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Gruppentheorie Vorlesung im Wintersemester 1992/93 B. K¨ ulshammer Ausarbeitung: Markus Deiml

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Gruppentheorie

Vorlesung im Wintersemester 1992/93

B. Kulshammer

Ausarbeitung:Markus Deiml

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1. Halbgruppen 3

Kapitel 2. Gruppen 5

Kapitel 3. Normalteiler und Faktorgruppen 11

Kapitel 4. Normalreihen und Gruppen mit Operatoren 15

Kapitel 5. Direkte Summen und Produkte 18

Kapitel 6. Direkte Zerlegungen 21

Kapitel 7. Kommutatoren 25

Kapitel 8. Auflosbare und nilpotente Gruppen 28

Kapitel 9. Sylowgruppen 32

Kapitel 10. Einfache Anwendungen der Sylow-Satze 35

Kapitel 11. Die Frattinigruppe 39

Kapitel 12. Gruppenerweiterungen 42

Kapitel 13. Erweiterungen mit abelschem Kern 50

Kapitel 14. Erweiterungen mit nichtabelschem Kern 54

Kapitel 15. Freie Gruppen 61

Kapitel 16. Endliche p-Gruppen 64

Kapitel 17. Permutationsgruppen 68

Kapitel 18. Die Verlagerung 71

Kapitel 19. Endliche p-nilpotente Gruppen 75

Index 79

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KAPITEL 1

Halbgruppen

1.1. Definition. Eine (innere) Verknupfung auf einer Menge M ist eine Abbildung M ×M → M . DasBild von (a, b) ∈M ×M schreibt man haufig in der Form a ∗ b, a · b, a+ b, ab.

Beispiel.(i) Addition, Multiplikation, Subtraktion in Z, R, C.(ii) Durchschnitt und Vereinigung auf der Potenzmenge P(X), der Menge aller Teilmengen der Menge

X.(iii) ggT und kgV in N.(iv) Komposition von Abbildungen auf der Menge Abb(X) aller Abbildungen X → X.

Bemerkung. Verknupfungen auf kleinen Mengen kann man oft durch ihre Verknupfungstafel angeben:

· · · b · · ·...

...a · · · ab · · ·...

...

z.B.∧ w fw w ff f f

1.2. Definition. Gegeben sei eine Verknupfung auf einer Menge M . Ein Element e ∈ M mit ae = a(bzw. ea = a) fur alle a ∈M heißt rechtsneutral (bzw. linksneutral). Ist e rechtsneutral und linksneutral,so nennt man e neutral.

Bemerkung. Ist e ∈ M linksneutral und f ∈ M rechtsneutral, so ist e = ef = f ; insbesondere enthaltM hochstens ein neutrales Element.

Beispiel. 0 ist neutral in (Z,+), 1 in (Z, · ).

1.3. Definition. Gegeben sei eine Verknupfung auf einer Menge M . Zwei Elemente a, b ∈M mit ab = banennt man vertauschbar. Sind je zwei Elemente in M vertauschbar, so nennt man M kommutativ oderabelsch. Man nennt M eine Halbgruppe, falls alle a, b, c ∈ M das Assoziativgesetz erfullen: (ab)c = a(bc).Eine Halbgruppe mit neutralem Element nennt man Monoid.

Beispiel.(i) (N,+) ist abelsche Halbgruppe, (N0,+) ist abelsches Monoid.(ii) Fur jede Menge X ist Abb(X) ein Monoid mit neutralem Element idX ; dabei ist idX : X →

X, x 7→ x die identische Abbildung auf X.(iii) A sei eine nichtleere Menge und W die Menge aller endlichen Folgen (a1, . . . , am) von Elementen

a1, . . . , am ∈ A (m ∈ N). Fur (a1, . . . , am), (b1, . . . , bn) ∈W definiert man

(a1, . . . , am)(b1, . . . , bn) := (a1, . . . , am, b1, . . . , bn).

Auf diese Weise wirdW zu einer Halbgruppe. Man nenntW die freie Halbgruppe uber dem AlphabetA. Die Elemente in W nennt man auch Worter in A, die in A Buchstaben. Statt (a1, . . . , am)schreibt man kurz a1 . . . am. Nimmt man zu W das leere Wort ε = () hinzu, so erhalt man dasfreie Monoid W0 uber A.

Bemerkung. Das neutrale Element bezeichnen wir oft mit 1 (oder 0, falls wir + als Bezeichnung fur dieVerknupfung wahlen).

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4 1. HALBGRUPPEN

1.4. Definition. Gegeben sei ein Monoid M und ein Element a ∈ M . Ein Element b ∈ M mit ab = 1(bzw. ba = 1) heißt rechtsinvers (bzw. linksinvers) zu a. Ist b rechtsinvers und linksinvers zu a, so nenntman b invers zu a. Man nennt a dann auch rechtsinvertierbar bzw. linksinvertierbar bzw. invertierbar.

Bemerkung. Ist b ∈ M rechtsinvers zu a und c ∈ M linksinvers zu a, so ist b = 1b = (ca)b = c(ab) =c1 = c; insbesondere besitzt a hochstens ein inverses Element. Dieses bezeichnet man mit a−1 (bzw. mit−a, falls man + fur die Verknupfung schreibt). Mit a ist auch a−1 invertierbar, und (a−1)−1 = a. Sinda, b ∈M invertierbar, so auch ab, und (ab)−1 = b−1a−1.

1.5. Definition. In einer Halbgruppe H definiert man fur a ∈ H und n ∈ N die n-te Potenz von a durchan := a . . . a (n Faktoren). Ist H Monoid, so definiert man außerdem a0 := 1. Ist a invertierbar, so setztman a−n := (a−1)n fur n ∈ N.

Bemerkung. Wie ublich ist dann jeweils aman = am+n und (am)n = amn. Sind a, b ∈ H vertauschbar,so ist auch (ab)n = anbn.

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KAPITEL 2

Gruppen

2.1. Definition. Eine Gruppe ist eine Halbgruppe G mit einem linksneutralen Element e, in der zujedem g ∈ G ein h ∈ G existiert mit hg = e.

Bemerkung. Daraus folgt leicht, daß e neutrales Element und jedes Element in G invertierbar ist. DieAnzahl der Elemente in G bezeichnet man als Ordnung |G| von G.

Beispiel.

(i) (Z,+), (Q,+), (R,+), (C,+) sind abelsche Gruppen, jedoch nicht (N,+).(ii) (Q \ 0, · ), (R \ 0, · ), (C \ 0, · ), (]0,∞[, · ) sind abelsche Gruppen, nicht jedoch (Z \ 0, · )

oder (Q, · ).(iii) 1 ist Gruppe bzgl. · , 0 Gruppe bzgl. +.(iv) Fur jede Menge X bilden die Bijektionen X → X eine Gruppe Sym(X) bzgl. der Komposition

von Abbildungen. Man nennt Sym(X) die symmetrische Gruppe auf X und ihre Elemente Permu-tationen. Ist |X| = n < ∞, so ist |Sym(X)| = n!. Wir schreiben Sym(n) = Sym(1, . . . , n) undsprechen von der symmetrischen Gruppe des Grades n. Die Elemente in Sym(n) schreiben wir inder Form f =

(1 2 ··· n

f(1) f(2) ··· f(n)

), z.B. ( 1 2 3

3 2 1 ). Dann ist f−1 =(f(1) f(2) ··· f(n)

1 2 ··· n

).

(v) Fur n ∈ N und jeden Korper K (stets kommutativ) bilden die invertierbaren n× n-Matrizen mitKoeffizienten in K eine Gruppe bzgl. · , die allgemeine lineare Gruppe GL(n,K) des Grades n uberK.

(vi) Fur jede nichtleere Familie von Gruppen (Gi)i∈I ist ihr direktes Produkt∏i∈I

Gi :=×i∈I

Gi = (gi)i∈I : gi ∈ Gi fur i ∈ I

eine Gruppe, wenn man definiert: (gi)i∈I(hi)i∈I := (gihi)i∈I fur (gi)i∈I , (hi)i∈I ∈∏i∈I Gi. Im Fall

I = 1, . . . , n fur ein n ∈ N schreibt man auchn

×i=1

Gi =∏ni=1Gi = G1 × . . . × Gn statt×

i∈IGi

und (g1, . . . , gn) statt (gi)i∈I .

2.2. Definition. Eine Abbildung f einer Gruppe G in eine Gruppe H nennt man

(i) Homomorphismus, falls f(ab) = f(a)f(b) fur a, b ∈ G ist.(ii) Monomorphismus, falls f ein injektiver Homomorphismus ist.(iii) Epimorphismus, falls f ein surjektiver Homomorphismus ist.(iv) Isomorphismus, falls f ein bijektiver Homomorphismus ist.(v) Endomorphismus, falls f ein Homomorphismus und G = H ist.(vi) Automorphismus, falls f ein bijektiver Endomorphismus ist.

Bemerkung. Fur jeden Homomorphismus f : G → H ist f(1G) = 1H und f(g−1) = f(g)−1 (g ∈ G).Fur Gruppen G,H,K und Homomorphismen f : G → H, g : H → K ist auch g f : G → K einHomomorphismus. Ist f ein Isomorphismus, so auch f−1 : H → G. Wir setzen

Hom(G,H) := f : G→ H : f HomomorphismusEnd(G) := Hom(G,G)Aut(G) := f ∈ End(G) : f bijektiv

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6 2. GRUPPEN

Beispiel.

(i) Fur n ∈ Z ist die Abbildung (Z,+)→ (Z,+), z 7→ nz ein Homomorphismus.(ii) Fur n ∈ N ist der alternierende Charakter

sgn : Sym(n)→ (1,−1, · ), g 7→∏i,j∈N

1≤i<j≤n

g(i)− g(j)i− j

ein Homomorphismus. Fur g ∈ Sym(n) nennt man sgn(g) das Vorzeichen oder Signum von g. Istsgn(g) = 1, so nennt man g gerade, sonst ungerade.

(iii) Fur n ∈ N und jeden Korper K ist die Determinante det : GL(n,K) → (K \ 0, · ) ein Homo-morphismus.

(iv) Fur jede Gruppe G und jedes Element a ∈ G ist die Abbildung fa : G → G, g 7→ aga−1 einAutomorphismus von G. Man nennt fa den von a induzierten inneren Automorphismus von G.

2.3. Definition. Man nennt zwei Gruppen G,H isomorph und schreibt G ∼= H, falls es einen Isomor-phismus f : G→ H gibt.

Bemerkung. Die Isomorphie von Gruppen ist eine Aquivalenzrelation, d.h. es gilt:(i) G ∼= G (Reflexivitat).(ii) G ∼= H ⇒ H ∼= G (Symmetrie).

(iii) G ∼= H ∧ H ∼= K ⇒ G ∼= K (Transitivitat).

Beispiel. Fur jeden Korper K und jeden K-Vektorraum V bilden die linearen Bijektionen f : V → Vbzgl. der Komposition von Abbildungen eine Gruppe GL(V ), die allgemeine lineare Gruppe von V . ImFall dimV = n <∞ ist bekanntlich GL(V ) ∼= GL(n,K).

2.4. Definition. Eine nichtleere Teilmenge H einer Gruppe G mit ab−1 ∈ H fur a, b ∈ H nennt maneine Untergruppe von G.

Bemerkung. In diesem Fall ist 1G ∈ H, und H wird mit der entsprechend eingeschrankten Verknupfungselbst zu einer Gruppe. Wir schreiben H ≤ G (bzw. H < G im Fall H 6= G).

Beispiel.

(i) In jeder Gruppe G sind 1 und G Untergruppen. Wir schreiben 1 statt 1 und nennen 1 dietriviale Untergruppe von G. Untergruppen H von G mit H 6= G nennen wir echte Untergruppenvon G. Eine echte Untergruppe M von G nennt man maximale Untergruppe von G, falls keineUntergruppe H von G mit M < H < G existiert. Eine nichttriviale Untergruppe N von G nenntman minimale Untergruppe von G, falls keine Untergruppe H von G mit 1 < H < N existiert. Esgibt Gruppen, die weder minimale noch maximale Untergruppen enthalten.

(ii) Fur jede nichtleere Familie (Hi)i∈I von Untergruppen einer Gruppe G ist⋂i∈I Hi ≤ G. Insbeson-

dere ist fur jede Teilmenge X von G der Durchschnitt aller Untergruppen H von G mit X ⊆ Heine Untergruppe 〈X〉 von G. Man nennt 〈X〉 die von X erzeugte Untergruppe von G. Sie bestehtaus allen Elementen der Form

xε11 . . . xεnn mit n ∈ N0, x1, . . . , xn ∈ X, ε1, . . . , εn ∈ ±1.

(Im Fall n = 0 muß man das Produkt als 1 interpretieren). Im Fall X = a1, . . . , an schreibt manauch 〈a1, . . . , an〉 statt 〈X〉. Ist G = 〈X〉, so nennt man X ein Erzeugendensystem von G. BesitztG ein endliches Erzeugendensystem, so nennt man G endlich erzeugt. Ist G = 〈a〉 fur ein a ∈ G,so nennt man G zyklisch.

(iii) Fur jede nichtleere Familie (Gi)i∈I von Gruppen bilden die Elemente (gi)i∈I ∈∏i∈I Gi mit |i ∈

I : gi 6= 1| < ∞ eine Untergruppe∐i∈I Gi von

∏i∈I Gi, die man das eingeschrankte direkte

Produkt von (Gi)i∈I nennt.(iv) Fur jede Gruppe G ist Aut(G) ≤ Sym(G). Man nennt Aut(G) die Automorphismengruppe von G.(v) (Z,+) ≤ (Q,+) ≤ (R,+) ≤ (C,+), (Q \ 0, · ) ≤ (R \ 0, · ) ≤ (C \ 0, · ).

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2. GRUPPEN 7

(vi) Fur jeden Homomorphismus von Gruppen f : G→ H und beliebige Untergruppen U ≤ G, V ≤ Hist f(U) ≤ H und f−1(V ) ≤ G; insbesondere ist Bild(f) := f(G) ≤ H und Ker(f) := f−1(1H) =g ∈ G : f(g) = 1 ≤ G. Man nennt Bild(f) das Bild und Ker(f) den Kern von f . Genau dannist f injektiv, wenn Ker(f) = 1G ist.

(vii) Fur n ∈ N nennt man den Kern Alt(n) von sgn : Sym(n) → ±1 die alternierende Gruppe desGrades n, und fur jeden Korper K nennt man den Kern SL(n,K) von det : GL(n,K)→ K \ 0die spezielle lineare Gruppe des Grades n uber K.Fur n ∈ N0 ist das Bild nZ von Z → Z, z 7→ nz eine Untergruppe von Z. Man zeigt leicht, daßman auf diese Weise alle Untergruppen von Z erhalt.

(viii) Ist G eine Gruppe und fa der von a ∈ G induzierte innere Automorphismus von G, so ist dieAbbildung F : G→ Aut(G), a 7→ fa ein Homomorphismus. Sein Bild Inn(G) ist eine Untergruppevon Aut(G), sein Kern Z(G) eine Untergruppe von G. Offensichtlich ist Z(G) = a ∈ G : aga−1 =g fur g ∈ G = a ∈ G : ag = ga fur g ∈ G. Man nennt Inn(G) die innere Automorphismengruppeund Z(G) das Zentrum von G.

2.5. Definition. Fur Teilmengen X,Y einer Gruppe G setzt man XY := xy : x ∈ X, y ∈ Y undX−1 := x−1 : x ∈ X.

Bemerkung. Dann ist (X−1)−1 = X, (XY )−1 = Y −1X−1 und X(Y Z) = (XY )Z fur X,Y, Z ≤ G, undes gilt: X ≤ G ⇔ X 6= ∅ und XX−1 ⊆ X.

Satz. Fur Untergruppen U, V,W einer Gruppe G gilt:(i) U ∪ V ≤ G ⇔ U ⊆ V oder V ⊆ U .(ii) UV ≤ G ⇔ UV = V U .

(iii) U ⊆W ⇒ UV ∩W = U(V ∩W ) (Dedekind-Identitat).

Beweis. Algebra.

2.6. Definition. Eine Operation (action) einer Gruppe G auf einer nichtleeren Menge Ω ist eine Abbil-dung G× Ω→ Ω, (g, ω) 7→ gω mit folgenden Eigenschaften:

(i) 1ω = ω.(ii) a(bω) = abω fur a, b ∈ G, ω ∈ Ω.

Man sagt auch: ”G operiert auf Ω“ oder ”Ω ist eine G-Menge“.

Bemerkung.(i) In diesem Fall erhalt man eine Aquivalenzrelation ∼ auf Ω, wenn man fur α, β ∈ Ω definiert:

α ∼ β :⇔ gα = β fur ein g ∈ G.

Die Aquivalenzklassen bzgl. ∼ nennt man die Bahnen (orbits) von Ω unter G. Fur ω ∈ Ω bezeichneOrbG(ω) := gω : g ∈ G die Bahn von ω unter G. Man bezeichnet |OrbG(ω)| auch als Lange derBahn von ω. Gibt es nur eine einzige Bahn, so nennt man die Operation transitiv.

(ii) Fur jede Operation einer Gruppe G auf einer nichtleeren Menge Ω und jedes Element g ∈ G istdie Abbildung τg : Ω → Ω, ω 7→ gω bijektiv. Ferner ist die Abbildung τ : G → Sym(Ω), g 7→ τgein Homomorphismus. Man bezeichnet Ker(τ) auch als Kern der Operation. Im Fall Ker(τ) = 1(bzw. Ker(τ) = G) nennt man die Operation treu (bzw. trivial).

(iii) Umgekehrt liefert jeder Homomorphismus ρ einer Gruppe G in eine symmetrische Gruppe Sym(Ω)eine Operation von G auf Ω, indem man fur g ∈ G und ω ∈ Ω definiert: gω := (ρ(g))(ω).

(iv) Fur jede Operation einer Gruppe G auf einer nichtleeren Menge Ω und jedes Element ω ∈ Ω istder Stabilisator StbG(ω) := g ∈ G : gω = ω von ω in G eine Untergruppe von G. Auf dieseWeise verschafft man sich haufig Untergruppen einer vorgegebenen Gruppe. Fur g ∈ G und ω ∈ Ωgilt: StbG(gω) = g StbG(ω)g−1. Sind (∆i)i∈I die Bahnen von Ω unter G, so hat man die triviale,aber nutzliche Bahnengleichung:

|Ω| =∑i∈I|∆i|.

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8 2. GRUPPEN

Beispiel.

(i) Jede Untergruppe H einer Gruppe G operiert auf G durch Linksmultiplikation: hg := hg (h ∈H, g ∈ G). In diesem Fall ist OrbH(g) = hg : h ∈ H =: Hg. Man bezeichnet Hg als Rechtsne-benklasse von g nach H und setzt H\G := Hg : g ∈ G. Ferner bezeichnet man |G : H| := |H\G|als Index von H nach G. Fur g ∈ G ist die Abbildung H → Hg, h 7→ hg bijektiv; insbesondereist |Hg| = |H|. Die Bahnengleichung liefert also:

|G| = |G : H| · |H| (Satz von Lagrange).

Im Fall |G| <∞ sind insbesondere |H| und |G : H| Teiler von |G|.(ii) Analog operiert jede Untergruppe H einer Gruppe G auf G durch Rechtsmultiplikation: hg := gh−1

(h ∈ H, g ∈ G). In diesem Fall erhalt man als Bahnen die Linksnebenklassen gH := gh : h ∈ Hund setzt G/H := gH : g ∈ G. Die Abbildung G/H → H \G, gH → Hg−1 = (gH)−1 istbijektiv; insbesondere ist |G/H| = |G : H|.

(iii) Jede Gruppe G operiert auf P(G) durch Konjugation: gX := gXg−1 = gxg−1 : x ∈ X(g ∈ G, X ⊆ G). Man nennt OrbG(X) = gXg−1 : g ∈ G die Konjugationsklasse von X inG. Teilmengen in der gleichen Bahn nennt man konjugiert (unter G). Fur X ⊆ G nennt manStbG(X) = g ∈ G : gXg−1 = X =: NG(X) den Normalisator von X in G. Im Fall X ≤ G istX ≤ NG(X) wegen xXx−1 ⊆ X = xx−1Xx︸ ︷︷ ︸

⊆X

x−1 ⊆ xXx−1 fur x ∈ X.

(iv) Jede Gruppe G operiert auf sich selbst durch Konjugation: gx = gxg−1 (g, x ∈ G). Man nenntOrbG(x) = gxg−1 : g ∈ G die Konjugationsklasse von x ∈ G in G. Elemente in der gleichenKonjugationsklasse nennt man auch konjugiert (in G). Die Anzahl der Konjugationsklassen vonG bezeichnet man als Klassenzahl von G. Fur x ∈ G nennt man StbG(x) = g ∈ G : gxg−1 =x = g ∈ G : gx = xg =: CG(x) den Zentralisator von x in G. Fur X ⊆ G nennt manCG(X) :=

⋂x∈X CG(x) = g ∈ G : gx = xg fur x ∈ X den Zentralisator von X in G. Offenbar

ist CG(X) ≤ NG(X) und CG(G) = Z(G).(v) Jede Gruppe G operiert auf G/H fur jede Untergruppe H von G durch Linksmultiplikation:

g(xH) = gxH (g, x ∈ G). Diese Operation ist transitiv mit Kern

g ∈ G : gxH = xH fur x ∈ G = g ∈ G : x−1gxH = H fur x ∈ G= g ∈ G : x−1gx ∈ H fur x ∈ G= g ∈ G : g ∈ xHx−1 fur x ∈ G=

⋂x∈G

xHx−1 =: CoreG(H).

Man bezeichnet CoreG(H) als Kern von H in G.(vi) Fur Untergruppen H,K einer Gruppe G operiert H×K auf G: (h,k)g := hgk−1 (g ∈ G, h ∈ H, k ∈

K). Die Bahn eines Elements g ∈ G ist dann die Doppelnebenklasse HgK = hgk : h ∈ H, k ∈ K.Wir setzen H\G/K = HgK : g ∈ G. Im allgemeinen sind weder |HgK| noch |H\G/K| Teilervon |G| (im Fall |G| <∞). Fur h ∈ H und g ∈ G ist hgK ⊆ HgK. Fur h, h′ ∈ H und g ∈ G giltferner:

hgK = h′gK ⇔ g−1h−1h′gK = K ⇔ g−1h−1h′g ∈ K⇔ h−1h′ ∈ gKg−1 ⇔ h−1h′ ∈ H ∩ gKg−1

⇔ h−1h′(H ∩ gKg−1) = H ∩ gKg−1

⇔ h′(H ∩ gKg−1) = h(H ∩ gKg−1).

Daher ist jede Doppelklasse HgK disjunkte Vereinigung von |H : H ∩ gKg−1| Linksnebenklassennach K und analog disjunkte Vereinigung von |K : K ∩ g−1Hg| Rechtsnebenklassen nach H;insbesondere ist |HgK| = |H : H ∩ gKg−1| · |K| = |K : K ∩ g−1Hg| · |H|.

2.7. Satz. Fur Untergruppen H,K einer Gruppe G gilt:

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2. GRUPPEN 9

(i) K ≤ H ⇒ |G : K| = |G : H| · |H : K| (Lagrange). Insbesondere sind |G : H| und |H : K| im Fall|G : K| <∞ Teiler von |G : K|.

(ii) HK ist disjunkte Vereinigung von |H : H ∩K| Linksnebenklassen nach K und disjunkte Vereini-gung von |K : H ∩K| Rechtsnebenklassen nach H.

(iii) |HK| = |H : H ∩K| · |K| = |K : H ∩K| · |H|.(iv) |H : H ∩K| ≤ |G : K|.(v) |H : H ∩K| = |G : K| <∞ ⇒ G = HK = KH.(vi) |G : H ∩K| ≤ |G : H| · |G : K|.(vii) |G : H ∩K| = |G : H| · |G : K| <∞ ⇒ G = HK = KH.

(viii) |G : H|, |G : K| endlich und teilerfremd ⇒ |G : H ∩K| = |G : H| · |G : K|.

Beweis.

(i) Wir schreiben G =•⋃r∈R rH und H =

•⋃s∈S sK. Dann ist G =

•⋃r∈R, s∈S rsK, also |G : K| =

|R| · |S| = |G : H| · |H : K|.(ii),(iii) Setze g := 1 in Beispiel 2.6(vi).

(iv) folgt aus (ii) wegen HK ⊆ G.(v) Im Fall |H : H ∩K| = |G : K| <∞ folgt aus (ii): G = HK. Mit Satz 2.5(ii) ergibt sich G = KH.(vi) Nach (i) und (iv) ist |G : H ∩K| = |G : H| · |H : H ∩K| ≤ |G : H| · |G : K|.(vii) Im Fall |G : H∩K| = |G : H| · |G : K| <∞ zeigt die Argumentation in (vi): |H : H∩K| = |G : K|.

Mit (v) folgt G = HK = KH.(viii) Nach (i) und (iv) ist |G : H| · |H : H ∩K| = |G : H ∩K| = |G : K| · |K : H ∩K| ≤ |G : K| · |G :

H| < ∞. Sind |G : H| und |G : K| teilerfremd, so ist |G : K| Teiler von |H : H ∩ K|. Aus (iv)folgt daher |G : K| = |H : H ∩K|, und man hat |G : H ∩K| = |G : H| · |G : K|.

2.8. Satz. Fur jede Operation einer Gruppe G auf einer nichtleeren Menge Ω und jedes ω ∈ Ω istdie Abbildung G/StbG(ω) → OrbG(ω), g StbG(ω) 7→ gω wohldefiniert und bijektiv; insbesondere ist|OrbG(ω)| = |G : StbG(ω)|, und dies teilt |G| im Fall |G| <∞.

Beweis. Algebra.

Bemerkung. Sind ∆i (i ∈ I) die Bahnen von Ω unter G und wahlt man aus jedem ∆i ein Element ωi,so kann man also die Bahnengleichung auch in der Form

|Ω| =∑i∈I|G : StbG(ωi)|

schreiben.

Beispiel. Jede Teilmenge X einer Gruppe G besitzt genau |G : NG(X)| Konjugierte in G. Analog enthaltdie Konjugationsklasse eines Elementes x ∈ G genau |G : CG(x)| Elemente. Die Bahnengleichung wird indiesem Fall zur Klassengleichung:

|G| =∑i∈I|G : CG(xi)|.

Dabei ist (xi)i∈I ein Reprasentantensystem fur die Konjugationsklassen von G.

2.9. Definition. Fur jedes Element g einer Gruppe G bezeichnet man |〈g〉| als Ordnung von g. Elementeder Ordnung 2 nennt man Involutionen. Ist |〈g〉| < ∞ und π eine Menge von Primzahlen, die allePrimteiler von |〈g〉| enthalt, so nennt man g ein π-Element. Ist jedes Element in G ein π-Element, sonennt man G eine π-Gruppe. Besteht π aus genau einer Primzahl p, so spricht man kurzer von p-Elementenund p-Gruppen.

Bemerkung.

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10 2. GRUPPEN

(i) In der Algebra wurde gezeigt, daß fur ein Element g unendlicher Ordnung die Potenzen gn (n ∈ Z)paarweise verschieden sind. Fur ein Element g der endlichen Ordnung k und fur m,n ∈ Z giltdagegen: gm = gn ⇔ m ≡ n (mod k) ( :⇔ k teilt m− n). Insbesondere gilt:

gm = 1 ⇔ m = 0 (mod k) ⇔ k teilt m ⇔: k∣∣ m.

Daher gilt stets: |〈g〉| = infn ∈ N : gn = 1, und im Fall |G| <∞ folgt der Satz von Fermat:

g|G| = 1.

Ferner folgt leicht, daß gl fur l ∈ Z die Ordnung kggT(k,l) hat.

(ii) Haben alle Element in G außer 1 unendliche Ordnung, so nennt man G torsionsfrei. Haben al-le Elemente in G endliche Ordnung, so nennt man G eine Torsionsgruppe. Sind zusatzlich dieOrdnungen der Elemente in G beschrankt, so nennt man G periodisch. In diesem Fall bezeichnetman die kleinste naturliche Zahl e mit ge = 1 fur alle g ∈ G als Exponenten von G und schreibte = exp(G).

(iii) In einer Gruppe G seien vertauschbare Elemente g, h der endlichen Ordnungen k bzw. l gegeben.Dann ist (gh)kl = gklhkl = 1l1k = 1, also ist |〈gh〉|

∣∣ kl. Sei jetzt zusatzlich ggT(k, l) = 1. Ist n ∈ Zmit 1 = (gh)n = gnhn, so ist gn = h−n ∈ 〈g〉 ∩ 〈h〉. Wegen |〈g〉 ∩ 〈h〉|

∣∣ |〈g〉| und |〈g〉 ∩ 〈h〉|∣∣ |〈h〉|

ist aber |〈g〉 ∩ 〈h〉|∣∣ ggT(k, l) = 1, also gn = 1 = h−n und damit k

∣∣ n, l ∣∣ n. Insgesamt istdann kl

∣∣ n, d.h. |〈gh〉| = |〈g〉| · |〈h〉|. Dieses Ergebnis laßt sich durch Induktion auf Produkte vonendlich vielen paarweise vertauschbaren Elementen endlicher paarweise teilerfremder Ordnungenausdehnen.

(iv) Gegeben sei ein Element g der endlichen Ordnung k in einer Gruppe G. Die eindeutige Primfaktor-zerlegung von k sei k = pa1

1 . . . parr . Dann sind q1 := k/pa1

1 , . . . , qr := k/parr teilerfremd. Daher exi-

stieren b1, . . . , br ∈ Z mit b1q1 + . . .+ brqr = 1. Folglich ist g = g1 = gb1q1+...+brqr = gb1q1 . . . gbrqr .Fur i = 1, . . . , r ist (gbiqi)p

aii = gkbi = 1bi = 1, also |〈gbiqi〉|

∣∣ paii . Wegen |〈g〉| = k = pa1

1 . . . parr folgt

aus (iii) sogar: |〈gbiqi〉| = paii . Daher laßt sich g als Produkt von Elementen g1, . . . , gr schreiben,

die die Ordnungen pa11 , . . . , par

r haben und Potenzen von g sind; insbesondere sind g1, . . . , gr paar-weise vertauschbar. Diese Schreibweise ist in folgendem Sinne eindeutig: Ist auch g = h1 . . . hr mitpaarweise vertauschbaren Elementen h1, . . . , hr ∈ G der Ordnungen pa1

1 , . . . , parr , so ist gi = hi fur

i = 1, . . . , r. Die Elemente h1, . . . , hr sind namlich mit g und daher mit gi fur i = 1, . . . , r vertausch-bar. Aus g1 . . . gr = h1 . . . hr folgt also: g−1

1 h1 = g2 . . . grh−1r . . . h−1

2 = g2h−12 . . . grh

−1r , wobei

|〈g−11 h1〉|

∣∣ p2a11 und |〈g2h

−12 . . . grh

−1r 〉|

∣∣ p2a22 . . . p2ar

r nach (iii). Wegen ggT(p2a11 , p2a2

2 . . . p2arr ) = 1

folgt also: g−11 h1 = 1, d.h. h1 = g1. Analog ist gi = hi fur i = 2, . . . , r. Man nennt die Zerlegung

g = g1 . . . gr auch die Primfaktorzerlegung von g, und fur i = 1, . . . , r nennt man gi auch denpi-Faktor von g. Haufige Schreibweise: gpi

statt gi. Allgemeiner definiert man fur jede Primzah-lenmenge π den π-Faktor gπ von g durch gπ :=

∏p|k, p∈π gp.

2.10. Satz (Frattini-Argument). Gegeben sei eine transitive Operation einer Gruppe G auf einer nicht-leeren Menge Ω. Operiert eine Untergruppe H von G auch transitiv auf Ω, so ist G = StbG(ω)H furω ∈ Ω.

Beweis. Sei H transitiv auf Ω und ω ∈ Ω. Fur g ∈ G existiert dann ein h ∈ H mit h(gω) = ω. Folglichist hg ∈ StbG(ω) und g = h−1(hg) ∈ H StbG(ω). Daher ist G = H StbG(ω) = StbG(ω)H.

2.11. Satz (Burnsides Lemma). Gegeben sei eine Operation einer Gruppe G auf einer nichtleeren MengeΩ. Die Anzahl der Bahnen von G auf Ω sei n, und fur g ∈ G sei f(g) die Anzahl der Fixpunkte von gauf Ω, d.h. f(g) = |ω ∈ Ω : gω = ω|. Dann gilt: |G|n =

∑g∈G f(g).

Beweis. Offenbar ist∑g∈G f(g) = |(g, ω) ∈ G × Ω : gω = ω| =

∑ω∈Ω |StbG(ω)|. Auf jeder Bahn

ist |StbG(ω)| konstant nach Bemerkung 2.6(iv), und die Bahn eines ω ∈ Ω enthalt genau |G : StbG(ω)|Elemente. Mit Lagrange ergibt sich:

∑ω∈Ω |StbG(ω)| = n|G|.

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KAPITEL 3

Normalteiler und Faktorgruppen

3.1. Satz. Fur eine Untergruppe N einer Gruppe G sind aquivalent:(1) gNg−1 ⊆ N fur g ∈ G.(2) gNg−1 = N fur g ∈ G.(3) gN = Ng fur g ∈ G.(4) G/N ist Gruppe, wenn man definiert: (gN)(hN) := ghN fur g, h ∈ G.(5) Es existieren eine Gruppe H und ein Homomorphismus f : G→ H mit N = Ker(f).

Beweis. Algebra.

Definition. Gegebenenfalls nennt man N eine normale Untergruppe oder einen Normalteiler von G, undman schreibt: N E G (bzw. N C G im Fall N 6= G). Man bezeichnet G/N (= N \G) als Faktorgruppevon G nach N . Statt gN = hN schreibt man auch: g ≡ h (mod N).

Bemerkung. Fur jeden Normalteiler N von G ist die Abbildung f : G→ G/N, g 7→ gN ein Homomor-phismus, den man den kanonischen oder den naturlichen Epimorphismus von G nach G/N nennt. Daherist 1G/N = f(1G) = 1GN = N und (gN)−1 = g−1N fur g ∈ G.

Beispiel.(i) Fur jede Gruppe G sind 1 und G normal in G. Ist G 6= 1 und sind 1 und G die einzigen Nor-

malteiler von G, so nennt man G einfach. Nach dem Satz von Lagrange sind z.B. Gruppen vonPrimzahlordnung stets einfach und zyklisch. Die Bestimmung aller endlichen einfachen Gruppenwar eines der bisher großten Projekte in der Mathematik. Beteiligt waren ca. 50–100 Mathemati-ker. Die entsprechenden Arbeiten haben einen Umfang von ca. 10000 Seiten. Das Projekt wurdeca. 1980 erfolgreich abgeschlossen. Zwei Bucher von D. Gorenstein informieren uber die wichtigstenSchritte.

(ii) In jeder Gruppe G ist jede Untergruppe von Z(G) normal wegen (3); insbesondere ist Z(G) E G.Speziell in abelschen Gruppen ist jede Untergruppe normal.

(iii) Ist G Gruppe und H ≤ G mit |G : H| = 2, so ist H E G.(iv) Fur jede Untergruppe H einer Gruppe G ist nach Definition stets H E NG(H).(v) Fur jede Teilmenge X einer Gruppe ist CG(X) E NG(X); denn CG(X) ist der Kern der durch

gx := gxg−1 fur g ∈ NG(X) und x ∈ X definierten Operation von NG(X) auf X.(vi) Fur jede Untergruppe H einer Gruppe G ist CoreG(H) =

⋂g∈G gHg

−1 als Kern einer Operationnormal in G. Offenbar ist CoreG(H) ⊆ H, und fur jeden Normalteiler N von G mit N ⊆ H gilt:

N =⋂g∈G

gNg−1 ⊆⋂g∈G

gHg−1 = CoreG(H).

Daher ist CoreG(H) der ”großte“ in H enthaltene Normalteiler in G. Analog ist

〈gHg−1 : g ∈ G〉 := 〈⋃g∈G

gHg−1〉 E G;

fur X :=⋃g∈G gHg

−1 und x ∈ G ist namlich:

xXx−1 =⋃g∈G

xgHg−1x−1 =⋃y∈G

yHy−1 = X,

11

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12 3. NORMALTEILER UND FAKTORGRUPPEN

also auch x〈X〉x−1 = 〈xXx−1〉 = 〈X〉. Man nennt 〈gHg−1 : g ∈ G〉 den normalen Abschlußvon H in G. Ist N E G mit H ⊆ N , so ist auch gHg−1 ⊆ gNg−1 = N fur g ∈ G, also〈gHg−1 : g ∈ G〉 ⊆ N . Daher ist 〈gHg−1 : g ∈ G〉 der ”kleinste“ Normalteiler von G, der Henthalt.

