Alfred Webers Standorttheorie Über den Standort der Industrien, Tübingen 1922 Nachfrage örtlich...

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Alfred Webers Standorttheorie „Über den Standort der Industrien“, Tübingen 1922 Nachfrage örtlich konzentriert Rohstoffe dito Arbeitskosten örtlich verschieden Zins- und Kapitalkosten überall gleich Ggfs. Agglomerationsvorteile (= Vorteile der räumlichen Konzentration) Inhomogene Verteilung der Produktionsfaktoren im Raum Ubiquitär (Boden) Lokalisiert (Rohstoffe) 1 U. van Suntum, Regionalökonomik, Webermodelle Alfred Weber (1868 – 1958)

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Alfred Webers Standorttheorie

• „Über den Standort der Industrien“, Tübingen 1922• Nachfrage örtlich konzentriert• Rohstoffe dito• Arbeitskosten örtlich verschieden• Zins- und Kapitalkosten überall gleich• Ggfs. Agglomerationsvorteile (= Vorteile der räumlichen Konzentration)• Inhomogene Verteilung der Produktionsfaktoren im Raum

Ubiquitär (Boden) Lokalisiert (Rohstoffe)

1U. van Suntum, Regionalökonomik,

Webermodelle

Alfred Weber (1868 – 1958)

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Ort der Rohstoff-produktion (Ruhrgebiet)

Absatzmarkt(VW Wolfsburg)

Modellstruktur:

1 Vorprodukt (Kohle)1 Absatzort (Kfz-Fabrik)1 Endprodukt X (Stahl)

Gesucht: optimaler Standortfür das Stahlwerk

Annahmen:

• Arbeit und Kapital ubiquitär• Rohstoff lokalisiert• Lineare Transportkosten für Vor- und Endprodukt

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Formaler Ansatz

4.1 Weber´sche Standorttheorie

• tr = Transportkosten pro Inputeinheit und Kilometer

• Entfernung u = ur + ux

• tx = Transportkosten pro Outputeinheit und Kilometer

• Gesucht: „tonnenkilometrischer Minimalpunkt“ S*

• R/X = Inputeinheit pro Outputeinheit („Materialindex“, z.B. Tonnen Kohle pro Tonne Stahl)

R/X < 1 =>„Rein-materialien“

R/X > 1 =>„Gewichtsverlust-materialien“

Standort S

Ort der Rohstoff-produktion (Ruhrgebiet)

AbsatzmarktVW Wolfsburg)

ur

ux

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Lösungsversuch mit Differentialrechnung

• T = tx X ux + tr (R/X)X ur => min!

• Nebenbedingung: u = ur + ux

• => T = tx X ux + tr (R /X)X(u – ux)

= tr Ru + (tx – trR/X)Xux

• Differenzieren dT/dux liefert:

(tx – trR/X)X = 0

• Differentialrechnung versagt hier!

Transportkostendes Endprodukts

Transportkosten desVorprodukts

konstant zu minimieren über ux

!

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Lösung für lineare Transportkostenfunktionen• Allgemeine Lösung: falls (tx –tr *R/X) > 0 => ux = 0 => Standort = Absatzort

falls (tx –tr *R/X) < 0 => ux = u => Standort = Rohstoffort

falls (tx –tr *R/X) = 0 => ux (und damit Standort) beliebig

• Spezialfall: tx = tr (gleiche spezifische Transportkosten)

falls R/X < 1 („Reinmaterialien“) => Standort = Absatzort falls R/X > 1 („Gewichtsverlust-M.“) => Standort = Rohstoffort falls R/X = 1 => Standort beliebig

• Generelle Schlussfolgerungen: Standort liegt immer an Rohstoff- oder Absatzort Dies gilt auch für degressive Kostenverläufe Es ändert sich aber bei örtlich unterschiedlichen Arbeitskosten, Agglomerationsvorteilen

und/oder mehreren Rohstofforten (s.u.)

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Erweiterung auf zwei Vorprodukte

• Kostenminimaler Standort S jetzt i.d.R. nicht an einem der 3 Orte• S liegt tendenziell um so näher an einem Materiallager, je höher R/X und tr für

den betreffenden Rohstoff sind• Algebraische Lösung komplex (trigonometrische Funktionen)• Wilhelm Launhardt entwickelte 1882 geometrische Lösung

R1

R2

MS

ur1

ux

ur2

T /X = tr1 ur1 R1/X + tr2 ur2 R2/X + tx ux => min!

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Varignon´sches Gestell

tr1 * R1/Xtx

tr2 * R2/X

SoptM

R1

R2

(Pierre de Varignon, franz. Mathematiker,

1654 –1722)

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Erweiterung auf n Absatz- und Beschaffungsorte

i

j

yi

yj

zi zj

ui;j

Es gilt (Satz des Pythagoras):

ui;j2 = (yi – yj)2 + (zi –zj)2

=> ui;j = [(yi – yj)2 + (zi –zj)2]0,5

Errechnen der Euklidischen Distanz ui;j zwischen zwei Punkten:

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Allgemeiner Lösungsansatz: Steiner-Weber-Modell

• Zu minimieren sind die Gesamttransportkosten zwischen Standort s und sämtlichen Beschaffung- bzw. Absatzorten i

• Jeder Transportweg uis ist zu gewichten mit den jeweiligen spezifischen Transportkosten ti und den Transportmengen pro Produkteinheit Ri/X

0)y(y)z(z

)y(y

X

Rt

δy

δt

0)y(y)z(z

)z(z

X

Rt

δz

δt

min!)y(y)z(zX

Rtu

X

Rt

X

Tt

!

0,52si

2si

isin

1ii

s

!

0,52si

2si

isin

1ii

s

0,52si

2si

in

1iiis

in

1ii

=> Im Allgemeinen nur numerisch oder mit Näherung zu lösen!

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Näherungsformel Gravitationszentrum

n

i

ii

n

ii

ii

s

n

i

ii

n

ii

ii

s

XR

t

yXR

ty

XR

t

zXR

tz

1

1

1

1

Beispiel:

Koordinaten der Orte:zi yi

R1 5 4R2 3 5R3 4 1Markt M 3 2

Näherungslösung Gravitationszentrum:zs ys

3,75 3,38

0

1

2

3

4

5

6

0 1 2 3 4 5 6

R1

R3

(Center of Gravity)

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Rohstoffindizes: Transportkostenindizes

R1/X 1 t1 1

R2/X 1,5 t2 1

R3/X 0,5 t3 2

RX/X 1 tX 0,5

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Lösung mit Excel-Solver

Koordinaten der Orte:zi yi

R1 5 4R2 3 5R3 4 1Markt M 3 2Standort S 3,83 3,76

(Solver-Variable)

Entfernungen zum Standort Su1s 1,20u2s 1,49u3s 2,76ums 1,94

0

1

2

3

4

5

6

0 1 2 3 4 5 6

z

y

R1R2

MR3

S

(Zielwert Solver)

Summe utR/X1,402,682,390,79

7,25

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4. Numerische Lösung des Webermodells.xls

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Grenzen des Solvers (I)

• Solver findet nur relative Extremwerte• Bei multiplen Extremwerten Lösung abhängig von Startwerten

Transportkosten

Standortkoordinaten

Solver-LösungEchte Lösung (Eckwert)

Transportkosten

Standortkoordinaten

Solver-Lösungbei Startwert a oder b

Solver-Lösung beiStartwert c oder d

a b c d

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Grenzen des Solvers (II)

• Multiple Lösungen je nach Startwert beachten• Optimierungsverfahren kann eingestellt werden• Leistungsfähigerer Solver inzwischen erhältlich

• Immer auch intuitiv/argumentativ prüfen• Ggfs. Nebenbedingungen einfügen

• Insgesamt sehr leistungsfähig für komplexe Probleme• Auf rein lineare Optimierung nicht immer anwendbar

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Erweiterung um örtlich divergierende Arbeitskosten

Sind die Arbeitskosten an einem Standort S´ um so viel geringer als im tonnenkilometrischen Minimalpunkt S, dass sie denTransportkostennachteil aufwiegen, so wird in S` statt in S produziert(hier: 290 < 300)

S (A = 200)R2

R1

M

„Isodapanen“ =Orte gleicher Transport-kosten

T = 100

T = 120

T = 130

S´ (A = 160)

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Erweiterung um Agglomerationsvorteile

Interne Effekte(Betriebsgrößenvorteile)

Externe Effekte(Fühlungsvorteile)

Urbanisationsvorteile:- Infrastruktur- „weiche“ Standortfaktoren- Absatz

Lokalisationsvorteile:- Lieferbeziehungen- Informationsaustausch- qualifizierte Arbeit

Treten bei regionaler Konzentrationverschiedener Branchenbzw. Produktionsfaktoren auf

Treten bei regionaler Konzentrationvon Unternehmen gleicherBranche auf

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Quelle: World Bank, world development report,part II, p. 4

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Einbeziehung von Agglomerationsvorteilen im Modell

I2 = Isodapane, innerhalb derer die Agglomeration von zwei Betrieben die Transport-(und sonstigen)Kostennachteile ausgleicht

I3 = dito für drei Betriebe. Alle Betriebe müssen einig sein!

I2

I2I2

OptimalerStandort fürdrei Betriebe

Isodapane

I3

I3

I3

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