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Sommersemester 2013 Algebraische Kombinatorik Prof. Dr. Burkhard Külshammer Ausarbeitung: Philipp Reichhardt

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Sommersemester 2013

Algebraische Kombinatorik

Prof. Dr. Burkhard Külshammer

Ausarbeitung: Philipp Reichhardt

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Inhaltsverzeichnis

1 Mengen 3

2 Vektorräume 6

3 Das Prinzip vom Ein- und Ausschließen 11

4 Partitionen 19

5 Geordnete Mengen 25

6 Inzidenzalgebra und Möbius-Inversion 29

7 Anwendungen der Möbius-Inversion 39

8 Gruppenoperationen 46

9 Ergänzungen zu den Gruppenoperationen 60

10 Formale Potenzreihen und erzeugende Funktionen 66

Stichwortverzeichnis 75

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1 Mengen

Literatur: Aigner, Jacobs & Jungnickel, van Lint & Wilson, Cameron, Stanley.

1.1 Bemerkung Einige Bezeichungen und Fakten:

• ∅

• N = 1, 2, 3, . . .

• Z ( Q ( R ( C wie üblich

• P = 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, . . . Primzahlen

• |M | Mächtigkeit bzw. Kardinalität

• |M ∪N | = |M |+ |N |, falls M,N disjunkt

• |M ×N | = |M | · |N |

• Verallgemeinerung auf endlich viele Mengen möglich. Insbesondere: |Mn| = |M |n.

• P(M) = 2M = A : A ⊆M Potenzmenge von M

1.1 Satz M endl. Menge ⇒ |2M | = 2|M |

Beweis. Œ sei M = 1, 2, . . . , n, n ∈ N. Für A ∈ P(M) definiert man

χA

= (x1, . . . , xn) ∈ 0, 1n durch xi =

1, falls i ∈ A0, falls i 6∈ A

.

Dann ist f : P(M)→ 0, 1n, A 7→ χAbijektiv. Daher: |2M | = |0, 1n| = |0, 1|n = 2n.

1.2 Definition Eine Permutation einer Menge M ist eine Bijektion σ : M →M .

Bemerkung Bekanntlich ist Sym(M) := σ : M →M, σ bijektiv eine Gruppe bzgl. .

Beispiel (M = 1, 2, 3)

Sym(M) =

(1 2 31 2 3

),

(1 2 31 3 2

),

(1 2 33 2 1

),

(1 2 32 1 3

),

(1 2 33 1 2

)(1 2 32 3 1

)1.2 Satz M Menge, |M | = n <∞ =⇒ |Sym(M)| = n!.

Beweis. Permutationen σ von M = a1, a2, . . . , an kann man folgendermaßen konstru-ieren: Für σ(a1) gibt es n Möglichkeiten. Für σ(a2) gibt es n − 1 Möglichkeiten. Fürσ(a3) gibt es n− 2 Möglichkeiten usw. Insgesamt hat man für σ also n(n− 1)(n− 2) . . . 1Möglichkeiten.

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1.3 Bemerkung Das gleiche Argument zeigt, dass für endliche Mengen M,N mit|M | = m, |N | = n gilt:

|f : M → N : f injektiv| = n(n− 1)(n− 2) . . . (n−m+ 1) .

Definition Ist M eine endliche Menge und |M | = n, so heißt M n-Menge. Für k ∈ N0

sei Pk(M) =(Mk

)die Menge aller k-Teilmengen von M .

1.3 Satz Für k, n ∈ N und jede n-Menge N gilt:∣∣∣∣(Nk)∣∣∣∣ =

(n

k

):=

n · (n− 1) · (n− 2) · . . . · (n− k + 1)

1 · 2 · 3 · . . . · k.

Beweis. Es existieren genau n(n− 1)(n− 2) . . . (n− k + 1) Injektionen

f : K := 1, . . . , k → N .

Für solche f ist f(K) = f(1), f(2), . . . , f(k) eine k-Teilmenge von N . So erwischt manjede k-Teilmenge von N . Zwei Injektionen f, g : K → N haben genau dann das gleicheBild, wenn sie sich nur durch eine Permutation von 1, . . . , k unterscheiden. Wegen|Sym(K)| = k(k − 1) . . . 1 = k! folgt die Behauptung.

1.4 Bemerkung Aus den Sätzen 1.1 und 1.3 folgt sofort die bekannte Formel

n∑k=0

(n

k

)= 2n .

Oft schreibt man die Binomialkoeffizienten(nk

)als Pascal’sches Dreieck auf.(

00

)(

10

) (11

)(

20

) (21

) (22

)(

30

) (31

) (32

) (33

)(

40

) (41

) (42

) (43

) (44

)Die obige Formel bestimmt eine Zeilensumme. Man zeigt leicht:(

n

k

)=

(n− 1

k

)+

(n− 1

k − 1

).

[Denn für eine k-Teilmenge A von N := 1, . . . , n gibt es zwei Alternativen:(1) n ∈ A (2) n 6∈ A

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Im Fall 1 ist A = n ∪ B für eine (k − 1)-Teilmenge B von 1, . . . , n − 1. DerenAnzahl ist

(n−1k−1

). Im Fall 2 ist A ⊆ 1, 2, . . . , n− 1. Deren Anzahl ist

(n−1k

).]

Wichtig ist die bekannte binomische Formel:

(a+ b)n =

n∑k=0

(n

k

)akbn−k (a, b ∈ C, n ∈ N).

Satz Für k, n ∈ N existieren genau(n+k−1

k

)Elemente (x1, . . . , xk) ∈ Nk mit

1 ≤ x1 ≤ x2 ≤ . . . ≤ xk ≤ n .

Beweis. Durch (x1, . . . , xk) 7→ x1 + 0, x2 + 1, x3 + 2, . . . , xk + k − 1 erhält man eineBijektion zwischen der Menge der obigen k-Tupel (x1, . . . , xk) und der Menge allerk-Teilmengen von 1, . . . , n+ k − 1. Deren Anzahl ist

(n+k−1

k

).

Beispiel n = 3, k = 2: (1, 1), (1, 2), (1, 3), (2, 2), (2, 3), (3, 3).Probe:

(n+k−1

k

)=(

3+2−12

)=(

42

)= 6.

1.5 Satz SeiM = a1, . . . , an für n ∈ N, seien r1, . . . , rn ∈ N und k = r1+. . .+rn. Dannexistieren genau k!

r1!r2!...rn! Elemente (b1, . . . , bk) ∈ Mk mit |i : 1 ≤ i ≤ k, bi = aj| = rjfür j = 1, . . . , n.

Beispiel M = a, b, c, r1 = 1 = r2, r3 = 2 ⇒ k = 1 + 1 + 2 = 4. Gesucht sind alsoWörter der Länge 4 mit 1× a, 1× b, 2× c.

y abcc, acbc, accb, bacc, bcac, bcca, cabc, cacb, cbac, cbca, ccab, ccba .

Beweis. Seien A1, . . . , An paarweise disjunkt mit |A1| = r1, |A2| = r2, . . . usw. SetzeA := A1∪A2∪ . . .∪An. Dann: |A| = |A1|+ |A2|+ . . .+ |An| = r1 +r2 + . . .+rn = k. NachSatz 1.2 existieren genau k! Bijektionen f : 1, . . . , k → A. Jedes solche f liefert eineFunktion f : 1, . . . , k → 1, . . . , n, i 7→ j, falls f(i) ∈ Aj . Dann hat f die Eigenschaft|i : 1 ≤ i ≤ k, f(i) = j| = rj (für j = 1, . . . , n). Ferner entsteht jede FunktionF : 1, . . . , k → 1, . . . , n mit |i : 1 ≤ i ≤ k, F (i) = j| = rj so. Für Bijektionenf, g : 1, . . . , n → A ist genau dann f = g, wenn f und g sich nur durch ein Element inSym(A1)× . . .× Sym(An) unterscheiden. Wegen |Sym(Aj)| = rj ! (j = 1, . . . , n) folgt dieBehauptung.

Bemerkung Die Zahlenk!

r1!r2! . . . rn!=:

(k

r1, r2, . . . , rn

)heißen Multinomialkoeffizienten. Sie treten in der multinomischen Formel auf:

(x1 + . . .+ xn)k =∑

r1,...,rn∈N0r1+...+rn=k

(k

r1, r2, . . . , rn

)xr11 xr22 . . . xrnn (x1, . . . , xn ∈ C, k ∈ N).

Für n = 2, d.h. r1 + r2 = k ist(

kr1,r2

)=(kr1

)=(kr2

), d.h. man erhält die Binomialkoeffizi-

enten zurück als Spezialfall.

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2 Vektorräume

2.1 Vorbemerkung Im Folgenden werden wir versuchen, Mengen, Teilmengen, Abbil-dungen zu ersetzen durch Vektorräume, Untervektorräume und lineare Abbildungen. Dazusei K ein endlicher Körper und q := |K|. In der Algebra lernt man, dass q eine Primzahl-potenz ist (z.B. q = 81 = 34). Ferner lernt man, dass umgekehrt zu jeder Primzahlpotenzq im Wesentlichen genau ein Körper K mit |K| = q existiert. Diesen bezeichnet man mitFq = GF(q).

Beispiel (q = 2)+ 0 10 0 11 1 0

· 0 10 0 01 0 1

2.1 Satz Sei K ein Körper mit q := |K| <∞. Für m,n ∈ N mit m ≤ n existieren danngenau (qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qm−1) m× n-Matrizen des Rangs m mit Koeffizienten inK.

Beweis. (Wir zählen m× n-Matrizen mit m linear unabhängigen Zeilen) Die erste Zei-le einer solchen Matrix A ist ein von 0 verschiedener Vektor a1 in Kn. Dafür gibt es|Kn \ 0| = qn − 1 Möglichkeiten. Die zweite Zeile von A ist ein von a1 linear unabhängi-ger Vektor a2 in Kn. Dafür gibt es |Kn \Ka1| = qn − q Möglichkeiten. Die dritte Zeile istein von a1 und a2 linear unabhängiger Vektor a3 in Kn. Da a1,a2 einen zweidimensionalenUntervektorraum vonKn aufspannen, gibt es für a3 genau |Kn\(Ka1+Ka2)| = qn−q2 Mög-lichkeiten usw. Insgesamt gibt es für A genau (qn − 1)(qn − q)(qn − q2) . . . (qn − qm−1)Möglichkeiten.

2.2 Beispiel Für n ∈ N sei GL(n,K) := A ∈ Kn×n : A invertierbar, d.h.

GL(n,K) = A ∈ Kn×n : rg(A) = n .1

Dann:|GL(n,K)| = (qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qn−1) .

Bemerkung Sei wieder K ein endlicher Körper und q := |K|. Dann entsprechen Matrizenvom Rang m in Kn×m injektiven linearen Abbildungen f eines m-dimensionalen K-Vektorraums V in einen n-dimensionalen K-Vektorraum W . Daher gibt es genau

(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qm−1)

injektive lineare Abbildungen f : V →W und

(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qn − 1)

bijektive lineare Abbildungen g : W →W .

1allgemeine lineare Gruppe des Grades n über K.

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Satz Für k, n ∈ N0 mit k ≤ n hat ein n-dimensionaler Vektorraum V über dem KörperK mit |K| =: q <∞ genau

(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qk−1)

(qk − 1)(qk − q) . . . (qk − qk−1)=:

(n

k

)q

Untervektorräume der Dimension k.

Beweis. Πsei V = Kn. Nach Satz 2.1 existieren genau

(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qk−1)

k-Tupel (u1, . . . , uk) linear unabhängiger Vektoren u1, . . . , uk in Kn. Jedes solche k-Tupel(u1, . . . , uk) liefert einen k-dimensionalen Untervektorraum Span(u1, . . . , uk) von Kn undjeder k-dimensionale Untervektorraum von Kn entsteht so. Analog existieren zu jedemk-dimensionalen Untervektorraum U ⊆ V genau

(qk − 1)(qk − q) . . . (qk − qk−1)

k-Tupel (u1, . . . , uk) linear unabhängiger Vektoren in U . Daher ergeben jeweils

(qk − 1)(qk − q) . . . (qk − qk−1)

k-Tupel (u1, . . . , uk) den gleichen Untervektorraum von V . Die Anzahl der k-dimensionalenUntervektorräume von V ist also

(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qk−1)

(qk − 1)(qk − q) . . . (qk − qk−1).

Definition Die Zahlen(n

k

)q

heißen Gauß-Koeffizienten (bzgl. q).

2.3 Satz Für n ∈ N0 und k = 0, . . . , n ist(n

k

)q

=

(n

n− k

)q

.

Beweis. Man kann das natürlich direkt nachrechnen. Wir argumentieren anders. Fürjeden Vektorraum V der Dimension n über einem endlichen Körper K mit |K| =: q hat derDualraum V ∗ := f : V → K : f linear auch Dimension n. Für jeden UntervektorraumU ⊆ V mit dimU = k ist U⊥ := f ∈ V ∗ : f(U) = 0 ein Untervektorraum der Dimensionn− k von V ∗. Ferner ist die Abbildung U 7→ U⊥ eine Bijektion zwischen

U ⊆ V : U Untervektorraum, dimU = k

undW ⊆ V ∗ : W Untervektorraum, dimW = n− k .

Daraus folgt die Behauptung.

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2.4 Satz Für x ∈ C und n ∈ N0 gilt:

xn =n∑k=0

(n

k

)q

(x− 1)(x− q) . . . (x− qk−1) .

Bemerkung Diese Formel ist das q-Analogon zu der bekannten Formel

xn =n∑k=0

(n

k

)(x− 1)k .

Beweis. Sei V ein K-Vektorraum der Dimension n <∞ und W ein K-Vektorraum derDimension m <∞ (K Körper mit |K| = q <∞). Betrachte

Hom(V,W ) := f : V →W : f linear .

Da jedes f ∈ Hom(V,W ) durch die Bilder einer Basis eindeutig bestimmt ist, gilt:

|Hom(V,W )| = |W |n = qm·n (mit |W | = qm).

Für jedes f ∈ Hom(V,W ) ist Ker(f) ⊆ V ein Untervektorraum. Wir sortieren dief ∈ Hom(V,W ) nach ihren Kernen. Sei U ⊆ V ein Untervektorraum und u1, . . . , ukeine Basis von U . Wir ergänzen u1, . . . , uk zu einer Basis u1, . . . , uk, uk+1, . . . , un vonV . Für jedes f ∈ Hom(V,W ) mit Ker(f) = U ist dann f(u1) = . . . = f(uk) = 0und f(uk+1), . . . , f(un) sind linear unabhängige Vektoren in W . Daher existieren genau(qm − 1)(qm − q)(qm − q2) . . . (qm − qn−k−1) Möglichkeiten für f . Jetzt variieren wir Uund erhalten

(qm)n = |Hom(V,W )| =∑U⊆V

U Untervektorraum

(qm − 1)(qm − q) . . . (qm − qn−dimU−1)

=

n∑k=0

(n

k

)q

(qm − 1)(qm − q) . . . (qm − qn−k−1)

=

n∑l=0

(n

l

)q

(qm − 1)(qm − q) . . . (qm − ql−1) .

Die Polynome

xn undn∑l=0

(n

l

)q

(x− 1)(x− q) . . . (x− ql−1)

stimmen also auf allen q-Potenzen qm (6= 1) überein. Daher sind sie gleich.

2.5 Satz Für n ∈ N und k = 1, . . . , n gilt:(n0

)q

=(nn

)q

= 1 und(n

k

)q

=

(n− 1

k

)q

+ qn−k(n− 1

k − 1

)q

.

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Beweis. Die erste Aussage ist klar. Sei K ein Körper mit |K| = q < ∞. Sei V einn-dimensionaler K-Vektorraum und es sei W ein fester (n− 1)-dimensionaler Untervek-torraum von V . Für einen k-dimensionalen Untervektorraum U von V hat man zweiAlternativen:(1) U ⊆W (2) U 6⊆W .

Im Fall 1 hat man nach Definition genau(n−1k

)qMöglichkeiten für U . Im Fall 2 ist jeweils

U ∩W ein k− 1-dimensionaler Untervektorraum von W. Für U ∩W gibt es genau(n−1k−1

)q

Möglichkeiten. Wie viele Möglichkeiten für U gibt es bei festem U ∩W? Jeder (k − 1)-dimensionale Untervektorraum X von V ist in qn−k+1−1

q−1 Untervektorräumen Y von V derDimension k enthalten. [Denn: Y = Ky+X für ein y ∈ V \X. Für y gibt es also qn−qk−1

Möglichkeiten. Dabei gilt für y, y′ ∈ V \X: Ky+X = Ky′+X ⇔ y′ ∈ K×y+X.2 Wegen|K×y + X| = (q − 1)qk−1 gibt es also für Y genau qn−qk−1

qk−qk−1 = qn−k+1−1q−1 Möglichkeiten.]

Analog ist jeder (k − 1)-dimensionale Untervektorraum X von W in genau qn−k−1q−1

Untervektorräumen Y von W der Dimension k enthalten. Bei festem U ∩W gibt es alsoqn−k+1−1

q−1 − qn−k−1q−1 = qn−k+1−qn−k

q−1 = qn−k Möglichkeiten für U . Im Fall 2 gibt es daherqn−k

(n−1k−1

)qMöglichkeiten für U .

2.6 Definition Sei V ein Vektorraum der Dimension n < ∞ über einem Körper Kmit |K| = q < ∞. Dann heißt die Anzahl Gn,q aller Untervektorräume von V die n-teGaloiszahl (bzgl. q).

Bemerkung Gn,q =n∑k=0

(n

k

)q

ist dann das q-Analogon zu 2n =n∑k=0

(n

k

).

Beispiel

• G0,q = 1, da der Nullraum genau einen Untervektorraum hat.

• G1,q = 2, da ein eindimensionaler Vektorraum V genau 0, V als Untervektorräumehat.

• G2,q = 1 + q2−1q−1 + 1 = q + 3.

Satz Für n ∈ N gilt: Gn+1,q = 2Gn,q + (qn − 1)Gn−1,q.

Beweis.

Gn+1,q =n+1∑k=0

(n+ 1

k

)q

=

(n+ 1

0

)q

+n∑k=1

(n+ 1

k

)q

+

(n+ 1

n+ 1

)q

2K× = K \ 0.

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2.5= 1 +

n∑k=1

[(n

k

)q

+ qn+1−k(

n

k − 1

)q

]+ 1

= 1 +n∑k=1

(n

k

)q︸ ︷︷ ︸

Gn,q

+n∑k=1

(qn+1−k − 1)

(n

k − 1

)q︸ ︷︷ ︸

n−1∑l=0

(qn−l−1)(nl)q

+n∑k=1

(n

k − 1

)q

+ 1︸ ︷︷ ︸n−1∑l=0

(nl)q+1 =Gn,q

= 2Gn,q +n−1∑l=0

(qn−l − 1)(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − ql−1)

(ql − 1)(ql − q) . . . (ql − ql−1)

= 2Gn,q +n−1∑l=0

(qn−l − 1)(qn − 1)(qn−1 − 1) . . . (qn−l+1 − 1)

(ql − 1)(ql−1 − 1) . . . (q − 1)︸ ︷︷ ︸(qn−1)(n−1

l )q

= 2Gn,q + (qn − 1)n−1∑l=0

(n− 1

l

)q︸ ︷︷ ︸

Gn−1,q

= 2Gn,q + (qn − 1)Gn−1,q .

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3 Das Prinzip vom Ein- und Ausschließen

3.1 Bemerkung Für endliche Mengen A,B ist folgendes richtig:

|A ∪B| = |A|+ |B| − |A ∩B| .

Analog gilt für endliche Mengen A, B, C:

|A ∪B ∪ C| = |A|+ |B|+ |C| − |A ∩B| − |A ∩ C| − |B ∩ C|+ |A ∩B ∩ C| .

A

B

C

Wie sieht die entsprechende Formel für n Mengen A1, . . . , An aus?

Satz (Prinzip vom Ein- und Ausschließen) Für endliche Mengen A1, . . . , An gilt stets:

|A1 ∪ . . . ∪An| =∑

∅6=I⊆1,...,n

(−1)|I|−1∣∣∣⋂i∈I

Ai

∣∣∣ .Beweis (Induktion nach n). Im Fall n = 1 steht links |A1|. Rechts steht genau ein Sum-mand, nämlich |A1|. Sei also jetzt n > 1 und schon gezeigt, dass für (n − 1) MengenB1, . . . , Bn−1 gilt:

|B1 ∪ . . . ∪Bn−1| =∑

∅6=J⊆1,...,n−1

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Bj

∣∣∣ .Dann gilt für A1, . . . , An nach obiger Bemerkung:

|A1 ∪ . . . ∪An| = |(A1 ∪ . . . ∪An−1) ∪An|= |A1 ∪ . . . ∪An−1|+ |An| − |(A1 ∪ . . . ∪An−1) ∩An︸ ︷︷ ︸

(A1∩An)∪...∪(An−1∩An)

|

=∑

∅6=J⊆1,...,n−1

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣+ |An| −∑

∅6=J⊆1,...,n−1

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj ∩An∣∣∣

=∑

∅6=I⊆1,...,n

(−1)|I|−1∣∣∣⋂i∈ I

Ai

∣∣∣ .3.2 Definition Sei M eine Menge, n = |M | <∞ und σ ∈ Sym(M). Ein Element a ∈Mmit σ(a) = a heißt Fixpunkt von σ. Hat σ keine Fixpunkte, so heißt σ fixpunktfrei . Mansetzt Dn := |σ ∈ Sym(M) : σ fixpunktfrei|3.

3D steht für das englische Wort derangements.

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Beispiel• n = 3⇒ Dn = D3 = 2:

(1 2 32 3 1

),(

1 2 33 1 2

)• n = 4⇒ Dn = D4 = 9 (nachrechnen!)

Satz n ∈ N =⇒ Dn = n!n∑k=0

(−1)k

k!

Beweis. Œ sei M = 1, . . . , n. Für i = 1, . . . , n sei Ai := σ ∈ Sym(M) : σ(i) = i. FürJ ⊆M ist⋂

j ∈ JAj = σ ∈ Sym(M) : σ(j) = j für alle j ∈ J , also

∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣ = (n− |J |)! .

Das Prinzip vom Ein- und Ausschließen liefert also:

Dn = |σ ∈ Sym(M) : σ fixpunktfrei| = |Sym(M) \ A1 ∪ . . . ∪An|

= n!−∑

∅6=J⊆1,...,n

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣= n! +

∑∅6=J⊆1,...,n

(−1)|J |(n− |J |)!

= n! +

n∑k=1

(n

k

)(−1)k(n− k)! = n!

n∑k=0

(−1)k

k!.

Bemerkung Dnn! =

∑nk=0

(−1)k

k! ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewähltePermutation σ ∈ Sym(M) fixpunktfrei ist. Für n → ∞ erhält man Dn

n! →1e ∼ 0, 367.

Für große n ist also mehr als jede 3. Permutation fixpunktfrei. Steckt also SekretärinSchusseline n Briefe in n Umschläge, so liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1

e , dass kein Briefim richtigen Umschlag ist.

3.3 Satz Für 1 6= n ∈ N gilt:

(i) Dn = nDn−1 + (−1)n,

(ii) Dn+1 = n(Dn +Dn−1).

Beweis.

(i)

nDn−1 + (−1)n = nn−1∑k=0

(−1)k(n− 1)!

k!+ (−1)n =

n∑k=0

(−1)kn!

k!= Dn .

12

Page 13: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

(ii)

Dn+1 = (n+ 1)Dn + (−1)n+1 = nDn +Dn + (−1)n+1

= nDn + nDn−1 + (−1)n + (−1)n+1 = n(Dn +Dn−1) .

Bemerkung Dn ist auch die Anzahl der Möglichkeiten, n Türme auf einem n × nSchachbrett so aufzustellen, dass keine zwei Türme in einer Zeile oder Spalte stehen undkein Turm auf der Diagonale steht.

T

T

T

T

(1 2 3 42 1 4 3

)

3.4 Satz Seien X, Y endliche Mengen und n := |X|, k := |Y |. Dann gilt für die Anzahlsn,k der surjektiven Abbildungen f : X → Y :

sn,k =

k∑i=0

(−1)i(k

i

)(k − i)n .

Insbesondere:n∑i=0

(−1)i(n

i

)(n− i)n = n!

undk∑i=0

(−1)i(k

i

)(k − i)n = 0 für k > n.

Beweis. Œ sei Y = 1, . . . , k. Für i = 1, . . . , k sei Ai := f : X → Y : i 6∈ f(X). Für∅ 6= J ⊆ 1, . . . , k ist dann∣∣∣ ⋂

j ∈ JAj

∣∣∣ = |Abb(X,Y \ J)| = (k − |J |)n .

13

Page 14: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Das Prinzip vom Ein- und Ausschließen ergibt also:

sn,k = |Abb(X,Y ) \n⋃i=1

Ai| = kn −∑

∅6=J⊆1,...,k

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣= kn +

∑∅6=J⊆1,...,k

(−1)|J | (k − |J |)n

= kn +k∑i=1

(k

i

)(−1)i(k − i)n

=k∑i=0

(k

i

)(−1)i(k − i)n .

3.5 Definition Für x ∈ R sei bxc ∈ Z definiert durch bxc ≤ x < bxc+ 1.

3.5 Satz Seien a1, . . . , ar ∈ N paarweise teilerfremd, d.h. ggT(ai, aj) = 1 für alle i 6= j.Für n ∈ N existieren dann genau

n−r∑i=1

⌊n

ai

⌋+

∑1≤ i< j≤ r

⌊n

aiaj

⌋−+ . . .+ (−1)r

⌊n

a1a2 . . . ar

Zahlen in 1, . . . , n, die durch keine der Zahlen a1, . . . , ar teilbar sind.

Beweis. Sei M = 1, . . . , n. Für i = 1, . . . , r sei Ai := k ∈ M : ai teilt k. Für∅ 6= J ⊆ 1, . . . , r ist dann⋂

j ∈ JAj = k ∈M : aj teilt k für alle j ∈ J = k ∈M :

∏j ∈ J

aj teilt k ,

also ∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣ =

⌊n∏

j ∈ Jaj

⌋.

Daher:

|A1 ∪ . . . ∪Ar| =∑

∅6=I∈1,...,r

(−1)|I|−1∣∣∣⋂i∈ I

Ai

∣∣∣=

r∑i=1

⌊n

ai

⌋−

∑1≤i<j≤ r

⌊n

aiaj

⌋+− . . .+ (−1)r−1

⌊n

a1a2 . . . ar

⌋.

Die Behauptung folgt unmittelbar.

14

Page 15: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

3.6 Definition

(i) Für a, b ∈ Z schreibt man a | b, falls a ein Teiler von b ist.

(ii) Die Euler’sche Phifunktion ϕ : N→ R ist definiert durch

ϕ(n) := |k ∈ N : 1 ≤ k ≤ n , ggT(k, n) = 1| .

Beispiel ϕ(1) = 1, ϕ(2) = 1, ϕ(3) = 2, ϕ(4) = 2, ϕ(5) = 4, ϕ(6) = 2, . . .

Satz Ist n ∈ N und sind p1, . . . , pr die verschiedenen Primteiler von n, so gilt:

ϕ(n) = n

(1− 1

p1

). . .

(1− 1

pr

).

Beweis.

ϕ(n)3.5= n−

r∑i=1

n

pi+

∑1≤ i< j≤ r

n

pi pj−+ . . .+ (−1)r

n

p1 . . . pr

= n

(1− 1

p1

)(1− 1

p2

). . .

(1− 1

pr

).

Bemerkung Hat also n die Primfaktorzerlegung n = pa11 . . . parr , so ist

ϕ(n) =

(pa11 − p

a1−11

). . .

(parr − par−1

r

).

Zum Beispiel ist

ϕ(10000) = ϕ(104) = ϕ(24 · 54) = (24 − 23)(54 − 53)

= (16− 8)(625− 125) = 8 · 500 = 4000 .

3.7 Definition Die Möbius-Funktion µ : N→ R wird definiert durch:

• µ(1) := 1,

• µ(n) := 0, falls p2 | n für ein p ∈ P,

• µ(n) := (−1)r, falls n = p1 . . . pr mit paarweise verschiedenen Primzahlen p1, . . . , pr.

3.7 Bemerkung Aus der obigen Formel folgt:

ϕ(n) = n∑d|n

µ(d)

d(für n ∈ N)

Dabei durchläuft d alle positiven Teiler von n.

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Page 16: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

3.8 Bemerkung (Ehepaarproblem - Lucas 1891) n ≥ 2 Ehepaare sollen in bunter Reiheso an einem runden Tisch sitzen, dass kein Mann neben seiner eigenen Frau sitzt. Dabeiwerden Sitzordnungen als verschieden angesehen, die durch Verschieben entstehen. Wiegroß ist die Anzahl α(n) der möglichen Sitzordnungen? Wir werden α(n) in mehrerenSchritten berechnen.

Satz Für 1 6= r ∈ N und t = 1, . . . , r sei f(r, t) die Anzahl der Möglichkeiten aus r ineiner Reihe angeordneten Objekten t Stück so auszuwählen, dass keine zwei benachbartenObjekte ausgewählt werden. Dann ist f(r, t) =

(r−t+1t

).

x1 x2 x3 xr

Beweis. (Induktion nach r) Die Behauptung stimmt für t = 1 und t = r > 1. Sei also1 < t < r, d.h. r ≥ 3. Die Behauptung stimmt auch für r = 3 (y t = 2). Die Behauptungsei schon für alle r′ < r gezeigt. Es gibt zwei Alternativen:

(i) Das erste Objekt wird ausgewählt. Dann darf man das zweite Objekt nicht auswählen.Es gibt also noch f(r − 2, t− 1) Wahlmöglichkeiten für die übrigen Objekte.

(ii) Das erste Objekt wird nicht ausgewählt. Dann gibt es noch f(r− 1, t) Wahlmöglich-keiten.

Daher gilt insgesamt nach Induktion:

f(r, t) = f(r − 2, t− 1) + f(r − 1, t)

=

(r − 2− (t− 1) + 1

t− 1

)+

(r − 1− t+ 1

t

)=

(r − tt− 1

)+

(r − tt

)=

(r − t+ 1

t

).

3.9 Satz Für 1 6= r ∈ N und t = 0, . . . , r − 1 sei g(r, t) die Anzahl der Möglichkeiten ausr in einem Kreis angeordneten Objekten t Stück so auszuwählen, dass keine benachbartenObjekte ausgewählt werden. Dann ist g(r, t) = r

r−t(r−tt

).

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xr

x1

x2

x3

Beweis. Wir legen auf dem Kreis einen Anfangspunkt fest und zählen von da aus. DieBehauptung ist richtig für t ∈ 0, 1. Daher ist die Behauptung richtig für r = 2. Sei alsor ≥ 3. Die Behauptung ist dann auch richtig für t = r− 1. Dann ist die Behauptung auchfür r = 3 richtig. Sei also r ≥ 4. Wegen g(4, 2) = 2 = 4

4−2

(4−2

2

)kann man sogar r ≥ 5

annehmen (und 2 ≤ t ≤ r − 2). Dann gibt es zwei Alternativen:

(i) Das erste Objekt wird gewählt. Dann darf weder das zweite noch das r-te Ob-jekt gewählt werden. Es gibt also noch f(r − 3, t − 1) =

(r−3−(t−1)+1

t−1

)=(r−t−1t−1

)Wahlmöglichkeiten.

(ii) Das erste Objekt wird nicht ausgewählt. Dann gibt es noch f(r−1, t) =(r−1−t+1

t

)=(

r−tt

)Wahlmöglichkeiten.

Insgesamt folgt:

g(r, t) =

(r − t− 1

t− 1

)+

(r − tt

)=

(r − t− 1)(r − t− 2) . . . (r − 2t+ 1)

(t− 1)!· r − t

t· t

r − t+

(r − tt

)=

(r − tt

)t

r − t+

(r − tt

)=

(r − tt

)r

r − t.

3.10 Satz Für die Anzahl α(n) der Sitzordnungen beim Ehepaarproblem gilt:

α(n) = 2(n!)

n∑t=0

(−1)t (n− t)! 2n

2n− t

(2n− tt

).

Beweis. Es gibt 2 (n!) mögliche Sitzordnungen für die Damen. Daher: α(n) = 2(n!)β(n)wobei β(n) die Anzahl der Sitzordnungen der Herren bei fester Platzverteilung für dieDamen ist. Im Folgenden seien D1, . . . , Dn die Damen, kreisförmig um den Tisch verteilt.Die entsprechenden Herren seien also H1, . . . Hn. Für i = 1, . . . , n habe der Platz linksvon Di die Nummer i. Jede Sitzordnung der Herren liefert eine Permutation σ von

M = 1, . . . , n : Herr i sitzt auf Platz σ(i) .

Umgekehrt liefert jede Permutation σ von M eine (evtl. verbotene) Sitzordnung derHerren. Eine Permutation σ von M heißt erlaubt, falls gilt:

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Page 18: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

• σ(i) 6= i für i = 1, . . . , n

• σ(i) 6= i+ 1 für i = 1, . . . , n− 1 und σ(n) 6= 1.

Wir müssen also jetzt die erlaubten Permutationen σ vonM zählen. Für i = 1, . . . , n sei A1i

die Menge der Permutationen σ vonM mit σ(i) = i. Für j = 1, . . . , n−1 sei A2j die Mengeder Permutationen σ von M mit σ(j) = j+1. Fener sei A2n die Menge der Permutationenσ von M mit σ(n) = 1. Wir setzen I := (1, 1), (1, 2), . . . , (1, n), (2, 1), (2, 2), . . . , (2, n).Das Prinzip vom Ein- und Ausschließen liefert:

β(n) = n!−∣∣∣ n⋃i=1

A1i ∪n⋃i=1

A2i

∣∣∣= n!−

∑∅ 6= J ⊆ I

(−1)|J |−1∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣= n! +

∑∅ 6= J ⊆ I

(−1)|J |∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣Für jede nichtleere Teilmenge J ⊆ I ist also

∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣ zu bestimmen. Dabei können

verschiedene Fälle auftreten:

Fall 1: Es existieren i ∈ 1, . . . , n mit (1, i), (2, i) ∈ J . Für σ ∈⋂j ∈ J Aj ist σ(i) = i

und σ(i) = i+ 1. Das geht nicht. Also ist in diesem Falle⋂j ∈ J Aj = ∅.

Fall 2: Es existieren i ∈ 1, . . . , n − 1 mit (2, i), (1, i + 1) ∈ J . Für σ ∈⋂j ∈ J Aj ist

dann σ(i) = i+ 1 und σ(i+ 1) = i+ 1. Das geht nicht. Also ist⋂j ∈ J Aj = ∅.

Fall 3: (2, n), (1, 1) ∈ J . Für σ ∈⋂j ∈ J Aj ist σ(n) = 1 und σ(1) = 1. Dieser Fall kann

nicht eintreten, also⋂j ∈ J Aj = ∅.

In den übrigen Fällen haben wir |J | ≤ n und∣∣∣ ⋂j ∈ J

Aj

∣∣∣ = (n− |J |)!. Daher:

β(n) = n! +

n∑t=1

(−1)t(n− t)!h(n, t) .

Dabei ist h(n, t) die Anzahl der Möglichkeiten t der Indizes in I so auszuwählen, dasskeiner der Fälle 1-3 auftritt. Wir ordnen die Indizes in I in der Reihenfolge

(1, 1), (2, 1), . . . , (1, n), (2, n)

auf einem Kreis an und erhalten mit den Bezeichnungen aus Satz 3.9:

h(n, t) = g(2n, t) =2n

2n− t

(2n− tt

).

Einsetzen ergibt die Aussage des Satzes.

18

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4 Partitionen

4.1 Definition Eine Partition einer (endlichen) Menge M ist eine Menge

P = B1, . . . , Bn

nichtleerer, paarweise disjunkter Teilmengen B1, . . . , Bn von M mit

M = B1 ∪ . . . ∪Bn .

Man nennt B1, . . . , Bn Blöcke von P und schreibt: N(P) = n.

B1B2

B3B4

4.1 Beispiel M = 1, 2, 3, 4 hat die folgenden Partitionen:

N(P) = 11, 2, 3, 4

N(P) = 2

1, 2, 3, 4

,1, 2, 4, 3

,1, 3, 4, 2

,2, 3, 4, 1

1, 2, 3, 4

,1, 3, 2, 4

,1, 4, 2, 3

N(P) = 3

1, 2, 3, 4

,1, 3, 2, 4

,1, 4, 2, 3

2, 3, 1, 4

,2, 4, 1, 3

,3, 4, 1, 2

N(P) = 4

1, 2, 3, 4

.

Bemerkung Für k, n ∈ N sei S(n, k) die Anzahl der Partitionen von 1, . . . , n in kBlöcke. Außerdem sei S(0, 0) := 1 und S(0, k) := 0 =: S(n, 0). Die Zahlen S(n, k) heißenStirling-Zahlen zweiter Art. Wir haben gesehen: S(4, 2) = 7.

4.1 Satz Für k, n ∈ N gilt:

S(n, k) =1

k!

k∑i=0

(−1)i(k

i

)(k − i)n .