(vii) Fur n ∈ N und jeden Korper K ist SL(n,K) = Ker(det) E GL(n,K) und Alt(n) = Ker(sgn) ESym(n).

(viii) Fur jeden Homomorphismus von Gruppen f : G → H und jeden Normalteiler N von H istf−1(N) E G. Umgekehrt gilt fur jeden Normalteiler M von G f(M) E f(G), aber nicht notwendigf(M) E H.

(ix) Ist G = Sym(3) und

H = 〈(

1 2 32 1 3

)〉 =

(1 2 31 2 3

),

(1 2 32 1 3

),

so ist H 6E G wegen(1 2 31 3 2

)(1 2 32 1 3

)(1 2 31 3 2

)−1

=(

1 2 33 · ·

)6∈ H.

(x) Fur jede Familie (Ni)i∈I von Normalteilern einer Gruppe sind auch⋂i∈I Ni und 〈Ni : i ∈ I〉 :=

〈⋃i∈I Ni〉 normal in G.

(xi) Fur jede Gruppe G, jeden Automorphismus α von G und beliebige a, b ∈ G gilt:

α(aα−1(b)a−1) = α(a)α(α−1(b))α(a)−1 = α(a)bα(a)−1.

Bezeichnet man den von einem Element g ∈ G induzierten inneren Automorphismus von G mitfg, so ist also α fa α−1 = fα(a) ∈ Inn(G). Insbesondere ist Inn(G) E Aut(G). Man nennt dieFaktorgruppe Aut(G)/ Inn(G) =: Out(G) die außere Automorphismengruppe von G.

3.2. Satz (Homomorphiesatz). Fur jeden Homomorphismus von Gruppen f : G → H ist die Abbil-dung F : G/Ker(f) → f(G), gKer(f) 7→ f(g) wohldefiniert und ein Isomorphismus; insbesondere istG/Ker(f) ∼= f(G) und |G/Ker(f)| = |f(G)|.

Beweis. Algebra.

Beispiel. Als leichte Anwendung erhalt man:(i) Fur jede zyklische Gruppe G = 〈g〉 = gn : n ∈ Z ist die Abbildung f : Z → G, z 7→ gz ein

Epimorphismus. Im Fall Ker(f) = 0 ist also G ∼= Z, und im Fall Ker(f) = nZ fur ein n ∈ N istG ∼= Z/nZ.

(ii) Fur jede Untergruppe H einer Gruppe G induziert nach Beispiel 2.6(v) die Operation von G aufG/H durch Linksmultiplikation einen Homomorphismus f : G→ Sym(G/H) mit Kern CoreG(H)(vgl. 2.6(ii)). Insbesondere ist G/CoreG(H) ∼= f(G) ≤ Sym(G/H). Im Fall |G : H| <∞ ist also

|G : H|∣∣ |G : CoreG(H)| = |f(G)|

∣∣ |Sym(G/H)| = |G : H|! <∞.Im Fall H = 1 ist CoreG(H) = 1, d.h. G ist zu einer Untergruppe von Sym(G) isomorph (Satz vonCayley). Ist G endlich und |G : H| der kleinste Primteiler p von |G|, so folgt: p

∣∣ |G : CoreG(H)|∣∣

ggT(p!, |G|) = p, d.h. p = |G : H| = |G : CoreG(H)| und damit H = CoreG(H) E G.(iii) Fur n ∈ N mit n ≥ 2 ist sgn : Sym(n)→ ±1 ein Epimorphismus. Daher ist |Sym(n) : Alt(n)| = 2

und |Alt(n)| = n!2 .

(iv) Fur n ∈ N und jeden endlichen Korper K ist bekanntlich |GL(n,K)| = (qn − 1)(qn − q) . . . (qn −qn−1) mit q := |K|. Da det : GL(n,K)→ K \0 surjektiv ist, folgt: |GL(n,K) : SL(n,K)| = q−1und |SL(n,K)| = (qn − 1)(qn − q) . . . (qn − qn−1)

/(q − 1).

(v) Fur jede Untergruppe H einer Gruppe G operiert NG(H) auf H durch Konjugation (vgl. Bei-spiel 3.1(v)). Der Kern dieser Operation ist CG(H), und das Bild der zugehorigen Abbildungτ : NG(H) → Sym(H) ist eine Untergruppe von Aut(H). Daher ist NG(H)/CG(H) zu einer Un-tergruppe von Aut(H) isomorph. Im Spezialfall H = G ist NG(H) = G, CG(H) = Z(G) undτ(G) = Inn(G). Daher ist G/Z(G) ∼= Inn(G).

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3. NORMALTEILER UND FAKTORGRUPPEN 13

3.3. Satz (Erster Isomorphiesatz). Fur jede Gruppe G, jede Untergruppe H von G und jeden NormalteilerN von G ist HN ≤ G, N E HN, H ∩N E H und H/H ∩N ∼= HN/N .

Beweis. Algebra.

Bemerkung. Im Fall H E G ist HN E G.

3.4. Satz. Fur jede Menge π von Primzahlen und jede Gruppe G gilt:(i) Ist G π-Gruppe, so auch jede Untergruppe von G.(ii) Fur jeden Normalteiler N von G gilt: G π-Gruppe ⇔ N,G/N π-Gruppen.

(iii) G,H π-Gruppen ⇒ G×H π-Gruppe.(iv) H π-Untergruppe, N π-Normalteiler von G ⇒ HN π-Untergruppe von G.(v) M,N π-Normalteiler von G ⇒ MN π-Normalteiler von G.(vi) Oπ(G) := 〈N : N π-Normalteiler von G〉 ist π-Normalteiler von G.

Beweis.(i) Trivial.(ii) ⇒: Fur g ∈ G ist (gN)|〈g〉| = g|〈g〉|N = 1N = N , also |〈gN〉|

∣∣ |〈g〉|.⇐: Fur g ∈ G ist g|〈gN〉|N = (gN)|〈gN〉| = 1G/N = N , also h := g|〈gN〉| ∈ N und g|〈gN〉|·|〈h〉| =h|〈h〉| = 1. Daher ist |〈g〉|

∣∣ |〈gN〉| · |〈h〉|.(iii) g ∈ G, h ∈ H ⇒ (g, h)|〈g〉|·|〈h〉| = (g|〈g〉|·|〈h〉|, h|〈g〉|·|〈h〉|) = (1, 1) = 1 ⇒ |〈(g, h)〉|

∣∣ |〈g〉| · |〈h〉|.(iv) H π-Untergruppe, N π-Normalteiler von G ⇒ HN/N

3.3∼= H/H ∩N π-Gruppe nach (ii)(ii)⇒ HN

π-Gruppe.(v) Klar (auch fur endlich viele Faktoren).(vi) Offenbar ist Oπ(G) E G. Fur g ∈ Oπ(G) existieren endlich viele π-Normalteiler N1, . . . , Nr von G

und Elemente g1 ∈ N1, . . . , gr ∈ Nr mit g = g1 . . . gr ∈ N1 . . . Nr. Nach (v) ist N1 . . . Nr π-Gruppe,also g π-Element.

Definition. Man nennt Oπ(G) den π-Kern oder das π-Radikal von G.

3.5. Satz (Zweiter Isomorphiesatz). Fur jede Gruppe G und jeden Normalteiler N von G ist die AbbildungH 7→ H/N eine Bijektion zwischen der Menge aller Untergruppen von G, die N enthalten, und der Mengealler Untergruppen von G/N . Eine Untergruppe H von G, die N enthalt, ist genau dann normal in G,wenn H/N normal in G/N ist. In diesem Fall ist (G/N)/(H/N) ∼= G/H.

Beweis. Algebra.

Bemerkung. Als Anwendung erhalt man:(i) In jeder unendlichen zyklischen Gruppe G = 〈g〉 existiert fur n ∈ N genau eine Untergruppe vom

Index n, und zwar 〈gn〉. Auf diese Weise erhalt man alle nichttrivialen Untergruppen von G.(ii) In jeder endlichen zyklischen Gruppe G = 〈g〉 existiert zu jedem Teiler n von |G| genau eine

Untergruppe vom Index n, namlich 〈gn〉.

3.6. Satz (Dritter Isomorphiesatz, Zassenhaus). Fur jede Gruppe G, beliebige Untergruppen U, V von Gund beliebige Normalteiler U0 von U , V0 von V gilt:U0(U ∩ V0) E U0(U ∩ V ), V0(V ∩ U0) E V0(V ∩ U), (U0 ∩ V )(V0 ∩ U) E U ∩ V und

U0(U ∩ V )/U0(U ∩ V0) ∼= V0(V ∩ U)/V0(V ∩ U0) ∼= (U ∩ V )/(U0 ∩ V )(V0 ∩ U).

Beweis. Algebra.

3.7. Bemerkung. Fur jede Familie (Ni)i∈I von Normalteilern einer Gruppe G ist die AbbildungG→×

i∈I(G/Ni), g 7→ (gNi)i∈I ein Homomorphismus mit Kern

⋂i∈I Ni; insbesondere ist die Abbildung

G/⋂i∈I Ni →×

i∈I(G/Ni), g(

⋂i∈I Ni) 7→ (gNi)i∈I nach dem Homomorpiesatz ein Monomorphismus.

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14 3. NORMALTEILER UND FAKTORGRUPPEN

Satz. Sind M,N Normalteiler einer Gruppe G mit M ∩ N = 1, so ist jedes Element in M mit jedemElement in N vertauschbar.

Beweis. Nach der Bemerkung ist die Abbildung f : G→ G/M ×G/N, g 7→ (gM, gN) ein Monomorphis-mus. Fur m ∈M, n ∈ N gilt also:

f(mn) = (mnM,mnN) = (Mmn,mN) = (Mn,mN) = (nM,Nm) == (nM,Nnm) = (nmM,nmN) = f(nm),

d.h. mn = nm.

3.8. Bemerkung. Fur jede Primzahlenmenge π, jede endliche Gruppe G und beliebige Normalteiler N1,. . . , Nr von G gilt nach 3.7 und 3.4: Ist G/Ni π-Gruppe fur i = 1, . . . , r, so auch G/N1 ∩ . . . ∩ Nr.Insbesondere ist der Durchschnitt aller Normalteiler N von G mit der Eigenschaft, daß G/N eine π-Gruppe ist, ein Normalteiler Oπ(G), und G/Oπ(G) eine π-Gruppe. Man nennt Oπ(G) das π-Residuumvon G.

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KAPITEL 4

Normalreihen und Gruppen mit Operatoren

4.1. Definition. Unter einer Subnormalreihe einer Gruppe G versteht man eine endliche Folge

G = G0 D G1 D G2 D . . . D Gl = 1

von Untergruppen von G mit Gi E Gi−1 fur i = 1, . . . , l. Ist sogar Gi E G fur i = 1, . . . , l, so sprichtman von einer Normalreihe von G. Die Faktorgruppen Gi−1/Gi (i = 1, . . . , l) nennt man die Faktorenund ihre Anzahl l die Lange dieser (Sub-)Normalreihe. Ist Gi−1 6= Gi fur i = 1, . . . , l, so spricht man voneiner (Sub-)Normalreihe ohne Wiederholungen. Eine (Sub-)Normalreihe G = H0 D H1 D . . . D Hm = 1von G nennt man eine Verfeinerung der obigen (Sub-)Normalreihe, falls eine injektive Abbildung f :1, . . . , l → 1, . . . ,m existiert mit Gi = Hf(i) fur i = 1, . . . , l. Im Fall m > l spricht man von einerechten Verfeinerung.

Beispiel. Sym(4) D Alt(4) D V4 D 〈( 1 2 3 42 1 4 3 )〉 D 1 ist eine Subnormalreihe, wobei V4 := 〈( 1 2 3 4

2 1 4 3 ) ,( 1 2 3 4

3 4 1 2 )〉 die Kleinsche Vierergruppe ist. Diese Subnormalreihe ist wegen 〈( 1 2 3 42 1 4 3 )〉 6E Sym(4) keine

Normalreihe. Dagegen ist Sym(4) D Alt(4) D V4 D 1 eine Normalreihe.

4.2. Definition. Zwei Subnormalreihen G = G0 D G1 D . . . D Gl = 1 und G = H0 D H1 D . . . D Hm =1 nennt man isomorph, wenn l = m ist und ein f ∈ Sym(l) existiert mit Gi−1/Gi ∼= Hf(i)−1/Hf(i) furi = 1, . . . , l.

Beispiel. Z/6Z hat isomorphe Subnormalreihen:

Z/6Z D 2Z/6Z D 1 und Z/6Z D 3Z/6Z D 1.

Satz (Verfeinerungssatz, Schreier). Je zwei Subnormalreihen einer Gruppe G besitzen isomorphe Verfei-nerungen.

Beweis. Algebra.

4.3. Definition. Eine Kompositionsreihe einer Gruppe G ist eine Subnormalreihe von G ohne Wieder-holungen, die keine echte Verfeinerung ohne Wiederholungen besitzt.

Beispiel. Z besitzt keine Kompositionsreihe; denn jede Subnormalreihe Z D n1Z D n2Z D . . . D niZ D 0laßt sich zu Z D n1Z D . . . D niZ D 2niZ D 0 verfeinern. Andrerseits besitzt jede endliche Gruppe eineKompositionsreihe.

Bemerkung. Nach dem 2. Isomorphiesatz ist eine Subnormalreihe genau dann eine Kompositionsreihe,wenn alle ihre Faktoren einfache Gruppen sind.

Satz (Jordan-Holder). Besitzt eine Gruppe G eine Kompositionsreihe, so sind je zwei Kompositionsreihenvon G isomorph.

Beweis. Algebra.

4.4. Definition. Die Faktoren einer Kompositionsreihe einer Gruppe G nennt man Kompositionsfaktorenvon G und die Lange einer Kompositionsreihe die Kompositionslange von G.

Bemerkung. Nach Jordan-Holder bestimmt eine Gruppe G ihre Kompositionslange eindeutig und ihreKompositionsfaktoren eindeutig bis auf Isomorphie.

15

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16 4. NORMALREIHEN UND GRUPPEN MIT OPERATOREN

4.5. Definition. Gegeben sei eine Menge Ω. Eine Ω-Gruppe ist ein Paar, das aus einer Gruppe G undeiner Abbildung Ω×G→ G, (ω, g) 7→ ωg mit folgender Eigenschaft besteht: Fur g, h ∈ G und ω ∈ Ω istω(gh) = (ωg)(ωh). Die Elemente in Ω nennt man Operatoren fur G, und man sagt kurz: G ist Ω-Gruppe.

Bemerkung. Fur ω ∈ Ω ist dann die Abbildung G → G, g 7→ ωg ein Endomorphismus von G; dabeiist zugelassen, daß verschiedene Elemente in Ω den gleichen Endomorphismus liefern.

Beispiel.

(i) Jeder Vektorraum V uber einem Korper Ω laßt sich als Ω-Gruppe mit ωv := ωv fur ω ∈ Ω, v ∈ Vauffassen.

(ii) G beliebig, Ω = End(G), ωg := ω(g) fur ω ∈ Ω, g ∈ G; analog fur Ω = Aut(G) oder Ω = Inn(G).(iii) G beliebig, Ω ≤ G, ωg := ωgω−1 fur ω ∈ Ω, g ∈ G.(iv) Fur jede Familie (Gi)i∈I von Ω-Gruppen ist auch ×

i∈IGi eine Ω-Gruppe, wenn man definiert:

ω(gi)i∈I := (ωgi)i∈I fur ω ∈ Ω, (gi)i∈I ∈×i∈I

Gi.

4.6. Definition. Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G. Eine Untergruppe H von G mitωh ∈ H fur alle ω ∈ Ω, h ∈ H nennt man eine Ω-Untergruppe von G.

Bemerkung.

(i) In diesem Fall wird H selbst zu einer Ω-Gruppe.(ii) Ist G beliebig und Ω = End(G) wie oben, so nennt man Ω-Untergruppen auch vollinvariante

Untergruppen von G.(iii) Ist G beliebig und Ω = Aut(G) wie oben, so nennt man Ω-Untergruppen auch charakteristische

Untergruppen von G.(iv) Ist G beliebig und Ω = Inn(G) wie oben, so sind die Ω-Untergruppen von G genau die Normalteiler

von G.

Beispiel. Fur jede Gruppe G ist Z(G) charakteristisch, aber nicht notwendig vollinvariant in G.

Satz. Fur Untergruppen H,K einer Gruppe G mit K ≤ H ≤ G gilt:

(i) K charakteristisch (vollinvariant) in H ∧ H charakteristisch (vollinvariant) in G ⇒ K charak-teristisch (vollinvariant) in G.

(ii) K charakteristisch in H ∧ H E G ⇒ K E G.

Beweis.

(i) Sei K charakteristisch in H, H charakteristisch in G und α ∈ Aut(G). Dann ist α(H) ⊆ H =α(α−1(H)) ⊆ α(H), also α(H) = H. Daher ist die Einschrankung α′ von α ein Automorphismusvon H. Folglich ist α(K) = α′(K) ⊆ K.Analog fur vollinvariante Untergruppen.

(ii) Sei K charakteristisch in H, H E G und g ∈ G. Dann ist die Abbildung α : H → H, h 7→ ghg−1

ein Automorphismus von H. Also ist gKg−1 = α(K) ⊆ K.

4.7. Definition. Gegeben seien eine Menge Ω und Ω-Gruppen G,H. Einen Homomorphismus f : G→ Hmit f(ωg) = ωf(g) fur alle ω ∈ Ω, g ∈ G nennt man einen Ω-Homomorphismus. Wie ublich hat man auchdie Begriffe ”Ω-Monomorphismus“, . . . , ”Ω-isomorph“ und die Notationen ∼=Ω, HomΩ(G,H), EndΩ(G),AutΩ(G).

Bemerkung.

(i) Fur jeden Ω-Normalteiler N von G (d.h. N ist Ω-Untergruppe von G und N E G) wird G/N zueiner Ω-Gruppe, wenn man definiert: ω(gN) = (ωg)N fur ω ∈ Ω, g ∈ G; dies rechnet man leichtnach. Der kanonische Epimorphismus G→ G/N, g 7→ gN ist dann ein Ω-Epimorphismus.

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4. NORMALREIHEN UND GRUPPEN MIT OPERATOREN 17

(ii) Bild und Kern von Ω-Homomorphismen sind Ω-Untergruppen, und jeder Ω-Homomorphismus fvon einer Ω-Gruppe G in eine Ω-Gruppe H induziert einen Ω-Isomorphismus G/Ker(f) → f(G)(Homomorphiesatz fur Ω-Gruppen); dies rechnet man leicht nach. Analog ubertragen sich dieanderen Isomorphiesatze auf Ω-Gruppen. Wir verwenden diese im folgenden ohne Kommentar.

4.8. Definition. Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G 6= 1. Man nennt G eine einfacheΩ-Gruppe, wenn 1 und G die einzigen Ω-Normalteiler von G sind. Im Fall Ω = Aut(G) nennt man Gcharakteristisch einfach.

Bemerkung. Es ist klar, wie man Ω-(Sub-)Normalreihen und Ω-Kompositionsreihen definiert. Die Satzevon Schreier und Jordan-Holder ubertragen sich. Im Fall Ω = Inn(G) spricht man von Hauptreihen undim Fall Ω = Aut(G) von charakteristischen Reihen statt von Ω-Kompositionsreihen. Die Faktoren einerHauptreihe nennt man Hauptfaktoren. Nach Satz 4.6(ii) sind diese charakteristisch einfach.

Satz. Gegeben sei eine Menge Ω, eine Ω-Gruppe G, eine Ω-Subnormalreihe G0 D G1 D . . . D Gr von Gund eine Ω-Untergruppe H von G. Setzt man Hi := H ∩Gi fur i = 0, . . . , r, so ist H0 D H1 D . . . D Hr

eine Ω-Subnormalreihe von H mit

Hi−1/Hi∼=Ω (H ∩Gi−1)Gi/Gi ≤ Gi−1/Gi fur i = 1, . . . , r.

Beweis. Fur i = 1, . . . , r ist Hi = H ∩ Gi = (H ∩ Gi−1) ∩ Gi E H ∩ Gi−1 = Hi−1 und Hi−1/Hi =(H ∩Gi−1)/(H ∩Gi−1) ∩Gi ∼=Ω (H ∩Gi−1)Gi/Gi nach dem 1. Isomorphiesatz.

4.9. Satz. Gegeben seien eine Menge Ω, eine Ω-Gruppe G und Ω-Normalteiler M,N von G. BesitzenG/M und G/N Ω-Kompositionsreihen, so auch G/M ∩N , und jeder Ω-Kompositionsfaktor von G/M ∩Nist zu einem Ω-Kompositionsfaktor von G/M oder G/N isomorph.

Beweis. Wegen (G/M ∩N)/(M/M ∩N) ∼=Ω G/M und (G/M ∩N)/(N/M ∩N) ∼=Ω G/N kann man zuG/M∩N stattG ubergehen und daherM∩N = 1 annehmen. Nach dem 1. Isomorphiesatz istM/M∩N Ω-isomorph zu dem Ω-Normalteiler MN/N von G/N , besitzt also eine Ω-Kompositionsreihe, deren Faktorenzu Ω-Kompositionsfaktoren von G/N Ω-isomorph sind. Sind G/M = G0/M D . . . D Gr/M = M/M undM = M0 D . . . DMs = 1 Ω-Kompositionsreihen von G/M bzw. M , so ist

G0 D . . . D Gr = M0 D . . . D Ms

‖ ‖ ‖ ‖G M M 1

eine Ω-Kompositionsreihe von G mit den gewunschten Eigenschaften.

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KAPITEL 5

Direkte Summen und Produkte

5.1. Bemerkung. Es ist plausibel, daß man viele Eigenschaften eines direkten Produkts G1 × . . .×Gnvon Gruppen Gi an den Eigenschaften der Faktoren Gi ablesen kann. Es ist daher wichtig, bei einervorgegebenen Gruppe G erkennen zu konnen, ob sie zu einem direkten Produkt G1 × . . .×Gn isomorphist.

Definition. Gegeben sei eine Familie (Gi)i∈I von Normalteilern einer Gruppe G mit folgenden Eigen-schaften:

(i) 〈Gi : i ∈ I〉 = G.(ii) Gi ∩ 〈Gj : j ∈ I \ i〉 = 1 fur i ∈ I.

Dann nennt man G eine direkte Summe der Familie (Gi)i∈I und schreibt: G =⊕

i∈I Gi.

5.2. Bemerkung.(i) Die Gruppe G sei direkte Summe der Familie (Gi)i∈I von Normalteilern von G. Fur verschiedene

i, j ∈ I ist dann Gi ∩Gj = 1 wegen (ii). Nach 3.7 ist also jedes Element in Gi mit jedem Elementin Gj vertauschbar. Zu jedem g ∈ G existieren also nach (i) Elemente i1, . . . , in ∈ I, gi1 ∈Gi1 , . . . , gin ∈ Gin mit g = gi1 . . . gin , wobei o.B.d.A. i1, . . . , in paarweise verschieden sind. Aufdie Reihenfolge der Faktoren kommt es dabei nicht an. Wir setzen gi := 1 fur i ∈ I \ i1, . . . , inund schreiben dieses Produkt dann auch in der Form g =

∏i∈I gi. Hat man eine weitere Familie

(hi)i∈I von Elementen hi ∈ Gi mit |i ∈ I : hi 6= 1| < ∞ und g =∏i∈I hi, so ist gi = hi fur

i ∈ I; im Fall gj 6= hj fur ein j ∈ I ware namlich 1 6= g−1j hj =

∏i∈I\j gih

−1i ∈ Gj ∩ 〈Gi : i ∈

I \ j〉 = 1. Widerspruch. Daher laßt sich jedes Element g ∈ G in der Form g =∏i∈I gi mit

eindeutig bestimmten Elementen gi ∈ Gi schreiben, von denen nur endlich viele von 1 verschiedensind. Es folgt leicht, daß die Abbildung

∐i∈I Gi → G, (gi)i∈I 7→

∏i∈I gi ein Isomorphismus ist.

Man identifiziert daher haufig⊕

i∈I Gi mit∐i∈I Gi und schreibt z.B. im Fall I = 1, . . . , n auch

G1 × . . .×Gn statt G1 ⊕ . . .⊕Gn.(ii) Hat man umgekehrt eine Familie (Gi)i∈I von Gruppen vorgegeben und setzt man G :=

∐i∈I Gi,

Gj := (gi)i∈I : gi = 1 fur i 6= j fur j ∈ I, so ist G =⊕

j∈I Gj , wie man leicht nachrechnet.

5.3. Satz. Gegeben seien Normalteiler G1, . . . , Gn einer Gruppe G mit G = G1 . . . Gn und Gi ∩ G1 . . .Gi−1 = 1 fur i = 2, . . . , n. Dann ist G = G1 ⊕ . . .⊕Gn.

Beweis. Sei i ∈ 1, . . . , n und 1 6= g ∈ Gi ∩ 〈G1, . . . , Gi−1, Gi+1, . . . , Gn〉 = Gi ∩G1 . . . Gi−1Gi+1 . . . Gn.Dann existieren g1 ∈ G1, . . . , gn ∈ Gn mit g−1

i = g = g1 . . . gi−1gi+1 . . . gn. Fur j, k = 1, . . . , n mitj 6= k ist Gj ∩ Gk = 1, also jedes Element in Gj mit jedem Element in Gk vertauschbar. Daher ist1 = g1 . . . gi−1gigi+1 . . . gn. Sei j ∈ 1, . . . , n maximal mit gj 6= 1. Dann ist 1 6= g−1

j = g1 . . . gj−1 ∈Gj ∩G1 . . . Gj−1 im Widerspruch zur Voraussetzung.

5.4. Satz. Gegeben seien Normalteiler G1, . . . , Gn einer endlichen Gruppe G mit |G| = |G1| . . . |Gn| undggT(|Gi|, |Gj |) = 1 fur i 6= j. Dann ist G = G1 ⊕ . . .⊕Gn.

Beweis. Wir zeigen durch Induktion nach i, daß Gi ∩ G1 . . . Gi−1 = 1 und |G1 . . . Gi| = |G1| . . . |Gi| ist.Fur i = 2 ist |G1 ∩G2|

∣∣ ggT(|G1|, |G2|) = 1, also G1 ∩G2 = 1 und |G1G2| = |G1| · |G2|. Ist die Aussagefur i bereits bewiesen, so ist

|Gi+1 ∩G1 . . . Gi|∣∣ ggT(|Gi+1|, |G1 . . . Gi|) = ggT(|Gi+1|, |G1| . . . |Gi|) = 1

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5. DIREKTE SUMMEN UND PRODUKTE 19

und|G1 . . . GiGi+1| = |G1 . . . Gi| · |Gi+1| = |G1| . . . |Gi| · |Gi+1|.

Schließlich ist |G| = |G1| . . . |Gn| = |G1 . . . Gn|, also G = G1 . . . Gn. Wende 5.3 an.

5.5. Definition. Ein minimaler (maximaler) Normalteiler einer Gruppe G ist ein Normalteiler N 6= 1(N 6= G) von G mit der Eigenschaft, daß kein Normalteiler M von G existiert mit 1 6= M < N (N <M 6= G).

Satz.(i) Jede endliche charakteristisch einfache Gruppe G ist direkte Summe isomorpher einfacher Grup-

pen.(ii) Sind G1, . . . , Gn nichtabelsche einfache Normalteiler einer Gruppe G mit G = G1 ⊕ . . . ⊕ Gn, so

sind die Teilsummen Gi1 ⊕ . . .⊕Gik die einzigen Normalteiler von G, und zu jedem NormalteilerN von G exstiert ein Normalteiler M von G mit G = N ⊕M .

(iii) Direkte Produkte von endlich vielen isomorphen einfachen Gruppen sind stets charakteristischeinfach.

Beweis.(i) Sei G endlich und charakteristisch einfach und N ein minimaler Normalteiler von G. Fur α ∈

Aut(G) ist dann auch α(N) ein minimaler Normalteiler von G. Wir wahlen eine moglichst großeUntergruppe M von G, die direkte Summe einiger α(N) ist. Offenbar ist M E G.Annahme: β(N) 6⊆ M fur ein β ∈ Aut(G). Dann ist M ∩ β(N) E G und M ∩ β(N) < β(N), alsoM ∩β(N) = 1 wegen der Minimalitat von β(N). Folglich ist Mβ(N) = M⊕β(N) im Widerspruchzur Wahl von M .Daher ist M = 〈β(N) : β ∈ Aut(G)〉 charakteristische Untergruppe von G, also M = G. Folglichexistieren α1, . . . , αn ∈ Aut(G) mit G = α1(N) ⊕ . . . ⊕ αn(N). Da fur i 6= j jedes Element inαi(N) mit jedem Element in αj(N) vertauschbar ist, ist fur i = 1, . . . , n jeder Normalteiler Kvon αi(N) auch einer von G, also K ∈ 1, αi(N) wegen der Minimalitat von αi(N). Daher sindα1(N), . . . , αn(N) einfache Gruppen.

(ii) Seien G1, . . . , Gn einfache nichtabelsche Normalteiler einer Gruppe G mit G = G1 ⊕ . . .⊕Gn, seiN E G und g ∈ N, g = g1 . . . gn mit g1 ∈ G1, . . . , gn ∈ Gn. Es genugt zu zeigen: Ist i ∈ 1, . . . , nmit gi 6= 1, so ist Gi ⊆ N . Sei also i ∈ 1, . . . , n und gi 6= 1. Da Gi einfach und nichtabelsch ist,ist Z(Gi) = 1; insbesondere ist gi 6∈ Z(Gi). Also existiert ein h ∈ Gi mit hgi 6= gih, d.h

1 6= hgih−1g−1

i = h

∈Gi︷ ︸︸ ︷gh−1︸ ︷︷ ︸∈N

g−1 ∈ Gi ∩N.

Folglich ist 1 6= Gi ∩N E Gi, also Gi = Gi ∩N ⊆ N .(iii) Sei H eine einfache Gruppe, n ∈ N und G := Hn = H × . . .×H︸ ︷︷ ︸

n

.

Fall 1: H nichtabelsch. Dann ist G = H1 ⊕ . . .⊕Hn, wobei

Hi := 1× . . .× 1×

i↓H × 1× . . .× 1 ∼= H fur i = 1, . . . , n.

Jede charakteristische Untergruppe N 6= 1 von G enthalt nach (ii) ein Hi. Fur f ∈ Sym(n) istaber die Abbildung α : G→ G, (g1, . . . , gn) 7→ (gf(1), . . . , gf(n)) ein Automorphismus von G. Alsoist α(Hi) ⊆ N und Hj ⊆ N fur j = 1, . . . , n, d.h. N = G.Fall 2: H abelsch, also H ∼= Z/pZ fur eine Primzahl p. Also ist G ∼= (Z/pZ)n, o.B.d.A. G =(Z/pZ)n. Jeder Automorphismus des Z/pZ-Vektorraumes (Z/pZ)n ist auch ein Automorphismusder Gruppe (Z/pZ)n. Wie man in der Linearen Algebra zeigt, existiert fur je zwei Elemente x, y ∈G \ 1 ein Vektorraum-Automorphismus α von G mit α(x) = y. Folglich ist G charakteristischeinfach.

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20 5. DIREKTE SUMMEN UND PRODUKTE

5.6. Satz (Hauptsatz uber endlich erzeugte abelsche Gruppen).(i) Zu jeder endlich erzeugten abelschen Gruppe G existieren eindeutig bestimmte n1, . . . , nr ∈ N0 mit

n1

∣∣ n2

∣∣ . . . ∣∣ nr und G ∼= Z/n1Z× . . .× Z/nrZ.(ii) Zu jeder endlich erzeugten abelschen Gruppe G existieren eindeutig bestimmte Primzahlpotenzen

q1 = pa11 , . . . , qs = pas

s und ein eindeutig bestimmtes t ∈ N0 mit G ∼= Z/q1Z × . . . × Z/qsZ ×Z× . . .× Z︸ ︷︷ ︸

t

.

Beweis. Algebra.

5.7. Definition. Einen Endomorphismus α einer Gruppe G mit α(xyx−1) = xα(y)x−1 fur alle x, y ∈ Gnennt man normal.

Bemerkung.(i) Mit Ω := Inn(G) sind also die normalen Endomorphismen genau die Ω-Endomorphismen.

(ii) Ist α normal, so ist x−1α(x)α(y)α(x)−1x = α(y) fur x, y ∈ G, also x−1α(x) ∈ CG(α(G)) furx ∈ G. Im Fall α ∈ Aut(G) ist also x−1α(x) ∈ Z(G) fur x ∈ G.

Beispiel. Die Nullabbildung 0 = 0G : G→ G, g 7→ 1 ist fur jede Gruppe G ein normaler Endomorphis-mus.

Satz (Schurs Lemma). Gegeben sei eine Menge Ω, eine einfache Ω-Gruppe G und ein normaler Ω-Endomorphismus α 6= 0 von G. Dann ist α ∈ AutΩ(G).

Beweis. Offenbar ist α(G) ein Ω-Normalteiler von G. Wegen α 6= 0 ist α(G) 6= 1, also α(G) = G, d.h. αist surjektiv. Analog ist Ker(α) ein Ω-Normalteiler von G mit Ker(α) 6= G wegen α 6= 0, also Ker(α) = 1,d.h. α ist injektiv.

5.8. Definition. Gegeben sei eine Menge Ω und eine Ω-GruppeG. Man sagt, daßG die Minimalbedingung(bzw. Maximalbedingung) fur Ω-Untergruppen erfullt, falls jede nichtleere MengeM von Ω-Untergruppenvon G ein minimales (bzw. maximales) Element M enthalt, d.h. es existiert kein H ∈ M mit H < M(bzw. M < H).

Satz (Fitting). Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G mit Minimal- und Maximalbedingungfur Ω-Untergruppen. Zu jedem normalen Ω-Endomorphismus α von G existiert dann ein k ∈ N mit:

(i) G ≥ α(G) ≥ α2(G) ≥ . . . ≥ αk(G) = αk+1(G) = . . .(ii) 1 ≤ Ker(α) ≤ Ker(α2) ≤ . . . ≤ Ker(αk) = Ker(αk+1) = . . .

Fur jedes solche k ist G = Ker(αk)⊕ αk(G).

Beweis. (i) und (ii) folgen aus der Minimal- und Maximalbedingung. Offenbar sind Ker(αk) und αk(G)Normalteiler von G. Fur g ∈ Ker(αk) ∩ αk(G) existiert ein h ∈ G mit g = αk(h), und es ist 1 = αk(g) =α2k(h), also h ∈ Ker(α2k) = Ker(αk). Damit ist g = αk(h) = 1. Fur g ∈ G ist andrerseits αk(g) ∈αk(G) = α2k(G), also αk(g) = α2k(h) fur ein h ∈ G. Dann ist 1 = αk(g)α2k(h)−1 = αk(gαk(h−1)), alsogαk(h−1) ∈ Ker(αk) und g = gαk(h−1)αk(h) ∈ Ker(αk)αk(G).

Bemerkung. Im Fall Ker(αk) = 1 ist also G = αk(G), d.h. αk und α sind bijektiv. Im Fall Ker(αk) = Gist αk = 0, und man nennt α nilpotent.

5.9. Definition. Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G 6= 1. Man nennt G unzerlegbar, fallses keine echten Ω-Normalteiler M,N von G mit G = M ⊕N gibt.

Bemerkung. Jeder normale Ω-Endomorphismus einer unzerlegbaren Ω-Gruppe mit Minimal- und Ma-ximalbedingung fur Ω-Untergruppen ist nach 5.8 entweder nilpotent oder bijektiv.

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KAPITEL 6

Direkte Zerlegungen

6.1. Definition. Zwei Endomorphismen α, β einer Gruppe G nennt man addierbar, falls die AbbildungG→ G, g 7→ α(g)β(g) ein Endomorphismus von G ist. Gegebenenfalls bezeichnet man diese Abbildungmit α+ β.

Satz. Zwei Endomorphismen α, β einer Gruppe G sind genau dann addierbar, wenn jedes Element inα(G) mit jedem Element in β(G) vertauschbar ist. In diesem Fall gilt also α+ β = β + α.

Beweis.⇒: Sind α, β addierbar, so gilt fur g, h ∈ G:

α(g)β(g)α(h)β(h) = (α+ β)(g)(α+ β)(h) = (α+ β)(gh) = α(gh)β(gh) == α(g)α(h)β(g)β(h),

also β(g)α(h) = α(h)β(g).⇐: Fur g, h ∈ G mit β(g)α(h) = α(h)β(g) ist

α(g)β(g)α(h)β(h) = α(g)α(h)β(g)β(h) = α(gh)β(gh).

Bemerkung.(i) Sind α, β ∈ End(G) addierbar, so auch α γ, β γ (bzw. γ α, γ β) fur γ ∈ End(G), und es gilt:

(α+ β) γ = α γ + β γ, γ (α+ β) = γ α+ γ β;

denn fur g ∈ G gilt:

((α+ β) γ)(g) = α(γ(g))β(γ(g)) = (α γ + β γ)(g)(γ (α+ β))(g) = γ(α(g)β(g)) = γ(α(g))γ(β(g)) = (γ α+ γ β)(g).

(ii) Ist Ω eine Menge, G eine Ω-Gruppe und sind α, β ∈ EndΩ(G) addierbar, so ist α+ β ∈ EndΩ(G);denn fur ω ∈ Ω und g ∈ G gilt:

ω((α+ β)(g)) = ω(α(g)β(g)) = (ωα(g))(ωβ(g)) = α(ωg)β(ωg) = (α+ β)(ωg).

(iii) Endomorphismen α1, . . . , αn einer Gruppe G heißen paarweise addierbar, falls αi und αj fur allei, j = 1, . . . , n mit i 6= j addierbar sind. In diesem Fall ist die Abbildung α1 + . . . + αn : G →G, g 7→ α1(g) . . . αn(g) ein Endomorphismus von G, und fur m = 1, . . . , n− 1 gilt: α1 + . . .+αn =(α1 + . . .+ αm) + (αm+1 + . . .+ αn).

6.2. Satz. Gegeben seien eine Menge Ω, eine unzerlegbare Ω-Gruppe G mit Minimal- und Maximalbedin-gung fur Ω-Untergruppen und addierbare normale Ω-Endomorphismen α, β von G mit α+ β ∈ AutΩ(G).Dann ist α ∈ AutΩ(G) oder β ∈ AutΩ(G).

Beweis. Nach 6.1 sind α′ := (α + β)−1 α, β′ := (α + β)−1 β ∈ EndΩ(G) addierbar mit α′ + β′ =(α+ β)−1(α+ β) = idG. Fur g ∈ G ist also

α′(β′(g)) = α′(α′(g−1)α′(g)β′(g)) = α′(α′(g−1)(α′ + β′)(g)) = α′(α′(g−1)g) == α′(α′(g−1))α′(g) = α′(α′(g−1))(α′ + β′)(α′(g)) == α′(α′(g−1))α′(α′(g))β′(α′(g)) = β′(α′(g)).

21

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22 6. DIREKTE ZERLEGUNGEN

Im Fall α′, β′ 6∈ AutΩ(G) waren beide nilpotent nach 5.8, also (α′)n = 0 = (β′)n fur ein n ∈ N. Dannware idG = (α′+β′)2n =

∑2nj=0

(2nj

)(α′)j(β′)2n−j = 0 ein Widerspruch zu G 6= 1. Daher ist α′ ∈ AutΩ(G)

oder β′ ∈ AutΩ(G), also α ∈ AutΩ(G) oder β ∈ AutΩ(G).

6.3. Satz. Gegeben seien eine Menge Ω und Ω-Normalteiler G1, . . . , Gn einer Ω-Gruppe G mit G = G1⊕. . .⊕Gn. Fur i = 1, . . . , n sei εi : G→ G definiert durch εi(g1 . . . gn) := gi fur g1 ∈ G1, . . . , gn ∈ Gn. Dannsind ε1, . . . , εn paarweise addierbare normale Ω-Endomorphismen von G mit ε2

i = εi fur i = 1, . . . , n,εi εj = 0 fur i 6= j und ε1 + . . .+ εn = idG.

Beweis. Fur i = 1, . . . , n ist εi nach Definition der direkten Summe wohldefiniert, und fur Elementeg1, h1 ∈ G1, . . . , gn, hn ∈ Gn, ω ∈ Ω, g ∈ G gilt:

εi((g1 . . . gn)(h1 . . . hn)) = εi(g1h1 . . . gnhn) = gihi = εi(g1 . . . gn)εi(h1 . . . hn),εi(ω(g1 . . . gn)) = εi(ωg1 . . .

ω gn) = ωgi = ωεi(g1 . . . gn),εi(g(g1 . . . gn)g−1) = εi((gg1g

−1) . . . (ggng−1)) = ggig−1 = gεi(g1 . . . gn)g−1.

Wegen εi(G) = Gi fur i = 1, . . . , n sind εi und εj fur i 6= j addierbar, und der Rest ist klar.

6.4. Satz. Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G mit Minimalbedingung fur Ω-Untergruppen.Ferner enthalte Ω alle inneren Automorphismen von G. Dann existieren endlich viele unzerlegbare Ω-Normalteiler G1, . . . , Gn von G mit G = G1 ⊕ . . .⊕Gn.

Beweis. Ist die Aussage falsch, so ist die MengeM aller Ω-Untergruppen von G, die sich nicht als direkteSumme von endlich vielen unzerlegbaren Ω-Untergruppen von G schreiben lassen, nichtleer und enthaltdaher ein minimales Element M . Dann ist M 6= 1, und M ist selbst keine unzerlegbare Ω-Untergruppevon G. Daher existieren echte Ω-Untergruppen M1,M2 von M mit M = M1 ⊕M2. Nach Wahl von Msind M1,M2 beide direkte Summe von endlich vielen unzerlegbaren Ω-Untergruppen von G, also auchM . Widerspruch.

6.5. Satz (Krull-Remak-Schmidt). Gegeben seien eine Menge Ω und eine Ω-Gruppe G mit Minimal- undMaximalbedingung fur Ω-Untergruppen. Ferner enthalte Ω alle inneren Automorphismen von G, und essei G = G1⊕ . . .⊕Gr = H1⊕ . . .⊕Hs mit unzerlegbaren Ω-Untergruppen G1, . . . , Gr, H1, . . . ,Hs von G.Dann ist r = s, nach geeigneter Umnumerierung von H1, . . . ,Hs ist G = H1⊕ . . .⊕Hi−1⊕Gi⊕ . . .⊕Grfur i = 2, . . . , r, und es existiert ein Ω-Automorphismus α von G mit α(Gi) = Hi fur i = 1, . . . , r.

Beweis. Wir konstruieren fur i = 1, . . . , r + 1 einen Ω-Automorphismus αi von G mit αi(G1) = H1, . . . ,αi(Gi−1) = Hi−1, αi(Gi) = Gi, . . . , αi(Gr) = Gr (bei geeigneter Numerierung von H1, . . . ,Hs). Fur i = 1setzt man α1 := idG. Sei nun αi fur ein i ∈ 1, . . . , r schon definiert. Dann ist

G = αi(G) = αi(G1 ⊕ . . .⊕Gr) = αi(G1)⊕ . . .⊕ αi(Gr) == H1 ⊕ . . .⊕Hi−1 ⊕Gi ⊕ . . .⊕Gr.

Zu dieser Zerlegung hat man ε1, . . . , εr ∈ EndΩ(G) wie in 6.3, und analog hat man η1, . . . , ηs ∈ EndΩ(G)zur Zerlegung G = H1 ⊕ . . .⊕Hs. Fur i = 1, . . . , r ist

εi = εi idG = εi s∑j=1

ηj =s∑j=1

εi ηj .

Dabei ist ηj(G) = Hj fur j = 1, . . . , s, also εj ηj = ηj und εi ηj = 0 fur j = 1, . . . , i− 1. Daher ist εi =∑sj=i εi ηj mit paarweise addierbaren Ω-Endomorphismen εi ηi, . . . , εi ηs. Fur jeden Endomorphismus

β von G mit β(Gi) ⊆ Gi sei β : Gi → Gi die Einschrankung von β. Dann ist idGi = εi =∑sj=1 εi ηj . Da

Gi unzerlegbar ist, folgt aus 6.2, daß sich unter εi ηi, . . . , εi ηs ein Automorphismus von Gi befindet.Nach Umnumerierung von Hi, . . . ,Hs kann man εi ηi ∈ AutΩ(G) annehmen.Beh.: Hi = ηi(Gi)⊕ (Ker(εi) ∩Hi).Bew.: Da εi und ηi Ω-Homomorphismen sind und Ω alle inneren Automorphismen von G enthalt, sindηi(Gi) und Ker(εi)∩Hi Ω-Normalteiler von G. Fur g ∈ Gi mit 1 = εi(ηi(g)) = (εi ηi)(g) ist g = 1, alsoηi(g) = 1. Daher ist ηi(Gi) ∩ Ker(εi) ∩ Hi = 1. Fur h ∈ Hi ist εi(h) ∈ Gi = (εi ηi)(Gi) = εi(ηi(Gi)),

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6. DIREKTE ZERLEGUNGEN 23

also εi(h) = εi(ηi(k)) fur ein k ∈ Gi. Daher ist 1 = εi(ηi(k−1))εi(h) = εi(ηi(k−1)h), d.h. ηi(k−1h) ∈Ker(εi) ∩Hi und h = ηi(k)ηi(k−1)h ∈ ηi(Gi)(Ker(εi) ∩Hi).Da Hi unzerlegbar und ηi(Gi) 6= 1 ist, folgt: Ker(εi) ∩Hi = 1 und Hi = ηi(Gi). Fur j = 1, . . . , i − 1 istεj(G) = Hj , es ist ηi(εi(G)) = ηi(Gi) = Hi, und fur j = i + 1, . . . , r ist εj(G) = Gj . Ferner ist ηi(gi) =ηi(gjgig−1

j ) = gjηi(gi)g−1j fur gi ∈ Gi = εi(G), gj ∈ Gj , i 6= j. Daher sind ε1, . . . , εi−1, ηi εi, εi+1, . . . , εr

paarweise addierbar. Folglich ist δ := ε1 + . . .+ εi−1 + (ηi εi) + εi+1 + . . .+ εr ∈ EndΩ(G) mit

δ(Hj) = εj(Hj) = Hj fur j = 1, . . . , i− 1,δ(Gi) = ηi(εi(Gi)) = Hi

δ(Gj) = εj(Gj) = Gj fur j = i+ 1, . . . , r.

Daher ist δ(G) = δ(H1 . . . Hi−1GiGi+1 . . . Gr) = H1 . . . Hi−1HiGi+1 . . . Gr. Dabei ist

H1 . . . Hi−1Gi+1 . . . Gr = H1 ⊕ . . .⊕Hi−1 ⊕Gi+1 ⊕ . . .⊕Gr = Ker(εi)

und Hi ∩Ker(εi) = 1, also

H1 . . . Hi−1HiGi+1 . . . Gr = H1 ⊕ . . .⊕Hi−1 ⊕Hi ⊕Gi+1 ⊕ . . .⊕Gr.Hat man Elemente h1 ∈ H1, . . . , hi−1 ∈ Hi−1, gi ∈ Gi, . . . , gr ∈ Gr mit 1 = δ(h1 . . . hi−1gi . . . gr) =h1 . . . hi−1ηi(gi)gi+1 . . . gr, so folgt 1 = h1 = . . . = hi−1 = ηi(gi) = gi+1 = . . . = gr. Wegen εi ηi ∈AutΩ(G) ist dann auch gi = 1. Daher ist δ injektiv. Nach Bemerkung 5.8 ist also δ ∈ AutΩ(G). Insbe-sondere ist

G = δ(G) = H1 ⊕ . . .⊕Hi ⊕Gi+1 ⊕ . . .⊕Gr.Folglich ist αi+1 := δ αi ∈ AutΩ(G) wie gewunscht. Fur i = r erhalt man schließlich einen Ω-Automorphismus αr+1 von G mit αr+1(G1) = H1, . . . , αr+1(Gr) = Hr, und es folgt r = s.

6.6. Satz. Gegeben sei eine Gruppe G mit Minimal- und Maximalbedingung fur Normalteiler.(i) Dann besitzt G eine Zerlegung G = G1 ⊕ . . .⊕Gr mit unzerlegbaren Gruppen G1, . . . , Gr.(ii) Ist G = H1⊕ . . .⊕Hs eine weitere Zerlegung mit unzerlegbaren Gruppen H1, . . . ,Hs, so ist r = s,

und es gibt einen normalen Automorphismus α von G mit α(Gi) = Hi fur i = 1, . . . , r (beigeeigneter Numerierung).

(iii) Die Zerlegung G = G1⊕. . .⊕Gr ist genau dann eindeutig (bis auf die Reihenfolge von G1, . . . , Gr),wenn fur alle i, j ∈ 1, . . . r mit i 6= j nur der triviale Homomorphismus Gi → Z(Gj) existiert.

Beweis.(i),(ii) sind Spezialfalle von 6.4, 6.5.

(iii) Seien G = G1⊕ . . .⊕Gr = H1⊕ . . .⊕Hr Zerlegungen in unzerlegbare Gruppen G1, H1, . . . , Gr, Hr,wobei o.B.d.A. G1 6∈ H1, . . . ,Hr. Nach geeigneter Umnumerierung existiert ein normaler Au-tomorphismus α von G mit α(G1) = H1, . . . , α(Gr) = Hr. Fur x ∈ G1 gilt nach Bemerkung5.7: x−1α(x) ∈ Z(G) = Z(G1) ⊕ . . . ⊕ Z(Gr), also x−1α(x) = z1 . . . zr mit eindeutig bestimmtenz1 ∈ Z(G1), . . . , zr ∈ Z(Gr). Indem man x auf zi abbildet, erhalt man fur i = 1, . . . , r eine Abbil-dung τi : G1 → Z(Gi). Ist auch x ∈ G1 und x−1α(x) = z1 . . . zr mit z1 ∈ Z(G1), . . . , zr ∈ Z(Gr),so ist

(xx)−1α(xx) = x−1x−1α(x)α(x) = x−1α(x)x−1α(x) == z1 . . . zr z1 . . . zr = z1z1 . . . zr zr.

Daher ist τi ein Homomorphismus. Ware τi(x) = 1 fur x ∈ G1, und i = 2, . . . , r, so ware x−1α(x) ∈Z(G1) fur x ∈ G1, und damit H1 = α(G1) ⊆ G1. Nach Fitting ware dann sogar H1 = α(G1) = G1.Daher ist mindestens einer der Homomorphismen τ2, . . . , τr nichttrivial.Sei umgekehrt τ : G1 → Z(G2) ein nichttrivialer Homomorphismus und G1 := g1τ(g1) : g1 ∈ G1.Dann ist G1 E G; denn es ist 1 ∈ G1, und fur g1, g

′1 ∈ G1, g ∈ G ist

g′1τ(g′1)(g1τ(g1))−1 = g′1τ(g′1)τ(g−11 )g−1

1 = g′1g−11 τ(g′1g

−11 ) ∈ G1 und

gg1τ(g1)g−1 = gg1g−1τ(g1) = gg1g

−1τ(g)τ(g1)τ(g)−1 = (gg1g−1)︸ ︷︷ ︸

∈G1

τ(gg1g−1) ∈ G1.

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24 6. DIREKTE ZERLEGUNGEN

Ferner ist G1 6= G1, und jedes Element g ∈ G laßt sich in der Form

g = g1 . . . gr = g1τ(g1)︸ ︷︷ ︸∈G1

τ(g−11 )g2︸ ︷︷ ︸∈G2

g3 . . . gr

mit g1 ∈ G1, . . . , gr ∈ Gr schreiben. Ist g1 ∈ G1 mit g1τ(g1) ∈ G2⊕. . .⊕Gr, so ist g1 ∈ G2⊕. . .⊕Gr,also g1 = 1. Folglich gilt G = G1 ⊕G2 ⊕ . . .⊕Gr.

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KAPITEL 7

Kommutatoren

7.1. Definition. Fur Elemente x, y einer Gruppe G bezeichnet man [x, y] := xyx−1y−1 als Kommutatorvon x und y.

Bemerkung.(i) In manchen Buchern definiert man [x, y] durch x−1y−1xy.(ii) Offenbar ist xy = [x, y]yx, [x, y]−1 = [y, x] und [x, y] = (xyx−1)y−1 = x(yx−1y−1).

(iii) Ist H eine Gruppe und f : G→ H ein Homomorphismus, so ist f([x, y]) = [f(x), f(y)] fur x, y ∈ G.(iv) Fur x, y ∈ G ist

[xy, z] = xyzy−1x−1z−1 = x[y, z]zx−1z−1 = (x[y, z]x−1)[x, z],[x, yz] = xyzx−1z−1y−1 = [x, y]yxzx−1z−1y−1 = [x, y](y[x, z]y−1).

7.2. Definition. Fur Elemente x1, . . . , xn einer Gruppe G definiert man induktiv den rechtsnormiertenhoheren Kommutator [x1, . . . , xn] := [x1, [x2, . . . , xn]].

Bemerkung.(i) Manche Bucher bevorzugen linksnormierte Kommutatoren.(ii) Fur x, y, z ∈ G gilt nach Bemerkung 7.1:

[xy, z] = [x, y, z][y, z][x, z][x, yz] = [x, y][y, x, z][x, z].

(iii) Die folgende Identitat hat Ahnlichkeit mit der Jacobi-Identitat fur Lie-Algebren.

Satz (Witt-Identitat). Fur Elemente x, y, z einer Gruppe G gilt stets:

(y[x, y−1, z]y−1)(z[y, z−1, x]z−1)(x[z, x−1, y]x−1) = 1.

Beweis. Wegen

y[x, y−1, z]y−1 = yx[y−1, z]x−1[z, y−1]y−1 = yxy−1zyz−1x−1zy−1z−1yy−1

ist die linke Seite der Identitat gleich

(yxy−1zyz−1x−1zy−1z−1)(zyz−1xzx−1y−1xz−1x−1)(xzx−1yxy−1z−1yx−1y−1) = 1.

7.3. Definition. Fur Teilmengen A,B einer Gruppe G setzt man [A,B] := 〈[a, b] : a ∈ A, b ∈ B〉.

Bemerkung.(i) Nach Bemerkung 7.1(ii) ist [A,B] = [B,A].

(ii) Fur jede Gruppe H und jeden Homomorphismus f : G → H ist f([A,B]) = [f(A), f(B)]; insbe-sondere ist mit A,B auch [A,B] eine normale bzw. charakteristische Untergruppe von G.

(iii) [A,B] = 1 ⇔ ∀a ∈ A, b ∈ B : ab = ba.

Satz. Fur Untergruppen A,B einer Gruppe G gilt:(i) [A,B] E 〈A,B〉.

(ii) [A,B] ≤ A ⇔ B ≤ NG(A).

25

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26 7. KOMMUTATOREN

Beweis.(i) Nach Bemerkung 7.1(iv) ist a[a′, b]a−1 = [aa′, b][a, b]−1 ∈ [A,B] fur a, a′ ∈ A, b ∈ B. Folglich ist

a[A,B]a−1 ⊆ [A,B].(ii) [A,B] ≤ A ⇔ ∀a ∈ A, b ∈ B : [a, b] = aba−1b−1 ∈ A

⇔ ∀a ∈ A, b ∈ B : ba−1b−1 ∈ A⇔ B ≤ NG(A).

7.4. Definition. Fur Teilmengen X1, . . . , Xn einer Gruppe G definiert man induktiv: [X1, . . . , Xn] :=[X1, [X2, . . . , Xn]].

Bemerkung.(i) Naturlich enthalt [X1, . . . , Xn] alle Elemente der Form [x1, . . . , xn] mit x1 ∈ X1, . . . , xn ∈ Xn,

wird aber nicht unbedingt von diesen erzeugt.(ii) Fur jede Gruppe G und jeden Homomorphismus f : G → H ist f([X1, . . . , Xn]) = [f(X1), . . . ,

f(Xn)].

Satz. Fur Untergruppen A,B,C einer Gruppe G gilt:(i) B ≤ NG(A) ∩NG(C) ⇒ [A,BC] = [A,B][A,C].(ii) (Drei-Untergruppen-Lemma)

[A,B,C] = 1 = [B,C,A] ⇒ [C,A,B] = 1.

Beweis.(i) Sei B ≤ NG(A) ∩NG(C). Wegen C E NG(C) ist BC ≤ NG(C). Nach Satz 7.3 ist [A,C] E 〈A,C〉

und [A,B] ≤ A ≤ NG([A,C]). Wegen [A,C] E NG([A,C]) ist daher [A,B][A,C] ≤ NG([A,C]).Fur a ∈ A, b ∈ B, c ∈ C gilt nach 7.1:

[a, bc] = [a, b]b[a, c]b−1 = [a, b][bab−1︸ ︷︷ ︸∈A

, bcb−1︸ ︷︷ ︸∈C

] ∈ [A,B][A,C].

Folglich ist [A,BC] ⊆ [A,B][A,C]. Umgekehrt ist [A,B] ⊆ [A,BC] und [A,C] ⊆ [A,BC], alsoauch [A,B][A,C] ⊆ [A,BC].

(ii) Aus [A,B,C] = 1 = [B,C,A] folgt mit der Witt-Identitat: [c, [a, b]] = 1 fur alle a ∈ A, b ∈ B, c ∈C. Folglich ist C ≤ CG([A,B]) nach Bemerkung 7.3(iii), d.h. [C, [A,B]] = 1.

7.5. Definition. Fur jede Gruppe G und n ∈ N definiert man induktiv: G1 := G, G2 := [G,G], Gn+1 :=[G,Gn].

Bemerkung.(i) Es ist also Gn = [G, . . . , G︸ ︷︷ ︸

n

] fur n ∈ N.

(ii) Man zeigt leicht, daß Un ≤ Gn fur n ∈ N und jede Untergruppe U von G gilt.(iii) Nach Bemerkung 7.4(ii) ist f(Gn) = f(G)n ≤ Hn fur jeden Homomorphismus f von G in eine

Gruppe H; insbesondere ist Gn vollinvariant in G.(iv) Nach (iii) ist Gn E G, also Gn+1 ≤ Gn nach 7.3. Man erhalt so eine Folge von vollinvarianten

Untergruppen G = G1 ≥ G2 ≥ G3 ≥ . . .; diese Folge nennt man die absteigende Zentralfolge vonG. Wir setzen G∞ :=

⋂i∈N G

i.(v) Fur n ∈ N gilt nach Bemerkung 7.4: [G/Gn+1, Gn/Gn+1] = [G,Gn]Gn+1/Gn+1 = Gn+1/Gn+1 =

1, d.h. Gn/Gn+1 ≤ Z(G/Gn+1).

Satz. Fur n ∈ N mit n ≥ 2 ist Gn = 〈[g1, . . . , gn] : g1, . . . , gn ∈ G〉.

Beweis. (Induktion nach n) O.B.d.A. sei n ≥ 3. Offenbar ist N := 〈[g1, . . . , gn] : g1, . . . , gn ∈ G〉 E Gund N ⊆ Gn. Nach Induktion durfen wir Gn−1 = 〈[g2, . . . , gn] : g2, . . . , gn ∈ G〉 voraussetzen. Dannist Gn−1/N = 〈[g2, . . . , gn]N : g2, . . . , gn ∈ G〉, und fur g1, . . . , gn ∈ G gilt: [g1N, [g2, . . . , gn]N ] =

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7. KOMMUTATOREN 27

[g1, [g2, . . . , gn]]N = 1. Folglich ist Gn−1/N ⊆ Z(G/N) und Gn/N = [G,Gn−1]/N = [G/N,Gn−1/N ] = 1,d.h. Gn = N .

7.6. Satz. Fur m,n ∈ N und jede Gruppe G ist [Gm, Gn] ⊆ Gm+n.

Beweis. (Induktion nach n) Im Fall n = 1 ist [Gm, G] = [G,Gm] = Gm+1. Sei also n ≥ 2 und die Aussagefur n− 1 bereits bewiesen. Mit H := G/Gm+n gilt dann:

[Gm, Gn]Gm+n/Gm+n = [Gm/Gm+n, Gn/Gm+n] = [Hm, Hn] = [Hm, [H,Hn−1]].

Wegen

[H, [Hn−1, Hm]] = [H, [Hm, Hn−1]]Ind.⊆ [H,Hm+n−1] = Hm+n = Gm+n/Gm+n = 1

und[Hn−1, [Hm, H]] = [[H,Hm], Hn−1] = [Hm+1, Hn−1]

Ind.⊆ Hm+n = 1

folgt aus dem Drei-Untergruppen-Lemma:

[Gm, Gn]Gm+n/Gm+n = [Hm, [H,Hn−1]] = 1,

also [Gm, Gn] ⊆ Gm+n.

7.7. Definition. Fur jede Gruppe G nennt man G′ := G2 = [G,G] die Kommutatorgruppe von G.

Bemerkung.(i) Nach 7.5 ist G′ vollinvariant in G. Ist G = G′, so nennt man G perfekt.

(ii) Eine Untergruppe U einer Gruppe G ist genau dann ein Normalteiler in G mit abelscher Faktor-gruppe G/U , wenn G′ ⊆ U gilt. Daher ist G′ der ”kleinste“ Normalteiler von G mit abelscherFaktorgruppe.

7.8. Definition. Die hoheren Kommutatorgruppen einer Gruppe G definiert man induktiv durch G(0) :=G, G(1) := G′, G(2) := G′′ := [G′, G′], G(i+1) := [G(i), G(i)] fur i ∈ N.

Bemerkung.(i) Fur i ∈ N0 und jede Untergruppe U von G ist U (i) ≤ G(i).

(ii) Analog ist f(G(i)) = f(G)(i) fur jeden Homomorphismus f von G in eine Gruppe H; insbesondereist G(i) vollinvariant in G fur i ∈ N0.

(iii) Offenbar ist G = G(0) ⊇ G(1) ⊇ G(2) ⊇ . . .; wir setzen G(∞) :=⋂i∈N G

(i).

Satz. Fur n ∈ N0 und jede Gruppe G ist G(n) ⊆ G2n

.

Beweis. (Induktion nach n) Wegen G(0) = G = G1 = G20sei o.B.d.A. n ∈ N und G(n−1) ⊆ G2n−1

. Nach7.6 ist dann G(n) = [G(n−1), G(n−1)] ⊆ [G2n−1

, G2n−1] ⊆ G2n

.

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KAPITEL 8

Auflosbare und nilpotente Gruppen

8.1. Definition. Eine Gruppe G mit G(s) = 1 fur ein s ∈ N0 nennt man auflosbar; gegebenenfalls nenntman das kleinste s mit G(s) = 1 die (Auflosbarkeits-)Stufe von G.

Bemerkung.

(i) s = 0 ⇔ G = 1.s ≤ 1 ⇔ G′ = 1 ⇔ G abelsch.s ≤ 2 ⇔: G metabelsch.

(ii) Ist G auflosbar der Stufe s, so ist G = G(0) D G(1) D . . . D G(s) = 1 eine Normalreihe von G mitabelschen Faktoren.

(iii) Hat man umgekehrt eine Subnormalreihe G = G0 D G1 D . . . D Gt = 1 einer Gruppe G mitabelschen Faktoren, so ist G(i) ⊆ Gi fur i = 0, . . . , t; insbesondere ist G(t) = 1, d.h. G ist auflosbar,und die Stufe von G ist hochstens t.

(iv) Fur jede Gruppe G gilt also: G ist auflosbar⇔ G besitzt eine Normalreihe mit abelschen Faktoren⇔ G besitzt eine Subnormalreihe mit abelschen Faktoren.

(v) Fur jede endliche Gruppe G gilt: G ist auflosbar⇔ alle Kompositionsfaktoren haben Primzahlord-nung. Da Hauptfaktoren stets charakteristisch einfach sind, ergibt sich mit 5.5: G ist auflosbar ⇔alle Hauptfaktoren von G sind direkte Summen von isomorphen Gruppen von Primzahlordnung.

(vi) Untergruppen und Faktorgruppen von auflosbaren Gruppen sind auflosbar.(vii) Fur jeden Normalteiler N einer Gruppe G gilt: G auflosbar ⇔ N,G/N auflosbar.(viii) Burnside hat 1904 gezeigt, daß fur beliebige Primzahlen p, q und beliebige a, b ∈ N0 Gruppen der

Ordnung paqb auflosbar sind. Er vermutete auch, daß Gruppen ungerader Ordnung stets auflosbarsind. Dies haben W. Feit und J. Thompson 1963 bewiesen. Ihr Beweis ist ca. 250 Seiten lang.Beide Beweise verwenden wesentlich die Darstellungstheorie endlicher Gruppen.

(ix) Sind die Gruppen G,H auflosbar, so auch G × H; denn fur i ∈ N0 gilt offenbar: (G × H)(i) =G(i) ×H(i).

(x) Sind M,N Normalteiler einer Gruppe G mit auflosbaren Faktorgruppen G/M und G/N , so istG/M ∩N auflosbar; denn nach 3.7 ist G/M ∩N isomorph zu einer Untergruppe von G/M ×G/N .

(xi) Fur auflosbare Normalteiler M,N einer Gruppe G ist auch MN auflosbar; dies folgt aus (vii)wegen MN/N ∼= M/M ∩ N . In einer endlichen Gruppe G ist also das Produkt aller auflosbarenNormalteiler ein auflosbarer Normalteiler S von G. Man nennt S das auflosbare Radikal von G.

Beispiel.

(i) Sym(n) ist auflosbar ⇔ n ≤ 4. Kompositionsreihen von Sym(3) und Sym(4) sind:

Sym(3) D Alt(3) D 1,

Sym(4) D Alt(4) D V4 D 〈(

1 2 3 42 1 4 3

)〉 D 1.

(ii) Gruppen von Primzahlpotenzordnung sind auflosbar.(iii) Fur beliebige Primzahlen p, q, r sind Gruppen der Ordnungen pq und pqr stets auflosbar.(iv) Gruppen der Ordnungen 1, . . . , 59 sind auflosbar.

8.2. Definition. Fur jede Gruppe G definiert man die aufsteigende Zentralfolge induktiv durch Z0(G) :=1, Z1(G) := Z(G), Zi(G)/Zi−1(G) := Z(G/Zi−1(G)) fur i ∈ N.

28

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8. AUFLOSBARE UND NILPOTENTE GRUPPEN 29

Bemerkung. Fur i ∈ N0 ist Zi(G) charakteristisch in G; dies ist klar fur i = 0, 1, und ist Zi−1(G)charakteristisch in G fur ein i ∈ N, so induziert jeder Automorphismus α von G einen Automorphismusα von G/Zi−1(G), wenn man definiert: α(gZi−1(G)) := α(g)Zi−1(G) fur g ∈ G. Da Z(G/Zi−1(G))charakteristisch in G/Zi−1(G) ist, folgt: α(Zi(G)/Zi−1(G)) = Zi(G)/Zi−1(G). Folglich ist α(g) ∈ Zi(G)fur g ∈ Zi(G).Man hat 1 = Z0(G) ⊆ Z1(G) ⊆ Z2(G) ⊆ . . ., und man nennt Z∞(G) :=

⋃i∈N Zi(G) das Hyperzentrum

von G.

8.3. Definition. Eine Gruppe G mit Zc(G) = G fur ein c ∈ N0 nennt man nilpotent; gegebenenfallsnennt man das kleinste c mit Zc(G) = G die (Nilpotenz-)Klasse von G.

Bemerkung. c = 0 ⇔ G = 1, c ≤ 1 ⇔ G abelsch.

8.4. Definition. Eine Normalreihe G = G0 D G1 D . . . D Gr = 1 einer Gruppe G mit Gi−1/Gi ⊆Z(G/Gi) fur i = 1, . . . , r nennt man eine Zentralreihe von G.

Beispiel. Ist G nilpotent der Klasse c, so ist G = Zc(G) D Zc−1(G) D . . . D Z1(G) D Z0(G) = 1 eineZentralreihe von G. Diese nennt man die aufsteigende oder obere Zentralreihe von G.

Satz. Fur Untergruppen G0, . . . , Gr einer Gruppe G mit G = G0 ⊇ G1 ⊇ . . . ⊇ Gr = 1 sind aquivalent:(1) G0 D . . . D Gr ist eine Zentralreihe von G.(2) [G,Gi−1] ⊆ Gi fur i = 1, . . . , r.

Beweis.(1)⇒(2): Ist (1) erfullt, so gilt fur i = 1, . . . , r: [G,Gi−1]Gi/Gi = [G/Gi, Gi−1/Gi] = 1, d.h.

[G,Gi−1] ⊆ Gi.(2)⇒(1): Fur i = 1, . . . , r sei [G,Gi−1] ⊆ Gi ⊆ Gi−1. Dann ist Gi−1 E G, d.h. es liegt eine Normal-

reihe vor. Ferner ist [G/Gi, Gi−1/Gi] = [G,Gi−1]Gi/Gi = 1, also Gi−1/Gi ⊆ Z(G/Gi).

Bemerkung. Wegen (2) ist jede Verfeinerung einer Zentralreihe wieder eine Zentralreihe.

8.5. Satz. Ist G0 D . . . D Gr eine Zentralreihe einer Gruppe G, so ist Gr−i ⊆ Zi(G) und Gi+1 ⊆ Gi furi = 0, . . . , r; insbesondere ist Zr(G) = G und Gr+1 = 1, d.h. G ist nilpotent, und die Klasse von G isthochstens r.

Beweis. (Induktion nach i) Wegen Gr = 1 = Z0(G) und G1 = G = G0 sei o.B.d.A. i > 0 und bereitsGr−i+1 ⊆ Zi−1(G), Gi ⊆ Gi−1 bewiesen. Dann ist

[G/Zi−1(G), Gr−iZi−1(G)/Zi−1(G)] = [G,Gr−i]Zi−1(G)/Zi−1(G) ⊆⊆ Gr−i+1Zi−1(G)/Zi−1(G) = 1,

alsoGr−iZi−1(G)/Zi−1(G) ⊆ Z(G/Zi−1(G)) = Zi(G)/Zi−1(G),

d.h. Gr−i ⊆ Zi(G). Ferner ist Gi+1 = [G,Gi] ⊆ [G,Gi−1] ⊆ Gi.

Bemerkung.(i) Nach 8.4 und 8.5 ist eine Gruppe G genau dann nilpotent, wenn sie eine Zentralreihe besitzt.

Gegebenenfalls ist die Klasse von G durch die Lange einer Zentralreihe beschrankt.(ii) Ist G eine nilpotente Gruppe der Klasse c, so ist Gc+1 = 1. Daher ist G = G1 D G2 D . . . D

Gc+1 = 1 eine Zentralreihe von G. Diese nennt man die absteigende oder untere Zentralreihe vonG. Nach (i) ist ferner Gc 6= 1.

(iii) Eine Gruppe G ist also genau dann nilpotent, wenn Gs = 1 fur ein s ∈ N ist.(iv) Untergruppen und Faktorgruppen einer nilpotenten Gruppe sind nilpotent; ihre Klasse ist jeweils

durch die Klasse von G beschrankt.(v) Offenbar ist jede nilpotente Gruppe auflosbar.

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30 8. AUFLOSBARE UND NILPOTENTE GRUPPEN

(vi) Die Hauptfaktoren einer endlichen nilpotenten Gruppe haben Primzahlordnung; durch Verfeine-rung der oberen Zentralreihe kann man namlich eine Kompositionsreihe erhalten, die gleichzeitigeine Zentralreihe von G ist. Diese ist also insbesondere eine Normalreihe und damit eine Hauptreihevon G. Da G auflosbar ist, haben ihre Faktoren Primzahlordnung.

Beispiel. Sym(3) ist auflosbar, aber wegen Z(Sym(3)) = 1 nicht nilpotent.

8.6. Satz. Fur jede echte Untergruppe U einer nilpotenten Gruppe G ist U < NG(U).

Beweis. Da G nilpotent ist, existiert ein n ∈ N mit Gn = 1 ⊆ U . Wir wahlen m ∈ N minimal mitGm ⊆ U . Wegen G1 = G 6⊆ U ist m ≥ 2. Wegen [U,Gm−1] ⊆ [G,Gm−1] = Gm ⊆ U ist Gm−1 ⊆ NG(U),aber Gm−1 6⊆ U .

Bemerkung. Wir werden spater sehen, daß man 8.6 fur endliche Gruppen umkehren kann.

8.7. Satz. Fur jeden Normalteiler N 6= 1 einer nilpotenten Gruppe G ist [G,N ] < N und Z(G)∩N 6= 1;insbesondere liegt jeder minimale Normalteiler einer nilpotenten Gruppe im Zentrum.

Beweis. Wir definieren induktiv N1 := N, Ni+1 := [G,Ni] fur i ∈ N. Dann ist Ni E G, Ni ≤ N undNi ⊆ Gi fur i ∈ N. Da G nilpotent ist, folgt 1 = Gm = Nm fur ein m ∈ N. Dann ist N2 = [G,N ] < N ;denn im Fall N2 = N ware auch N3 = [G,N2] = [G,N ] = N2 = N , usw. Wir wahlen n ∈ N mitNn = 1 6= Nn−1. Dann ist [G,Nn−1] = Nn = 1, also Nn−1 ⊆ Z(G) ∩N .

8.8. Satz. Sind A und B nilpotente Normalteiler einer Gruppe G, so auch AB. Hat A die Klasse a undB die Klasse b, so hat AB hochstens die Klasse a+ b.

Beweis. Fur Normalteiler L,M,N von G ist [L,MN ] = [L,M ][L,N ] und [LM,N ] = [L,N ][M,N ]nach 7.4. Daraus folgt leicht, daß (AB)a+b+1 ein Produkt von Gruppen der Form [H0, . . . ,Ha+b] mitH0, . . . ,Ha+b ∈ A,B ist. Wir zeigen, daß jede dieser Gruppen trivial ist; dann folgt die Behauptungaus Bemerkung 8.5(iii). Zum Beweis von [H0, . . . ,Ha+b] = 1 setzen wir m := |i : 0 ≤ i ≤ a + b, Hi =A|, n := |i : 0 ≤ i ≤ a + b, Hi = B|. Dann ist a + b + 1 = n + m, also m > a oder n > b, o.B.d.A.m > a. Offenbar ist dann [H0, . . . ,Ha+b] ⊆ Am ⊆ Aa+1 = 1.

Bemerkung. Fur jede endliche Gruppe G ist das Produkt aller nilpotenten Normalteiler ein nilpotenterNormalteiler F (G) von G. Man nennt F (G) die Fittinggruppe von G (Fitting 1906–1938). Offenbar istF (G) charakteristisch in G.

8.9. Satz. Fur jede endliche Gruppe G ist das auflosbare Radikal von CG(F (G))F (G)/F (G) trivial. IstG auflosbar, so ist also CG(F (G)) ⊆ F (G), d.h. CG(F (G)) = Z(F (G)).

Beweis. Wir bezeichnen mit S das auflosbare Radikal von CG(F (G))F (G)/F (G) und nehmen S 6= 1 an.Dann wahlen wir n ∈ N minimal mit S(n) = 1. Dann ist S(n−1) ein nichttrivialer abelscher Normalteilervon G/F (G) mit S(n−1) ⊆ CG(F (G))F (G)/F (G). Wir schreiben S(n−1) = N/F (G) mit einem Normal-teiler N von G mit F (G) $ N ⊆ CG(F (G))F (G). Nach Dedekind ist N = N ∩CG(F (G))F (G) = CF (G)mit C := N ∩ CG(F (G)) E N . Wegen N/C ⊆ F (G)C/C ∼= F (G)/F (G) ∩ C ist N/C nilpotent. Esexistiert also ein k ∈ N mit 1 = (N/C)k = NkC/C, d.h. Nk ⊆ C. Da N/F (G) abelsch ist, ist andrerseitsN ′ ⊆ F (G), also

Nk+1 ⊆ C ∩ F (G) ⊆ Z(F (G)) ≤ N ∩ CG(N) = Z(N)

und damit Nk+2 = [N,Nk+1] = 1. Folglich ist N nilpotent, und man erhalt den Widerspruch N ⊆F (G).

Bemerkung. Jede endliche auflosbare Gruppe G setzt sich also zusammen aus der abelschen GruppeZ(F (G)) und der Faktorgruppe G/Z(F (G)) = G/CG(F (G)), die zu einer Untergruppe der Automorphis-mengruppe der nilpotenten Gruppe F (G) isomorph ist.

8.10. Satz. Fur jeden minimalen Normalteiler N einer endlichen Gruppe G ist F (G) ⊆ CG(N).

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8. AUFLOSBARE UND NILPOTENTE GRUPPEN 31

Beweis. Fall 1: N nicht nilpotent. Dann ist N 6⊆ F (G), also N ∩F (G) < N . Aus der Minimalitat von Nfolgt dann N ∩ F (G) = 1. Nach 3.7 ist also F (G) ⊆ CG(N).Fall 2: N nilpotent, also N E F (G). Nach 8.7 ist 1 6= N ∩ Z(F (G)) ⊆ N , also N = N ∩ Z(F (G)) ⊆Z(F (G)) wegen der Minimalitat von N . Folglich ist F (G) ⊆ CG(N).

8.11. Definition. Fur Normalteiler K,H einer Gruppe G mit K ⊆ H definiert man den NormalteilerCG(H/K) von G mit K ⊆ CG(H/K) durch CG(H/K)/K := CG/K(H/K).

Satz. Fur jede Hauptreihe G0 D . . . D Gr einer endlichen Gruppe G ist F (G) =⋂ri=1 CG(Gi−1/Gi).

Bemerkung. Nach 3.7 ist also G/F (G) isomorph zu einer Untergruppe vonr

×i=1

G/CG(Gi−1/Gi) ∼=r

×i=1

(G/Gi)/(CG(Gi−1/Gi)/Gi) =

=r

×i=1

(G/Gi)/CG/Gi(Gi−1/Gi)︸ ︷︷ ︸

isom. zu einer Ugr. von Aut(Gi−1/Gi)

,

wobei jedes Gi−1/Gi charakteristisch einfach, also direkte Summe isomorpher einfacher Gruppen ist. Aufdiese Weise baut sich jede endliche Gruppe auf aus der nilpotenten Gruppe F (G) und einer Untergruppeeines direkten Produkts von Automorphismengruppen charakteristisch einfacher Gruppen.

Beweis. Wir setzen D :=⋂ri=1 CG(Gi−1/Gi) und Di := D ∩ Gi fur i = 0, . . . , r. Dann ist D = D0 D

D1 D . . . D Dr = 1, und fur i = 1, . . . , r gilt:

[D,Di−1]Gi/Gi ⊆ [CG(Gi−1/Gi), Gi−1]Gi/Gi = [CG(Gi−1/Gi)/Gi, Gi−1/Gi] == [CG/Gi

(Gi−1/Gi), Gi−1/Gi] = 1,

also [D,Di−1] ⊆ D ∩ Gi = Di. Folglich liegt eine Zentralreihe von D vor, d.h. D ist nilpotent. WegenD E G ist also D ⊆ F (G).Umgekehrt ist Gi−1/Gi fur i = 1, . . . , r ein minimaler Normalteiler von G/Gi. Ferner ist F (G)Gi/Gi ∼=F (G)/F (G) ∩Gi nilpotent, also

F (G)Gi/Gi ⊆ F (G/Gi) ⊆ CG/Gi(Gi−1/Gi) = CG(Gi−1/Gi)/Gi

nach 8.10; insbesondere ist F (G) ⊆ CG(Gi−1/Gi).

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KAPITEL 9

Sylowgruppen

9.1. Satz (Sylow). Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine Primzahl p und eine Zahl a ∈ N0 mit pa∣∣

|G|. Dann enthalt G eine Untergruppe der Ordnung pa, und fur die Anzahl zG(pa) dieser Untergruppengilt: zG(pa) ≡ 1 (mod p).

Beweis. Algebra.

9.2. Korollar (Cauchy). Zu jedem Primteiler p der Ordnung einer endlichen Gruppe G enthalt G einElement der Ordnung p.

Beweis. 9.1 mit a = 1.

Bemerkung. Aus dem Satz von Cauchy folgt unmittelbar, daß fur jede endliche Gruppe G und jedeMenge π von Primzahlen gilt: G π-Gruppe ⇔ alle Primteiler von |G| liegen in π. Insbesondere gilt furjede endliche Gruppe G und jede Primzahl p: G p-Gruppe ⇔ |G| Potenz von p.

9.3. Definition. Sei G endliche Gruppe, p Primzahl, |G| = pam mit a ∈ N0, m ∈ N, p - m. Untergruppender Ordnung pa von G nennt man dann p-Sylowgruppen von G.

Satz (Sylow). Fur jede endliche Gruppe G und jede Primzahl p gilt:(i) G enthalt eine p-Sylowgruppe.(ii) Je zwei p-Sylowgruppen von G sind in G konjugiert.

(iii) Fur jede p-Sylowgruppe P von G enthalt G genau |G : NG(P )| p-Sylowgruppen.(iv) Fur jede p-Sylowgruppe P von G ist |G : NG(P )| ≡ 1 (mod p).(v) Jede p-Untergruppe von G ist in einer p-Sylowgruppe von G enthalten.

Beweis. Algebra.

Bemerkung. Fur jede endliche Gruppe G, jede Primzahl p, jede p-Sylowgruppe P von G und jedenNormalteiler N von G gilt nach Aufgabe 1 von Blatt 3: P ∩N ist p-Sylowgruppe von N , und PN/N istp-Sylowgruppe von G/N .

9.4. Satz (Frattini-Argument (Frattini, 1852–1925)).Gegeben seien eine endliche Gruppe G, ein Normalteiler H von G, eine Primzahl p und eine p-SylowgruppeP von H. Dann ist G = NG(P )H.

Beweis. Fur x ∈ G ist xPx−1 ⊆ xHx−1 = H, d.h. xPx−1 ist auch p-Sylowgruppe von H. Daheroperieren G und H transitiv durch Konjugation auf der Menge Ω aller p-Sylowgruppen von H. Nach 2.10ist G = NG(P )H.

9.5. Satz. Fur jede endliche Gruppe G, jede Primzahl p, jede p-Sylowgruppe P von G und jede Unter-gruppe U von G mit NG(P ) ≤ U ist NG(U) = U .

Bemerkung. Vergleiche Aufgabe 1 von Blatt 3.

Beweis. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist P auch p-Sylowgruppe von U . Wegen U E NG(U) giltnach 9.4: NG(U) = NNG(U)(P )U ⊆ NG(P )U ⊆ U ⊆ NG(U).

9.6. Satz (Burnside, 1852–1927). Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine Primzahl p, eine p-Sylow-gruppe P von G und Teilmengen K,L von G mit xKx−1 = K, xLx−1 = L fur x ∈ P . Existiert einElement g ∈ G mit gKg−1 = L, so auch ein h ∈ NG(P ) mit hKh−1 = L.

32

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9. SYLOWGRUPPEN 33

Beweis. Sei g ∈ G mit gKg−1 = L. Dann ist P ≤ NG(K) und P ≤ NG(L) = NG(gKg−1) = gNG(K)g−1,also g−1Pg ≤ NG(K). Nach Sylow existiert ein y ∈ NG(K) mit yg−1Pgy−1 = P . Folglich ist gy−1 ∈NG(P ) und gy−1Kyg−1 = gKg−1 = L.

9.7. Satz (Frobenius). Fur jede endliche Gruppe G, jede Konjugationsklasse C von G und n ∈ N ist dieAnzahl der Elemente g ∈ G mit gn ∈ C durch ggT(n|C|, |G|) teilbar.

Beweis. Fur jede Teilmenge X von G setzen wir FG(X,n) := g ∈ G : gn ∈ X und fG(X,n) :=|FG(X,n)|. Die Aussage ist trivial, falls |G| = 1 oder n = 1. Wir argumentieren im folgenden mitInduktion nach |G|+ n. Offenbar ist

FG(C, n) =•⋃

c∈CFG(c, n) =

•⋃c∈C

FCG(c)(c, n)

undFG(xcx−1, n) = xFG(c, n)x−1

fur c ∈ C, x ∈ G. Daher ist fG(C, n) = |C|fCG(c)(c, n); dabei ist c eine Konjugationsklasse vonCG(c).Im Fall G 6= CG(c) kann man mit Induktion voraussetzen:

ggT(n, |CG(c)|)∣∣ fCG(c)(c, n).

Wegen |G| = |G : CG(c)| · |CG(c)| = |C| · |CG(c)| ergibt sich daraus:

ggT(n|C|, |G|) = |C| · ggT(n, |CG(c)|)∣∣ |C|fCG(c)(c, n) = fG(C, n).

Es bleibt also der Fall G = CG(c). In diesem Fall ist c ∈ Z(G) und C = c, und wir mussenggT(n, |G|)

∣∣ fG(C, n) zeigen.Wir betrachten zunachst den Spezialfall, daß n = n1n2 mit teilerfremden n1, n2 ∈ N \ 1 ist, und setzenD := FG(C, n2). Offenbar ist FG(C, n) = FG(D,n1), und D ist disjunkte Vereinigung von Konjugations-klassen C1, . . . , Ct von G. Daher ist

FG(D,n1) = FG(C1, n1)•∪ . . .

•∪ FG(Ct, n1)

undfG(D,n1) = fG(C1, n1) + . . .+ fG(Ct, n1).

Nach Induktion kann man ggT(n1|Ci|, |G|)∣∣ fG(Ci, n1) fur i = 1, . . . , t annehmen. Dann ist

ggT(n1, |G|)∣∣ fG(D,n1) = fG(C, n).

Analog ist ggT(n2, |G|)∣∣ fG(C, n), also auch ggT(n, |G|)

∣∣ fG(C, n).Wir brauchen also nur noch den Fall zu betrachten, daß n = pm fur ein m ∈ N und eine Primzahl p ist.Sei zunachst p

∣∣ α := |〈c〉|. Fur x ∈ FG(C, n) ist xpmα = cα = 1, also |〈x〉|

∣∣ pmα. Wegen p∣∣ α ist

xpm−1α = cα/p 6= 1, und fur jeden echten Teiler β von α ist xp

mβ = cβ 6= 1. Dies zeigt, daß alle Elementein FG(C, n) die Ordnung pmα haben. Daher ist FG(C, n) die disjunkte Vereinigung aller FH(C, n), wobeiH alle zyklischen Untergruppen von G durchlauft, die von einem Element aus FG(C, n) erzeugt werden.Fur ein Element x ∈ FG(C, n) und ein Element y ∈ 〈x〉 gilt dabei:

xy ∈ FG(C, n) ⇔ (xy)pm

= c ⇔ xpm

ypm

= c ⇔ ypm

= 1 ⇔ y ∈ 〈xα〉.Daher ist f〈x〉(C, n) = |〈xα〉| = pm. Insbesondere ist pm

∣∣ fG(C, n).Es bleibt der Fall p - α ubrig. In diesem Fall ist ggT(pm, α) = 1, d.h. es existieren k, l ∈ Z mit kpm+lα = 1.Setzt man d := ck, so ist

dpm

= ckpm

= ckpm

clα = ckpm+lα = c1 = c.

Fur ein Element x ∈ G gilt also: xpm

= c ⇔ (xd−1)pm

= 1. Folglich ist FG(c, n) = FG(1, n)d undfG(C, n) = fG(1, n). Offenbar ist Z := z ∈ Z(G) : p - |〈z〉| ≤ G. Bezeichnet man mit K die Mengealler Konjugationsklassen von G, so ist

|G| =∑K∈K

fG(K,n) =∑

K∈K,K 6⊆Z

fG(K,n) + |Z|fG(c, n).

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34 9. SYLOWGRUPPEN

Nach den erledigten Fallen ist ggT(n, |G|)∣∣ fG(K,n) fur K 6⊆ Z. Also gilt auch: ggT(n, |G|)

∣∣ |Z|fG(C, n).Nach Cauchy ist p - |Z|. Folglich ist ggT(n, |G|)

∣∣ fG(C, n).

Bemerkung. Fur jede endliche Gruppe G und jeden Teiler n von |G| ist also insbesondere die Anzahl derElemente g ∈ G mit gn = 1 durch n teilbar. Frobenius hat vermutet, daß im Fall |g ∈ G : gn = 1| = ndie Elemente g ∈ G mit gn = 1 eine Untergruppe bilden, und dies in mehreren Fallen auch bewiesen.

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KAPITEL 10

Einfache Anwendungen der Sylow-Satze

10.1. Lemma. Fur n ∈ N, jede Primzahl p und jede Gruppe G der Ordnung pn ist Z(G) 6= 1.

Beweis. Algebra.

10.2. Satz. Fur n ∈ N0 und jede Primzahl p ist jede Gruppe G der Ordnung pn nilpotent.

Beweis. (Induktion nach n) O.B.d.A. sei n 6= 0. Sei die Behauptung fur Gruppen kleinerer Ordnungbewiesen. Nach 10.1 ist Z(G) 6= 1, also |G/Z(G)| = pm fur ein m ∈ N0 und m < n. Nach Induktion istG/Z(G) nilpotent. Daher existiert ein k ∈ N mit 1 = (G/Z(G))k = GkZ(G)/Z(G), d.h. Gk ⊆ Z(G).Folglich ist Gk+1 = [G,Gk] ⊆ [G,Z(G)] = 1, d.h. G ist nilpotent.

10.3. Satz. Fur eine endliche Gruppe G sind aquivalent:(1) G ist nilpotent.(2) Fur jede echte Untergruppe U von G ist U < NG(U).(3) Jede maximale Untergruppe ist normal in G.(4) Fur jeden Primteiler p von |G| enthalt G genau eine p-Sylowgruppe.(5) G ist direkte Summe seiner Sylowgruppen.

Beweis.(1)⇒(2): 8.6.(2)⇒(3): Trivial.(3)⇒(4): Sei (3) erfullt, p ein Primteiler von |G| und P eine p-Sylowgruppe von G. Ware G 6= NG(P ),

so gabe es eine maximale Untergruppe M von G mit NG(P ) ≤ M . Nach 9.5 ware dann M =NG(M), was (3) widerspricht. Also ist G = NG(P ). Nach Sylow ist P die einzige p-Sylowgruppevon G.

(4)⇒(5): Ist (4) erfullt, so ist jede Sylowgruppe normal in G. Mit 5.4 folgt die Behauptung.(5)⇒(1): Nach 10.2 ist jede Sylowgruppe von G nilpotent, und offenbar sind direkte Produkte von

nilpotenten Gruppen wieder nilpotent.

10.4. Satz. Gegeben seien eine endliche Gruppe G und eine Primzahl p. Eine p-Untergruppe P von Gist genau dann eine p-Sylowgruppe von G, wenn P eine p-Sylowgruppe von NG(P ) ist.

Beweis.⇒: Trivial.⇐: Aufgabe 1(iii) von Blatt 5.

10.5. Satz. Fur n ∈ N und beliebige Primzahlen p, q ist jede Gruppe G der Ordnung pnq auflosbar.

Bemerkung. Dies ist ein Spezialfall eines fruher erwahnten Satzes von Burnside.

Beweis. Wir nehmen an, daß die Aussage falsch ist, und wahlen ein Gegenbeispiel moglichst kleinerOrdnung. Wegen 10.2 ist p 6= q. Fur jede p-Sylowgruppe P von G ist |G : NG(P )|

∣∣ q. Im Fall |G :NG(P )| = 1 ware P E G. Nach 10.2 waren daher P und G/P auflosbar, also auch G. Folglich ist|G : NG(P )| = q. Wir wahlen zwei verschiedene p-Sylowgruppen P1, P2 von G so, daß |P1 ∩P2| moglichstgroß ist.

35

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36 10. EINFACHE ANWENDUNGEN DER SYLOW-SATZE

Fall 1: P1 ∩ P2 = 1. Dann haben je zwei verschiedene p-Sylowgruppen von G den Durchschnitt 1. Daherenthalt G genau 1 + q(pn − 1) = |G| − q + 1 p-Elemente. Die ubrigen q − 1 Elemente bilden zusammenmit dem Einselement eine q-Sylowgruppe Q von G. Offenbar ist Q die einzige q-Sylowgruppe von G, alsoist Q E G. Nach 10.2 sind Q und G/Q auflosbar, also auch G.Fall 2: D := P1 ∩ P2 6= 1. Fur i = 1, 2 gilt nach 10.2 und 10.3: D < NPi

(D) =: Vi ≤ Pi. Folglich istD E 〈V1, V2〉 =: T .Annahme: |T | = pt fur ein t ∈ N. Nach Sylow existiert dann eine p-Sylowgruppe P3 von G mit T ⊆ P3.Folglich ist Pi ∩ P3 ≥ Pi ∩ T ≥ Vi > D. Nach Wahl von D ist also Pi = P3. Man erhalt den WiderspruchP1 = P2.Also ist |T | = ptq fur ein t ∈ N. Fur jede q-Sylowgruppe Q von T ist |P1Q| = pnq = |G|, also G = P1Q.Ist g ∈ G und g = xy mit x ∈ P1 und y ∈ Q ⊆ T ⊆ NG(D), so ist gDg−1 = xyDy−1x−1 = xDx−1 ⊆ P1.Folglich ist K := 〈gDg−1 : g ∈ G〉 ⊆ P1 und D ≤ K E G. Weder K noch G/K sind Gegenbeispiele furunsere Behauptung. Folglich sind K und G/K auflosbar, also auch G.

10.6. Satz (O. Schmidt). Fur jede endliche nichtnilpotente Gruppe G, in der jede echte Untergruppenilpotent ist, gilt:

(i) G ist auflosbar.(ii) Es existieren Primzahlen p, q und a, b ∈ N, so daß |G| = paqb ist, und G eine zyklische p-

Sylowgruppe und eine normale q-Sylowgruppe enthalt.

Beweis.(i) Sei G ein Gegenbeispiel minimaler Ordnung. Ist G nicht einfach und 1 6= N C G, so ist nach

den Isomorphiesatzen jede echte Untergruppe von G/N nilpotent. Da G/N kein Gegenbeispielmehr ist, ist G/N auflosbar. Wegen N 6= G ist N nilpotent, also G auflosbar. Daher konnen wirvoraussetzen, daß G einfach ist. Wir wahlen zwei verschiedene maximale Untergruppen M1,M2

von G so, daß D := M1 ∩M2 moglichst groß ist.Ist D 6= 1, so folgt fur i = 1, 2 aus der Nilpotenz von Mi und der Einfachheit von G:

D < NMi(D) =: Vi ≤ NG(D) < G.

Daher existiert eine maximale Untergruppe M3 von G mit NG(D) ⊆ M3. Dann ist D < Vi ≤Mi ∩M3, also Mi = M3 nach Wahl von M1,M2. Man erhalt so den Widerspruch M1 = M2.Folglich ist M ∩N = 1 fur je zwei verschiedene maximale Untergruppen M,N von G. Ferner istNG(M) = M wegen der Einfachheit von G; insbesondere besitzt M genau |G : M | Konjugiertein G. Sind M1, . . . ,Ms Reprasentanten fur die Konjugationsklassen maximaler Untergruppen vonG, so ist also

|G| = 1 +s∑i=1

(|Mi| − 1)|G : Mi| = 1 + s|G| −s∑i=1

|G : Mi|.

Wegen |G : Mi| ≤ |G|2 fur i = 1, . . . , s folgt:

|G| ≥ 1 + s|G| − s|G|2

= 1 +s|G|

2,

d.h. s = 1. Dann ist aber |G| = 1 + |G| − |G : M1|, und man erhalt den Widerspruch |G : M1| = 1.(ii) Sei |G| = pa1

1 . . . parr mit a1, . . . , ar ∈ N und paarweise verschiedenen Primzahlen p1, . . . , pr, und

sei H maximaler Normalteiler von G. Nach (i) ist |G : H| Primzahl. O.B.d.A. sei |G : H| = p1.Nach Voraussetzung ist H nilpotent, besitzt also fur i = 2, . . . , r genau eine pi-Sylowgruppe Pi.Diese ist charakteristisch in H, also normal in G und eine pi-Sylowgruppe in G. Ferner sei P1 einep1-Sylowgruppe von G.Annahme: r ≥ 3. Fur i = 2, . . . , r ist P1Pi eine echte Untergruppe von G, also nilpotent; insbe-sondere ist Pi ⊆ NG(P1). Wegen P1 ⊆ NG(P1) ist also |G| = pa1

1 . . . parr

∣∣ |NG(P1)|. Folglich istP1 E G. Nach 10.3 ist also G nilpotent. Widerspruch.Also ist r = 2.Annahme: P1 nicht zyklisch. Fur x ∈ P1 ist dann 〈x〉P2 eine echte Untergruppe von G, also

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10. EINFACHE ANWENDUNGEN DER SYLOW-SATZE 37

nilpotent; insbesondere ist P2 ⊆ CG(P1) ⊆ NG(P1), also wieder P1 E G, und man hat einenWiderspruch wie oben.

10.7. Definition. Eine Untergruppe H einer endlichen Gruppe G mit ggT(|H|, |G : H|) = 1 nennt maneine Hallgruppe von G.

Beispiel. Sylowgruppen sind stets Hallgruppen.

Bemerkung. Fur jede Hallgruppe einer endlichen Gruppe G und jeden Normalteiler N von G ist H ∩Neine Hallgruppe von N und HN/N eine Hallgruppe von G/N nach Aufgabe 1 von Blatt 3.

Satz (Wielandt). Gegeben seien eine nilpotente Hallgruppe H einer endlichen Gruppe G und eine Un-tergruppe U von G mit |U |

∣∣ |H|. Dann ist gUg−1 ⊆ H fur ein g ∈ G.

Beweis. (Induktion nach |U |) Der Fall |U | = 1 ist trivial. Sei also |U | > 1 und die Behauptung richtigfur jede echte Untergruppe V von U . Zu jeder echten Untergruppe V von U existiert also ein h ∈ G mithV h−1 ⊆ H; wegen V ∼= hV h−1 ist also V nilpotent.Ist U nicht nilpotent, so enthalt U nach 10.6 fur eine Primzahl q eine normale q-Sylowgruppe Q 6= 1, undU/Q ist eine endliche p-Gruppe fur eine Primzahl p 6= q. Wir bezeichnen mit P eine p-Sylowgruppe vonU . Dann ist U = PQ.Ist U nilpotent, p ein beliebiger Primteiler von |U | und P die einzige p-Sylowgruppe von U , so existierteine Untergruppe Q von U mit U = P ⊕Q.In beiden Fallen ist Q E U . Da H nilpotent ist, existiert eine Zerlegung H = H1 ⊕ H2, wobei H1 diep-Sylowgruppe von H ist. Nach Induktion existiert ein x ∈ G mit xQx−1 ⊆ H, also xQx−1 ⊆ H2.Wegen Q E U ist NG(xQx−1) ≥ 〈H1, xUx

−1〉. Offenbar ist H1 eine p-Sylowgruppe von G, also auch vonNG(xQx−1). Zu der p-Untergruppe xPx−1 von NG(xQx−1) existiert nach Sylow ein y ∈ NG(xQx−1) mityxPx−1y−1 ⊆ H1. Wegen yxQx−1y−1 = xQx−1 ⊆ H2 ist also

yxUx−1y−1 = yxPQx−1y−1 = (yxPx−1y−1)(yxQx−1y−1) ⊆ H1H2 = H.

10.8. Definition. Gegeben sei eine Untergruppe H einer Gruppe G. Eine Untergruppe K von G mitH ∩K = 1 und HK = G nennt man ein Komplement von H in G.

Bemerkung. Gegebenenfalls ist |G| = |H| · |K|.

Satz (Galois). Jeder minimale Normalteiler M einer endlichen auflosbaren Gruppe G mit M = CG(M)besitzt ein Komplement in G, und je zwei Komplemente von M in G sind in G konjugiert.

Beweis. Nach Bemerkung 8.1(v) ist M ∼= (Z/pZ)m fur ein m ∈ N und eine Primzahl p. Sei o.B.d.A.G 6= M und N/M ein minimaler Normalteiler von G/M . Dann ist analog N/M ∼= (Z/qZ)n fur ein n ∈ Nund eine Primzahl q.Im Fall p = q ware N eine p-Gruppe, also nilpotent. Folglich ware 1 6= Z(N) ∩ M E G, also M =Z(N)∩M ⊆ Z(N) wegen der Minimalitat von M . Dies widerspricht aber der Voraussetzung M = CG(M).Also ist p 6= q. Ist Q eine q-Sylowgruppe von N , so ist N = QM und G = NG(Q)N = NG(Q)QM =NG(Q)M nach Frattini. Offenbar ist NG(Q) ∩M E NG(Q) und NG(Q) ∩M E M wegen der Kommu-tativitat von M . Daher ist auch NG(Q) ∩M E NG(Q)M = G. Wegen der Minimalitat von M ist alsoNG(Q) ∩M ∈ 1,M.Im Fall M = NG(Q) ∩ M ⊆ NG(Q) ware G = NG(Q), d.h. Q E G. Wegen M ∩ Q = 1 wareQ ⊆ CG(M) = M , was nicht geht. Also ist NG(Q) ∩M = 1, d.h. NG(Q) ist Komplement von M inG.Sei nun H ein beliebiges Komplement von M in G und R := H ∩ N , also R E H. Nach Dedekind istN = MH ∩N = M(H ∩N) = MR und M ∩ R ⊆ M ∩H = 1. Folglich ist |R| = |N : M | = |Q|, d.h. Rist auch q-Sylowgruppe von N . Folglich existiert ein g ∈ G mit R = gQg−1, und es ergibt sich

H ≤ NG(R) = NG(gQg−1) = gNG(Q)g−1.

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38 10. EINFACHE ANWENDUNGEN DER SYLOW-SATZE

Andererseits ist

|H| = |G||M |

= |NG(Q)| = |gNG(Q)g−1|,

also H = gNG(Q)g−1.

10.9. Satz (P. Hall). Jede endliche auflosbare Gruppe G der Ordnung rs mit teilerfremden r, s ∈ Nbesitzt eine Untergruppe der Ordnung r (eine Hallgruppe von G).

Beweis. (Induktion nach |G|) O.B.d.A. sei G 6= 1. Sei M minimaler Normalteiler von G, also M ∼=(Z/pZ)m fur ein m ∈ N und eine Primzahl p.Im Fall pm

∣∣ r ist |G/M | = r′s mit teilerfremden r′ := rpm , s ∈ N. Nach Induktion enthalt G/M eine

Untergruppe H/M der Ordnung r′. Dann ist H ≤ G und |H| = pmr′ = r.Sei also pm - r, d.h. pm

∣∣ s wegen ggT(r, s) = 1. Dann ist |G/M | = rs′ mit teilerfremden r, s′ := spm ∈ N.

Nach Induktion enthalt G/M eine Untergruppe H/M der Ordnung r. Dann ist H ≤ G und |H| = pmrmit teilerfremden pm, r. Im Fall H 6= G enthalt H nach Induktion eine Untergruppe der Ordnung r.Sei also H = G, d.h. s = pm. Dann ist M die einzige p-Sylowgruppe von G. Im Fall M 6= F (G) existiertein minimaler Normalteiler N 6= M von G. Offenbar ist |N |

∣∣ r. Daher kann man die Argumentation zuBeginn des Beweises mit N statt M wiederholen und erhalt so die Behauptung.Sei also M = F (G) und daher M = CG(M). Nach Galois besitzt M in diesem Fall ein Komplement K.Dann ist |K| = r, und wir sind fertig.

10.10. Satz (P. Hall). Gegeben seien eine endliche auflosbare Gruppe G, eine Hallgruppe H von G undeine Untergruppe U von G mit |U |

∣∣ |H|. Dann existiert ein g ∈ G mit gUg−1 ⊆ H.

Beweis. (Induktion nach |G|) O.B.d.A. sei G 6= 1. Sei M minimaler Normalteiler von G, also M ∼=(Z/pZ)m fur ein m ∈ N und eine Primzahl p. Dann ist HM/M eine Hallgruppe von G/M , und UM/Mist eine Untergruppe von G/M mit

ggT(|UM/M |, |G/M : HM/M |) = ggT(|U : U ∩M |, |G : HM |)∣∣ ggT(|U |, |G : H|) = 1,

also |UM/M |∣∣ |HM/M |. Nach Induktion existiert xM ∈ G/M mit

HM/M ⊇ (xM)(UM/M)(xM)−1 = (xUx−1)M/M,

also (xUx−1)M ⊆ HM . Offenbar ist H auch Hallgruppe von HM , und xUx−1 ≤ HM, |xUx−1| = |U |∣∣

|H|. Im Fall HM < G existiert nach Induktion ein y ∈ G mit yxUx−1y−1 ⊆ H, und wir sind fertig.Sei also HM = G und o.B.d.A. M 6⊆ H. Dann ist p - |H|, also H ∩M = 1. Daher ist M die einzigep-Sylowgruppe von G. Im Fall M 6= F (G) existiert ein minimaler Normalteiler N 6= M von G. Offenbarist |N |

∣∣ |H|. Daher kann man die Argumentation zu Beginn des Beweises mit N statt M wiederholenund erhalt so die Behauptung.Sei also M = F (G) und daher M = CG(M). Nach Dedekind ist

xUx−1M = (xUx−1)M ∩HM = ((xUx−1)M ∩H)M

und xUx−1 ∩M = 1, (xUx−1)M ∩H ∩M = 1. Daher sind xUx−1 und (xUx−1)M ∩H Hallgruppen dergleichen Ordnung von (xUx−1)M .Im Fall (xUx−1)M < G existiert also ein y ∈ (xUx−1)M mit yxUx−1y−1 = (xUx−1)M ∩H ⊆ H, undwir sind fertig.Sei daher G = (xUx−1)M . Dann sind H und xUx−1 Komplemente von M in G. Nach Galois existiertalso ein Element y ∈ G mit yxUx−1y−1 = H.

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KAPITEL 11

Die Frattinigruppe

11.1. Definition. Den Durchschnitt Φ(G) aller maximalen Untergruppen einer Gruppe G nennt mandie Frattinigruppe von G.

Bemerkung.(i) Besitzt G keine maximale Untergruppen, so setzt man Φ(G) := G.(ii) Stets ist Φ(G) charakteristisch in G.

Satz. Eine Teilmenge X einer endlichen Gruppe G liegt genau dann in Φ(G), wenn gilt: Ist Y eineTeilmenge von G mit G = 〈X,Y 〉, so ist G = 〈Y 〉.

Beweis.⇒: Sei X ⊆ Φ(G), Y ⊆ G und G = 〈X,Y 〉. Im Fall G 6= 〈Y 〉 gabe es eine maximale UntergruppeM von G mit 〈Y 〉 ⊆M . Wegen Φ(G) ⊆M ware dann aber auch G = 〈X,Y 〉 ⊆M . Widerspruch.

⇐: Sei X ⊆ G und X 6⊆ Φ(G), also X 6⊆ M fur eine maximale Untergruppe M von G. Dann ist〈X,M〉 = G, aber G 6= M = 〈M〉.

11.2. Satz. Ein Normalteiler N einer endlichen Gruppe G liegt genau dann nicht in Φ(G), wenn eineechte Untergruppe H von G mit G = NH existiert.

Beweis.⇒: Sei N E G und N 6⊆ Φ(G), also N 6⊆ M fur eine maximale Untergruppe M von G. Dann istNM = G.

⇐: Sei N E G, N ⊆ Φ(G) und H ≤ G mit G = NH = 〈N,H〉. Nach 11.1 ist dann G = 〈H〉 = H.

11.3. Satz. Fur jeden Normalteiler N einer endlichen Gruppe G gilt:(i) Ist N ⊆ Φ(U) fur eine Untergruppe U von G, so ist auch N ⊆ Φ(G).(ii) Φ(N) E Φ(G).

(iii) Φ(G)N/N ⊆ Φ(G/N).(iv) N ⊆ Φ(G) ⇒ Φ(G/N) = Φ(G)/N .

Beweis.(i) Sei U ≤ G und N ⊆ Φ(U). Ist die Behauptung falsch, so existiert nach 11.2 eine echte Untergruppe

H von G mit G = NH. Nach Dedekind ist dann U = NH ∩ U = N(H ∩ U). Aus 11.2 folgt alsoU = H ∩ U ⊆ H, und man hat den Widerspruch G = NH = UH ⊆ H.

(ii) Als charakteristische Untergruppe von N ist Φ(N) normal in G. In (i) ersetze man also N durchΦ(N) und U durch N .

(iii) Nach den Isomorphiesatzen hat jede maximale Untergruppe von G/N die Form M/N , wobei Meine maximale Untergruppe von G mit N ⊆ M ist. Fur jedes solche M ist Φ(G) ⊆ M , also auchΦ(G)N/N ⊆M/N , und die Behauptung folgt.

(iv) Im Fall N ⊆ Φ(G) ist N ⊆ M fur jede maximale Untergruppe M von G. Folglich ist Φ(G/N) ⊆M/N fur jedes solche M , und die Behauptung folgt.

39

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40 11. DIE FRATTINIGRUPPE

11.4. Satz (Frattini). Fur jede endliche Gruppe G gilt:(i) Φ(G) ist nilpotent.(ii) Ist G/Φ(G) nilpotent, so auch G.

(iii) G′ ∩ Z(G) ⊆ Φ(G).

Beweis.(i) Fur jede Primzahl p und jede p-Sylowgruppe P von Φ(G) ist G = NG(P )Φ(G) nach 9.4. Aus 11.2

folgt G = NG(P ), d.h. P E G; insbesondere ist P E Φ(G), und die Behauptung folgt mit 10.3.(ii) Sei G/Φ(G) nilpotent, p Primzahl und P eine p-Sylowgruppe von G. Dann ist PΦ(G)/Φ(G) p-

Sylowgruppe in G/Φ(G), also PΦ(G)/Φ(G) E G/Φ(G). Folglich ist PΦ(G) E G. Aus 9.4 und 11.2folgt: G = NG(P )PΦ(G) = NG(P )Φ(G) = NG(P ), d.h. P E G.

(iii) Im Fall D := G′ ∩ Z(G) 6⊆ Φ(G) gibt es nach 11.2 eine maximale Untergruppe M von G mitG = DM . Fur d ∈ D, m ∈ M ist aber dmMm−1d−1 = dMd−1 = M . Folglich ist M E G, alsoG/M zyklisch von Primzahlordnung. Insbesondere ist G′ ⊆M , also G = DM ⊆M . Widerspruch.

11.5. Satz (Wielandt). Eine endliche Gruppe G ist genau dann nilpotent, wenn G′ ⊆ Φ(G) gilt.

Beweis.⇒: Ist G nilpotent, so ist jede maximale Untergruppe M von G normal in G. Folglich hat G/M

Primzahlordnung; insbesondere ist G′ ⊆M . Daher ist auch G′ ⊆ Φ(G).⇐: Ist G′ ⊆ Φ(G), so ist G/Φ(G) abelsch, also G nilpotent nach 11.4(ii).

11.6. Definition. Fur jede Primzahl p nennt man eine endliche abelsche p-Gruppe E mit xp = 1 furalle x ∈ E elementarabelsch.

Bemerkung. Man zeigt leicht, daß E in diesem Fall zu einem Vektorraum uber dem Korper Z/pZ wird,wenn man definiert: (k+ pZ)x := xk fur k ∈ Z, x ∈ E. Folglich ist E fur ein n ∈ N isomorph zu (Z/pZ)n

als Vektorraum, also auch als Gruppe. Offenbar ist jede Untergruppe E auch ein Untervektorraum vonE, und jeder Homomorphismus zwischen elementarabelschen p-Gruppen ist auch Z/pZ-linear. Fur jedeTeilmenge X von E ist 〈X〉 = SpanZ/pZ(X).

Satz. Fur jede Primzahl p und jede endliche p-Gruppe G ist Φ(G) = 〈[a, b], cp : a, b, c ∈ G〉; insbesondereist G/Φ(G) elementarabelsch. Ist umgekehrt N ein Normalteiler von G mit elementarabelscher Faktor-gruppe G/N , so ist Φ(G) ⊆ N . Folglich ist Φ(G) der ” kleinste“ Normalteiler in G mit elementarabelscherFaktorgruppe.

Beweis. Nach 11.5 ist [a, b] ∈ Φ(G) fur a, b ∈ G. Da G nilpotent ist, ist jede maximale Untergruppe Mnormal in G. Folglich ist |G/M | = p. Fur c ∈ G ist also 1 = (cM)p = cpM , also cp ∈ M . Dies zeigt:D := 〈[a, b], cp : a, b, c ∈ G〉 ⊆ Φ(G).Sei N E G und G/N elementarabelsch. Ware Φ(G) 6⊆ N , so ware x 6∈ N fur ein x ∈ Φ(G). WegenxN 6= 1 gabe es dann eine Z/pZ-Basis von G/N der Form x1N = xN, x2N, . . . , xnN . Dann ware aberG = 〈x1, . . . , xn, N〉 = 〈x2, . . . , xn, N〉 nach 11.1, also G/N = 〈x2N, . . . , xnN〉 im Widerspruch zurTatsache, daß x1N, . . . , xnN eine Basis von G/N bilden. Dies zeigt: Φ(G) ⊆ N .Offenbar ist D E G und G/D elementarabelsch. Daher ist insbesondere Φ(G) ⊆ D.

11.7. Satz (Burnsides Basissatz). Gegeben seien eine Primzahl p, eine endliche p-Gruppe G und Ele-mente x1, . . . , xn ∈ G. Genau dann ist G = 〈x1, . . . , xn〉, wenn G/Φ(G) = SpanZ/pZ(x1Φ(G), . . . ,xnΦ(G)) ist. Ist also |G/Φ(G)| = pd, so besitzt G ein Erzeugendensystem aus d Elementen, aber kei-nes aus d− 1 Elementen.

Beweis. G = 〈x1, . . . , xn〉 ⇔ G = 〈x1, . . . , xn,Φ(G)〉 ⇔ G/Φ(G) = 〈x1Φ(G), . . . , xnΦ(G)〉.

11.8. Satz. Gegeben sei eine endliche Gruppe G mit genau einer maximalen Untergruppe M . Dann istG zyklisch von Primzahlpotenzordnung.

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11. DIE FRATTINIGRUPPE 41

Beweis. Offenbar ist M = Φ(G). Ware |G| keine Primzahlpotenz, so lage jede Sylowgruppe von G inM . Dann ware also M = G, was nicht geht. Daher ist G eine p-Gruppe fur eine Primzahl p. Wegen|G/Φ(G)| = |G/M | = p ist G nach 11.7 zyklisch.

11.9. Satz. Gegeben sei ein Automorphismus α einer endlichen Gruppe G mit ggT(|〈α〉|, |Φ(G)|) = 1,und α(g)Φ(G) = gΦ(G) fur g ∈ G. Dann ist α = idG.

Beweis. Wir wahlen ein Erzeugendensystem x1, . . . , xd von G und setzen Ω := (x1y1, . . . , xdyd) :y1, . . . , yd ∈ Φ(G). Nach Voraussetzung operiert 〈α〉 auf Ω durch β(z1, . . . , zd) := (β(z1), . . . , β(zd))fur β ∈ 〈α〉, (z1, . . . , zd) ∈ Ω. Sei ∆ eine Bahn von Ω unter 〈α〉 und ω = (z1, . . . , zd) ∈ ∆. WegenG = 〈z1, . . . , zd〉 ist Stb〈α〉(ω) = 1, also |∆| = |〈α〉|. Fur die Anzahl k der Bahnen von 〈α〉 auf Ω gilt also:|Ω| = k|〈α〉|. Andrerseits ist |Ω| = |Φ(G)|d, d.h. |〈α〉|

∣∣ |Φ(G)|d. Nach Voraussetzung ist also |〈α〉| = 1,d.h. α = idG.

Bemerkung. Aus diesem Satz folgt sofort: Ist p eine Primzahl,G eine endliche p-Gruppe und α ∈ Aut(G)mit α(g)Φ(G) = gΦ(G) fur g ∈ G, so ist |〈α〉| eine Potenz von p.

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KAPITEL 12

Gruppenerweiterungen

12.1. Bemerkung. Gegeben seien Gruppen G und K. Wir wenden uns dem Problem zu, alle GruppenH zu bestimmen, die einen zu K isomorphen Normalteiler N mit zu G isomorpher Faktorgruppe H/Nbesitzen. Dazu fuhren wir den folgenden Begriff ein.

Definition. Gegeben seien Gruppen G und K. Eine Erweiterung von G mit K ist ein Tripel (H, ε, ν),das aus einer Gruppe H, einem Monomorphismus ε : K → H und einem Epimorphismus ν : H → G mitKer(ν) = ε(K) besteht. Wir schreiben diese Erweiterung meist in der Form

Kε−→ H

ν−→ G.

Beispiel. Jeder Normalteiler N einer Gruppe H liefert eine Erweiterung N ε−→ Hν−→ H/N , wobei ε

die Inklusionsabbildung und ν der kanonische Epimorphismus ist. Fur eine beliebige Erweiterung K ε−→H

ν−→ G ist umgekehrt K ∼= ε(K) = Ker(ν) E H und H/Ker(ν) ∼= ν(H) = G.

Satz. Gegeben sei eine Gruppenerweiterung K ε−→ Hν−→ G. Zu jedem Element x ∈ G wahlen wir ein

festes Urbild hx ∈ H unter ν. Dann gilt:(i) Zu jedem Element h ∈ H existieren eindeutig bestimmte Elemente x ∈ G und a ∈ K mit h =

ε(a)hx.(ii) Fur x ∈ G und a ∈ K existiert genau ein Element αx(a) ∈ K mit ε(αx(a)) = hxε(a)h−1

x .(iii) Fur x ∈ G ist die durch (ii) definierte Abbildung αx : K → K ein Automorphismus.(iv) Fur x, y ∈ G existiert genau ein Element κ(x, y) ∈ K mit hxhy = ε(κ(x, y))hxy.(v) Fur x, y ∈ G ist αx αy = ικ(x,y) αxy; dabei ist ιa der von einem Element a ∈ K induzierte

innere Automorphismus von K.(vi) Fur x, y, z ∈ G ist κ(x, y)κ(xy, z) = αx(κ(y, z))κ(x, yz).

Beweis.(i) Sei h ∈ H und x := ν(h) ∈ G. Dann ist ν(hh−1

x ) = ν(h)ν(hx)−1 = xx−1 = 1, also hh−1x ∈

Ker(ν) = ε(K). Daher existiert ein Element a ∈ K mit hh−1x = ε(a), d.h. h = ε(a)hx. Sind auch

b ∈ K und y ∈ G mit h = ε(b)hy, so ist x = ν(h) = ν(ε(b)hy) = ν(ε(b))ν(hy) = 1 · y = y. Daherist hx = hy, ε(a) = ε(b), a = b.

(ii) Fur x ∈ G und a ∈ K ist hxε(a)h−1x ⊆ ε(K) wegen ε(K) = Ker(ν) E H. Da ε injektiv ist, folgt

die Behauptung.(iii) Fur a, b ∈ K ist αx(a)αx(b) ∈ K mit

ε(αx(a)αx(b)) = ε(αx(a))ε(αx(b)) = hxε(a)h−1x hxε(b)h−1

x == hxε(ab)h−1

x = ε(αx(ab)).

Da ε injektiv ist, folgt αx(ab) = αx(a)αx(b).Ist a ∈ K mit αx(a) = 1, so ist 1 = ε(αx(a)) = hxε(a)h−1

x , also auch ε(a) = 1 und a = 1. Folglichist αx injektiv.Ist b ∈ K beliebig, so ist h−1

x ε(b)hx ∈ h−1x ε(K)hx = ε(K). Daher existiert ein Element a ∈ K mit

h−1x ε(b)hx = ε(a). Dann ist ε(αx(a)) = hxε(a)h−1

x = ε(b), also αx(a) = b. Folglich ist αx surjektiv.(iv) Fur x, y ∈ G ist ν(hxhyh−1

xy ) = ν(hx)ν(hy)ν(hxy)−1 = xy(xy)−1 = 1, also hxhyh−1xy ∈ Ker(ν) =

ε(K). Wegen der Injektivitat von ε existiert also genau ein Element κ(x, y) ∈ K mit hxhyh−1xy =

ε(κ(x, y)).

42

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12. GRUPPENERWEITERUNGEN 43

(v) Fur x, y ∈ G und a ∈ K ist

ε(αx(αy(a))) = hxε(αy(a))h−1x = hxhyε(a)h−1

y h−1x =

= ε(κ(x, y))hxyε(a)h−1xy ε(κ(x, y))−1 =

= ε(κ(x, y))ε(αxy(a))ε(κ(x, y))−1 =

= ε(κ(x, y)αxy(a)κ(x, y)−1),

also (αx αy)(a) = κ(x, y)αxy(a)κ(x, y)−1.(vi) Fur x, y, z ∈ G ist

ε(κ(x, y)κ(xy, z))hxyz = ε(κ(x, y))ε(κ(xy, z))h(xy)z = ε(κ(x, y))hxyhz == hxhyhz = hxε(κ(y, z))hyz =

= hxε(κ(y, z))h−1x hxhyz =

= ε(αx(κ(y, z)))ε(κ(x, yz))hx(yz) == ε(αx(κ(y, z))κ(x, yz))hxyz,

und aus der Injektivitat von ε folgt die Behauptung.

12.2. Definition. Gegeben seien Gruppen G und K. Ein Parametersystem von G in K ist ein Paar(α, κ) von Abbildungen α : G → Aut(K), x 7→ αx und κ : G × G → K, (x, y) 7→ κ(x, y) mit folgendenEigenschaften:

(i) Fur x, y ∈ G ist αx αy = ικ(x,y) αxy; dabei ist ιa fur a ∈ K der von a induzierte innereAutomorphismus von K.

(ii) Fur x, y, z ∈ G ist κ(x, y)κ(xy, z) = αx(κ(y, z))κ(x, yz).

Man nennt α das Automorphismensystem und κ das Faktorensystem von (α, κ).

Beispiel. Nach 12.1 induziert jede Gruppenerweiterung Kε−→ H

ν−→ G nach Wahl eines Urbildeshx ∈ H zu jedem Element x ∈ G ein Parametersystem (α, κ) von G in K. Man nennt (α, κ) das durchK

ε−→ Hν−→ G und (hx)x∈G definierte Parametersystem. Wir werden bald die Abhangigkeit von (α, κ)

von (hx)x∈G untersuchen.

Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Parametersystem (α, κ) von G in K. Dann gilt:

(i) α1 = ικ(1,1).(ii) κ(1, 1) = κ(1, z) fur z ∈ G.(iii) κ(x, 1) = αx(κ(1, 1)) fur x ∈ G.

Beweis.

(i) Wegen α1 α1 = ικ(1,1) α1 ist α1 = ικ(1,1).(ii) Fur z ∈ G gilt nach (i):

κ(1, 1)κ(1 · 1, z) = α1(κ(1, z))κ(1, 1 · z) = κ(1, 1)κ(1, z)κ(1, 1)−1κ(1, z).

(iii) Fur x ∈ G ist κ(x, 1)κ(x1, 1) = αx(κ(1, 1))κ(x, 1 · 1).

12.3. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Parametersystem (α, κ) von G in K. Dann existierteine Gruppenerweiterung K ε−→ H

ν−→ G, die (α, κ) definiert.

Beweis. Wir definieren eine Verknupfung auf der Menge H := K ×G durch

(a, x)(b, y) := (aαx(b)κ(x, y), xy) fur a, b ∈ K, x, y ∈ G.

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44 12. GRUPPENERWEITERUNGEN

Dann gilt fur a, b, c ∈ K, x, y, z ∈ G:

[(a, x)(b, y)](c, z) = (aαx(b)κ(x, y), xy)(c, z) == (aαx(b)κ(x, y)αxy(c)κ(xy, z), xyz) =

= (aαx(b)κ(x, y)αxy(c)κ(x, y)−1κ(x, y)κ(xy, z), xyz) == (aαx(b)αx(αy(c))αx(κ(y, z))κ(x, yz), xyz) == (aαx(bαy(c)κ(y, z))κ(x, yz), xyz) == (a, x)(bαy(c)κ(y, z), yz) == (a, x)[(b, y)(c, z)].

Fur b ∈ K und y ∈ G gilt außerdem nach 12.2:

(κ(1, 1)−1, 1)(b, y) = (κ(1, 1)−1α1(b)κ(1, y), 1 · y) == (κ(1, 1)−1κ(1, 1)bκ(1, 1)−1κ(1, y), y) == (b, y)

und

(κ(1, 1)−1κ(y−1, y)−1αy−1(b)−1, y−1)(b, y) =

= (κ(1, 1)−1κ(y−1, y)−1αy−1(b)−1αy−1(b)κ(y−1, y), y−1y) =

= (κ(1, 1)−1, 1).

Daher ist H eine Gruppe mit neutralem Element (κ(1, 1)−1, 1) und inversen Elementen (b, y)−1 =(κ(1, 1)−1κ(y−1, y)−1αy−1(b)−1, y−1) fur b ∈ K, y ∈ G.Wir definieren Abbildungen ε : K → H und ν : H → G durch

ε(a) := (κ(1, 1)−1a, 1) und ν(a, x) := x fur a ∈ K, x ∈ G.

Fur a, b ∈ K, x, y ∈ G ist dann:

ε(a)ε(b) = (κ(1, 1)−1a, 1)(κ(1, 1)−1b, 1) == (κ(1, 1)−1aα1(κ(1, 1)−1b)κ(1, 1), 1 · 1) == (κ(1, 1)−1aκ(1, 1)κ(1, 1)−1bκ(1, 1)−1κ(1, 1), 1) == (κ(1, 1)−1ab, 1) == ε(ab)

undν((a, x)(b, y)) = ν(aαx(b)κ(x, y), xy) = xy = ν(a, x)ν(b, y).

Daher sind ε und ν Homomorphismen. Offenbar ist ε injektiv und ν surjektiv, und fur a ∈ K, x ∈ G gilt:

(a, x) ∈ Ker(ν) ⇔ x = 1 ⇔ (a, x) ∈ ε(K).

Folglich ist K ε−→ Hν−→ G eine Gruppenerweiterung.

Fur x ∈ G ist hx := (κ(1, 1)−1κ(x, 1), x) ∈ H ein Urbild von x unter ν, und fur x, y ∈ G, a ∈ K gilt:

hxε(a) = (κ(1, 1)−1κ(x, 1), x)(κ(1, 1)−1a, 1) == (κ(1, 1)−1κ(x, 1)αx(κ(1, 1)−1a)κ(x, 1), x1) == (κ(1, 1)−1κ(x, 1)αx(κ(1, 1))−1αx(a)κ(x, 1), x) == (κ(1, 1)−1αx(a)κ(1, 1)κ(1, 1)−1κ(x, 1)κ(1, 1)−1κ(1, x), x) == (κ(1, 1)−1αx(a)α1(κ(1, 1)−1κ(x, 1))κ(1, x), 1 · x) == (κ(1, 1)−1αx(a), 1)(κ(1, 1)−1κ(x, 1), x) == ε(αx(a))hx

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12. GRUPPENERWEITERUNGEN 45

und

hxhy = (κ(1, 1)−1κ(x, 1), x)(κ(1, 1)−1κ(y, 1), y) =

= (κ(1, 1)−1κ(x, 1)αx(κ(1, 1)−1κ(y, 1))κ(x, y), xy) == (κ(1, 1)−1κ(x, 1)αx(κ(1, 1))−1αx(κ(y, 1))κ(x, y), xy) == (κ(1, 1)−1κ(x, y)κ(xy, 1), xy) == (κ(1, 1)−1κ(x, y)κ(1, 1)κ(1, 1)−1κ(xy, 1)κ(1, 1)−1κ(1, xy), xy) == (κ(1, 1)−1κ(x, y)α1(κ(1, 1)−1κ(xy, 1))κ(1, xy), xy) == (κ(1, 1)−1κ(x, y), 1)(κ(1, 1)−1κ(xy, 1), xy) == ε(κ(x, y))hxy.

Daher wird (α, κ) durch Kε−→ H

ν−→ G und (hx)x∈G definiert.

Bemerkung. Wir haben gesehen, daß zu jeder Gruppenerweiterung ein Parametersystem und zu jedemParametersystem eine Gruppenerweiterung gehort. Im folgenden wenden wir uns der Eindeutigkeit dieserBeziehung zu.

12.4. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K. Die Menge Abb(G,K) aller Abbildungen ϕ : G→ K bildeteine Gruppe, wenn man ψϕ fur ψ,ϕ ∈ Abb(G,K) durch (ψϕ)(x) := ψ(x)ϕ(x) fur x ∈ G definiert. DieseGruppe operiert auf der Menge Par(G,K) aller Parametersysteme von G in K durch ϕ(α, κ) := (α′, κ′)fur ϕ ∈ Abb(G,K) und (α, κ) ∈ Par(G,K), wobei man

α′x := ιϕ(x) αx und κ′(x, y) := ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1

fur x, y ∈ G setzt.

Beweis. Die erste Aussage ist klar wegen Abb(G,K) = ×x∈G

K.

Seien also ϕ,ψ ∈ Abb(G,K), (α, κ) ∈ Par(G,K) und ϕ(α, κ) = (α′, κ′), ψ(ϕ(α, κ)) = (α′′, κ′′). Dann giltfur x, y ∈ G:

α′′x = ιψ(x) α′x = ιψ(x) ιϕ(x) αx = ιψ(x)ϕ(x) αx = ι(ψϕ)(x) αx

und

κ′′(x, y) = ψ(x)α′x(ψ(y))κ′(x, y)ψ(xy)−1 == ψ(x)ϕ(x)αx(ψ(y))ϕ(x)−1ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1ψ(xy)−1 == (ψϕ)(x) · αx((ψϕ)(y)) · κ(x, y) · (ψϕ)(xy)−1.

Daher ist ψ(ϕ(α, κ)) = ψϕ(α, κ). Im Fall ϕ = 1, d.h. ϕ(x) = 1 fur x ∈ G, ist offenbar α′x = αx undκ′(x, y) = κ(x, y) fur x, y ∈ G, also 1(α, κ) = (α, κ). Im allgemeinen Fall ist ϕ(α, κ) = (α′, κ′) ∈ Par(G,K);denn fur x, y, z ∈ G gilt:

α′x α′y = ιϕ(x) αx ιϕ(y) αy =

= ιϕ(x) αx ιϕ(y) α−1x αx αy =

= ιϕ(x) ιαx(ϕ(y)) ικ(x,y) αxy =

= ιϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x,y) ι−1ϕ(xy) α

′xy =

= ικ′(x,y) α′xy

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46 12. GRUPPENERWEITERUNGEN

und

κ′(x, y)κ′(xy, z) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1ϕ(xy)αxy(ϕ(z))κ(xy, z)ϕ(xyz)−1 =

= ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)αxy(ϕ(z))κ(x, y)−1κ(x, y)κ(xy, z)ϕ(xyz)−1 =

= ϕ(x)αx(ϕ(y))αx(αy(ϕ(z)))αx(κ(y, z))κ(x, yz)ϕ(xyz)−1 =

= ϕ(x)αx(ϕ(y)αy(ϕ(z))κ(y, z)ϕ(yz)−1)αx(ϕ(yz))κ(x, yz)ϕ(xyz)−1 =

= α′x(κ′(y, z))ϕ(x)αx(ϕ(yz))κ(x, yz)ϕ(xyz)−1 == α′x(κ′(y, z))κ′(x, yz).

Definition. Gegeben seien Gruppen G und K. Zwei Parametersysteme (α, κ), (β, λ) von G in K nenntman aquivalent, falls sie in der gleichen Bahn unter Abb(G,K) liegen. Die Menge aller Aquivalenzklassenvon Parametersystemen von G in K bezeichnen wir mit Par(G,K).

12.5. Satz. Die durch eine feste Gruppenerweiterung Kε−→ H

ν−→ G definierten Parametersystemevon G in K bilden genau eine Aquivalenzklasse.

Beweis. Fur x ∈ G seien hx, h′x ∈ H Urbilder von x unter ν. Dann ist ν(h′xh

−1x ) = ν(h′x)ν(hx)−1 =

xx−1 = 1, also h′xh−1x ∈ Ker(ν) = ε(K). Daher existiert ein Element ϕ(x) ∈ K mit h′xh

−1x = ε(ϕ(x)),

d.h. h′x = ε(ϕ(x))hx. Wir bezeichnen mit (α, κ) und (α′, κ′) die entsprechenden Parametersysteme. Furx ∈ G und a ∈ K ist dann:

ε(α′x(a)) = h′xε(a)(h′x)−1 == ε(ϕ(x))hxε(a)h−1

x ε(ϕ(x))−1 == ε(ϕ(x))ε(αx(a))ε(ϕ(x))−1 == ε(ϕ(x)αx(a)ϕ(x)−1).

Daher ist α′x = ιϕ(x) αx fur x ∈ G. Fur x, y ∈ G ist außerdem

ε(κ′(x, y))h′xy = h′xh′y = ε(ϕ(x))hxε(ϕ(y))hy =

= ε(ϕ(x))hxε(ϕ(y))h−1x hxhy =

= ε(ϕ(x))ε(αx(ϕ(y)))ε(κ(x, y))hxy =

= ε(ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1)ε(ϕ(xy))hxy =

= ε(ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1)h′xy,

also κ′(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1. Dies zeigt, daß je zwei durch Kε−→ H

ν−→ G definierteParametersysteme aquivalent sind.Sei umgekehrt (α, κ) ein durch K

ε−→ Hν−→ G nach Wahl eines Urbildes hx ∈ H zu jedem Element

x ∈ G definiertes Parametersystem, und sei (α′, κ′) ein zu (α, κ) aquivalentes Parametersystem. Dannexistiert eine Abbildung ϕ : G → K mit α′x = ιϕ(x) αx und κ′(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1

fur x, y ∈ G. Fur x ∈ G ist daher h′x := ε(ϕ(x))hx ∈ H mit ν(h′x) = ν(ε(ϕ(x)))ν(hx) = x. Die obigenRechnungen zeigen, daß (α′, κ′) durch (h′x)x∈G definiert wird.

Bemerkung. Als nachstes halten wir ein Parametersystem (α, κ) fest und untersuchen den Zusammen-hang zwischen allen Gruppenerweiterungen, die (α, κ) definieren.

12.6. Definition. Gegeben seien Gruppen G und K. Zwei Erweiterungen Kε−→ H

ν−→ G und Kε−→

Hν−→ G von G mit K nennt man aquivalent, falls ein Homomorphismus η : H → H existiert mit ηε = ε

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12. GRUPPENERWEITERUNGEN 47

und ν η = ν.

H

η

ν

&&NNNNNNNNNNNNN

K

ε

88ppppppppppppp

ε&&MMMMMMMMMMMMM G

H

ν

88qqqqqqqqqqqqq

Bemerkung.

(i) Gegebenenfalls ist η bijektiv; ist namlich h ∈ H mit η(h) = 1, so ist auch 1 = ν(η(h)) = ν(h),also h ∈ Ker(ν) = ε(K). Folglich existiert ein Element a ∈ K mit h = ε(a), und man erhalt1 = η(ε(a)) = ε(a), also a = 1. Damit ist aber auch h = ε(a) = 1.Ist ferner h ∈ H gegeben, so ist ν(h) ∈ G. Folglich existiert ein Element h ∈ H mit ν(h) = ν(h).Dann ist η(h)h−1 ∈ H mit ν(η(h)h−1) = ν(η(h))ν(h)−1 = ν(h)ν(h)−1 = 1. Folglich ist η(h)h−1 ∈Ker(ν) = ε(K). Daher existiert ein Element a ∈ K mit η(h)h−1 = ε(a). Dann ist ε(a)−1h ∈ Hmit η(ε(a)−1h) = η(ε(a))−1η(h) = ε(a)−1η(h) = h.

(ii) Aus (i) folgt leicht, daß die Aquivalenz von Gruppenerweiterungen eine Aquivalenzrelation ist:

H

idH

&&NNNNNNNNNNNNN

K

88ppppppppppppp

&&NNNNNNNNNNNNN G

H

88ppppppppppppp

H

η−1

&&MMMMMMMMMMMMM

K

88qqqqqqqqqqqqq

&&NNNNNNNNNNNNN G

H

88ppppppppppppp

H

η

&&MMMMMMMMMMMMM

K

88qqqqqqqqqqqqq //

&&LLLLLLLLLLLLL H //

η

G

˜H

88rrrrrrrrrrrrr

Satz. Aquivalente Gruppenerweiterungen Kε−→ H

ν−→ G und Kε−→ H

ν−→ G definieren die gleichenParametersysteme.

Beweis. Sei η : H → H ein Isomorphismus mit η ε = ε und ν η = ν, und fur x ∈ G sei hx ∈ H einUrbild von x unter ν. Dann ist hx := η(hx) ∈ H mit

ν(hx) = ν(η(hx)) = ν(hx) = x.

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48 12. GRUPPENERWEITERUNGEN

Wir bezeichnen mit (α, κ) bzw. (α, κ) die entsprechenden Parametersysteme von G in K. Fur x, y ∈ Gund a ∈ K ist offenbar:

ε(αx(a)) = hxε(a)h−1x = η(hx)η(ε(a))η(hx)−1 =

= η(hxε(a)h−1x ) = η(ε(αx(a))) =

= ε(αx(a))

und

ε(κ(x, y))hxy = hxhy = η(hx)η(hy) = η(hxhy) == η(ε(κ(x, y))hxy) = η(ε(κ(x, y)))η(hxy) =

= ε(κ(x, y))hxy.

Daher ist (α, κ) = (α, κ), und die Behauptung ist gezeigt.

12.7. Satz. Gegeben seien durch Gruppenerweiterungen Kε−→ H

ν−→ G und K ε−→ Hν−→ G definierte

Parametersysteme (α, κ) bzw. (α, κ). Sind (α, κ) und (α, κ) aquivalent, so auch Kε−→ H

ν−→ G undK

ε−→ Hν−→ G.

Beweis. Wir wahlen eine Familie (hx)x∈G von Urbildern hx ∈ H der Elemente x ∈ G mit der Eigenschaft,daß (α, κ) durch (hx)x∈G definiert wird. Nach 12.1 laßt sich jedes Element in H in der Form ε(a)hx miteindeutig bestimmten Elementen a ∈ K, x ∈ G schreiben. Fur a, b ∈ K und x, y ∈ G gilt dabei:

ε(a)hx · ε(b)hy = ε(a)hxε(b)h−1x hxhy =

= ε(a)ε(αx(b))ε(κ(x, y))hxy == ε(aαx(b)κ(x, y))hxy.

Definiert die Gruppenerweiterung K ε−→ Hν−→ G ein zu (α, κ) aquivalentes Parametersystem, so defi-

niert sie auch (α, κ) nach 12.5. Daher existiert eine Familie (hx)x∈G von Urbildern hx ∈ H der Elementex ∈ G mit der Eigenschaft, daß (α, κ) durch (hx)x∈G definiert wird. Wieder laßt sich jedes Element in H inder Form ε(a)hx mit eindeutig bestimmten Elementen a ∈ K, x ∈ G schreiben, und fur a, b ∈ K, x, y ∈ Ggilt:

ε(a)hx · ε(b)hy = ε(aαx(b)κ(x, y))hxy.

Daher ist die Abbildung η : H → H, die einem Element der Form ε(a)hx ∈ H das Element ε(a)hx ∈ Hzuordnet, ein Isomorphismus. Wegen η(h1) = η(ε(1)h1) = ε(1)h1 = h1 ist

η(ε(a)) = η(ε(a)h1h−11 ) = η(ε(a)h1)η(h1)−1 =

= ε(a)h1h−11 = ε(a)

und

ν(η(ε(a)hx)) = ν(ε(a)hx) = ν(ε(a))ν(hx) == x = ν(ε(a))ν(hx) = ν(ε(a)hx)

fur a ∈ K, x ∈ G.

12.8. Satz (Schreier). Gegeben seien Gruppen G und K. Indem man jeder Erweiterung von G mit Kdie dadurch definierten Parametersysteme zuordnet, erhalt man eine Bijektion zwischen der Menge derAquivalenzklassen von Erweiterungen von G mit K und der Menge der Aquivalenzklassen von Parame-tersystemen von G in K.

Beweis. 12.1 – 12.7.

Definition. Wir bezeichnen mit Erw(G,K) die Gesamtheit aller Erweiterungen von G mit K und mitErw(G,K) die Menge der entsprechenden Aquivalenzklassen.

12.9. Satz. Fur eine Gruppenerweiterung K ε−→ Hν−→ G sind aquivalent:

(1) Es existiert ein Homomorphismus σ : G→ H mit ν σ = idG.

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12. GRUPPENERWEITERUNGEN 49

(2) ε(K) besitzt ein Komplement in H.

Definition. Gegebenenfalls sagt man, die Erweiterung zerfallt.

Beweis.(1)⇒(2): Sei σ : G→ H ein Homomorphismus mit νσ = idG. Wir zeigen, daß σ(G) ein Komplement

von ε(K) = Ker(ν) ist. Ist namlich h ∈ Ker(ν) ∩ σ(G) und h = σ(x) mit x ∈ G, so ist 1 = ν(h) =ν(σ(x)) = x, also auch h = σ(x) = 1. Daher ist Ker(ν) ∩ σ(G) = 1. Fur h ∈ H ist σ(ν(h)) ∈ Hmit

ν(hσ(ν(h))−1) = ν(h)ν(σ(ν(h)))−1 = ν(h)ν(h)−1 = 1.Folglich ist hσ(ν(h))−1 ∈ Ker(ν) und h ∈ Ker(ν) · σ(G). Dies zeigt H = Ker(ν)σ(G).

(2)⇒(1): Sei C ein Komplement von ε(K) in H, also H = Cε(K) und C ∩ ε(K) = 1. Dann ist dieAbbildung γ : C → H/ε(K), c 7→ c ε(K) ein Isomorphismus. Nach dem Homomorphiesatz ist auchdie Abbildung ν : H/ε(K)→ G, hε(K) 7→ ν(h) ein Isomorphismus mit ν(γ(c)) = ν(c ε(K)) = ν(c)fur c ∈ C. Daher ist die Abbildung σ : G→ H, x 7→ γ−1(ν−1(x)) ∈ C ein Homomorphismus mitν(σ(x)) = ν(γ(γ−1(ν−1(x)))) = x fur x ∈ G.

Bemerkung.(i) Gegeben seien eine zerfallende Gruppenerweiterung K

ε−→ Hν−→ G und ein Homomorphismus

σ : G → H mit ν σ = idG. Fur x ∈ G ist dann hx := σ(x) ∈ H ein Urbild von x unter ν. Furx, y ∈ G ist also hxhy = σ(x)σ(y) = σ(xy) = hxy, d.h. das zugehorige Parametersystem ist vonder Form (α, κ) mit κ(x, y) = 1 fur x, y ∈ G. Daher ist auch αx αy = αxy fur x, y ∈ G, d.h.α : G→ Aut(K), x 7→ αx ist ein Homomorphismus.

(ii) Sind umgekehrt Gruppen G und K und ein Homomorphismus α : G→ Aut(K), x 7→ αx gegeben,so erhalt man ein Parametersystem von G in K, indem man κ(x, y) = 1 fur x, y ∈ G setzt. Eineentsprechende Gruppenerweiterung ergibt sich wie im Beweis von 12.3 dadurch, daß man auf derMenge H := K ×G eine Verknupfung durch

(a, x)(b, y) := (aαx(b), xy) fur a, b ∈ K, x, y ∈ Gdefiniert. Man nennt die so definierte Gruppe H das semidirekte Produkt von G mit K bzgl. α. Dieentsprechenden Homomorphismen ε : K → H, ν : H → G werden gegeben durch ε(a) := (a, 1)und ν(a, x) := x fur a ∈ K, x ∈ G. Die Gruppenerweiterung K ε−→ H

ν−→ G zerfallt, denn dieAbbildung σ : G→ H, x 7→ (1, x) erfullt σ(x)σ(y) = (1, x)(1, y) = (1αx(1), xy) = (1, xy) = σ(xy)und ν(σ(x)) = ν(1, x) = x fur x, y ∈ G. Oft identifiziert man K mit ε(K) und G mit σ(G). Dannist K E H, G ≤ H, K ∩G = 1 und KG = H.

Beispiel. Ist αx = idK fur x ∈ G, so ist das semidirekte Produkt von G mit K bzgl. α genau das direkteProdukt von G und K.

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KAPITEL 13

Erweiterungen mit abelschem Kern

13.1. Bemerkung. In diesem Abschnitt betrachten wir Erweiterungen einer Gruppe G mit einer abel-schen Gruppe K = A. Ein Parametersystem von G in A ist in diesem Fall ein Paar (α, κ) von Abbildungenα : G→ Aut(A), x 7→ αx und κ : G×G→ A, (x, y) 7→ κ(x, y) mit

αx αy = αxy und κ(x, y)κ(xy, z) = αx(κ(y, z))κ(x, yz) fur x, y, z ∈ G.

Folglich ist α ein Homomorphismus, und jedes zu (α, κ) aquivalente Parametersystem hat ebenfalls αals Automorphismensystem. Nach Schreier definiert also jede Erweiterung A

ε−→ Hν−→ G von G mit

A genau ein Automorphismensystem, und aquivalente Gruppenerweiterungen definieren das gleiche Au-tomorphismensystem. Fur einen beliebigen Homomorphismus α : G → Aut(A), x 7→ αx bezeichnen wirmit Fak(α) die Menge aller Faktorensysteme zu α, d.h. die Menge aller Abbildungen κ : G×G→ A mitκ(x, y)κ(xy, z) = αx(κ(y, z))κ(x, yz) fur x, y, z ∈ G. Zwei Elemente κ, λ ∈ Fak(α) nennen wir aquivalent,falls (α, κ) und (α, λ) aquivalente Parametersysteme sind, d.h. wenn es eine Abbildung ϕ : G → A gibtmit λ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G. Mit Fak(α) bezeichnen wir die Menge aller Aqui-valenzklassen von Faktorensystemen in Fak(α). Ferner bezeichnen wir mit Erw(α) die Gesamtheit allerErweiterungen von G mit A zum Automorphismensystem α und mit Erw(α) die Menge der entsprechen-den Aquivalenzklassen. Offenbar ist

Erw(G,A) =•⋃

α∈Hom(G,Aut(A))

Erw(α)

und

Erw(G,A) =•⋃

α∈Hom(G,Aut(A))

Erw(α),

und der Satz von Schreier liefert fur α ∈ Hom(G,Aut(A)) eine Bijektion zwischen Erw(α) und Fak(α).Im folgenden halten wir einen Homomorphismus α : G→ Aut(A) fest und studieren Fak(α) (und damitErw(α)) genauer.

Satz. Gegeben seien eine Gruppe G, eine abelsche Gruppe A und ein Homomorphismus α : G →Aut(A), x 7→ αx. Dann wird Abb(G × G,A) zu einer abelschen Gruppe, wenn man γδ ∈ Abb(G ×G,A) durch (γδ)(x, y) := γ(x, y)δ(x, y) fur x, y ∈ G definiert. Ferner ist Fak(α) eine Untergruppe vonAbb(G×G,A), und die zu 1 aquivalenten Faktorensysteme bilden eine Untergruppe Pri(α) von Fak(α).Zwei Elemente κ, λ ∈ Fak(α) sind genau dann aquivalent, wenn κ ≡ λ (mod Pri(α)) ist; insbesondereist Fak(α) = Fak(α)/Pri(α). Auf diese Weise wird also Fak(α) zu einer abelschen Gruppe.

Beweis. Die erste Aussage ist klar wegen Abb(G×G,A) = ×x,y∈G

A.

Offenbar ist 1 ∈ Pri(α) ⊆ Fak(α). Fur κ, λ ∈ Fak(α) ist auch κλ−1 ∈ Fak(α), wie man leicht nachrechnet.Im Fall κ, λ ∈ Pri(α) existieren Abbildungen ϕ,ψ : G → A mit κ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))ϕ(xy)−1 undλ(x, y) = ψ(x)αx(ψ(y))ψ(xy)−1 fur x, y ∈ G. Daher ist ϕψ−1 : G→ A, x 7→ ϕ(x)ψ(x)−1 eine Abbildungmit

(κλ−1)(x, y) = (ϕψ−1)(x) · αx((ϕψ−1)(y)) · ((ϕψ−1)(xy))−1

50

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13. ERWEITERUNGEN MIT ABELSCHEM KERN 51

fur x, y ∈ G. Dies zeigt: Pri(α) ≤ Fak(α) ≤ Abb(G×G,A). Fur κ, λ ∈ Fak(α) gilt ferner:

κ ist aquivalent zu λ ⇔ ∃ϕ : G→ A : ∀x, y ∈ G : λ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1

⇔ ∃ϕ : G→ A : ∀x, y ∈ G : λ(x, y) = κ(x, y)ϕ(x)αx(ϕ(y))ϕ(xy)−1

⇔ λ ≡ κ (mod Pri(α)).

Definition. Die Elemente in Pri(α) nennt man prinzipale Faktorensysteme.

13.2. Bemerkung. Gegeben sei eine Gruppe G, eine abelsche Gruppe A und ein Homomorphismusα : G→ Aut(A).

(i) Nach 12.9 ist ein Faktorensystem in Fak(α) genau dann prinzipal, wenn die entsprechende Erwei-terung zerfallt.

(ii) Die Gruppe Fak(α) ist ein Beispiel fur eine Kohomologiegruppe; Kohomologiegruppen werden inder Homologischen Algebra behandelt und haben Anwendungen in Gruppentheorie, Zahlentheorie,Topologie, etc. Wir vermeiden die sonst ubliche Bezeichnung H2(G,A), da sie die Abhangigkeitvon α nicht deutlich macht.

13.3. Satz. Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine abelsche Gruppe A und ein Homomorphismusα : G→ Aut(A), x 7→ αx. Dann ist c|G| = 1 fur c ∈ Fak(α); insbesondere ist Fak(α) eine Torsionsgruppe.

Beweis. Fur x, y, z ∈ G und κ ∈ Fak(α) ist κ(x, y) = αx(κ(y, z))κ(x, yz)κ(xy, z)−1, also

κ(x, y)|G| =∏z∈G

αx(κ(y, z))∏z∈G

κ(x, yz)∏z∈G

κ(xy, z)−1.

Setzt man ϕ(x) :=∏z∈G κ(x, z) fur x ∈ G, so ist ϕ : G→ A eine Abbildung mit

κ(x, y)|G| = αx(ϕ(y))ϕ(x)ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G,

d.h. κ|G| ∈ Pri(α).

Bemerkung. Ist auch A endlich, so ist außerdem c|A| = 1 fur c ∈ Fak(α); denn es ist γ|A| = 1 fur alleγ ∈ Abb(G×G,A). Sind ferner |G| und |A| teilerfremd, so ist Fak(α) = 1. In diesem Fall zerfallt daherjede Erweiterung von G mit A. Diese Beobachtung verallgemeinert der folgende Satz.

13.4. Satz (Schur-Zassenhaus). Gegeben sei ein Normalteiler K einer endlichen Gruppe H mit ggT(|K|,|H/K|) = 1 (d.h. ein Hallnormalteiler von G).

(i) Dann hat K ein Komplement in H.(ii) Ist K oder H/K auflosbar, so sind je zwei Komplemente von K in H konjugiert.

Bemerkung. Wegen ggT(|K|, |H/K|) = 1 ist |K| oder |H/K| ungerade. Nach dem Satz von Feit-Thompson ist also K oder H/K auflosbar. Daher ist die Voraussetzung unter (ii) entbehrlich, wenn manden Satz von Feit-Thompson bewiesen hat.

Beweis.(i) Es genugt zu zeigen, daß H eine Untergruppe C der Ordnung |H/K| enthalt; denn dann ist|K ∩ C|

∣∣ ggT(|K|, |C|) = 1, also K ∩ C = 1, und |KC| = |K| · |C| = |H|, also KC = H.Die Sache ist trivial im Fall K = 1. Daher nehmen wir |K| > 1 an und argumentieren durchInduktion nach |K|. Sei p ein Primteiler von |K| und P eine p-Sylowgruppe von K. Nach Frattini istdann H = NH(P )K, also NH(P )∩K E NH(P ) und NH(P )/NH(P )∩K ∼= NH(P )K/K = H/K.Folglich ist NH(P )∩K/P E NH(P )/P und |NH(P )/P : NH(P )∩K/P | = |H/K|. Nach Induktionenthalt NH(P )/P eine Untergruppe L/P mit |L/P | = |H/K|. Wegen P 6= 1 ist Z := Z(P ) 6= 1.Daher ist P/Z E L/Z und |L/Z : P/Z| = |L : P | = |H/K|. Nach Induktion enthalt L/Z eineUntergruppe U/Z mit |U/Z| = |H/K|. Nach Bemerkung 13.3 zerfallt die Erweiterung Z −→U −→ U/Z; insbesondere enthalt U eine Untergruppe der Ordnung |U/Z| = |H/K|, und wir sindfertig.

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52 13. ERWEITERUNGEN MIT ABELSCHEM KERN

(ii) Seien C,D Komplemente von K in H, und sei zunachst K abelsch. Dann zerfallt die ErweiterungK −→ H −→ H/K =: G. Wie im Beweis von 12.9 existieren also Homomorphismen σ, τ : G →H mit σ(G) = C, τ(G) = D. Zu den Elementen hx := σ(x), hx := τ(x) (x ∈ G) gehorenParametersysteme (α, κ) bzw. (α, κ) von G in K mit κ(x, y) = 1 = κ(x, y) fur x, y ∈ G. Schreibtman hx = ϕ(x)hx mit ϕ(x) ∈ K fur x ∈ G, so ist ϕ(x)αx(ϕ(y)) = ϕ(xy) fur x, y ∈ G. Folglich giltfur x ∈ G:

ϕ(x)|G| =∏y∈G

αx(ϕ(y))−1∏y∈G

ϕ(xy) = αx(a)−1a

mit a :=∏y∈G ϕ(y). Wegen ggT(|K|, |G|) = 1 existiert ein z ∈ Z mit |G|z ≡ 1 (mod |K|). Mit

b := az ist also ϕ(x) = ϕ(x)|G|z = αx(b−1)b, d.h.

τ(x) = hx = ϕ(x)hx = bαx(b−1)hx = bhxb−1h−1

x hx = bσ(x)b−1

fur x ∈ G. Insbesondere ist D = τ(G) = bσ(G)b−1 = bCb−1.Als nachstes sei K auflosbar. Wir argumentieren durch Induktion nach |K| und konnen K 6= 1annehmen. Dann ist K ′ < K, und CK ′/K ′, DK ′/K ′ sind Komplemente von K/K ′ in H/K ′. DaK/K ′ abelsch ist, existiert ein h ∈ H mit DK ′/K ′ = (hK ′)(CK ′/K ′)(hK ′)−1 = (hCh−1)K ′/K ′.Daher sind D und hCh−1 Komplemente von K ′ in DK ′. Nach Induktion sind also D und hCh−1

in DK ′ konjugiert, und wir sind in diesem Fall fertig.Schließlich sei H/K auflosbar. Wegen C ∼= H/K ∼= D sind auch C,D auflosbar. Wir wahlen einenminimalen Normalteiler M von C. Dann ist M ∼= (Z/pZ)m fur ein m ∈ Z und eine Primzahl p.Nach Dedekind ist MK = MK ∩DK = (MK ∩D)K und N := MK ∩D E D. Im Fall MK = Hsind M = C und N = D p-Sylowgruppen von H, also in H konjugiert. Sei daher MK 6= H. Wirargumentieren durch Induktion nach |H| und konnen dann voraussetzen, daß ein x ∈MK existiertmit xMx−1 = N . Dann ist xCx−1 ⊆ xNH(M)x−1 = NH(xMx−1) = NH(N) und D ⊆ NH(N).Ferner sind xCx−1/N und D/N Komplemente von NH(N)∩K/N in NH(N)/N . Nach Induktionsind also xCx−1/N und D/N in NH(N)/N konjugiert, also auch xCx−1 und D in NH(N).

13.5. Bemerkung. Der folgende Satz verallgemeinert 13.3.

Satz. Gegeben seien eine Untergruppe U einer endlichen Gruppe G, eine abelsche Gruppe A, ein Ho-momorphismus α : G → Aut(A), x 7→ αx und ein Element κ ∈ Fak(α). Ist die EinschrankungκU : U × U → A von κ : G×G→ A prinzipal, so auch κ|G:U |.

Beweis. Wir wahlen eine Gruppenerweiterung Aε−→ H

ν−→ G, die (α, κ) definiert. Dann ist A εU−→V := ν−1(U) νU−→ U eine Gruppenerweiterung, die das eingeschrankte Parametersystem (αU , κU ) defi-niert; dabei sind εU , νU , αU entsprechend eingeschrankte Abbildungen. Nach Voraussetzung zerfallt dieErweiterung A εU−→ V

νU−→ U , d.h. es existiert ein Homomorphismus σ : U → V mit νU σ = idU . Furx ∈ U ist dann hx := σ(x) ∈ V ein Urbild von x unter νU . Wir wahlen ein Reprasentantensystem R fur

die Linksnebenklassen von G nach U , wobei o.B.d.A. 1 ∈ R. Dann ist also G =•⋃r∈R rU und man kann

jedes Element x ∈ G in der Form x = xx mit eindeutig bestimmten Elementen x ∈ R, x ∈ U schreiben.Fur r ∈ R \ 1 wahlen wir ein beliebiges Urbild hr ∈ H von r unter ν. Fur ein beliebiges Element x ∈ Gist dann hx := hxhx ein Urbild von x unter ν. (Diese Definition ist vertraglich mit den Wahlen von hxfur x ∈ U ∪ R wegen h1 = σ(1) = 1.) Wir bezeichnen mit γ das entsprechende Faktorensystem, d.h. furx, y ∈ G ist hxhy = ε(γ(x, y))hxy. Fur x, y ∈ U ist

hxhy = σ(x)σ(y) = σ(xy) = hxy,

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13. ERWEITERUNGEN MIT ABELSCHEM KERN 53

also γ(x, y) = 1. Fur x ∈ G und y ∈ U ist daher

ε(γ(x, y)) = hxhyh−1xy = hxxhyh

−1xxy =

= hxhxhy(hxhxy)−1 =

= hxhxhyh−1xy h

−1x =

= hxε(γ(x, y)︸ ︷︷ ︸=1

)h−1x =

= 1,

d.h. γ(x, y) = 1. Fur x, y ∈ G ist daher

ε(γ(x, y)) = hxhyh−1xy = hxhyyh

−1xy =

= hxhyhyh−1xy =

= ε(γ(x, y))hxyhyh−1xy =

= ε(γ(x, y))ε(γ(xy, y)︸ ︷︷ ︸=1

)hxyyh−1xy =

= ε(γ(x, y)),

d.h. γ(x, y) = γ(x, y). Fur x, y, z ∈ G ist also

γ(x, y) = αx(γ(y, z))γ(x, yz)γ(xy, z)−1 == αx(γ(y, z))γ(x, yz)γ(xy, z)−1.

Wir setzen δ(x) :=∏z∈R γ(x, z) fur x ∈ G und erhalten:

γ(x, y)|R| = αx(δ(y))δ(x)δ(xy)−1

fur x, y ∈ G. Dies zeigt, daß γ|R| prinzipal ist. Da κ zu γ aquivalent ist, ist auch κ|R| prinzipal.

13.6. Satz. Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine abelsche Gruppe A, ein Homomorphismusα : G→ Aut(A), x 7→ αx und ein Element κ ∈ Fak(α).

(i) Ist κ prinzipal, so auch die Einschrankung κU : U ×U → A von κ fur jede Untergruppe U von G.(ii) Existiert zu jedem Primteiler p von |G| eine p-Sylowgruppe P von G mit der Eigenschaft, daß die

Einschrankung κP : P × P → A von κ prinzipal ist, so ist auch κ prinzipal.

Beweis.(i) Trivial.

(ii) Nach 13.5 folgt aus der Voraussetzung in (ii), daß κ|G:P |+ Pri(α) = 1, d.h. |〈κ+ Pri(α)〉|∣∣ |G : P |

fur jedes solche P ist. Da die Indizes |G : P | insgesamt teilerfremd sind, folgt |〈κ + Pri(α)〉| = 1,d.h. κ ∈ Pri(α).

13.7. Satz (Gaschutz). Eine Gruppenerweiterung A ε−→ Hν−→ G, wobei A abelsch und G endlich ist,

zerfallt genau dann, wenn zu jedem Primteiler p von |G| eine p-Sylowgruppe P von G existiert mit derEigenschaft, daß die eingeschrankte Erweiterung A −→ ν−1(P ) −→ P zerfallt.

Beweis. 13.6 und Schreier.

Bemerkung. Im Gegensatz zum Satz von Schur-Zassenhaus gilt der Satz von Gaschutz i.a. nicht furnichtabelsches A.

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KAPITEL 14

Erweiterungen mit nichtabelschem Kern

14.1. Bemerkung. Gegeben seien GruppenG undK und ein Parametersystem (α, κ) vonG inK. Wegenαxαy = ικ(x,y)αxy fur x, y ∈ G ist die Abbildung ω : G→ Out(K) = Aut(K)/ Inn(K), x 7→ αx Inn(K)ein Homomorphismus. Wir nennen ω die durch (α, κ) definierte Paarung. Ist (α′, κ′) ein zu (α, κ)aquivalentes Parametersystem, so existiert eine Abbildung ϕ : G → K mit α′x = ιϕ(x) αx undκ′(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G. Daher definiert (α′, κ′) die gleiche Paarung wie(α, κ). Folglich definiert auch jede Aquivalenzklasse von Parametersystemen von G in K eine Paarung.Nach Schreier definiert also auch jede Erweiterung von G mit K eine Paarung, und aquivalente Erwei-terungen definieren die gleiche Paarung. (Ist K abelsch, so ist Inn(K) = 1, also Aut(K) ∼= Out(K), undman braucht nicht zwischen Automorphismensystemen und Paarungen zu unterscheiden.)Fur jeden Homomorphismus ω : G→ Out(K) bezeichnen wir mit Erw(ω) die Gesamtheit aller Erweite-rungen und mit Par(ω) die Menge aller Parametersysteme von G in K zur Paarung ω. Ferner bezeichnenwir mit Erw(ω) und Par(ω) die Mengen der entsprechenden Aquivalenzklassen. Dann ist also

Erw(G,K) =•⋃

ω∈Hom(G,Out(K))

Erw(ω),

Par(G,K) =•⋃

ω∈Hom(G,Out(K))

Par(ω),

Erw(G,K) =•⋃

ω∈Hom(G,Out(K))

Erw(ω),

Par(G,K) =•⋃

ω∈Hom(G,Out(K))

Par(ω).

Ferner liefert der Satz von Schreier fur jeden Homomorphismus ω : G→ Out(K) eine Bijektion zwischenErw(ω) und Par(ω). Im folgenden halten wir ω fest und untersuchen Erw(ω) und Par(ω). Im Unterschiedzum vorigen Kapitel kann es durchaus vorkommen, daß Erw(ω) leer ist. Wir werden u.a. feststellen, wanndas passiert.Fur jeden Automorphismus α von K ist die Einschrankung resKZ(K)(α) von α auf Z(K) ein Automorphis-mus von Z(K). Auf diese Weise erhalt man einen Homomorphismus resKZ(K) : Aut(K) → Aut(Z(K)).Offenbar ist resKZ(K)(ι) = idZ(K) fur alle ι ∈ Inn(K). Daher induziert resKZ(K) einen HomomorphismusOut(K) = Aut(K)/ Inn(K)→ Aut(Z(K)), α Inn(K) 7→ resKZ(K)(α); diesen bezeichnen wir ebenfalls mitresKZ(K). Fur jeden Homomorphismus ω : G → Out(K) ist also ζ := resKZ(K) ω : G → Out(K) →Aut(Z(K)) ein Homomorphismus, d.h. ein Automorphismensystem von G in die abelsche Gruppe Z(K).Es wird sich herausstellen, daß ein enger Zusammenhang zwischen Par(ω) und Fak(ζ) besteht.

14.2. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G→ Out(K) mit Par(ω) 6=∅. Setzt man ζ := resKZ(K) ω : G→ Aut(Z(K)), so gilt:

(i) Fur (α, κ) ∈ Par(ω) und γ ∈ Fak(ζ) ist auch (α, γκ) ∈ Par(ω); dabei ist γκ : G×G→ K definiertdurch (γκ)(x, y) := γ(x, y)κ(x, y) fur x, y ∈ G.

54

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14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN 55

(ii) Durch (i) erhalt man eine Operation von Fak(ζ) auf Par(ω): γ(α, κ) := (α, γκ) fur γ ∈ Fak(ζ),(α, κ) ∈ Par(ω).

(iii) Sind (α, κ), (α′, κ′) ∈ Par(ω) aquivalent, so auch γ(α, κ) und γ(α′, κ′) fur γ ∈ Fak(ζ). Daherinduziert die Operation in (ii) eine Operation von Fak(ζ) auf Par(ω): γ [α, κ] := [α, γκ] fur γ ∈Fak(ζ), (α, κ) ∈ Par(ω), [α, κ] die Aquivalenzklasse von (α, κ).

(iv) Fur (α, κ) ∈ Par(ω) und δ ∈ Pri(ζ) ist δ(α, κ) aquivalent zu (α, κ). Daher operiert Pri(ζ) trivial aufPar(ω), und die Operation von (iii) induziert eine Operation von Fak(ζ) auf Par(ω): γ Pri(ζ)[α, κ] :=[α, γκ] fur γ ∈ Fak(ζ), (α, κ) ∈ Par(ω).

(v) Fur (α, κ) ∈ Par(ω) ist die Abbildung Fak(ζ)→ Par(ω), γ Pri(ζ) 7→ γ Pri(ζ)[α, κ] bijektiv.

Bemerkung.(i) Nach Schreier gibt es also im Fall Par(ω) 6= ∅ eine Bijektion zwischen Erw(ω) und Erw(ζ). Man

kann daher oft Fragen uber Erweiterungen von G mit K zuruckfuhren auf Fragen uber Erweite-rungen von G mit Z(K).

(ii) Die Bijektion Fak(ζ) → Par(ω) hangt ab von der Wahl von (α, κ) ∈ Par(ω). Es gibt i.a. keinebesonders ausgezeichnete Wahl fur (α, κ). (Die Situation hier ist ahnlich zur Situation bei linearenGleichungssystemen, wo im Fall der Existenz einer Losung die Losungen des inhomogenen Systemsin (nicht kanonischer) Bijektion zu den Losungen des entsprechenden homogenen Systems stehen.)

Beweis.(i) Fur x, y, z ∈ G ist

(γκ)(x, y) · (γκ)(xy, z) = γ(x, y)κ(x, y)γ(xy, z)κ(xy, z) == γ(x, y)γ(xy, z)κ(x, y)κ(xy, z) == ζx(γ(y, z))γ(x, yz)αx(κ(y, z))κ(x, yz) == αx(γ(y, z))αx(κ(y, z))γ(x, yz)κ(x, yz) == αx((γκ)(y, z)) · (γκ)(x, yz)

und

ι(γκ)(x,y) αxy = ιγ(x,y)κ(x,y) αxy == ιγ(x,y) ικ(x,y) αxy == ικ(x,y) αxy == αx αy.

(ii) Fur (α, κ) ∈ Par(ω) und γ, δ ∈ Fak(ζ) ist offenbarδ(γ(α, κ)) = δ(α, γκ) = (α, δγκ) = δγ(α, κ)

und 1(α, κ) = (α, κ).(iii) Seien (α, κ), (α′, κ′) ∈ Par(ω) aquivalent, und sei ϕ ∈ Abb(G,K) mit α′x = ιϕ(x)αx und κ′(x, y) =

ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G. Multiplikation mit γ(x, y) ergibt:

γ(x, y)κ′(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))γ(x, y)κ(x, y)ϕ(xy)−1

fur x, y ∈ G. Daher sind γ(α, κ) = (α, γκ) und γ(α′, κ′) = (α′, γκ′) aquivalent.(iv) Seien (α, κ) ∈ Par(ω), δ ∈ Pri(ζ) und ϕ ∈ Abb(G,Z(K)) mit δ(x, y) = ϕ(x)ζx(ϕ(y))ϕ(xy)−1.

Dann ist αx = ιϕ(x) αx und

(δκ)(x, y) = δ(x, y)κ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1

fur x, y ∈ G, d.h. δ(α, κ) ist aquivalent zu (α, κ).(v) Seien (α, κ) ∈ Par(ω) und γ1, γ2 ∈ Fak(ζ) mit γ1 [α, κ] = γ2 [α, κ]. Dann ist γ := γ−1

1 γ2 ∈ Fak(ζ) mitγ [α, κ] = [α, κ], d.h. (α, κ) ist aquivalent zu (α, γκ). Folglich existiert eine Abbildung ϕ : G → Kmit αx = ιϕ(x) αx und γ(x, y)κ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G. Fur x ∈ G istalso ιϕ(x) = idK , d.h. ϕ(x) ∈ Z(K). Folglich ist γ(x, y) = ϕ(x)αx(ϕ(y))ϕ(xy)−1 fur x, y ∈ G, d.h.γ ∈ Pri(ζ). Dann ist γ1 Pri(ζ) = γ2 Pri(ζ), und die Injektivitat ist gezeigt.

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56 14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN

Zum Beweis der Surjektivitat seien (α, κ), (β, λ) ∈ Par(ω). Wir beweisen die Existenz eines γ ∈Fak(ζ), so daß (α, κ) zu γ(β, λ) aquivalent ist. Fur x ∈ G existiert wegen αx Inn(K) = ω(x) =βx Inn(K) ein Element ϕ(x) ∈ K mit ιϕ(x) αx = βx. Wir setzen κ′(x, y) := ϕ(x)αx(ϕ(y))κ(x, y)ϕ(xy)−1 ∈ K fur x, y ∈ G. Dann ist (α, κ) aquivalent zu (β, κ′). Fur x, y ∈ G ist ικ′(x,y) βxy =βx βy = ιλ(x,y) βxy, also ικ′(x,y) = ιλ(x,y). Daher ist γ(x, y) := κ′(x, y)λ(x, y)−1 ∈ Z(K), undfur x, y ∈ G gilt:

γ(x, y)γ(xy, z) = κ′(x, y)λ(x, y)−1γ(xy, z) == κ′(x, y)γ(xy, z)λ(x, y)−1 == κ′(x, y)κ′(xy, z)λ(xy, z)−1λ(x, y)−1 == βx(κ′(y, z))κ′(x, yz)λ(x, yz)−1βx(λ(y, z))−1 == βx(κ′(y, z))γ(x, yz)βx(λ(y, z))−1 == βx(κ′(y, z)λ(y, z)−1)γ(x, yz) == ζx(γ(y, z))γ(x, yz).

Daher ist γ ∈ Fak(ζ) und κ′ = γλ, d.h. (β, κ′) = γ(β, λ). Damit ist (α, κ) aquivalent zu (β, κ′) =γ(β, λ).

14.3. Satz (Johnson-Zassenhaus). Zwei Erweiterungen Kε−→ H

ν−→ G, Kε−→ H

ν−→ G einer endli-chen Gruppe G mit einer beliebigen Gruppe K sind genau dann aquivalent, wenn zu jedem Primteiler pvon |G| eine p-Sylowgruppe P von G existiert mit der Eigenschaft, daß die eingeschrankten ErweiterungenK

εP−→ ν−1(P ) νP−→ P, KεP−→ ν−1(P ) νP−→ P aquivalent sind.

Beweis.⇒: Seien K

ε−→ Hν−→ G, K

ε−→ Hν−→ G aquivalent, η : H → H ein Isomorphismus mit

η ε = ε, ν η = ν, p ein Primteiler von |G| und P eine p-Sylowgruppe von G.

H

η

ν

&&NNNNNNNNNNNNN

K

ε

88ppppppppppppp

ε&&MMMMMMMMMMMMM G

H

ν

88qqqqqqqqqqqqq

Dann ist η(ν−1(P )) ⊆ ν−1(P ); denn fur h ∈ ν−1(P ) ist ν(η(h)) = ν(h) ∈ P . Durch Einschrankenerhalt man ein Diagramm der Form

ν−1(P )

ηP

νP

''OOOOOOOOOOOOO

K

εP

77nnnnnnnnnnnnn

εP ''PPPPPPPPPPPPP P

ν−1(P )νP

77ooooooooooooo

⇐: Zu jedem Primteiler p von |G| existiere jetzt umgekehrt eine p-Sylowgruppe P von G mit der Ei-genschaft, daß die Erweiterungen K εP−→ ν−1(P ) νP−→ P und K εP−→ ν−1(P ) νP−→ P aquivalent sind.Wir bezeichnen mit ω und ω die durch K ε−→ H

ν−→ G bzw. K ε−→ Hν−→ G definierten Paarun-

gen. Dann sind die durch KεP−→ ν−1(P ) νP−→ P und K

εP−→ ν−1(P ) νP−→ P definierten Paarungengerade die Einschrankungen ωP , ωP von ω bzw. ω. Aus der Voraussetzung folgt, daß ωP = ωPist. Da G durch seine Sylowgruppen erzeugt wird, folgt: ω = ω. Wir bezeichnen mit (α, κ) und

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14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN 57

(α, κ) die durch Kε−→ H

ν−→ G bzw. K ε−→ Hν−→ G definierten Parametersysteme und setzen

ζ := resKZ(K) ω. Nach 14.2 existiert ein γ ∈ Fak(ζ), so daß γ(α, κ) zu (α, κ) aquivalent ist, und dasElement γ Pri(ζ) ist dabei eindeutig bestimmt. Offenbar werden die entsprechend eingeschranktenParametersysteme (αP , κP ), (αP , κP ) durch K

εP−→ ν−1(P ) νP−→ P bzw. K εP−→ ν−1(P ) νP−→ P de-finiert. Fur das entsprechend eingeschrankte Element γP ∈ Fak(ζP ) ist γP (αP , κP ) aquivalent zu(αP , κP ), und γP Pri(ζP ) ist dabei eindeutig bestimmt. Aus der Voraussetzung folgt andrerseits,daß (αP , κP ) zu (αP , κP ) aquivalent ist, d.h. γP ∈ Pri(ζP ). Mit 13.6 ergibt sich daraus γ ∈ Pri(ζ).Folglich ist (α, κ) aquivalent zu (α, κ), und Schreier liefert die Behauptung.

14.4. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G→ Out(K). Ist Z(K) = 1,so existiert bis auf Aquivalenz genau eine Erweiterung von G mit K zur Paarung ω.

Beweis. Wir schreiben ω(x) = αx Inn(K) fur x ∈ G. Fur x, y ∈ G ist dann αxαy Inn(K) = ω(x)ω(y) =ω(xy) = αxy Inn(K). Daher existiert ein Element κ(x, y) ∈ K mit αx αy = ικ(x,y) αxy. Fur x, y, z ∈ Gist also

ικ(x,y)κ(xy,z) αxyz = ικ(x,y) ικ(xy,z) α(xy)z == ικ(x,y) αxy αz == αx αy αz == αx ικ(y,z) αyz =

= αx ικ(y,z) α−1x αx αyz =

= ιαx(κ(y,z)) ικ(x,yz) αx(yz) == ιαx(κ(y,z))κ(x,yz) αxyz,

d.h. ικ(x,y)κ(xy,z) = ιαx(κ(y,z))κ(x,yz). Wegen Z(K) = 1 ist die Abbildung K → Inn(K), a 7→ ιa einIsomorphismus. Daher ist κ(x, y)κ(xy, z) = αx(κ(y, z))κ(x, yz), d.h. (α, κ) ist ein Parametersystem zurPaarung ω. Wir setzen ζ := resKZ(K) ω : G→ Aut(Z(K)) = 1. Nach 14.2 ist dann |Erw(ω)| = |Par(ω)| =|Fak(ζ)| = 1.

Bemerkung. Im folgenden versuchen wir, das obige Argument zu verallgemeinern, um entscheidenkonnen, wann zu einem gegebenen Homomorphismus ω : G → Out(K) eine Erweiterung von G mit Kzur Paarung ω existiert.

14.5. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G → Out(K). Wir setzenζ := resKZ(K) ω und schreiben ω(x) = αx Inn(K) mit αx ∈ Aut(K) fur x ∈ G. Dann gilt:

(i) Fur x, y ∈ G existiert ein Element χ(x, y) ∈ K mit αx αy = ιχ(x,y) αxy.(ii) Fur x, y, z ∈ G ist ϑ(x, y, z) := αx(χ(y, z))χ(x, yz)χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 ∈ Z(K).

(iii) Fur x, y, z, w ∈ G ist ζx(ϑ(y, z, w))ϑ(x, yz, w)ϑ(x, y, z) = ϑ(xy, z, w)ϑ(x, y, zw).

Beweis.(i) Fur x, y ∈ G ist

αxαy Inn(K) = ω(x)ω(y) = ω(xy) = αxy Inn(K),

d.h. αxαyα−1xy ∈ Inn(K).

(ii) Fur x, y, z ∈ G ist

ιϑ(x,y,z) = ιαx(χ(y,z)) ιχ(x,yz) ι−1χ(xy,z) ι

−1χ(x,y) =

= αx ιχ(y,z) α−1x αx αyz α−1

xyz αxyz α−1z α−1

xy αxy α−1y α−1

x =

= αx αy αz α−1yz αyz α−1

z α−1y α−1

x == idK ,

d.h. ϑ(x, y, z) ∈ Z(K).

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58 14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN

(iii) Fur x, y, z, w ∈ G ist

ζx(ϑ(y, z, w))ϑ(x, yz, w)ϑ(x, y, z) == αx(αy(χ(z, w)))αx(χ(y, zw))αx(χ(yz, w))−1αx(χ(y, z))−1ϑ(x, yz, w)ϑ(x, y, z) =

= αx(αy(χ(z, w)))αx(χ(y, zw))αx(χ(yz, w))−1ϑ(x, yz, w)αx(χ(y, z))−1ϑ(x, y, z) =

= αx(αy(χ(z, w)))αx(χ(y, zw))αx(χ(yz, w))−1αx(χ(yz, w))χ(x, yzw)χ(xyz, w)−1

χ(x, yz)−1αx(χ(y, z))−1αx(χ(y, z))χ(x, yz)χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 == αx(αy(χ(z, w)))αx(χ(y, zw))χ(x, yzw)χ(xyz, w)−1χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 =

= αx(αy(χ(z, w)))αx(χ(y, zw))χ(x, yzw)χ(xy, zw)−1χ(x, y)−1χ(x, y)χ(xy, zw)

χ(xyz, w)−1χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 == αx(αy(χ(z, w)))ϑ(x, y, zw)χ(x, y)χ(xy, zw)χ(xyz, w)−1χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 =

= χ(x, y)αxy(χ(z, w))χ(x, y)−1χ(x, y)χ(xy, zw)χ(xyz, w)−1χ(xy, z)−1χ(x, y)−1

ϑ(x, y, zw) == χ(x, y)ϑ(xy, z, w)χ(x, y)−1ϑ(x, y, zw) == ϑ(xy, z, w)ϑ(x, y, zw).

14.6. Definition. Gegeben seien eine Gruppe G, eine abelsche Gruppe A und ein Homomorphismusα : G → Aut(A), x 7→ αx. Eine Obstruktion zu α ist eine Abbildung ϑ : G × G × G → A mitαx(ϑ(y, z, w))ϑ(x, yz, w)ϑ(x, y, z) = ϑ(xy, z, w)ϑ(x, y, zw) fur alle x, y, z, w ∈ G. Mit Obs(α) bezeichnenwir die Menge aller Obstruktionen zu α.

Beispiel. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G → Out(K). Dann istζ := resKZ(K) ω : G → Aut(Z(K)) ein Homomorphismus, und nach Wahl von Elementen αx ∈ Aut(K)und χ(x, y) ∈ K fur x, y ∈ G erhalt man wie in 14.5 eine Obstruktion ϑ zu ζ. Man nennt ϑ die durchω, (αx)x∈G und (χ(x, y))x,y∈G definierte Obstruktion.

14.7. Satz.(i) Fur jede Gruppe G und jede abelsche Gruppe A wird Abb(G × G × G,A) zu einer abelschen

Gruppe, wenn man ϕψ fur ϕ,ψ ∈ Abb(G × G × G,A) durch (ϕψ)(x, y, z) := ϕ(x, y, z)ψ(x, y, z)fur x, y, z ∈ G definiert.

(ii) Fur jeden Homomorphismus α : G→ Aut(A), x 7→ αx ist Obs(α) eine Untergruppe von Abb(G×G×G,A).

(iii) Fur jede Abbildung ϕ : G × G → A ist die Abbildung ∂ϕ : G × G × G → A, (x, y, z) 7→αx(ϕ(y, z))ϕ(x, yz)ϕ(xy, z)−1ϕ(x, y)−1 eine Obstruktion zu α.

(iv) Die durch (iii) definierte Abbildung ∂ = ∂α : Abb(G×G,A)→ Obs(α) ist ein Homomorphismus.

Beweis.(i) Klar wegen Abb(G×G×G,A) = ×

x,y,z∈GA.

(ii) Folgt unmittelbar aus der Definition der Obstruktionen.(iii) Fur x, y, z, w ∈ G gilt:

αx((∂ϕ)(y, z, w)) · (∂ϕ)(x, yz, w) · (∂ϕ)(x, y, z) == αx(αy(ϕ(z, w)))αx(ϕ(y, zw))αx(ϕ(yz, w))−1αx(ϕ(y, z))−1

αx(ϕ(yz, w))ϕ(x, yzw)ϕ(xyz, w)−1ϕ(x, yz)−1

αx(ϕ(y, z))ϕ(x, yz)ϕ(xy, z)−1ϕ(x, y)−1 == αxy(ϕ(z, w))ϕ(xy, zw)ϕ(xyz, w)−1ϕ(xy, z)−1αx(ϕ(y, zw))ϕ(x, yzw)

ϕ(xy, zw)−1ϕ(x, y)−1 == (∂ϕ)(xy, z, w) · (∂ϕ)(x, y, zw).

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14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN 59

(iv) Klar.

Bemerkung. Man setzt Obs(α) := Obs(α)/Bild(∂α). (Dies ist eine i.a. mit H3(G,A) bezeichnete Ko-homologiegruppe.)

14.8. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G → Out(K). Wir setzenζ := resKZ(K) ω. Dann bilden die durch ω definierten Obstruktionen genau eine Nebenklasse nach Bild(∂ζ)in Obs(ζ).

Beweis. Fur x, y ∈ G wahlen wir αx ∈ Aut(K) mit ω(x) = αx Inn(K) und χ(x, y) ∈ K mit αx αy =ιχ(x,y) αxy. Dann ist die Abbildung ϑ : G × G × G → Z(K), (x, y, z) 7→ αx(χ(y, z))χ(x, yz)χ(xy, z)−1

χ(x, y)−1 eine durch ω definierte Obstruktion. Jede weitere durch ω definierte Obstruktion wird durchandere Wahlen von (αx)x∈G und (χ(x, y))x,y∈G definiert. Man kann χ(x, y) durch ein Element der Formχ′(x, y) := ϕ(x, y)χ(x, y) ersetzen, wobei ϕ(x, y) ∈ Z(K) beliebig ist. Dann ist

ϑ′(x, y, z) := αx(χ′(y, z))χ′(x, yz)χ′(xy, z)−1χ′(x, y)−1 == αx(ϕ(y, z))αx(χ(y, z))ϕ(x, yz)χ(x, yz)ϕ(xy, z)−1χ(xy, z)−1

ϕ(x, y)−1χ(x, y)−1 == ζx(ϕ(y, z))ϕ(x, yz)ϕ(xy, z)−1ϕ(x, y)−1ϑ(x, y, z) == (∂ϕ)(x, y, z) · ϑ(x, y, z).

Analog kann man jedes αx durch ein Element α′′x := ιψ(x) αx ersetzen, wobei ψ(x) ∈ K beliebig ist. Furx, y ∈ G ist dann

α′′x α′′y = ιψ(x) αx ιψ(y) αy =

= ιψ(x) αx ιψ(y) α−1x αx αy =

= ιψ(x) ιαx(ψ(y)) ιχ(x,y) αxy =

= ιψ(x)αx(ψ(y))χ(x,y) ι−1ψ(xy) α

′′xy =

= ιψ(x)αx(ψ(y))χ(x,y)ψ(xy)−1 α′′xy.

Setzt man χ′′(x, y) := ψ(x)αx(ψ(y))χ(x, y)ψ(xy)−1 fur x, y ∈ G, so gilt fur x, y, z ∈ G:

ϑ′′(x, y, z) := α′′x(χ′′(y, z))χ′′(x, yz)χ′′(xy, z)−1χ′′(x, y)−1 == ψ(x)αx(ψ(y)αy(ψ(z))χ(y, z)ψ(yz)−1)ψ(x)−1

ψ(x)αx(ψ(yz))χ(x, yz)ψ(xyz)−1

ψ(xyz)χ(xy, z)−1αxy(ψ(z))−1ψ(xy)−1

ψ(xy)χ(x, y)−1αx(ψ(y))−1ψ(x)−1 == ψ(x)αx(ψ(y))αx(αy(ψ(z)))αx(χ(y, z))χ(x, yz)χ(xy, z)−1αxy(ψ(z))−1

χ(x, y)−1αx(ψ(y))−1ψ(x)−1 == ψ(x)αx(ψ(y))χ(x, y)αxy(ψ(z))χ(x, y)−1ϑ(x, y, z)χ(x, y)αxy(ψ(z))−1

χ(x, y)−1αx(ψ(y))−1ψ(x)−1 == ϑ(x, y, z).

Bemerkung. Jeder Homomorphismus ω : G→ Out(K) definiert also genau ein Element in Obs(ζ).

14.9. Satz. Gegeben seien Gruppen G und K und ein Homomorphismus ω : G → Out(K). Wir setzenζ := resKZ(K) ω. Genau dann ist Par(ω) 6= ∅, wenn das durch ω definierte Element in Obs(ζ) trivial ist.

Beweis.

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60 14. ERWEITERUNGEN MIT NICHTABELSCHEM KERN

⇒: Sei Par(ω) 6= ∅ und (α, κ) ∈ Par(ω). Dann ist ω(x) = αx Inn(K), αx αy = ικ(x,y) αxyund αx(κ(y, z))κ(x, yz)κ(xy, z)−1κ(x, y)−1 = 1. Daher ist die durch ω, (αx)x∈G, (κ(x, y))x,y∈Gdefinierte Obstruktion trivial.

⇐: Wir wahlen Elemente αx ∈ Aut(K) und χ(x, y) ∈ K mit ω(x) = αx Inn(K) und αxαy = ιχ(x,y)αxy fur x, y ∈ G. Dann ist die Abbildung ϑ : G×G×G→ Z(K), (x, y, z) 7→ αx(χ(y, z))χ(x, yz)χ(xy, z)−1χ(x, y)−1 eine durch ω definierte Obstruktion. Ist ϑBild(∂ζ) = 1, so ist ϑ ∈ Bild(∂ζ),d.h. ϑ = ∂ζϕ fur eine Abbildung ϕ : G × G → Z(K). Wir setzen κ(x, y) := ϕ(x, y)−1χ(x, y) furx, y ∈ G und zeigen, daß dann (α, κ) ein Parametersystem zur Paarung ω ist. Fur x, y, z ∈ G istnamlich

αx αy = ικ(x,y) αxyund

κ(x, y)κ(xy, z) = ϕ(x, y)−1χ(x, y)ϕ(xy, z)−1χ(xy, z) == ϕ(x, y)−1ϕ(xy, z)−1χ(x, y)χ(xy, z) == ϕ(x, yz)−1αx(ϕ(y, z))−1 (∂ζϕ)︸ ︷︷ ︸

(x, y, z)χ(x, y)χ(xy, z) =

= ϕ(x, yz)−1αx(ϕ(y, z))−1αx(χ(y, z))χ(x, yz) == αx(κ(y, z))κ(x, yz).

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KAPITEL 15

Freie Gruppen

15.1. Bemerkung.(i) Gegeben sei eine nichtleere Menge X. Wir setzen X+ := (x, 1) : x ∈ X, X− := (x,−1) : x ∈

X. Dann bezeichnen wir mit W das freie Monoid uber dem Alphabet X+ ∪ X− (vgl. Beispiel1.3). Jedes Element w ∈ W laßt sich also in der Form w = a1 . . . an mit eindeutig bestimmtenn ∈ N0, a1, . . . , an ∈ X+ ∪X− schreiben.Unter einer elementaren Umformung verstehen wir das Einfugen oder Weglassen von (x, 1)(x,−1)oder (x,−1)(x, 1) fur ein x ∈ X. Wir nennen zwei Elemente v, w ∈ W aquivalent und schreibenv ∼ w, falls v aus w durch endlich viele elementare Umformungen entsteht. Dann ist ∼ eineAquivalenzrelation auf W . Wir bezeichnen mit [w] die Aquivalenzklasse von w ∈ W und setzenF := [w] : w ∈ W. Fur Worte v, v′, w, w′ ∈ W mit v ∼ v′, w ∼ w′ ist offenbar vw ∼ v′w′.Daher kann man durch [v][w] := [vw] fur v, w ∈ W eine Verknupfung auf F definieren. Auf dieseWeise wird F zu einem Monoid mit neutralem Element [1]. Ferner gilt fur n ∈ N, x1, . . . , xn ∈X, δ1, . . . , δn ∈ ±1:

[(x1, δ1) . . . (xn, δn)][(xn,−δn) . . . (x1,−δ1)] == [(x1, δ1) . . . (xn, δn)(xn,−δn) . . . (x1,−δ1)] = [1]

Daher ist F eine Gruppe mit F = 〈[(x, 1)] : x ∈ X〉. Man nennt F die freie Gruppe uber demAlphabet X. Zusatzlich definiert man 1 als freie Gruppe uber dem leeren Alphabet ∅.

(ii) Ein Element w = (x1, δ1) . . . (xn, δn) ∈ W nennt man reduziert, falls fur i = 2, . . . , n gilt: xi−1 =xi ⇒ δi−1 = δi. Fur ein beliebiges Element w = (x1, δ1) . . . (xn, δn) ∈ W definieren wir w0 := 1,und ist wi fur ein i ∈ 0, . . . , n− 1 bereis definiert, so setzen wir

wi+1 :=wi−1 falls (xi+1,−δi+1) der letzte Buchstabe von wi ist,wi(xi+1, δi+1) sonst.

Dann ist w := wn ein reduziertes Wort mit w ∼ w. Sei r ∈ 0, . . . , n, x ∈ X, δ ∈ ±1 und v :=(x1, δ1) . . . (xr, δr)(x, δ)(x,−δ)(xr+1, δr+1) . . . (xn, δn). Dann ist v0 = w0, . . . , vr = wr. Ist (x,−δ)der letzte Buchstabe von vr = wr, so ist vr+1 = wr−1, vr+2 = vr−1(x,−δ) = wr, . . . , vn+2 =wn. Ist (x,−δ) nicht der letzte Buchstabe von vr = wr, so ist vr+1 = vr(x, δ), vr+2 = vr =wr, . . . , vn+2 = wn. In jedem Fall ist v = w. Fur beliebige Elemente y, z ∈ W mit y ∼ z ist alsoy = z. Dies zeigt, daß jede Aquivalenzklasse genau ein reduziertes Wort enthalt. Insbesondere sinddie Elemente [(x, 1)] mit x ∈ X paarweise verschieden. Wir konnen also jedes Element x ∈ X mit[(x, 1)] identifizieren. Dann ist F = 〈X〉, und jedes Element in F laßt sich in der Form xk11 . . . xkt

t

mit x1, . . . , xt ∈ X, k1, . . . , kt ∈ Z und x1 6= x2 6= . . . 6= xt schreiben; dabei sind x1, . . . , xt undk1, . . . , kt eindeutig.

Beispiel. Ist X = x einelementig, so ist F = xk : k ∈ Z eine unendliche zyklische Gruppe, also zuZ isomorph. Im Fall |X| ≥ 2 ist F nichtabelsch wegen xx′ 6= x′x fur verschiedene x, x′ ∈ X.

15.2. Satz (Universelle Eigenschaft freier Gruppen). Gegeben seien eine Menge X, die freie GruppeF uber X und eine beliebige Gruppe G. Dann kann man jede Abbildung f : X → G zu genau einemHomomorphismus g : F → G fortsetzen.

Beweis. Sei W die freie Halbgruppe uber X+ ∪X− wie oben. Wir definieren eine Abbildung f : W → Gdurch f((x1, δ1) . . . (xn, δn)) := f(x1)δ1 . . . f(xn)δn fur x1, . . . , xn ∈ X, δ1, . . . , δn ∈ ±1. Fur v, w ∈ W

61

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62 15. FREIE GRUPPEN

gilt dann f(vw) = f(v)f(w) und f(1) = 1, d.h. f ist ein Homomorphismus von Monoiden. Fur v, w ∈Wgilt ferner: v ∼ w ⇒ f(v) = f(w). Daher kann man eine Abbildung g : F → G definieren durchg([v]) := f(v) fur v ∈ W . Offenbar ist g ein Homomorphismus von Gruppen mit g(x) = f(x, 1) = f(x)fur x ∈ X. Wegen F = 〈X〉 ist g die einzige Fortsetzung von f zu einem Homomorphismus F → G.

Bemerkung. Aus dem Satz folgt insbesondere, daß fur gleichmachtige Mengen X,Y (d.h. es existierteine Bijektion f : X → Y ) die freien Gruppen uber X und Y isomorph sind.

15.3. Satz. Gegeben sei ein Erzeugendensystem X einer Gruppe G mit der Eigenschaft, daß sich jedeAbbildung f von X in eine Gruppe H zu einem Homomorphismus g : G → H fortsetzen laßt. Dann istG zur freien Gruppe F uber X isomorph.

Beweis. Nach Voraussetzung existiert ein Homomorphismus g : G → F mit g(x) = x fur x ∈ X. Nach15.2 existiert ein Homomorphismus h : F → G mit h(x) = x fur x ∈ X. Wegen (g h)(x) = x fur x ∈ Xund F = 〈X〉 ist g h = idF . Analog ist h g = idG.

15.4. Satz. Fur endliche Mengen X,Y mit |X| 6= |Y | sind die freien Gruppen uber X und Y nichtisomorph.

Beweis. Sei |X| = n. Dann existieren genau 2n Abbildungen X → Z/2Z. Nach 15.2 existieren also genau2n Homomorphismen von der freien Gruppe F uber X in Z/2Z.

Bemerkung. Der Satz gilt auch fur unendliche Mengen. Sein Beweis erfordert etwas mehr Mengenlehre.Man nennt |X| auch den Rang der freien Gruppe F uber X.

15.5. Satz. Jede Gruppe G ist zu einer Faktorgruppe einer freien Gruppe isomorph. Laßt sich G durchm Elemente erzeugen, so ist G zu einer Faktorgruppe einer freien Gruppe des Ranges m isomorph.

Beweis. Sei X ein Erzeugendensystem von G (notfalls X = G). Sei F die freie Gruppe uber X. Nach15.2 laßt sich die Abbildung X → G, x 7→ x zu einem Homomorphismus f : F → G fortsetzen. WegenG = 〈X〉 ist f surjektiv, also G ∼= F/Ker(f).

Bemerkung.(i) Sei X Erzeugendensystem einer Gruppe G, F die freie Gruppe uber X und f : F → G der

Homomorphismus mit f(x) = x fur x ∈ X. Die Elemente in Ker(f) nennt man Relatoren fur Gund X. Ein Element xδ11 . . . xδn

n ∈ F mit x1, . . . , xn ∈ X, δ1, . . . , δn ∈ ±1 ist also genau dannein Relator fur G und X, wenn das Bild von xδ11 . . . xδn

n in G gleich 1 ist, d.h. wenn xδ11 . . . xδnn = 1

in G ist. (Unsere Schreibweise unterscheidet das Produkt xδ11 . . . xδnn in F nicht von dem Produkt

xδ11 . . . xδnn in G; dies ist zwar schlampig, aber ublich und bequem.) Fur jeden Relator xδ11 . . . xδn

n ∈F nennt man die Gleichung xδ11 . . . xδn

n = 1 eine Relation fur G und X. Eine Menge R von Relatorenfur G und X nennt man ein System definierender Relatoren fur G und X, falls Ker(f) der normaleAbschluß von 〈R〉 in F ist. In diesem Fall nennt man auch die Gleichungen r = 1 (r ∈ R) einSystem definierender Relationen fur G und X.

(ii) Sei umgekehrt X eine Menge, F die freie Gruppe uber X, R eine Teilmenge von F und N dernormale Abschluß von 〈R〉 in F . Dann nennt man die Faktorgruppe 〈X|R〉 := F/N die durch Xmit den Relatoren R erzeugte Gruppe.

Beispiel. G := 〈a, b|a3, b2, baba〉.Man schreibt auch G := 〈a, b|a3 = b2 = baba = 1〉 und unterscheidet dabei nicht zwischen dem Rechnenin der von a und b erzeugten freien Gruppe F und dem Rechnen in der Faktorgruppe G von F . Wegenba = a−1b−1 = a−1b laßt sich jedes Element in G auf die Form ambn mit m,n ∈ Z bringen. Wegena3 = 1 = b2 kann man o.B.d.A. m ∈ 0, 1, 2, n ∈ 0, 1 annehmen. Daher ist |G| ≤ 6. I.a. ist esschwierig, die Struktur einer durch Erzeugende und Relationen definierte Gruppe genau zu bestimmen.Es gibt z.B. kein allgemeines Verfahren, um zu entscheiden, ob eine solche Gruppe trivial ist oder nicht. Inunserem Fall ist die Sache einfach. In Sym(3) erfullen die Elemente α = ( 1 2 3

2 3 1 ) , β = ( 1 2 32 1 3 ) die Relationen

α3 = β2 = αβαβ = 1, wie man leicht nachrechnet. Außerdem ist Sym(3) = 〈α, β〉. Der folgende Satz wird

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15. FREIE GRUPPEN 63

zeigen, daß es dann einen Epimorphismus f : G→ Sym(3) gibt. Folglich ist 6 = |Sym(3)| ≤ |G| ≤ 6, also|G| = 6, und f ist injektiv, d.h. G ∼= Sym(3). Die Gruppe Sym(3) wird also von den Elementen α, β mitden Relationen α3 = β2 = αβαβ = 1 erzeugt.

15.6. Satz. Gegeben seien Gruppen G und H mit Erzeugendensystemen X = gλ : λ ∈ Λ bzw. Y =hλ : λ ∈ Λ. Fur jede Relation gε1λ1

. . . gεn

λn= 1 fur G und X sei hε1λ1

. . . hεn

λn= 1 eine Relation fur H und

Y . Dann existiert ein Epimorphismus f : G→ H mit f(gλ) = hλ fur λ ∈ Λ.

Beweis. Sei F die freie Gruppe uber Λ. Dann existieren Epimorphismen ϕ : F → G, ψ : F → H mitϕ(λ) = gλ, ψ(λ) = hλ fur λ ∈ Λ. Die Voraussetzung bedeutet Ker(ϕ) ⊆ Ker(ψ). Daher ist die AbbildungF/Ker(ϕ) → F/Ker(ψ), xKer(ϕ) 7→ xKer(ψ) wohldefiniert und ein Epimorphismus. Setzt man diesenmit den Isomorphismen F/Ker(ϕ) → G, xKer(ϕ) 7→ ϕ(x) und F/Ker(ψ) → H, xKer(ψ) 7→ ψ(x)zusammen, so erhalt man die Behauptung.

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KAPITEL 16

Endliche p-Gruppen

Sei p Primzahl.

16.1. Bemerkung. Nach Aufgabe 4 von Blatt 5 ist G/Z(G) fur eine nichtabelsche Gruppe G niemalszyklisch. Fur eine nichtabelsche endliche p-Gruppe G ist also stets p2

∣∣ |G/Z(G)|; insbesondere sindGruppen der Ordnung p2 stets abelsch nach 10.1.

Satz. Ist N ein Normalteiler einer Gruppe G mit |G/N | = p2, so ist G′ ⊆ N .

Beweis. |G/N | = p2 ⇒ G/N abelsch ⇒ G′ ⊆ N .

Beispiel. In einer nichtabelschen Gruppe der Ordnung p3 ist Z(G) 6= 1 nach 10.1. Wegen p2∣∣ |G/Z(G)|

ist also |Z(G)| = p. Folglich ist G′ ⊆ Z(G). Wegen G′ 6= 1 ist G′ = Z(G).

16.2. Satz.(i) Ist p ungerade und n ∈ N, so ist (Z/pnZ)× zyklisch der Ordnung pn−1(p− 1). Die p-Sylowgruppe

von (Z/pnZ)× wird von 1 + p+ pnZ erzeugt.(ii) Fur n ∈ N, n ≥ 2 ist (Z/2nZ)× = 〈−1 + 2nZ〉⊕ 〈5 + 2nZ〉 mit |〈−1 + 2nZ〉| = 2 und |〈5 + 2nZ〉| =

2n−2; insbesondere ist |(Z/2nZ)×| = 2n−1.

Beweis. Algebra.

Bemerkung. Nach Aufgabe 3 von Blatt 3 ist fur k ∈ Z die Abbildung (Z/kZ)× → Aut(Z/kZ), l+kZ 7→(Z/kZ→ Z/kZ, z 7→ lz) ein Isomorphismus.

16.3. Satz. Fur n ∈ N ist jede nichtabelsche Gruppe H der Ordnung pn+1, die eine zyklische UntergruppeK der Ordnung pn enthalt, zu einer der folgenden Gruppen isomorph:

(I) 〈a, b | apn

= bp = 1, bab−1 = a1+pn−1〉, p ungerade, n ≥ 2.(II) 〈a, b | a2n

= b2 = 1, bab−1 = a−1〉, p = 2, n ≥ 2.(III) 〈a, b | a2n

= 1, b2 = a2n−1, bab−1 = a−1〉, p = 2, n ≥ 2.

(IV) 〈a, b | a2n

= b2 = 1, bab−1 = a1+2n−1〉, p = 2, n ≥ 3.(V) 〈a, b | a2n

= b2 = 1, bab−1 = a−1+2n−1〉, p = 2, n ≥ 3.

Beweis. Wir betrachten die Gruppenerweiterung K = 〈k〉 −→ H −→ G := H/K ∼= Z/pZ und bezeichnenmit α das entsprechende Automorphismensystem. Ware αx = idK fur x ∈ G, so ware K ⊆ Z(H), also|H/Z(H)|

∣∣ p und damit H abelsch. Also ist αx 6= idK fur ein x ∈ G.Sei zunachst p 6= 2. Da Aut(K) zyklisch der Ordnung pn−1(p−1) ist, ist Bild(α) die einzige Untergruppeder Ordnung p von Aut(K). Diese wird von der Abbildung

β : K → K, a 7→ a(1+p)pn−2

= a1+pn−1

erzeugt. Daher genugt es zu zeigen, daß Fak(α) = 1 ist. Fur a ∈ K gilt:

β(a) = a ⇔ a1+pn−1= a ⇔ ap

n−1= 1

und

aβ(a)β2(a) . . . βp−1(a) = aa1+pn−1a(1+pn−1)2 . . . a(1+pn−1)p−1

=

= a1+(1+pn−1)+(1+2pn−1)+...+(1+(p−1)pn−1) =

= ap+p(p−1)

2 pn−1= ap.

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16. ENDLICHE p-GRUPPEN 65

Mit den Bezeichnungen aus Aufgabe 2 von Blatt 8 ist also Kα = 〈kp〉 = Nα(K), also Fak(α) ∼=Kα/Nα(K) = 1.Sei also p = 2. In diesem Fall hat K nach 16.2 genau drei Automorphismen β1, β2, β3 der Ordnung 2.Diese werden gegeben durch β1(a) = a−1, β2(a) = a1+2n−1

, β3(a) = a−1+2n−1fur a ∈ K. Der Fall

Bild(α) = 〈β1〉 folgt aus Aufgabe 3 von Blatt 8. Im Fall n = 2 ist β2 = β1 und β3 = 1. Sei also n ≥ 3. ImFall Bild(α) = 〈β2〉 gilt fur a ∈ K:

β2(a) = a ⇔ a1+2n−1= a ⇔ a2n−1

= 1

undNα(a) = aβ2(a) = a2+2n−1

.

Also ist Kα = 〈k2〉 = Nα(K) und Fak(α) ∼= Kα/Nα(K) = 1. Im Fall Bild(α) = 〈β3〉 gilt fur a ∈ K:

β3(a) = a ⇔ a2n−1= a2 ⇔ a2 = 1 (wegen n ≥ 3)

undNα(a) = aa−1+2n−1

= a2n−1.

Also ist wieder Kα = 〈k2n−1〉 = Nα(K) und Fak(α) ∼= Kα/Nα(K) = 1.

Bemerkung.(i) Gruppen vom Typ (II) sind Diedergruppen, Gruppen vom Typ (III) Quaternionengruppen (vgl.

Aufgabe 3 von Blatt 8). Gruppen vom Typ (V) nennt man Semidiedergruppen.(ii) Man kann leicht zeigen, daß die Gruppen (I)–(V) paarweise nichtisomorph sind (vgl. Aufgabe 1

von Blatt 9).(iii) Die abelschen Gruppen der Ordnung pn+1, die eine zyklische Untergruppe der Ordnung pn ent-

halten, sind nach Satz 5.6 zu Z/pn+1Z oder zu Z/pnZ× Z/pZ isomorph.

16.4. Satz. Gegeben sei eine endliche nichtzyklische p-Gruppe G, in der jeder abelsche Normalteilerzyklisch ist. Dann ist p = 2, und G ist eine Diedergruppe, eine Semidiedergruppe oder eine Quaternio-nengruppe.

Beweis. Wir wahlen einen maximalen abelschen Normalteiler A von G. Dann ist A zyklisch, also A 6= G.Nach Aufgabe 4 von Blatt 6 ist A = CG(A). Daher ist G/A = G/CG(A) isomorph zu einer Untergruppevon Aut(A). Im Fall |A| = p ware |Aut(A)| = p − 1, also G/A = 1. Daher ist |A| ≥ p2. Wir bezeichnenmit B die einzige Untergruppe der Ordnung p2 von A. Dann ist B E G, A ⊆ CG(B) =: C E G, undG/C ist isomorph zu einer Untergruppe von Aut(B). Nach 16.2 ist |Aut(B)| = p(p− 1), also |G/C| ≤ p.Annahme: A 6= C. Da G nilpotent ist, existiert ein D E G mit A ⊆ D ⊆ C und |D : A| = p. NachWahl von A ist D nichtabelsch mit einem zyklischen Normalteiler A vom Index p. Daher ist D eine derGruppen in 16.3. Offenbar ist B ⊆ Z(D), also |Z(D)| ≥ p2. Man rechnet leicht nach, daß dies die Typen(II), (III), (V) ausschließt. In Gruppen vom Typ (I) oder (IV) erzeugen aber die Elemente der Ordnungp eine nichtzyklische charakteristische Untergruppe der Ordnung p2, wie man leicht nachrechnet (vgl.Aufgabe 1 von Blatt 9). Widerspruch.Also ist A = C und damit |G/A| ≤ p. Daher ist G eine der Gruppen in 16.3. Wie oben kann man dieFalle (I) und (IV) ausschließen.

16.5. Satz. Fur eine endliche p-Gruppe G sind aquivalent:(1) Jede abelsche Untergruppe von G ist zyklisch.(2) G enthalt genau eine Untergruppe der Ordnung p.(3) G ist zyklisch oder eine Quaternionengruppe.

Beweis.(3)⇒(2): Nachrechnen!(2)⇒(1): Hauptsatz uber endliche abelsche Gruppen.(1)⇒(3): Ist (1) erfullt, so ist G nach 16.4 zyklisch, eine Diedergruppe, eine Quaternionengruppe

oder eine Semidiedergruppe. Man zeigt leicht, daß Dieder- und Semidiedergruppen nichtzyklischeabelsche Untergruppen enthalten.

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66 16. ENDLICHE p-GRUPPEN

16.6. Satz. Jede nichtabelsche Gruppe G der Ordnung p3 ist zu einer der folgenden Gruppen isomorph:(I) 〈a, b | a4 = b2 = 1, bab−1 = a−1〉, p = 2.

(II) 〈a, b | a4 = 1, b2 = a2, bab−1 = a−1〉, p = 2.(III) 〈a, b | ap2 = 1 = bp, bab−1 = a1+p〉, p 6= 2.(IV) 〈a, b, c | ap = bp = cp = 1, c = aba−1b−1, ac = ca, bc = cb〉, p 6= 2.

Beweis. Enthalt G ein Element der Ordnung p2, so folgt die Behauptung aus 16.3. Daher konnen wirgp = 1 fur alle g ∈ G annehmen. Dann ist p 6= 2; denn sonst ist gh = gh(hg)2 = ghhghg = hg fur alleg, h ∈ G. Nach 16.1 ist |Z(G)| = p, etwa Z(G) = 〈c〉. Fur b ∈ G \ Z(G) ist 〈b, c〉 abelsch der Ordnungp2; insbesondere ist 〈b, c〉 E G. Wir wahlen a ∈ G \ 〈b, c〉. Dann ist G = 〈a, b, c〉. Nach 16.1 ist G/Z(G)abelsch; insbesondere ist aba−1Z(G) = bZ(G), also aba−1 = bci fur ein i ∈ N; dabei ist p - i, da sonstb ∈ Z(G). Wir ersetzen also c durch ci und erhalten die angegebenen Relationen.

Bemerkung. Man kann sich leicht uberlegen, daß die angegebenen Gruppen existieren und paarweisenichtisomorph sind (vgl. Aufgabe 2 von Blatt 9).

16.7. Definition. Eine endliche p-Gruppe G mit Φ(G) = G′ = Z(G) und |G′| = p nennt man extraspe-ziell.

Beispiel. Nichtabelsche Gruppen der Ordnung p3 sind extraspeziell nach 16.1.

Bemerkung. Jede extraspezielle p-Gruppe ist nilpotent der Klasse 2 mit exp(G) ≤ p2. Fur g, h, k ∈ Ggilt nach 7.1: [gh, k] = [g, k][h, k], [g, hk] = [g, h][g, k]. Fur z ∈ Z(G) ist ferner [gz, h] = [g, h] = [g, hz].Wegen Z(G) ∼= Z/pZ ist also die Abbildung

β : G/Φ(G)×G/Φ(G)→ Z(G) ∼= Z/pZ, (gΦ(G), hΦ(G)) 7→ [g, h]

eine Bilinearform auf dem Z/pZ-Vektorraum G/Φ(G). Wegen [g, g] = 1 fur g ∈ G ist diese Bilinearformsymplektisch, d.h. β(x, x) = 0 fur alle x. Ist g ∈ G mit [g, h] = 1 fur alle h ∈ G, so ist g ∈ Z(G). Daher istβ nichtausgeartet. Aus der Linearen Algebra sollte bekannt sein, daß G/Φ(G) eine Basis x1, y1, . . . , xn, ynmit β(xi, yi) = 1 fur i = 1, . . . , n, β(xi, yj) = 0 fur i 6= j und β(xi, xj) = 0 = β(yi, yj) fur i, j = 1, . . . , n be-sitzt. Wir schreiben xi = giΦ(G), yi = hiΦ(G), z = [gi, hi]. Dann ist G = 〈g1, h1, . . . , gn, hn, z〉, [gi, hi] =z fur i = 1, . . . , n, [gi, hj ] = 1 fur i 6= j und [gi, gj ] = 1 = [hi, hj ] fur i, j = 1, . . . , n. Fur i = 1, . . . , n istalso 〈gi, hi, z〉 ein Normalteiler der Ordnung p3 von G. Ferner ist |G| = p2n+1.Sei zunachst p 6= 2. Hat G den Exponenten p, so auch 〈gi, hi, z〉 fur i = 1, . . . , n. Es ist also gpi = hpi =zp = 1 fur i = 1, . . . , n. Damit ist in diesem Fall der Isomorphie-Typ von G eindeutig festgelegt.Hat G den Exponenten p2, so hat mindestens eine der Gruppen 〈gi, hi, z〉 den Exponenten p2, o.B.d.A.〈g1, h1, z〉. Wir konnen annehmen: gp1 = z, hp1 = zp = 1. Hat auch 〈g2, h2, z〉 den Exponenten p2, sokonnen wir auch gp2 = z, hp2 = zp = 1 annehmen. Wir setzen h1 := h1h2 und g2 := g−1

1 g2. Dann ist〈g1, h1, g2, h2, z〉 = 〈g1, h1, g2, h2, z〉 und gp2 = g−p1 gp2 = z−1z = 1. Es folgt leicht, daß 〈g2, h2, z〉 denExponenten p hat. Wegen [〈g1, h1, z〉, 〈g2, h2, z〉] = 1 hat also 〈g1, h1, z〉 den Exponenten p2. Ersetzt manalso 〈g1, h1, z〉 durch 〈g1, h1, z〉 und 〈g2, h2, z〉 durch 〈g2, h2, z〉, so kann man annehmen, daß 〈g2, h2, z〉den Exponenten p hat. Analog kann man annehmen, daß 〈gi, hi, z〉 fur i = 2, . . . , n den Exponenten phat. Damit ist der Isomorphie-Typ eindeutig festgelegt.Fur p 6= 2 und n ∈ N existieren also bis auf Isomorphie hochstens zwei extraspezielle p-Gruppen derOrdnung p2n+1. Man kann sich leicht uberlegen, daß diese auch tatsachlich existieren (vgl. Aufgabe 3 vonBlatt 9).Sei jetzt p = 2. Fur i = 1, . . . , n ist dann 〈gi, hi, z〉 eine Diedergruppe oder eine Quaternionengruppe derOrdnung 8. Wir betrachten zunachst den Fall, daß 〈g1, h1, z〉 und 〈g2, h2, z〉 Quaternionengruppen sind.Dann ist g2

1 = g22 = h2

1 = h22 = z, h1g1h

−11 = g−1

1 , h2g2h−12 = g−1

2 . Wir setzen h1 := h1g2 und h2 := h2g1.Dann ist 〈g1, h1, g2, h2, z〉 = 〈g1, h1, g2, h2, z〉, h2

1 = h21g

22 = z2 = 1, h2

2 = h22g

21 = z2 = 1 und

[h1, h2] = h1g2h2g1g−12 h−1

1 g−11 h−1

2 = h1g1g2h2g−12 h−1

2 h−11 g−1

1 =

= h1g1zh−11 g−1

1 = zh1g1h−11 g−1

1 = z2 = 1,

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16. ENDLICHE p-GRUPPEN 67

also [〈g1, h1, z〉, 〈g2, h2, z〉] = 1. Ferner sind 〈g1, h1, z〉 und 〈g2, h2, z〉 Diedergruppen. Daher kann manannehmen, daß 〈gi, hi, z〉 fur i = 2, . . . , n eine Diedergruppe ist. Damit gibt es auch fur p = 2 hochstenszwei extraspezielle Gruppen der Ordnung p2n+1. Man kann sich wieder uberlegen, daß es tatsachlich furn ∈ N bis auf Isomorphie genau zwei extraspezielle Gruppen der Ordnung 22n+1 gibt (vgl. Aufgabe 3 vonBlatt 9).

Satz. Fur n ∈ N existieren bis auf Isomorphie genau zwei extraspezielle Gruppen der Ordnung p2n+1.

16.8. Satz. Jeder Automorphismus α einer extraspeziellen p-Gruppe G mit α(g)Z(G) = gZ(G) fur g ∈ Gliegt in Inn(G).

Beweis. Sei |G/Z(G)| = pd, also | Inn(G)| = pd. Jeder innere Automorphismus hat die gewunschteEigenschaft. Daher genugt es zu zeigen, daß es hochstens pd Automorphismen α mit der gewunschtenEigenschaft gibt. Wegen Z(G) = Φ(G) existieren x1, . . . , xd ∈ G mit G = 〈x1, . . . , xd〉. Fur jeden solchenAutomorphismus α und i = 1, . . . , d existiert ein Element zi ∈ Z(G) mit α(xi) = xizi. Da α durchα(x1), . . . , α(xd) eindeutig bestimmt ist, gibt es hochstens pd Moglichkeiten fur α.

16.9. Satz. Ist E eine extraspezielle p-Untergruppe einer Gruppe G mit [E,G] ⊆ Z(E), so ist G =ECG(E).

Beweis. Wegen [E,G] ⊆ Z(E) ⊆ E ist E E G. Fur g ∈ G ist also die Abbildung α : E → E, x 7→ gxg−1

ein Automorphismus von E mit α(x)Z(E) = gxg−1Z(E) = xx−1gxg−1Z(E) = x[x−1, g]Z(E) = xZ(E)fur x ∈ E. Nach 16.8 existiert also ein e ∈ E mit exe−1 = α(x) = gxg−1 fur x ∈ E. Folglich iste−1g ∈ CG(E) und g = ee−1g ∈ ECG(E).

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KAPITEL 17

Permutationsgruppen

17.1. Satz. Fur eine transitive Operation einer Gruppe G auf einer nichtleeren Menge Ω sind aquivalent:(1) Es existiert ein α ∈ Ω mit StbG(α) = 1.(2) Fur alle Elemente β ∈ Ω ist StbG(β) = 1.(3) Zu je zwei Elementen α, β ∈ Ω existiert genau ein Element g ∈ G mit gα = β.

Beweis.(1)⇒(2): Sei (1) erfullt und β ∈ Ω. Dann existiert ein g ∈ G mit gα = β. Folglich ist StbG(β) =g StbG(α)g−1 = g1g−1 = 1.

(2)⇒(3): Sei (2) erfullt. Wegen der Transitivitat von G existiert dann fur α, β ∈ Ω ein Element g ∈ Gmit gα = β. Ist auch h ∈ G mit hα = β, so ist g−1hα = g−1

β = α, d.h. g−1h ∈ StbG(α) = 1 undg = h.

(3)⇒(1): Sei (3) erfullt und α ∈ Ω. Dann existiert genau ein Element g ∈ G mit gα = α. Folglich ist|StbG(α)| = 1, also StbG(α) = 1.

Definition. Sind (1)–(3) erfullt, so nennt man die Operation regular.

Bemerkung.(i) In diesem Fall ist fur α ∈ Ω die Abbildung G→ Ω, g 7→ gα bijektiv; insbesondere ist |Ω| = |G|.

(ii) Ist umgekehrt |G| = |Ω| <∞ und operiert G transitiv auf Ω, so auch regular; denn fur α ∈ Ω ist|G| = |Ω| = |G : StbG(α)|, also |StbG(α)| = 1.

(iii) Ist G abelsch, transitiv und treu auf Ω, so auch regular; denn ware StbG(α) 6= 1 fur ein α ∈ Ωund x ∈ StbG(α) \ 1, so ware x = gxg−1 ∈ StbG(gα) fur g ∈ G, also x im Kern der Operationwegen ihrer Transitivitat.

17.2. Satz. Fur eine transitive Operation einer Gruppe G auf einer Menge Ω mit |Ω| ≥ 2 sind aquivalent:(1) Es existiert eine echte Teilmenge ∆ von Ω mit der Eigenschaft, daß |∆| > 1 und fur g ∈ G

entweder g∆ = ∆ oder g∆ ∩∆ = ∅ ist.

(2) Es existiert eine disjunkte Zerlegung Ω =•⋃

Λ∈L Λ, wobei Λ $ Ω, |Λ| > 1 und gΛ ∈ L fur alleΛ ∈ L, g ∈ G ist.

Beweis.(1)⇒(2): Sei (1) erfullt, δ ∈ ∆ und L = g∆ : g ∈ G. Fur ω ∈ Ω existiert dann ein Elementg ∈ G mit ω = gδ ∈ g∆. Daher ist Ω =

⋃Λ∈L Λ. Sind g, h ∈ G mit g∆ ∩ h∆ 6= ∅, so ist

∅ 6= h−1(g∆ ∩ h∆) = h−1g∆ ∩ ∆, also h−1g∆ = ∆ und g∆ = h∆. Daher ist Ω =

•⋃Λ∈L Λ. Fur

g ∈ G ist offenbar g∆ $ Ω, |g∆| > 1 und h(g∆) = hg∆ ∈ L fur g ∈ G.(2)⇒(1): Wahle ∆ ∈ L beliebig.

Bemerkung. Unter den obigen Voraussetzungen operiert G auch transitiv auf L; sind namlich Λ,∆ ∈ L,so wahle man α ∈ Λ, β ∈ ∆ und ein g ∈ G mit gα = β. Dann ist gΛ ∩∆ 6= ∅, also gΛ = ∆. Fur Λ ∈ List |L| = |G : StbG(Λ)| und |Ω| = |Λ| · |G : StbG(Λ)|. Fur ω ∈ Λ ist StbG(ω) ⊆ StbG(Λ); fur g ∈ StbG(ω)ist namlich ω = gω ∈ Λ ∩ gΛ, also gΛ = Λ.

68

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17. PERMUTATIONSGRUPPEN 69

Definition. Sind (1) und (2) erfullt, so nennt man die Operation imprimitiv, andernfalls primitiv.

Beispiel. Ist |Ω| eine Primzahl und operiert G transitiv auf Ω, so auch primitiv; denn die Bedingungen|Ω| 6= |Λ| 6= 1 und |Λ|

∣∣ |Ω| widersprechen sich.

17.3. Satz. Fur eine transitive Operation einer endlichen Gruppe G auf einer Menge Ω mit |Ω| ≥ 2 sindaquivalent:

(1) G operiert primitiv auf Ω.(2) Fur jedes ω ∈ Ω ist StbG(ω) eine maximale Untergruppe von G.(3) Es existiert ein ω ∈ Ω, so daß StbG(ω) eine maximale Untergruppe von G ist.

Beweis.(1)⇒(2): Sei (1) erfullt und ω ∈ Ω. Wegen 2 ≤ |Ω| = |G : StbG(ω)| ist G 6= StbG(ω). Wir nehmen

an, daß eine Untergruppe H von G existiert mit StbG(ω) < H < G. Fur ∆ := OrbH(ω) gilt dann:1 < |∆| = |H : StbG(ω)| < |G : StbG(ω)| = |Ω|. Ist g ∈ G mit g∆ ∩∆ 6= ∅, so existieren h, h′ ∈ Hmit hω = gh′ω, also h−1gh′ ∈ StbG(ω) ≤ H und damit g ∈ H. Folglich ist g∆ = ∆. Dies zeigt,daß G imprimitiv auf Ω operiert. Widerspruch.

(2)⇒(3): Trivial.(3)⇒(1): Sei (3) erfullt. Wir nehmen an, daß G imprimitiv auf Ω operiert, und ubernehmen die

Bezeichnungen aus 17.2. Ist Λ ∈ L mit ω ∈ Λ, so ist also StbG(ω) ⊆ StbG(Λ) ⊆ G und |G :StbG(ω)| = |Ω| > |L| = |G : StbG(Λ)| > 1, d.h. StbG(ω) < StbG(Λ) < G. Widerspruch.

17.4. Satz. Gegeben sei eine primitive Operation einer Gruppe G auf einer Menge Ω. Dann operiertjeder Normalteiler N von G transitiv oder trivial auf Ω.

Beweis. Sei N intransitiv auf Ω und ∆ eine Bahn von N auf Ω, also ∆ $ Ω. Fur g ∈ G ist dann g∆ eineBahn von gNg−1 = N , also g∆ = ∆ oder g∆ ∩ ∆ = ∅. Aus der Primitivitat von G folgt also |∆| = 1.Daher operiert N trivial auf Ω.

17.5. Satz. Gegeben sei eine endliche auflosbare Gruppe G, die treu und primitiv auf einer MengeΩ operiert. Dann enthalt G genau einen minimalen Normalteiler M . Dieser operiert regular auf Ω;insbesondere ist |Ω| = |M | = pm fur ein m ∈ N und eine Primzahl p. Ferner ist M = CG(M). Im Fallm = 1 ist G metabelsch.

Beweis. Sei M ein minimaler Normalteiler von G, also M ∼= (Z/pZ)m fur ein m ∈ N und eine Primzahlp. Nach 17.4 operiert M transitiv auf Ω, nach 17.1 also sogar regular. Daher ist |Ω| = |M | = pm.Setzt man C := CG(M), so gilt nach Frattini fur α ∈ Ω: C = M StbC(α). Fur g ∈M ist also StbC(α) =g StbC(α)g−1 = StbC(gα). Also operiert StbC(α) trivial auf Ω, d.h. StbC(α) = 1 und C = M . Ist N 6= Mein weiterer minimaler Normalteiler von G, so ist M ∩N = 1, also N ⊆ CG(M) = M . Widerspruch.Im Fall m = 1 ist G/M = G/CG(M) isomorph zu einer Untergruppe von Aut(M) ∼= (Z/pZ)×.

Bemerkung. Auf G kann man also den Satz von Galois anwenden. Umgekehrt zeigt man leicht, daßdie Gruppe im Satz von Galois primitiv auf den Nebenklassen nach einem Komplement des minimalenNormalteilers operiert.

17.6. Definition. Gegeben seien eine Operation einer Gruppe G auf einer Menge Ω und ein n ∈ N mitn ≤ |Ω|. Wir sagen, daß G n-transitiv auf Ω operiert, falls zu je zwei n-Tupeln (α1, . . . , αn), (β1, . . . , βn)paarweise verschiedener Elemente in Ω ein Element g ∈ G existiert mit gα1 = β1, . . . ,

g αn = βn.

Bemerkung. Vgl. Aufgabe 6 von Blatt 2.

Satz. Operiert eine Gruppe G n-transitiv auf einer Menge Ω mit n ≥ 2, so auch primitiv.

Beweis. Wir nehmen an, daß G imprimitiv auf Ω operiert, und wahlen eine echte Teilmenge ∆ von Ω mit|∆| > 1 und g∆ = ∆ oder g∆ ∩∆ = ∅ fur g ∈ G. Ferner wahlen wir α, β ∈ ∆ mit α 6= β und γ ∈ Ω \∆.Wegen n ≥ 2 existiert ein g ∈ G mit gα = α und gβ = γ. Dann ist α ∈ g∆, also g∆ = ∆ im Widerspruchzu gβ = γ 6∈ ∆.

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70 17. PERMUTATIONSGRUPPEN

Beispiel. Fur n ≥ 3 operiert Alt(n) (n − 2)-transitiv auf 1, . . . , n; denn fur paarweise verschiedeneα1, . . . , αn ∈ 1, . . . , n liegt(

1 . . . n− 2 n− 1 nα1 . . . αn−2 αn−1 αn

)oder

(1 . . . n− 2 n− 1 nα1 . . . αn−2 αn αn−1

)in Alt(n).

17.7. Satz. Gegeben sei ein Normalteiler N 6= 1 einer endlichen Gruppe G. Dann operiert G auf N \1durch Konjugation. Ist diese Operation transitiv, so ist N eine elementarabelsche p-Gruppe fur einePrimzahl p. Ist die Operation sogar 2-transitiv, so ist p = 2 oder |N | = 3. Ist sie 3-transitiv, so ist|N | = 4. Sie ist nie 4-transitiv.

Beweis. Sei p ein Primteiler von |N |. Nach Cauchy enthalt N ein Element der Ordnung p. Operiert Gtransitiv auf N \ 1, so hat also jedes Element in N Ordnung p, d.h. N ist eine p-Gruppe. Andrerseitsist N charakteristisch einfach, also insgesamt elementarabelsch.Sei G 2-transitiv auf N \ 1, x ∈ N \ 1 und p 6= 2. Dann ist x−1 6= x. Fur alle g ∈ G mit gxg−1 = xist gx−1g−1 = x−1. Daher ist N = 1, x, x−1, d.h. |N | = 3.Sei G 3-transitiv auf N \ 1, also |N | ≥ 4. Da N elementarabelsch ist, enthalt N eine Untergruppe Uder Ordnung 4. Es gibt kein Element in G, das die drei Elemente in U \ 1 auf drei Elemente abbildet,die nicht in einer Untergruppe der Ordnung 4 liegen. Also ist |N | = 4.

17.8. Definition. Operationen einer Gruppe G auf Mengen Ω,Ω′ nennt man ahnlich oder isomorph,falls es eine Bijektion ϕ : Ω→ Ω′ gibt mit gϕ(ω) = ϕ(gω) fur alle g ∈ G, ω ∈ Ω.

Bemerkung. Gegebenenfalls operiert G genau dann treu (transitiv, regular, . . . ) auf Ω′, wenn G treu(transitiv, regular, . . . ) auf Ω operiert.

Satz. Gegeben seien eine Operation einer Gruppe G auf einer Menge Ω, ein Element ω ∈ Ω und einNormalteiler N von G, der regular auf Ω operiert. Dann ist die Operation von StbG(ω) auf Ω \ ωahnlich zu der Operation von StbG(ω) auf N \ 1 (durch Konjugation).

Beweis. Da N regular auf Ω operiert, existiert zu jedem α ∈ Ω genau ein Element ϕ(α) ∈ N mitϕ(α)ω = α. Fur g ∈ StbG(ω) ist dann gϕ(α)g−1

ω = gϕ(α)ω = gα, also ϕ(gα) = gϕ(α)g−1. Daher istϕ : Ω \ ω → N \ 1 eine Bijektion mit den gewunschten Eigenschaften.

17.9. Satz. Fur n ≥ 5 ist Alt(n) einfach.

Beweis. (Induktion nach n) Der Fall n = 5 ist bereits erledigt. Sei also n ≥ 6 und die Aussage fur n− 1bewiesen. Wir identifizieren die einfache Gruppe Alt(n−1) mit dem Stabilisator von n in Alt(n). Fur jedenminimalen Normalteiler N von Alt(n) ist Alt(n−1)∩N E Alt(n−1), also Alt(n−1)∩N ∈ 1,Alt(n−1).Nach 17.6 operiert Alt(n) (n− 2)-transitiv und damit primitiv auf 1, . . . , n . Nach 17.4 operiert also Ntransitiv auf 1, . . . , n. Im Fall Alt(n − 1) ∩ N = 1 operiert N sogar regular auf 1, . . . , n. Nach 17.8sind die Operationen von Alt(n − 1) auf 1, . . . , n − 1 und auf N \ 1 ahnlich; insbesondere operiertAlt(n − 1) (n − 3)-transitiv auf N \ 1. Nach 17.7 ist dann n ≤ 6, d.h. n = 6. Das widerspricht aberauch 17.7. Also ist Alt(n− 1) = Alt(n− 1) ∩N ⊆ N ; insbesondere ist |N | = n · |Alt(n− 1)| = |Alt(n)|,d.h. N = Alt(n). Dies zeigt, daß Alt(n) einfach ist.

17.10. Satz. Fur n ≥ 5 sind 1, Alt(n) und Sym(n) die einzigen Normalteiler von Sym(n).

Beweis. Sei N ein von diesen verschiedener Normalteiler in Sym(n). Dann ist N ∩ Alt(n) E Alt(n),also N ∩ Alt(n) ∈ 1,Alt(n) nach 17.9. Im Fall Alt(n) = N ∩ Alt(n) ⊆ N ⊆ Sym(n) ware N ∈Alt(n),Sym(n). Also ist N ∩Alt(n) = 1 und

|N | · |Alt(n)|︸ ︷︷ ︸n!/2

= |N Alt(n)|∣∣ |Sym(n)| = n!,

d.h. |N | ≤ 2. Andererseits ist N nach 17.6 und 17.4 transitiv auf 1, . . . , n, also n∣∣ |N |. Widerspruch.

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KAPITEL 18

Die Verlagerung

18.1. Bemerkung. Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine Untergruppe H von G, ein NormalteilerK von H mit abelscher Faktorgruppe H/K und ein Reprasentantensystem R fur die Linksnebenklassen

von G nach H, d.h. G =•⋃r∈R rH. Fur g ∈ G und r ∈ R existiert dann genau ein ρg(r) ∈ R mit

grH = ρg(r)H. Dann ist ηg(r) := ρg(r)−1gr ∈ H. Wir setzen

V GH/K(g) :=∏r∈R

ηg(r)K

und erhalten so eine Abbildung V GH/K : G→ H/K. (Da H/K abelsch ist, kommt es beim Produkt nichtauf die Reihenfolge der Faktoren an.)

Satz. V GH/K ist unabhangig von der Wahl von R und ein Homomorphismus.

Beweis. Jedes weitere Reprasentantensystem fur G/H hat die Form R′ = rhr : r ∈ R, wobei hr ∈ Hbeliebig fur r ∈ R ist. Fur g ∈ G, r ∈ R ist dann

grhrH = grH = ρg(r)H = ρg(r)hρg(r)H.

Definiert man η′g(r) analog, so ist also

η′g(r) = h−1ρg(r)ρg(r)

−1grhr = h−1ρg(r)ηg(r)hr

und ∏r∈R

η′g(r)K =∏r∈R

h−1ρg(r)ηg(r)hrK =

∏r∈R

ηg(r)K,

da H/K abelsch und die Abbildung R→ R, r 7→ ρg(r) fur g ∈ G bijektiv ist.Fur f, g ∈ G, r ∈ R ist

fgrH = fρg(r)H = ρf (ρg(r))H,also

V GH/K(fg) =∏r∈R

ρf (ρg(r))−1fgrK =

=∏r∈R

ρf (ρg(r))−1fρg(r) · ρg(r)−1grK =

= V GH/K(f) · V GH/K(g).

Definition. Man nennt V GH/K die Verlagerung (transfer) von G nach H/K.

18.2. Bemerkung. Gegeben seien eine endliche Gruppe G, eine Untergruppe H von G, ein NormalteilerK von H mit abelscher Faktorgruppe H/K und ein Element g ∈ G. Zur Berechnung von V GH/K konnenwir ein Reprasentantensystem fur G/H wahlen, das von g abhangt. Die zyklische Gruppe 〈g〉 operiertauf G/H durch Linksmultiplikation. Wir bezeichnen mit ∆1, . . . ,∆s die Bahnen und wahlen r1H ∈∆1, . . . , rsH ∈ ∆s. Fur i = 1, . . . , s sei di := |∆i|, also ∆i = riH, griH, g2riH, . . . , g

di−1riH undgdiriH = riH. Dann ist

R := r1, gr1, . . . , gd1−1r1, r2, gr2, . . . , g

d2−1r2, . . . , rs, grs, . . . , gds−1rs

71

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72 18. DIE VERLAGERUNG

ein Reprasentantensystem fur G/H und

V GH/K(g) =s∏i=1

r−1i gdiriK;

dabei ist d1 + . . . + ds = |G : H| und r−1i gdiri ∈ H fur i = 1, . . . , s. In den Anwendungen ist oft

r−1i gdiriK = gdiK fur i = 1, . . . , s; in diesem Fall ist V GH/K(g) = g|G:H|K.

Beispiel.(i) Fur g ∈ Z(G) ist also V GH/K(g) = g|G:H|K.(ii) Faßt man V GZ(G)/1 als Abbildung in Z(G) auf, so ist V GZ(G)/1(g) = g|G:Z(G)| fur alle g ∈ G. Daher

ist die Abbildung G→ Z(G), g 7→ g|G:Z(G)| ein Homomorphismus.

18.3. Definition. Fur eine endliche Gruppe G und eine Untergruppe H von G nennt man FocG(H) :=〈[g, h] : g ∈ G, h ∈ H, [g, h] ∈ H〉 die Fokalgruppe von H in G.

Bemerkung. Dann ist H ′ ⊆ F := FocG(H) ⊆ H ∩ G′; insbesondere ist F E H mit abelscher Faktor-gruppe H/F , und fur alle Elemente g ∈ G, h ∈ H mit [g, h] ∈ H ist ghg−1F = ghg−1h−1Fh = [g, h]Fh =Fh = hF . Folglich ist V GH/F (h) = h|G:H|F fur h ∈ H.

Satz. Sei G eine endliche Gruppe, H ≤ G und F := FocG(H). Im Fall ggT(|G : H|, |H : F |) = 1 giltdann:

(i) H ∩Ker(V GH/F ) = H ∩G′ = FocG(H).(ii) H Ker(V GH/F ) = G.(iii) G/G′ = HG′/G′ ⊕Ker(V GH/F )/G′.(iv) G/Ker(V GH/F ) ∼= H/FocG(H).

Beweis.(i) Offenbar ist G′ ⊆ Ker(V GH/F ) =: N , also F ⊆ H ∩ G′ ⊆ H ∩ N . Fur h ∈ H ∩ N ist andrerseits

1 = V GH/F (h) = h|G:H|F . Außerdem ist h|H:F |F = 1 nach Fermat. Also ist hF = 1 wegen ggT(|G :H|, |H : F |) = 1. Daher ist h ∈ F , und wir haben H ∩N ⊆ F bewiesen.

(ii) Nach (i) ist |G/N | ≥ |HN/N | = |H/H ∩N | = |H/F | ≥ |G/N |. Daher ist G = HN .(iii) Nach (ii) ist G/G′ = (HG′/G′)(N/G′), und nach (i) ist N ∩HG′ = (N ∩H)G′ = G′.(iv) Der Beweis von (ii) zeigt, daß V GH/F surjektiv ist.

Beispiel. Die Voraussetzung ggT(|G : H|, |H : F |) = 1 ist z.B. erfullt, wenn H eine Hallgruppe von Gist.

18.4. Definition. Sei H Untergruppe einer endlichen Gruppe G. Wir setzen induktiv H1 := H undHn+1 := FocG(Hn) fur n ∈ N und nennen H hyperfokal in G, falls Hm = 1 fur ein m ∈ N ist.

Bemerkung. Dann ist jede Untergruppe K von H wegen FocG(K) ⊆ FocG(H) auch hyperfokal in G.Ferner ist H auch hyperfokal in jeder Untergruppe U von G mit H ⊆ U wegen FocU (H) ⊆ FocG(H).Schließlich ist H nilpotent wegen Hn ⊆ Hn fur alle n ∈ N.

Satz. Jede hyperfokale Hallgruppe H einer endlichen Gruppe G besitzt ein normales Komplement in G.

Beweis. (Induktion nach |G|) O.B.d.A. sei H 6= 1. Dann ist F := FocG(H) < H. Nach 18.3 ist N :=Ker(V GH/F ) E G mit G/N ∼= H/F 6= 1. Die Hallgruppe H ∩ N von N ist nach der obigen Bemerkunghyperfokal inG und inN . Nach Induktion besitztH∩N ein normales KomplementK inN . Als Hallgruppevon N ist K charakteristisch in N und damit normal in G. Ferner ist HK = H(H ∩ N)K = HN = Gnach 18.3 und H ∩K = H ∩N ∩K = 1.

18.5. Satz. Gegeben sei eine nilpotente Hallgruppe H einer endlichen Gruppe G. Sind je zwei Elementein H, die in G konjugiert sind, auch bereits in H konjugiert, so besitzt H ein normales Komplement inG.

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18. DIE VERLAGERUNG 73

Beweis. Wir setzen H1 := H und Hn+1 := FocG(Hn) fur n ∈ N. Nach 18.4 genugt es zu zeigen, daßaus der Voraussetzung Hn = Hn fur n ∈ N folgt. Dies geschieht durch Induktion nach n. Im Fall n = 1ist H1 = H = H1. Sei also n ∈ N fest mit Hn = Hn. Nach Bemerkung 18.4 ist Hn+1 ⊆ Hn+1. Furg ∈ G, h ∈ Hn mit ghg−1h−1 = [g, h] ∈ Hn ist umgekehrt ghg−1 ∈ Hn ⊆ H. Nach Voraussetzungexistiert also ein k ∈ H mit ghg−1 = khk−1. Folglich ist

[g, h] = ghg−1h−1 = khk−1h−1 = [k, h] ∈ [H,Hn] = [H,Hn] = Hn+1.

Dies zeigt: Hn+1 = 〈[g, h] : g ∈ G, h ∈ Hn, [g, h] ∈ Hn〉 ⊆ Hn+1.

Beispiel. Insbesondere besitzt also eine p-Sylowgruppe P einer endlichen Gruppe G ein normales Kom-plement, falls je zwei Elemente in P , die in G konjugiert sind, auch bereits in P konjugiert sind.

Bemerkung. Mit Methoden der Darstellungstheorie werden wir 18.5 im nachsten Semester verallgemei-nern.

18.6. Satz (Burnside). Eine p-Sylowgruppe P einer endlichen Gruppe G mit NG(P ) = CG(P ) besitztein normales Komplement in G.

Bemerkung. Aus der Voraussetzung folgt, daß P abelsch ist.

Beweis. Sind je zwei Elemente x, y ∈ P in G konjugiert, so auch in NG(P ) nach 9.6. Wegen NG(P ) =CG(P ) ist also x = y, und die Behauptung folgt aus 18.5.

18.7. Satz. Sei G eine endliche Gruppe, p der kleinste Primteiler von |G| und P eine p-Sylowgruppevon G. Ist P zyklisch, so besitzt P ein normales Komplement in G.

Beweis. Ist P zyklisch der Ordnung pn, so ist |Aut(P )| = pn−1(p − 1). Da NG(P )/CG(P ) zu einerUntergruppe von Aut(P ) isomorph ist, folgt |NG(P )/CG(P )|

∣∣ p − 1. Nach Wahl von p folgt NG(P ) =CG(P ), und man kann 18.6 anwenden.

Bemerkung. Besitzt G eine zyklische 2-Sylowgruppe P , so besitzt also P ein normales KomplementK in G. Da |K| ungerade ist, ist K nach Feit-Thompson auflosbar. Damit ist auch G auflosbar. In derDarstellungstheorie werden wir zeigen, daß Gruppen mit einer Quaternionengruppe als 2-Sylowgruppenicht einfach sind.

Beispiel. Aus dem Satz folgt insbesondere, daß fur ungerades n ∈ N Gruppen der Ordnung 2n einenNormalteiler der Ordnung n enthalten.

18.8. Satz. Sind alle Sylowgruppen einer endlichen Gruppe G zyklisch, so ist G auflosbar.

Beweis. (Induktion nach |G|) O.B.d.A. sei G 6= 1. Sei p der kleinste Primteiler von |G| und P eine p-Sylowgruppe von G. Nach 18.7 besitzt P ein normales Komplement K in G. Da alle Sylowgruppen vonK zyklisch sind, ist K nach Induktion auflosbar. Wegen G/K = PK/K ∼= P/P ∩K = P/1 ∼= P ist auchG auflosbar.

Bemerkung. Speziell sind also Gruppen quadratfreier Ordnung (d.h. |G| = p1 . . . pr mit paarweiseverschiedenen Primzahlen p1, . . . , pr) auflosbar.

18.9. Satz. Die Ordnung einer nichtabelschen endlichen einfachen Gruppe G ist durch 12 oder die drittePotenz ihres kleinsten Primteilers p teilbar.

Beweis. Sei P eine p-Sylowgruppe von G. Nach 18.7 ist P nichtzyklisch, also |P | ≥ p2, o.B.d.A. |P | = p2.Dann ist P ∼= Z/pZ×Z/pZ, Aut(P ) ∼= GL(2,Z/pZ) und |NG(P )/CG(P )|

∣∣ |Aut(P )| = |GL(2,Z/pZ)| =(p2 − 1)(p2 − p) = p(p− 1)2(p+ 1). Nach Burnside ist 1 6= |NG(P )/CG(P )|

∣∣ (p− 1)2(p+ 1). Nach Wahlvon p folgt daraus: |NG(P )/CG(P )| = p+ 1 ist eine Primzahl. Also ist p = 2 und p+ 1 = 3.

Beispiel. Sei G eine nichtabelsche einfache Gruppe und |G| = pqrs mit Primzahlen p, q, r, s, wobei p ≤q ≤ r ≤ s. Da Gruppen der Ordnung p3q auflosbar sind, folgt 12

∣∣ |G|, d.h. p = q = 2, r = 3. Da Gruppender Ordnung p2q2 auflosbar sind, folgt s ≥ 5. Sei S eine s-Sylowgruppe von G, also 1 6= |G : NG(S)|

∣∣ 12und |G : NG(S)| ≡ 1 (mod s); insbesondere ist |G : NG(S)| ≥ s + 1 ≥ 6, also |G : NG(S)| ∈ 6, 12.

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74 18. DIE VERLAGERUNG

Im Fall |G : NG(S)| = 12 ware s = 11 und |NG(S)| = 11 = |S|, also S = NG(S). Insbesondere wareNG(S) = CG(S) im Widerspruch zum Satz von Burnside. Also ist |G : NG(S)| = 6, d.h. s = 5, |G| = 60und G ∼= Alt(5) nach Aufgabe 2 von Blatt 6.

18.10. Satz. Jede auflosbare Untergruppe H einer endlichen Gruppe G mit H ∩ gHg−1 = 1 fur alleg ∈ G \H besitzt ein normales Komplement.

Beweis. (Induktion nach |G|) Sei h ∈ H und V GH/H′(h) =∏si=1 r

−1i hdiriH

′ wie in Bemerkung 18.2. Wirkonnen r1 = 1 annehmen. Wegen hr1H = hH = H = r1H ist dann d1 = 1 und r−1

1 hd1r1 = h. Furi = 2, . . . , s ist ri 6∈ H, also r−1

i hdiri ∈ H ∩ r−1i Hri = 1. Folglich ist V GH/H′(h) = hH ′ fur alle h ∈ H;

insbesondere ist V GH/H′(H) = H/H ′. Fur g ∈ G existiert also ein Element h ∈ H mit V GH/H′(g) =V GH/H′(h). Folglich ist h−1g ∈ Ker(V GH/H′) =: N und g = h · h−1g ∈ HN . Dies zeigt: G = HN . Offenbarist H ∩ N = H ′, und fur k ∈ N \ H ′ = N \ H ist H ′ ∩ kH ′k−1 ⊆ H ∩ kHk−1 = 1. Nach Induktionbesitzt also H ′ ein normales Komplement F in N . Nach Aufgabe 5 von Blatt 6 ist H ′ Hallgruppe vonN . Daher ist auch F eine Hallgruppe von N ; insbesondere ist F charakteristisch in N und damit normalin G. Ferner ist F ∩H = F ∩N ∩H = F ∩H ′ = 1 und G = HN = HH ′F = HF .

Bemerkung. In der Darstellungstheorie werden wir zeigen, daß die Auflosbarkeitsbedingung in 18.10uberflussig ist.

18.11. Satz. Jede endliche Gruppe G mit einer abelschen maximalen Untergruppe A ist auflosbar.

Beweis. Sei G ein minimales Gegenbeispiel. Offenbar ist A 6E G, also A = NG(A). Fur g ∈ G \ A istdaher gAg−1 6= A, d.h. 〈A, gAg−1〉 = G. Folglich ist N := A ∩ gAg−1 E G. Ferner ist A/N eine abelschemaximale Untergruppe von G/N . Im Fall N 6= 1 ware G/N auflosbar nach Wahl von G, also auch G.Daher ist A ∩ gAg−1 = 1 fur alle g ∈ G \ A. Nach 18.10 besitzt A ein normales Komplement K inG. Sei p ein Primteiler von |K| und P eine p-Sylowgruppe von K. Nach Frattini ist G = KNG(P ).Nach Aufgabe 5 von Blatt 6 sind A und K Hallgruppen von G. Daher ist K ∩ NG(P ) eine normaleHallgruppe von NG(P ), besitzt also nach Schur-Zassenhaus ein Komplement C in NG(P ). Dann istG = KNG(P ) = K(K ∩NG(P ))C = KC und K ∩C = K ∩NG(P )∩C = 1. Nach Schur-Zassenhaus sindA und C in G konjugiert. Insbesondere ist auch C eine maximale Untergruppe von G. Wegen C < Z(P )Cfolgt also G = Z(P )C, d.h. K = Z(P ) ist abelsch mit G/K ∼= A.

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KAPITEL 19

Endliche p-nilpotente Gruppen

Sei p Primzahl und p′ := q : q Primzahl, q 6= p.

19.1. Satz. Fur eine endliche Gruppe G sind aquivalent:(1) Jede p-Sylowgruppe von G besitzt ein normales Komplement in G.(2) Eine p-Sylowgruppe von G besitzt ein normales Komplement in G.(3) G/Op′(G) ist eine p-Gruppe.(4) G besitzt einen p′-Normalteiler K, so daß G/K eine p-Gruppe ist.

Beweis.(1)⇒(2): Trivial.(2)⇒(3): Sei P eine p-Sylowgruppe und K E G mit G = PK und P ∩K = 1. Dann ist |G| = |P |·|K|,

d.h. p - |K| und K ⊆ Op′(G). Wegen |Op′(G)|∣∣ |G : P | = |K| folgt daraus: K = Op′(G).

(3)⇒(4): Setze K := Op′(G).(4)⇒(1): Sei (4) erfullt und P eine p-Sylowgruppe von G. Dann ist PK/K eine p-Sylowgruppe vonG/K, also PK/K = G/K und PK = G. Die Behauptung folgt wegen P ∩K = 1.

Definition. Sind (1)–(4) erfullt, so nennt man G p-nilpotent.

Bemerkung. In diesem Fall ist Op′(G) das einzige (normale) Komplement jeder p-Sylowgruppe.

Beispiel. Jede endliche nilpotente Gruppe ist p-nilpotent fur jede Primzahl p. Ist umgekehrt G p-nilpotent fur jeden Primteiler p von |G|, so ist G nilpotent; denn wegen

⋂p||G|Op′(G) = 1 ist dann die

Abbildung G→ ×p||G|

G/Op′(G) ein Monomorphismus in das direkte Produkt der p-Gruppen G/Op′(G).

19.2. Satz. Mit G ist auch jede Untergruppe und jede Faktorgruppe von G p-nilpotent.

Beweis. Sei G p-nilpotent und U ≤ G. Dann ist U∩Op′(G) ein p′-Normalteiler von U und U/U∩Op′(G) ∼=UOp′(G)/Op′(G) ≤ G/Op′(G) eine p-Gruppe. Folglich ist U p-nilpotent.Fur jeden NormalteilerN vonG istOp′(G)N/N ein p′-Normalteiler vonG/N und (G/N)/(Op′(G)N/N) ∼=G/Op′(G)N ∼= (G/Op′(G))/(Op′(G)N/Op′(G)) eine p-Gruppe. Folglich ist G/N p-nilpotent.

19.3. Satz (Frobenius). Fur eine endliche Gruppe G und jede p-Sylowgruppe P von G sind aquivalent:(1) G ist p-nilpotent.(2) Fur jede p-Untergruppe Q 6= 1 von G ist NG(Q) p-nilpotent.(3) Fur jede p-Untergruppe Q 6= 1 von G ist NG(Q)/CG(Q) eine p-Gruppe.(4) Fur jede p-Untergruppe Q 6= 1 von G und jede p-Sylowgruppe R von NG(Q) ist NG(Q) = RCG(Q).(5) Zu jeder Untergruppe Q von P und jedem Element g ∈ G mit Q ⊆ gPg−1 existieren Elemente

z ∈ CG(Q), u ∈ P mit g = zu.(6) Zu je zwei Elementen x, y ∈ P und jedem Element g ∈ G mit y = gxg−1 existiert ein Element

u ∈ P mit y = uxu−1.

Beweis.(1)⇒(2): 19.2.(2)⇒(3): Sei (2) erfullt, Q 6= 1 eine p-Untergruppe von G und K := Op′(NG(Q)). Wegen Q∩K = 1

ist dann K ⊆ CG(Q). Wegen (2) ist NG(Q)/K eine p-Gruppe, also auch NG(Q)/CG(Q).

75

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76 19. ENDLICHE p-NILPOTENTE GRUPPEN

(3)⇒(4): Sei (3) erfullt, Q 6= 1 eine p-Untergruppe von G und R eine p-Sylowgruppe von NG(Q).Dann ist RCG(Q)/CG(Q) eine p-Sylowgruppe von NG(Q)/CG(Q), also NG(Q)/CG(Q) =RCG(Q)/CG(Q) wegen (3) und damit NG(Q) = RCG(Q).

(4)⇒(5): Sei (4) erfullt, Q ≤ P und g ∈ G mit Q ⊆ gPg−1. Wir argumentieren durch Induktionnach |P : Q|. Im Fall |P : Q| = 1 ist Q = P, g ∈ NG(P ) = PCG(P ) = CG(P )P , und wir sindfertig. Sei also |P : Q| > 1, d.h. Q < P . Dann ist Q < R1 := NP (Q) ≤ P und Q < R2 :=NgPg−1(Q) ≤ gPg−1. Wir wahlen eine p-Sylowgruppe R von NG(Q) mit R1 ⊆ R und ein Elementn ∈ NG(Q) mit R2 ⊆ nRn−1. Wegen NG(Q) = RCG(Q) = CG(Q)R konnen wir n ∈ CG(Q)annehmen. Ferner wahlen wir ein Element y ∈ G mit R ⊆ yPy−1. Wegen Q < R1 ≤ P undR1 ⊆ R ⊆ yPy−1 existieren nach Induktion Elemente z1 ∈ CG(R1), u1 ∈ P mit y = z1u1. Wegeng−1Qg < g−1R2g ⊆ P und g−1R2g ⊆ g−1nRn−1g ⊆ g−1nyPy−1n−1g existieren analog Elementez2 ∈ CG(R2), u2 ∈ P mit g−1ny = g−1z2g · u2. Dann ist aber g = z−1

2 nyu−12 = z−1

2 nz1u1u−12 mit

z−12 nz1 ∈ CG(Q) und u1u

−12 ∈ P .

(5)⇒(6): Sei (5) erfullt, und seien x, y ∈ P, g ∈ G mit y = gxg−1. Dann ist 〈y〉 ⊆ P und 〈y〉 =〈gxg−1〉 = g〈x〉g−1 ⊆ gPg−1. Nach (5) existieren also z ∈ CG(〈y〉), u ∈ P mit g = zu. Daher isty = z−1yz = z−1gxg−1z = uxu−1.

(6)⇒(1): 18.5.

19.4. Satz. Gegeben sei eine endliche nicht p-nilpotente Gruppe G, in der jede echte Untergruppe p-nilpotent ist. Dann besitzt G eine normale p-Sylowgruppe, und jede echte Untergruppe von G ist sogarnilpotent.

Bemerkung. Daher ist 10.6 anwendbar.

Beweis. Nach Frobenius existiert eine p-Untergruppe P von G, so daß NG(P )/CG(P ) keine p-Gruppeist. Sei q 6= p ein Primteiler von |NG(P )/CG(P )| und Q eine q-Sylowgruppe von NG(P ). Dann istQCG(P )/CG(P ) eine q-Sylowgruppe von NG(P )/CG(P ). Sei g ∈ Q mit gCG(P ) 6= 1, und sei U :=〈P, g〉 = P 〈g〉. Dann ist g ∈ NU (P ) \ CU (P ), d.h. NU (P )/CU (P ) ist keine p-Gruppe. Nach Frobenius istU nicht p-nilpotent. Nach Wahl von G folgt daraus G = U ; insbesondere ist P E G und G/P ∼= 〈g〉 eineq-Gruppe.Jede echte Untergruppe H von G ist p-nilpotent, d.h. H/Op′(H) ist eine p-Gruppe. Andrerseits ist P ∩Hwegen |H : P ∩ H| = |PH : P |

∣∣ |G : P | eine normale p-Sylowgruppe in H und H/P ∩ H ist eineq-Gruppe. Wegen P ∩H ∩Op′(H) = 1 ist H zu einer Untergruppe von H/P ∩H ×H/Op′(H) isomorph,also nilpotent.

19.5. Definition. Fur eine endliche abelsche p-Gruppe A bezeichnet man die minimale Erzeugendenzahlals Rang von A. Fur eine beliebige endliche p-Gruppe P bezeichnet man den maximalen Rang einer abel-schen Untergruppe von P als Rang von P und J(P ) := 〈A

∣∣ A abelsche Untergruppe maximalen Rangsvon P 〉 als Thompsongruppe von P .

Bemerkung.(i) Fur jede endliche abelsche p-Gruppe A vom Rang r ist |A/Φ(A)| = pr nach Burnsides Basissatz.

Nach 5.6 ist also A ∼= Z/pa1Z× . . .× Z/par Z mit a1, . . . , ar ∈ N.(ii) Offenbar ist J(P ) charakteristisch in P und J(Q) = J(P ) fur jede Untergruppe Q von P mit

J(P ) ⊆ Q.(iii) J. Thompson hat bewiesen, daß im Fall p 6= 2 eine endliche Gruppe G mit p-Sylowgruppe P

bereits dann p-nilpotent ist, wenn NG(J(P )) und CG(Z(P )) p-nilpotent sind. Darauf werden wirim nachsten Semester zuruckkommen.

Beispiel. Fur p = 2 und G = Sym(4) ist J(P ) = P, NG(J(P )) = NG(P ) = P = CG(Z(P )). Daher sindNG(J(P )) und CG(Z(P )) 2-nilpotent, G selbst aber nicht.

19.6. Satz. Fur jede abelsche Hallgruppe H einer endlichen Gruppe G und N := NG(H) gilt:(i) H = (H ∩ Z(N))⊕ [H,N ].

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19. ENDLICHE p-NILPOTENTE GRUPPEN 77

(ii) [H,N ] = FocG(H) = H ∩Ker(V GH/1).(iii) (H ∩ Z(N))/1 = V GH/1(H).

Beweis. Wir fassen V GH/1 als Abbildung von G in H auf und schreiben statt dessen V GH . Sei x ