Alexander Solschenizyn - Ostpreußische Nächte

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Alexander Solschenizyn - Ostpreußische Nächteübertragen von Nikolaus Ehlert

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Platz gemacht da, fremde Erde! Auf, die Tore, angelweit!Denn hier rollt sie, unsere khne, unsere ru'sche Infanterie! Hgel, Senke, Brcke, Hgel - Halt, Kolonne! Abgesessen! Nach der Karte sind wir da. Ewig wirst Du Dich erinnern, bse Hex' (*) im Winterhimmel, an den russischen Salut! Soviel Jahre krochen, pirschten wir uns immer nher 'ran.Achtung jetzt! in Preuens Himmel dreimal Feuer, Batterie! Sechzig Mann, vom Wind gegerbte, braungebrannte, grimmig froh. In die Wagen! Losgefahren! Auf Europa - mit Hurra!Von dem Feind - nichts mehr zu sehen, nichts zu hren - aufgelst. Haben ihn zerrupft, zerschmettert, und nun geht es ganz, ganz weit! ... Doch ist uns nicht ganz geheuer, wird das Herz auch nicht recht froh. Aus der Ferne fremd und seltsam, aus der Nhe - noch mehr so: Welch ein Land! Ganz unverstndlich! Alles anders als bei Menschen, als in Polen, als daheim. Keine strohgedeckten Huser, selbst die Schuppen, wie Palais. Wie von Zauberhand verwandelt, windet sich die Strae fern, auf einem ganz unbekannten, einem fremden, neuen Stern. Und schon gar nicht Rulands Marke sind die Dcher, hoch und steil,(*) Germania. Feindbild der sowjetischen Kriegspropagandadie den Husern giebelspitzig,grad wie Hauben aufgestlpt. Dabei stnde uns dies alles auch gut an; zu eilig wohl, fluchten wir erst angedet:Wo man hinsieht, immer Ziegel, spitze Trme, Schlsser, Giebel, ewig Backstein berall!Wr doch auch bei uns nicht bel! Wr's doch auch nach unserem Sinn: Drfer stets nur an Chausseen und kein Dorf - ohne Chaussee. Tief ber dem Forste hngend, ziehen dunkle Wolken auf. Winterliches Abenddmmern legt sich dster auf das Herz. Kurz der Tag, die Nchte ewig. He, was zittert dort im Dickicht? Deutsche, was? Ist doch unheimlich, alles so verdchtig leer ... Und die Tannen- ja, da drben, rhren sich nicht dort zwei Mann? Fr den Frieden eurer Seele zndet, Leute, alles an. Lat die Huser lustig brennen -Doch nicht unten! Unter'm Dachstuhl!Unter'm Dachstuhl, Du Kamel! Soll'n wir wirklich so hier fahren, da der Fritz davon nichts merkt? ...Trbrot qualmen schon die Brnste in der Runde dutzendfach, angezndet ohne Weisung, ohne Sinn und ohne Plan. Wahrlich grndlich, wahrlich weise zahlen wir dem Feind jetzt heim: alles brennt! Und die Quartiere? Legen uns wohl in den Schnee?Na, und wenn schon! In der Patsche,sitzen wir doch nicht umsonst: Glhte je in solcher Rte irgendwo ein Horizont?Und so brausen unsere Scharen mit Gejohle und Gepfiff;in dem Spiel der Wagenlichter - Kleinkoslau, Grokoslau.Jedes Dorf - in hellen Flammen! Alles brennt!! Es brennen Stlle, brllt das eingeschloss'ne Vieh. Tja, ihr Guten, seid ja deutsche!Mssen selber wir doch schauen,wie wir heil uns hier durchhauen ... Links und rechts, wild und gewunden, tnzeln, schieen Drachenzungen. Und empor, von beiden Seiten, stieben hoch in Feuersulen, schlieen sich zu einem Bogen, Feuerstaub und rote Brocken, Funken, Sterne, Glut und Flimmer, fallen dicht auf uns herab. Wie ein hungrig Ungeheuer rast durch eine Schule Feuer, frit sich an den Bchern satt. Meine sechs Kolonnenwagen haben wir bedeckt mit Blech: blo nicht selber hier verbrennen, wre doch das letzte Pech! Und ich brlle in die Hitze: Auf das Trittbrett, je ein Mann! Und sie schwenken ihre Mntel, wedeln, fuchteln mit den Schen, wehren fegend alles ab. Vielen Dank! Gefahr vorber. Das sind Mnner, das ist Dienst!Auf dem Platz - ein Fahrzeugstau. Gott, wie reich die Teufel lebten! Das ist hier das wahre FESTDES UNBEKANNTEN SOLDATEN! Schnaps fliet sprudelnd aus der Flasche, Smokings rafft man fr zuhaus. So sind Landser, nichts zu machen! Einer jagt auf einer Stute und mit einem Stock als Fackel malt dem Himmel Kreuze auf. Alles lief gleich auseinander, zecht und schmaust und stbert schnell, Hitze schlgt in die Gesichter und durchglht in goldner Glut, strzt ein Stalldach in die Tiefe. Und aus immer weitren Dchern, die der Brand bislang verschont, quillt in satten schwarzen Wolken Rauch von neuer Feuersbrunst: Was mit Blut wir mal erobert, kriegt nach uns kein andrer mehr! Keuchend jagt dort jemand Hhner, Arme breit von sich gestreckt. Und es ragt erhaben drber gotisch leicht der Kirchenturm. Diese Hitze! Dieser Glei! Tageshelle, sommerhei.Und man mchte diese Kirche, dort, ganz oben, unterm Bogen, auf den Haken grad' mal ziehn. Macht und Saus, das Chaos jubelt! Und die Seele tobt sich aus!Jemand schiebt aus einem Gasthaus, durch die aufgebroch'ne Tr, einen Flgel. Dieser sperrt sich, und da haut er mit dem Spatenauf die Saiten, auer sich: Hast, Kanaille, keine Lust wohl, willst uns Kmpfern nicht gehren? Nein, Dich kriegt kein Wojentorg*, Stbe nicht, noch Intendanten!, Und ein andrer, von dem Essen und dem Schmausen ganz gelst, schreitet heiter und gemessen, holt weit aus mit einem Knppel, schlgt die Scheiben scheppernd ein: Heute hier - und nie mehr wieder! Hau die Tassen, schmei die Glser! Bin ich nicht ein ganzer Kerl? Ist nicht schn? Oh Yankee doodle, fiddle-di und fiddle-da! Wie ein Lager von Patronen knallen berhitzte Ziegel. Und entlang dem Dorf in Flammen, ganz umhllt von rotem Schein, rennt verzckt ein andrer Landser, spielt Akkordeon dabei: Wechselt mir vierzig Millionen, kauft mir einen Fahrschein heim ... Kundig fingert er die Tasten, und es schert ihn kaum dabei, da dort Khe qualvoll enden, irre brllend in dem Brand. Meinen Kumpel hat's getroffen, grad' so gut htt's mich erwischt ... In die Wagen! Los, Ihr Teufel! Freunde, vor uns liegt das Glck!! .Und so geht's von Brand zu Brande, Rder pflgen durch den Schnee, silbrig fahl im Schein der Lichter tauchen pltzlich auf, vergehn, eine endlos lange Schonung (*) Handelsorganisation der sowjetischen Armee fr den privaten Bedarf der Truppen.