Beweis. Jede surjektive Abbildung f : 1, . . . , n → 1, . . . , k liefert eine Partition

P = B1, . . . , Bn

von 1, . . . , n durchBi := f−1(i)

19

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für i = 1, . . . , k und jede Partition von 1, . . . , n in k Blöcke entsteht so. Ferner liefernjeweils k! surjektive Abbildungen f : 1, . . . , n → 1, . . . , k die gleiche Partition. Nach

Satz 3.4 gilt also: S(n, k) =1

k!sn,k =

1

k!

k∑i=0

(−1)i(k

i

)(k − i)n.

4.2 Satz Für x ∈ R und n ∈ N gilt: xn =

n∑k=0

S(n, k)x(x− 1) . . . (x− k + 1).

Beweis. Für m,n ∈ N existieren genau mn Abbildungen f : 1, . . . , n → 1, . . . ,m. Fürjede k-Teilmenge Y ⊆ 1, . . . ,m existieren genau sn,k = k!S(n, k) surjektive Abbildungenf : 1, . . . , n → Y . Daher:

mn =∑

Y ⊆1,...,m

sn,|Y |

=

m∑k=0

k!S(n, k)

(m

k

)

=m∑k=0

S(n, k)m(m− 1)(m− 2) . . . (m− k + 1) .

Im Fall m > n ist S(n, k) = 0 für k > n, d.h.

mn =

n∑k=0

S(n, k)m(m− 1) . . . (m− k + 1).

Die Polynome xn und∑n

k=0 S(n, k)x(x− 1) . . . (x− k + 1) nehmen also für m > n diegleichen Werte an. Daher sind sie gleich.

4.3 Satz Für k, n ∈ N gilt: S(n, k) = kS(n− 1, k) + S(n− 1, k − 1).

Beweis. Für n = 1 ist

S(n, k) =

1, für k = 1

0, für k > 1

und

kS(n− 1, k) + S(n− 1, k − 1) = 0 + S(0, k − 1) =

1, für k = 1

0, für k > 1.

Sei also n > 1. Für k = 1 ist

kS(n−1, k)+S(n−1, k−1) = S(n−1, 1)+S(n−1, 0) = 1+0 = 1 = S(n, 1) = S(n, k) .

Sei also auch k > 1. Aus einer Partition von 1, . . . , n− 1 kann man eine Partition von1, . . . , n machen, indem man entweder n als neuen Block nimmt oder indem man n zueinem der Blöcke hinzufügt.

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Bemerkung Für n ∈ N heißt

B(n) :=

n∑k=0

S(n, k)

n-te Bellzahl . Ferner sei B(0) := 1. B(n) ist also die Anzahl aller Partitionen von1, . . . , n.

Beispiel Nach Beispiel 4.1 ist B(4) = 15.

4.4 Satz n ∈ N =⇒ B(n) =1

e

∞∑k=0

kn

k!.

Beweis.

1

e

∞∑k=0

kn

k!=

∞∑j=0

(−1)j

j!

∞∑k=0

kn

k!

=

∞∑l=0

l∑i=0

(−1)i

i!

(l − i)n

(l − i)!

=∞∑l=0

1

l!

l∑i=0

(l

i

)(−1)i(l − i)n

4.1=

∞∑l=0

S(n, l) =

n∑l=0

S(n, l) = B(n) .

4.5 Satz n ∈ N0 =⇒ B(n+ 1) =n∑r=0

(n

r

)B(r).

Beweis. Œ sei n 6= 0. Sei P eine Partition von 1, . . . , n+ 1. Sei A der Block von P mitn+ 1 ∈ A und es sei k := |A| − 1. Für A gibt es

(nk

)Möglichkeiten. Dann ist P \ A eine

Partition von 1, . . . , n \A. Dafür gibt es B(n− k) Möglichkeiten. Somit:

B(n+ 1) =

n∑k=0

(n

k

)B(n− k) =

n∑r=0

(n

r

)B(r) .

4.6 Definition Seien k, n ∈ N. Eine Partition von n in k Teile ist ein k-Tupel

λ = (λ1, . . . , λk)

von Zahlen λ1, . . . , λk ∈ N mit λ1 ≥ λ2 ≥ . . . ≥ λk und λ1 + . . . + λk = n. DieAnzahl dieser Partitionen sei p(n, k) (Partitionszahlen). Zusätzlich sei p(0, 0) := 1 undp(0, k) := 0 =: p(n, 0) sowie p(n) :=

∑∞k=1 p(n, k) und p(0) := 1.

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Beispiel n = 7, k = 3 : 7 = 5 + 1 + 1 = 4 + 2 + 1 = 3 + 3 + 1, d.h. p(7, 3) = 4.

Satz Seien k, n ∈ N mit k ≤ n. Dann gilt: p(n, k) = p(n− 1, k − 1) + p(n− k, k).

Beweis. Für n = 1, also auch k = 1 gilt:

p(n− 1, k − 1) + p(n− k, k) = p(0, 0) + p(0, 1) = 1 = p(1, 1) = p(n, k) .

Für n 6= 1 = k gilt:

p(n− 1, k − 1) + p(n− k, k) = p(n− 1, 0) + p(n− 1, 1) = 1 = p(n, 1) .

Sei also n 6= 1 6= k. Für eine Partition λ = (λ1, . . . , λk) von n hat man zwei Alternati-ven:(1) λk = 1, (2) λk > 1.

Im Fall 1 ist (λ1, . . . , λk−1) eine Partition von n − 1 in k − 1 Teile. Dafür existierenp(n− 1, k − 1) Möglichkeiten. Im Fall 2 ist (λ1 − 1, . . . , λk − 1) eine Partition von n− kin k Teile. Dafür gibt es genau p(n− k, k) Möglichkeiten.

4.7 Definition Sei n ∈ N und λ = (λ1, . . . , λk) eine Partition von n. Man schreibt λ ` nund nennt Y (λ) := (1, 1), . . . , (1, λ1), (2, 1), . . . , (2, λ2), . . . , (k, 1), . . . , (k, λk) ⊆ N2 dasYoung-Diagramm (bzw. Ferrers-Diagramm) von λ. Man veranschaulicht diese Young-Diagramme folgendermaßen:

λ = (4, 2, 2, 1) ` 9 Y (λ) :

Literatur:

• W. Fulton, Young tableaux, Cambridge University Press 1996

• G.E. Andrews, The theory of partitions, Addison-Wesley 1976

Bemerkung Für λ ` n sei λ′ ` n dadurch definiert, dass Y (λ′) zu Y (λ) “transponiert”ist. Dann heißt λ′ zu λ konjugiert . Die Abbildung λ 7→ λ′ ist eine Bijektion auf der Mengealler Partitionen (von n).

Beispiel

λ = (4, 2, 2, 1) Y (λ) : Y (λ′) :

y λ′ = (4, 3, 1, 1)

22

Page 23: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Bemerkung Für k, n ∈ N ist also p(n, k) auch die Anzahl der Partitionen µ = (µ1, . . . , µl)mit µ1 = k.

4.8 Bemerkung Wir wollen jetzt eine weitere Formel für die Gauß-Koeffizienten(nk

)q

herleiten. Œ sei V = Kn. Jeder k-dimensionale Untervektorraum U ⊆ V hat eine Basisb1, . . . , bk und b1, . . . , bk bilden die Zeilen einer Matrix B ∈ Kk×n vom Rang k. Umgekehrtliefert jede Matrix A ∈ Kk×n vom Rang k einen k-dimensionalen Untervektorraumvon V = Kn, nämlich den Untervektorraum ZR(A) (Zeilenraum), der von den Zeilenvon A aufgespannt wird. Natürlich können verschiedene Matrizen A, B den gleichenUntervektorraum von V liefern. Geht etwa B durch elementare Zeilenumformungen aus Ahervor, so ist ZR(A) = ZR(B). Man nennt Matrizen A,B zeilenäquivalent , wenn sie durchmehrfache elementare Zeilenumformungen auseinander hervorgehen. ZeilenäquivalenteMatrizen liefern also jeweils den gleichen Untervektorraum von Kn. Aus der LinearenAlgebra ist bekannt, dass jede Matrix A ∈ Kk×n vom Rang k zu genau einer MatrixR ∈ Kk×n in rZSF4 zeilenäquivalent ist. Das bedeutet:

(1) In jeder Zeile von R ist der erste von 0 verschiedene Koeffizient gleich 1.

(2) Die führende 1 in Zeile i steht jeweils links von der führenden 1 in Zeile i + 1.(i = 1, . . . , k − 1)

(3) Eine Spalte, die eine führende 1 enthält, enthält sonst lauter Nullen.

Zur Verdeutlichung listen wir die Matrizen vom Rang 3 in K3×5 auf, die rZSF haben:1 0 0 ∗ ∗0 1 0 ∗ ∗0 0 1 ∗ ∗

,

1 0 ∗ 0 ∗0 1 ∗ 0 ∗0 0 0 1 ∗

,

1 0 ∗ ∗ 00 1 ∗ ∗ 00 0 0 0 1

,

1 ∗ 0 0 ∗0 0 1 0 ∗0 0 0 1 ∗

,

1 ∗ 0 ∗ 00 0 1 ∗ 00 0 0 0 1

,

1 ∗ ∗ 0 00 0 0 1 00 0 0 0 1

,

0 1 0 0 ∗0 0 1 0 ∗0 0 0 1 ∗

,

0 1 0 ∗ 00 0 1 ∗ 00 0 0 0 1

,

0 1 ∗ 0 00 0 0 1 00 0 0 0 1

,

0 0 1 0 00 0 0 1 00 0 0 0 1

Wir erhalten also eine Surjektion

R ∈ Kk×n : R in rZSF, rg(R) = k → U : U Untervektorraum von Kk×n, dimU = k,A 7→ ZR(A)

Wir wollen zeigen, dass diese Surjektion auch bijektiv ist. Dazu seien R,S Matrizenvom Rang k in Kk×n, die beide rZSF haben und für die ZR(R) = ZR(S) gilt. Dann istjede Zeile von R eine Linearkombination der Zeilen von S. Also existiert P ∈ Kk×k mitR = PS. Analog existiert ein Q ∈ Kk×k mit S = QR. Daher R = PQR. Wegen rg(R) = kfolgt PQ = 1k, d.h. P,Q ∈ GL(k,K). Also kann man P durch mehrfache elementare

4reduzierte Zeilenstufenform.

23

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Zeilenumformungen in 1k überführen. Daher kann man R = PS durch mehrfache elemen-tare Zeilenumformungen in S überführen. Daher sind R und S zeilenäquivalent. Wegender Eindeutigkeit folgt R = S. Die obige Surjektion ist also auch injektiv, also bijektiv.Folglich ist

(nk

)qauch die Anzahl der Matrizen vom Rang k in Kk×n, die rZSF haben.

Jede Matrix R ∈ Kk×n vom Rang k in rZSF liefert eine Partition einer Zahl l ≤ k(n−k).5

Im obigen Beispiel erhält man die folgenden Partitionen:

(2, 2, 2), (2, 2, 1), (2, 2), (2, 1, 1), (2, 1), (2), (1, 1, 1), (1, 1), (1), () .

Man erhält so alle Partitionen, deren Young-Diagramm in ein Rechteck der Größek × (n− k) passt. Jeweils ql Matrizen liefern die gleiche Partition (für ∗ kann manjeweils ein beliebiges Element aus K einsetzen). Damit folgt:

Satz Für alle (sinnvollen) n, k, q gilt:

(n

k

)q

=

k(n−k)∑l=0

al ql .

Dabei ist al die Anzahl der Partitionen von l, deren Young-Diagramm in ein Rechteck derGröße k × (n− k) passt. Insbesondere ist also

(nk

)qfür feste n, k ein Polynom in q mit

Koeffizienten in N0. Das Polynom hat Grad k(n− k).

Beispiel Für k = 3, n = 5 erhält man das Polynom:

q6 + q5 + q4 + q4 + q3 + q2 + q3 + q2 + q + 1 = q6 + q5 + 2q4 + 2q3 + 2q2 + q + 1 .

Probe: (5

3

)q

=(q5 − 1)(q4 − 1)(q3 − 1)

(q3 − 1)(q2 − 1)(q − 1)= (q4 + q3 + q2 + q + 1)(q2 + 1) .

5Sterne ⇔ Young-Diagramm. Man ignoriert Spalten mit führenden Einsen und führende Nullspalten.

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5 Geordnete Mengen

5.1 Definition Eine (partielle) Ordnung ist eine Relation ≤ auf einer Menge X mitfolgenden Eigenschaften:

(i) (Reflexivität) x ∈ X =⇒ x ≤ x,

(ii) (Antisymmetrie) x, y ∈ X mit x ≤ y und y ≤ x =⇒ x = y,

(iii) (Transitivität) x, y, z ∈ X mit x ≤ y und y ≤ z =⇒ x ≤ z.

Ggf. heißt das Paar (X,≤) (partiell) geordnete Menge.6 Ist die Ordnung ≤ aus demZusammenhang klar, so sagt man: X ist eine geordnete Menge. Statt x ≤ y schreibt manauch y ≥ x. Ist x ≤ y und x 6= y schreibt man auch x < y bzw. y > x.

Beispiel

(a) R mit der üblichen Ordnung ≤.

(b) Die Potenzmenge P(M) einer Menge M mit der Inklusion ⊆.

(c) N mit Teilbarkeit |.

(d) Für jede geordnete Menge (X,≤) hat man die entgegengesetzt geordnete Menge(X,≥) = (X,≤)o = Xo .7

(e) Für geordnete Mengen X,Y sieht man die disjunkte Vereinigung folgendermaßen alsgeordnete Menge an:

x ≤ y in X ∪Y ⇐⇒ (x, y ∈ X und x ≤ y in X) oder (x, y ∈ Y und x ≤ y in Y ) .

(f) Für geordnete Mengen X,Y sieht man das direkte Produkt X × Y folgendermaßenals geordnete Mengen an:

(x, y) ≤ (x′, y′)⇐⇒ x ≤ x′ und y ≤ y′ .

(g) Jede Teilmenge Y einer geordneten Menge X wird selbst zu einer geordneten Men-ge, indem man die Ordnung entsprechend einschränkt. Beispielsweise bilden dieUntervektorräume eines Vektorraums auch eine geordnete Menge bzgl. “⊆”.

Bemerkung Die folgenden Teilmengen einer geordneten Menge X heißen Intervalle:

• [x, y] := z ∈ X : x ≤ z ≤ y,

• [x, y[ := z ∈ X : x ≤ z < y,

• ]x, y] := z ∈ X : x < z ≤ y,

• ]x, y[ := z ∈ X : x < z < y,6engl.: poset = partially ordered set.7engl.: o = opposite poset.

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• X≥x := z ∈ X : z ≥ x,

• X>x := z ∈ X : z > x,

• X≤x := z ∈ X : z ≤ x,

• X<x := z ∈ X : z < x

für x, y ∈ X beliebig. Eine geordnete Menge X heißt lokal endlich, falls [x, y] endlich istfür alle x, y ∈ X.

5.2 Definition Elemente x, y in einer geordneten Menge X heißen vergleichbar , fallsx ≤ y oder y ≤ x gilt. Sind je zwei Elemente in X vergleichbar, dann heißt X totalgeordnet . Eine total geordnete Teilmenge Y einer (partiell) geordneten Menge X heißtKette8 in X. Ggf. heißt

l(Y ) := |Y | − 1 Länge von Y .

Im Fall Y = y1, . . . , yn mit y1 < . . . < yn spricht man von einer Kette von y1 nach yn.Man schreibt:

Y : y1 < . . . < yn .

Eine Teilmenge Y einer geordneten Menge X heißt Antikette9, falls je zwei verschiedeneElemente in Y unvergleichbar sind.

Bemerkung Seien x, y Elemente in einer geordneten Menge X. Wir schreiben x ∼ y,falls Elemente x0 = x, x1, . . . , xn = y existieren derart, dass xi−1 und xi (i = 1, . . . , n)vergleichbar sind. Dann ist ∼ eine Äquivalenzrelation auf X, deren ÄquivalenzklassenZusammenhangskomponenten heißen.

5.3 Definition Sei X eine geordnete Menge und m ∈ X.

(i) m heißt maximal in X, falls kein x ∈ X existiert mit m < x. Analog heißt mminimal , falls kein x ∈ X existiert mit x < m.

(ii) Man nennt m das Maximum von X und schreibt m = maxX, falls x ≤ m für allex ∈ X gilt. Analog heißt m das Minimum von X, falls m ≤ x für alle x ∈ X gilt.Man schreibt: m = minX.

(iii) Ist Y ⊆ X und existiert

s := minx ∈ X : y ≤ x für alle y ∈ Y ,

so nennt man s Supremum von Y und schreibt s = supY . Existiert

i := maxx ∈ X : x ≤ y für alle y ∈ Y ,

so nennt man i Infimum von Y und schreibt i = inf Y .

(iv) Für a, b,∈ X setzt man a ∨ b := supa, b und a ∧ b := infa, b.8engl.: chain.9engl.: antichain.

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(v) X heißt Verband10, falls a ∨ b und a ∧ b in X für alle a, b ∈ X existieren.

5.4 Definition Eine Abbildung f : X → Y zwischen geordneten Mengen X und Y heißtmonoton11 (bzw. antiton), falls f(x) ≤ f(x′) (bzw. f(x) ≥ f(x′)) für alle x, x′ ∈ X mitx ≤ x′ gilt.

Bemerkung Offenbar ist die Identitätsabbildung idX : X → X,x 7→ x monoton. Fürmontone Abbildungen f : X → Y , g : Y → Z zwischen geordneten Mengen X,Y, Z istauch die Komposition gf monoton. Antitone Abbildungen f : X → Y kann man auch alsmonotone Abbildungen f : X → Y o bzw. f : Xo → Y auffassen. Für bijektive monotoneAbbildungen f : X → Y ist die Umkehrabbildung f−1 : Y → X i.A. nicht monoton.

BeispielidN : (N, |)→ (N,≤), n 7→ n

ist monoton, aber die Umkehrabbildung

idN : (N,≤)→ (N, |)

ist nicht monoton.

5.5 Definition Eine Abbildung f : X → Y zwischen geordneten Mengen X,Y heißtIsomorphismus (geordneter Mengen), falls f bijektiv ist und f, f−1 monoton sind.

Bemerkung Ggf. ist auch f−1 : Y → X ein Isomorphismus. Man nennt X,Y isomorphund schreibt X ∼= Y . Wie üblich ist ∼= eine Äquivalenzrelation.

Beispiel In (N, |) gilt:

[2, 8] = 2, 4, 8 ∼= 3, 9, 27 = [3, 27]

2

4

8

3

9

27

5.6 Bemerkung Sei M eine Menge und P(M) die Menge aller Partitionen von M . Fürp, q ∈ P(M) schreibt man p ≤ q, falls jeder Block von p in einem Block von q enthaltenist. Dann ist (P(M),≤) eine geordnete Menge.

