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Albtraumhaft Schön: Rubens’ Wiener Medusenhaupt trifft auf die Brünner Fassung ANSICHTSSACHE #23 GERLINDE GRUBER & PETR TOMÁŠEK

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Albtraumhaft Schön: Rubens’ Wiener Medusenhaupt trifft auf die Brünner Fassung

ANSICHTSSACHE #23

GERLINDE GRUBER & PETR TOMÁŠEK

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Ansichtssachen

Mit diesem Katalogheft dokumentieren wir eine durchaus spektakuläre wie

»monströse« Begegnung: Gemeint sind zwei Darstellungen derselben Szene und

Sagengestalt. Sie zeigen die Gorgone Medusa, bei deren Anblick, so die Sage,

jedermann zu Stein wurde, weshalb der Held Perseus ihr schließlich das Haupt

abtrennte. Das Ergebnis ist das Sujet beider Werke. Sie begegnen sich wohl zum

allerersten Mal seit ihrer Entstehung in der Werkstatt des Peter Paul Rubens —

wie ein schauriges Zwillingspaar. Eine der beiden blutreichen Inszenierungen

gelangte nach Brünn (Brno), während eine weitere Version, der Sammelwut Erz­

herzog Leopold Wilhelms für seinen Bruder Ferdinand III. sei es gedankt (!), in

den Besitz der Habsburger kam und bis heute in Wien zu sehen ist.

Wie bei anderen erfolgreichen Bildideen hat Rubens mehrere Fassungen abge­

liefert, um die Nachfrage nach einer bestimmten Komposition zu bedienen.

Rubens befand sich dabei wohl im Wettstreit mit Leonardo und Caravaggio. Dies

sowie die Provenienzen der beiden Gemälde thematisiert die 23. Ausgabe unserer

Ausstellungsreihe Ansichtssachen; der Besucher kann im direkten Vergleich aber

auch bewundern, wie unterschiedlich Rubens auf Holz und Leinwand malte.

Die Ausstellung steht im Kontext eines größeren Forschungsvorhabens, das

großzügig durch die Regierung Flanderns unterstützt wird. Ich danke daher sehr

herzlich Herrn David Maenaut, Generalrepräsentanten der Flämischen

Regierung, für sein großes Engagement, das die Zusammenarbeit unseres Hauses

mit der Mährischen Galerie in Brünn und mit der Forschergruppe AXES der

Abteilung für Chemie der Fakultät für angewandte Ingenieurswissenschaften an

der Universität Antwerpen ermöglichte. Diese interdisziplinäre wie internatio­

nale Kooperation hat aber nicht nur zur Reise der Medusa von Brünn nach Wien

und damit zum direkten Vergleich der beiden Gemälde geführt, sondern gestatte­

te uns auch die umfangreiche Untersuchung der materiellen Beschaffenheit

beider Gemälde — vor allem unter Einsatz der sogenannten Makro­Röntgen­

fluoreszenz­Spektrometrie (Macro­XRF­scans).

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Aus der direkten Gegenüberstellung erhofft sich das Projektteam (Gerlinde

Gruber, Elke Oberthaler, Ina Slama von der Gemäldegalerie, Petr Tomášek und

Terezie Veselá von der Mährischen Galerie sowie Koen Janssens, Nouchka De

Keyser und Geert Van der Snickt von der Universität Antwerpen) Antworten auf

diverse offene Fragen zu chronologischer Abfolge, Material und Entstehungs­

kontext der zwei Gemälde — weitere Veröffentlichungen werden daraus

resultieren.

Erstmals arbeitet mit diesem Projekt die Gemäldegalerie mit der Mährischen

Galerie in Brünn enger zusammen. Deren Direktor Jan Press sei für den

Enthusiasmus, den er dem Projekt sofort entgegenbrachte, herzlich gedankt.

Ich danke an dieser Stelle insbesondere Gerlinde Gruber, Kuratorin für die

flämische Malerei des Barock, die die Ausstellung und den Katalog kuratierte.

Ebenso gilt mein herzlicher Dank den kundigen Blicken der Restauratorinnen,

namentlich Elke Oberthaler und Ina Slama. Dass die Ansichtssachen regelmäßig

zu spannenden Seitenblicken in der Gemäldegalerie einladen, verdankt sich

darüber hinaus zahlreichen Kolleginnen und Kollegen — stellvertretend möchte

ich einmal mehr auch dem Publikationswesen, speziell unserer Lektorin Karin

Zeleny, sowie dem Team der Visuellen Medien am KHM unter Stefan Zeisler für

das wunder bare Layout der Katalogreihe und für die Ausstellungsgraphik meinen

Dank aussprechen. Unsere Registrarin Linda Wagner organisierte dankens­

werterweise den Ausstellungsaufbau, Marianne Hergovich vom Ausstellungs­

wesen den Transport aus Brno.

Stefan Weppelmann

Direktor der Gemäldegalerie

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Abb. 1: Peter Paul Rubens und Frans Snyders (?), Das Haupt der Medusa, Eiche, 60,6 × 112 cm. Brno, Mährische Galerie (Moravská Galerie v Brně), Inv.­Nr. A2

Albtraumhaft Schön: Rubens’ Wiener Medusenhaupt trifft auf die Brünner Fassung

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Abb. 2: Peter Paul Rubens und Frans Snyders (?), Das Haupt der Medusa, Leinwand, 68,5 × 118 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.­Nr. GG 3834

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Albtraumhaft Schön: Rubens’ Wiener Medusenhaupt trifft auf die Brünner Fassung

Gerlinde Gruber

Rubens’ Haupt der Medusa ist zu Lebzeiten des Künstlers gleichzeitig in zwei

verschiedenen Sammlungen überliefert. Es gab demnach zumindest zwei

Versionen davon. Der folgende kurze Beitrag konzentriert sich, da das Forschungs­

projekt dazu noch nicht abgeschlossen ist, auf den historischen Kontext und die

Provenienz der beiden Gemälde.

Rubens’ Haupt der Medusa

Ovid lässt in seinen Metamorphosen (IV, 794–802) den Helden Perseus erzählen, wie

die schöne, sterbliche Gorgone Medusa1 zum todbringenden Ungeheuer geworden

sei: Neptun vergewaltigte sie im Tempel der Minerva, und diese bestrafte das Opfer,

indem sie Medusas herrliches, vielbewundertes Haar in hässliche Schlangen verwan­

delte; der Anblick Medusas versteinerte daraufhin jeden. Perseus selbst umging diese

Gefahr, indem er die schlafende Gorgone in der spiegelnden Fläche seines Schildes

betrachtete und so ohne direkten Blickkontakt enthauptete (IV, 779–786).

Abb. 3: Hieronymus Wierix nach Marten de Vos, Detail aus: Triumph der Wahrheit. Amsterdam, Rijksmuseum

Das Haupt der Medusa behält auch nach deren Tod seine furchtbare Wirkung

und wird dadurch zum Schutz für seinen Besitzer: Minerva/Pallas Athene selbst

trägt es entweder auf dem Brustpanzer oder auf ihrem Schild (Homer, Ilias 5, 741).

Außerdem schmückt es auch Agamemnons Schild (Ilias 11, 36) — und in der Folge

die Schilde vieler weiterer Feldherren.

Rubens schildert das Haupt der Medusa abgeschlagen, auf kargem Boden diago­

nal in der Komposition liegend, inmitten von allerlei Ungetier (Abb. 1 und Abb. 2).

Ein weißes Tuch liegt zum Teil auf ihrem Haar und verläuft dann rechts, vom

Rahmen überschnitten. Es weckt Assoziationen zu einem Leichentuch; die ver­

schiedenen Erzählstränge erwähnen aber nur die kibisis, eine Art Tasche, in die

Perseus das Haupt der Medusa steckt.2 Die Szene spielt im Freien, vielleicht auf

einem Felsen — rechts vorne scheint sich ein Abgrund aufzutun, hinter dem Kopf

sind Pflanzen auf einer Felsenwand erkennbar, links hinten ist in weiter Ferne eine

bewaldete, leicht hügelige Landschaft zu erkennen. Der Felsen wurde als Anspielung

auf das Atlasgebirge gedeutet, denn Perseus hatte mithilfe des Medusenhaupts den

Titanen Atlas versteinert (Metamorphosen IV, 655–662).3

Medusas Haupt ist von Haar­ und Schlangensträhnen umrahmt, in der Blutlache

unter dem deutlich sichtbaren Halsstumpf wimmelt es von kleinen Schlangen,

einzelne Blutstropfen erscheinen ei­förmig geronnen, aus ihnen formen sich

Schlangen. Ganz rechts gebiert aber auch eine Schlange gerade Schlangen. Dafür

könnte sich Rubens an Bildfindungen wie jener 1593 datierten Graphik des

Hieronymus Wierix nach Marten de Vos inspiriert haben, einem Detail aus dem

Triumph der Wahrheit (Abb. 3).4 Die Vorstellung, dass die Viper bei der Geburt

ihrer Jungen ums Leben kommt, wurde auch als Sinnbild für verderbliche

Geschwätzigkeit inter pretiert.5 Die zwei in sich verschlungenen, einander gerade

attackierenden Schlangen rechts oben sind eine Anspielung auf ein Emblem, das

verschieden publiziert wurde: zum Beispiel als Femina improba (Hadrianus Junius,

Medici Emblemata, Antwerpen 1565) oder als Venus Improba (Joachim Camerarius,

Symbolorum & emblemata ex re [...] Reptilicus 1595). Dort ist jeweils ein ähnliches

Schlangenpaar zu sehen, welches das Paarungsverhalten der Vipern verbildlicht:

Nach der Paarung tötet die weibliche Viper das Männchen, um bei der Geburt

ihrerseits dann zu sterben — eine bereits bei Herodot (III, 109) und Plinius (Nat.

hist. X, 169–170) formulierte Vorstellung.6

Diese Fülle an Schlangen und ihre Entstehung aus den Blutstropfen der Gorgone

erinnert an eine andere Stelle aus den Metamorphosen (IV, 617–620), in der Ovid

den Schlangenreichtum Libyens erklärt.7 Rubens kannte auch Lucans Text dazu,

der in den Pharsalia (9, 619) die Geburt mehrerer giftiger Schlangen durch die

Blutstropfen Medusas im libyschen Sand ausführlich beschreibt und dabei auch die

Amphisbaena erwähnt, das zweiköpfige Tier im Vordergrund.8 Für diese

Amphisbaena inspirierte sich Rubens wohl an einer jetzt verlorenen Komposition

für die Abbildung im Rerum medicarum Novae Hispaniae thesaurus [...], Rom 1651,

von Francisco Hernándéz (1517–1587) et al. (Abb. 4) — ein Projekt, in das Rubens’

Freund in Rom, der Arzt Johannes Faber (1574–1629), auch involviert war.9 Jedoch

auch bei Lucan liegt das abgeschlagene Haupt nicht auf dem Boden.

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Nur in einer Szene legt Perseus das Haupt ab: Nach der Rettung Andromedas

wäscht er seine Hände und bettet deshalb zuvor das Haupt mit den Schlangen auf

Wasserpflanzen, die daraufhin verhärten und zu Korallen werden (Metamorphosen

IV, 742–750), was in Rubens’ Bild aber nicht dargestellt ist.

Im Wettstreit mit Leonardo und Caravaggio

Mit dem Gemälde nimmt Rubens den Wettstreit mit zwei großen Vorgängern

bei diesem Thema auf, Leonardo da Vinci (1452–1519) und Michelangelo Merisi

da Caravaggio (1571–1610) (Abb. 5).

Vasari berichtet 155010 relativ ausführlich, wie Leonardo mittels der täuschend

echten Darstellung allerlei Ungetiers die Wirkung einer Medusa auf einem run­

den Schild erzielt. Dazu schließt er sich in einem Zimmer mit allerlei Ungetier

ein (Falter, Glühwürmchen, Fledermäuse, Schlangen und andere Tiere), studiert

diese Tiere und schafft ein Monster: »[...] uno animalaccio molto orribile e

spaventoso; il quale avvelenava con l’alito, e faceva l’aria di fuoco. E quello fece

vscire d’una pietra scura, e spezzata, buffando veleno da la gola aperta, fuoco da

gl’occhi, e fumo dal naso si stranamente, che pareva monstruosa, e horribile cosa

affato.« ([...] ein sehr schreck liches und furchteinflößendes Untier, das mit seinem

Atem die Luft vergiftete und in Brand setzte. Und er ließ es aus einem dunklen

und zerborstenen Stein hervorkommen, Gift schnaubend aus dem offenen

Rachen, Feuer aus den Augen und Rauch aus der Nase, so seltsam, daß es durch­

aus ein monströses und schreckliches Ding schien.)11

Dieses Monster war vermutlich keine Medusa, sondern löste nur denselben

Effekt aus. Doch spricht Vasari außerdem von einem Ölgemälde mit einer

Abb. 4: Amphisbaena Europea, Detail aus: Francisco Hernándéz et al., Rerum medicarum Novae Hispaniae thesaurus, Rom 1651, lib. 10, p. 797

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Medusa, die eine Gruppe von Schlangen im Haar hatte, das Leonardo nie vollen­

dete: »Vennegli fantasia di dipignere in un quadro a olio una testa d'una Medusa,

con una acconciatura in capo con uno agrupamento di serpe, la più strana e

stravagante invenzione che si possa immaginare mai; ma come opera che portava

tempo, e come quasi interviene in tutte le cose sue, rimase imperfetta.«

(Es kam ihm in den Sinn, in einem Ölgemälde das Haupt einer Medusa zu

malen, mit einem Haarschmuck auf dem Kopf mit einer Ansammlung von

Schlangen, die seltsamste und extravaganteste Invention, die man sich nur vor­

stellen kann. Aber als Werk, das Zeit dauerte, blieb es — wie es fast bei allen

seinen Sachen geschah — unvollendet.)12

Dieses soll zur Zeit Vasaris im Besitz Herzog Cosimos in Florenz gewesen

sein,13 doch verlieren sich seine Spuren in den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts.14

Eine Reihe von Kunstwerken, die ein Medusenhaupt mit einem zum Schrei

geöffneten Mund zeigen, werden auf Leonardos Gemälde zurückgeführt,15

darunter als berühmteste Weiterentwicklung der Schild von Caravaggio (Abb. 5).

Dieser befand sich 1600 bereits in der Medici­Sammlung in Florenz, als Rubens

Abb. 5: Michelangelo Merisi genannt Caravaggio, Haupt der Medusa, Leinwand auf Holz, 60 × 55 cm. Florenz, Uffizien Abb. 6: Gijsbert van Veen nach Otto van Veen, Detail aus Abb. 8, Schild des Alessandro Farnese

dort im Gefolge des Herzogs von Mantua an der Hochzeit Marias de’ Medici mit

Heinrich IV. von Frankreich teilnahm: Wahrscheinlich hat er ihn da gesehen.

Vasaris Beschreibung von Leonardos Werken waren Rubens wohl bekannt.16

Vielleicht ist Rubens’ Felsengrund mit seinem Abgrund rechts vorne auch eine

Anspielung auf den zerborstenen Stein/Fels in Vasaris Beschreibung.

Ob Rubens hingegen das Medusenhaupt der Uffizien kannte (Abb. 7), das

heute einem anonymen flämischen Meister zugeschrieben wird, ist fraglich.

Dieses Gemälde war von Lanzi17 1782 wohl aufgrund der Beschreibung Vasaris

dem Leonardo zugeschrieben worden. Seine Provenienz lässt sich aber nur bis

1668 zurückverfolgen, als es Filippo de Vicq am 18. August dem Ferdinando II.

de’ Medici schenkte, damit dem letzten Willen seines Onkels Ippolito de Vicq

aus Brügge folgend, der mehr als dreißig Jahre Ferdinando gedient hatte.18 Zu

diesem Zeitpunkt galt es als ein flämisches Gemälde, was auch dem stilistischen

Befund entspricht. Es ist umstritten, ob die Uffizien­Medusa vor oder nach

Rubens’ Medusa entstanden ist. Tatsächlich könnte sie unabhängig davon ent­

standen sein: Im Vordergrund eines Werkes von Otto van Veen (1556–1629)

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genannt Vaenius, dem allegorischen Portrait des Alessandro Farnese als Herkules

(Abb. 8) von 1585, ist eine zerschlagene Statue der Invidia zu sehen, deren Kopf

mit dem Schlangenhaar in einem ähnlichen Winkel präsentiert wird (Abb. 9). Sie

könnte eine der Ausgangspunkte für den unbekannten flämischen Meister sein.

Vaenius‘ Stich, auf dessen Schild des Alessandro Farnese (Abb. 6) zwischen

Medusas Haaren ebenso überzeugend die Schlangen sprießen – während

Caravaggios Medusa (Abb. 5) nur Schlangen auf ihrem Haupt trägt –, hat aber

wohl auch auf Rubens einen gewissen Einfluss gehabt: dieser vermischt Haar und

Schlangen so subtil, dass van Gelder sogar meinte, die Schlangen stürzten sich

auf Medusas Haupt – tatsächlich beißt nur eine in die Stirn der Gorgone. Rubens’

Schlangen sind teilweise genuin mit ihrem Haar verwachsen, wie z.B. im

Schläfen bereich. Mit dieser »gewachsenen« Vermischung folgt Rubens seinem

Lehrer Vaenius und vermutlich auch Leonardo, und erweitert sie gleichzeitig,

indem er auch bereits eigenständige, von ihr offenbar abgenabelte Schlangen sich

um Kopf und Haar winden lässt: Links sind ein paar mit Kopf und Schwanz­

spitze zu sehen, besonders anschaulich ist das an der wie eine Spirale eingerollten

braunen im Vordergrund zu erkennen.

Rubens ging einen ganz neuen Weg, indem er den Kopf der Medusa in einem

Gemälde zeigte, das keinen Schild suggerierte, und erzielte mit dieser so leben­

digen Darstellung jedenfalls den von Leonardo gewünschten Effekt: eine

Reaktion von Zurückschrecken und Bewunderung.19

Abb. 7: Flämisch, Haupt der Medusa, Leinwand, 49 × 74 cm. Florenz, Uffizien

Abb. 8: Gijsbert van Veen nach Otto van Veen, Alessandro Farnese als Herkules. Amsterdam, Rijksmuseum

Abb. 9: Gijsbert van Veen nach Otto van Veen, Detail aus Abb. 8, Invidia

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Aus der Sicht eines Zeitgenossen des Rubens: Medusa in Amsterdam

Im Fall von Rubens’ Medusa wissen wir über ihre Wirkung auf Zeitgenossen: Der

holländische Humanist und Politiker Constantijn Huygens (1596–1687) (Abb. 10)

beschreibt 1629/30 das Medusenhaupt von Rubens, das er in der Sammlung seines

Freundes, des reichen Kaufmanns Nicolaes Sohier (1588–1642),20 gesehen habe,21

und zwar in Amsterdam, im Haus »met de Hoofden« (mit den Häuptern) an der

Keizersgracht 123 (Abb. 11).22

Huygens berichtet — nachdem er Rubens als den Apelles, den Malerfürsten,

vorgestellt hat — von einem für ihn unvergesslichen Bild: dem abgeschlagenen

Haupt der Medusa, umgeben von Schlangen, das »zwar noch reizvoll ist, aber

doch einen grauenhaften Anblick bietet, weil der Tod soeben eingetreten ist und

abscheuliche Schlangen den Kopf umgeben, mit einer solchen unbeschreiblichen

Überlegung komponiert, daß den Betrachter Entsetzen (terror) ergreift — das Bild

ist nämlich normalerweise durch einen Vorhang verdeckt — daß er aber die

Darstellung trotz ihrer Gräßlichkeit genießt, weil sie lebendig und schön ist.«23

Nicolaes Sohier war ein sehr reicher Kaufmann, dessen Familie aus den

südlichen, spanischen Niederlanden stammte: Sein Vater Hugo Sohier (c. 1550–

1592) war 1572 von Mons nach Antwerpen gezogen, das er 1585, als die Stadt von

den Spaniern rückerobert wurde, aber verließ, um nach Köln zu gehen, wo

Abb. 10: Paulus Pontius nach Anthonis van Dyck, Constantijn Huygens. Amsterdam, Rijksmuseum

Nicolaes 1588 geboren wurde24 — zu diesem Zeitpunkt plante Maria Pypelinckx

schon die Rückkehr mit dem zehnjährigen Rubens und ihren anderen Kindern

nach Antwerpen, wo sie am 24. November 1589 dokumentiert ist.25 Nach dem Tod

von Hugo Sohier 1592 zog dessen Familie nach Amsterdam,26 Nicolaes heiratete

dort 1621 Suzanne Hellemans (?–1625), Tochter des Antwerpener Juwelenhändlers

Arnold Hellemans (?–1599). Beide Familien hatten beste Verbindungen nach

Venedig, Nicolaes handelte aber auch mit der Levante und Russland und gehörte

bald zur Elite Amsterdams, mit Ambitionen auf einen Adelstitel.27 Er interessierte

sich für Kunst und Kultur, vor allem italienische Kunst und Musik. Das Haus in

der Keizersgracht ließ Sohier 1622 bauen, verkaufte es aber 1634 an den Händler

Louis de Geer de Gaillarmont (1587–1652),28 und zwar mit 12 Gemälden von

Rubens, Snijders und Wildens.29 Rubens’ Medusa war nicht darunter, da sie 1642

im Nachlassinventar Sohiers dokumentiert ist, in seinem Haus Herengracht (heu­

te Nr. 237) »in de groote saal, Idem een ditto sijnde hooft van Medusa van Rubbens

ende Snijers«.30 Dies war der wichtigste Raum, eine Art Empfangssaal mit 17

Gemälden, hauptsächlich italienischer Künstler.31 Diese Medusa verblieb in der

Familie bis 1719, als Anna Christina Pauw, Ambachtsvrouwe van Bennebroek,

starb32 — sie hatte 1671 Sohiers Enkel Nicolaas Baron Sohier de Vermandois, Heer

van Warmenhuizen (1645–1690), geheiratet. Nach ihrem Tod wurde das Bild in

Den Haag für 85 Florin als Rubens versteigert; dieses Gemälde wurde von van

Gelder vorsichtig mit dem Tafelbild in Brünn (Abb. 1) identifiziert.33

Abb. 11: Haus »met de Hoofden«, Keizersgracht 123, Amsterdam

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Aus der Sicht des Brünner Kurators:

Die Geschichte der Brünner Medusa

Petr Tomášek

(Übersetzung aus dem Tschechischen von Bernd Magar)

Das Brünner Franzensmuseum (das spätere Mährische Landesmuseum) wurde im

Jahr 1817 gegründet; seine Kunstsammlung bildet den Grundstock der Bestände der

heutigen Mährischen Galerie in Brno.34 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte

ihre Vergrößerung überwiegend durch Schenkungen von Personen aus den Reihen

des heimischen Bürgertums, der Intelligenz, des Klerus und in Einzel fällen auch der

Aristokratie. Unter den überhaupt ersten auf diese Weise erworbenen Objekten findet

man ein Gemälde, das ohne Angabe des Malers am 26. Dezember 1818 als »Ein Oehl­

gemälde das Medusenhaupt vorstellend« im Inventar der Neuzugänge eingetragen

wurde.35 Aus den weiteren Quellen erfahren wir über die Umstände der Schenkung

lediglich, dass das Gemälde dem Museum von Graf von Nimptsch (Abb. 12) durch

Vermittlung des mährisch­schlesischen Landesgouverneurs Anton Friedrich Graf

Mittrowsky (1770–1842) gestiftet worden war.36 Bei dem erwähnten Donator handelte

es sich um Joseph I. Graf von Nimptsch (1754–1838), den Besitzer der mährischen

Grundherrschaft Nové Syrovice (Neu Serowitz), dessen Wappen das bis heute auf der

Rückseite des Gemäldes (Abb. 14) erhalten gebliebene Eigentumssiegel trägt (Abb. 15).

Auf welche Art und Weise das Werk (Abb. 1) in seinen Besitz gelangt war, konnte

bislang nicht zuverlässig belegt werden.

Der Graf widmete sich erfolgreich seiner Militärkarriere, die er als General der

Kavallerie vollendete. Erst nach dem Tode seines älteren Bruders Christoph Ferdi­

nand Graf von Nimptsch (1751–1809) übernahm er die Verwaltung des Familien­

besitzes. Uns liegen keine Nachrichten darüber vor, dass er etwa ein Sammler gewe­

sen sei und in größerem Maße Kunstgegenstände angehäuft hätte. Dem

Franzensmuseum hat er darüber hinaus lediglich dieses eine Gemälde gestiftet.

Nichtsdestotrotz erscheint die Hypothese als sehr wahrscheinlich, dass er es durch

seine zweite Ehefrau Augusta, geborene Gräfin Marcolini­Feretti (gest. 1817) (Abb. 13)

erworben hatte, die er im Jahr 1804 ehelichte. Augusta war nämlich die Tochter von

Camillo Graf Marcolini­Feretti (1739–1814), der als Vertrauter und Freund des

Abb. 12: Anonym, Porträt des Generals Joseph I., Graf von Nimptsch, um 1810–1820, Leinwand, 61 × 48 cm. Staatliches Schloß Jaroměřice nad Rokytnou (Nové Syrovice), Inv.­Nr. JR 12538

Abb. 13: Joseph Grassl, Augusta Gräfin Marcolini Feretti, später verheiratete Gräfin Nimptsch, 1800, Öl auf Leinwand, 134 × 105 cm. Kunsthandel London, Sotheby’s, 7. Juli 1993, Lot 279

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sächsischen Kurfürsten und Königs Friedrich August III. / I. (1750–1827) seine mär­

chenhafte Karriere am Dresdner Hof als königlich­sächsischer Kabinettsminister voll­

endete.37 Gleichzeitig übte Marcolini in den Jahren 1774–1814 die Funktion des

Direktors der Meißner Porzellanmanufaktur aus und wurde im Jahr 1780 sogar

Generaldirektor der Künste und der Kunst akademie Sachsens. Aus den aufgeführten

Gründen hatte er viel Gelegenheit, das Sammeln von Kunst zu kultivieren, und aus

dem erhalten gebliebenen Nachlassverzeichnis sind wir teilweise sogar über Umfang

und Charakter seiner Kunstsammlung unterrichtet.38 Deshalb ist es nicht ausge­

schlossen, dass Augusta oder ihr Ehemann das Brünner Gemälde Haupt der Medusa

(Abb. 1) gerade von Graf Marcolini als Geschenk erhalten hatte, der es wiederum

zuvor womöglich vom sächsischen Herrscher als Würdigung seiner treuen Dienste

am Dresdner Hof bekommen haben konnte.39 Für Augusta als ursprüngliche

Besitzerin des Bildes spricht darüber hinaus die Tatsache, dass Graf von Nimptsch

das Werk dem Museum bereits ein Jahr nach dem Tod seiner Frau gestiftet hat.40

Abb. 14: Rückseite der Brünner Medusa (Abb. 1)

Abb. 15, links: Eigentumssiegel Josephs I., Graf von Nimptsch Abb. 15, rechts: Blatt mit der alten Inventarnummer (713) des Brünner Franzensmuseumsauf der Rückseite des Gemäldes Haupt der Medusa. Brno, Mährische Galerie, Inv.­Nr. A 2

Erstmals veröffentlicht wurde das Haupt der Medusa von dem Brünner Arzt,

Naturwissenschaftler und Kunstsammler Ernst Rincolini (1785–1867), der ab 1822 im

Museum die Funktion eines Konservators von Kunstwerken bekleidete und dessen

hoher Sachverstand bei der Autorenbestimmung und Einordnung der meisten

Gemälde und Statuen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Quelle diente.

Rincolini schrieb das Werk dem Rubensschüler und ­mitarbeiter Abraham van

Diepenbeeck (1596–1675) zu, während die Medusas geköpftes Haupt umsäumenden

Tiere laut ihm von Frans Snyders (1579–1657) gemalt worden seien.41 Derselbe Autor

erwähnt in einem späteren Artikel ein interessantes, mit der Präsentation des Werkes

zusammenhängendes Detail, nämlich dass das Gemälde an seinem Hängungsort im

Museum mit Rücksicht auf die Empfindlichkeit des weiblichen Teils des Publikums

gewöhnlich von einem Vorhang verdeckt wurde.42 Rincolinis Bestimmung wurde

später von Franz Moriz Xaver Braumüller (1780–1860) übernommen, der sich in

einem selbständigen Artikel besonders der Beschreibung des Themas widmete.43 Das

Paar Diepenbeeck — Snyders figuriert bei dem Bild auch im ersten gedruckten

Ausstellungsführer des Franzens museums in Brünn aus dem Jahr 1853,44 ebenso in

weiteren ähnlichen Publikationen aus späterer Zeit,45 ausgenommen die Museums­

führer aus dem Jahr 1899, wo zusammen mit Snyders erstmals Peter Paul Rubens

(1577–1640) aufgeführt wird.46

Detailliertere Argumente für eine direkte Zuschreibung des Werkes an Peter Paul

Rubens (1577–1640) — wiederum in Zusammenarbeit mit Frans Snyders — lieferte die

Restauratorin des Brünner Museums Hedwig Böhm­Hájek (1895–1982), die das

Gemälde Anfang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts restauriert hat. In einem

veröffentlichten Zeitungsbericht tendiert sie zur Meinung, dass das Brünner Gemälde

noch vor der Wiener Variante entstanden sei (Abb. 16).

23

Abb 16: Artikel der Restauratorin des Brünner Museums, Hedwig Böhm­Hájek, mit der Zuschreibung des Gemäldes an Peter Paul Rubens und Frans Snyders, in: Morgenpost 79, 1944, Nr. 19 (23. 1.), S. 3

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Dies belegt sie mit vom Maler vorgenommenen Änderungen (Pentimenti) und

mit der Verwendung eines kostspieligeren Holzmalgrundes (Abb. 17).47 Ihre Fest­

stellung hat sich in veränderter Form — als Rubens’ Mitarbeiter wird Jan Brueghel

d.Ä. (1568–1625) angegeben — im Katalog der ersten Nachkriegsausstellung wider­

gespiegelt,48 obgleich das Bild im breiteren kunsthistorischen Diskurs weiterhin

als Kopie der Wiener Leinwand angesehen wurde.49 Die Qualität des Gemäldes

wurde erneut durch die in den Jahren 1998–1999 durchgeführte restauratorische

Untersuchung von Mojmír Hamsík (1921–2007) bestätigt, welche der Präsentation

des Bildes als zentrales Exponat der Dauerausstellung Alter Kunst vorausging,

die in der Mährischen Galerie unter dem bezeichnenden Titel Blick der Medusa

(2001–2018) veranstaltet wurde.50 Als eigenhändige Arbeit von Peter Paul Rubens

selbst, in diesem Fall ohne Beteiligung von Mitarbeitern, wurde das Brünner Bild

in der internationalen Fachliteratur erst kürzlich von Gero Seelig aufgeführt.51

24

Abb. 17: Peter Paul Rubens und Frans Snyders (?), Detail aus Abb. 1, Pentimento in der Nähe der Amphisbaena

Aus der Sicht der Wiener Kuratorin:

Die Wiener Medusa

Gerlinde Gruber

Zu dem Zeitpunkt, als laut Huygens das Medusa­Gemälde in Amsterdam war —

1629/30 —, befindet sich bereits ein weiteres Haupt der Medusa von Rubens (Abb.

2) in der Sammlung von George Villiers (1592–1628), 1st Duke of Buckingham

(Abb. 18). Dieser hatte für seine Residenz in London, York House, von Rubens in

einem längeren Prozess 1625–1627 Antiken sowie Gemälde des Künstlers erstan­

den.52 Im nach seinem Tod verfassten Inventar von 1635 werden 32 Bilder von

Rubens aufgeführt, darunter »Rubens & Subter, Medusa’s head with Snakes«.53

Abb. 18: Willem Jacobsz Delff nach Michiel Jansz van Mierevelt, George Villiers, 1st Duke of Buckingham. Amsterdam, Rijksmuseum

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Der Herzog von Buckingham wurde 1628 ermordet. Sein Sohn George Villiers

(1628–1687) (Abb. 19) erbte die Sammlung und schaffte es, einen großen Teil

davon 1648 über Amsterdam nach Antwerpen bringen zu lassen, wo er dieselben

Gemälde zum Teil mehrfach als Pfand einsetzte.54 So wird die Medusa am 14. Mai

1649 an Salomon Cock verpfändet,56 am 24. Dezember 1649 an Marcelis Librechts,

dieser händigt sie am 7. Mai 1650 Jacques Kemp aus,57 der sie am 26. Juli 1650

wieder an Buckingham übergibt.58 Im August 1650 verhandelte der Antwerpener

Kunstliebhaber Jacomo de Cachiopin (ca. 1591/92–1659) für Erzherzog Leopold

Wilhelm den Ankauf von Bildern aus der Buckingham­Sammlung — die Medusa

befand sich darunter.59 Der Erzherzog erstand die Gemälde für seinen Bruder,

Ferdinand III. (Abb. 20),60 dessen Prager Residenz 1648 von den Schweden

geplündert worden war. Rubens’ Medusa ist dort in den erhaltenen Inventaren

von 168561 bis 1875 nachweisbar: 1685 noch als Original von Rubens, doch geht

interessanter Weise im 19. Jahrhundert das Wissen um die Autorschaft des Rubens

verloren. Im Inventar von 1838, Nr. 339 ist das Bild bereits ohne Zuschreibung

gelistet und 1875 dann als Snyders, wahrscheinlich nach Vasaris Beschreibung

des Medusenkopfes Leonardos.62 Alfred Woltmann hält das damals im Depot

befindliche Bild sogar für eine Replik nach einem von Victor Wolvoet signierten

Gemälde in Dresden (Abb. 21)63 — das Wolvoet vermutlich 1648/50 anfertigte, als

sich die Sammlung Buckinghams in Antwerpen befand und als Pfand benutzt

wurde.

26

Abb. 19: Anonym, George Villiers, 2nd Duke of Buckingham. London, British Museum

1880 wurde dieses Medusenhaupt in die kaiserliche Sammlung nach Wien

transferiert64 und von Engerth 1884 als Rubens und Frans Snyders (1579–1657) publi­

ziert — er versucht die Zweifel an der Zuschreibung zu verstehen: »wenn dennoch

etwas Bedenken zu erregen vermag gegen die Annahme der eigenen Hand des Ru­

bens, so ist es die fleissige Durchführung. Man vermisst den kühnen Strich des Meis­

ters selbst, bei aller Tüchtigkeit der Mache.«65 Engerth war auch bereits die Medusa

in Brünn (Abb. 1) bekannt, die er wie folgt kommentiert »als schöne Wiederholung

auf Holz, unter dem Namen des Snyders, was, auf die Schlangen allein bezogen,

richtig ist.« Im selben Jahr nimmt er die Wiener Medusa auch ins Verzeichniss der

kaiserlichen Sammlung auf, wo er auf keine Zuschreibungszweifel mehr eingeht —

vielleicht, weil er in der Zwischenzeit die Provenienz der Medusa aus der Sammlung

Buckinghams verstanden hatte.66 Ab diesem Zeitpunkt folgte die Rubens­Forschung

dieser Zuschreibung, nur die Schlangen wurden diskutiert: Rooses schlug 1890 erst­

mals Jan Brueghel den Älteren (1568–1625) als Autor der Tiere vor und verwies auch

auf die Beschreibung der Rubens­Medusa von Huygens in der Amsterdamer Samm­

lung Sohier.67 Glück geht im Sammlungskatalog von 1928 sogar soweit, Rubens als

alleinigen Autor für das Bild vorzuschlagen.68 In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts

wurde auch kurz Paul de Vos (1591–1678) ins Spiel gebracht,69 woran heute aber nie­

mand mehr glaubt. Überwiegend wird Frans Snyders als Künstler der Schlangen an­

genommen, da die Erwähnung im Buckingham­Inventar »Rubens & Subter« als ver­

sehentlich falsch geschriebener Eintrag für »Rubens & Snijders« interpretiert wird.

27

Abb. 20: Frans Luycx, Kaiser Ferdinand III., Leinwand, 77,5 × 66,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.­Nr. GG 8024

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Außerdem wurden ja auch im Sohier­Inventar von 1642 ebenfalls Rubens und Snyders

als Künstler des Medusenhauptes angeführt.70 Auch die Snyders­Forschung akzeptiert

diese Zuschreibung. Prohaska sprach sich 2002 aber wieder für eine vollkommene

Eigenhändigkeit des Rubens aus.71

Schlussbemerkung

Bereits zu Rubens Lebenszeiten sind, wie gesagt, zwei Gemälde mit dem Haupt der

Medusa als Rubens nachweisbar. Das ist für ihn bzw. seine Werkstatt nicht

ungewöhnlich. Es gibt einige solche Fälle, in denen mehrmals unterschiedliche Bild­

träger verwendet wurden: baltische Eiche ebenso wie Leinwand,72 wobei zur Zeit die

Forschung meist die Holztafel für den (qualitätvolleren) Prototyp hält — was aber

nicht immer so war. Oft gibt es auch mehrere Versionen auf dem gleichen Bildträger.73

Interessanterweise besaß der Herzog von Buckingham mehrere Gemälde, von denen

zumindest zwei Versionen erhalten sind.74 Die Einzigartigkeit der Komposition war

offenbar nicht so wichtig, Repliken von Rubens wurden akzeptiert.

Einer der Kunsthändler des Herzogs, George Gage (ca. 1582–1638) kommentierte

angesichts der für Sir Dudley Carleton, 1st Viscount Dorchester (1573–1632) ange­

fertigten Zweitversion einer Jagdszene sogar, »that this will be better finished [...]; and

he undertakes to make it of as much perfection as the other, if not more.«75

Abb. 21: Victor Wolvoet, Kopie nach Rubens, Das Haupt der Medusa, Leinwand, 45,5 × 59 cm. Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

1 Zu den verschiedenen Mythos­Varianten rund um die Medusa siehe Silke Kurth, Das Antlitz der Agonie. Körperstrafe im Mythos und ihre barocke Rezeption, Weimar 2009, 53–59; Renate Schlesier, Medusa oder: La belle différence, in: Dietmar Kamper & Christoph Wulf (Hgg.), Der Schein des Schönen, Göttingen 1989, 128–153, bes. 138; Stephen R. Wilk, Medusa. Solving the Mystery of the Gorgon, Oxford 2000; Marjorie Garber & Nancy J. Vickers, The Medusa-Reader, New York 2003; M. Robbins Dexter, The Ferocious and the Erotic. »Beautiful« Medusa and the Neolithic Bird and Snake, in: Journal of Feminist Studies in Religion 26.1, 2010, 25–41, bes. 25–32.

2 Hesiod, Der Schild des Herakles, 219ff.: »Ganz den Rücken bedeckte das Haupt des entsezlichen Scheusals / Gorgo, dem rings ein Beutel umherlief, schön zur Bewundrung / Silbern er selbst: doch Quaste, von leuchtendem Golde gebildet, / Hingen herab.« (Übersetzung von Johann Heinrich Voß, Hesiods Werke, Tübingen 1911).

3 Sutton, in: Ausst.­Kat. The Age of Rubens (Museum of Fine Arts, Boston), Boston 1993, 246–247, Kat.­Nr. 12.

4 Ulrich Heinen verwies bereits 2009 darauf: Ulrich Heinen: Additions to: Ders., Huygens and Rubens. Reflecting the passions in paintings. With some considerations in the neuroscience in art history, in: Stephanie Dickey & Herman Roodenburg (Hgg.), Motions of the Mind. Representing the Passions in the Arts of the Early Modern Nether-lands, Netherlands Yearbook for the History of Art 60, 2010, 150–177, 15–16, addition to note 10. (http://elpub.bib.uni­wuppertal.de/servlets/DerivateServlet/Derivate­1746/ additions_reflecting.pdf) (22.10.2018).

5 Arthur Henkel & Albrecht Schöne, Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart 1967, IV, 661–662, mit Abbildung.

6 Susan Koslow, »How looked the Gorgon then«. The Science and Poetics of the »Head of Medusa« by Rubens and Snyders, in: C. P. Schneider (Hg.), Shop Talk. Studies in Honour of Seymour Slyive, Cambridge 1995, 147–149. Susan Koslow, »The Head of Medusa« by Peter Paul Rubens and Frans Snyders: A Postskript (2006) http://prof­koslow.com/publications/medusa.html (24.2.2012).

7 »Während als Sieger er schwebt über Libyens sandigen Flächen, fielen aus Gorgos Haupt hinab die Tropfen des Blutes. Welche die Erde empfing und zu mancherlei Schlangen belebte; Drum ist der Boden dort so reich an bösem Gewürm.« Übersetzung Erich Rösch, München 1990.

8 Koslow 1995 (wie Anm. 6), 147–149. Dass Rubens Lucan kannte, kann anhand des Auktionskatalogs der Bücher seines Sohnes Albert Rubens vermutet werden. Prosper Arents, De Bibliotheek van Pieter Pauwel Rubens. Een reconstructie, hg. von Frans Baudouin et al., Antwerpen 2001, 357.

9 Peter Mason, Before disenchantment: images of exotic animals and plants in the early modern world, London 2009, 166–169. Unabhängig davon stellt dies auch Ulrich Heinen 2009 in seinen Additions (Anm. 4), 16 fest.

10 Giorgio Vasari, Le vite de piv eccellenti architetti, pittori, scvltori italiani: da Cimabve in sino a tempi nostri, 1550, Bd. III, 566 (1966–1997, IV, 21).

11 Vasari 1966–1997, IV, 21. Übersetzung ins Deutsche von Karin Zeleny.12 Valentina Conticelli, Medusa, significato e mito, Rom 2008, 35. Vasari 1550 (wie Anm.

10), IV, 25–26. Übersetzung ins Deutsche von Karin Zeleny.13 Vasari 1966–1997, IV, 23; Conticelli 2008 (wie Anm. 12), 45, Anm. 55.14 Conticelli 2008 (wie Anm. 12), 34.15 John Varriano, Leonardo’s Lost Medusa and other Medici Medusas from the Tazza

Farnese to Caravaggio, in: Gazette des Beaux­Arts 130, 1997, 73–80.16 Ausst.­Kat. Een hart voor boeken. Rubens en zijn bibliotheek, Antwerpen, Museum

Plantin­Moretus 2004, Antwerpen 2004, Kat.­Nr. 29. Rubens besaß die Ausgabe von 1568, ein Geschenk seines Freundes Casperius Gevartius (1593–1666).

17 Luigi Antonio Lanzi, La Real Galleria di Firenze accresciuta, e riordinata per comando di S.A.R. l’Arciduca Granduca di Toscana, Florenz 1782, 132. Zu den Folgen dieser falschen Zuschreibung siehe: R. Turner, Words and pictures: the birth and death of Leonardo’s Medusa, in: Arte Lombarda, Nuova Serie No. 66 (3), (Leonardo Oggi: Atti del Convegno Umanesimo problemi aperti 7), 1983, 103–111, sowie Ausst.­Kat. Medusa. Il mito, l’antico e i medici. Capolavori dai depositi degli Uffizi, »i mai visti«, VIII, Florenz 2008, Kat.­Nr. 9 (Simone Giordani).

18 Ausst.­Kat Florenz 2008 (wie Anm. 17), 66, Kat.­Nr. 9 (Simone Giordani)19 Varriano 1997 (wie Anm. 15), 73–80.20 Mireille Ploegaert, Nicolaes Sohier (1588–1642): From Merchant to Member of the

Cultural Elite in Seventeenth Century Amsterdam, Leyden University 2017–2018. 21 Das Manuskript befindet sich in der Bibliotheek der Koninklijke Akademie, Den Haag,

Huygens­handschriften, Catalogus van handschriften no. XL.VIII; J. A. Worp, Constantijn Huygens over de schilders van zijn tijd, in: Oud Holland 9. 1891, 106–136, bes. 119–120; J. A. Worp, Fragment eener autobiographie van Constantijn Huygens, in:

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Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap 18 (1897), 1–122, bes. 72–73. http://resources.huygens.knaw.nl/ retroboeken/bmhg/#page=126&accessor=toc&source=18 (21.10.2018). Deutsche Übersetzung bei J.G. van Gelder, ›Das Rubens-Bild: Ein Rückblick‹, Peter Paul Rubens: Werk und Nachruhm, in: Zentralinstitut für Kunst­geschichte (Hg.), Peter Paul Rubens. Werk und Nachruhm, München 1981, 14­15. Englische Übersetzung (lateinischer Text in FN 1) mit Kommentar bei: Ulrich Heinen, Huygens, Rubens and Medusa: Reflecting the Passions in Paintings, with Some Considerations of Neuroscience in Art History, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek LX, 2010, 151–178.

22 Van Gelder 1981 (wie Anm. 21), 38.23 Van Gelder 1981 (wie Anm. 21), vollständige Passage auf S. 14–15.24 Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), 9.25 Nils Büttner, Rubens. Von der Kunst, berühmt zu werden, Göttingen 2006, 162, Anm. 21.26 Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), 10.27 Tatsächlich erwarb sein Sohn Constantijn bereits 1644 mit dem Kauf von Oud­Poelgeest

den Titel eines Heer van Warmenhuizen, Crabbendam en Oud­Poelgeest, 1658 erhob Kaiser Leopold I. ihn zum Baron. Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), 8–9, mit Bibl.

28 https://www.genealogieonline.nl/de/stamboom­trip­smit/I512964.php (22.10.2018)29 Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), 245.30 9. September 1642, Inventaris gedaen by mij Pieter de Bary notaris .... ten versoecke van

d' E. Daniel Sohier, Grotte Becker, Everhart Schot en Jacob Jacobsz. Blyenberch als executeurs vande sterfhuyse van wijlen Nicolas Sohier (...) Inventar im Gemeentearchief Amsterdam, Nr. 1681, http://research.frick.org/montias/browserecord.php?­action= browse&­recid=1431. Mit Korrekturen publ. von: Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), Appendix 2, 53­59. Dieses Haus Sohiers wurde 1881 zerstört.

31 Ploegaert 2017–2018 (wie Anm. 20), 34.32 Geboren 1649, wird sie 1697 nach dem Tod ihres Vaters zur Ambachtsvrouwe von Ben­

nebroek.. https://www.archieven.nl/nl/zoeken?mivast=0&mizig=210&miadt=236&miaet=1&micode=3819&minr=3063531&miview=inv2&milang=nl (17.10.2018).

33 Van Gelder 1981 (wie Anm. 21), 38. Schildereyen van de Vrouwe Douariere van Warmen­huizen, Vrouwe van Bennebroek 25. Juli 1719, Den Haag, n. 13: »Het Hooft van Medusa door Rubbens« (Gerard Hoet, Catalogus of Naamlyst van Schildereyen, met derzelver pryzen. Zedert een langen reeks van Jaaren zoo in Holland als op andere Plaatzen in het openbar verkogt, Bd. 2, s’Gravenhage 1752, 374).

34 Vgl. Petr Tomášek (Hg.), Moravská národní galerie. 194 let od založení, Brno 2011; Petr Tomášek, Tak trochu nesamozřejmá galerie. Moravská obrazárna na cestě k samostat-nosti, in: Bulletin Moravské galerie v Brně 67, 2011, 168–175.

35 Haupt-Inventar über alle an das Franzensmuseum eingelangten Gegenstände in dem Jahrlaufe 1808[–1836] (Ms.), Archiv des Mährischen Landesmuseums in Brno, Inv.­Nr. 713.

36 Brief des mährisch­schlesischen Landesgouverneurs Anton Friedrich Graf Mittrowsky vom 14. 12. 1818, Mährisches Landesarchiv Brno, Bestand G 82 – Wirtschaftsgesellschaft, 1796–1942, Karton 239, Sign. V/1, Franzensmuseum, Schenkungen, Neuzugänge der Sammlugen u.a., 1815–1829.

37 Vgl. Friedrich August Ô­Bÿrn, Camillo Graf Marcolini, Königlich Sächsischer Cabinetsminister, Oberstallmeister und Kämmerer. Eine biographische Skizze, Dresden 1877.

38 Verzeichniss der Verlassenschaft Sr: Exzellens des am 10ten Juli 1814 verstorbenen königlich Sächsischen Kabinets Minister und Oberstallmeister Herrn Camillo Grafen Marcolini Ferreti gefertiget von Frauen Marien Annen verwit tweten Gräfin Marcolini, gebohrner Baronin O’Kellÿ (Abschrift der Handschrift aus dem Jahr 1816), 1821, Mährisches Landesarchiv Brno, Bestand G 315 – Familien archiv Stubenberg [und Nimptsch], (1156) 1436–1945, Karton 25, Inv.­Nr. 35.

39 Im Jahre 1741 kaufte der sächsische Kurfürst Friedrich August II. (1696–1763) das Gemälde »ein Kopf Medusiae von Rubentz« für 100 fl. als Teil einer Kollektion von 268 Gemälden aus dem Schloss Duchcov (Dux) von Franz Joseph Georg Graf von Wald­stein; siehe Lubor Machytka, Zum Verkauf Waldsteinischer Bilder nach Dresden im Jahre 1741, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 18, 1986, 67–73.

40 In Augustas Nachlassinventar figuriert zwar kein Kunstwerk, jedoch kann diese Tat­sache im Hinblick auf das damals übliche Bestreben, eine hohe Erbschaftssteuer zu umgehen, nicht überbewertet werden; siehe Inventur. Uiber das angegebene und vorgefundene Verlassenschafts Vermögen der verstorbenen Frau Augustine Gräfin von Nimptsch, gebohrne Gräfin von Markoliny, […] Wien am 27ten October 1817 (Ms.), Mährisches Landesarchiv Brno, Bestand G 315 — Familienarchiv Stubenberg [und Nimptsch], (1156) 1436–1945, Karton 24, Inv.­Nr. 35.

41 Ernst Rincolini, Notizen über in Mähren vorhandene vorzügliche Kunstwerke der

Mahlerey, in: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst 16, 1825, 668, Nr. 110–111: »Ferner der Neid, allegorisch als Medusenhaupt von vielen Schlangen und andern Thieren umgeben, der Kopf ist von Dippenbeck, Rubens Schüler, die Thiere von Snyders, auf Holz bey 2 1/2 Schuh hoch, 3 1/2 Schuh breit. So gräßlich der gewählte Gegenstand ist, so kann man nicht genug die Kraft des Colorits und die treueste Nachahmung der Thiere bewundern.«

42 Ernst Rincolini, Räsonnirende Andeutungen über die vorzüglichern, im Franzens-museum befindlichen Kunstwerke aus den ältesten, älteren und neueren Zeiten der bildenden Kunst, in: Mittheilungen der k. k. Mährisch­Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur­ und Landeskunde in Brünn, 1828, 367, Nr. 46: »Dieses Bild wird seines wahren aber gräßlichen Totalein druckes wegen, aus Zartheit gegen Frauenzimmer in dem Franzensmuseum gewöhnlich mit einem Vorhange bedeckt gehalten.«

43 X. B. [Franz Moriz Xaver Braumüller], Ueber ein Gemälde im Franzens-Museum, das Medusenhaupt vorstellend, in: Moravia 1, 1838–1839, Nr. 86 (24. 12. 1838), Nr. 344.

44 Albin Heinrich, Das Franzensmuseum, Brünn 1853, 67, Nr. 6.45 Moric Trapp, Das Franzens-Museum in Brünn, Brünn 1882, 48, Nr. 132; Moric Trapp,

Františkovo museum v Brně, Brno 1882, 43, Nr. 132; Moric Trapp, Führer durch das Franzens-Museum in Brünn, Brünn 1890, 87, Nr. 140; Moric Trapp, Průvodce Františkovým museem v Brně, Brno 1891, 88, Nr. 140; Moriz Trapp, Führer durch das Franzens-Museum in Brünn, Brünn 1894, 85, Nr. 140; Jaroslav Helfert (Hg.), Průvodce po sbírkách Mor. zemského musea v Brně, Brno 1924, 62, Nr. 100 (ungenannter Schüler von Rubens und Frans Snyders).

46 Führer durch die Gemälde-Galerie des Franzens-Museums, Brünn 1899, 52, Nr. 140; Průvodce obrazárnou Musea Františkova, Brno 1899, 49, Nr. 140.

47 Hedwig Böhm­Hajek, Gemälde berühmter Meister in Heimatmuseen und Privatbesitz I. Das Haupt der Medusa, in: Morgenpost 79, 1944, Nr. 19 (23. 1.), 3: »Vorher aber mag unser Brünner Medusenhaupt entstanden sein. Es ist auf einer hoch wertigen und auf das sorgfältigste vorbereiteten Eichenholztafel gemalt und ist 60:112 cm groß. Daß es das zuerst entstandene Werk ist, beweist eine Änderung (ein sogenanntes Pentimenti [sic]) an einer der Schlangen.«

48 Obrazárna zemského musea v Brně. Výběr význačných děl, Brno 1946, unpag., Kat.­Nr. 60.

49 Vgl. z.B. Andor Pigler, Barockthemen 2. Profane Darstellungen, Budapest 1974, 173; Klaus Demus et al., Peter Paul Rubens 1577–1640, Wien 1977, 82; Lubomír Slavíček (Hg.), Artis pictoriae amatores. Evropa v zrcadle pražského barokního sběratelství, Praha 1993, 152.

50 Auswahl und Klassifizierung der Exponate der niederländischen Malerei oblagen fach­lich Herrn Prof. Lubomír Slavíček, dem ich für seine wertvollen Ratschläge beim Verfassen des vorliegenden Textes danke.

51 Gero Seelig, Die Menagerie der Medusa. Otto Marseus van Schrieck und die Gelehrten, München 2017, 42–45.

52 Jeffrey M. Muller, Rubens: The Artist as Collector, Princeton, NJ, 1989, 78, mit Bibl.; Philip McEvansoneya, Vertue, Walpole and the Documentation of the Buckingham Collection, in: Journal of the History of Collections, Bd. 8, Nr. 1, 1996, 1–14; J.M. Muller, Rubens’s Collection in History, in: K. Belkin & F. Healy, Ausst.­Kat. A House of Art. Rubens as Collector (Rubenshuis & Rubenianum, Antwerpen 2004), Schoten 2004, 62–63.

53 B. Fairfax, A Catalogue of the Curious Collection of Pictures of George Villiers, Duke of Buckingham, in which is included the Valuable Collection of Sir Peter Paul Rubens […], London 1758, 15, Nr. 8 (by Rubens, Medusa’s Head); das vollständige Inventar ist publiziert in: S. Jervis, Furniture for the First Duke of Buckingham, in: Furniture History, Bd. XXXIII, 1997, 47–74, bes. 59.

54 Katrien Daemen­de Gelder & J.P. Vander Motten, A Broken Broker in Antwerp: William Aylesbury and the Duke of Buckingham’s Goods, 1648–1650, in: Philip Major, Literatures of exile in the English Revolution and its aftermath, 1640–1690, Farnham 2010, 65–78.

55 Erik Duverger, Antwerpse Kunstinventarissen uit de Zeventiende euw, Vol. V: 1642–1649, Brüssel 1991, 482–483; Philip McEvansoneya, The Sequestration and Dispersal of the Buckingham Collection, in: Journal of the History of Collections, Bd. 8, Nr. 2, 1996, 133–154.

56 Erik Duverger, Antwerpse Kunstinventarissen uit de Zeventiende euw, Vol. VI: 1649–1653, Brüssel 1992, doc. 1596, 70–71 und doc. 1621, 113–132.

57 Duverger 1992 (wie Anm. 56), doc. 1636, 131–132.58 Duverger 1992 (wie Anm. 56), doc. 1642; Jeremy Wood, Buying and selling art in Venice,

London and Antwerp: The Collection of Bartolomeo della Nave and the Dealings of James, Third Marquis of Hamilton, Anthony Van Dyck, and Jan and Jacob Van Veerle,

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c. 1637–52, in: The Walpole Society, Bd. 80, London 2018, 1–200, bes. 36–37, 40. 59 Gregory Martin, Rubens and Buckingham’s ›fayrie ile‹, in: The Burlington Magazine,

Bd. 108, Nr. 765, Dez. 1966, 613–618; Klara Garas, Die Sammlung Buckingham und die kaiserliche Galerie, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. 40, Heft 1, 111–122. Philip McEvansoneya, The Sequestration and Dispersal of the Buckingham Collection, in: Journal of the History of Collections, no. 2 (1996), 133–154, bes. 141, 149, Appendix IV.

60 Das Prager Inventar von 1685 bezieht sich auf ein früheres von 1663. Jaromir Neumann, Die Gemäldegalerie der Prager Burg, Prag 1966, 30–31.

61 Die Information zum Prager Inventar von 1838, Nr. 339 (»ein enthaupteter Kopf von Schlangen umgeben«) und 1875, Nr. 339 (wie auch zu den anderen unpublizierten Prager Inventaren mit Ausnahme Inv. 1685), verdanke ich Eliška Fučíková.

62 Alfred Woltmann, Die Gemäldesammlung in der Kaiserlichen Burg zu Prag, in: Mittheilungen der K.K. Central­Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst­ und historischen Denkmale, Bd. III, Wien 1877, 25–50, hier 42.

63 Nachtragsinventar 1875–1915, »Depot VII, Nr. 339: Ein blutiger Kopf von Schlangen umgeben (Medusa), Snayders«, Leinwand, 68 × 118 cm (Inventar im Archiv der Gemäldegalerie, Kunsthistorisches Museum Wien), dann im Raum 39 des Belvedere ausgestellt.

64 Eduard Ritter von Engerth, Über die im Kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde, III. Niederländische Schulen, in: Jahrbuch der Kunst­historischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Bd. 2, 1884, 145–166, hier: 161

65 Eduard Ritter von Engerth, Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Gemälde. Beschreibendes Verzeichnis, II. Band, Niederländische Schulen, Wien 1884, 408, Nr. 1193.

66 Max Rooses, L’Oeuvre de P.P. Rubens. Histoire et description de ses tableaux et dessins, Bd. III, Antwerpen 1890, 116, Nr. 636; Vol. V, Antwerpen 1892, 338. 1891 war von Worp in Oud Holland IX, 119 (wie Anm. 21) erstmals Huygens Text publiziert worden.

67 Katalog der Gemäldegalerie, Wien 1928, 180, Nr. 846. 68 Mündliche Mitteilung von Günther Heinz an Wolfgang Prohaska: K. Demus et al.,

Ausst.­Kat. Peter Paul Rubens, 1577–1640. Ausstellung zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages (Kunsthistorisches Museum, Wien 1977), Wien 1977, 83, Kat.­Nr. 23; Friderike Klauner, Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischesn Museums in Wien. Vier Jahrhunderte europäischer Malerei, Salzburg & Wien 1978, 309.

69 Inventar im Gemeentearchif Amsterdam, Inv.­Nr. 232, 9.9.1642, Nr. 28: »een dito synde een meduse van Rubens en Snyers«. online: http://research.frick.org/montias/browse­record.php?­action=browse&­recid=1431 (15.10.2018)

70 Anne T. Woollett, in: Ausst.­Kat. Rubens & Brueghel. A Working Friendship, hg. von A.T. Woollett & A. van Suchtelen, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles & Royal Picture Gallery, Mauritshuis, The Hague, Los Angeles 2006, Kat.­Nr. 24; Koslow 2006 (wie Anm. 6) (24.2.2012); Koslow 1995 (wie Anm. 6), 303, 306, 308–312; Hella Robels, Frans Snyders: Stilleben- und Tiermaler (1579–1657), München 1989, 370–371, Nr. 276.

71 Ausst.­Kat. Das Flämische Stilllleben 1550–1680, Kulturstiftung Ruhr, Villa Hügel, Essen; Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 2002, 58–59, Kat.­Nr. 12 (Wolfgang Prohaska).

72 Siehe dazu: Nils Büttner, The Hands of Rubens: On Copies and Their Reception, in: Kyoto Studies in Art Histories vol. 2, Appreciating the Traces of an Artist’s Hand, ed. Toshiharu Nakamura, Kyoto 2017, 41–53, mit Bibl.

73 Büttner 2017, 43–4574 Elizabeth McGrath, Rubens and Classical Myth: Introduction, in: Elizabeth McGrath

et al., Rubens. Mythological Subjects: Achilles to The Graces, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. XI (1), London & Turnhout 2017, 53. Sie führt neben dem Betrunkenen Silen noch die Drei Grazien mit einem Korb, Hero und Leander sowie das Haupt der Medusa an.

75 Max Rooses & Charles Ruelens, Correspondance de Rubens et Documents Epistolaires concernant sa Vie et ses Oeuvres Publies, Codex Diplomaticus Rubenianus, Antwerpen 1898, Bd. II, 93. Brief von Toby Matthew an Carleton, Gage zitierend, 30. Dezember 1616. Siehe dazu Marina Daiman, Telling what is Told: Originality and Repetition in Rubens’ English Works, in: Rebecca Herissone & Alan Howard, Concepts of Creativity in Seventeenth-Century England, Rochester, 2013, 151–179, bes. 151–153.

Zusammenfassung

Rubens schafft mit seinem Haupt der Medusa ein Gemälde, das vermutlich im

Wettstreit mit der nur durch Vasaris Beschreibung überlieferten Version

Leonardos und Caravaggios Medusenschild steht.

Er hat von dieser originellen Komposition zumindest eine auf Eiche und eine

auf Leinwand geschaffen: bereits zu Lebzeiten des Künstlers ist ein Haupt der

Medusa in der Sammlung des reichen, ursprünglich flämischen Kaufmanns

Nicolaes Sohier in Amsterdam dokumentiert und eine weitere in London, in der

Sammlung von George Villiers, 1st duke of Buckingham.

Während die Stationen der Wiener Version über Amsterdam, Antwerpen und

Prag bis nach London zurückverfolgt werden können, verliert sich die Spur jener

von Nicolaes Sohier 1719 in Den Haag. Wahrscheinlich handelt es sich aber dabei

um das Gemälde, das fast 100 Jahre später in Prag dokumentiert ist und sich jetzt

in der Mährischen Galerie in Brno befindet. Bei dieser Ansichtssache sind beide

Versionen erstmals nach ihrer Entstehung in der Werkstatt des Rubens wieder in

einem Raum zu sehen.

Abstract

With his Head of Medusa, Rubens created a painting which likely competes with

the work by Leonardo, only documented in Vasari’s descriptions, and Caravaggio’s

Medusa shield.

He executed this inventive composition once on oak panel and once on

canvas: During Rubens’ lifetime, one Head of Medusa was documented in the

collection of the wealthy, originally Flemish merchant Nicolaes Sohier in

Amsterdam and another one in London, in the collection of George Villiers, 1st

Duke of Buckingham.

While the whereabouts of the Viennese painting can be traced back via

Amsterdam, Antwerp and Prague all the way to London, the trail of Nicolaes

Sohier’s version is lost 1719 in The Hague. However, it’s likely the same painting

that was documented almost 100 years later in Prague and is now located in the

Moravian Gallery in Brno. In this Point of View, both versions can be seen in the

same room for the first time since their creation in Rubens’ workshop.

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Danksagung

Herzlicher Dank geht an: Jenny Brückner, Anne Campman, Valentina Conticelli,

Stephen Gritt, Nico van Hout, David Jaffé, Elizabeth McGrath, Guido Messling,

Elke Oberthaler, Jan Press, Ina Slama, Sabine van Sprang, Andreas Uldrich,

Linda Wagner, Stefan Zeisler, Karin Zeleny.

Eine private Spende ermöglicht Ansichtssache #23, in Erinnerung an Martin

Noël, den Maler, der die alte Kunst liebte.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 14, 15, 16, 17: © Brno, Mährische Galerie (Moravská Galerie v Brně) (Kamil Till)Abb. 2, 20: © Wien, KHM­MuseumsverbandAbb. 3, 6, 8, 9, 10, 18: © Amsterdam, RijksmuseumAbb. 4: https://archive.org/details/bub_gb_49ShIlvGAF4C/page/n845Abb. 5, 7: © Florenz, UffizienAbb. 11: https://nl.wikipedia.org/wiki/Huis_met_de_Hoofden#/media/File:Amsterdam_­ _Keizersgracht_123.JPGAbb. 12: © Staatliches Schloß Jaroměřice nad Rokytnou, Photo: Národní památkový ústavAbb. 13: Photo: © Sotheby's / akg­images, Bildnummer AKG351251Abb. 19: © London, British MuseumAbb. 21: © bpk / Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Elke Estel / Hans­Peter Klut

Impressum

Herausgeber: Kunsthistorisches Museum, Sabine Haag und Stefan WeppelmannTexte: Gerlinde Gruber, Petr TomášekRedaktion: Gerlinde GruberÜbersetzung aus dem Tschechischen: Bernd Magar Übersetzung des Abstracts: Benjamin RowlesLektorat: Karin ZelenyGraphik: Nikolaus CzerninPhotos: Andreas UldrichBildbearbeitung: Thomas Ritter, Sanela AnticDruck: Druckerei Walla, WienISBN: 978­3­99020­185­5© 2018 KHM­Museumsverband. Alle Rechte vorbehalten

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