu 40 Prozent mehr Regen als normal und sorgte für zahlreiche Unwetter. Im August setzte sichbei höheren Temperaturen (+1,5 Grad) die Neigung zu Blitz, Donner und Hagel fort. Dafür gab es aber auch einige Sommertage.

Für den Wald sorgte die unbeständige Witterung in beidenMonaten mit vielen Schauern für ein üppiges Wasserangebotaus der Atmosphäre.

Juli: »Wann wird's mal wieder richtig Sommer«

So nach dem Schlager von Rudi Carell aus dem Jahr 1975 kannman diesen Juli kurz charakterisieren. Auch die Landwirtemussten ihre Hoffnungen auf gutes Heuwetter trotz eines son-nigen Siebenschläfertages begraben. Für alle an der Meteoro-logie Interessierten war der Juli jedoch wegen seiner Starknie-derschläge, tennisballgroßenHagelkörner und sogar Tornadoseher spannend und abwechslungsreich.

Klimatologisch war der Juli der ersteMonat in diesem Jahr,der zu kalt ausgefallen ist und auch noch zu wenig Sonnen-schein hatte. Während der Juni imMittel nur »etwas zu nass«war, gab es nun Rekordniederschläge zu verzeichnen. Zu An-fang desMonats war Unbeständigkeit das einzige Beständige.Unter einer Westwetterlage wechselten sich Tiefs und Hochs

NiederschlagMittlere Abweichung allerWKS zum Mittel 1961–1990

+ 38 %

Jul

Aug

Positive Abweichung

Negative AbweichungKürzel für die Waldklimastationen(siehe Tabelle)

– 3 %

SON

HOE

PFE

TemperaturMittlere Abweichung allerWKS zum Mittel 1961–1990

– 1,3 °C + 1,5 °C

Jul

Aug

PFE

HOE

in lockerer Folge ab. Der tiefe Luftdruck wich auch nicht inder zweiten Monatshälfte. Die Hundstage zum Monatsende,die häufig zu den wärmsten Tagen des Jahres zählen, wolltensich ebenfalls nicht einstellen. Am 10. Juli fielen im ChiemgauHagelkörner in der Größe von Tischtennisbällen. Am 12. wü-teten besonders in Niederbayern Unwetter, wobei sich sogarin der Nähe von Plattling ein Tornado bildete. Mit Windge-schwindigkeiten zwischen 120 bis 180 Kilometern pro Stun-de knickte der Tornado Bäume und Überlandleitungen unddeckte Dächer ab. Die Kaltfront sorgte für eine deutliche Ab-kühlung. Am Alpenrand war bei Schnürlregen-Wetter mit 13Grad in den Tälern und 6 Grad in 1.800 Meter Höhe eher einwärmender Jagertee in der Hütte als ein Weißbier im Biergar-ten angesagt. Nachfolgend sorgte ein Höhentrog, der bis insMittelmeer reichte, weiter für den Zustrom von Tiefs. Einesder Tiefs mit einer nahezu kreisrunden Zugbahn über Mittel-europa (Nordatlantik-Mittelmeer-Mitteleuropa-Osteuropa)sorgte vom 19. bis zum 24. Juli für viel Regen. Als Spitzenwertwurden an derWaldklimastation Altdorf bei Nürnberg am 20.Juli 68 Liter pro Quadratmeter gemessen. Wegen der starken

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011

witter, wird der Winter kalt und bitter!« Warten wir also malab, wie sich der Winter 2011/12 heuer präsentieren wird.

Kurz noch zum Sommer 2011mit seinenMonaten Juni, Ju-li und August: Er war in Bayern nahe dem Durchschnitt, miteiner Lufttemperatur von 15,9 °C lag er nur 0,7 Grad über demlangjährigen Mittel. Gleichzeitig gab es mit 338 Litern proQuadratmeter etwas mehr Regen (+6%) undmit 583 Stundenetwas weniger Sonnenschein (-8 %) (DWD 2011a). Aber schondiese kleinen Abweichungen reichten wohl für die meistenMenschen aus, um ihn in schlechter Erinnerung zu behalten.DerWald hingegen dürfte ihn durch die regelmäßigenNieder-schläge und wachstumsfördernden Temperaturen angenehmempfunden haben, wenn ihm nicht gerade Hagel oder Sturm-böen lokal zugesetzt haben.

Literatur

DWD (2011a): Witterungsreport Express. Juli + August 2011

DWD (2011b):AgrarmeteorologischerWitterungsreport Juli + August 2011

Dr. Lothar Zimmermann und Dr. Stephan Raspe sind Mitarbeiter inder Abteilung »Boden und Klima« der Bayerischen Landesanstaltfür Wald und Forstwirtschaft. [email protected],[email protected]

Niederschläge in Mittelfranken musste sogar die AutobahnA73 zwischen Nürnberg und Forchheim wegen Überflutungeinen Tag lang gesperrt werden.

Ganz imGegenteil zumheißen Juli des letzten Jahres fiel derJuli heuer 1,3 Grad kälter aus als im langjährigen Mittel. AufGrund der häufigen Unwetter und des Tiefdruckeinflusses fie-len 38 Prozent mehr Regen als normal. KeinWunder, dass sichdie Sonne daher rund ein Fünftel seltener zeigte als üblich.

August im Aprilkleid

Zwar war der August im klimatologischenMittel doch deutlichwärmer als normal, gleichzeitig aber auch unbeständig und teil-weise schon von herbstlichem Charakter geprägt. In der erstenAugustdekade fühlte man sich zeitweise in einen typisch unbe-ständigenApril versetzt. Zwischen einem skandinavischen Tief-druckgebiet und einemHochdruckgebiet über demOstatlantikgelangte kalte Luft aus polaren Breiten nach Mitteleuropa. Daes in höheren Luftschichten ungewöhnlich kalt war, betrug dieTemperaturdifferenz zwischen der Luft am Erdboden und derin 5.500 Meter Höhe zum Teil 40 Kelvin, was die Entstehungvon kurzen Gewittern und kräftigen Schauern begünstigte. Dadabei am Boden und in höheren Luftschichten ein kräftigerWind wehte, zogen diese Schauer und Gewitter recht schnellüber das Land undmachten teilweise inwenigenMinuten Platzfür blauenHimmel und Sonnenschein. Die aus polarenBreitenstammende Luftmassewar außerhalb der Schauer ziemlich tro-cken. Die relative Luftfeuchtigkeit ging zwischen den Regen-schauern zum Teil bis auf 40 Prozent zurück. Dadurch gab esauch eine gute Fernsicht von gebietsweise mehr als 50 Kilome-tern. Dieses Wechselspiel führte dann zu dem Aprilwettercha-rakter der ersten Augusthälfte. Zur Monatsmitte wurde es wie-der etwas wärmer, blieb jedoch weiterhin unbeständig, da sichTiefdruckgebietemit kurzenZwischenhochs abwechselten. Da-nach nahm der Hochdruckeinfluss zu, es blieb nun an mehre-ren Tagen trocken und hochsommerliche Temperaturen vonüber 30 °Cwurden erreicht. In der letztenAugust-Dekade ström-te heiße Luft tropischenUrsprungs nachBayern. Dadurchwur-den sogar bisherige Temperaturrekorde für die letzteMonatsde-kade übertroffen. Auch die höchsten Sommertemperaturen2011 wurden im August gemessen: Mit 34,4 °C wies die Wald-klimastation Altötting am 23. August die höchste Temperaturaller Waldklimastationen auf. Leider gab es in dieser schwül-heißen Luft zwischen dem 22. und 26. August auch heftige Ge-witter mit Sturm und Hagel. Der nachfolgende Wetterum-schwung zum Monatsende »katapultierte« uns dann direkt inden gefühlten Herbst! Vom 26. auf den 27. gab es an denWald-klimastationen einen Temperatursturz von bis zu 23Kelvin. Ander Waldklimastation Sonthofen wurde morgens der monatli-che Tiefstwert von 3,0 °C gemessen.

Der August war wieder etwas wärmer als normal (+1,5Grad), dafür fiel an den Waldklimastationen nur rund 3 Pro-zent weniger Niederschlag als üblich. Die Sonne schien mit233 Stunden rund 15 Prozent länger als im langjährigen Mit-tel. Eine alte Bauernregel besagt: »Bringt der August viel Ge-

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Mittlere Lufttemperatur und Niederschlagssumme an denWaldklimastationen sowie der Wetterstation Taferlruck

Klimastation Höhe Juli August

m ü. NN Temp °C NS l/m2 Temp °C NS l/m2

Altdorf (ALT) 406 15,8 145 18,4 80

Altötting (AOE) 415 15,7 126 17,6 114

Bad Brückenau (BBR) 812 12,5 75 14,9 114

Berchtesgaden (BER) 1500 11,4 185 14,8 195

Dinkelsbühl (DIN) 468 14,6 110 16,7 78

Ebersberg (EBE) 540 15,2 145 17,4 124

Flossenbürg (FLO) 840 13,1 139 15,7 125

Freising (FRE) 508 15,0 143 17,7 68

Goldkronach (GOL) 800 11,0 124 13,3 113

Höglwald (HOE) 545 15,8 156 18,5 81

Kreuth (KRE) 1100 12,3 241 16,3 175

Mitterfels (MIT) 1025 12,0 207 15,1 137

Pfeffenhausen (PFE) 492 15,9 148 18,6 73

Riedenburg (RIE) 475 15,0 147 17,4 63

Rothenkirchen (ROK) 670 13,5 68 15,6 61

Rothenbuch (ROT) 470 12,5 84 14,8 76

Sonthofen (SON) 1170 11,6 250 15,6 211

Taferlruck (TAF) 770 12,7 190 14,7 94

Würzburg (WUE) 330 15,8 104 17,5 60

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

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Nasse Füße und volle GläserBodenwasserspeicher über weite Strecken in diesem Sommer randvoll

Stephan Raspe und Winfried Grimmeisen

Reichlich Niederschlag und kühle Temperaturen ließen die Wasservorräte in den Waldböden im Juli überall ansteigen. Vielfachwaren dieWasserspeicher vollständig gefüllt, so dass die Baumwurzeln sprichwörtlich nasse Füße bekamen. Als dasWetter Mit-te August wieder auf Hochsommer schwenkte, stand daher für den aufkommenden Durst der Bäume ausreichend Wasser zurVerfügung. Sie konnten sozusagen »aus vollen Gläsern trinken«.

Sättigung und Transpiration in Flossenbürg

Auch an unserem zweiten Mittelgebirgsstandort bei Flossen-bürg im Oberpfälzer Wald füllten sich die Bodenwasserspei-cher im Verlauf des Julis und in der ersten Augusthälfte voll-ständig auf. Erst ab dem 20. August kehrte sich der Trend derBodenfeuchtekurve um und die Wasservorräte im Bodengingen innerhalb von zwei Wochen um etwa 20 l/m² zurück.Die tägliche Transpirationsrate der Fichten stieg auf knapp1,5 l/m² an. Das sind zwar etwas niedrigereWerte, wie wir siean diesem Standort auch im letzten Sommer gemessen haben(Raspe und Grimmeisen 2010), die Transpiration dürfte jedochauf Grund der guten Wasserversorgung dennoch nicht einge-schränkt gewesen sein. Vielmehr waren die atmosphärischenBedingungen in diesem Sommer in denHochlagen derMittel-gebirge für eine höhere Transpiration nicht ausreichend.

Luftmangel für Fichtenwurzeln in Ebersberg

Ähnliche Transpirationsraten wiesen auch die Fichten an derWaldklimastation in Ebersberg in derMünchner Schotterebe-ne auf. Hier ging der Bodenwasservorrat vom 17. August biszum 4. September um 24 l/m² zurück. Das entspricht wieder-um einem täglichenWasserverbrauchmindestens 1,4 l/m². Be-rücksichtigt man die in diesem Zeitraum gefallenen Nieder-schläge, so kommt man auf etwa dieselbe Transpirationsrate,wie wir sie im letzten Jahr an diesem Standort gemessen ha-ben (Raspe und Grimmeisen 2010). Im gesamten Juli bis MitteAugust war der Bodenwasserspeicher jedoch auch hier voll-ständig gefüllt, so dass auch in der Münchner Schotterebenevon Luftproblemen für die Fichtenwurzeln, aber auch von ei-ner reichhaltigen Grundwasserspende in diesem Sommer aus-gegangen werden kann.

Die regenreiche und relativ kühleWitterung im Juli und in derersten Augusthälfte (Zimmermann und Raspe, S. 30–31 in diesemHeft) hinterließ auch ihre Spuren in der Bodenfeuchte. Da-durch gab es in diesem Sommer zu keiner Zeit Engpässe inder Wasserversorgung der Waldbäume. Im Gegenteil: ZumTeil waren die Wasserspeicher übervoll, so dass die Wurzelnim wassergesättigten Boden um Luft ringen mussten. Undauch für eine kräftige Grundwasserspende war gesorgt. Damitsetzte sich der schon im Juni beobachtete Trend steigender Bo-denwasservorräte (Raspe und Grimmeisen 2011)weiter fort. Erstals sich in der zweiten Augusthälfte wieder hochsommerlichesWetter einstellte, kam auch die Transpiration der Bäume wie-der in Fahrt. Auf Grund der hohen Wasservorräte im Bodenkonnten sie dabei aus dem Vollen schöpfen. Die Transpirati-on war zu keiner Zeit eingeschränkt.

Volle Wassersättigung in Mitterfels

Volle Wassersättigung des Waldbodens während des gesam-ten Sommers wurde an der Waldklimastation (WKS) Mitter-fels im BayerischenWald beobachtet. DerWasservorrat im ge-samten durchwurzelten Boden lag immer um oder über 270Liter pro Quadratmeter (l/m²) und damit über der Feldkapa-zität. Häufig waren sogar Grobporen mit Wasser gefüllt, sodass auch ein erheblicher Teil der Niederschläge in das Grund-wasser versickern konnte. Für den Wald bedeutete das, dasses zu keiner Zeit Engpässe in derWasserversorgung gab, wäh-rend empfindliche Arten, wie zum Beispiel die Fichte, mögli-cherweise leichte Probleme mit der Luftversorgung der Fein-wurzeln bekommen hätten. Für die an der WKS Mitterfelsstehenden Buchen dürfte das jedoch weniger problematischgewesen sein, da diese Art nicht so empfindlich gegenüberLuftmangel ist wie die Fichte.

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011

Gute Bedingungen in Freising

An der im Tertiärhügelland gelegenen Waldklimastation beiFreising war der Bodenwasserspeicher auch im Juli lange Zeitnoch nicht gefüllt. Erst gegen Ende Juli erreichte die Boden-feuchte hier kurzzeitig Feldkapazität. Luftmangel für die Baum-wurzeln kann hier daher weitgehend ausgeschlossen werden.Auf Grund der hohen Transpirationsleistung der Buche gingendie Bodenwasservorräte ab Anfang August innerhalb von 24Tagen um knapp 50 l/m² wieder deutlich zurück. Einschrän-kungen in der Wasserversorgung waren jedoch auch hier aufGrund der vollen Bodenwasserspeicher nicht zu befürchten.

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Waldklimastation Flossenbürg, Fichte

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Wasservorrat im Gesamtboden

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Waldklimastation Ebersberg, Fichte

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Waldklimastation Freising, Buche

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Waldklimastation Mitterfels, Buche

Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt

Wertebereich 2000 – 2009

2009/10

2010/11

Die EU förderte die Bodenfeuchtemessungen anden Waldklimastationen vom 1. Januar 2009 bis30. Juli 2011 im Rahmen des Life+ Projektes FutMon.

Literatur

Raspe, S.; Grimmeisen, W. (2010): Hitzesommer ließ Wälder »schwit-zen«. LWF aktuell 78, S. 48–49

Raspe, S.; Grimmeisen, W. (2011): Ende der Austrocknung. LWF aktu-ell 84, S. 36–37

Dr. Stephan Raspe und Winfried Grimmeisen sind Mitarbeiter in derAbteilung »Boden und Klima« der Bayerischen Landesanstalt fürWald und Forstwirtschaft. [email protected],[email protected]

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/201134

Energiewald unter DauerbeobachtungSeit zwei Jahren werden in Kaufering die Auswirkungen einer Kurzumtriebsplantageauf die Grundwasserneubildung und die Trinkwasserqualität untersucht

Martina Zacios, Jörg Niederberger und Christoph Schulz

Anfang 2009 startete das Projekt »Hydrologische, faunistische und ertragskundliche Aspekte eines neu begründeten Energie-waldes in Kaufering«. Die LWF begleitet mit ihren Untersuchungen einen Teil des Nachhaltigkeitskonzepts der Gemeinde Kau-fering, welches unter anderem die Begründung von Energiewäldern in einem Trinkwasserschutzgebiet vorsieht. Im Vergleichzum konventionellen Ackerbau wird von der Extensivierung der Bewirtschaftung eine verbesserte Qualität des Trinkwassers er-wartet und zusätzlich eine ökologische Aufwertung der Flächen erhofft.