Beispiel Wir bestimmmen ≤ auf P(M) für M = 1, 2, 3, 4.

10engl.: lattice.11d.h. ”ordnungserhaltend“.

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1234

13|2412|34124|3123|4 14|23 134|2 234|1

12|3|4 13|2|4 14|2|3 23|1|4 24|1|3 34|1|2

1|2|3|4

5.7 Bemerkung Sei n ∈ N und P (n) die Menge aller Partitionen von n. Für

λ = (λ1, . . . , λk) ` n, µ = (µ1, . . . , µl) ` n

schreibt man:

λE µ :⇐⇒λ1 ≤ µ1 ,

λ1 + λ2 ≤ µ1 + µ2 ,

λ1 + λ2 + λ3 ≤ µ1 + µ2 + µ3 ,

...

So wird P (n) zu einer geordneten Menge. Man nennt E die Dominanzordnung auf P (n).

Beispiel n = 6

(6)

(5, 1)

(4, 2)

(3, 3) (4, 1, 1)

(3, 2, 1)

(3, 1, 1, 1) (2, 2, 2)

(2, 2, 1, 1)

(2, 1, 1, 1, 1)

(1, 1, 1, 1, 1, 1)

28

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6 Inzidenzalgebra und Möbius-Inversion

6.1 Bemerkung Sei X eine lokal endliche geordnete Menge. Dann ist die MengeAbb(X ×X,R) aller Abbildungen f : X ×X → R ein R-Vektorraum mit

(f + g)(x, y) = f(x, y) + g(x, y)

(rf)(x, y) = rf(x, y)

(f, g ∈ Abb(X ×X,R))

(x, y ∈ X, r ∈ R)

Offenbar ist I(X) := f ∈ Abb(X ×X,R) : f(x, y) 6= 0 =⇒ x ≤ y ⊆ Abb(X ×X,R) einUntervektorraum. Wir definieren eine Multiplikation auf I(X) durch

(fg)(x, y) :=∑z∈[x,y]

f(x, z)g(z, y) (f, g ∈ I(X), x, y ∈ X) .

Die Summe ist endlich, da X lokal endlich ist. Man rechnet leicht nach, dass fürf, g, h ∈ I(X), r ∈ R gilt:

• (fg)h = f(gh) (Assoziativitätsgesetz),

• f(g + h) = fg + fh (Distributivgesetz),

• (f + g)h = fh+ gh (Distributivgesetz),

• r(fg) = (rf)g = f(rg).

Definiert man δX : X × X → R durch δX(x, x) := 1 für x ∈ X und δX(x, y) := 0 fürx 6= y, so gilt für alle f ∈ I(X): δXf = f = fδX . δX heißt Kronecker-Funktion und I(X)heißt Inzidenzalgebra. Weitere wichtige Funktionen in I(X) sind die Zeta-Funktion ζXund die Kettenfunktion ηX . Diese sind definiert durch:

ζX(x, y) :=

1, x ≤ y0, sonst

ηX(x, y) :=

1, x < y

0, sonst

Offenbar ist ζX = δX + ηX und für x, y ∈ X gilt:

ζ2X(x, y) =

∑z∈[x,y]

ζX(x, z)ζX(z, y) =∑z∈[x,y]

1 = |[x, y]| .

6.1 Satz Sei X eine lokal endliche Menge. Für x, y ∈ X und m ∈ N ist dann ηmX (x, y)die Anzahl der Ketten der Länge n von x nach y in X.

Beweis. Nach Definition ist

η2X(x, y) =

∑z∈[x,y]

ηX(x, z) ηX(z, y) =∑x<z<y

1 .

Induktiv folgt:ηnX(x, y) =

∑x=x1<...<xn=y

1 .

29

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6.2 Satz Sei X eine lokal endliche geordnete Menge und f ∈ I(X). Dann sind äquivalent:

(i) ∃g ∈ I(X) : fg = δX ,

(ii) f(x, x) 6= 0 für alle x ∈ X,

(iii) ∃h ∈ I(X) : hf = δX .

Ggf. gilt: g = h.

Beweis.

(1)⇒ (2) Sei g ∈ I(X) mit fg = δX . Für x ∈ X ist dann

1 = δX(x, x) =∑z∈[x,x]

f(x, z)g(z, x) = f(x, x)g(x, x), d.h. f(x, x) 6= 0 .

(2)⇒ (1) Sei f(x, x) 6= 0 für alle x ∈ X. Wir suchen ein g ∈ I(X) mit fg = δX , d.h.

• g(x, y) = 0, falls x 6≤ y,

• 1 = f(x, x)g(x, x) für alle x ∈ X,

• 0 =∑

x≤z≤yf(x, z)g(z, y), falls x < y.

Die zweite Bedingung bedeutet: g(x, x) =1

f(x, x)und die dritte Bedingung bedeu-

tet:

f(x, x)g(x, y) = −∑x<z≤y

f(x, z)g(z, y), d.h. g(x, y) =−1

f(x, x)

∑x<z≤y

f(x, z)g(z, y) .

So kann man g(x, y) mit Induktion nach |[x, y]| definieren.

(2)⇔ (3) analog.

Ferner: h = hδX = h(fg) = (hf)g = δXg = g.

Bemerkung Bezeichnung: g = h = f−1 heißt die zu f inverse Funktion.

6.2 Beispiel Wegen ζX(x, x) = 1 für alle x ∈ X hat ζX eine inverse Funktion ζ−1X =: µX ,

die Möbius-Funktion von X. Nach dem obigen Beweis ist µX(x, x) = 1 für alle x ∈ X und

µx(x, y) = −∑x<z≤y

µX(z, y), d.h.∑z∈[x,y]

µX(z, y) = 0 (falls x < y).

Analog erhält man aus (2)⇔ (3):

µX(x, y) = −∑x≤z<y

µX(x, z), d.h.∑z∈[x,y]

µX(x, z) = 0 (für x < y).

30

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Offenbar ist µX(x, y) = µ[x,y](x, y) für alle x, y ∈ X, d.h. µX(x, y) hängt nur von demIntervall [x, y] ab.

6.3 Beispiel Wir betrachten µX(a, ·).

0

1 2

−1 −1 −1 −1

a

1

6.3 Satz (Möbius-Inversion) Sei X eine lokal endliche geordnete Menge. Für x ∈ X seiX≤x endlich. Dann sind für f, F : X → R äquivalent:

(1) F (y) =∑x≤y

f(x) für alle y ∈ X

(2) f(y) =∑x≤y

µX(x, y)F (x) für alle y ∈ X.

Beweis.

(1)⇒ (2) Sei (1) erfüllt. Für z ∈ X gilt dann nach Beispiel 6.2:∑x≤z

µX(x, z)F (x) =∑

w≤x≤zµX(x, z)f(w)

=∑w≤z

f(w)∑

x∈[w,z]

µX(x, z)

︸ ︷︷ ︸=0 für w 6=z

= f(z)µX(z, z)

= f(z) .

31

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(2)⇒ (1) Sei (2) erfüllt. Für z ∈ X gilt dann nach Beispiel 6.2:∑x≤z

f(x) =∑

w≤x≤zµX(w, x)F (w)

=∑w≤z

F (w)∑

x∈[w,z]

µX(w, x)

︸ ︷︷ ︸=0 für w 6=z

= F (z)µX(z, z)

= F (z) .

Bemerkung Satz 6.3 hat formale Ähnlichkeit mit dem Hauptsatz der Differential- undIntegralrechnung. F ↔ Integral von f , f ↔ Ableitung von F .

6.4 Bemerkung Sei f : X → Y ein Isomorphismus zwischen zwei lokal endlichen geord-neten Mengen X,Y . Für a, b ∈ X gilt dann: µX(a, b) = µY (f(a), f(b)).

Satz Seien X,Y lokal endliche geordnete Mengen. Dann ist X × Y als geordnete Mengelokal endlich und für x, x′ ∈ X, y, y′ ∈ Y gilt:

µX×Y((x, y), (x′, y′)

)= µX(x, x′)µY (y, y′) .

Beweis. Die erste Aussage ist klar: [(x, y), (x′, y′)] = [x, x′]× [y, y′]. Die Formel beweisenwir mit Induktion nach der Länge des Intervalls n = |[(x, y), (x′, y′)]| = |[x, x′]| · |[y, y′]|.Im Fall n = 0 ist [x, x′] = ∅ oder [y, y′] = ∅, d.h. x 6≤ x′ oder y 6≤ y′. Dann ist auch(x, y) 6≤ (x′, y′) und somit sind beide Seiten der Formel 0. Im Fall n = 1 ist dann x = x′,y = y′ und auf beiden Seiten der Formel steht 1. Sei jetzt n > 1, d.h. (x, y) < (x′, y′).Dann: x < x′ oder y < y′. Nach Beispiel 6.2 und Induktion gilt:

µX×Y((x, y), (x′, y′)

)= −

∑(a,b)∈[(x,y),(x′,y′)[

µX×Y ((x, y), (a, b))︸ ︷︷ ︸Ind.= µX(x,a)µY (y,b)

= µX(x, x′)µY (y, y′)−∑

(a,b)∈[(x,y),(x′,y′)]︸ ︷︷ ︸[x,x′]×[y,y′]

µX(x, a)µY (y, b)

= µX(x, x′)µY (y, y′)−

( ∑a∈[x,x′]

µX(x, a)

)( ∑b∈[y,y′]

µY (y, b)

)︸ ︷︷ ︸

einer der beiden Faktoren ist Null

= µX(x, x′)µY (y, y′) .

32

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6.4 Beispiel (a) Sei X = N mit der gewöhnlichen Ordnung ≤. Nach Beispiel 6.2 giltdann:

µN(x, y) =

1, falls y = x

−1, falls y = x+ 1

0, falls y > x+ 1

Analog gilt für die Werte µX(x, ·) der Möbius-Funktion in einem total geordnetenIntervall einer lokal endlichen geordneten Menge X:

x

µX(x, ·)

1

−1

0

0

y 0

(b) Sei X = N mit der Teilbarkeit | als Ordnung und seien x, y ∈ N. Im Fall x - y istµX(x, y) = 0. Sei also x | y und y

x = pr11 . . . prkk mit r1, . . . , rk ∈ N und paarweiseverschiedenen Primzahlen p1, . . . , pk. Dann:

[x, y] ∼=[1,y

x

]∼=

k

×i=1

0, . . . , ri .

Daher:

µX(x, y) = µX(1,y

x) =

k∏i=1

µ0,1,...,ri(0, ri)(a)=

(−1)k, falls ri = 1 für i = 1, . . . , k

0, sonst

Dies ist das klassische Beispiel einer Möbius-Funktion.

(c) Sei X = P(M) für eine endliche Menge M mit der Inklusion ⊆ als Ordnung. Danngilt für A ⊆ B ⊆M :

[A,B] ∼= [∅, B \A] ∼=∏

b∈B\A

0, 1 .

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Daher:µX(A,B) =

∏b∈B\A

µ0,1(0, 1) = (−1)|B\A|

6.5 Satz Sei X eine lokal endliche geordnete Menge. Für x, y ∈ X ist dann µX(x, y) dieDifferenz aus der Anzahl der Ketten gerader Länge von x nach y in X und der Anzahlder Ketten ungerader Länge von x nach y in X.

Beweis. Wir definieren νX ∈ I(X) durch

νX(x, y) =∞∑k=0

(−1)kηk(x, y) .

Die Summe ist nach Satz 6.1 endlich, da [x, y] endlich ist. Nach Satz 6.1 ist zu zeigen:µX = νX , d.h. ζXνX = δX . Dazu seien x, y ∈ X und sei N ∈ N mit N > |[x, y]| Dann:

(ζX νX) (x, y) =∑z∈[x,y]

ζX(x, z)νX(z, y)

=∑z∈[x,y]

ζX(x, z)

N∑k=0

(−1)kηk(z, y)

=

((δX + ηX)

N∑k=0

(−1)kηk

)(x, y)

=(δX + (−1)NηN+1

)(x, y)

= δX(x, y) .

Literatur: E. Spiegel, C.J. O’Donnell, Incidence algebras, Marcel Dekker, New York 1997

6.6 Bemerkung Sei L ein endlicher Verband. Für x, y ∈ L existieren dann

x ∧ y = infx, y und x ∨ y = supx, y .

Induktiv folgt die Existenz von inf(M) und sup(M) für ∅ 6= M ⊆ L. Insbesondere existie-ren 0L := inf(L) und 1L := sup(L).

Satz (Weisner) Sei L ein endlicher Verband und sei 0L < a ∈ L, dann gilt:∑x∈L

x∨a=1L

µL(0L, x) = 0 .

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Beweis. Betrachte

S :=∑x,y∈L

y≥x, y≥a

µL(0L, x)µL(y, 1L)

=∑x,y∈Ly≥x∨a

µL(0L, x)µL(y, 1L)

=∑x∈L

µL(0L, x)∑

y∈[x∨a,1L]

µL(y, 1L)

︸ ︷︷ ︸=0, falls x∨a6=1L

=∑x∈L

x∨a=1L

µL(0L, x) .

Andererseits:

S =∑y∈Ly≥a

µL(y, 1L)∑

x∈[0L,y]

µL(0L, x)

︸ ︷︷ ︸=0 für y 6=0L

=∑y∈Ly≥ay=0L

µL(y, 1L) = 0 .

6.7 Satz Sei K ein endlicher Körper mit q := |K| < ∞, sei V ein K-Vektorraum derDimension n < ∞ und es sei U := U(V ) die Menge aller Untervektorräume von V ,geordnet durch “⊆”. Dann gilt: µU(0, V ) = (−1)nq(

n2).

Beweis. (Induktion nach n) U ist ein Verband mit U ∨U ′ = U +U ′ und U ∧U ′ = U ∩U ′.Im Fall n = 0 (d.h. V = 0) ist µU(0, V ) = µU(0, 0) = 1 = (−1)0q(

02). Sei also n > 0,

W ⊆ V ein eindimensionaler Untervektorraum und W ′ ⊆ V ein Untervektorraum mitV = W ⊕W ′. Nach Weisner gilt:

µU(0, V ) = −∑

V 6=U∈U(V )U+W=V

µU(0, U) .

Für V 6= U ∈ U gilt dabei:

U +W = V ⇔ dimU = n− 1 und W 6⊆ U

35

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Daher gilt nach Induktion:

µU(0, V ) = −∑

V 6=U∈UU+W=V

(−1)n−1q(n−12 )

= (−1)nq(n−12 )|U ∈ U : V 6= U,U +W = V |

= (−1)nq(n−12 )|U ∈ U : dimU = n− 1,W 6⊆ U|

= (−1)nq(n−12 )

((n

n− 1

)q

− |U ∈ U : dimU = n− 1,W ⊆ U|

)

= (−1)nq(n−12 )

((n

n− 1

)q

−(n− 1

n− 2

)q

),

denn wir haben eine Bijektion

U ′ ∈ U(W ′) : dimU ′ = n− 2 → U ∈ U(V ) : dimU = n− 1, W ⊆ U, U ′ 7→ U ′ +W .

Also:

µU(0, V ) = (−1)nq(n−12 )

((n

n− 1

)q︸ ︷︷ ︸

(n1)q

−(n− 1

n− 2

)q︸ ︷︷ ︸

(n−11 )

q

)

= (−1)nq(n−12 )(qn − 1

q − 1− qn−1 − 1

q − 1

)= (−1)nq(

n−12 )qn−1

= (−1)nq(n2) .

6.7 Bemerkung Für U ∈ U(V ) und r := dimU folgt leicht:

µU(U, V ) = (−1)n−rq(n−r2 ) .

Denn ist U ′ ⊆ V ein Untervektorraum mit U ⊕ U ′ = V , so ist dimU ′ = n − r und[U, V ] ∼= [0, U ′].

6.8 Satz Sei K ein Körper mit q := |K| <∞. Für m,n ∈ N ist die Anzahl der surjektivenlinearen Abbildungen Kn → Km gleich:

m∑k=0

(−1)m−k(m

k

)q

qnk+(m−k2 ) .

Beweis. Für jeden Untervektorraum U ⊆ Km sei f(U) die Anzahl der linearen Abbildun-gen α : Kn → Km mit Bild U . Analog sei F (U) die Anzahl aller linearen AbbildungenKn → U . Dann:

F (U) =∑

W∈U(U)

f(W ) .

36

Page 37: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Möbius-Inversion auf U(Km) liefert für jeden Untervektorraum U ⊆ Km der Dimension r:

f(U) =∑

W∈U(U)

µ(W,U)F (W )

=∑

W∈U(U)

µ(W,U)qn dimW

6.7=

∑W∈U(U)

(−1)dimU−dimW q(dimU−dimW

2 )qn dimW

=

r∑k=0

(−1)r−k(r

k

)q

q(r−k2 )qnk .

Setze U = Km. Es folgt die Behauptung.

Bemerkung Man kann die Anzahl der surjektiven Abbildungen Kn → Km auch andersberechnen. Bekanntlich stehen die surjektiven linearen Abbildungen Kn → Km in Bi-jektion mit den Matrizen vom Rang m in Km×n. Deren Anzahl ist nach Satz 2.1 gleich(qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qn−m+1). Wir erhalten die Identität:

n∑k=0

(−1)m−k(m

k

)q

qmk+(m−k2 ) = (qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qn−m+1) .

6.9 Bemerkung Für jede endliche Menge M ist die Menge P(M) aller Partitionen vonM ein Verband.

Beispiel

M = 1, . . . , 10,p = 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 ,q = 1, 6, 2, 5, 3, 4, 7, 10, 8, 9 ,p ∧ q = 1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 2, 5, 4p ∨ q = 1, 2, 3, 5, 4, 6, 7, 8, 9, 101P(M) = 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 100P(M) = 1, . . . , 10

Satz Sei M = 1, . . . , n und seien a, b ∈ P(M) mit a ≤ b. Für jeden Block B ∈ b seinB die Anzahl der Blöcke A ∈ a mit A ⊆ B. Dann gilt:

µP(M)(a, b) = (−1)|a|−|b|∏B∈b

(nB − 1)! .

Beweis. Sei b = B1, . . . , Br. Jeder Block Bi ist Vereinigung von nBi =: ni Blöcken vona. Das Intervall [a, b] ist als geordnete Menge isomorph zu P(N1)×P(N2)× . . .×P(Nr)

37

Page 38: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

mit Ni = 1, . . . , ni. Daher µP(M)(a, b) = µP(N1)(0, 1)×µP(N2)(0, 1)× . . .×µP(Nr)(0, 1).Also genügt es zu zeigen: µP(M)(0, 1) = (−1)n−1(n− 1)!, denn dann ist

µP(M)(a, b) = (−1)n1−1(n1 − 1)! . . . (−1)nr−1(nr − 1)!

= (−1)n1+...+nr−rr∏i=1

(ni − 1)!

= (−1)|a|−|b|∏B∈b

(nB − 1)! .

Zum Beweis von µP(M)(0, 1) = (−1)n−1(n− 1)! wählen wir

p := 1, 2, 3, . . . , n ∈ P(M) .

Wir suchen dann die Partition q von M mit p ∨ q = M. Von M abgesehen sind dasgenau die Partitionen q = 1, . . . , 2, . . . . Nach Weisner gilt:

µP(M)(0, 1) = −∑

q=1,... ,2,...

µP(M)(0, q) .

Es gibt genau 2n−2 solcher q’s. Bei(n−2i

)von diesen hat der Block, der 1 enthält, gerade

i + 1 Elemente. Argumentiert man mit Induktion nach n, so kann man voraussetzen:µP(M)(0, q) = (−1)i i!(−1)n−i−2(n− i− 2)!. Also:

µP(M)(0, 1) = −n−2∑i=0

(n− 2

i

)(−1)i i! (−1)n−i−2(n− i− 2)!

= (−1)n−1n−2∑i=0

(n− 2

i

)i! (n− i− 2)!

= (−1)n−1n−2∑i=0

(n− 2)!︸ ︷︷ ︸(n−1)!

.

38

Page 39: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

7 Anwendungen der Möbius-Inversion

7.1 Satz Für Abbildungen f, F : N→ R sind äquivalent:

(1) F (n) =∑d|n

f(d) für n ∈ N

(2) f(n) =∑d|n

µ(n

d)F (d) für n ∈ N.

Dabei durchläuft d alle (positiven) Teiler von n.

Beweis. N ist durch | geordnet. Nach Satz 6.3 sind äquivalent:

(i) F (y) =∑x|y

f(x) für y ∈ N

(ii) f(y) =∑x|y

µN(x, y)F (x) für y ∈ N.

Nach Beispiel 6.4 gilt dabei: µN(x, y) = µ( yx) mit der klassischen Möbius-Funktion ausDefinition 3.7.

7.2 Bemerkung Sei K ein Körper mit q := |K| <∞. Wir betrachten für ein n ∈ N dieqn Polynome der Form

Xn + an−1Xn−1 + . . .+ a1X + a0 (a0, . . . , an−1 ∈ K .)

Ein solches Polynom heißt irreduzibel , wenn es sich nicht in der Form f = gh mitPolynomen g, h kleineren Grades schreiben lässt. Für q = 2 und n = 2 hat man z.B. diePolynome

X2 = XX, X2 + 1 = (X + 1)2, X2 +X = (X + 1)X, X2 +X + 1 ,

d.h. X2 +X + 1 ist das einzige irreduzible Polynom vom Grad 2 über F2. Wie groß istdie Anzahl aq(n) der irreduziblen Polynome vom Grad n mit Koeffizienten in K? In derAlgebra lernt man:

Xqn −X =∏

f irreduzibeldeg f |n

f .

Gradvergleich liefert:

qn =∑d|n

d · aq(d) .

Wir wenden Möbius-Inversion (7.1) an auf:

f : N→ R, n 7→ naq(n), F : N→ R, n 7→ qn .

39

Page 40: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Wir erhalten:n · aq(n) =

∑d|n

µ(d)qn/d ,

d.h.

aq(n) =1

n

∑d|n

µ(d)qn/d .

Speziell:

aq(1) =1

1

∑d|1

µ(d)q1/d = q ,

aq(2) =1

2

∑d|2

µ(d)q2/d =1

2(q2 − q) ,

aq(3) =1

3

∑d|3

µ(d)q3/d =1

3(q3 − q) ,

aq(4) =1

4

∑d|4

µ(d)q4/d =1

4(q4 − q2) ,

aq(5) =1

5

∑d|5

µ(d)q5/d =1

5(q5 − q) ,

aq(6) =1

6

∑d|6

µ(d)q6/d =1

6(q6 − q3 − q2 + q) ,

aq(7) =1

7

∑d|7

µ(d)q7/d =1

7(q7 − q) ,

aq(8) =1

8

∑d|8

µ(d)q8/d =1

8(q8 − q4) .

Allgemeiner gilt: n · aq(n) = qn1 ± qn2 ± qn3 ± . . .± qnr (n1 > n2 > . . . > nr). Daher istn · aq(n) durch qnr teilbar, aber nicht durch qnr+1. Insbesondere folgt: aq(n) 6= 0; dieszeigt:

Satz Sei K ein endlicher Körper. Für n ∈ N existiert dann mindestens ein irreduziblesPolynom vom Grad n mit Koeffizienten in K.

7.3 Bemerkung Für n ∈ N hat das ganzzahlige Polynom Xn − 1 die komplexen Null-stellen

1, ζ, ζ2, . . . , ζn−1 mit ζ := e2πi/n .

40

Page 41: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

ζ

ζ2

ζn−1 = ζ−1

Daher:

Xn − 1 =n−1∏k=0

(X − ζk) .

1, ζ, ζ2, . . . , ζn−1 heißen die n-ten Einheitswurzeln (in C). Für d | n ist jede d-te Einheits-wurzel η auch eine n-te Einheitswurzel:

ηn = (ηd)n/d = 1n/d = 1 .

Eine n-te Einheitswurzel heißt eine primitive n-te Einheitswurzel, wenn sie für keinenechten Teiler d von n eine d-te Einheitzwurzel ist.12 Sei η eine beliebige n-te Einheitswurzel,d.h. ηn = 1. Sei außerdem m := mink ∈ N : ηk = 1 und d := ggT(m,n). Bekanntlichexistieren a, b ∈ Z mit am+ bn = d. Daher:

ηd = ηam+bn = (ηm)a (ηn)b = 1a1b = 1

Wegen d ≤ m folgt d = m, d.h. m | n. Daher ist jede n-te Einheitswurzel eine primitivem-te Einheitswurzel für (genau) einen Teiler m von n. Für die Anzahl ψ(n) der primitivenn-ten Einheitswurzeln gilt also: ∑

d|n

ψ(d) = n .

Möbius-Inversion (7.1) liefert:

ψ(n) =∑d|n

µ(d)n

d

3.7= ϕ(n) .

Für n ∈ N existieren also genau ϕ(n) primitive n-te Einheitswurzeln in C. Man nenntdann

Φn :=

n∏k=1

ζkprimitiven-te Einheitswurzel

(X − ζk

)

12Z.B. ist i eine primitive 4-te Einheitswurzel, da i4 = 1 und i2 = −1 6= 1.

41

Page 42: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

das n-te Kreisteilungspolynom. Z.B. ist

Φ1 = X − 1,Φ2 = X + 1,Φ4 = (X − i)(X + i) = X2 + 1 .

Allgemein istdeg Φn = ϕ(n)

und aus den obigen Überlegungen folgt:

Xn − 1 =∏d|n

Φd .

Wir beweisen jetzt eine multiplikative Variante der Möbius-Inversion.

7.3 Satz n ∈ N⇒ Φn =∏d|n

(Xd − 1

)µ(n/d)

Beweis. Wir definieren δ, ε : N→ R durch δ(1) = 1, δ(n) = 0 für n > 1 und ε(n) = 1 fürn ∈ N. Dann gilt für n ∈ N: ∑

d|n

δ(d) = δ(1) = 1 = ε(n) .

Möbius-Inversion ergibt ∑d|n

µ(d) ε(n

d)︸︷︷︸

=1

= δ(n) .

Daher:

∏d|n

(Xd − 1

)µ(n/d)=∏d|n

∏e|d

Φµ(n/d)e =

∏e|n

Φ

∑e|d|n

µ(nd

)

e =∏e|n

Φ

∑k|n/e

µ(k)

e =∏e|n

Φδ(ne

)e = Φn .

Beispiel Für p ∈ P und k ∈ N gilt also:

Φpk =Xpk − 1

Xpk−1 − 1= Xpk−1(p−1) +Xpk−1(p−2) + . . .+Xpk−1

+ 1 .

Insbesondere: Φp = Xp−1 +Xp−2 + . . .+X + 1.

Φ1 = X − 1 Φ4 = X2 + 1

Φ2 = X + 1 Φ5 = X4 +X3 +X2 +X + 1

Φ3 = X2 +X + 1 Φ6 =(X6 − 1)(X − 1)

(X2 − 1)(X3 − 1)=X3 + 1

X + 1= X2 −X + 1

42

Page 43: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

7.4 Bemerkung Für n ∈ N hat das n-te Kreisteilungspolynom Φn Koeffizienten in Z;denn nach Satz 7.3 ist

Φn =Xk + ak−1X

k−1 + . . .+ a1X + a0

X l + bl−1X l−1 + . . .+ b1X + b0(a0, . . . , ak, b0, . . . , bl ∈ Z)

und die Polynomdivision geht auf.

7.5 Definition Für A = (aij) ∈ Rm×n heißt

per(A) =∑

π : 1,...,m→1,...,nπ injektiv

a1π(1)a2π(2) . . . amπ(m)

Permanente von A.

Literatur: H. Minc, Permanents, Addison-Wesley 1978

Beispiel

A =

(3 0 1 −24 −1 3 0

)

per(A) = 3 · (−1) + 3 · 3 + 3 · 0 + 0 · 4 + 0 · 3 + 0 · 0+ 1 · 4 + 1 · (−1) + 1 · 0 + (−2) · 4 + (−2) · (−1) + (−2) · 3 = −3

Bemerkung Die Anzahl der Summanden in per(A) ist n(n− 1) . . . (n−m+ 1). Im Falln = m ist das n! und es treten die gleichen Summanden auf wie bei der Determinante,aber ohne “Vorzeichen”. Wir werden mit der Möbius-Inversion eine andere Formel fürper(A) herleiten.

Bemerkung Setze R := 1, . . . ,m (rows) und C := 1, . . . , n (columns). Für I ⊆ Csei A|I die m× |I|-Matrix, die aus den i-ten Spalten (i ∈ I) von A besteht. Ferner sei

P (A) :=m∏i=1

( n∑j=1

aij

)

das Produkt der Zeilensummen von A. Für(

3 0 1 −24 −1 3 0

)= A ist

P (A) = (3 + 0 + 1− 2)(4− 1 + 3 + 0) = 12 und A|1, 4 =

(3 −24 0

)Für π : R→ C sei

w(π) :=

m∏i=1

aiπ(i) .

und für B ⊆ S := Abb(R,C) sei

w(B) :=∑π∈B

w(π) .

43

Page 44: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Dann: w(π ∈ S : π injektiv) = per(A). Für i ∈ C sei Ai = π ∈ S : i 6∈ Bld(π) undfür I ⊆ C sei

EI :=⋂i∈I

Ai ∩⋂

i∈C\I

(S \Ai) = π ∈ S : Bld(π) = C \ I .

Dann: ⋂i∈I

Ai = π ∈ S : Bld(π) ⊆ C \ I =⋃

I⊆J⊆CEJ .

Setzef(I) := w(EI) und F (I) :=

∑I⊆J⊆C

f(J) =∑

I⊆J⊆Cw(EJ) = w

(⋂i∈I

Ai

).

Möbius-Inversion liefert

f(I) =∑

I⊆J⊆Cµ(I, J)F (J) =

∑I⊆J⊆C

(−1)|J |−|I|w

(⋂j∈J

Aj

).

Für p ∈ 0, . . . , n ist also∑I⊆C|I|=p

f(I) =∑

I⊆J⊆C|I|=p

(−1)|J |−pw

(⋂j∈J

Aj

)=∑J⊆C|J |≥p

∑I⊆J|I|=p

(−1)|J |−pw

(⋂j∈J

Aj

)

=

n∑k=p

(−1)k−p(k

p

) ∑J⊆C|J |=k

w

(⋂j∈J

Aj

).

Im Fall |I| = n−m ist EI die Menge aller (injektiven) Abbildungen π : R→ C mit BildC \ I. Daher: ∑

I⊆C|I|=n−m

f(I) =∑I⊆C

|I|=n−m

w(EI) = w(π ∈ S : π injektiv

)= per(A) .

Andererseits ist jeweils

w

(⋂j∈J

Aj

)=∑π∈S

Bld(π)⊆C\J

w(π) =∑π∈S

Bld(π)⊆C\J

a1π(1)a2π(2) . . . amπ(m) =

m∏i=1

( ∑k∈C\J

aik

)= P (A|C \ J) .

Daher:

per(A) =

n∑k=n−m

(−1)k−n+m

(k

n−m

) ∑J⊆C|J |=k

P (A|C \ J) .

Substituiere k = n− l und I = C \ J :

per(A) =

m∑l=0

(−1)m−l(n− ln−m

)∑I⊆C|I|=l

P (A|I) .

Der Summand für l = 0 verschwindet. Damit ist gezeigt:

44

Page 45: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Satz (Ryser) Für A ∈ Rm×n ist

per(A) =m∑k=1

(−1)m−k(n− kn−m

) ∑I⊆C|I|=k

P (A|I) .

Für m = n ist

per(A) =

n∑k=1

(−1)n−k∑I⊆C|I|=k

P (A|I) .

7.6 Beispiel Für A =

(3 0 1 −24 −1 3 0

)ist

per(A) =−(

3

2

)(3 · 4 + 0 · (−1) + 1 · 3 + (−2) · 0

)+

(2

2

)(3 · 3 + 4 · 7 + 1 · 4 + 1 · 2 + (−2) · (−1) + (−1) · 3

)= −3 .

Bemerkung

(i) Für

J :=

1 . . . 1...

...1 . . . 1

∈ Rn×n

ist per(J) = n! nach Definition. Nach Ryser gilt:

per(J) =n∑k=1

(−1)n−k(n

k

)kn (vgl. Satz 3.4).

(ii) Für

A =

0 1 . . . 1

1. . . . . .

......

. . . . . . 11 . . . 1 0

= J − 1n

ist

per(A) = Dn =n∑k=1

(−1)n−k(n

k

)(k − 1)kkn−k .

45

Page 46: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

8 Gruppenoperationen

8.1 Bemerkung

(i) Wir wissen, dass von den n! Permutationen von 1, . . . , n genau

Dn =n∑k=0

(−1)kn!

k!∼ n!

e∼ n!

3fixpunktfrei sind.

Wie viele Fixpunkte hat eine Permutation von 1, . . . , n im Durchschnitt?

n Permutationen Fixpunkte Durchschnitt

n = 2

(1 21 2

),(

1 22 1

)2 1

n = 3

(1 2 31 2 3

),(

1 2 31 3 2

),(

1 2 33 2 1

),(

1 2 32 1 3

),(

1 2 32 3 1

),(

1 2 33 1 2

)6 1

Wir werden sehen, dass auch für größere n die durchschnittliche Fixpunktzahl 1 ist.

(ii) Wie viele Graphen mit 4 Ecken gibt es? Ein Graph ist ein Paar (V,E) = Γ, das auseiner endlichen Menge V von Ecken13 und einer Menge E von Kanten14 besteht.Dabei ist jede Kante eine 2-Teilmenge von V .

E6

1 2 3

6

4 5

V = 1, . . . , 6 E =1, 2, 2, 3, 3, 4, 3, 6, 4, 5

Im Fall |V | = 4 gibt es

(42

)= 6 potentielle Kanten. Für E existieren also 26 = 64

Möglichkeiten. Allerdings sind z.B. die Graphen

und

nicht “wesentlich” verschieden, d.h. sie unterscheiden sich nur durch die Numme-rierung der Ecken. Wie viele wesentlich verschiedene Graphen mit 4 Ecken gibt

13engl.: vertices.14engl.: edges.

46

Page 47: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

es?

Ergebnis: 11

(iii) Die Ecken eines Quadrats sollen mit 3 Farben (rot, blau, weiß) gefärbt werden. Wieviele Möglichkeiten gibt es? An jeder der 4 Ecken kann man sich für eine der 3 Farbenentscheiden. Das ergibt 34 = 81 Möglichkeiten. Allerdings sind die Färbungen

b br w

r bw b

w rb b

b wb r

nicht wesentlich verschieden; sie gehen durch Drehungen des Quadrats ineinanderüber. Wie viele wesentlich verschiedene Färbungen gibt es?

b bb b

r rr r

wwww

b rr r

b www

r bb b

r www

w bb b

w rr r

b br r

b bww

r rww

b rr b

b ww b

r ww r

b rw b

r bw r

w rb w

b br w

b bw r

r rb w

r rw b

wwr b

wwb r

Das ergibt insgesamt 24 “wesentlich verschiedene” Färbungen. Wie ändert sich dasErgebnis, wenn man zusätzlich zu den Drehungen des Quadrats noch Spiegelungenzulässt? Dann fallen in der letzten Zeile jeweils 2 Färbungen zusammen. Es existierenalso insgesamt nur noch 21 “wesentlich verschiedene” Färbungen.

(iv) Die Seiten eines Würfels sollen wieder mit 3 Farben (blau, rot, weiß) eingefärbt wer-den. Es gibt 6 Seiten, bei jeder hat man 3 Farben zur Auswahl. Das ergbit 36 = 729Möglichkeiten. Allerdings sind Färbungen, die durch Drehung des Würfels ineinan-der übergehen, nicht “wesentlich verschieden”. Wie viele “wesentlich verschiedene”Färbungen gibt es? Wir werden sehen: 57 (Probieren Sie!). Zunächst verschaffen wir

47

Page 48: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

uns einen Überblick über die vorhandenen Drehungen. Nach jeder Drehung liegt eineder 6 Seiten des Würfels oben. Damit ist auch die Unterseite festgelegt. Eine der 4Seiten liegt vorne. Durch Ober- und Vorderseite ist die Lage des Würfels festgelegt.Daher existieren 6 · 4 = 24 Drehungen. Diese unterscheiden wir folgendermaßen:

Es existieren Drehungen um eine Achse, die durch die Mittelpunkte gegenüberlie-gender Seiten geht. Es gibt 3 solche Achsen und man kann jeweils um 90, 180,270 drehen. Dies ergibt 9 Drehungen.

Es gibt Drehungen um eine Achse, die jeweils durch gegenüberliegende Ecken geht.Es gibt 4 solcher Achsen. Man kann jeweils um 120 oder 240 drehen (An jederEcke treffen sicht jeweils 3 Kanten). Das ergibt 8 Drehungen.

Es gibt Drehungen um eine Achse, die durch die Mittelpunkte gegenüberliegenderKanten geht. Es existieren 12 Kanten, also 6 solcher Achsen. Man kann jeweils um180 drehen. Das ergibt 6 Drehungen. Zusätzlich hat man die “triviale” Drehung,die den ganzen Würfel festlässt.

Definition Seien G eine endliche Gruppe und Ω eine (endliche) Menge. Eine Operation15

von G auf Ω ist eine Abbildung G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α mit folgenden Eigenschaften:

(i) 1 ∗ α = α für alle α ∈ Ω,

(ii) g ∗ (h ∗ α) = (gh) ∗ α für alle g, h ∈ G, α ∈ Ω.

15engl.: action.

48

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Man sagt auch: “G operiert auf Ω” oder “Ω ist eine G-Menge”.

Beispiel

(i) Die Menge G = Sym(Ω) aller bijektiven Abbildungen auf Ω ist eine Gruppe bzgl.der Komposition von Abbildungen, die symmetrische Gruppe auf Ω. Sie operiert aufΩ durch

g ∗ α := g(α) (g ∈ Sym(Ω), α ∈ Ω) .

(ii) Sei K ein (endlicher) Körper und n ∈ N. Die Gruppe GL(n,K) aller invertierba-ren n × n-Matrizen mit Koeffizienten in K operiert auf der Menge Kn×1 durchMatrixmultiplikation:

g ∗ α := gα (g ∈ GL(n,K), α ∈ Kn×1) .

(iii) Sei G = 1, g eine Gruppe der Ordnung 2. Für n ∈ N operiert G auf der Menge Ωaller Teiler von n durch:

1 ∗ d = d und g ∗ d :=n

d(d ∈ Ω) .

8.1 Satz Für jede Operation G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α gilt:

(i) g ∈ G =⇒ fg : Ω→ Ω, α 7→ g ∗ α bijektiv,

(ii) g, h ∈ G =⇒ fg fh = fgh,

(iii) F : G→ Sym(Ω), g 7→ fg ist ein Gruppenhomomorphismus.

Beweis.

(i) Sei g ∈ G. Zum Beweis der Injektivität von fg seien α, β ∈ Ω mit fg(α) = fg(β),d.h. g ∗ α = g ∗ β. Dann:

α = 1 ∗ α = (g−1g) ∗ α = g−1 ∗ (g ∗ α) = g−1 ∗ (g ∗ β) = (g−1g) ∗ β = 1 ∗ β = β .

Zum Beweis der Surjektivität von fg sei γ ∈ Ω beliebig. Dann:

g−1 ∗ γ ∈ Ω und fg(g−1 ∗ γ) = g ∗ (g−1 ∗ γ) = (gg−1) ∗ γ = 1 ∗ γ = γ .

(ii) Für g, h ∈ G, α ∈ Ω gilt:

(fg fh)(α) = fg(fh(α)) = g ∗ (h ∗ α) = (gh) ∗ α = fgh(α) .

(iii) Für g, h ∈ G ist F (g) F (h) = fg fh = fgh = F (gh).

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8.2 Bemerkung In der Situation von Satz 8.1 heißt

Ker(F ) = g ∈ G : F (g) = 1 = g ∈ G : fg = idΩ = g ∈ G : g ∗ α = α für alle α ∈ Ω

Kern der Operation. Man zeigt leicht: Ker(F ) ist eine Untergruppe von G (sogar einNormalteiler). Ist F injektiv, d.h. Ker(F ) = 1, so heißt die Opertion treu. Eine OperationG×Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α, ist also genau dann treu, wenn zu jedem 1 6= g ∈ G ein α ∈ Ωexistiert mit g ∗ α 6= α. Wir beweisen jetzt die Umkehrung von Satz 8.1.

Satz Seien G eine endliche Gruppe, Ω eine endliche Menge und F : G→ Sym(Ω), g 7→ fgein Homomorphismus von Gruppen. Dann ist G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ fg(α) eine Operation.

Beweis. Für g, h ∈ G und α ∈ Ω ist

g∗(h∗α) = fg(fh(α)) = (fgfh)(α) = (F (g)F (h))(α) = (F (gh))(α) = fgh(α) = (gh)∗α

und1 ∗ α = f1(α) = (F (1))(α) = (idΩ)(α) = α .

8.3 Satz Jede Operation G× Ω → Ω, (g, α) 7→ g ∗ α, definiert eine Relation ∼G auf Ωdurch

α ∼G β ⇐⇒ ∃g ∈ G : g ∗ α = β .

Dann ist ∼G eine Äquivalenzrelation.

Beweis.

Reflexivität: Für α ∈ Ω gilt 1 ∗ α = α, d.h. α ∼G α.

Symmetrie: Seien α, β ∈ Ω mit α ∼G β. Dann existiert ein g ∈ G mit g ∗ α = β. Daherist g−1 ∈ G und g−1 ∗ β = g−1 ∗ (g ∗ α) = (g−1g) ∗ α = 1 ∗ α = α, d.h. β ∼G α.

Transitivität: Seien α, β, γ ∈ Ω mit α ∼G β und β ∼G γ. Dann existieren g, h ∈ G mitg ∗ α = β und h ∗ β = γ. Daher: hg ∈ G und (hg) ∗ α = h ∗ (g ∗ α) = h ∗ β = γ.

Bemerkung Für α ∈ Ω heißt die Äquivalenzklasse

[α] := OrbG(α) := g ∗ α : g ∈ G

Bahn (bzw. Orbit) von α bzgl. ∗. |OrbG(α)| heißt Länge der Bahn von α. Die Menge allerBahnen ist G\Ω := OrbG(α) : α ∈ Ω. Sei R ein Repräsentantensystem für die Bahnen,d.h. R enthält aus jeder Bahn genau ein Element. Dann:

Ω =⋃α∈R

OrbG(α) .

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Daraus folgt die triviale, aber sehr nützliche Bahnengleichung

|Ω| =∑α∈R|OrbG(α)| .

Ist |G\Ω| = 1, d.h. es existiert nur eine Bahn, so heißt die Operation ∗ transitiv . Dasbedeutet, dass es für je zwei α, β ∈ Ω ein g ∈ G mit g ∗ α = β gibt.

Beispiel

(i) Sei G = 1, g, g2, g3 die Gruppe der Drehungen des Quadrats. Dann operiert G inoffensichtlicher Weise auf der Menge Ω der 81 Färbungen der Ecken mit 3 Farben(blau, rot, weiß). Die wesentlich verschiedenen Färbungen entsprechen genau denBahnen von G auf Ω. In Bemerkung 8.1 haben wir berechnet: |G\Ω| = 24.

(ii) Sei G = Sym(4), d.h. |G| = 4! = 24. Dann operiert G in offensichtlicher Weiseauf der Menge Ω der 64 Graphen mit Eckenmenge V = 1, 2, 3, 4. Die wesentlichverschiedenen Graphen entsprechen dabei genau den Bahnen von G auf Ω. Wirhaben berechnet: |G\Ω| = 11.

(iii) Sei K ein (endlicher) Körper und n ∈ N. Dann operiert G := GL(n,K) aufΩ = Kn×1 durch Multiplikation. Offenbar ist (0, . . . , 0)> eine Bahn für sich.Ist 0 6= (α1, . . . , αn)> ∈ Kn×1, so existiert eine Basis b1, . . . , bn von Kn×1 mitb1 = (α1, . . . , αn). Dann ist die Matrix B = (b1|b2| . . . |bn) ∈ GL(n,K) mit

B

10...0

=

α1

α2...αn

.

Also: OrbG((1, 0, . . . , 0)>) = Kn×1 \ 0, d.h. die Operation hat genau zwei Bahnen.

(iv) Jede Untergruppe H einer endlichen Gruppe G operiert auf Ω := G durch Links-multiplikation mit

h ∗ g := hg (h ∈ H, g ∈ G).

Für g ∈ G heißt OrbH(g) = hg : h ∈ H = Hg Rechtsnebenklasse von g nach H.Die Menge aller Rechtsnebenklassen von H in G ist H\G = Hg : g ∈ G.

(v) Analog operiert jede Untergruppe H einer endlichen Gruppe G =: Ω durch Rechts-multiplikation:

h ∗ g := gh−1 (g ∈ G, h ∈ H).

Beachte:

k ∗ (h ∗ g) = (gh−1)k−1 = g(h−1k−1) = g(kh)−1 = kh ∗ g (g ∈ G, h, k ∈ H).

Für g ∈ G heißt OrbH(g) = gh−1 : h ∈ H = gH Linksnebenklasse von g nach H.Die Menge aller Linksnebenklassen nach H in G ist G/H = gH : g ∈ G.

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Literatur: A. Kerber, Applied finite group actions, Springer 1999

8.4 Satz Sei G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α eine Operation. Für α ∈ Ω ist dann

Gα := StbG(α) := g ∈ G : g ∗ α = α

eine Untergruppe von G. Ferner ist

f : G/Gα → OrbG(α), gGα 7→ g ∗ α ,

bijektiv. Insbesondere: |OrbG(α)| = |G/Gα|.

Beweis. Wegen 1 ∗ α = α ist 1 ∈ Gα. Für g, h ∈ Gα ist

g ∗ α = α = h ∗ α , also gh ∗ α = g ∗ (h ∗ α) = g ∗ α = α , d.h. gh ∈ Gα .

Ferner:g−1 ∗ α = g−1 ∗ (g ∗ α) = (g−1g) ∗ α = 1 ∗ α = α ,

d.h. g−1 ∈ Gα. Daher: Gα ≤ G. Jetzt zeigen wir, dass f wohldefiniert ist. Dazu seieng, g′ ∈ G mit gGα = g′Gα. Dann existiert ein h ∈ Gα mit g′ = gh. Daher:

g′ ∗ α = gh ∗ α = g ∗ (h ∗ α) = g ∗ α .

Zum Beweis der Injektivität seien g, g′ ∈ G mit g ∗ α = g′ ∗ α. Dann:

(g−1g′) ∗ α = g−1 ∗ (g′ ∗ α) = g−1 ∗ (g ∗ α) = (g−1g) ∗ α = 1 ∗ α = α ,

d.h. g−1g ∈ Gα. Daher:

g′ = gg−1g′ ∈ gGα , d.h. g′Gα = gGα .

Wegen OrbG(α) = g ∗ α : g ∈ G ist f surjektiv.

Definition Gα heißt Stabilisator von α in G.

Beispiel

(i) Welche Permutationen g ∈ G := Sym(4) lassen den Graphen Γ

1 2

3 4

fest?

StbG(Γ) =

(1 2 3 41 2 3 4

),

(1 2 3 42 1 3 4

),

(1 2 3 41 2 4 3

),

(1 2 3 42 1 4 3

),

(1 2 3 43 4 1 2

),

(1 2 3 44 3 1 2

),

(1 2 3 43 4 2 1

),

(1 2 3 44 3 2 1

)

52

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(ii) Welche Drehungen lassen die folgende Färbung eines Quadrats fest?

r ww r y Gα = 1, g2 ⊆ 1, g, g2, g3 = G

Bemerkung Ist R ein Repräsentantensystem16 für die Bahnen von G auf Ω, so kannman die Bahnengleichung auch folgendermaßen schreiben:

|Ω| =∑α∈R|OrbG(α)| =

∑α∈R|G/Gα| .

8.5 Satz (Lagrange) Für jede Untergruppe H einer endlichen Gruppe G ist

|G| = |G/H| · |H|

Beweis. Wir wenden auf die Operation H ×G→ G, (h, g) 7→ gh−1, die Bahnengleichungan und erhalten:

|G| =∑g∈R|H/Hg| ;

dabei ist R ein Repräsentantensystem für die Linksnebenklassen nach H in G. Für g ∈ Gist

Hg = h ∈ H : gh−1 = g = h ∈ H : h−1 = 1 = 1 ,also

H/Hg = H/1 = h1 : h ∈ H = h : h ∈ Hund damit |H/Hg| = |H|. Daher: |G| = |R| · |H| = |G/H| · |H|.

Definition |G/H| = |G : H| heißt Index von H in G.

Bemerkung

(i) |H| und |G : H| sind also Teiler von |G|.

(ii) Die Abbildung i : G/H → H\G, gH 7→ Hg−1, ist wohldefiniert; denn sind a, b ∈ Gmit aH = bH, so existiert ein h ∈ H mit b = ah. Daher: b−1 = h−1a−1 ∈ Ha−1,d.h. Hb−1 = Ha−1. Offensichtlich ist i surjektiv. Fener ist i injektiv; denn sinda, b ∈ G mit Ha−1 = Hb−1, so existiert ein h ∈ H mit b−1 = ha−1. Daher:b = (ha−1)−1 = (a−1)−1h−1 = ah−1 ∈ aH, d.h. bH = aH. Also: |G/H| = |H\G|.

(iii) Für jede Operation G×Ω→ Ω und jedes α ∈ Ω ist |OrbG(α)| = |G/Gα| = |G : Gα|ein Teiler von |G|.17

8.6 Definition Für jede Operation G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α und jedes g ∈ G sei

FixΩ(g) := α ∈ Ω : g ∗ α = α

die Menge der Fixpunkte von g unter α.16engl.: transversal.17Dies kann man oft als Probe verwenden.

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Satz (Lemma von Burnside) Für jede Operation G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α, gilt:

|G\Ω| = 1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)| .

Bemerkung Das bedeutet, dass die Anzahl der Bahnen gleich der durchschnittlichenFixpunktzahl der Elemente in G ist. Der Satz ist nützlich, da es häufig einfacher ist,Fixpunkte zu zählen als Bahnen.

Beweis. Wir betrachten M := (g, α) ∈ G× Ω : g ∗ α = α und bestimmen |M | auf zweiArten. Einerseits ist

|M | =∑g∈G|FixΩ(g)| .

Andererseits:

|M | =∑α∈Ω

|Gα| =∑α∈Ω

|G||OrbG(α)|

= |G|∑α∈Ω

1

|OrbG(α)|= |G| · |G\Ω| .

Beispiel

(i) Offenbar operiert Sym(Ω) transitiv auf Ω. Daher ist 1 die durchschnittliche Fix-punktzahl in Sym(Ω).

(ii) Betrachte die Färbungen der Ecken eines Quadrats:

Drehung Fixpunkte Anzahl

90x xx x x ∈ b, w, r 3

180

x yy x

x, y ∈ b, r, w 9

0 alles 34 = 81

yBahnenzahl: 14(3 + 3 + 9 + 81) = 96

4 = 24.

Variante: auch Spiegelungen:

Spiegelung Fixpunkte Anzahl

x xy y

x, y ∈ b, r, w 9

y xx z x, y, z ∈ b, r, w 33 = 27

54

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yBahnenzahl: 18(3 + 3 + 9 + 81 + 9 + 9 + 27 + 27) = 168

8 = 21.

(iii) Betrachte jetzt die Färbungen der 6 Seiten eines Würfels mit 3 Farben:

Drehung Fixpunkte Vielfachheit

Identität 36 = 729 1

±90 33 = 27 2 · 3 = 6

180 34 = 81 3

180 33 = 27 6

±120 32 = 9 2 · 4 = 8

yBahnenzahl: 124(729 + 6 · 27 + 3 · 81 + 6 · 27 + 8 · 9 = 1368

24 = 57.

Variante: q Farben

y |G\Ω| = 1

24(q6 + 6q3 + 3q4 + 6q3 + 8q2) =

1

24(q6 + 3q4 + 12q3 + 8q2) .

Eine ausgezeichnete Symmetrie ist die Abbildung − idV , die jede Seite mit dergegenüberliegenden Seite vertauscht.

Spiegelung Fixpunkte Vielfachheit

− idV

o uv hl r

33 = 27 1

±90 · (− idV )o h u vl r

32 = 9 6

55

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Spiegelung Fixpunkte Vielfachheit

180 · (− idV )

ouvhl r

35 = 243 3

180 · (− idV )

o rvhl u

34 = 81 6

±120 · (− idV ) o, r, v, u, l, h 3 8

Nach Burnside ist die Bahnenzahl:1

48(729 + 6 · 27 + 3 · 81 + 6 · 27 + 8 · 9 + 1 · 27 + 6 · 9 + 3 · 243 + 6 · 81 + 8 · 3︸ ︷︷ ︸

durch Betrachten der Spiegelungen hinzugekommen

) = 56 .

8.7 Satz (Satz von Cauchy) Seien G eine endliche Gruppe und p ∈ P mit p | |G|.Dann teilt p auch die Anzahl der Elemente g ∈ G mit gp = 1. Insbesondere existiert ein1 6= g ∈ G mit gp = 1 (d.h. ein Element der Ordnung p).

Beweis. Für Ω := (g0, . . . , gp−1) ∈ Gp : g0 . . . gp−1 = 1 gilt offenbar: |Ω| = |G|p−1. DieGruppe Z := Z/pZ der Ordnung p operiert auf Ω durch:

(k + pZ) ∗ (g0 . . . gp−1) := (gk, . . . , gp−1, g0, . . . , gk−1) .

Wegengk . . . gp−1g0 . . . gk−1 = gk . . . gp−1 g0 . . . gp−1︸ ︷︷ ︸

=1

(gk . . . gp−1)−1 = 1

ist tatsächlich (gk, . . . , gp−1, g0, . . . , gk−1) ∈ Ω. Das Element 0 + pZ ∈ Z lässt alle |G|p−1

Elemente in Ω fest. Jedes andere Element k + pZ in Z lässt nur die Elemente der Form(g, g, . . . , g) mit gp = 1 fest. Deren Anzahl sei n. Nach Burnside ist also die Anzahl derBahnen von Z auf Ω gleich

1

p

(|G|p−1 + (p− 1)n

), d.h.

1

p

(|G|p−1 + (p− 1)n

)∈ Z .

56

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Also ist n durch p teilbar.

Beispiel Jede Gruppe G mit |G| = 1000 enthält also Elemente der Ordnung 2 undElemente der Ordnung 5.

8.8 Bemerkung Jede endliche Gruppe G operiert auf sich selbst durch Konjugation:g ∗ x := gxg−1 (g, x ∈ G). Denn für g, h, x ∈ G ist

g ∗ (h ∗ x) = g(hxh−1)g−1 = ghxh−1g−1︸ ︷︷ ︸(gh)−1

= (gh) ∗ x .

und 1 ∗ x = 1x1−1 = x. Für x ∈ G heißt die Bahn

clG(x) := gxg−1 : g ∈ G

Konjugationsklasse von x in G. Man nennt

Z(G) := x ∈ G : gxg−1 = x für alle g ∈ G = x ∈ G : gx = xg für alle g ∈ G

Zentrum von G. Man zeigt leicht, dass Z(G) eine Untergruppe von G ist. Nach Definitionist Z(G) die Menge der Fixpunkte der Operation, d.h. die Vereinigung der 1-elementigenKonjugationsklassen von G. Für x ∈ G heißt Gx = CG(x) Zentralisator von x in G. Also:

CG(x) = g ∈ G : gxg−1 = x = g ∈ G : gx = xg ≤ G und |G : CG(x)| = |clG(x)| .

Man setzt Cl(G) := clG(x) : x ∈ G und nennt |Cl(G)| Klassenzahl von G. Ist R einRepräsentantensystem für die Konjugationsklassen von G, so besagt die Bahnengleichung:

|G| =∑x∈R|G : CG(x)| = |Z(G)|+

∑x∈R\Z(G)

|G : CG(x)| (Klassengleichung)

Also1 =

∑x∈R

1

|CG(x)|(?)

mit CG(x) ≤ G = CG(1) für x ∈ R.

Beispiel

(i) Im Fall |Cl(G)| = 1 ist |R| = 1, d.h. R = 1. Also (?):

1 =1

|CG(1)|=

1

|G|d.h. |G| = 1 .

Daher: G = 1.

(ii) Im Fall |Cl(G)| = 2 ist |R| = 2, d.h. R = 1, a. Also (?):

1 =1

|CG(1)|+

1

|CG(a)|=

1

|G|+

1

|CG(a)|≤ 2

|CG(a)|, d.h. |CG(a)| ≤ 2 .

Daher |CG(a)| = 2, d.h. 1 = 1|G| + 1

2 , d.h. |G| = 2.

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(iii) Im Fall |Cl(G)| = 3 ist |R| = 3, R = 1, a, b.Œ sei |CG(b)| ≤ |CG(a)| ≤ |CG(1)|.Also (?):

1 =1

|CG(1)|+

1

|CG(a)|+

1

|CG(b)|≤ 3

|CG(b)|, d.h. |CG(b)| ≤ 3 .

Also: |CG(b)| ∈ 2, 3. Daher:

1 ≤ 1

|CG(1)|+

1

|CG(a)|+

1

2,

d.h.

1

2≤ 1

|G|+

1

|CG(a)|≤ 2

|CG(a)|, d.h. |CG(a)| ≤ 4 , d.h. |CG(a)| ∈ 3, 4 .

Daher:1

2≤ 1

|G|+

1

3, d.h.

1

6≤ 1

|G|, d.h. |G| ≤ 6 .

(iv) So kann man fortfahren.18

8.9 Bemerkung Jede endliche Gruppe G operiert auf der Menge L(G) =: Ω allerUntergruppen von G durch Konjugation:

g ∗H := gHg−1 (g ∈ G,H ∈ L(G)) .

Man zeigt leicht, dass mit H auch gHg−1 eine Untergruppe von G ist. Für H ∈ L(G) hatdie Bahn von H unter G die Form

clG(H) := gHg−1 : g ∈ G (Konjugationsklasse von H in G) .

Der Stabilisator von H in G hat die Form

NG(H) := g ∈ G : gHg−1 = H (Normalisator von H in G) .

Dann ist NG(H) ≤ G eine Untergruppe und |G : NG(H)| = |clG(H)|. Offenbar istH ⊆ NG(H). Nach Definition ist H ein Normalteiler von NG(H).

8.9 Satz Sei p ∈ P und G eine endliche p-Gruppe19. Aus G 6= 1 folgt Z(G) 6= 1.

Beweis. Sei R ein Repräsentantensystem für die Konjugationsklassen von G. Dann besagtdie Klassengleichung:

|G| = |Z(G)|+∑

x∈R\Z(G)

|G : CG(x)| .

Dabei: p | |G| und p | |G : CG(x)| für alle x ∈ R\Z(G). Also: p | |Z(G)|, d.h. Z(G) 6= 1.

18D.h. wenn die Anzahl der Konjugationsklassen vorgegeben ist, so ist |G| beschränkt.19D.h. |G| ist eine p-Potenz.

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8.9 Beispiel Sei G eine Gruppe und |G| = p2 für ein p ∈ P. Aus Satz 8.9 folgt: |Z(G)| 6= 1,d.h. |Z(G)| ≥ p nach Lagrange. Angenommen |Z(G)| = p. Sei g ∈ G \ Z(G). Dann:H := giz : i ∈ Z, z ∈ Z(G) ≤ G.20 Ferner |H| > p, also |H| = p2 nach Lagrange, d.h.H = G. Dann:

gizgjy = gi+jzy = gjgiyz = gjygiz (y, z ∈ Z(G), i, j ∈ Z) .

Also: G abelsch, d.h. Z(G) = G und |Z(G)| = p2. Dies ist ein Widerspruch. Also ist|Z(G)| = p2 nach Lagrange, d.h. G = Z(G) abelsch. Fazit: Gruppen der Ordnung p2

(p ∈ P) sind abelsch.

8.10 Satz Jede Primzahl p der Form p = 4k + 1 (k ∈ N) lässt sich als Summe von zweiQuadratzahlen schreiben.

Beispiel

5 = 22 + 12, 13 = 32 + 22, 17 = 42 + 12, 29 = 52 + 22, 37 = 62 + 12, 41 = 52 + 42 .

Beweis. Betrachte Ω := (x, y, z) ∈ N3 : x2 + 4yz = p. Dann ist

σ : Ω→ Ω, (x, y, z) 7→ (x, z, y) bijektiv mit σ2 = idΩ .

Daher ist G := idΩ, σ eine Gruppe der Ordnung 2, die auf Ω operiert. Die Bah-nen haben also Länge 1 oder 2. Jede Bahn der Länge 1 hat die Form (x, y, y) mitp = x2 + 4y2 = x2 + (2y)2. Daher genügt es zu zeigen: |Ω| ungerade. Dazu betrachte man

τ : Ω→ Ω, (x, y, z) 7→

(x+ 2z, z, y − x− z), falls x < y − z,(2y − x, y, x− y + z), falls y − z < x < 2y,

(x− 2y, x− y + z, y), falls x > 2y .

(Beachte: Die Fälle x = y− z und x = 2y treten nicht auf!) Man rechnet leicht nach, dasstatsächlich τ(Ω) ⊆ Ω gilt. Ferner rechnet man nach: τ2 = idΩ. Daher operiert die GruppeH := idΩ, τ auf Ω. Jede Bahn hat Länge 1 oder 2. Hat die Bahn von (x, y, z) Länge1, dann ist (x, y, z) = τ(x, y, z) = (2y − x, y, x− y + z), d.h. x = 1, p = x+ 4z = 1 + 4z,also z = k. Also: (x, y, z) = (1, 1, k). Daher ist tatsächlich (1, 1, k) die einzige Bahn derLänge 1. Also: |Ω| ungerade.21

Bemerkung Primzahlen der Form p = 4k + 3 lassen sich nie als Summe von zweiQuadratzahlen schreiben; denn ist a ∈ Z, so gilt im Fall a = 2m: a2 = 4m2. Im Falla = 2m+ 1 ist a2 = 4m2 + 4m+ 1 = 4(m2 +m) + 1, d.h.

x2 + y2 = 4k +

0

1

2

(x, y ∈ Z).

20gizgjy = gigjzy = gi+jzy für y, z ∈ Z(G), i, j ∈ Z.21Jede andere Bahn hat Länge 2.

59

Page 60: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

9 Ergänzungen zu den Gruppenoperationen

9.1 Bemerkung Sei G × Ω → Ω, (g, α) 7→ g ∗ α, eine Operation. Die Operation heißttransitiv, falls nur eine Bahn existiert, d.h. falls zu je zwei Elementen α, β ∈ Ω ein g ∈ Gexistiert mit g ∗ α = β. Ggf. gilt:

1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)| = 1 .

Sei 1 ≤ k ≤ n := |Ω| und Ωk := (α1, . . . , αk) : α1, . . . , αk ∈ Ω paarweise verschieden.Dann ist |Ωk| = n(n− 1) . . . (n− k + 1). Ferner operiert G auf Ωk durch

g ∗ (α1, . . . , αk) := (g ∗ α1, . . . , g ∗ αk) für g ∈ G, (α1, . . . , αk) ∈ Ωk .

Die Operation von G auf Ω heißt k-transitiv , wenn die Operation von G auf Ωk transitivist. Das bedeutet, dass zu je zwei Elementen (α1, . . . , αk), (β1, . . . , βk) ∈ Ωk ein g ∈ Gmit g ∗ α1 = β1, g ∗ α2 = β2, . . . , g ∗ αk = βk existiert.22

Beispiel

(i) Die Gruppe der Würfeldrehungen operiert transitiv auf den Würfelseiten, aber nicht2-transitiv.23

(ii) Die Gruppe der Drehungen eines Tetraeders ist 2-transitiv auf den Seiten.

(iii) Sym(Ω) operiert für k = 1, . . . , |Ω| k-transitiv auf Ω; denn für

(α1, . . . , αk), (β1, . . . , βk) ∈ Ωk

existiert stets eine Permutation der Form(α1 . . . αk αk+1 . . . αnβ1 . . . βk βk+1 . . . βn

).

22Daher: “transitiv” = “1-transitiv”.23Man kann jede Seite in jede andere überführen, aber ein Paar gegenüberliegender Seiten nicht in ein

Paar benachbarter Seiten.

60

Page 61: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

9.1 Satz Sei G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α eine transitive Operation, 2 ≤ k ≤ n = |Ω| undγ ∈ Ω. Dann:

G operiert k-transitiv auf Ω⇐⇒ Gγ operiert (k − 1)-transitiv auf Ω \ γ =: Ω′.

Beweis.

“⇒” Die Operation von G auf Ω sei k-transitiv. Sind

(α1, . . . , αk−1), (β1, . . . , βk−1) ∈ Ω′k−1,

dann sind (α1, . . . , αk−1, γ) bzw. (β1, . . . , βk−1, γ) ∈ Ωk. Daher existiert ein g ∈ Gmit g ∗α1 = β1,. . . ,g ∗αk−1 = βk−1, g ∗γ = γ, insbesondere: g ∈ Gγ . Daher operiertGγ (k − 1)-transitiv auf Ω′.

“’⇐” Die Operation von Gγ auf Ω′ sei (k − 1)-transitiv. Seien

(α1, . . . , αk), (β1, . . . , βk) ∈ Ωk .

Da G transitiv auf Ω operiert, existiert ein g ∈ G mit g ∗ αk = γ. Analog existiertein h ∈ G mit h ∗ βk = γ. Dann: (g ∗α1, . . . , g ∗αk−1), (h ∗ β1, . . . , h ∗ βk−1) ∈ Ω′k−1.Daher existiert ein a ∈ Gγ mit a ∗ (g ∗ αi) = h ∗ βi (i = 1, . . . , k − 1). Dann:

(h−1ag) ∗ αi = h−1 ∗ a ∗ g ∗ αi = h−1 ∗ h ∗ βi = βi ,

(h−1ag) ∗ αk = h−1 ∗ a ∗ γ = h−1 ∗ γ = βk .

Also operiert G k-transitiv auf Ω.

9.2 Satz Sei G× Ω→ Ω, (g, α) 7→ g ∗ α eine Operation und n = |Ω|. Es sei ferner B(n)die n-te Bellzahl, d.h. die Anzahl der Partitionen von Ω. Für k = 1, . . . , n gilt dann:

1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)|k ≥ B(k) .

Gleichheit gilt genau dann, wenn die Operation k-transitiv ist.

Beweis. (Induktion nach k) Für k = 1 ist

1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)| = |G\Ω| (Burnside) und B(1) = 1 ,

d.h. die Aussagen gelten. Sei also 2 ≤ k ≤ n und

∆ := (g, α1, . . . , αk) ∈ G× Ωk : g ∗ α1 = α1, . . . , g ∗ αk = αk .

Dann ist einerseits:|∆| =

∑g∈G|FixΩ(g)|k .

61

Page 62: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Andererseits:

|∆| =∑αk∈Ω

|(g, α1, . . . , αk−1) ∈ Gαk × Ωk−1 : g ∗ α1 = α1, . . . , g ∗ αk−1 = αk−1|

=∑γ∈Ω

∑g∈Gγ

|FixΩ(g)|k−1 .

Für γ ∈ Ω sei Ωγ := Ω \ γ. Dann:

|∆| =∑γ∈Ω

∑g∈Gγ

(|FixΩγ (g) + 1|

)k−1=∑γ∈Ω

∑g∈Gγ

k−1∑j=0

(k − 1

j

)|FixΩγ (g)|j

=∑γ∈Ω

k−1∑j=0

(k − 1

j

) ∑g∈Gγ

|FixΩγ (g)|j ≥∑γ∈Ω

k−1∑j=0

(k − 1

j

)|Gγ |B(j)

=∑γ∈Ω

|Gγ |k−1∑j=0

(k − 1

j

)B(j)

4.5=∑γ∈Ω

|Gγ |B(k)

= B(k)∑γ∈Ω

|G||OrbG(γ)|

= B(k)|G|∑γ∈Ω

1

|OrbG(γ)|

= B(k)|G||G\Ω|

Operiert G k-transitiv auf Ω, so operiert G transitiv auf Ω, also |G\Ω| = 1. Ferner operiertGγ (k − 1)-transitiv auf Ωγ , d.h. in der obigen Ungleichungskette tritt dann stets dieGleichheit auf. Es bleibt noch zu zeigen:

1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)|k = B(k) =⇒ G operiert k-transitiv auf Ω.

Aus1

|G|∑g∈G|FixΩ(g)|k = B(k)

folgt |G\Ω| = 1, d.h. G operiert transitiv auf Ω. Ferner:

1

|Gγ |∑g∈Gγ

|FixΩγ (g)|j = B(j) für j = 1, . . . , k − 1 .

Nach Induktion operiert Gγ (k− 1)-transitiv auf Ωγ . Nach Satz 9.1 operiert G k-transitivauf Ω.

Bemerkung Wieviele Elemente in Sym(Ω) haben genau j Fixpunkte (|Ω| = n)? Esgibt genau

(nj

)Möglichkeiten für die Fixpunkte. Die restlichen n− j Elemente werden

fixpunktfrei permutiert. Dafür gibt es Dn−j Möglichkeiten. Es gibt also genau(nj

)Dn−j

Elemente in Sym(Ω) mit j Fixpunkten. Daher:∑g∈Sym(Ω)

|FixΩ(g)|k =

n∑j=0

(n

j

)Dn−jj

k =

n∑j=1

(n

j

)Dn−jj

k (k = 1, . . . , n) .

62

Page 63: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Aus Satz 9.2 folgt:

B(k) =1

n!

n∑j=1

(n

j

)Dn−jj

k =

n∑j=1

1

j!(n− j)!Dn−jj

k .

9.3 Definition Graphen Γ = (V,E), Γ′ = (V ′, E′) heißen isomorph, falls eine Bijektionf : V → V ′ existiert, sodass für alle a, b ∈ V gilt:

a, b ∈ E ⇐⇒ f(a), f(b) ∈ E′ .

Bemerkung Meist nimmt man Œ an: V = 1, . . . , n = V ′. Graphen entsprechendann Färbungen von

(V2

); dabei ist eine Färbung von

(V2

)eine Abbildung

(V2

)→ 0, 1.

G = Sym(n) operiert auf(V2

)durch g ∗ a, b = g(a), g(b) für g ∈ G und a, b ∈

(V2

).

Ferner operiert G auf A := Abb((V2

), 0, 1

)durch (g ∗ f)(a, b) := f(g−1(a), g−1(b)).

Beachte:(g ∗ (h ∗ f)

)(a, b

)=(h ∗ f

)(g−1(a), g−1(b)

)= f

((h−1g−1)(a), (h−1g−1)(b)

)= f

((gh)−1(a), (gh)−1(b)

)=((gh) ∗ f)(a, b

).

Dabei:

f ∈ FixA(g)⇔ g ∗ f = f ⇔ (g ∗ f)(a, b) = f(a, b) für alle a, b ∈(V2

)⇔ f konstant auf den Bahnen von 〈g〉 auf

(V2

).

Daher: |FixA(g)| = 2β(g), dabei ist β(g) die Anzahl der Bahnen von 〈g〉 auf(V2

). Also

ist nach Burnside die Anzahl der Isomorphieklassen von Γ = (V,E) mit V = 1, . . . , ngleich

1

n!

∑g ∈ Sym(V )

2β(g) .

9.4 Bemerkung In Anwendungen verwendet man für die Elemente in Sym(V ) dieZyklenschreibweise. Z.B. steht (α1, . . . , αk) für die Permutation, die α1 auf α2, α2 aufα3,. . . ,αk auf α1 abbildet. Man zeigt leicht, dass man jedes g ∈ Sym(V ) als Produktdisjunkter Zyklen schreiben kann, z.B.(

1 2 3 4 54 3 2 5 1

)= (1 4 5)(2 3) .

Disjunkte Zyklen sind so stets vertauschbar. Die Längen der bei einem g ∈ Sym(V )auftretenden Zyklen sind durch g eindeutig bestimmt: es sind gerade die Längen derBahnen von 〈g〉 auf V . Sind λ1 ≥ λ2 ≥ . . . ≥ λk die auftretenden Zyklenlängen, dann istλ1 + λ2 + . . .+ λk = n, d.h. λ = (λ1, . . . , λn) ist eine Partition von n (λ ` n). Man nenntλ den (Zyklen-)Typ von g.

63

Page 64: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Beispiel (Graphen mit 5 Ecken) Wir sortieren die Elemente von g ∈ Sym(5) nach ihremTyp (5! = 120).

Typ Anzahl der g’s Bahnen von 〈g〉 auf(V2

λ = (5) α, β, β, γ, γ, δ, δ, ε, α, εy g = (α, β, γ, δ, ε) 5·4·3·2·1

4 = 24 α, γ, β, δ, γ, ε, α, δ, β, ε 2

λ = (4, 1) α, β, β, γ, γ, δ, α, δy g = (α, β, γ, δ)(ε) 4·3·2·1

4 · 5 = 30 α, γ, β, δα, ε, β, ε, γ, ε, δ, ε 3

λ = (3, 2) α, β, β, γ, α, γy g = (α, β, γ)(δ, ε) 5·4·3

3 · 1 = 20 α, δ, β, ε, γ, δ, α, ε, β, δ, γ, εδ, ε 3

λ = (3, 1, 1) α, β, β, γ, α, γy g = (α, β, γ)(δ)(ε) 5·4·3

3 = 20 α, δ, β, δ, γ, δα, ε, β, ε, γ, εδ, ε 4

λ = (2, 2, 1) α, βy g = (α, β)(γ, δ)(ε) 5·4

2 ·3·22 / 2 = 15 α, δ, β, γ

γ, δα, γ, β, δα, ε, β, εγ, ε, δ, ε 6

λ = (2, 1, 1, 1) α, βy g = (α, β)(γ)(δ)(ε)

(52

)= 10 α, δ, β, δ

γ, δγ, εα, γ, β, γα, ε, β, εδ, ε 7

λ = (1, 1, 1, 1, 1) 1 10

Nach Burnside ist die Anzahl der Isomorphieklassen gleich

1

120(24 · 22 + 30 · 23 + 20 · 23 + 20 · 24 + 15 · 26 + 10 · 27 + 1 · 210) = 34 .

9.5 Bemerkung Sei λ = (λ1, . . . , λk) ` n. Wie viele Elemente g ∈ Sym(n) haben denTyp λ? Für i = 1, . . . , n sei mi := |j : λj = i|, d.h. λ enthält m1 1’en, m2 2’en, m3 3’enusw., z.B. sind für λ = (3, 3, 2, 2, 2, 1, 1) ` 14 m1 = 2, m2 = 3, m3 = 2; mi = 0 sonst. Eing ∈ Sym(n) vom Typ λ hat also die Form

() . . . ()︸ ︷︷ ︸m1

( , ) . . . ( , )︸ ︷︷ ︸m2

( , , ) . . . ( , , )︸ ︷︷ ︸m3

. . . .

64

Page 65: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Für die Verteilung der Zahlen 1, . . . , n auf die Klammern gibt es n! Möglichkeiten.Allerdings kann man jeden r-Zyklus (α1, . . . , αr) auf r verschiedene Arten schreiben.Ferner kann man Zyklen gleicher Länge miteinander vertauschen. Es existieren also genau

n!

1m1 m1! 2m2 m2! 3m3 m3! . . .Elemente g ∈ Sym(n) vom Typ λ.

Beispiel Für λ = (3, 2, 2) ` 7 sind m1 = 0, m2 = 2 und m3 = 1. Die Anzahl derg ∈ Sym(7) vom Typ λ beträgt

7!

10 0! 22 2! 31 1!= 210 .

65

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10 Formale Potenzreihen und erzeugende Funktionen

10.1 Definition Eine formale Potenzreihe ist eine unendliche Folge α = (a0, a1, a2, . . . )mit a0,a1,a2,. . .∈ R.

Bemerkung Für formale Potenzreihen α = (a0, a1, a2, . . . ),β = (b0, b1, b2, . . . ) sind auch

α+ β := (a0 + b0, a1 + b1, a2 + b2, . . . ) ,

α · β := (c0, c1, c2, . . . ) mit ck :=k∑i=0

aibk−i (k ∈ N0)

formale Potenzreihen.24 Man zeigt leicht, dass die Menge der formalen Potenzreihenso ein kommutativer Ring wird, der formale Potenzreihenring RJXK. Einselement ist(1, 0, 0, . . . ). Statt α = (a0, a1, a2) schreibt man meist:

∞∑i=0

aiXi .

Für

β =∞∑j=0

bjXj ∈ RJXK

gilt dann:

α = β ⇐⇒ ai = bi für i ∈ N0,

α+ β =∞∑i=0

(ai + bi)Xi ,

α · β =

∞∑k=0

(k∑i=0

aibk−i

)Xk .

Den Polynomring R[X] fasst man als Teilmenge25 von RJXK auf. Insbesondere ist R selbstein Teilring von RJXK.26

Beispiel

exp(X) :=

∞∑n=0

Xn

n!,∞∑n=0

Xn,∞∑n=0

n!Xn ∈ RJXK .

10.2 Definition Ein α ∈ RJXK heißt invertierbar , falls ein β ∈ RJXK mit αβ = 1existiert.

24c0 = a0b0, c1 = a0b1 + a1b0, c2 = a0b2 + a1b1 + a2b0,. . .25genauer: Teilring.26a ∈ R←→ aX0 + 0X1 + 0X2 + . . . ∈ RJXK.

66

Page 67: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Satz Ein Element

α =∞∑i=0

aiXi ∈ RJXK

ist genau dann invertierbar, wenn a0 6= 0 gilt.

Beweis.

“⇒” Sei

β =∞∑j=0

bjXj ∈ RJXK mit 1 = αβ =

∞∑k=0

( k∑i=0

aibk−i

)Xk .

Koeffizientenvergleich bei X0 liefert 1 = a0b0, d.h. a0 6= 0.

“⇐” Sei a0 6= 0. Gesucht ist ein

β =

∞∑j=0

bjXj ∈ RJXK mit αβ = 1 ,

d.h.a0b0 = 1a0b1 + a1b0 = 0a0b2 + a1b1 + a2b0 = 0...a0bk + a1bk−1 + . . .+ akb0 = 0...

Daraus kann man sukzessive b0, b1, b2, . . . berechnen (b0 = 1a0, b1 = −a1b0

a0,. . . ).

Bemerkung Wie üblich ist RJXK× = α ∈ RJXK : α invertierbar eine Gruppe bzgl. derMultiplikation. Das Inverse von α ∈ RJXK× wird mit α−1 oder 1

α bezeichnet.

Beispiel∞∑n=0

Xn ∈ RJXK mit( ∞∑n=0

Xn

)−1

= 1−X; denn

(1−X)

∞∑n=0

Xn =

∞∑n=0

Xn −∞∑n=0

Xn+1 = 1

10.3 Definition Für

α =∞∑n=0

anXn ∈ RJXK

definiert man die formale Ableitung durch

α′ =∞∑n=1

nanXn−1 ∈ RJXK .

67

Page 68: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

Bemerkung Man zeigt leicht, dass dann wie üblich gilt:

(α+ β)′ = α′ + β′ und (αβ)′ = α′β + αβ′ für α, β ∈ RJXK.

Ist α ∈ RJXK×, so ist 1 = αα−1, also 0 = 1′ = (αα−1)′ = α′α−1 + α(α−1)′, d.h.

(α−1)′ = −α′α−2 .

Beispiel

exp(X)′ =

( ∞∑n=0

Xn

n!

)′=∞∑n=1

nXn−1

n!=∞∑n=1

Xn−1

(n− 1)!= exp(X) .

10.4 Definition Für jede reelle Folge (an)n∈N0 heißt

a(X) :=∞∑n=0

anXn erzeugende Funktion von (an)n∈N0 .

Beispiel an = n für n ∈ N0. Dann:

a(X) =

∞∑n=0

nXn =

∞∑n=1

nXn = X

∞∑n=1

nXn−1 = X

( ∞∑n=0

Xn

)′= X

(1

1−X

)′= X

−(1−X)′

(1−X)2=

X

(1−X)2.

Bemerkung Für 1 6= n ∈ N definiert man die n-te Fibonacci-Zahl fn als Anzahl aller0-1-Folgen der Länge n− 2, die keine benachbarten Einsen enthalten:

f2 = 1 (leere Folge), f3 = 2, f4 = 3, f5 = 5, . . . .

Zusätzlich sei f0 := 0, f1 := 1.

Satz Für die Fibonacci-Zahlen gilt:

(i) fn = fn−1 + fn−2 (n ≥ 2),

(ii) Die erzeugende Funktion ist

f(X) =X

1−X −X2,

(iii) fn = 1√5(1+√

52 )n − 1√

5(1−√

52 )n (n ∈ N0) .

Beweis.

(i) Sei a1 . . . an−2 eine “zulässige” Folge der Länge n− 2.

68

Page 69: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

• Ist an−2 = 0, ist a1 . . . an−3 eine “zulässige” Folge der Länge n− 3. Dafür gibtes fn−1 Möglichkeiten.

• Ist an−2 = 1, dann ist an−3 = 0 und a1 . . . an−4 eine “zulässige” Folge der Längen− 4. Dafür gibt es fn−2 Möglichkeiten.

Also: fn = fn−1 + fn−2.

(ii) Setze

f(X) :=

∞∑n=0

fnXn .

Dann:

f(X) = X+∞∑n=2

fnXn (i)

= X+∞∑n=2

fn−1Xn

︸ ︷︷ ︸=Xf(X)

+∞∑n=2

fn−2Xn

︸ ︷︷ ︸=X2f(X)

= X+Xf(X) +X2f(X) .

Daher: f(X) =X

1−X −X2.

(iii) Die Nullstellen von X2 + X − 1 sind τ1 = 12(−1 +

√5), τ2 = 1

2(−1 −√

5). Daherergibt die Partialbruchzerlegung:

f(X) =−X

(X − τ1)(X − τ2)=

1√5

1

1− 1+√

52 X

− 1√5

1

1− 1−√

52 X

=1√5

∞∑n=0

(1 +√

5

2

)nXn − 1√

5

∞∑n=0

(1−√

5

2

)nXn .

Koeffizientenvergleich liefert die Behauptung.

10.5 Beispiel Für 1 6= n ∈ N sei Dn die Anzahl der fixpunktfreien Permutationen von1, . . . , n. Ferner sei D0 := 1, D1 := 0. Setze

dn :=Dn

n!für n ∈ N0.

Für die erzeugende Funktion

d(X) :=∞∑n=0

dnXn

69

Page 70: Algebraische Kombinatorik - minet.uni-jena.de · 2 Vektorräume 2.1VorbemerkungImFolgendenwerdenwirversuchen,Mengen,Teilmengen,Abbil-dungenzuersetzendurchVektorräume,UntervektorräumeundlineareAbbildungen.Dazu

gilt dann nach Satz 3.3:

(1−X)d′(X) = (1−X)

( ∞∑n=0

Dn

n!Xn

)′= (1−X)

( ∞∑n=1

Dn

(n− 1)!Xn−1

)

=∞∑n=1

Dn

(n− 1)!Xn−1 −

∞∑n=1

Dn

(n− 1)!Xn

=

∞∑n=0

Dn+1

n!Xn −

∞∑n=1

Dn

(n− 1)!Xn

=∞∑n=1

(Dn+1

n!− Dn

(n− 1)!

)Xn

=∞∑n=1

(nDn + nDn−1

n!− Dn

(n− 1)!

)Xn

=

∞∑n=1

Dn−1

(n− 1)!Xn = Xd(X) .

Also:d′(X) =

X

1−Xd(X) . Daraus folgt leicht: d(X) =

exp(−X)

1−X.

Literatur: generatingfunctionology

Bemerkung Man kann versuchen, ein Element

α(X) =

∞∑n=0

anXn ∈ RJXK

in ein weiteres Element

β(X) =

∞∑n=0

bnXn ∈ RJXK

einzusetzen:

β(α(X)) :=∞∑n=0

bnα(X)n = b0 · 1+ b1(a0 + a1X + a2X

2 + . . . )

+ b2(a0 + a1X + a2X2 + . . . )(a0 + a1X + a2X

2 + . . . )

+ . . .

Dies geht gut, wenn β(X) ein Polynom ist oder a0 = 0. Es führt zu Problemen im Falla0 6= 0.27

27Dann ist der Koeffizient von X0 gleich b0 + b1a0 + b2a20 + . . . , was evtl. nicht definiert ist.

70

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10.6 Beispiel Sei F ein Körper mit |F | = q ≤ ∞. Wie früher sei Nd = ad(q) die Anzahlder irreduziblen Polynome vom Grad d in F [Y ]. Wir nummerieren jetzt die irreduziblenPolynome in F [Y ] durch:

f1, f2, f3, . . . .

Die entsprechenden Grade seien d1, d2, d3, . . . . Die Anzahl aller normierten Polynomevom Grad n in F [Y ] ist qn. Die entsprechende erzeugende Funktion ist

∞∑n=0

qnXn =1

1− qX.

Andererseits hat jedes normierte Polynom vom Grad n in F [Y ] eine eindeutige Primfak-torzerlegung:

f = fk11 fk22 fk33 . . . ,

mitn = k1d1 + k2d2 + k3d3 + . . . . (?)

Daher ist qn die Anzahl der Lösungen (k1, k2, k3, . . . ) von (?) mit ki ∈ N0 für alle i. Diesist genau der Koeffizient von Xn in der formalen Potenzreihe

(1+Xd1 +X2d1 +X3d1 +. . . )(1+Xd2 +X2d2 +X3d2 +. . . )(1+Xd3 +X2d3 +X3d3 +. . . ) . . . .

Daher:1

1− qX=∞∏i=1

1

1−Xdi=∞∏d=1

(1

1−Xd

)Nd. (??)

Bekanntlich gilt:

log1

1− z= z +

1

2z2 +

1

3z3 + . . . .

Anwendung von log auf (??) liefert:

∞∑n=1

qnXn

n=

∞∑d=1

Nd

∞∑j=1

Xd·j

j.

Koeffizientenvergleich bei Xn liefert:

qn

n=∑d|n

Nd

n/d, d.h. qn =

∑d|n

Nd · d (vgl. Bemerkung 7.2).

10.7 Beispiel Für n ∈ N sei pn die Anzahl der Partitionen von n:

p0 = 1, p1 = 1, p2 = 2, p3 = 3, p4 = 5, p5 = 7, . . . .

Die erzeugende Funktion sei

p(X) :=∞∑n=0

pnXn .

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Offenbar ist pn auch die Anzahl der Lösungen (y1, . . . , yn) ∈ N0 mit

n = 1y1 + 2y2 + 3y3 + . . .+ nyn .28

Dies ist genau der Koeffizient von Xn in

(1 +X +X2 + . . . )(1 +X2 +X4 +X6 + . . . )(1 +X3 +X6 + . . . ) . . . .

Daher:

p(X) =∞∏k=1

1

1−Xk.

Satz Für n ∈ N0 seien pv(n) die Anzahl der Partitionen λ = (λ1, . . . , λt) ` n in lauterverschiedene Teile λi und pu(n) die Anzahl der Partitionen λ = (λ1, . . . , λk) ` n inungerade Teile. Dann: pv(n) = pu(n).

Beweis. Wir zeigen, dass die entsprechenden erzeugenden Funktionen pv(X) und pu(X)gleich sind. Offenbar ist

pv(X) = (1 +X)(1 +X2)(1 +X3) . . . =∞∏k=1

(1 +Xk) ,

pu(X) = (1 +X +X2 + . . . )(1 +X3 +X6 + . . . )(1 +X5 +X7 + . . . ) . . .

=∞∏j=1

1

1−X2j−1.

Erweitern mit∏∞j=1(1−X2j) ergibt:

pu(X) =

∞∏j=1

1−X2j

1−Xj=∞∏j=1

(1 +Xj) = pv(X) .

10.8 Bemerkung Wir kennen die Formeln

1 + 2 + 3 + . . .+ (n− 1) =n(n− 1)

2,

12 + 22 + 32 + . . .+ (n− 1)2 =n(n− 1)(2n− 1)

6,

13 + 23 + 33 + . . .+ (n− 1)3 =

(n(n− 1)

2

)2

.

Wie geht das weiter? Setze dazu:

Pm(n) := 1m + 2m + 3m + . . .+ (n− 1)m =n−1∑k=0

km (m,n ∈ N)

28(y1, . . . , yn)←→ Partition mit y1 Einsen, y2 Zweien, y3 Dreien,. . .

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und

Qn(X) :=∞∑m=0

Pm(n)

m!Xm =

∞∑m=0

n−1∑k=0

km

m!Xm =

n−1∑k=0

∞∑m=0

(kX)m

m!=

n−1∑k=0

exp(kX)

=

n−1∑k=0

exp(X)k =exp(X)n − 1

exp(X)− 1.

Wegen

exp(X)− 1 =∞∑m=1

Xm

m!

istexp(X)− 1

X=

∞∑m=1

Xm−1

m!=

∞∑m=0

Xm

(m+ 1)!invertierbar in RJXK.

SchreibeX

exp(X)− 1=

∞∑n=0

Bnn!Xn =: B(X) (Bn ∈ R für n ∈ N0).

Die Zahlen B0, B1, B2, . . . heißen Bernoulli-Zahlen. Dann:

X = B(X)(exp(X)− 1)

=

( ∞∑m=0

Bmm!

Xm

)( ∞∑m=1

Xm

m!

)

=

∞∑m=0

(m−1∑k=0

Bkk!

1

(m− k)!

)Xm .

Koeffizientenvergleich bei X und X2 liefert B0 = 1 und B1 = −12 . Koeffizientenvergleich

bei Xm ergibt:

0 =

m−1∑k=0

(m

k

)Bk .

Daraus erhält man sukzessive: B2 = 16 , B3 = 0, B4 = −1

30 , B5 = 0, B6 = 142 ,. . . . Wegen

XQn(X) = Xexp(nX)− 1

exp(X)− 1= B(X)(exp(nX)− 1) =

( ∞∑k=0

Bkk!Xk

)( ∞∑m=1

(nX)m

m!

)

=∞∑m=0

(m−1∑k=0

Bkk!

nm−k

(m− k)!

)Xm

liefert Koeffizientenvergleich bei Xm+1:

Pm(n)

m!=

m∑k=0

Bkk!

nm+1−k

(m+ 1− k)!,

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d.h.

Pm(n) =1

m+ 1

m∑k=0

(m+ 1

k

)Bkn

m+1−k .

Daraus kann man weitere Formeln berechnen.

Beispiel

14 + 24 + 34 + . . .+ (n− 1)4 =n5

5− n4

2+n3

3− n

30.

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Stichwortverzeichnis

Abbildungantitone, 27monotone, 27

Bahn, 50Bahnengleichung, 51Bellzahlen, 21Bernoulli-Zahlen, 73Binomialkoeffizienten, 4Blöcke

einer Partition, 19

Ehepaarproblem, 16–18Einheitswurzel, 41erzeugende Funktion, 68Euler’sche ϕ-Funktion, 15

Färbung, 63Ferrers-Diagramm, 22Fibonacci-Zahlen, 68Fixpunkt, 11Fixpunktmenge, 53Formale Ableitung, 67Formale Potenzreihe, 66

invertierbare, 66Formaler Potenzreihenring, 66Funktion

inverse, 30Ketten-, 29Kronecker-, 29Möbius-, 15, 30Zeta-, 29

Galoiszahl, 9Gauß-Koeffizienten, 7, 23–24Graph, 46

Index, 53Infimum, 26Intervall, 25Inzidenzalgebra, 29isomorph, 63Isomorphismus

geordneter Mengen, 27

Kerneiner Operation, 50

Kette, 26Anti-, 26Länge einer, 26

Klassenzahl, 57Konjugation, 57Konjugationsklasse, 57

Lemmavon Burnside, 54

maximal, 26Maximum, 26Menge

entgegengesetzt geordnete, 25lokal endliche geordnete, 26n-Menge, 4partiell geordnete, 25total geordnete, 26

minimal, 26Minimum, 26Möbius-Inversion, 31, 39Multinomialkoeffizienten, 5multinomische Formel, 5

Normalisator, 58

Operation, 48k-transitive, 60transitive, 51treue, 50

OrdnungDominanz-, 28eines Gruppenelements, 56partielle, 25

Partitioneiner Menge, 19einer Zahl, 21konjugierte, 22

Partititonszahlen, 21

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Permanente, 43–45Permutation, 3

fixpunktfreie, 11, 69Polynom

irreduzibles, 39Kreisteilungs-, 42

Prinzip vom Ein- und Ausschließen, 11

Satzvon Cauchy, 56von Ryser, 45von Weisner, 34

Stabilisator, 52Stirling-Zahlen

zweiter Art, 19

Supremum, 26symmetrische Gruppe, 3, 49

Typ, 63

Verband, 27vergleichbar, 26

Young-Diagramm, 22

zeilenäquivalent, 23Zeilenraum, 23Zentralisator, 57Zentrum, 57Zusammenhangskomponenten, 26Zyklenschreibweise, 63

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