- Buchen, Linden, junge Eichen - Hlsenste, Kistenhaufen und zerbroch'nes Protzenzeug. Wieder loht der Himmel vorne: Kurve - Brcke - um die Ecke - heller Brand! Aber oh Wunder! hat wahrhaftig doch der Himmel hier verschont die Brennerei! Menschen drngen sich am Tore, an mein Fenster klopft ganz eifrig quick, behend, der Leutenant:- Darf ich zur Aufklrung schickeneinen Zug in die Fabrik? Hab' zufllig, nagelneue, zehn Kanister bei dem Tro ... - Aber schnell! Und keiner trinkt!- Nein, nur so, zur Analyse ... - Weit doch selbst: thyl, Methyl ... Doch er sprang schon von dem Wagen, und ein Teufel von Kosaken, alter Kerl mit grauem Haar, klettert flink auf die Zisterne, hlt in Hnden eine Kelle riesengro und berlang. schlgt das Kreuz mit groem Schwung: Betet, Christen, fr die Seele, sterben werd' ich fr Euch nun! Schpft was raus, beugt es, schnuppert, Winkt dem Volk mit der Papacha* -, und sofort, in einem Zug, kippt hinunter es wie Wasser, chzt und wischt den grauen Bart:Donnerdaibel,das ist Schnaps!Her mit Euch da, gute Leute!Fr Geschmackwill ich nicht brgen,(*) Pelzmtze der Kosaken. aber hei wird's Euch gewi ! danke, mutiger Kosak!Niemand hrt mehr, alles strzt sich,Habt ein Herz, Ihr Kommissare!!Was schert uns das Kriegsgericht!!Immer weiter, immer weiter,durch das brandgeprfte Land, und ein Lied von Sarrasategeht mir nicht mehr aus dem Sinn - wie ein Lockruf, so aufdringlich, so einschmeichelnd und frivol: DIESER FCHER, DIESER SCHWARZE, SEHT NUR, WIE ER STRAHLT! Was Jahrhunderte geschaffen,brennt hier nieder, sinkt zu Schutt. Flammen pltschern, Flammen peitschen ber meinen Kopf hinweg. Hier schlgt eine rote Zunge feist und gierig in ein Haus. Dort schmiegt sich das Feuer zierlich,wie ein Kleid, so elegant, faltenreich und golden schimmernd, um die Krone eines Turms. Und schon wieder, und schon wieder, diese Teufelsmelodie, aus dem Rauch, der Glut der Trmmer, schleicht das Scherzo nher sich, zugleich bse und betrend, so verstndlich, so verspielt, wird nun lauter, immer lauter: WELCHES HERZ MAG DIESEM LOCKEN UNBESCHADET WIDERSTEHN?Nun denn, brenne, rauch', verglh', fleiige und stolze Erde. Mag die Menge um mich wten - ich trag' keinen Groll in mir.Werd' nicht einen Span entznden, doch auch lschen - nicht ein Schlo ! Wie Pilatus meine Hnde werd' ich waschen frei von Schuld, und ich werd' Dich berqueren und verlassen, unberhrt. Zwischen uns steht hier Samsonow*, zwischen uns liegen die bleichen Kreuze russischer Gebeine. Seltsame Gefhle jagen sich in jener Nacht in mir: Du bist eh mir keine Fremde - eigenwillig, eigensinnig, eint seit langem uns ein Band. Nach Berlin gradaus wir zogen, doch ich blickte mich stets um - war voll Hoffnung, voller Bangen, wie zu Dir ich schwenken knnt'. Denn ich ahnte wohl, Ostpreuen, da sich unsre Wege kreuzen! Dort bei uns liegt tief begraben, zugedeckt vom Staub der Zeit, in Archiven wohl verheimlicht, was bei Euch in Hohenstein arrogante Trme schrei'n. Was ich nie vergessen werde, was zu wahren mir vermacht; wie im Jahre neunzehnvierzehn, auf den gleichen Anmarschwegen, zwischen diesen selben Seen, man auf dieser selben Erde, sechs Tag' dem Nachschub voraus, fr Paris, das Marne-Wunder, dumm und stmperhaft hier trieb, Ludendorff unter die Fe einen Klumpen ru'scher Korps. Trieb sie blind, ohne Aufklrung,(*) Oberbefehlshaber der russischen Offensive in Ostpreuen 1914.Vgl. vom gleichen Verfasser August Vierzehn.ohne Brot und Munition, hat sie unterm blauen Himmel,dann ersuft im schwarzen Moor. Wie man dann auch Netschwolodow, der sie hatte fast entsetzt, wegberief... Und ich als Junge, ohne jemand einzuweihen, im sakralen Schummerlichte stiller Leserume Ruh, ber die vergilbten Karten ber Skizzen tief gebeugt, in mir wtend unrerdrckte jenes Feldzugs Scham und Schmerz. Wie die Kreise und die Pfeile und die Zeichen auf dem Blatt sich belebten. Ich sah Kmpfe: mal Scharmtzel in den Smpfen, mal ein Nahkampf in der Nacht. Hunger. Durst. August. Die Hitze. Wild verrissene Pferdemuler, Tiere, tobend im Geschirr,und nicht mehr Einheiten - Horden! -sinnberaubter Menschen blo.Und jetzt brausen diese Scharenmit Gejohle und Gepfiff;in dem Spiel der Wagenlichter - Windtken, Waplitz und Orlau. Jedes Dorf - in hellen Flammen, wildes Stbern berall,unterm Druck von Sturmgeschtzen strzen alte Mauern ein. ber Draht- und Balkensperren, ber eingewalzte Grben, drngt die russische Lawine von Motoren, Mnnern, Rohren! Kaum hat sich die Nacht gelichtet,steigen die Iljuschins auf,pflgen kreuz und quer den Himmel, eilen zu den deutschen Linien mit dem ersten Morgengru! Freudig donnernd schon zum Siege, immer eilig, ohne Schlaf, fahren Fuffzehnzwo-Haubitzen Tag und Nacht zur Front nach vorn. Das Gedrhn der schweren Schlepper sthlt die Seele, reizt das Ohr - ob die Brcken sie auch tragen, darum schert sich jetzt kein Mensch. Dann ganz links, am Straengraben, wie ein Sturmsto, so geschwind, flitzt ein Schwarm Dreizoll-Kanonen, Studebakers angehngt: He, am Rohr, halt's Ende fest! Auf Dreivierteltonner-Dodgen jagt in immer neuen Staffeln leichte Pak vierkommafnf, die, die unser Landser bitter, Heimatland, ade getauft*. In den Lcken, hilflos hpfend auf dem festgewalkten Grund, ihre Stummelrohre schwenkend, wanken tumb Granatenwerfer hinterm Heck von Chevrolets. Und fr den modernsten Kampf- wer's nicht kennt, der komm' und sehe -ziehn fr uns die Yankee-trucks ru'sche BS-drei Kanonen: pickbrandneue, schmucke Waffe, lange Lufe, weiter Schu - folgen dicht hier aufeinander, niemand hat noch solcherlei. Vor dem Durchbruch schieen sie wie die Fernartillerie,(*) Die kaum geschtzte leichte Pak fr vordersten Einsatz hatte besonders hohe Verluste.ruhig von den Feuerstellen.Doch kaum ist die Front durchbrochen,schwupp, sind sie in Windeseile schon ganz vorn. In gradem Schu, schlagen auf zweitausend Meter sie dem Tiger durch die Brust. Langsam kriechen Ungetme, letzte Frucht der Panzerkunst! Und in dichter Reihe folgen, ganz umsichtig, schweben frmlich, ihre Rampen klar zum Schu, vollbestckt mit reifen Minen, drei Katjuscha -Batterien, achtundzwanzig Werfer stark. Erst vor Jahresfrist, da schleppte, all dies Volk sich noch zu Fu, jetzt hockt doch wahrhaftig alles, hol's der Teufel, in Autos. Unverfroren hat auf mot sich umgestellt gar Infanterie. Pak und Flak, Mgs und Tro, die Nachrichten, die Chemie, alle sitzen jetzt in Wagen. Kein vorbei! Und forsch durch Felder,Strae weitend, berholt, ein Verband T-vierunddreiig, mahlt mit Ketten Erd' und Schnee. Hoch zu Ro Kosaken sprengen, rote Litzen, Schultern spitz. Jede Stunde, jede Stunde, eilen wir nach Neidenburg.Neidenburg: verglhend bricht hier altes, gutes Mauerwerk. berstrzt ward's aufgegeben, rasch besetzt im Plnderwahn,dann, den Deutschen auf den Fersen,gleich verlassen - neu besetzt. Militrs wie Zivilisten -alle Deutschen hier sind fort, aber in den warmen Wnden steht noch alles unberhrt. Und Europas Sieger, emsig, uns're Russen, schwirren 'rum,Qualm und Ru und Dunst verachtend, stopfen rasch sich in die Wagen Kerzen, Weine, Teppichsauger, Pfeifen, Rcke, Malerei, Broschen, Schnallen, Tand und Blusen, Kse, ganze Ringe Wurst, Schreibmaschinen fremder Schriften, alle Art von Hausgert, Gabeln, Glser, Schuhe, Kmme, Waagen, Teppiche, Geschirr. Doch die Uhr am Rathausturme, unversehrt noch in dem Brand, grad so ehrlich zhlt die Stunden zwischen diesen, zwischen jenen, mag wer kommen, mag wer gehen, hlt sie ungerhrt den Takt, und es zittert eben merklich nur der Zeiger Filigran.Schwelend liegen jetzt wie Sperrenall der ranken Gotik Trmmer in den engen Gassen nun.Alles stockt und staut sich, eilig hat's der eine - andere nicht.Doch die Fahrer Rulands preschen ber Stufen, ber Schwellen, ihre Wagen schrg und schief. Bei uns gilt: Wir schaffen's immer! Rtteln, schtteln, drngeln, drcken asiatisch rde Sitten, ihr seid uns so wohlvertraut!An der Ecke zweier Straen,hier in Urzeit angeschleppt,ragt ein tonnenschwerer Findling. Und aus seiner glatten Flche rausgehau'n mit scharfem Stahl, tritt hervor, versteinert blickend, Bismarcks dstere Gestalt. Unter Bismarck aber steht ein Weltwunder sondergleichen - wo wir bisher auch gewesen, haben sowas nie geseh'n: Guck! Ein deutscher Proletarier bringt den Russen Salz und Brot! Mit Tablett gar, auf Serviette!-Wo kommst Du denn angekrochen? -Ist wohl Bcker? - Ach, fahrt los! -Ob er lebt? Komm Kerl, na, sprich schon! Ist am Ende Puppe blo? ... Und auf eine jede Frage richtet er sich auf und sagt: - Ich bin Kommunist, Genossen!Wart' auf Euch bereits zwlf Jahr'! ... Kratzt ein Leutnant sich den Schdel: Mag schon stimmen, mag auch lgen, mag ein Freund sein, mag ein Feind - wieder kostet's eine Wache ... -Fhrt den Hund zum Regiment!Die Front wogt und wechselt stndig! Mu die Wache doch mal auch ein paar Huser sich ansehen, paar Schublden, einen Schrank. Und so steht vorm gleichen Felsen jetzt ein Hauptmann hoch zu Pferd,schaut vertieft in seine Karte, und dem Deutschen pocht das Herz: - Hchste Freude! ... Rote Fahne!.KPD und WKP* ! ... Hauptmann rckt zurecht sein Fernglas:- Wo, verdammter Kerl, kommst Du her?...Ab mit ihm zur Division! - Los, hau ab! Grad' Zeit fr Fritze ...Die Front rollt und wechselt stndig! Gleicher Bismarck, gleiches Eck,schon verstrt und ganz verschchtert, bald erlischt des Deutschen Blick:-Wenn ich knnte. .., all mein Leben .meine Krfte ... ich ... soeben ... -Dreck! Spion! Ach nein, jetzt fleht er!Ein Major im Jeep rasch kritzelt: Gru an Smersch** - an Solowjew. Schick' Dir irgend so 'ne Pest, krieg mal selbst raus, Obertscheklein***, was das fr ein Frchtchen ist. Bismarck finster kraust die Stirne, Wind treibt Rauch an ihn geschwind, und man meint, es wollt' der Kanzler diesen Fels, hoch durch die Schwaden, in den Himmel mit sich zieh'n. Und man fhrt den Kommunarden weg vom Fu des Monuments. Dabei ruft er mir vom Gehsteig:- Gnd'ger Herr! ... und meine Frau! ...Hringstrae zweiundzwanzig! ... Die unwrdige Komdie ... Ich komm wieder ... Wieder? Wart'! (*) Kommunistische Unionspartei der Sowjetunion, frherer Name der KPdSU.(**) Sowjetische militrische Abwehr (aus den Worten Tod den Spionen!).(***) Tschekist, Funktionr der Tscheka, der Sonderkommission fr die Bekmpfung der Konterrevolution, erste Form der sowjetischen Geheimpolizei. Hier ironisch.Ihr Auslnder, Ihr Auslnder!Seid doch neben uns wie Kinder ... Seid verloren gegen uns!Zweiundzwanzig, Hringstrae.Noch kein Brand, doch wst, geplndert.Durch die Wand gedmpft - ein Sthnen: Lebend finde ich noch die Mutter. Waren's viel auf der Matratze? Kompanie? Ein Zug? Was macht es! Tochter - Kind noch, gleich gettet. Alles schlicht nach der Parole:NICHTS VERGESSEN! NICHTS VERZEIH'N! BLUT FR BLUT! - und Zahn fr Zahn. Wer noch Jungfrau, wird zum Weibe, und die Weiber - Leichen bald. Schon vernebelt, Augen blutig, bittet: Tte mich, Soldat! Sieht nicht der getrbte Blick? - Ich gehr' doch auch zu jenen! Klinik, Arzt, - fr Euch vorbei! Apotheken - eingeschmolzen. Abend fllt, der Schnee taut leis' War einst ein Parteigenosse, nicht der erste, nicht der letzte, der vorm Karr'n der Komintern, sich als Pflaster legen mute. Majestt des ru'schen Weges! Mich besaufen mcht' ich jetzt, oder lustiger, noch heute, hemmungslos auf Beute geh'n.Echter Jger zieht das Wild an: Steht grad eine Post vor mir,drei Stock hoch - noch eine Stunde, und dann tobt der Brand auch hier. Aber die Papierreserven! -schreibe nur ein Leben lang!Weich und wei - man wrd' am liebsten sich die Wangen damit streicheln, die geblend'ten Augen kneifen. Ein Papier, wie dieses hier, schrieb' ich blo noch, ohne Pause! Sag's doch offen, Schreibtischseele, kann hier berhaupt was fehlen? Stifte aller Farb' und Hrten stapeln sich hier hundertfach, weich im Holz, nicht splitternd, feste.Auf den Bgen, ohne Mhe, fhrt die Hand sie elegant. Koh-i-noor, ehrwrd'ger Faber, dient Europa hundert Jahr'. Sollt ich nicht, und sei's ein wenig, mir in meinen Wagen laden, von den Haltern und den Federn, von dem Tinten-Regenbogen mit den eingeschliff'nen Stopfen? Von den Klammern, Mappen, Kleistern, Ordnern, Heftern und Radierern? Wrde Scham die Stirn mir rten? Lebt' ich nicht seit je in Nten? Hatt' ich je in meinen Heften glattes, sauberes Papier? Federn blieben kratzend hngen; beim Radieren - gleich ein Loch! Und die blasse Wassertinte, wahre Krokodilenlymphe, flo allseits den Fasern nach. Und die Griffel - reiner Lehm: ewig mu man spitzen, spitzen, hlt dann pltzlich in den Fingern links die Mine, rechts das Holz. Kauft man weiches B, die Pest! Schneidest damit Glas am besten!So erstarren die Ideen, 3endet jh Gedankenflug.Nimmt es wunder, da begeistert, ich nun diesen Raum begeh'? Wie ein Sucher fremder Schtze in den Hhlen irre whlt, so begierig, so armselig, uerlich nur Offizier, lauf' auch ich durch diese Rume. Nein, vom Schicksal so bedacht nun, mit den Fingern schnalzend blo, werd' ich meinen Leuten sagen: Dieses hier, - und das noch, dort! Denn vor wem soll ich errten? Wer hier anzuklagen wagt, soll bei uns erst einmal leben! - Dies hier alles, Hauptfeldwebel,lat in meinen Wagen tun!Whrend man so schleppt und staut, schieben durch die engen Straen, blau umwlkt von Zweitaktdunst, ihre Ketten sthlern klirrend, Panzer, eilig, sich nach vorn. Als wir dann zum Start anlassen, links vorbei Kosaken zieh'n, um zur Nacht, soweit wie mglich, aufzuschlieen an die Front. Selig leuchten die Gesichter, siegreich, trunken, ausgelassen, nahmen mit, was sie nur konnten, lieen liegen, was nicht ging. So ist unser tglich Leben: heute hier noch, morgen tot. Lieb' ich, Brder, wie Ihr rubisch und gefhrlich frhlich blickt. Nicht bei uns lag die Entscheidung,nicht wir wollten diesen Weg, doch jetzt stecken hinterm Grtel reichlich Waffen fr den Sieg.Drum nicht locker! Drum nichts schonen! Alles Leid wird aufgeholt! Reitet weiter, rollt schnell weiter, auf uns wartet Allenstein.Allenstein - berrannt,grad' 'ne Stund' in unserer Hand, khn im Handstreich eingenommen von den Reitern und den Tanks, steht noch heil. Erst ganz vereinzelt zngeln Flammen, plndert man. Voller Deutschen ist noch alles, schlossen ein sich in die Huser, warten bang im warmen Dunkel, da es schlgt an ihrer Tr. Taghell brennt ein Zuckerlager - violettes Flammenmeer -breitet aus sich auf der Erde, blulich zittert's, Flammen beben,fliet hinaus, kriecht zwischen Husern, Irrsinntee, von uns verschmht. Trgst aus Filz du warme Stiefel, komm zu nah nicht diesem Platz, schlage einen weiten Bogen mindestens um hundert Schritt! Unbekmmert um die Pftzen von dem aufgelsten Schnee, zwei Usbeken kreischend kmpfen um ein Ausgehpaletot: wlzen beide sich im Schlamme, ziehen, zerr'n, um keinen Preis, will ihn ein dem andern geben. Lilafarben schimmert alles, von violettem Licht bestrahlt.Und ein dritter, er ein Russe,ruft hinber, amsiert,-Wartet doch! Hier kriegt ein jeder!Und schon hat er mit dem Messer, hurtig das Gewand geteilt. Wo nun plndern? Welche Huser bergen sich'ren, reichen Schatz? Krftig haut bereits ein Landser mit dem Kolben an ein Tor. Doch wer ffnet ihm? Ein Mdchen, unsere Dunja* - eine Magd! Der Pullover und das Rckchen, selbst das Schuhwerk, die Frisur, alles wie bei einer Deutschen. Nur die keck gestupste Nase zeigt, da sie aus unserem Stamm. Furchtlos lehnt sie sich am Pfosten, Hnde auf die Hft' gestemmt. -Wer bist Du? -Die Magd. Was willste?-Magd? - das soll ein Landsmann glauben?Keine Flecken auf der Schrze, ohne Holzschuh - Du, 'ne Magd! La mich durch! - Dich reinzulassen?Mann, besoffen, dreckig - nee! Als nun andere Soldaten sich dem ersten zugesellt, ndert pltzlich sie die Rede: Wartet, Leut', ich werd' Euch zeigen ein weit reich'res, gr'res Haus, voll von jungen deutschen Mdchen! -Ist wohl weit? -Grad' um die Ecke,tu ich wirklich, tu ich gern, bin doch auch eine der Euren. Schlgt die Tr zu, springt hinaus,(*) Ehemals weitverbreiteter Vorname, besonders auf dem Lande. Analog dem deutschen Emma traditioneller Name fr Dienstmdchen.und im Schein der blauen Flammen,ohne Mantel, Kopf entblt, die Soldaten nach sich lockend, luft den Mnnern sie voraus. Um die Ecke eilt die Gruppe, und man hrt fast gleich darauf Stoen, Scharren, Klirren, Rufen. Dann, nach kaum einer Minute, hinterm Haus, ganz in der Nh', nur noch eine Mdchenstimme: - Bin doch Polin, keine Deutsche,Leute, hrt, bin keine Deutsche ... Die Genossen whlen, raffen,wer was schnappt, wer was erwischt - WELCHES HERZ MAG DIESEM LOCKEN UNBESCHADET WIDERSTEHN? ... Der Bahnhof von Allensteinleitete gerade weiter Passagiere, die nach Westen,weit nach Deutschland flchten wollten. Da er pltzlich von den Russen eingenommen ward im Sturm, wei noch niemand weiter stlich. Und man schickt dort immer weiter, weiter friedliche Bewohner, Kinder, Frauen, alte Leute, Zug fr Zug nach Allenstein. Und die letzte Haltestelle, auerhalb vom Vorfeld noch, hrt vor jedem Zug, wie blich, durch das schwarze Telefon dienstlich ruhig die gewohntekurze Meldung: Strecke frei.Strecke frei - die ganze Schlacht durch,dann die Nacht bis in die Frh', pnktlich holt der Fahrdienstleiter- nicht ein Russe, nein, ein Deutscher! - jeden Zug nach Allenstein!Bleich wie Wachs, der Kopf im Schweie, heimlich, wie ein Automat, so bewegt sich dieser Deutsche. An dem Tisch vor ihm sitzt paffend ein Major vom Heeresdienst, Riesenkerl in Schafsfelljacke, dunkel, braungebrannt, gegerbt, schwarzer Bart in voller Lnge, Beine - hoch auf einem Stuhl, Sbel - auf den Tisch geworfen, kippt aus der Feldflasche Schnaps, schnauft und hebt nach jedem Schluck mde seinen dumpfen Blick. Eingeschnrt in viele Riemen wirkt er grimmig, nicht zum Spaen. Auf der Hfte, offen, drohend, die Pistolentasche hngt. Mustergltig flink und wendig ist des Majors Ordonnanz: Leert erst auf den Kachelboden die Marschkiste seines Herrn, hackt gebt dann aus den Mbeln Kleinholz mit dem Bajonett, blickt sich um, und lustig knistert schon ein Feuer auf dem Flur. Bald schon zischen Tpfe, Pfannen, streng nach Reih', wie's sich gehrt. Eingemachtes taucht in Wasser, und dem ersten Huhn im Kessel folgt ein zweites hinterdrein. Frhlich singt er sich ein Liedchen, kippt im Eifer dann und wann, auch ein Glschen in sich rein. Ru vom Feuer schwebt in Flocken unterm grellen Deckenlicht.Als mein Aug' sich angepat hat, seh ich durch Machorka-Qualm - der Major, der schlft mitnichten:trunken ist er, mde, trb, aber auf den Fahrdienstleiter pat er auf mit scharfem Blick. Dieser aber, krumm und elend, mde auf den Tisch gesttzt, trgt hinein in seine Bcher, welcher Zug woher, wohin, und inmitten der Signale, des Geblinkels, des Geklingels, bernimmt er, wie gewhnlich, rein mechanisch, automatisch,kundig, pnktlich und genau, neue Zge immer wieder - mit den Worten: Strecke frei schickt er seine Volksgenossen in den Himmel, in die Hlle, in das jenseits, in den Tod.Stund' um Stund' erbebt so viermalder Bahnhof von Allenstein, vom Vibrieren langer Zge, vom Gewicht der mcht'gen Loks.Dabei ist er gar nicht grimmig,der Major. Blickt man genau, gleicht er eher einem Hofhund: zottelhaarig, bieder, brav. Hat die Klappen seiner Mtze achtlos beide hochgeknickt;stehn wie scharfgespitzte Ohren - eine ragt besonders steil. Front, du ffnest alle Seelen! Sind wir nicht seit eh bekannt? Deine Hand, Mensch, Deine Hand!Wohin geht's? Woher? - Was, ich? Ich bin Horcher, peil' den Gegner, nur - es ist kein Aas mehr da. - Bin vom Stab des 7. Heeres,Frontzersetzung bei dem Feind. -Oh, von Euch erzhlt man Dinge! Doch woher kommst Du nun selbst? Wo warst Du? -Bei Russa. -Lowat?-Was, auch Du? -Na klar, wir auch,seit Beginn des letzten Winters. -Genka, Becher! Gleich begieen!ein einmalig selt'ner Gast! Und Ostaschkow? ... -Bor, Marjowo,weit', die Kirche dort, die Hh'? -Lupatschicha? -Oserischtsche ... !- Und dann wo? ... -Orjel -Mein Lieber!Stanowoj Kolodez? -Ljady! - also waren ... -... wir ja Nachbarn!Ljutyj Korenj! -Russkij Brod, Suscha! -Tschapolotj -Saplot!-Brcke,Graben ... setz Dich doch!Genka! gibt's bald was zu fressen? ...Auch RESERVE? - Auch, ganz klar!Wr'n nicht wir, die Reservisten,woher sollten, entre nous,die AKTIVEN, Gott bewahre,auch gewinnen diesen Krieg ...Und Davor? - Sein wildes Fell,alles ringsum untergehend,und dann er: -Ich war Professor fr Literatur, Moskau, IPhLI* -MIPhLI?! Was! Nimm ab die Mtze! So ein Zufall!! Sah Sie dort ... Nur - der Bart, der ist wohl jnger? - Einundvierzig, ein Gelbde -stehn zu lassen bis zum Sieg. - Und die Narbe, im Gesicht da?- Von Verwundung, Ilmensee.Unter diesem grellen Lichte jetzt wie damals ich ihn seh': Des Voltaires und Benthams ra, der Aufklrung hohe Zeit. An den Wnden - Bilder, Kpfe, groer Mnner jener Jahr' . . . Der Studentinnen Verwirrung ... Das Achtzehnte, Stolz der Menschheit, das Jahrhundert des Genies! Wei ich gut noch, wie entspannt er, frisch und witzig, so hinreiend, wendig, schlicht und ungezwungen, mutig bis in seine Schlsse, von Beredsamkeit erfllt, las bis weit ber die Klingel, und dann drauen, auf dem Flur noch, man ihm keine Ruhe lie ... Doch inzwischen sind wir beide feist geworden, trge, schwer. Elend lange, elend lange, braucht der Geist fr neuen Schwung. Aber dann, ob grad wir trinken,(*2) MIPhLI (sprich Mifli bzw. Ifli) -Moskauer Institut fr Philosophie, Literatur und Geschichte.ob wir rauchen oder essen,berschlagen sich die Worte, hastig reden beide wir.ber Bcher - er beherrscht sie wie ein Kaiser, hat sie alle, alle noch prsent im Kopf. Leben sprht aus seinen Augen,von dem Rausch - nichts mehr zu sehn. Und dann die verfluchten Fragen: Asien, Ruland, Abendland. Aufgemacht hat er die Jacke, seine Mtze weggelegt, spricht so einfhlsam und herzlich. Und als hab er mit dem Atem einen engen Reif gesprengt, redet er so auch von Deutschland - milde und verstndnisvoll. Doch auf seinen breiten Schultern trgt er hoch den Majorsstern, und der deutsche Fahrdienstleiter, holt stets neue Zge her.In die Wagen - gleich Kosaken. Sbel klingen, Kolben knallen. - Alles raus! Ohne Gepck!Machtlos, bleich, wie eine Herde, steigen aus die Zivilisten,wer in Pelz, mit Htchen, Stiefeln, und zu Fu, vom Bahnsteig gleich, treibt man sie zu Sammelpunkten durch den rosa Schnee der Stadt, holt sich dabei diese, jene, auf wen grade fllt die Lust, fr fnf hitzige Minuten unterm Schutze einer Tr. Eingerahmt von seinen beiden Ordonnanz und Adjutantholpert hinkend zwischen Gleisen auf dem Bahnhof schon ein greiser General der Intendanz. Mit der Spitze seines Stckchens, wie ein Fhler hingestreckt,whlt er zwischen Schutt und Leichen, was nach Hause zu ihm soll. Braucht nur, flchtig Ekel mimend, hinzuweisen auf Schuhe, Schal, einen Ring, auf Stoff, was immer - sofort wird es aufgenommen und verschwindet im Gepck. Dafr schleppt man ihm drei Koffer, darin findet alles Platz. Nun denn, tragt's in alle Winde, was vom wilden Jahrmarkt hier, auf den Schienen und Bahnsteigen liegt verstreut und ohne Herr: Da zwei Krbe frischer Semmeln, dort ein Bndel von Dessous, hier aus Stambul Zigaretten und franzsisches Parfm! Doch das Kreuz - wohin mit alldem? Streift man sich an Seidenwsche acht Stck ber - kneift der Rock! ...Ein verwaister Kinderwagen - ganz in Rschen, himmelblau - drum ein Knuel von Soldaten: Guck, der Sugling, auch ein Deutscher! Wird mal gro, setzt auf den Helm; wr's nicht besser - gleich abknallen?Hat die Fhrung doch befohlen: BLUT FR BLUT! - Du bist besoffen,oder meinst Du das im Ernst? Du Herodes, Mrderpriester! - Hat das Vterchen geheien, ist von Moskau, nicht von mir!In die Wagen! Weiter, weiter, ohne Pause, ohne Ruh. bernchtigt und verkatert, immer mutiger, beflgelt,roll'n wir vorwrts durch Europa wie durch ein Kaleidoskop. Alles mengt sich unentwirrbar: Trme, Kreuzungen und Tod, Bomben, Treffer, die Gesichter, ngste, Freuden, Bs und Gut - rote Glut der preu'schen Nchte, bleiches Licht des preu'schen Tags. Mal geht's ber gute Straen, dann zwei Stangen ber Kreuz: schon schwenkt alles in die Felder, Schicksal ndert Deinen Weg. Wie im Traum seh ich noch heute: tief im Schnee, vor dichtem Walde, irgendwo ein Einzelhaus. Eine lrmende Kolonne sieht den Rauch, dreht dorthin ab. Kaum verstummt sind die Motoren, sich zu wrmen springt ein jeder auf den Weg. Mit steifen Gliedern, klopft man sich die Rcken warm, und-ins Haus! He, Matka, jajki! * Alles grlt. Sie zu bewirten, trgt die Frau Glaspfel auf, frostig klar - die Mnner nehmen, kauen knirschend, stbern 'rum, zwischendurch die Frau erschossen, Teppich rot mit Blut bespritzt,(*) Mutter, Eier! Diese im Osten auf dem Lande jedem ver- traute Aufforderung deutscher Soldaten im letzten Krieg, polnisch und ukrainisch korrekt, klang in russischen Ohren besonders peinlich, da im Russischen Matka die Vagina und das Weibchen von Zuchttieren bezeichnet.und den kranken Mann im Bette gleich in einem auskuriert. Nur ein Jngelchen, ihr Neffe, merkt, was los ist, springt hinaus, ber'n Zaun und hopp und rennt, hakenschlagend und sich windend, wie ein Hschen, wie ein Tierchen,bers Feld zum Walde hin. Von der Strae knallt in Rage fast ein Zug ihm hinterher:-Wetten! - Hab' ihn - der haut ab! - ist verwundet! - gib-gib-gib ihm!- Ach der Hund ..., nun ist er weg.Wenn er erst mal gro geworden ...Schmerzhaft blendend in der Sonne, noch durch keine Spur versehrt, funkeln die verschneiten Felder. Friedlich dehnen sich die Wlder, schneegeschmckt, mit Eis behngt. Dort, bei uns, in Rulands Weiten, stand die Front: Soldatenxte schlugen unsere Wlder kahl. Uns'rer Tnnchen grade Stmmchen deckten feste Unterstnd'. Schade, hier geht's ohne Kmpfe! Unberhrt durch ru'sche Sgen, schau, wie stolz, wie wei sie steh'n! . Blau das Eis der Seen glitzert. Wei umsumt der Flsse Windung. In den Drfern - mit Gardinen, Eichenmbeln und Kaminen - stehn Klaviere, Radios, Bcher. Grad, als sei man auf dem Newskij*, jedes Haus - mit Dostojewskij,(*) Hauptstrae von Leningrad, Heimat von Dostojewskijmal gesamt, mal Einzelwerke,und in einem Haus verfate man sogar was ber ihn.Ganz allmhlich auf den Wegen kommen Menschen uns entgegen. Wacker schreiten Italiener,zieh'n aus dem verbnd'ten Land, grad so nackt, wie sie gekommen, ohne sich was mitzunehmen, machen klein sich in der Klte, klappern hell mit den Abstzen, schreien, winken uns zum Sieg. Geht nach Hause, alsodann, Rom, Neapel und Milan! Mit -zig Bndeln auf den Rdern, was sich eben grad so fand, radeln heimwrts die Franzosen nach Paris und nach Amiens. Kopf hoch, Leute, gute Reise! Grnes, blaues, buntes Vlkchen, aufgeregt zieht es nach Haus. Ein schnurbrtiger Polake fhrt am Zaume seine Fuhre, lenkt sie sanft den Berg hinab; sorgsam zugedeckt, die Beute, trmt sich hoch unter der Plan'. Seine Frau versteckt sich schamhaft,wendet ihr Gesicht von uns.Doch den Kopf fest unterm Tchlein sitzt noch eine auf dem Bock: -He, die Schne! Tochter! Kleine!Wo geht's hin? -Nach Krakau lang.-Hallo Mdchen, komm herber!Dieser Olle mit dem Schnurbart, sticht er Dich doch sicher tot!:Wie ein Reigen dreht sich alles,Freude schnellt zum sieb'ten Himmel,allen heute wird verziehen.Verziehen? ...In langen Kolonnen marschieren wie Schuldige Russen. Gefangene. Endloses Heer.Die Rcken gebrandmarkt von tzenden Zeichen, unlsbar haftet das schndliche Mal.Zieh'n stampfend dahin unter hngenden Zweigen, und fragen sich selbst immer wieder: Warum? Zum Fest nicht geladen, zum Mahl nicht gerufen, allein nicht gebraucht auf dem weiten Planet,das Haupt wie gedrckt von der Klinge des Henkers, so kehren sie heim in ihr grausames Land.Lange Zge deutscher Fuhren,fest mit Planen zugedeckt,lngs der Straen knarren, knarren. Unser Vormarsch, weiter nrdlich, hat ihnen den Weg versperrt, und nun machen alle kehrt. Menschen, Hausrat, wohlgeborgen unterm langen Planentuch, stehn sie auf den Sommerwegen, warten an den Wegegabeln, da die endlos lange Reihe unsrer russischen Kolonnen einmal eine Lcke weist. Stehn geduldig und erstarren, als sie diese Macht gewahren, die von Osten strmt und strmt. Sich zu wehren nicht mehr fhig, zieh'n sie nur die Kpfe ein,ob man schlgt sie, ob man plndert, oder ihnen hat die Pferde vom Gefhrt nur abgeschirrt.Doch vom Vormarsch schon gesttigt,gehn die Mnner nur noch lssig an die Beute, allzuleicht.Im sonoren Schlag der Stiefel schreiten sie gemessen hin, whlen faul in den Verstecken, als erfllten sie so grade eine lstig de Pflicht.Zwar ist nehmen keine Schande aber, erstens, fhren hier diese Leute nur Germpel, und zum zweiten, sowieso, Feldpostpckchen - fnf Kilo! ...In dem Treck schwirrt es von Frauen, wer in Wagen, unter Lumpen, wer zu Fu, ohne Gepck. Ihre Wangen rot vor Klte, kommen so sie uns entgegen, bald in Grppchen, bald zu zweit.Ganz am Rand, schon dicht am Graben, schreitet aufrecht, ohne Scheu, eine ppige Blondine - roter Fuchspelz, Hkelmtze, Aktentasche in der Hand. Zierlich setzt sie ihre Fchen, meidet die verschneiten Trmmer, die Kadaver, deren Hufe, aus dem Schnee hier ragen starr. Stockung! - Dicht, in zwei-drei Reihen,sind die Wagen aufgefahren. Mnner wrmen sich die Fe, hpfen, laufen ohne Tritt. Sie, derweil, geht furchtlos weiter, Augen hoch, der Kopf gerade, fordert uns mit jedem Blick, tut, als knnt' sie niemand nehmen. Aus dem aufgeschlag'nen Kragen atmet ihre weie Kehleunter einem bunten Schal. Festgefahren in der Stauungsteht die ganze Batterie. An der Spitze der Kolonne, ich, in einem Opel-Blitz,einer Beute von der Wehrmacht - glatte Linien, leichter Gang.Hnge tief im weichen SitzePre den Schafspelz eng um mich. Seine Wolle kitzelt leise, und den Schlaf mir fernzuhalten, lutsch' Bonbons ich dann und wann. Meine Karte, in der Tasche, leuchtet grn durchs Zelluloid. Aus dem Augenwinkel seh' ich, wie die Deutsche nherkommt, wie beim Anblick der Soldaten ihr Schritt rascher wird, und wie, seinen groen Krper wiegend, wortlos ihr entgegengeht Unteroffizier Baturin - Edelfrchtchen, das bereits am Amur zur Strafe weilte. Ihm gesellt sich gleich der Somin; angespannt, mit dunkler Stimme, herrscht sie an: Gib' her die Tasche!Unverwandt aufrecht und stolz, bleibt sie stehen. La mal sehen, was Du in dem Ding da hast! Ihr Gesicht luft dunkelrot an, greift hinein, und wie als Lsung, streckt die Hand aus: Bitte, Schnaps.Einen Liter fat die Flasche, doch gefllt ist sie nur knapp, wohl ein Drittel, gar nur Viertel. Wangen glhend, kerzengerade, Untermenschen schrg im Blick,steht und harrt sie - diese Rasse! Ich - gespannt: ob sie es nehmen? Aus dem Tro verteil' ich tglich mindestens dreihundert Gramm. Da, Baturin stiert begierig, streckt die Hand aus. Aber Somin kommt zuvor, ergreift die Flasche, und wie eine Handgranate schleudert er sie in den Schnee. - Schtzt Du, Flitze, allzu billig,russische Soldaten ein! Reit ihr dann die Aktentasche aus den Hnden, schttelt sie, und es fallen auf den BodenHemd und Kmme, Tcher, Briefe, ein Gestber von Fotos ...Grad mit Hilfe einer Zeitungtrag ich ein auf einer Karte uns'ren neusten Frontverlauf: Wenn wir da und dort angreifen, sind im Februar wir hier,und im Mrz ...-Was ist denn, Somin? Grimmig, wortlos, reicht er mir in den Wagen die Aufnahme eines Manns in Uniform - glatte, arrogante Schnauze, hinten auf dem Bild die Worte: Meiner innigst g'liebten Braut an dem Tag. .. an dem ... im Garten ..Und? Was soll's? Gib's ihr zurck, ich seh auf dem Bild nichts Schlechtes.- Und das Hakenkreuz? - Ach so ...auf der Binde hier, ich sehe es. - Dann, der Brutigam ... SS?- Mag schon sein, SS ... wahrscheinlich . .Wei der Kuckuck, wie die 's halten. Denk's, und wink wohl mit der Hand. Adler, Zeichen, Stoff und Farbe - soll ein Mensch sich drin auskennen, wissen, da die gleiche Binde trugen Arbeitsdienst und Todt. Doch da lst sich grad die Stauung, heulen die Motoren auf. Schon im Fahren seh ich Somin, wie er von der Braut abrckt, wie Baturin die MPi nimmt, wie den Krper rcks er lehnt, wie die beiden, ohne Worte, fast, als spielten sie Versteck, Schritt fr Schritt, im Kreise, leise, sich in Position begeben, erst ein Meter, dann drei - vier. Was soll das? Die Braut indessen bckt sich, sammelt auf ihr Gut, blickt zurck, begreift! und wirft sich winselnd in den weien Schnee, und erstarrt zu einem Klmpchen, unbeweglich, gelb, ein Tierchen ... Noch haben sie nicht geschossen, noch ist Zeit, noch ein Moment.Ich war's doch - die Handbewegung! Oh, mein Gott! Der Wagen, halt! -Kameraden ... Eine Garbe,und sie sind zurck im Glied. ....................-Komm schon, fahr! Was bleibst Du stehen? ...Wie sie frisch war ... Irgendwo wird man warten, wird sie suchen,wird die Wege nach ihr geh'n. Doch auch Smin mute Jahre auf ein Wiedersehen harren, mute warten und marschieren, fand zuhaus dann Grber nur. Einmal nahm er einen Deutschen, einen lt'ren Mann bereits, zog mit ihm zu einem Waldeund erscho ihn. Und auch damals htt' ein Wort ...! Ich war daneben ... Aber wer im Kern des Sturmes, in der Hitze des Gefechts, scheiden kann schon Schuld von Recht? Sieht die Schuld man auch viel besser von der Hhe der Geschicht'? Welcher Standort ist der rechte? Wer dabei war, kann dann brllen, aus dem Sarg Protest noch schreien: angepate Journalisten, Agitmaler von der ROSTA*, Shdanows kufliche Gesellen, Shaginjan, Surkow, Gorbatow und der oberste Verdreher - Zaubermeister Ilija, werden alles schon verklren! Wer soll sie denn daran hindern? Ich knnt' auch darunter sein ... Nach dem Sieg kommt die Lackierung, such' dann einer, wer gefehlt! Alles freut sich, alles feiert, und da komm' ich und will mehr? Ew'ger Wurm, Selbstanalyse, hast mir den Verstand zerstrt. Dabei sind's vielleicht nur Tage, die zu leben mir vergnnt. Kalte Herrschaft, Recht und Macht - lehrte der Hindu Carvaka,(*) ROSTA: frhere amtliche sowjetische Nachrichtenagentur, Vor- lufer der TASS, Unter dem Namen ROSTA-FENSTER waren in den zwanziger Jahren meist sehr drastische Agitationsplakate weit verbreitetAndrej Shdanow: berchtigter Parteifhrer, einer der Hauptakteure der groen Suberungen unter Stalin. Machte nach 1946 das sowjetische Kulturleben durch drakonische Reglemen- tierungen nahezu mundtot.Marietta Shaginjan, Alexej Surkow, Ilja Ehrenburg: propagandistisch besonders eifrige Schriftsteller.Alexander Gorbatow: General. Obwohl unter Stalin selbst verfolgt, beschnigte spter die Elimierung des sowjetischen Offizierskorps durch Stalin Ende der dreiiger Jahre.ist das einzige, was zhlt. Und wo bleibt mein Werk und Schaffen? Wann erhlt auch mein Teil Geltung? Im Geschmeide der Gottlosengalt als Perle der Hindu, mich mit ihm darber messen, bin ich nicht mehr stark genug. Carpe diem! - PFLCK DEN TAG, lehrten uns die Hedonisten. Doch die Tage fall'n wie Bltter, immer trger wird das Blut; immer schwcher, blasser, selt'ner wallt Deine Empfindungskraft ... Alle tun es. Widersprechen, bin ich, Hindu, auerstand. ALLE TUN ES! Wie steril doch Reinheit ist von Geist und Kleid: Reicht das Leben Dir den Becher - leer ihn rasch in einem Zug, kipp ihm um und stell ihn nieder. Hrst Du, hrst Du, wie er lockt, seidig rauschend, zh, ergeben, heimlich, listig - dieser Ruf: DIESER FCHER, DIESER SCHWARZE, SEHT NUR, WIE ER STRAHLT!Wie die Haare der Medusa,ist so wirr des Krieges Haupt,und Ihr Schlangen, reizt und stachelt, stachelt auf das wunde Herz des betrunkenen Soldaten aus der UdSSR!Sarrasates schwarzer Fcher - voll entfaltet lockt er jetzt,und im kurzen, raschen Rhythmus der Sekunden und der Terzen, fchelt er des Lebens Schwle immerwhrend auf uns zu: WELCHES HERZ MAG DIESEM LOCKEN 7 UNBESCHADET WIDERSTEHN?Nach dem Essen, wohl gesttigt,auf dem Sofa hingestreckt, rauch ich eine Zigarette, und vom Dunste angeregt, sehe ich ringsum alles schrfer: Da ein Spiegel, Radio dort,der Kamin aus dunklen Kacheln, dieser weie Bettvorhang,blauer Schaum von Federdecken ... Welchen Sinn hat, was gewesen? Und was kommt noch? ... Einerlei! Hier gibt's gestern nicht, noch morgen. Werden fressen, uns besaufen, und hier schlafen bis zur Frh. Schneelicht dringt durchs Doppelfenster - wieder weicht ein Wintertag. Irgendwo, in weiter Ferne, wie durchs umgedrehte Glas, meldet mir der Hauptfeldwebel in schlaumeierndem Dialekt, da die Batterie versorgt ist, da er - widerwillig zwar - fnf Familien noch im Hof lie, die er aber jagen knnt'. Woher pltzlich die Erregung, dieser Sto in meiner Brust? uerlich ganz unbeteiligt, frage ich gleichgltig nach: -Frauen? -Lauter Weiber! -Junge?Seitenblick, und schon vertraulich: -Zu Befehl, sind grade recht!Magst nicht schn sein, meinetwegen,aber, da Du Grips im Kopf, dafr lieb' ich Dich, Chmelkow!Nur ein Wink - Dein Plan ist fertig:-Ich, Genosse Hauptmann, wrde ... Wie soll ich mich denn AUSDRCKEN?Nimm ein Buch, und Mund zu, basta! -. .. hier im Haus, wohl zuviel Leute, sahen Sie vom Hof den Flgel? Dort ist auch ein Stall, sind Khe. Zwei Minuten - alles klar! Dorthin bringe ich, wen Sie wnschen, eh ... zu holen Milch fr uns. Geben Sie mir nur ein Zeichen, wenn die Frauen Sie gesehn. Nun ist's aus, Schlu mit der Ruhe, ahnungsvoll pocht es in mir: Nur wir zwei werden es wissen, auer uns - kein Mensch jemals. -Also gut! - Komm' mit, Wassili!schnell, wo sind sie, fhr mich hin! ber'n Hof, und auf der Schwelle:- Schau mich an, Du wirst versteh'n!In dem Raum - Dampf, Seifenspritzer, Bgeleisen, Wschedunst. Tisch, zwei Betten und ein Zuber. Gott! so viele, und so eng! Will man durch, mu man sie streifen - diese Ahnen, Mtter, Ammen, diese Kinder ohne Zahl, dicke, schlanke, groe, kleine, bis zum Backfisch - jede Art. Drcken alle sich zur Seite, wer guckt weg, wer schielt auf dich, andre glotzen an den Fremdling, lassen ihn nicht aus dem Blick. Kein Geschrei mehr, tiefe Stille, nur mein Mantel rauscht beim Schritt.Doch Chmelkow ist wie zuhause - 8 3lehnt sich lssig an die Tr,folgt allein mir mit den Augen. Wie so linkisch, wie grotesk, bin ich doch in diesem Kreise! Schaue prfend die Gesichter -was ich WNSCHTE, ist nicht da.Manche flohen in die Wlder, hocken dort in Frost und Schnee, andre stecken in der Nhe ... Was zum Himmel tu ich hier? Ach, egal . . . - Wie heien Sie? Eine hagere Blondinewringt grad Wsche berm Zuber, zupft etwas an ihrem Kopftuch und antwortet schchtern: Anne. So ... Gesicht, Figur ... na ja!Ganz gewi kein Leinwandsternchen, sicher nicht ...Ein paar Jhrchen knnten runter, dafr hier und da was mehr ... Aber was bin ich - Erlknig? Schlu Jetzt! Schnheit hin und her, raus vor allem, weg ins Freie! Unklar blaff' ich etwas runter, gehe rasch. Der Hauptfeldwebel folgt mir flink. Im Flur, intim: - Alles klar. Sie sind im Flgel?- Ich geh hin ... aber, versteh . . .,wart' ein wenig, macht sich schlecht so . - Klarer Fall! Ganz diplomatisch!Geh'n Sie ruhig, mach' ich schon!Unbewohnter, kalter Flgel, voll Germpel, finster, Schmutz. Durchgewhlte Koffer, Truhen, rundherum verstreutes Gut,scharfer Duft von Mottenpulver, Nhmaschine, umgestrzt.Aus einer Kommodenlade quillt zerwhlte Wsche raus.Nun, wir werden hier nicht turteln, a la guerre comme a la guerre. Aber wie? Ich seh mich um, find im Staub ein altes Kissen. Die Matratze fr die Koje warf mal jemand in die Eck'. Gehe hin, halb angeekelt, heb' sie auf, trag' sie aufs Bett. Reicht das Leben Dir den Becher, ex damit, und nur nicht fragen,was es wert ... Die Schneeverkrustung auf der Scheibe hauch' ich dnn, und erblick' durch diese Linse: Anna kommt jetzt durch den Hof. Auf dem Kopf dasselbe Tuch noch, um die Schultern einen Schal, hlt einen verzinkten Eimer, wirkt so rhrend, wirkt so still. Hinter ihr, zwei Schritte Abstand, wie ein Krieger, eidestreu, folgt der Spie ihr als Konvoi. Dreht sich um einige Male, und sobald man aus dem Hause sie nicht lnger sehen kann, ruft er ihr: He, hrst Du, Frau,nicht dorthin, nach rechts, nun mach schon.Mit dem gleichen Hauch von Trauer kehrt sie ihren sanften Blick, sieht ihn an - ob sie begriffen? - und geht in den Hinterhalt. Macht die Tr auf - auf der Schwelle stehe ich. Ihr Mund zuckt leicht, voller Staunen. Schien ihr wirklich,da aus Zufall ich hier bin?Und falls ich doch angenommen, da sie den Verdacht gehegt, - lchelt sie, wie abzubitten. Stehn nun da. Der Eiseneimer hngt noch leer an ihrer Hand ... Langsam rutscht ihr von den Schulternder karierte Wollschal ab. All mein Deutsch ist wie vergessen; Blick gesenkt, heb' ich mechanisch ihr den Schal vom Boden auf, werf' ihn rasch um ihre Schultern. Ihre Hnde, von der Wsche, sind noch hei und dampfen leicht. Zgernd fragt sie was und wendet sich zur Tr, die offen steht ... Ich spring' vor, schlage sie zu, und, zum Handeln nun verurteilt, Blick noch immer abgewandt, wink sie rein mit einem Komm! Keine strahlende Erregung, kein Gelut in meiner Brust. Abgekehrt vom drft'gen Lager, wart' ich ab, bis sie bereit ...In der ungewohnten Nhe ihrer Augen blassem Blau,entfhrt mir in spter Reue impulsiv: Das war gemein. Und im selben Augenblicke, ihre Stirn aufs Bett gepret, Anna fleht mit toter Stimme: Doch erschieen Sie mich nicht!Frchte nichts, auf dem Gewissen hab' ich eine Seele schon ...1950