Instrumentierung und erste Ergebnisse

Im Zentrum unserer hydrologischen Untersuchungen stehenzwei Fragestellungen. Zum einen, ob sich die Sickerwasserqua-lität unter einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächedurch die Anlage einer Kurzumtriebsplantage verbessert undzum anderen, ob sich die geänderte Landnutzung auf dieMen-ge des auf der Fläche neu gebildeten Grundwassers auswirkt.Um diese Effekte quantifizieren zu können, wurde im Sommer2009 auf der KUP- sowie auf der Ackerfläche je ein drei Metertiefer und zwei Meter breiter Messschacht eingebaut (Abbil-dung 1). In den Schächtenwerden seit Herbst 2009 kontinuier-lich Bodenfeuchten in fünf Tiefen gemessen sowie Sickerwas-serproben mittels Saugkerzen gewonnen. Um neben den amSchacht gemessenenDaten die räumliche Streuung der Sicker-wasserkonzentrationen zu erfassen, wurden im Frühjahr 2011

Die Bayerische Staatsregierung beschloss am 24.Mai 2011 dasBayerische Energiekonzept »Energie innovativ«. Das Energie-konzept sieht unter anderem den Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) vor. Solche KWK-Anlagen produzieren ausBiomasse, beispielsweise Hackschnitzeln aus Kurzumtriebs-plantagen, sowohl Wärmeenergie als auch Strom. Im hier vor-gestellten Projekt werden die Auswirkungen einer Kurzum-triebsplantage (KUP, vgl. Kasten) auf den Wasser- undStoffhaushalt sowie auf die ökologische Artenzusammenset-zung unter anderem von Laufkäfern, Spinnen und Regenwür-mern im Vergleich zur konventionellen landwirtschaftlichenNutzung untersucht. An dieser Stelle soll jedoch ausschließlichauf die hydrologischen Untersuchungen eingegangen werden.

Instrumentierung und erste ErgebnisseKurzumtriebsplantagen (KUP)KUPs dienen zur Erzeugung von Brennholz, weshalb sie oftauch als Energiewälder bezeichnet werden. Im Frühjahr wer-den circa 15 Zentimeter lange Stecklinge auf einer landwirt-schaftlichen Fläche in den Boden eingebracht. Die verwende-ten Baumarten, vor allem Pappeln, Weiden und Robinien,zeichnen sich durch ein rasches Jugendwachstum aus. Bereitsnach drei bis acht Jahren – abhängig vom Standort, von derBaumart und dem gewünschten Ernteverfahren – sind dieBäume »erntereif«. Sie werden in Bodennähe abgeschnitten,also auf den Stock gesetzt, und meist zu Hackschnitzeln oderPellets weiterverarbeitet. Die im Boden verbleibenden Stöcketreiben im Frühjahr nach der Ernte erneut aus. Die neuen Trie-be profitieren dabei vom bereits vorhandenen Wurzelstock,der sie sofort optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgenkann. Dieser Zyklus kann ohne zusätzliche Düngergaben drei-bis fünfmal wiederholt werden. Da eine KUP rechtlich weiterals landwirtschaftliche Fläche und nicht als Aufforstung be-trachtet wird, kann das Areal ohne Weiteres nach der letztenErnte wieder in eine Ackerfläche rückgewandelt werden.

Pro Jahr und Hektar können mit der Wärme aus Hack-schnitzeln 5.000 – 6.000 Liter Heizöl ersetzt werden. Dies be-deutet eine Einsparung von circa 15 Tonnen CO2-Emission proJahr undHektar. In Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wird ausdenHackschnitzeln nebenWärme zusätzlich auch Strom pro-duziert.

Lüftungsöffnung

Data-

Logger

Scha

chtw

and

Pumpensumpf

Einstiegs-öffnung

Kabeldurchführungauf der landwirtschaftlichen Fläche

Saugkerzen 100 cmFeuchte-Sensoren

Abbildung 1: Skizze des Messschachts mit Lage der eingebautenFeuchtesensoren und Saugkerzen

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011

und transpiriert große Mengen an Wasser. Über den Winter2010/2011 füllen sich die Bodenwasserspeicher wieder. Nochstärker als imVorjahr ist abApril 2011 derWasserentzug durchdie Pappel zu erkennen. Im Acker wiederum – zu diesem Zeit-punkt mitMais bestellt – wird der Bodenwasserspeicher durchdie starkenRegenfälle und den geringenWasserentzug der nochkleinen Maispflanzen deutlich aufgefüllt.

Der verstärkte Wasserverbrauch durch die Pappel kannmit ihrer größeren Blattfläche, ihren tiefer reichenden Wur-zeln sowie der längeren Vegetationsperiode erklärt werden.Mit einem Wasserhaushaltsmodell wird u. a. die Menge desunter den beiden Flächen versickernden Wassers berechnet.Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass sich derhöhere Wasserbedarf der Bäume auch in einer verringertenGrundwasserneubildung widerspiegelt.

StoffhaushaltKurzumtriebsplantagenmüssen, anders als landwirtschaftlichintensiv genutzte Flächen, nicht gedüngt werden. Ob und wiesehr sich die Extensivierung der Landnutzung auf die Quali-tät des Sickerwassers auswirkt wird anhand von Bodenwas-serproben untersucht. Die Proben werden aus 85, 185 und un-ter Pappel zusätzlich aus 235 Zentimeter Tiefe gewonnen undauf ihren Gehalt der wichtigsten Nährelemente hin unter-sucht. In Tabelle 1 sind die durchschnittlichen Konzentratio-nen im Sickerwasser dargestellt.

Die pH-Werte der beiden Flächen unterscheiden sichkaum. Auf Grund der regelmäßigen Kalkzufuhr auf der Acker-fläche liegt die Sickerwasserkonzentration von Calcium in bei-den Tiefen deutlich über den Konzentrationen der Pappelflä-che. ImGegensatz dazu ist dieMagnesiumkonzentration in 85Zentimeter Tiefe unter Acker deutlich geringer. Möglicherwei-se ist dies mit dem Nährstoffentzug durch die Ernte zu erklä-ren. In den größeren Tiefen unterscheiden sich die Magnesi-umkonzentrationen kaum. Für Kalium und Sulfat zeigt sich

zusätzlich 25 Saugkerzen in 85 Zentimeter Tiefe über beide Flä-chen verteilt. Auf einer benachbarten Freifläche wird in dreiDepositionssammlern der Niederschlag aufgefangen, um denStoffeintrag (nasse Deposition) auf die Flächen zu bestimmen.Der Anteil des Niederschlags, der tatsächlich unter den Bäu-men auf demBoden ankommt, wirdmitHilfe zweier Bestands-niederschlagsrinnen erfasst (Abbildung 2). Auch dieses Was-ser wird auf seine Inhaltsstoffe hin untersucht.

BodenwassergehaltÜber die Bodenverhältnisse (Korngrößenverteilung, Lage-rungsdichte etc.) lässt sich die Feldkapazität (FK) des Bodensbestimmen, also dieMenge anWasser, die der Boden gegen dieSchwerkraft halten kann. Die nutzbare Feldkapazität eines Bo-dens (nFK) ist wiederum der Anteil des Bodenwassers, derschließlich auch von den Pflanzen aufgenommenwerden kann.

Aus den gemessenen Wassergehalten lässt sich berechnen,welcher Teil der potentiellen nFK tatsächlichmitWasser gefülltist. In Abbildung 3 ist der zeitliche Verlauf dieser effektiv nutz-baren Feldkapazität aufgetragen. Die Unterschiede zwischenKUPundAcker sind deutlich zu erkennen. Auf demAckerwur-de im Herbst 2009 Sommergerste geerntet und Wintergersteausgesät. Schon zuBeginn derMessungen ist zu sehen, dass diePappeln demBoden im SommermehrWasser entziehen als dieAckerfrucht. Über denWinter 2009/2010 füllt sich der Boden-wasserspeicher beider Böden wieder auf, da der Wasserentzugdurch die Vegetation ausbleibt. Im Frühjahr setzt zunächst dieWintergerstemit derWasseraufnahme ein, wohingegen die Pap-pel erst wenige Blätter ausgebildet hat und kaum Wasser ver-braucht. Während einer kleinen Trockenperiode im Juli machtsich die nun große Blattfläche der Pappel deutlich bemerkbar,der Wasserentzug ist jetzt stärker als auf dem Acker. Noch kla-rer ist dieser Effekt nach dem feuchten August zu sehen. Wäh-rend auf dem Acker die Gerste bereits abgeerntet ist und keinWassermehr entzogenwird, steht die Pappel noch voll imLaub

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Abbildung 2: In der Pappelplantage wird der Bestandesniederschlagin zwei Rinnen gesammelt und in einen Auffangbehälter geleitet.

Foto: J. Niederberger

Niederschlag Pappel Acker

Effektiv nutzbare Feldkapazität120

100

80

60

40

20

0

0

20

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200

Mit

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20102009 2011

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Abbildung 3: Anteil der mit Wasser gefüllten nutzbaren Feld-kapazität (nFK); Erläuterungen im Text

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konnten unter demAcker Nitratkonzentrationen zwischen 40und 230 mg/L gemessen werden. Der Grundwasserspiegelliegt auf der Lechterrasse knapp 20 Meter unterhalb der Ge-ländeoberkante. Bis das Sickerwasser zur Trinkwasserentnah-mestelle gelangt, kann ein Teil des ausgewaschenen Nitratsnoch abgebaut werden.

Grundwasser: Neubildung und Stoffeinträge

DerWasserhaushalt einer Fläche definiert sich hauptsächlichüber die KomponentenNiederschlag, Verdunstung sowie Ver-sickerung. Die Niederschlagsmenge ist relativ einfach zuerfassen, die beiden anderen Parameter lassen sich nur mit er-heblichem technischen Aufwand bestimmen. Für Fragestel-lungen zur Grundwasserneubildung sowie zu Stoffeinträgenins Grundwasser werden deshalb oft Wasserhaushaltsmodel-le zu ihrer Berechnung herangezogen.

Mit Hilfe des Modells LWF-BROOK90 wird der Wasser-haushalt der beiden Flächennutzungen ermittelt. In diesesMo-dell fließen die unterschiedlichsten Informationen ein, sowohlKlima- und Bodenverhältnisse als auch Angaben über diePflanzenentwicklung (u. a. Blattfläche undDurchwurzelungs-tiefe). Zur Validierung der Modellergebnisse werden die inKaufering gemessenen Bodenwassergehalte verwendet. DieMenge infiltriertenWassers wird für beide Flächen berechnetwerden, um die Unterschiede in der Grundwasserneubildungzu quantifizieren. Zusammen mit den chemischen Analysendes Sickerwassers lassen sich daraus die unterschiedlichenStofffrachten und somit die Stoffeinträge in das Grundwasserbestimmen. Ob eine Extensivierung in Form von Kurzum-triebsplantagen dabei helfen können, die Trinkwasserqualitätzu verbessern, wird sich bis zumEnde des Projektes zeigen las-sen. Offen bleibt jedoch die Frage, wie sich die anstehendeErnte der Kurzumtriebsplantage auf den Wasser-, vor allemaber auf den Stoffhaushalt der Fläche auswirken wird.

Martina Zacios und Jörg Niederberger sind Mitarbeiter der Abtei-lung Boden und Klima der Bayerischen Landesanstalt für Wald undForstwirtschaft. [email protected];Projektleitung: Dr. Frank Burger (federführend) sowie ChristophSchulz (Teil Hydrologie)Das Projekt wird durch das Bayerische Staatsministerium für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten im Rahmen des KlimaprogrammsBayern 2020 finanziert.

wieder der Effekt der Düngung auf der landwirtschaftlichenFläche. Die Konzentrationen im Sickerwasser sind unterAcker gegenüber den Konzentrationen unter Pappel in allenTiefenstufen deutlich erhöht. Die Phosphorkonzentrationenunterscheiden sich kaum, weder in den verschieden Tiefenstu-fen noch zwischen den beiden Flächen. Die Phosphordüngungauf der Ackerfläche macht sich nicht in der Bodenlösung be-merkbar. Der Grund hierfür ist die geringeMobilität von Phos-phor und seine Fixierung im Boden bei hohen pH-Werten.

FürNitrat gibt die deutsche Trinkwasserverordnung einenGrenzwert von 50 Milligramm pro Liter [mg/L] vor, die EU-Wasserrahmenrichtlinie gibt einen Wert von unter 25 mg/Lals erstrebenswert an. Die Nitratkonzentration der Trinkwas-serfassung, in dessen Einzugsgebiet sich die Untersuchungs-flächen befinden, deutet auf eine hohe Grundbelastung desGebietes hin. Sie weist stabilWerte von rund 30mg/L auf. DieNitratkonzentration unter der Kurzumtriebsplantage liegt in85 Zentimeter Tiefe seit Beginn derMessungen nahezu durch-gehend unter 10mg/L. Im Verlauf des Jahres 2010 nahm aller-dings die bestehende Bodenvegetation auf Grund der zuneh-menden Beschattung durch die Pappeln sukzessive ab. Diesesorganische Material wurde zusammen mit der anfallendenLaubstreu zersetzt und imWinter nicht wieder über die Vege-tation aufgenommen. Die Nitratwerte in 85 cm Tiefe stiegenkurzfristig bis auf 40 mg/L an, gingen aber mit einsetzendemNährstoffentzug der Pappeln im Frühjahr 2011 wieder aufknapp 4 mg/L zurück. In den beiden größeren Tiefen wurdenzu Beginn der Messreihe, circa eineinhalb Jahre nach der Be-gründung der KUP, sehr hohe Nitratkonzentrationen um 90mg/L (185 cm) bzw. 175 mg/L (235 cm) gemessen. Diese Ni-tratauswaschung wurde sehr wahrscheinlich durch denGrün-landumbruch bei Bestandsgründung verursacht. Seitdem zei-gen die Konzentrationen jedoch für beide TiefenstufenrückläufigeWerte, sie sindmittlerweile auf knapp 20mg/L zu-rückgegangen.

Eindeutig erhöht sind die durchschnittlichen Nitratkon-zentrationen im Sickerwasser unter der landwirtschaftlichenFläche. Um jedoch endgültige Aussagen treffen zu können,müssen die Analysen der zusätzlich auf der Fläche gewonne-nen Proben abgewartet werden. Die Konzentrationen unter-liegen auf dem Acker über den gesamten Messzeitraum star-ken Schwankungen. Diese werden zum einen bedingt durcheine sehr variable Vegetationsbedeckung und somit einen un-beständigenNährstoffentzug, zum anderen durch zusätzlicheStoffeinträge über die Düngung. In den letzten beiden Jahren

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Nutzungs-art

Tiefe[cm]

pH-Wert Calcium[mg/l]

Magnesium[mg/l]

Kalium[mg/l]

Sulfat[mg/l]

Phosphor[mg/l]

Nitrat[mg/l]

Acker 85 8,3 130,6 19,4 5,33 23,10 0,074 115,5

185 8,2 106,3 28,4 0,80 17,89 0,056 91,4

Pappel 85 8,4 77,7 24,3 0,21 1,45 0,061 11,3

185 8,4 73,5 27,7 0,15 1,30 0,052 30,1

235 8,4 68,1 25,2 0,13 0,77 0,059 40,3

Tabelle 1: Stoffgehalte im Sickerwasser unter der Ackerfläche und unter der KUP

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LWF aktuell 85/2011 37

auf einen Stickstoff-Wert von 1,0 Prozent in der Trockenmasse(i.d.TM) bezogen, um die tatsächlich analysierten Gehalte mitden Soll-Werten besser vergleichen zu können. Aus den Nadel-analysen derartig zeichnender Bestände dieser Beispielsflächenist zu erkennen, dass die Auslöser der extremen Schädigungender Bäume eindeutig aufMangan-Mangel zurückzuführen sind.DermittlereMangan-Gehalt liegt bei 9,1 mg/kg i.d.TM. Gesun-de einjährige Nadeln aus dem Verbreitungsgebiet der Nord-mannstanne weisen hingegen Mangan-Nadelspiegelwerte von300 mg/kg TM auf. Bezogen auf einen Stickstoffgehalt von 1,0% i.d.TM sollte derMangan-Gehalt mehr als 250mg/kg i.d.TMbetragen. Mit 5,0 mg/kg i.d.TM erreicht der Mangan-Gehalt je-doch nur ein Fünfzigstel des Sollwertes.

ObwohlMangan imBoden zwar in ausreichendenKonzen-trationen (> 22mg/kg) vorliegt, können die Bäume das Elementaus unterschiedlichen Gründen nicht aus den Böden aufneh-men. Ursachen könnten zu suchen sein in einem reduziertenAbbau glyphosathaltiger und anderer Herbizide,einer ungenü-genden Kationenaustauschkapazität, einem zu niedrigen oder

Mangan-Mangel in WeihnachtsbaumkulturenFür einen erfolgreichen Weihnachtsbaumanbau ist eine optimaleNährstoffversorgung unbedingt notwendig

Jürgen Matschke

Immer wieder treten in Weihnachtsbaumkulturen Schädigungen auf, die auf eine mangelhafte Mangan-Versorgung der Nadelnzurückzuführen ist. Jedochwird dieserMangan-Mangel häufig gar nicht erkannt und falscheMaßnahmen ergriffen, die die Schä-digungen nicht beheben, zum Teil aber sogar die Mangelsymptome verstärken.

Zunehmend treten bei Nadelbäumen desWeihnachtsbauman-baues, insbesondere auf verdichteten Extremstandorten, etwai-ge Schädigungen auf. Die jüngstenNadelnweisen tüpfelartige,vergilbte Gewebepartien auf, das Chlorophyll wird abgebautund die Nadeln verlieren ihre grüne Farbe. Es entstehen blass-grün ausgeprägte Chlorosen und gelbe bis braune Nekrosen.In der Folge des Zellsterbens bekommen dieNadeln ein fleckig-marmoriertes Aussehen. Die Symptome ähneln oftmals denenvon Magnesium- sowie Calcium-Mangel; es kommt neben denNadelschädigungen zu einem gehemmten Triebwachstum undhäufig zum Absterben betroffener Bäume.

Auf Grund dieser zunehmend zu beobachtenden Nährele-ment-bedingten Nadelschädigungen in Weihnachtsbaumkul-turen haben wir in den letzten Jahren mehrere Bestände derNordmannstanne boden- und nadelanalytisch untersucht, diederartige Vergilbungserscheinungen aufwiesen. Die Nadelpro-ben wurden stets imOktober vom jeweils jüngsten Nadeljahr-gang gewonnen. Die Ergebnisse der Analysen sind in Tabelle1 dargestellt und werden Nadelspiegelwerten gesunder Nord-mannstannen aus ihrem Verbreitungsgebiet im Kaukasus ge-genübergestellt.

Bodenanalysen

Die durchMangan-Mangel geschädigten Bestände stocken zu-meist auf Standorten und ehemalig landwirtschaftlich genutz-ten sandigen Lehmböden (sL) und Lehmböden (L) mit hohenpH-Werten. Die pH-Werte der sL- bzw. L-Böden lagen meistüber 7,0, imMittel bei 7,2, und sind für die Mehrzahl der Her-künfte der Nordmannstannen suboptimal. Die pH-Werte derBöden sollten für die Nordmannstanne im Idealfall zwischen5,5 und 5,8 liegen. Alle untersuchten Herkünfte waren, wasdie Boden- und pH-Verhältnisse betrifft, für die Standorte, aufdenen sie angebaut wurden, nicht geeignet.

Nadelanalysen

Die Nährstoffgehalte in den jüngsten Nadeln der betroffenenBäume geben deutlicheHinweise aufDefizite an verschiedenenMakro- sowie Mikronährstoffen. Dazu wurden neben den tat-sächlich ermittelten Werten die Nadelgehalte zusätzlich auch

Abbildung 1: Bei Mn-Mangel verfärben sich die jüngeren und zumTeil auch älteren Nadeln. Typisch sind tüpfelartige Gewebepartien,es entstehen blassgrün ausgeprägte Chlorosen, die später in gelbebis braune Nekrosen übergehen.

Foto: J. Matschke

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zufolge sind Kaliumgaben erst nach »Gesundung« des Stand-ortes zu vertreten.

Auf Standorten, die zu Mn-Festlegungen neigen, wie z. B.karbonathaltige Niedermoor- oder Lehmböden, ist der Man-gel durch die Bodendüngung kaum zu beheben. In solchen Fäl-len sindMangan-Chelate zu empfehlen. Hierzu wirdMangan-sulfat mit zehn Kilogramm pro Hektar oder Mn-EDTA als 1-bis 2-prozentige Lösung in drei bis vier Gaben auf abgehärte-te Nadeln verabreicht. Die gleichfalls beobachteten Eisen-Kalkchlorosen sind ebenfalls mit Eisen-Chelaten gut zu behe-ben. Die Ausbringung sollte nicht bei Sonneneinstrahlung undnicht auf die jungen Nadeln erfolgen.

Keinesfalls sind mit Mangan-Mangel verbundene Boden-verdichtungen und auftretendeWurzelinfektionen mit bakte-

zu hohen Redoxpotential, einem Ionenantagonismus aufGrund erhöhter Kaliumgaben, einer reduzierten mikrobiellenAktivität infolge fehlender Durchlüftung, einem unzureichen-den Gehalt an organischer Substanz oder einer überhöhtenKohlendioxid-Konzentration im Boden. Vor allem der sehr ho-he pH-Wert des Bodens (> 6.5–7,2) dürfte großen Einfluss aufdas Gleichgewicht zwischen Mn2+ und Mn4+ haben. Eineschwache Versorgung ist bei den Elementen Kalium (K), Mag-nesium (Mg), Calcium (Ca), Kupfer (Cu), Bor (B) und Zink(Zn) zu beobachten bei gleichzeitig zu hohen Stickstoff-Gehal-ten von über 1,7% i.d.TM.Dies wird besonders deutlich, wenndie Elementgehalte auf den Stickstoffwert 1,0 bezogenwerden.

Mangan-Ionen werden von den Wurzeln pH-abhängig auf-genommen, wobei höchste austauschbare Mangan-Anteile beipH 5,5 bis 4,0 in der Bodenlösung zu finden sind. Die Verfüg-barkeit der Ionen nimmtmit steigendempH-Wert ab einempH-Wert von über 6,5 drastisch ab. Dabei wird dermikrobielle Um-satz des Mangans gestört, was als Hauptursache derSchädigungen der Bäume auf den Flächen mit einem pH-Wertvon bis zu 7,2 anzusehen ist. Alles deutet daraufhin, dass dieVerfügbarkeit und die Aufnahme des Mn2+ durch die Pflanzengestört sind. Eine häufig auch zu beobachtende unzureichendeBodendurchlüftung auf Grund von Bodenverdichtungen oderStaunässe imWechselmit Trockenheit behindern zusätzlich diemeist unzureichende mikrobielle Aktivität in den Böden. Zu-dem können nicht abgebaute und angereicherte glyphosathal-tige Herbizide im Boden die Aktivität der teilungsfähigen Zel-len in den Wuzelspitzen hemmen, den Transport derPhytohormone, ihrer Eiweißcarrier und damit dieNährstoffauf-nahme/-transport behindern sowie eine Chelatbildung vonNährelementen, vor allem des Mangans fördern, wodurch die-ses nicht für die Pflanzen verfügbar wird.

Das Ca/Mn-Verhältnis in der Nadeltrockenmasse liegt bei1.000 zu 1 und ist damit deutlich zu weit. In gesunden Nord-mannstannen beträgt das Verhältnis etwa 230 zu 1.

Auch die Kalium-Werte sindmit 0,50% zu 1,0%N an Stel-le von 0,65 % zu 1,0 % N zu niedrig. Damit verschiebt sichauch das K/Mg-Verhältnis hin zum Schlechteren. Die Aufnah-me der Ionen wie Mn, Zn, B und NH4 würden jedoch durchzusätzlich empfohlene Kaliumgaben gehemmt und somit dieMangan-Mangelsymptome und damit die ausgelösten Schädi-gungen weiter fördern. Daher sollte man bei Kalium-Gabenbesondere Vorsicht walten lassen und Kalium-Düngung erstdurchführen, wenn der Mangan-Schaden behoben ist. Dem-

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Tabelle 1: Nadelspiegelwerte suboptimal versorgter Kulturenim Vergleich zu gesunden Tannen aus dem Kaukasus

Nährelemente N[%]

P[%]

K[%]

Mg[%]

Ca[%]

Cu[mg/kg]

B[mg/kg]

Zn[mg/kg]

Mn[mg/kg]

Fe[mg/kg]

suboptimal versorgteKulturen

1,71 0,14 0,86 0,11 0,52 6 22 25 9,1 140

bezogen auf N = 1,0 1,0 0,08 0,50 0,06 0,30 4 13 15 5,0 82

gesunde Tannenaus dem Kaukasus

1,30 0,18 0,83 0,14 0,74 12 23 40 300 100

bezogen auf N = 1,0 1,0 0,14 0,65 0,11 0,58 9 19 30 >250 80

Boden- oder Nadelanalysen?Die Bodenanalyse gibt einen Einblick in die physikalische Be-schaffenheit und die Nährstoffausstattung der Böden und ver-mittelt wichtige Kenntnisse der Nährstoffdynamik. Für die Er-mittlung der tatsächlich für die Pflanzen verfügbaren unddurch die Pflanzen aufgenommenNährstoffe sind Bodenana-lysen nur bedingt geeignet. Wer wissen will, welche Nährstof-fe in welchen Konzentrationen die Pflanzen aufnehmen, mussvorrangig auf Nadelanalysen zurückgreifen. Das Alter der Bäu-me und die Nadeljahrgänge müssen dabei beachtet werden.Schwer bewegliche Elemente reichern sich eher in älteren Na-deln an. Bei mobilen Elementen findet ein horizontaler Nähr-stofftransport von den älteren in die jungen Nadeln statt. DieFolge ist häufig einNährelementmangel in den älterenNadeln.Bei unzureichendemAngebot an Nährstoffen aus dem Bodenund Schäden an denWurzeln verfärben sich die unterversorg-ten Nadeln und fallen auf Grund der Nährelementmängel vor-zeitig ab.

Erst auf Grund der Kenntnis der Nährstoffdynamik desBodens ist es möglich, ermittelte Nährstoffgehalte in die Dün-gungsberechnungen einzubeziehen. Nur die Nadelanalysekann den tatsächlichen Gesamtbedarf aus dem Defizit anNährstoffen in den Bäumen bei kontinuierlicher Düngung er-heben.

Um qualitativ hochwertige Pflanzen produzieren zu kön-nen, sollten die Boden- und Nadelanalysen kontinuierlich injedem Jahr vorgenommen werden. Nur so ist eine bedarfsge-rechte Düngung möglich.

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LWF aktuell 85/2011

Farbe meist auf Grund überdosierter Stickstoffmengen, manbedenkt jedoch nicht die dadurch entstehenden Ionen-Un-gleichgewichte, die unter anderem zu einer Verweichlichungder Gewebe und damit zu einer erhöhten Frostanfälligkeit derBäume führen können. Auf Grund der dadurch suboptimalenNährstoffverabreichung und somit verursachten Ungleichge-wichte an Ionen in den Pflanzen ergeben sich unterschied-liche physiologische Einflüsse bis hin zu den beobachtetenSchädigungen. Dazu gehören eine verminderte Vitalität undQualität der Bäume, eine unzureichende Nadelhaltbarkeit so-wie eine erhöhte Anfälligkeit der Bäume gegenüber Frostein-flüssen und mikrobiellen Schaderregern. Zusätzliche Einflüs-se durchHerbizidgaben verstärken die Belastungen, da durchdiese Wirkstoffe die hormonregulierte und energiebedürftigeNährstoffaufnahme durch die Wurzeln negativ beeinflusstund die Verhältnisse der Ionen zueinander in den Biomassender Bäume disharmoniert werden.

Man sollte sich stets an eine auf die Biomasse bezogeneDüngung orientieren. Für 10.000 Kilogramm pro Hektar ge-bildeter Frischmasse ist mit einem Entzug von circa 56 Kilo-gramm N, 18 Kilogramm P2O5 und 34 Kilogramm K2O zurechnen.

Zusammenfassung

In den Kulturen von Weihnachtsbäumen sind immer wiederextreme Schadsymptome zu beobachten, die auf Imbalancenverschiedener Makro- und Mikronährstoffe sowie den damitverbundenen Stoffwechselstörungen zurückzuführen sind.Dabei spielt die Unterversorgung der Pflanzen mit Manganbzw. die unzureichende Aufnahme dieses Elements durch diePflanzen die primäre Rolle. Ursache dafür waren falsche Her-kunftswahl, Rückstände von Glyphosat und anderen Herbizi-den in Verbindung mit zu niedrigen pH-Werten in Böden, ei-ne unzureichende Bodendurchlüftung und eine reduziertemikrobielle Aktivität in den betroffenen Böden. Deshalbmussversucht werden, den pH-Wert ins Optimum für die Nord-mannstannen (pH 5,5–5,8) zu bringen, eine Durchlüftung derStandorte anzustreben, auf ruhenden Flächen ausreichend or-ganische Substanzen einzubringen, bei unzureichender Mn-,Fe- und B-Versorgung den Mangel durch Verabreichung vonMn- und Fe-Chelaten sowie von Borax wieder auszugleichensowie ausschließlich sauer wirkendeDüngemittel einzusetzen.DieNährstoffgehalte der Nadelnmüssen regelmäßig überprüftwerden. Auf sL- und L-Standorten mit hohen pH-Werten soll-ten nur die Herkünfte 387.01-G, 380.01-T, 163.96-TL, 165.96-S, 216.96-N, 259.98-WN und 94.95/93-K aus Höhenlagen un-ter 1.300m.ü.NN angebaut werden, da nur diese die extremenBedingungen derartiger Standorte mit Werten über pH 6,2kompensieren können.

Prof. Dr. Jürgen Matschke war langjähriger Leiter des Versuchs-zentrums im Gartenbauzentrum Westfalen-Lippe und beschäftigtsich seit vielen Jahren mit der Züchtung und Produktion vonWeihnachtsbäumen. [email protected]

riellen Schwächeparasiten auszuschließen. Auf vernässten,verdichteten Standorten ist ein Befall durch Phytophtora cin-namonimöglich, dazu sind gesonderte Nachweise angeraten.Wenn dieser Organismus tatsächlich auf den Standorten anden Schädigungenmitbeteiligt ist, kann nurmit Anbau der ge-gen diesen Organismus teilresistenten Abies bormuelleriana(Herkünfte: Safranbolu > Bolu > Akyaz) reagiert werden.

Physiologische Imbalancen als Folge einerfehlerhaften Düngung

Praktiker wissen häufig nicht, wie Nährstoffanalysen zu be-werten und in einer ausgeglichenen Düngung zu berücksich-tigen sind. Vielfach sind ihnen die anzustrebendenGehalte inden Nadeln unzureichend bekannt und immer noch zu seltenwerden Nadelanalysen veranlasst. Richtwerte für Nährstoff-gehalte in der Trockenmasse der Nadeln ergeben sich aus Ana-lysen von Nadeln gesunder Bäume der natürlichen Standorteaus dem Kaukasus. Danach sollten die in der Tabelle angege-benen Anhaltswerte für die Nährstoffe in den Nadeln gesun-der Nordmannstannen das Ziel sein. Die Nadeln sollten vomzweiten Wirtel stammen und die Nadelspiegelwerte in Pro-zent oder Milligramm pro Kilogramm Trockenmasse angege-ben und auf N=1,0 bezogen werden. Der Bezug zum Stickstoff(1,0 %) verdeutlicht die anzustrebenden Verhältnisse derNährstoffe. Sollte der Stickstoffgehalt in denNadeln über denangegebenenWert hinaus angehoben werden, so muss Analo-ges für die anderen Ionen erfolgen, um die Verhältnisse derNährstoffe untereinander zu wahren.

Die Praxis orientiert sich überwiegend an den Nährstoff-werten nach erfolgter Bodenanalyse und aus Kostengründennicht an den Nadelwerten. Die Bäume erhalten ihre dunkle

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Abbildung 2: Eine zehnjährige Kultur entzieht einem Hektar Bodenjährlich etwa 140 kg N, 50 kg P2O5, 80 kg K2O, 15 kg MgO, 4 kgMn, 75 kg CaO und etwa 1,0 kg der verschiedenen Spurenele-mente.

Foto: J. Matschke

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Wälder und Holzprodukte alsKohlenstoffspeicherEine Betrachtung zur Klimaschutzleistung der Wälder in Bayern

Daniel Klein und Christoph Schulz

Wälder leisten sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene einenwichtigen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie durch denAufbau von Biomasse und durch die Anreicherung von organischemMaterial im Boden der Atmosphäre aktiv Kohlendioxid ent-ziehen. Dies ist unbestritten. Die Wälder in Bayern haben im Laufe der letzten Jahrzehnte Biomasse und damit Kohlenstoffvor-räte aufgebaut. Allgemeinhin ist bekannt, dass Bayerns Wälder im nationalen und internationalen Vergleich relativ hohe Holz-vorräte und folglich hohe Kohlenstoffvorräte halten. Doch welchen Beitrag leisten unsere Wälder genau? Diese Frage will dasProjekt »Die Kohlenstoffbilanz der bayerischen Forst- und Holzwirtschaft« beantworten.

Dies zeigt auch eine Umfrage des Bundeslandwirtschaftsmi-nisteriums (BMELV 2011), bei der 78 Prozent der Befragten an-gaben, dass Wald entscheidend für das Weltklima sei. Weni-ger bekannt in der Öffentlichkeit sind hingegen Größe undUmfang der Leistung der Wälder zum Klimaschutz.

Großrauminventuren als wichtigste Datenbasis

Auch dieWälder Bayerns binden signifikanteMengen anKoh-lenstoff. Um den genauen Speicher unserer Wälder zu ermit-teln, ist es entscheidend, alle Kompartimente desWaldökosys-tems zu betrachten. Dies sind vor allem die Derbholzbäume,dieVerjüngung, das Totholz sowie derBoden.Anhand nationa-ler Inventuren ist das möglich. So dient die Bundeswaldinven-tur (BWI) als Grundlage zur Bestimmung der KompartimenteDerbholzbiomasse, Verjüngung und Totholz. Anhand derEinzelbauminformationen (Baumart, Höhe, Durchmesser)kann für jeden Baummittels Biomassefunktionen oder Expan-sionsfaktoren (u.a. aus Zell 2008) dessen oberirdische und un-terirdische Biomasse berechnet werden. Die Umrechnung inKohlenstoff und anschließendeHochrechnung auf dieGesamt-waldfläche Bayerns liefert dann großflächige Informationenzum Kohlenstoffspeicher unserer Wälder in deren Baumbio-masse. Auch beinhaltet die BWI die Ausgangsdaten für dieVerjüngung und das Totholz. Unter Hinzunahme der Informa-tionen aus der Bodenzustandserhebung wird der Kohlenstoff-speicher Boden abgeleitet. Die Summe aller Pools ermöglichtschließlich eine vollständige Betrachtung des Kohlenstoffspei-chers im Ökosystem Wald für Bayern. Anhand von Arbeitenaus der Vergangenheit, für Bayern insbesondere der Arbeit vonBöswald (1996), kann die Entwicklung des Kohlenstoffspeichersin den letzten Jahrzehnten abgeleitet werden.

Der aktuelle Kohlenstoffspeicher Wald in Bayern

Im Jahr 2002 betrug der gesamteKohlenstoffspeicher der leben-den Dendromasse (alle Bäume ab einem BHD von 7 cm) inklu-sive derWurzelbiomasse rund 322Millionen Tonnen. Dies ent-

Aktuell speichern die Wälder unserer Erde circa 653 Milliar-den Tonnen Kohlenstoff (C) in allen Kompartimenten inklu-sive des Mineralbodens (FAO 2010). Dies entspricht in etwa ei-nerMenge von 2.400Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2),da durch die Bindung einer Tonne Kohlenstoff 3,67 TonnenCO2 der Atmosphäre entzogen werden. Stellt man dem Ge-samtspeicher Wald die jährlichen weltweiten energiebeding-ten Emissionen gegenüber (ca. 32 Mrd. Tonnen CO2 im Jahr2005), so zeigt sich die enorme Bedeutung der Wälder, da siein etwa die energiebedingten Emissionsmengen von 75 Jahrenspeichern. Die Kohlenstoff-Hot-Spots der Erde liegen dabei inSüdamerika (188 Mrd. Tonnen C), insbesondere in den tropi-schen Zonen sowie in Russland (128 Mrd. Tonnen C), wobeihier der Speicher Boden (besonders die Permafrostböden Si-biriens) eine noch wichtigere Rolle spielt als in anderen Regio-nen der Erde. Die besondere Bedeutung der Wälder zum Kli-maschutz ist bereits seit langem bekannt undwird zunehmendeiner breiten Öffentlichkeit in unserer Gesellschaft bewusst.

Kohlenstoffvorrat »Derbholzbäume« in Bayern350

300

250

200

150

100

50

0

Ko

hle

nst

off

vorr

at[M

io.t

]

1971Großrauminventur

19871. Bundeswaldinventur

20022. Bundeswaldinventur

Vorratszunahme zur vorangegangenen Erhebung

Kohlenstoffvorrat [Mio. t]

Abbildung 1: Die Entwicklung des Kohlenstoffspeichers in Bayern inder Biomasse der Bäume ab 7 cm BHD zwischen 1971 und 2002

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spricht dies einemVorrat von rund 342Millionen Tonnen. Da-mit liegt der Bodenkohlenstoffvorrat sogar etwas über demVorrat der Baumbiomasse.

DerGesamtspeicherWald beträgt rund 675Millionen Ton-nen bzw. durchschnittlich 277,8 Tonnen Kohlenstoff pro Hek-tar (Tabelle 1). Drückt man diesen Vorrat in CO2-Einheitenaus, so läge dieser bei circa 2.480 Millionen Tonnen. Durchden Vergleich mit den energiebedingten Emissionen (durch-schnittlich 88,9Mio. Tonnen CO2 pro Jahr zwischen 1990 und2002 in Bayern (StMUG 2009)) kann die Relevanz unsererWäl-der für denKlimaschutz dargestellt werden: So hat unserWaldim Laufe der Zeit etwa die 28-fache Menge der CO2-Jahres-emissionen gespeichert.

Entwicklung des Kohlenstoffspeichers Wald in Bayern

Der Kohlenstoffspeicher in Wirtschaftswäldern ist nicht sta-tisch, sondern befindet sich in einem steten dynamischen Pro-zess, indem er bei einer Nutzung, die den Zuwachs überschrei-tet, als Kohlenstoffquelle fungiert oder als Kohlenstoffsenkewirkt, wenn weniger genutzt wird als nachwächst. Ob einWald eine Kohlenstoffquelle oder -senke darstellt, hängt letzt-lich vom Betrachtungszeitraum bzw. vom Zeitpunkt ab. Be-wirtschaftete Wälder gleichermaßen wie unbewirtschafteteWälder werden zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Vorrats-maximum erreichen, was sich beiWirtschaftswäldern aus denjeweiligen Bewirtschaftungsvorgaben derWaldbesitzer ergibt.Ab dann wird der durchschnittliche Vorrat – bei Betrachtungvon größerenWaldflächen – je nach Zielausrichtung gehaltenoder wieder auf ein bestimmtes Maß reduziert. In Abbildung1 ist die Entwicklung des Kohlenstoffspeichers Baumbiomas-se in Bayern der letzten drei Jahrzehnte anhand der drei lan-desweitenWaldinventuren der Jahre 1971, 1987 und 2002 dar-gestellt. Die Daten für 1971 und 1987 wurden aus Böswald(1996) übernommen und auf Grundmethodischer Unterschie-de leicht modifiziert. Demnach erhöhte sich der Kohlenstoff-speicher zwischen 1971 und 1987 von 233,0 auf 267,7 Millio-nen Tonnen. Dies entspricht einem durchschnittlichenjährlichen (interpolierten) Zuwachs von 2,2 Millionen Ton-nen. Zwischen 1987 und 2002 konnte mit 54,5Millionen Ton-nen Kohlenstoff auf 322,2 Millionen Tonnen ein noch höhe-rer Vorratsaufbau festgestellt werden, der durchschnittlich bei3,6Millionen TonnenKohlenstoff pro Jahr lag. So wird ersicht-lich, dass BayernsWälder in den letzten Jahrzehnten als Koh-lenstoffsenke fungierten, damehr Kohlenstoff durch Zuwachsaufgenommen als durch Nutzung demWald entzogen wurde.Man kann davon ausgehen, dass zu Anfang des 21. Jahrhun-derts die höchste Kohlenstoffbindung der jüngsten Vergangen-heit, wahrscheinlich sogar seit einem Jahrhundert, zu verzeich-nen war. Diese These unterstützt auch Borchert (2007), derbeschreibt, dass sich die Altersverteilung von zumeist jungenBeständen zu Beginn des letzten Jahrhunderts hin zu ver-mehrt älteren Beständen zu Anfang des 21. Jahrhunderts ge-wandelt hat und somit auch die Vorräte kontinuierlich gestie-gen sind. Wie sich dieser Speicher aktuell entwickelt, werdendie Ergebnisse zur BWI3 zeigen, die seit 2011 durchgeführt

spricht einem Vorrat von 133 Tonnen pro Hektar. Mit 232Mil-lionen TonnenC ist der hauptsächliche Anteil imNadelholz ge-bunden (72 %), 90 Millionen Tonnen speichert das Laubholz(28%). Die Fichte besitzt mit circa 153Millionen Tonnen bzw.47 Prozent an derGesamtspeicherung den höchstenAnteil. Kie-fer undBuche binden 19 bzw. 15 Prozent desGesamtspeichers.Eine untergeordnete Rolle spielen alle anderen Baumarten miteinem Anteil von jeweils maximal sechs Prozent.

Von der gesamten Kohlenstoffbindung des stockenden Be-standes Bayerns sind etwa 81 Prozent in der oberirdischenund 19 Prozent in der unterirdischen Biomasse gebunden.Dies wurde anhand von allometrischen Funktionen bzw. mit-tels r/s-ratios (VerhältnisWurzelbiomasse zu oberirdischer Bio-masse) von Dieter und Elsasser (2002) oder Offenthaler und Hoch-bichler (2006) bestimmt.

In der Verjüngung wird der Kohlenstoffspeicher auf rund5,5 Millionen Tonnen bzw. 2,3 Tonnen pro Hektar geschätzt.Dies entspricht nur etwa 1,7 Prozent derMenge, die in der Bio-masse der Derbholzbäume gebunden ist. Die Datenbasis fürdie Verjüngung ist relativ ungenau (für die Verjüngungspflan-zen wurden im Rahmen der BWI lediglich Baumart, Anzahlund Höhenklasse erhoben). Am geringen Anteil der Verjün-gung an der Gesamt-Kohlenstoffspeicherung ändert dies je-doch nichts.

Im Totholz wurde eine Gesamtkohlenstoffspeicherungvon rund 4,9 Millionen Tonnen ermittelt, was einer Mengevonknapp zweiTonnenproHektar entspricht.Mit 3,8MillionenTonnen ist derüberwiegendeTeil alsNadelholz gebunden (77 %),das Laubholz hingegen hält 23 Prozent des Totholzes. Fast dieHälfte des Totholzes ist im Stadiummit beginnender Zersetzunggebunden (44 %). Im Vergleich zur Dendromasse ist der Anteildes Totholzes an derGesamtspeicherung gering und bindet etwa1,5 Prozent der Mengen der Dendromasse ohne Verjüngung.

Einschlägige Literatur beschreibt den Boden als einen derwichtigsten Kohlenstoffspeicher imWald. Diese Aussage kannauch für dieWälder Bayerns getroffen werden. So binden Bay-erns Böden bis zu einer Bodentiefe vonmaximal 150 Zentime-tern inklusive des Auflagehumus rund 141 Tonnen pro Hek-tar bei Betrachtung des Mittelwertes (siehe auch Schubert2010). Umgerechnet auf die Gesamtwaldfläche Bayerns ent-

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Oberirdische Biomasse

Unterirdische Biomasse

Verjüngung

Totholz

Mineralboden

Auflagehumus

Holzprodukte

Kohlenstoffspeicher Wald und Holzprodukte in Bayern

7,0 %4,2 %

43,0 %

0,8 %0,7 %

36,0 %

8,4 %

Abbildung 2: Die Verteilung des Kohlenstoffspeichers Wald undHolzprodukte in Bayern in die verschiedenen Kompartimente

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geleitet. Holzprodukte wirken sich zwar positiv auf das Klimaaus, indem sie die Speicherung des Kohlenstoffs, der imWaldgebunden war, um die spezifische Nutzungsdauer des Produk-tes verlängern, jedoch spielen die Substitutionseffekte des Hol-zes (Material- und Energiesubstitution) langfristig eine weit-aus bedeutendere Rolle (Schulz und Klein, S. 51–53 in diesem Heft).Alle Produktsegmente zusammengefasst speichern die in Bay-ern im Gebrauch befindlichen Holzprodukte etwa 50,5 Mil-lionen Tonnen Kohlenstoff. Dieser Gesamtspeicher verteiltsich auf die Kategorien Wohngebäude, Nichtwohngebäude,Möbel-Haushalt-Einrichtung, Halbfabrikate, Verpackungensowie Papier und Pappe. Den höchsten Anteil hält dabei mitcirca 27,4 Millionen Tonnen bzw. 55 Prozent am Gesamtspei-cher der Bereich der Wohngebäude.

Über Holzeinschlagsmengen sowie die Zuordnung in Pro-duktkategorien in Anlehnung an die Clusteranalyse Bayernkonnte in Bayern für den Zeitraum 2003 bis 2008 eine Netto-erhöhung (Eintrag minus Austrag aus dem Speicher) des Holz-produktespeichers von circa 1,3 Millionen Tonnen Kohlen-stoff pro Jahr ermittelt werden.

Zusammenfassung

Nimmt man die Holzprodukte zum Speicher Wald hinzu, soerweitert sich der Gesamtspeicher auf 725,5 Millionen Ton-nen (Tabelle 1). Bei der Betrachtung der Verteilung auf die un-terschiedlichen Kompartimente wird deutlich, dass die Holz-produkte auch als Speicher mit lediglich sieben Prozent zwareine Rolle spielen, die direkte Speicherung imWald aber weit-aus bedeutender ist (Abbildung 2). Jedoch ist der Holzproduk-tespeicher wohl der Speicher, der in naher Zukunft amschnellsten zu beeinflussen ist.

Geht man von den oben dargestellten 3,6 Millionen Ton-nen Kohlenstoff (bzw. 13,2 Mio. Tonnen CO2-Einheiten) aus,die im Wald zwischen 1987 und 2002 durchschnittlich jedesJahr in der Baumbiomasse zugewachsen sind, so hat alleinedieser Vorratsaufbau dazu beigetragen, 15 Prozent der Jahres-

wird. Erste Hinweise auf die jüngere Entwicklung kann diebundesweite Inventurstudie 2008 geben, nach der die Kohlen-stoffvorräte in Deutschland zwischen 2002 und 2008 weitausweniger gestiegen sind als zwischen 1987 und 2002 (Oehmichenet al. 2011). Für diesen Anstieg zeigen sich insbesondere dieneuen Bundesländer verantwortlich. In den alten Bundeslän-dern blieb der Vorrat weitgehend stabil. Diese Ergebnisse deu-ten darauf hin, dass in Bayern aktuell mit keiner weiteren Vor-ratserhöhung zu rechnen ist.

Ein Vergleich der Auswertungen zur Bodenzustandserhe-bung (1987 und 2006) zeigt mögliche Veränderungen im Bo-denkohlenstoff für Bayern, auch wenn methodische Unter-schiede zwischen den beiden Inventuren nur eingeschränkteVergleiche zulassen. Demzufolge haben sich die Speicher Bo-den und Auflage zumindest nicht verringert (Kölling und Schu-bert 2010). Für das Totholz gibt es noch keine Vergleichswer-te, da dieses erstmals in der BWI2 umfassend erhoben wurde.Ein Vergleich mit Böswald (1996), der den Kohlenstoffspeicherim Totholz für 1987 zumindest grob schätzt, zeigt, dass sichauch das Totholz zwischen 1987 (4,8 Mio. Tonnen C) und2002 wohl zumindest nicht verringert hat.

Der Kohlenstoffspeicher Holzprodukte

Um für 2002 eine vollständige Betrachtung des Kohlenstoff-speichers für die Forst- und Holzwirtschaft zu ermöglichen,wurde über die Systemgrenzen des Waldökosystems hinausauch die aktuelle Speicherung der Holzprodukte geschätzt. Dadie Datenlage für dieses Segment sehr unübersichtlich und diePalette an Holzprodukten sehr weitreichend ist, wurde an-hand verschiedener Datenquellen (Statistisches Landesamt,Informationen von Verbänden u.a.) der Kohlenstoffvorrat ab-

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Kompartiment C-Vorrat[Mio. t]

C-Vorrat[t/ha]

Wald, gesamt 675,0 277,8

oberirdischeBiomasse

261,5 107,6

unterirdischeBiomasse

60,7 25,0

Verjüngung 5,5 2,3

Totholz 4,9 2,0

Auflagehumus 30,3 12,5

Mineralboden 312,1 128,4

Holzprodukte 50,5 –

gesamt 725,5 –

Tabelle 1: Der Kohlenstoffvorrat in den Wäldern Bayerns(Gesamtwaldfläche und pro ha) aufgeteilt in Kompartimente

Die Waldfläche in Bayern ist im vergangenen Jahr weiter ge-wachsen. 2010 wurden rund 547 Hektar Wald neu aufgeforstet,dagegen stehen 341 Hektar, die gerodet wurden. Die landeswei-te Zunahme um insgesamt 205 Hektar entspricht etwa der Flä-che von 285 Fußballfeldern.

Bereits seit 30 Jahren in Folge steigt damit die Waldfläche imFreistaat entgegen dem weltweiten Abwärtstrend an. In diesemZeitraum wuchs sie um mehr als 16.000 Hektar – eine Fläche, diedoppelt so groß ist wie der Chiemsee. Die Zahlen belegen die er-folgreiche Umsetzung einer wesentlichen Vorgabe der bayerischenForstpolitik: den Erhalt und die Mehrung der Waldfläche. Mit rund2,5 Millionen Hektar ist der Freistaat das waldreichste Bundesland.

Besonders erfreulich ist die Waldflächenzunahme in der be-völkerungsreichen Region München sowie in der Industrieregi-on Mittelfranken. Gerade dort erbringen die Wälder durch ihrevielfältigen Schutz- und Erholungsfunktionen wichtige Gemein-wohlleistungen. red

Weitere Informationen können im Internet unterwww.forst.bayern.de abgerufen werden.

Bayern wird immer waldreicher

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emissionen in Bayern wieder zu kompensieren (Bezugswert:88,9 Mio. Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr). Auf Grund derhohen Vorräte und nicht zuletzt auch auf Grund der hohenNachfrage nach Holz aus unseren heimischen Wäldern ist je-doch absehbar, dass die Senkenfunktion der Wälder in Bay-ern in Zukunft an ihre Grenzen stoßen wird. Umso wichtigerist es, auch die Holzprodukte in die Gesamtbewertungmit ein-zubeziehen und auch in Zukunft effizient mit der RessourceHolz umzugehen. Insbesondere die heute bereits vielfach ge-forderte Kaskadennutzung sollte dafür als Instrument dienen.

Literatur

BMELV (2011):DieMehrheit der Deutschen sieht denWald als entschei-denden Faktor für den Klimaschutz. Pressemitteilung Nr. 40, 2 S.

Borchert, H. (2007): Veränderungen des Waldes in Bayern in den letz-ten 100 Jahren. LWFWissen 58, S. 42–49

Böswald, K. (1996): Zur Bedeutung des Waldes und der ForstwirtschaftimKohlenstoffhaushalt, eine Analyse amBeispiel des Bundeslandes Bay-erns. Schriftenreihe der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Universi-tät München und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forst-wirtschaft, Forstliche Forschungsberichte Nr. 159, München, 147 S.

Dieter, M.; Elsasser, P. (2002):Carbon Stocks and Carbon Stock Changesin the Tree Biomass of German’s Forests. Forstwissenschaftliches Cen-tralblatt 121, S. 195–210

FAO (2010): Global Forest Recourses Assessment 2010. Main report.FAO Forestry paper 163, 340 S.

Oehmichen, K.; Demant, B.; Dunger, K.; Grüneberg, E.; Hennig, P.; Kroi-her, F.; Neubauer, M.; Polley, H.; Riedel, T.; Rock, J.; Schwitzgebel, F.;Stümer, F.; Wellbrock, N.; Ziche, D.; Bolte, A. (2010): Inventurstudie2008 und TreibhausgasinventarWald. Sonderheft 343. Johann-Heinrichvon Thünen-Institut, 141 S.

Kölling, C; Schubert, A. (2010):Was hat sich zwischen den Jahren 2008und 1987 getan? LWF aktuell 78, S. 36

Offenthaler, I.; Hochbichler, E. (2006): Estimation of root biomass of Au-strian forest tree species.Austrian Journal of Forest Science 1/2, S. 65–86

Schubert, A. (2010):Organisch gebundener Kohlenstoff imWaldboden.LWF aktuell 78, S. 11–14

StMUG (2009): Klimaprogramm Bayern 2020. Bayerisches Ministeri-um für Umwelt und Gesundheit, 48 S.

Zell, J. (2008):Methoden für die Ermittlung, Modellierung und Progno-se der Kohlenstoffspeicherung in Wäldern auf Grundlage permanenterGroßrauminventuren. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Dok-torwürde für Forst- undUmweltwissenschaften der Albert-Ludwigs-Uni-versität Freiburg, 152 S.

Daniel Klein ist Mitarbeiter in der Abteilung »Boden und Klima«der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft undbearbeitet das Projekt »Die Kohlenstoffbilanz der bayerischenForst- und Holzwirtschaft (KLIP22)«. Christoph Schulz ist Mitarbei-ter in der Abteilung »Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik« und leitetdas Projekt KLIP22. [email protected],[email protected]

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Der Wald leistet einen wertvollen Beitrag für Klima, Umwelt,Wirtschaft und Gesellschaft. Ebenso vielfältig gestalten sich auchdie Anforderungen an den Wald – er ist Naherholungsgebiet,Arbeitgeber, Naturraum und Rohstofflieferant zugleich.

Zudem stellen die Folgen des Klimawandels Waldbesitzer undForstwirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen. Mit der Wald-strategie 2020 verabschiedete die Bundesregierung eine Strategiefür den Natur- und Wirtschaftsraum Wald. Das Ziel ist es, eine aus-gewogene und tragfähige Balance zwischen den steigenden undteilweise konkurrierenden Ansprüchen der Gesellschaft an denWald und seiner nachhaltigen Leistungsfähigkeit zu finden.

In neun Handlungsfeldern (Klimaschutz, Bodenschutz, Erho-lung, Forschung, Eigentum, Rohstoffe, Biodiversität, Waldbauund Jagd) werden bestehende Herausforderungen und Chan-cen benannt sowie mögliche Zielkonflikte analysiert. Dabei wur-de in vielen Bereichen weiterer Forschungs- und Informations-bedarf identifiziert. Die Waldstrategie soll einen wichtigenBeitrag dazu leisten, dass Politik und Gesellschaft die vielfältigenLeistungen einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirt-schaft verstehen und anerkennen.

Wälder sind Rückzugsraum für viele Tier- und Pflanzenartenund beliebter Erholungsort für die Menschen. Gleichzeitig lie-fern sie Deutschlands bedeutendsten nachwachsenden RohstoffHolz und sind damit Grundlage für 1,2 Millionen Arbeitsplätzein der Forst- und Holzwirtschaft. Die heimischen Wälder werdennach dem anerkannten Prinzip einer nachhaltigen, multifunktio-nalen Forstwirtschaft bewirtschaftet, bei dem Nutz-, Schutz- undErholungsfunktionen gleichermaßen berücksichtigt werden.Wachsende Ansprüche an den Wald dürfen nicht dazu führen,dass der Dreiklang aus ökologischen, ökonomischen und sozia-lem Nutzen aus dem Gleichgewicht gerät. Nur so lassen sich dievielfältigen Funktionen des Ökosystems Wald und die anerkann-ten Leistungen nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland auchin Zukunft erhalten. bmelv

Die Waldstrategie gibt es im Internet unter:www.bmelv.de/waldstrategie2020

Bundesregierung beschließt »Waldstrategie 2020«

Foto: G. Georgiew, Fotolia.com

Der Wald in Deutschland wird nachhaltig genutzt.

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Möglichkeiten und Grenzen der Auswertbarkeitder BWI3 in BayernInventurdesign begrenzt Größe der Auswertungseinheiten

Hans-Joachim Klemmt und Michael Neubert

Die Bundeswaldinventur ist ein Inventurverfahren, das die Waldverhältnisse in sehr großen Räumen beschreibt. Immer wiederaber wird der Wunsch laut, die BWI-Daten auch für kleinere Raumeinheiten auszuwerten. Allerdings sollten für statistisch siche-re Auswertungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Zielparameter bestimmte Flächengrößen nicht unterschritten werden.

Stichprobenfehler hängt damit einerseits von der Variabilitäteines betrachteten Zielmerkmales und andererseits von derStichprobengröße ab. Grundsätzlich interessieren bei den Aus-wertungen zur Bundeswaldinventur besonders folgende Ziel-merkmale (BMELV 2011b):(1.) Zuwachs je Hektar(2.) Vorrat je Hektar(3.) Fläche(4.) Zuwachs absolut(5.) Vorrat absolut(6.) Nutzung je Hektar(7.) Nutzung absolut(8.) Veränderung Vorrat je Hektar(9.) Veränderung Vorrat absolut(10.) Veränderung Fläche

»Die Bundeswaldinventur erfasst die großräumigen Waldver-hältnisse und forstlichen Produktionsmöglichkeiten inDeutschland in allen Ländern und Eigentumsarten nach demgleichen Verfahren« (vTI 2008). Gemäß gesetzlicher Grundla-ge aus dem Bundeswaldgesetz (§ 41a BWaldG) führen die je-weiligen Bundesländer die Messarbeiten in den Wäldern ei-genverantwortlich durch. In Bayern sind aktuell 20 speziellgeschulteMitarbeiter der Bayerischen Forstverwaltung bis En-de 2012 mit den Inventurarbeiten befasst. Die Ergebnisse ha-ben eine große Bedeutung für die gesamte Forst- und Holz-wirtschaft in Deutschland und Bayern. Im Zusammenhangmit den erwarteten Ergebnissen wird häufig die Frage gestellt,wie genau diese Inventur auf verschiedenen Ebenen Aussagentreffen kann. Dieser Artikel soll dazu beitragen, die Möglich-keiten und Grenzen der Bundeswaldinventur für Waldbesit-zer verschiedener Größenordnungen in Bayern aufzuzeigen.

Kurzbeschreibung des Verfahrens

Inventurtheoretisch handelt es sich bei der Bundeswaldinven-tur (BWI3) um eine systematische, einstufige Klumpenstich-probe mit regional unterschiedlicher Stichprobendichte. InBayern werden im Rahmen der BWI3 an circa 7.800 Stichpro-benpunkten Messarbeiten durchgeführt (Abbildung 1). DieStichprobenpunkte sind in den Regierungsbezirken Mittel-franken und Schwaben in einem Abstand von 2,83*2,83 Ki-lometern angeordnet, in den übrigen Regierungsbezirken lie-gen die Stichprobenpunkte in einem 4*4 km Raster vor. Anden Stichprobenpunkten werden Probebäume mit Hilfe soge-nannter Winkelzählproben ausgewählt beziehungsweise wer-den diverse Messarbeiten in Probekreisen verschiedener Grö-ßenordnung durchgeführt.

Aus den Stichprobendaten werden mittels Hochrechnun-gen über verschiedene Ebenen Schätzwerte für die Grundge-samtheit ermittelt. Die Stichprobe wird dabei als Zufallsaus-wahl betrachtet, wobei die systematische Anordnung derTrakte vernachlässigt wird. Als Maß für die Zuverlässigkeitder Schätzwerte werden Varianzen berechnet, aus denen wie-derum der sogenannte Stichprobenfehler abgeleitet werdenkann. Dieser Stichprobenfehler errechnet sich aus dem Quo-tienten der Standardabweichung der Stichprobenelemente undder Wurzel aus der Anzahl der Stichprobenelemente. Der

Inventurpunkte der Bundeswaldinventur 3

Abbildung 1: Verteilung der Stichprobenpunkte (Waldtrakte) derBWI3 über Bayern nach AELF-Bereichen. An jedem dargestelltenPunkt befinden sich ein bis vier Inventurpunkte (Waldtraktecken).

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LWF aktuell 85/2011

Abhängigkeit des relativen Stichprobenfehlers von der betrach-teten Waldfläche. Danach beträgt der einfache, relative Stich-probenfehler für die gesamte Waldfläche der BundesrepublikDeutschland etwa 0,7 Prozent, für eine betrachtete Waldflä-che von einer Million Hektar circa drei Prozent und für einebetrachtete Waldfläche von 100.000 Hektar circa zehn Pro-zent (Polley et al. 2004). Grundsätzlich sind daher sowohl aufLandesebene als auch auf Regierungsbezirksebene sehr ge-naue Ergebnisse – auch bei weitergehender Differenzierungzum Beispiel nach Waldbesitzarten – zu erwarten. Auch einestatistisch gesicherte Quantifizierung der Veränderungen derwesentlichen Zielmerkmale ist auf Landesebene und Regie-rungsbezirksebene im Regelfall möglich.

b) Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenGrundsätzlich sinkt die Anzahl der verfügbaren Stichproben-elemente bei einer weitergehenden räumlichen oder sachli-chen Differenzierung zum Beispiel bei einer Betrachtung derVorratsverhältnisse in verschiedenen Waldregionen nachWaldbesitzarten. Von Seiten der Forstpraxis wird bereits heu-te nachgefragt, ob gesicherte Aussagen für einzelne Ämter fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) möglich seinwerden. In Abbildung 2 sind hierzu dieWaldflächen des wald-flächenreichsten AELFKarlstadt mit 402 BWI3-Inventurpunk-ten und des sehr waldflächenarmen AELF Würzburg mit 52Inventurpunkten eingetragen. Aus dieser Darstellung wird inVerbindung mit den vorhergehenden Aussagen deutlich, dasszwar für einzelne Zielmerkmale der größeren ÄELF statis-tisch gesicherte Aussagen möglich sein werden, dass aber imRegelfall die Stichprobengröße für die meisten ÄELF-Bereichein Bayern keine gesicherten Aussagen für die wesentlichenZielmerkmale der BWI3 ermöglichen werden. Da aber derStichprobenfehler als Maß für die Güte der Inventurergebnis-

Da diese Zielmerkmale von Haus aus eine unterschiedlicheVariabilität aufweisen, unterscheiden sich auch deren Stich-probenfehler, auch bei der Betrachtung der gleichen Auswer-tungseinheiten. Bei gleicher Größe der Auswertungseinheitensteigt der Stichprobenfehler von Zielmerkmal 1 bis 10.

Bei der Bundeswaldinventur wird im Regelfall der einfa-che Stichprobenfehler angewendet. Der wahre Wert der un-tersuchten Grundgesamtheit liegt mit einer Wahrscheinlich-keit von 68 Prozent (=Vertrauensbereich) innerhalb einerSpanne von ± des einfachen Stichprobenfehlers um den mitder Stichprobe ermittelten Schätzwert.

Ein konkretes Beispiel soll diese theoretischen Aussagennoch einmal erläutern: Im Rahmen der Auswertung zur BWI2wurde über alle Besitzarten und alle Inventurpunkte in Bay-ern ein Gesamtvorrat (nur Hauptbestand bzw. Plenterwald)von 396 Kubikmeter Holz pro Hektar (m³/ha) ermittelt, wo-bei der relative Stichprobenfehler 1,0 Prozent betrug. Dasheißt für die BWI2 konnte mit einer Wahrscheinlichkeit von68 Prozent ermittelt werden, dass der mittlere Vorrat in Bay-erns Wäldern in einem Bereich zwischen 392 und 400 m³/haHolz lag.

Auf welcher Ebene lassen sich sichereAussagen treffen?

a) Landes- und RegierungsbezirksebeneGrundsätzlich liefert die Bundeswaldinventur konzeptionsbe-dingt sehr genaue Ergebnisse für großräumige Auswertungs-einheiten. Der Stichprobenumfang hat dabei maßgeblichenEinfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse. Die Genauigkeitder Ergebnisse wird durch den Stichprobenfehler angegeben.Abbildung 2 zeigt am Beispiel der Waldflächenermittlung die

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Stichprobenfehler und Waldfläche100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Stic

hp

rob

enfe

hle

r[%

]

Waldfläche [ha]1.000 10.000

WaldflächeAELF Würzburg

WaldflächeAELF Karlstadt

100.000 1.000.000 10.000.000

Simulierter Fichtenbestand

100

80

60

40

20

0

y[m

] Alter: 100 J.Grundfläche: 55,1 m2

x [m]0 20 40 60 80 100

Probebäume Aufstellungsort

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Stichprobenfehler und demZielmerkmal Waldfläche. Zusätzlich eingezeichnet sind die Waldflä-chen der AELFs Karlstadt und Würzburg (nicht maßstabsgerecht).

Abbildung 3: Simulierter Fichtenreinbestand mit 55,1 m²/ haGrundfläche. Farblich unterschiedlich dargestellt sind drei Aufstell-positionen und die von dort ausgewählten Probebäume mit einerWinkelzählprobe mit Zählfaktor 4.

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Resümee

Die Bundeswaldinventur ist konzipiert als Inventur, die ge-naue Aussagen für großflächige Auswertungseinheiten ermög-licht. Für Bayern sind auf Landesebene sowie auf Regierungs-bezirksebene auch bei weitergehender Stratifizierung, zumBeispiel nach Waldbesitzarten, sehr genaue Ergebnisse zu er-warten. Auf Ebene der Ämter für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten werden nur in Einzelfällen für einzelne Zielpara-meter statistisch gesicherte Aussagen möglich sein. Aktuellprüft die LWF weitergehende Stratifizierungsmöglichkeiten,um den Ämtern einen maximalen Informationsgewinn deraufwendigen Feldaufnahmen zu ermöglichen. Für den einzel-nen Waldbesitzer, in dessen Waldungen Inventurpunkte fal-len, sind mit dem angewendeten Verfahren keine Aussagenauf Bestandesebene möglich.

Literatur

Assmann, E.; Franz, F. (1963):Vorläufige Fichten-Ertragstafel für Bayern.In: Hilfstafeln für die Forsteinrichtung – zusammengestellt für den Ge-brauch in der Bayerischen Staatsforstverwaltung.Bayerisches Staatsmi-nisterium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.), 334 S.

BayStMELF (2010): Bayerischer Agrarbericht 2010 – Kurzfassung. Baye-risches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten(Hrsg.), 95 S.

BMELV (2011a): Aufnahmeanweisung für die dritte Bundeswaldinven-tur – BWI3. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz. 2. Auflage, Mai 2011, Bonn und Berlin, 111 S.

BMELV (2011b): Stichprobenfehler. Internetangebot des Bundesminis-teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zurBWI2; http://www.bundeswaldinventur.de/enid/6a1816914efc458d9cd1ed544f54d686,0/67.html, abgerufen am 29.08.2011

Kramer, H; Akca, A. (1995): Leitfaden zur Waldmesslehre. J.D. Sauer-länder’s Verlag – Frankfurt am Main, 3. Auflage. 266 S.

Polley, H.; Hennig, P.; Schwitzgebel, F. (2004): Ergebnisse und Metho-den der zweiten Bundeswaldinventur – Holzvorrat, Holzzuwachs, Holz-nutzung. Vortrag an der Universität Göttingen vom 16.04.2004, Folien-unterlagen, 15 S.

TreeGrOSS (2011): Forest Simulation BWinPro 7.0 (Beta 0.8 Version).http://www.treegross.sourceforge.net. © Prof. Dr. Jürgen Nagel, ForestResearch Station of Lower Saxony, Grätzelstr. 2, 37079 Göttingen

vTI (2008):Die zweite Bundeswaldinventur – BWI2. Inventur- und Aus-wertungsmethoden. Arbeitsbericht des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts Eberswalde. 85 S.

Dr. Hans-Joachim Klemmt ist Landesinventurleiter für die BWI3in Bayern, Michael Neubert ist Mitarbeiter des BWI3-Teams an derBayerische Landesanstalt für Wald und [email protected]

Die Grundlage für Abbildung 2 wurde dankenswerterweise bereit-gestellt durch das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut, Abt. Wald-ökologie und Waldinventur in Eberswalde (Frank Schwitzgebel).

se nicht nur von der Stichprobengröße, sondern auch von derVariabilität der betrachteten Zielgröße abhängt, prüft derzeitdie Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft(LWF), ob eine geeignete Stratifizierung der Stichprobenpunk-te, zum Beispiel nach gleichartigen Wuchsbedingungen, dieVariabilität des Zielmerkmals in der Stichprobe reduziert, sodass gegebenenfalls durch die Zusammenfassung von Inven-turpunkten angrenzender Amtsbereiche mit gleichartigenWuchsbedingungen fundierte Aussagen für einzelne Amtsbe-reiche möglich werden. Über diese Ergebnisse wird gesondertberichtet.

c) WaldbesitzerDie Bundeswaldinventur ist nicht konzipiert als Inventur aufBestandesebene. Die Aufnahmetrupps im Gelände werdenallerdings gelegentlichmit Fragen konfrontiert, wie die Ergeb-nisse der Auswertungen eines Inventurpunktes mit den kon-kreten Waldverhältnissen des zugrunde liegenden Waldbe-standes zusammenpassen. Ein Beispiel soll dies erläutern:Abbildung 3 zeigt einen einHektar großen Fichtenreinbestandmit einer Stammzahl von 509 Fichten und einemMitteldurch-messer von 38,6 Zentimetern beziehungsweise einer mittlerenHöhe von 33,3 Metern. Die Ausgangsdaten entsprechen in et-wa denWerten nach der Ertragstafel von Assmann/Franz (1963)(Fichte, Oberhöhenbonität 36, Mittleres Ertragsniveau). DieStammverteilung sowie die Einzelbaumdaten wurden gene-riert mit BWinPro 7.0 (TreeGrOSS 2011). Der betrachtete Be-stand besitzt eine Grundfläche von 55,1 m²/ha und hat einenVorrat von 880 m³ Holz. Betrachtet werden soll exemplarischdas ZielmerkmalGrundfläche, welches in der forstlichen Pra-xis als Maß für die Dichte von Beständen Anwendung findet.Die drei Kreuze simulieren dieMittelpunkte von BWI3-Inven-turpunkten, die jeweils um 30 Meter von West nach Ost ver-setzt in diesemBestand liegen. Die farbigenMarkierungen umdie Stammpositionen markieren die Probebäume, die bei An-wendung derWinkelzählprobe mit Zählfaktor 4 für die Stich-probe ausgewählt worden wären. Demnach variiert bereits indiesem vergleichsweise homogenen Bestand die Anzahl derProbebäume zwischen 12 und 17 bzw. die dadurch repräsen-tierte Grundfläche zwischen 48 und 68 m²/ha. Dieses kleineBeispiel zeigt, dass es selbst bei vergleichsweise homogenenBestandesverhältnissen nicht möglich ist, aus den hochgerech-neten Werten auf Inventurpunktebene Rückschlüsse auf dieBestandesverhältnisse im konkreten Bestand zu ziehen. Umauf Bestandesebene mit diesem Verfahren gesicherte Aussa-gen treffen zu können, wären in Abhängigkeit von den gewähl-ten Sicherungsgrenzen sowie der gewählten Irrtumswahr-scheinlichkeit etwa zehn bis 18 Inventurpunktaufnahmennach dem Verfahren der BWI notwendig (Kramer und Akca1995).

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011 47

Wie lässt sich die Waldentwicklung erfassen undanalysieren?

Im Sommer 1989 wurden hangparallele, den Lawinenverlaufkreuzende Transekte in 610, 700 und 740 Meter ü. NN angelegt,bestehend jeweils aus 10 x 10 Meter großen Dauerflächen, dievom ungestörten Wald über die Lawinenbahn möglichst wiederbis in den ungestörten Wald verlaufen. In den Jahren 1989, 1994und 1999 fanden detaillierte Analysen der Pflanzen-artenzusammensetzung statt.

Im Februar 1999, wenige Monate vor der geplanten drit-ten Vegetationsaufnahme, ereignete sich auf einer Fläche vonfünf Hektar ein neues Lawinenereignis. Diese Lawine über-schüttete Teile des ersten Lawinenstrichs. Zusätzlich wurdeder südlich angrenzende, etwa 200-jährige Referenzbestandgroßflächig zerstört. Mit der Erhebung 1999 bestand damit die

Katastrophe oder Chance?Schneelawinen und Biodiversität im Bergmischwald

Anton Fischer, Hagen Fischer und Ulrike Lehnert

Schneelawinen sind im Bergmischwald ein ungewöhnliches Störungs-Ereignis. Am Königssee trat dieses Ereignis 1986 oberhalbvon St. Bartholomä im Nationalpark Berchtesgaden ein. Noch ungewöhnlicher als die großflächige Lawine im Bergmischwaldselbst war, dass derWaldbestand nicht völlig zerstört wurde: stattdessenwurden die Bäume durch die abgehenden Schneemas-sen zu Boden »gebeugt« und lebten in dieser – für Bäume sehr ungewöhnlichen Haltung – weiter. Neue Lawinenabgänge folg-ten. So entstand ein »Freilandlabor« zur Untersuchung der Reaktionen von Wald auf eine Abfolge verschieden intensiver undverschieden lange zurückliegender Lawinen-Störungen, und zwar – da im Nationalpark gelegen – ohne unmittelbaren Eingriffdes Menschen.

Am 18. Januar 1986 lösten sich von der Ostwand des KleinenWatzmann große Schneemengen, liefen auf etwa 4,4 HektarFläche durch die Bergmischwaldzone und kamen erst in 610Metern ü. NN, kurz vor den Ufern des Königssees, zum Stehen.Sind Schneebretter und Schneelawinen in der Nadelwaldstufe imHochgebirge durchaus üblich, so kommen großflächige Lawinen-abgänge in der Bergmischwaldzone doch nur selten vor. So unge-wöhnlich wie das Ereignis selbst war auch seine unmittelbareWirkung auf den Baumbestand: Die dort dominierenden, etwa50-jährigen Bäume, meist Buchen, wurden nicht etwa entwurzeltoder gebrochen, sondern ihre Kronen wurden zu Boden gebeugt,die Bäume aber lebten in ihrer neuen, baum-untypischen»Haltung« weiter (Abbildung 1).

Abbildung 1: Bergmischwaldbestand drei Jahre nach demLawinenabgang

Abbildung 2: Aufrecht stehende Äste wachsen zu neuen»Bäumen« heran und bilden mittlerweile (2010) bis zu 15 Meterhohe Bestände.

Foto A. Fischer Foto: U. Lehnert

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011

Möglichkeit, die Folgen der Störung auf solchen Flächen zuverfolgen, deren Artenzusammensetzung vorher bereits detail-liert bekannt war. 2009 fand ein weiterer Lawinenabgang statt.

Nach der neuerlichen Erhebung 2010 überblicken wir nun-mehr zwei Jahrzehnte einer sehr vielfältigenWaldentwicklungauf dieser Lawinenbahn.

Die Überraschung: kaum Änderung der Artenzusam-mensetzung unter »gebeugten« Bäumen

Die Schneelawine von 1986 veränderte das Landschaftsbilddramatisch. Von weit her war und ist die klaffende Lücke imWald zu sehen. Aber die Zusammensetzung der Pflanzen-arten, gerade auch der Arten der Bodenvegetation, ändertesich kaum. Die Buchen lebten weiter, nur waren ihre Baum-kronen dichter an den Boden gedrückt (Abbildung 1). Die nunnach oben gerichteten Äste wuchsen als »Stämme« senkrechtin die Höhe und bilden heute einen etwa 15 Meter hohen»Jungwald« (Abbildung 2); teilweise bewurzelten sich boden-nahe Stammbereiche sogar sekundär (Abbildung 3).

Da die Stämme nur vereinzelt entwurzelt waren, gab esauch kaum ausgehebelteWurzelteller und damit nur wenig of-fenen Mineralboden, auf dem neue Arten hätten keimen kön-nen. Und da es nach wie vor ein dichtes Kronendach gab, blie-ben Mikroklima und Strahlungshaushalt weiterhin die einesWaldes.Während also auf Landschaftsebene einemassive Än-derung der Waldstruktur eintrat, blieben die kleinstandörtli-chen Bedingungen und damit die Artenkombination insge-samt fast unverändert. Nachdem dagegen die Lawine desJahres 1999 die Bäume des Altbestandes entwurzelt und groß-teils zu Tal gerissen hatte, sah das Bild ganz anders aus: EineBaumschicht fehlte hier und es gab viele aufgerissen Boden-partien, auf denen sich Pflanzenarten neu ansamen konnten.In den Folgejahren bestimmten Gräser und Schlagflurartendie Artenzusammensetzung.

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Abbildung 3: Einige Buchen bewurzeln sich sekundär.

Foto: U. Lehnert

T1

T2T3

N

0 25 50 100 150 200Meter

740 m ü. NN

700 m ü. NN

610 m ü. NN

Lawinenbahnen und Transekte

jährlich1986

1999T1 – T3: Transekte2009

Lawinenbahnen

Abbildung 4: Die Lawinenbahnen und die daraus hervorgehendenFlächen unterschiedlicher Bestandsentwicklung

Störungsempfindlich, misstrauisch, sensibel – gleichermaßenaber auch robust, anpassungsfähig und faszinierend: All dieseAttribute rücken das Rotwild immer wieder in den Fokus derWildbiologie, Jagdpraxis und Hege. Auch jagdpolitisch ist dasRotwild seit jeher ein Zankapfel.

Dieses Buch begleitet den Leser Monat für Monat durch ein»Rotwildjahr« im Revier und vermittelt, leicht verständlich auf-bereitet, tiefgreifende Erkenntnisse über unsere größte heimi-sche Schalenwildart.

Peter Burkhardt ist freier Journalist. Der passionierte Jägerund Schalenwildexperte betreut selbst ein Rotwildrevier im nie-dersächsischen Wendland. red

Peter BurkhardtEin Jahr im RotwildrevierJagdpraxis und HegeVerlag Müller RüschlikonUmfang: 160 Seiten, 80AbbildungenFormat: 170 x 210 mmBindung: broschiertISBN: 978-3-275-01792-8Preis: 19,95 Euro

Ein Jahr im Rotwildrevier

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WALD -WISSENSCHAFT - PRAXIS

LWF aktuell 85/2011

Prof. Dr. Anton Fischer leitet das Fachgebiet Geobotanik der TUMünchen im Department für Ökologie und Ökosystemmanage-ment des Wissenschaftszentrums [email protected]. Hagen S. Fischer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachge-biet Geobotanik. Ulrike Lehnert bearbeitete das Forschungsprojektam Fachgebiet Geobotanik sowohl 1999 im Rahmen ihrer Diplom-arbeit als auch bei der Erhebung 2010.

»Störung schafft Vielfalt«

Die Serie von Lawinen, die auf unterschiedlich alte Entwick-lungsstadien des Bergmischwaldes trafen (Abbildung 4), schufauf engem Raum nicht nur ein Mosaik an unterschiedlichenWaldstrukturen, sondern auch einMosaik von verschiedenenWaldbestand-Entwicklungslinien. Auf den insgesamt 46 Dau-erbeobachtungsflächen konnten wir acht verschiedene Stö-rungstypen und anschließende Sukzessionspfade unterschei-den.

Der Ausgangswald und der »gebeugte« Wald haben in et-wa gleiche Artenzahlen (A und B in Abbildung 5). Alle ande-ren Störungstypen sind durch signifikant höhere Artenzahlengekennzeichnet (C bis H in Abbildung 5).

Diese Vielfalt an Strukturen, Arten und Entwicklungs-wegen bleibt an dieser Stelle nur erhalten, solange entspre-chende Störungen weiterhin wirken. Alte Luftbilder weisendarauf hin, dass der zunächst betroffene, damals etwa 50-jäh-rige Buchenwald wohl seinerseits eine Regeneration nach ei-nem früheren Lawinenabgang darstellte. Allerdings ist überdiesen früheren Lawinenabgang nichts bekannt.

Störung schafft Vielfalt – das zeigt die Lawinenbahn vonSt. Bartholomä deutlich. Das heißt aber nicht, dass die Arten-zahl pro Fläche stets und für alle Gruppen von Lebewesen an-steigen muss, wie der »gebeugte« Buchenwald zeigt. Um dieArten- und Standortvielfalt in Wäldern auf einem hohen na-türlichenMaß zu halten, müssen solche Störungen akzeptiertund zugelassen werden. Das fällt leicht in einemNationalpark,kann aber nicht flächig auf alle Wälder übertragen werden.Doch selbst in Zeiten eines verstärkten Nutzungsdrucks aufWälder und auf ihr Holz ist »Störungen« ein angemessenerRaum zu geben, um die Nagoya-Ziele zum Schutz der Biodi-versität zu erreichen. Den Waldbewirtschafter »stören« sie,zum Erhalt der natürlichen Vielfalt sind sie aber essentiell.

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StörungstypenA B C D E F G H

Extremwerte

95 % -Wert

75 % -Wert

25 % -Wert

5 % -Wert

Median

Abbildung 5: Die Artenvielfalt (Gefäßpflanzen) in den achtStörungstypen

Die Nutzung des Waldes in der Schweiz hat sich in den letzten200 Jahren grundlegend verändert. Noch um 1800 waren imWald die Ziegenweide und die Gewinnung von Viehfutter, Streuund Beeren ebenso wichtig wie die Holzproduktion. Erst im Ver-lauf des 19. und 20. Jahrhunderts verloren diese agrarischen undfamilienwirtschaftlichen Nutzungen an Bedeutung oder wurdengar aufgegeben.

In den traditionellen Formen der Waldnutzung kommen dasgesammelte Wissen und die akkumulierten Erfahrungen ganzerGenerationen zum Ausdruck. Dieser Erfahrungsschatz droht zuverschwinden, denn das Wissen von »Hüeterbueben« und dieUmstände der Verwendung des »Heitisträhls« wurden kaum do-kumentiert, obschon sie aus kulturhistorischer und ökologischerSicht von großem Interesse sind.

Dem Buch beigelegt ist ein Dokumentarfilm von Rahel Grund-er auf DVD. Darin werden in sechs Kurzfilmen wichtige Artender traditionellen Waldnutzung vorgestellt, Gespräche mit Zeit-zeugen und historisches Bild- und Filmmaterial ermöglichen Ein-blicke in die Vielfalt alter Formen der Waldnutzung in derSchweiz. Die DVD kann auch separat über die WSL bezogen wer-den. red

Martin Stuber und MatthiasBürgiHüeterbueb und HeitistrählTraditionelle Formen derWaldnutzung in der Schweiz1800 bis 2000Haupt Verlag, BernBristol-Schriftenreihe 30302 Seiten + DVD120 Abbildungenkartoniert, 17 x 24 cmISBN: 978-3-258-07693-5Preis: 38 Euro

Hüeterbueb und Heitisträhl

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SERIE NACHHALTIGKEIT

LWF aktuell 85/201150

Stilllegung ist nicht nachhaltigArtikelserie der LWF beleuchtet die vielfältigen Aspekte der Waldnutzung

Stefan Nüßlein

Die Bayerische Landesanstalt fürWald und Forstwirtschaft beginnt mit dieser Ausgabe von LWF aktuell eine neue Serie zur nach-haltigen Waldnutzung. Die Betonung liegt auf »Nutzung«. Die Nutzung der Wälder für vielfältige Zwecke prägt unsere Land-schaften seit frühesten Zeiten, die Menschen leben seit jeher mit, in und von ihren Wäldern. Die Nachhaltigkeit als vorsorgen-des Grundprinzip der Nutzung wurde bekanntlich in der Forstwirtschaft erfunden. Zertifikate wie PEFC dokumentieren seineumfassende Auslegung und Beachtung. Warum also thematisieren, was doch seit Jahrhunderten selbstverständlich ist?

besiedelten Mitteleuropa das Modell der nachhaltigen Forst-wirtschaft. Die vielgestaltigen Wälder, an denen wir uns er-freuen, sind ihr Produkt. Die Ergebnisse der Waldinventurenbestätigen dieses Erfolgsmodell.

Der Blick auf den Wald muss weiter werden

In der öffentlichenDiskussion wird die Rolle desWaldes dem-gegenüber seit einiger Zeit verengt betrachtet. Es werden For-derungen erhoben, Wälder mit pauschalen Ansätzen aus derNutzung zu nehmen und künftig sich selbst zu überlassen. Ver-meintliches Ziel ist der Erhalt der Biodiversität. Doch diesekonnte trotz, oder vielleicht gerade wegen einer jahrhunderte-langenNutzung in einem beispielhaften Umfang erhalten wer-den. Läge bei dieser Ausgangssituation der Ausschluss derRohstofffunktion also wirklich im gesellschaftlichen Interes-se? Welchen Nutzen bringt die Bewirtschaftung und Pflegeder Wälder über das rein Betriebliche hinaus? Wäre Stillle-gung nachhaltig?

Auf Fragen wie diese sollen in dieser Artikelserie in LWFaktuell einige Schlaglichter aus der Wissenschaft geworfenwerden. Es werden Aspekte der Nutzung aufgezeigt, die trotzgroßer Bedeutung, im Diskurs leicht untergehen. Die Beiträ-ge werden Fakten in die laufende Diskussion einbringen undden teilweise auf die Frage »Nutzung oder Stilllegung« redu-zierten Blickwinkel wieder erweitern. Die Anforderungen anden Wald sind nicht eindimensional. Der Wald kann mehr!Und er muss auch immer wieder neue Herausforderungen be-stehen: Klimaveränderungen und Demografie machen vordemWald nicht halt und auch die Energiewende führt an derVerwendung nachwachsender Rohstoffe nicht vorbei.

Vizepräsident Dr. Stefan Nüßlein ist stellvertretender Leiterder Bayerischen Landesanstalt für Wald und [email protected]

Die Forstwirtschaft in Mitteleuropa zeichnet sich besondersdadurch aus, dass sie die verschiedenen Waldfunktionenbestmöglich integriert. Zunächst sind unsereWälder Rohstoff-lieferanten. Die Holznutzung ist nicht nur legitimes Eigentü-merinteresse, sie hat auch enorme volkswirtschaftliche Bedeu-tung. Vielen ist diese Bedeutung erst durch die Clusterstudiender jüngeren Zeit bewusst geworden. Der Wald ist bei Beach-tung der Nachhaltigkeit eine unerschöpfliche Rohstoffquelle(Nutzfunktion). Hinzu kommen aber auch nochweitere Funk-tionen, die im Interesse vonGesellschaft undGemeinwohl be-achtet werden müssen und lokal auch besondere Bedeutungbesitzen können: die sogenannten Schutz- und Erholungsfunk-tionen des Waldes.

Selten muss/sollte die Erfüllung dieser Gemeinwohlfunk-tionen, zu denen auch der Erhalt der Biodiversität zählt, dieNutzung gänzlich ausschließen – und wenn doch, dann ört-lich begrenzt, an klaren Kriterien festgemacht, auf das Not-wendige beschränkt und gegebenenfalls entgolten. Integrati-on der Funktionen statt Segregation, das ist im dicht

Abbildung 1: Die pflegende Hand des Waldbesitzers befördertden Aufbau stabiler, klima- und funktionsgerechter Wälder.

Foto: HAF

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SERIE NACHHALTIGKEIT

LWF aktuell 85/2011 51

(bzw. 2,3Mio. t C bei einemUmrechnungsfaktor von 3,67) wur-den durch die Verwendung von Holz pro Jahr vermieden.

Energiesubstitution entsteht, wenn Holz durch energeti-sche Nutzung den Verbrauch fossiler Brennstoffe ersetzt. Dader Heizwert fossiler Brennstoffe höher ist als bei Holz, mussfür die gleiche energetische Leistung mehr Kohlenstoff ausHolz verbraucht werden als bei fossilen Brennstoffen. Der Fak-tor für die Entlastung der Atmosphäre durch Energiesubstitu-tion mit Holz liegt deshalb bei 0,67 t C/m3 (Köhl 2011). Für dieZeit von 2003 bis 2008 lag die Energiesubstitution in Bayernbei 4,0 Millionen Tonnen CO2 je Jahr.

In der Summe bewirken die Substitutionseffekte durch dieVerwendung von Holz eine Entlastung der Atmosphäre um12,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. 2005 lag beispielsweise

Wald nutzen heißt Klimaschutz maximierenLWF vergleicht verschiedene Nutzungsstrategien unter Klimaschutzaspekten

Christoph Schulz und Daniel Klein

Die Bedeutung des Waldes für den Klimaschutz liegt in seiner Fähigkeit, das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre zubinden. Bei einer nachhaltigen Waldnutzung wird Kohlenstoff in verschiedenen Speichern im Wald sowie in Holzprodukten ge-bunden. Mit der Nutzung von Holz findet eine weitere Entlastung der Atmosphäre über Material- und Energiesubstitution statt.Über Art und Intensität der Nutzung werden die Größe der verschiedenen Speicher und die Substitutionseffekte beeinflusst.Modellierungen für Bayern zeigen, dass ein leichter Vorratsaufbau verbunden mit einer Holznutzung in Form von langlebigenProdukten mit späterer energetischer Nutzung aus kohlenstoffökologischer Sicht die beste Lösung darstellt. Es wird auch deut-lich, dass der Betrachtungszeitraum für den Vergleich verschiedener Systeme eine große Rolle spielt. Auch Nutzungsverzicht er-bringt eine Klimaschutzleistung – diese ist aber niedriger als bei einer nachhaltigen Nutzung und sie ist endlich.

Die Klimaschutzleistung des Forst-Holz-Komplexes setzt sichaus Kohlenstoffspeicherung und Substitutionseffekten zusam-men:Diemaßgeblichen Speicher sind die lebende ober- und un-terirdische Biomasse, Totholz, Streuauflage und Boden sowiedie Holzprodukte. Solange diese Speicher sich in der Summevergrößern, wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen unddamit eine Klimaschutzleistung erzielt. Dass das in Bayern derFall ist, zeigen die Ergebnisse von Klein und Schulz (S. 40–43 indiesemHeft). Die Speicherung erfolgt vor allem in der lebendenBiomasse imWald und im Speicher der Holzprodukte.

Substitution

Substitutionseffekte sind an die Verwendung vonHolz gebun-den: Materialsubstitution bedeutet, dass CO2-Emissionen ver-mieden werden, indem Holz energieintensiv hergestellte Ma-terialien wie zum Beispiel Aluminium ersetzt. Im besten Fallkann durch Recycling des Holzes in mehreren Produkten ei-ne wiederholte Materialsubstitution stattfinden (Kaskaden-nutzung). Die Klimawirkung derMaterialsubstitution wird er-fasst, indem für die existierenden Holzprodukte jeneCO2-Emissionen abgeschätzt werden, die entstanden wären,wenn die Produkte aus anderenMaterialien hätten hergestelltwerden müssen. Die Klimabilanzen konkurrierender Nicht-Holzprodukte sind fast immer höher (siehe z.B. Albrecht et al.2008), schwanken je nach Material stark und sind auch nichtfür jedes Produkt bekannt. Für die Materialsubstitution wur-de ein mittlerer, konservativer Wert von 0,7 Tonnen Kohlen-dioxid pro Kubikmeter (t CO2/m3) verwendet (Hofer et al 2007).Andere Untersuchungenweisen teilweise deutlich höhere Sub-stitutionsfaktoren auf (z.B. Rüter 2011), was zeigt, dass in die-sem Bereich noch Unsicherheiten herrschen.

Über Einschlagsmengen sowie die Zuordnung der Holz-mengen in Produktkategorien in Anlehnung an die Clusterana-lyse Bayern und den oben erwähnten Faktor konnten für Bay-ern die Materialsubstitutionseffekte im Zeitraum zwischen2003 und 2008 geschätzt werden. 8,6 Millionen Tonnen CO2

Aufsummierte Klimaschutzeffekte400

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2002 2042203720272022201720122007

StillegungNutzung des ZuwachsesNutzung des Zuwachses mit Energiesubstitutionen nach 2042bisherige Nutzungbisherige Nutzung mit Energiesubstitution nach 2042

Abbildung 1: Die Entwicklung des gesamten Klimaschutzeffektes(Mio. t C) bei unterschiedlichen Entwicklungsszenarien bis 2042.Bei den durchgezogenen Linien wird die energetische Nutzung vonlanglebigen Holzprodukten nach 2042 berücksichtigt.

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SERIE NACHHALTIGKEIT

LWF aktuell 85/2011

Für den im Boden gespeicherten Kohlenstoff, ein sehr großerund träger Speicher, kann davon ausgegangen werden, dassverschiedene naturnahe Bewirtschaftungssysteme zu keinengravierenden Unterschieden führen.

Zukünftige Entwicklungen unterschiedlicherNutzungsvarianten

Um eine Vorstellung von der Auswirkung verschiedener Nut-zungssysteme auf die Klimabilanz zu erhalten, bietet es sichan, mit vorhandenen Daten aus der Bundeswaldinventur(BWI) für bayerische Wuchsbedingungen die zukünftige Ent-wicklung exemplarisch zu modellieren. Wie in anderen Bun-desländern (z.B. Profft 2007; Wördehoff et al. 2011) wurde für ei-nen längeren, hier 40-jährigen Zeitraum (2002 bis 2042) dieEntwicklung der Kohlenstoffspeicher und der Substitutions-effekte für folgende drei Nutzungsvarianten gerechnet:•bisherige Nutzung (Vorratsaufbau bei Laubholz, leichter Vor-ratsabbau bei Fichte)

•Nutzung des gesamten Zuwachses (verstärkte Holzernte)•Stilllegung (keineHolzernte, deutlicher Vorratsaufbau, deut-liche Zunahme des Totholzes)

Die Modellierung kann nicht alle oben genannten Änderun-gen erfassen. So werden für alle Nutzungsvarianten die glei-chenHolzzuwächse unterstellt, obwohl davon auszugehen ist,dass bei Stilllegung auf Grund der zunehmend höheren Kon-kurrenz das Wachstum der einzelnen Bäume geringer ist alszum Beispiel bei einer intensiven Bewirtschaftung. Das stei-gende Kalamitätsrisiko mit steigenden Vorräten ist unberück-sichtigt, die Verteilung auf die Holzprodukte unterliegt keinerVeränderung (Verwendungsschlüssel gemäß ClusterstudieBayern) und es findet keine mehrfache stoffliche Nutzung,sondern lediglich eine energetische Nutzung zum Ende derNutzungsdauer statt.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der aufsummierten Kli-maschutzeffekte aus jährlicher Bindung und Material- undEnergiesubstitution bis 2042 (rote und gestrichelte Linien).Dabei wird kein Ausgangsspeicher berücksichtigt, weshalb al-le Kurven bei null Tonnen Kohlenstoff beginnen. Den jährli-chen Eintragsmengen werden jährliche Austragsmengen ge-genübergestellt, die je nach Produktkategorie und je nachNutzungsdauer der Produkte variieren. Alle Nutzungsformenzeigen über diesen Zeitraum einen ähnlichen, weitestgehendlinearen Anstieg mit durchschnittlichen jährlichen Steigerun-gen von 8,5 (bisherige Nutzung), 7,4 (Nutzung des gesamtenZuwachses) und 7,8 Millionen Tonnen Kohlenstoff (Stillle-gung). Die Stilllegung überholt am Ende des Zeitraumes nochdie Variante Nutzung des gesamten Zuwachses, weil der Bio-massezuwachs bei Stilllegung höher ist als die summiertenEffekte der Holznutzung. Wie oben erwähnt, wird für beideFälle derselbe Zuwachs unterstellt. In der Realität dürfte derZuwachs im 40-jährigen Zeitraum bei Stilllegung tendenziellabnehmen, bei Nutzung des gesamten Zuwachses hingegen zu-nehmen.

die jährliche energiebedingte Emissionsrate in Bayern bei 80,8Millionen Tonnen CO2 (StMUG 2009). Ohne Substitutionsef-fekte hätte sich die Emissionsrate pro Jahr auf 93,4 MillionenTonnen CO2 erhöht. Dies wäre ein Anstieg um circa 15 Pro-zent. Die Substitutionseffekte sind keinem zeitlichen Verfallunterworfen, sie sind dauerhaft wirksam, solange fossileBrennstoffe vermieden werden.

Einfluss der Bewirtschaftung

Durch die Bewirtschaftungsform werden Speicherwirkungund Substitutionseffekte beeinflusst. Wenn beispielsweise dieNutzung des Waldes intensiviert wird (Vorratsabbau), verrin-gert sich der Kohlenstoffspeicher der lebenden Biomasse imWald, während sich der in Holzprodukten gespeicherte Koh-lenstoff erhöht. Mit den größeren zur Verfügung stehendenHolzmengen steigen dann auch Material- und Energiesubsti-tution. Dem gegenüber steht eine Extensivierung der Nutzung,bei der die Vorräte imWald steigen und damit die Kohlenstoff-speicherung in lebender Biomasse und im Totholz erhöht wird,dafür aber weniger oder kein Kohlenstoff in den Holzproduk-tespeicher überführt wird und deshalb auch geringere oderkeine Effekte der Material- oder Energiesubstitution erfolgen.

Die gesamte Klimaschutzbilanz ist bei den verschiedenenNutzungsformen keineswegs gleich: Der Holzzuwachs und da-mit die Bindung von Kohlenstoff in der lebenden Biomassevariiert mit der Eingriffsstärke. Die mittlere Verweildauer desKohlenstoffs in lebender Biomasse, Totholz und verschiede-nen Holzprodukten unterscheidet sich. Die Substitutionsef-fekte sind an die geernteten Holzmengen, die Verteilung aufHolzprodukte mit unterschiedlicher Lebensdauer und dieWiederverwendung von Holzprodukten gekoppelt.

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Die Hersteller von Holzfertighäusern haben im ersten Halbjahr2011 deutlich mehr Häuser verkauft als im Vorjahreszeitraum.Zugleich ist der Anteil an besonders energiesparsamen Effizienz-häusern weiter gestiegen.

Von Januar bis Juni 2011 wurden 7.330 Baugenehmigungenfür Ein- und Zweifamilienhäuser in Fertigbauweise erteilt. Dasentspricht einem Zuwachs von 27 Prozent gegenüber dem ers-ten Halbjahr 2010. Wie eine Erhebung des BundesverbandesDeutscher Fertigbau e.V. (BDF) unter seinen Mitgliedsunterneh-men ergab, melden acht von zehn Fertighaus-Herstellern ein stei-gendes Auftragsvolumen.

Nach Ansicht des BDF profitiert die Fertigbauweise von derEnergiewende, weil die Fertighaus-Hersteller die gegenwärtig star-ke Nachfrage nach besonders energieeffizienten und mit erneu-erbaren Energien versorgten Eigenheimen bedienen können. DerAnteil staatlich geförderter Effizienzhäuser in Holzfertigbauwei-se stieg auch 2011 weiter an. So werden inzwischen 86 Prozentder Fertighäuser in den Standards »Effizienzhaus 70« oder »Effi-zienzhaus 55« gebaut, sieben Prozent sogar als extrem sparsames»Effizienzhaus 40«, das kaum noch Heizenergie benötigt. red

Energiewende treibt Bau von Fertighäusern an

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SERIE NACHHALTIGKEIT

LWF aktuell 85/2011

Nutzung versus Stilllegung

Über einen begrenzten Zeitraum haben Stilllegung wie Nut-zungsvarianten positive Klimaschutzbilanzen, wobei die Nut-zung höhere Leistungen erzielt und diese dauerhaft erbringt.Langfristig verliert der stillgelegte Wald seine Klimawirkung.Je größer die stillgelegte Fläche, desto stärker wird sich das aufden Beitrag der Forst- und Holzwirtschaft zum Klimaschutzauswirken.

Aus rein kohlenstoffökologischer Sicht stellt eine nachhal-tige Bewirtschaftung mit leichtem Vorratsaufbau und einerHolz-Kaskadennutzungmit abschließender energetischer Nut-zung den Königsweg dar.

Literatur

Albrecht, S.; Rüter, S.; Welling, J.; Knauf, M.; Mantau, U.; Braune, A.;Baitz, M.; Weimar, H.; Sörgel, S.; Kreissig, J.; Deimling, J.; Hellwig, S.(2008): Ökologische Potentiale durch Holznutzung gezielt fördern.BMBF Förderschwerpunkt Nachhaltige Waldwirtschaft Endbericht.295 S.

Hofer, P.; Taverna, R.; Werner, F.; Kaufmann, E.; Thürig, E. (2007): CO2-Effekte der Schweizer Forst- und Holzwirtschaft. Szenarien zukünftigerBeiträge zum Klimaschutz

Köhl, M.; Frühwald, A.; Kenter, B.; Olschofsky, K.; Köhler, R.; Köthke,M.; Rüter, S.; Pretzsch, H.; Rötzer, T.; Makeschin, F.; Abiy M.; Dieter, M.(2009): Potential undDynamik der Kohlenstoffspeicherung inWald undHolz: Beitrag des deutschen Forst- und Holzsektors zum Klimaschutz.vTI Agriculture and Forestry Research Sonderheft 327. S.103–109

Profft, I.; Arenhövel, W.; Seiler, M. (2007): Wald & Holz-Potential fürden Klimaschutz in Thüringen. In: Mitteilungen der Thüringer Landes-anstalt für Wald, Jagd und Fischerei (29). S.42–65

Rüter, S. (2011):Welchen Beitrag leisten Holzprodukte zur CO2-Bilanz?AFZ-Der Wald 15, S.15–18

StMUG (2009): Klimaprogramm Bayern 2020. Bayerisches Ministeri-um für Umwelt und Gesundheit. 48 S.

Wördehoff, R.; Spellmann, H.; Evers, J.; Nagel, J. (2011): Kohlenstoff-studie Forst- und Holz Niedersachsen. Beiträge aus der Nordwestdeut-schen Forstlichen Versuchsanstalt Band 6. 92 S.

Betrachtungszeitraum

Bei dieser Betrachtung bleibt bislang allerdings eine entschei-dende Klimaschutzleistung nicht berücksichtigt, die nur ent-stehen kann, wennHolz genutzt wird: Jedes Holzprodukt wirdam Ende seiner Lebensdauer energetisch genutzt. Beim größ-ten Teil der langlebigen Holzprodukte liegt dieser Zeitpunktjedoch außerhalb desModellierungszeitraumes von 40 Jahrenund wird nicht als Klimaschutzleistung bilanziert. Wenn die-se zukünftige Energiesubstitution auf den Zeitpunkt ihrer Bil-dung angerechnet wird (nämlich dann, wenn das Holz genutztwird), entsteht der ebenfalls in Abbildung 1 gezeigte Verlauf:Die beiden Varianten bisherige Nutzung und Nutzung des ge-samten Zuwachses (durchgezogene Linien) zeigen eine jährli-che Klimaschutzleistung von 9,6 bzw. 8,8 Millionen TonnenKohlenstoff und liegen deutlich über der Variante Stilllegungmit 7,8 t C/Jahr (rote Linie). Über den 40-jährigen Zeitraumsind die Substitutionseffekte der entscheidende Unterschiedzur Stilllegung.

Für den Vergleich von Nutzungsvarianten und Stilllegunghat der Betrachtungszeitraum grundsätzlich eine große Bedeu-tung. In der Abbildung zeigt sich, dass auch eine Stilllegungzumindest über 40 Jahre noch einen steten Klimaschutzeffekthat. Zu irgendeinem späteren Zeitpunkt wird ein Vorratsma-ximum erreicht, das sich aus Mortalität, der natürlichenKonkurrenz zwischen den einzelnen Bäumen und dem ver-fügbaren Raum ergibt. Ab diesem Zeitpunkt halten sich Koh-lenstoffaufnahme und -freisetzung weitestgehend die Waage,womit die Klimawirkung des Waldes verloren geht.

Auch in einem nachhaltig genutzten Wald wird nach Er-reichen eines optimalen Vorrates keine weitere Kohlenstoff-speicherung im Wald erfolgen. Durch die Nutzung werdenaber weiterhin konstant Klimaschutzleistungen durch Koh-lenstoffspeicherung in Holzprodukten sowie insbesonderedurchMaterial- und Energiesubstitution erbracht. Es ist zu be-denken, dass auf sehr lange Sicht auch der Holzproduktespei-cher irgendwann einen Sättigungspunkt erreichen kann unddie genutztenMengen dann lediglich den bereits vorhandenenSpeicher aufrecht erhalten. Dann tragen im Unterschied zurStilllegung aber immer noch die konstanten Substitutionsef-fekte zum Klimaschutz bei.

Eine Modellierung der BWI-Daten für weitere 40 Jahre er-gab, dass die Stilllegung amEnde dieses Zeitraumes, also nachinsgesamt circa 80 Jahren, die Tendenz einer abnehmendenKlimaschutzleistung aufwies. Dieser späte Wendepunkt giltjedoch für einen Nutzungsverzicht bei durchschnittlichenbayerischen Bestandes- und Altersverhältnissen, wie sie sichaus den BWI-Daten ergeben. Da ein Nutzungsverzicht in allerRegel für reifereWälder diskutiert wird, wäre bei Betrachtungvon Einzelfällen schon früher mit rückläufigen Klimaschutz-leistungen zu rechnen.

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Christoph Schulz ist Mitarbeiter in der Abteilung »Waldbesitz,Beratung, Forstpolitik« und leitet das Projekt »Die Kohlenstoffbilanzder bayerischen Forst- und Holzwirtschaft (KLIP 22)«. Daniel Kleinist Mitarbeiter in der Abteilung »Boden und Klima« der BayerischenLandesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und bearbeitet diesesProjekt. [email protected],[email protected]

FazitNachhaltige Forstwirtschaft mit langfristiger, mehrfacherHolzverwendung und abschließender energetischer Nutzungist das Beste, was wir machen können, wenn wir das Klimaschützen wollen. Durch Stilllegung von Wald wird die Atmo-sphäre geringer und für limitierte Zeit entlastet.

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KURZ UND BÜNDIG

LWF aktuell 85/201154

NachrichtenNachrichten

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Zecken-Erkrankungen nehmen 2011 deutlich zu

Bereits vor Ablauf der Zeckensaison steht fest: 2011 gibt es vie-le Zecken und besonders viele FSME-Erkrankungen. Allein inBayern und Baden-Württemberg überstiegen bis Ende Augustdieses Jahres die FSME-Erkrankungen mit 290 Fällen die desgesamten Vorjahres (170) um 70 Prozent.

Wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Le-bensmittelsicherheit (LGL) mitteilt, könne es im Herbst die-ses Jahres durchaus noch zu einem zweiten Höhepunkt derErkrankungszahlen kommen. Das hängt vor allem davon ab,wie aktiv die Zecken sind und wie viel Zeit die Menschen imFreien verbringen. Das LGL macht auch darauf aufmerksam,dass Zecken nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch instädtischen Parkanlagen häufig vorzufinden sind. Zum Schutzvor zeckenübertragenen Erkrankungen rät das LGL, den Kör-per nach einem Besuch in Grünanlagen ebenso wie nach ei-nem Aufenthalt imWald sorgfältig nach Zecken abzusuchen.Vorhandene Zecken sollten immer möglichst frühzeitig ent-fernt werden. Damit die Zecken gar nicht erst an den Körpergelangen, empfiehlt das LGL beim Aufenthalt in Park oderWald geschlossene Kleidung zu tragen.

Welchen Einfluss der Klimawandel auf das Vorkommenvon Zecken und zeckenübertragenen Erkrankungen ausübt,untersucht das LGL federführend in einem Verbund mit an-deren Forschungseinrichtungen in der bayernweiten VICCI-Studie (Vector-borne Infectious Diseases in Climate ChangeInvestigations). red

BaySF mit DFSZ-Zertifikat ausgezeichnet

Die Forsttechnik der Bayerischen Staatsforsten erfüllt dieQualitätsstandards des Deutschen Forst Service Zertifikats(DFSZ), das vom Verband der Agrargewerblichen Wirtschafte.V. (VdAW) vergeben wird. Im Rahmen eines umfassendenAudits wurde die Forsttechnik in den Bereichen Fällung undAufarbeitung, Rückung, Lagerung undWegebau überprüft. Inallen Feldern konnte die in Bodenwöhr ansässige Forsttech-nik der Bayerischen Staatsforsten überzeugen.

Die Überprüfung bestätigte, dass die Bayerischen Staats-forsten ihr Kerngeschäft, die Holzernte, auf hohem fachlichenNiveau durchführen. Das beinhaltet aber nicht nur eine pro-fessionelle und saubere Ernte und Bereitstellung von Holz,sondern gleichzeitig auch eine den Boden und Bestand scho-nende Arbeit. So wurde während des Audits beispielsweisekontrolliert, ob ausreichende Schutzmaßnahmen vorliegen,sollte es einmal zumAustreten vonHydrauliköl kommen. FürBruno Starke, den Leiter der Forsttechnik, ist das Zertifikat

Bestätigung für die professionelle und sorgfältige Waldarbeitals essentielle Grundlage einer naturnahen Forstwirtschaft,wie sie bei den Bayerischen Staatsforsten praktiziert wird.

Die Forsttechnik der Bayerischen Staatsforsten ist der ers-te deutsche Staatsforstbetrieb, der dieses von PEFC anerkann-te Deutsche Forst Service Zertifikat erhält. BaySF

Die 100 schönsten Geotope Bayerns

Die Liste der hundert schönsten Geo-Wunder in Bayern istkomplett. ZumAbschluss des europaweit einmaligen Umwelt-bildungsprojekts »Bayerns schönste Geotope« wurde der»Watzmannmit Eiskapelle« amKönigssee als 100. Geotopmitdem Gütesiegel ausgezeichnet. Als »Bayerns schönste Geo-tope« werden Objekte wegen ihrer Schönheit, Seltenheit, Ei-genart oder ihrem hohen wissenschaftlichenWert bezeichnet.Sie sollen für die Öffentlichkeit leicht zugänglich sein, denndiese Stellen gestatten, wie durch ein Fenster, einen Blick weitzurück in die Erdgeschichte Bayerns.

Der Watzmann entstand vor rund 220 Millionen Jahren,als sich der Meeresspiegel absenkte und fossile Ablagerungenansammelten. Diese wurden später bei der Alpenbildungdurch enorme Kräfte in die Höhe gehoben. Unterhalb derWatzmann-Ostwand liegt die »Eiskapelle«. Diese Eishöhle istTeil des tiefst gelegensten dauerhaften Firneisvorkommens imdeutschen Alpenraum.

Zum Abschluss des Naturschutzprojekts wurde auch derBildband »Hundert Meisterwerke – Die schönsten GeotopeBayerns« herausgegeben. Das Buch des Landesamtes fürUmwelt (LfU) enthält Beschreibungen sowie detaillierteGrafiken undWanderkarten zu den einzelnen Geo-Wundern.Der Bildband »Hundert Meisterwerke« ist unterwww.bestellen.bayern.de und im Buchhandel erhältlich. LfU

Foto: Nationalpark Berchtesgaden

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KURZ UND BÜNDIG

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Impressum

LWF aktuell – Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald undForstwirtschaft im ZentrumWald-Forst-Holz WeihenstephanLWF aktuell erscheint sechsmal jährlich zuzüglich Sonderausgaben.Erscheinungsdatum der vorliegenden Ausgabe: 7. November 2011Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinungdes Herausgebers wieder.

Herausgeber:Olaf Schmidt für die Bayerische Landesanstalt für Wald und ForstwirtschaftProf. Dr. Anton Fischer für das Zentrum Wald-Forst-Holz WeihenstephanHans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1, 85354 FreisingTelefon: 0 8161|71-4881, Telefax: 0 81 61|71-4971www.lwf.bayern.de und [email protected]: Michael Mößnang V.i.S.d.P.Redaktion: Michael Mößnang, Anja Hentzschell-Zimmermann,Florian Mergler (Waldforschung aktuell)Gestaltung: Christine HopfLayout: Grafikstudio 8, LangenbachDruck: Humbach und Nemazal, PfaffenhofenAuflage: 2.500 StückPapier: aus nachhaltiger Forstwirtschaft

Bezugspreis: EUR 5,– zzgl. Versandfür Mitglieder des Zentrums Wald-Forst-Holz Weihenstephan e.V. kostenlosMitgliedsbeiträge: Studenten EUR 10,– / Privatpersonen EUR 30,– /Vereine, Verbände, Firmen, Institute EUR 60,–ISSN 1435-4098

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, erwünscht,aber nur nach Rücksprache mit dem Herausgeber (schriftliche Genehmigung).Wir bitten um Quellenangabe und Überlassung von Belegexemplaren.

Nächste Ausgabe:JungbestandspflegeIm Rahmen des Klimaprogramms »Bayern 2020« bearbei-tet seit Oktober 2008 die Bayerische Landesanstalt fürWald und Forstwirtschaft das Forschungsprojekt »Wald-baukonzepte für Risikogebiete«. Ziel dieses Projektes sindwaldbauliche Bewirtschaftungs- und Pflegekonzepte, mitderenHilfe Forstleute undWaldbesitzer dieWaldbeständean die sich rasch ändernden Klimabedingungen besser an-passen können. In diesem Zusammenhang hat das zustän-dige Projektteam gemeinsam mit der »KLIP7-Steuerungs-gruppe« im Jahr 2010 eine neuartiges, praxisgerechtesVorgehen zur Pflege von Jungbeständen entwickelt. Dabeisteht neben der Qualitätssicherung in Laubholzdickungendie Steuerung der Baumartenanteile inMischbeständen un-ter Berücksichtigung der spezifischen Wuchsdynamik dereinzelnen Baumarten im Fokus. Das erarbeitete Vorgehenund die dafür zusammengestellten Inhalte und Beratungs-hilfsmittel wurden von speziell geschulten Waldbautrai-nern in zielgruppenorientierten Fortbildungen den Bera-tungsförstern der Forstverwaltung vermittelt.

In unserer nächsten Ausgabe von LWF aktuell widmenwir uns intensiv diesem Fortbildungsprodukt. Unter ande-rem stellen wir waldbauliche, ertragskundliche, forsttech-nische, naturschutzrelevante und waldschutzfachliche In-halte und Informationen rund um das Thema »Pflege vonJungbeständen« vor. red

LWF aktuell 85/2011

Projekt-Abschluss WINALP in Wildbad Kreuth

Die Bergwälder der Nordalpen übernehmen wichtige Aufga-ben für Mensch und Umwelt. Jedoch fehlten Forstpraktikern,Waldbesitzern und Forstbetrieben bisher flächendeckendeStandortinformationen, auf deren Grundlage sie den Klima-wandel berücksichtigen und denWald optimal bewirtschaftenkönnen. Das EU-Forschungsprojekt WINALP (Waldinforma-tionssystemNordalpen) hat diese Lücke geschlossen: Für alleWaldflächen der Bayerischen und Nordtiroler Kalkalpen so-wie für ein Pilotgebiet im Salzburger Land liegen ab sofort di-gitale Waldtypenkarten im Maßstab 1:25.000 vor, welche diein den Bergwäldern herrschendenUmweltbedingungen doku-mentieren. Auf dieser Basis können Waldbesitzer und Forst-betriebe heute schon die Risiken von morgen einplanen undden Bergwald für das nächste Jahrhundert entsprechend ge-stalten.

Das Projekt wurde aus Mitteln des Europäischen Fondsfür Regionale Entwicklung (EFRE) im Programm INTERREGIV A gefördert. Im WINALP fand ein intensiver grenzüber-schreitender Austausch statt. Gemeinsam mit erfolgreichenVorgängern hat dieses EU-Projekt erreicht, dass heute von Süd-tirol bis Bayern vergleichbare Geographische Informationssys-teme und Waldtypenkarten existieren. red

Weitere Hintergrundinformationen zum EU-Projekt WINALP könnenunter www.winalp.info abgerufen werden. Bildmaterial zurWINALP-Abschlussveranstaltung sind auf der Seite der BayerischenForschungsallianz unter www.bayfor.org/winalp-pressemitteilungeinzusehen.

»Zentrum Nachhaltigkeit Wald« im Steigerwald

Das im Steigerwald geplante »Zentrum-Nachhaltigkeit-Wald«wird in der unterfränkischen Gemeinde Oberschwarzach er-richtet. Im Ortsteil Handthal, ein beliebtes regionales Aus-flugsziel, entsteht bis 2013 ein bundesweites Vorzeigeprojektzum Thema nachhaltige Waldbewirtschaftung, das wertvolleEntwicklungsimpulse für die gesamte Region leisten wird.Geplant ist ein attraktives Informations- und Erlebniszentrummit spannenden Angeboten, die denWert und die Notwendig-keit nachhaltiger Forstwirtschaft vermitteln. Das benach-barte oberfränkische Ebrach mit seiner bekannten Zister-zienser-Abtei wird über ergänzende Projekte eng in das Ge-samtkonzept eingebunden. Dort wird als Besuchermagnet et-wa ein innovativer Baumwipfelpfad verwirklicht. Damit diegesamte Region Steigerwald von der Initiative profitierenkann, wird derzeit im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiati-ve Leader einNetzwerkprojekt vorbereitet, das die Umsetzungweiterer Vorhaben ermöglichen soll.

Bereits jetzt haben drei Landkreise und acht Kommunenerklärt, sich in dem zu gründenden Trägerverein zu engagie-ren. Auch die Bayerischen Staatsforsten und die Forstverwal-tung werden sich beteiligen. Insgesamt wird eine breit aufge-stellte Kooperation aus Kommunen, regionalen Akteuren undFörderern erwartet. red

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Die Geburtsstunde des Privatwaldes

Ausschlaggebend für die Entstehung de

s Privatwaldes

war der Reichsdeputationshauptschluss

und die damit

verbundene Säkularisation von 1803. Da

mals wurde der

gesamte kirchliche Besitz vom Staat übernommen –

auch

die Wälder. Auf diesen Flächen lasteten jedo

ch uralte

Rechte der ländlichen Bevölkerung. Um

die staatlichen Waldflächen frei von Rec

h-

ten zu erhalten, wurden die Rechte der B

auern in Wald abgelöst. Damit entstand

en

viele kleine rechtefreie Parzellen bäuerlic

henWaldes, und es verblieb ein großes St

ück

rechtefreierWald imEigentum des Staates. Diese gr

oß angelegte Ablösung von Rech-

ten wird auch als Purifikation bezeichne

t. Auf dieseWeise entstand das Gros des

bäu-

erlichen Privatwaldeigentums.

Ein Rechtler erhieltfür ein Klafter Holz

recht etwa 1,5 Tagwerk Wald. Allerding

s

war die aus den Holzrechten abgeleitete

Fläche oft größer alsder tatsächlich vorh

an-

dene Wald. Bei der Purifikation des Kolle

giatstiftes Habach imLandkreis Weilheim

hätte die Abfindung1.490 Tagwerk betra

gen, das Stift besaßjedoch nur 1.180 Ta

g-

werk. Letztlich einigte man sich darauf, d

ass 90 Prozent des Stiftswaldes an die Rec

ht-

ler verteilt wurden und zehn Prozent in

Staatsbesitz übergingen. hamberger

Foto: Titelseite des Reichsdeputationshauptschlusses aus dem Jahr 1803

AusgezeichnetErlesenes aus alten Quellen

Quelle:W

ikipedia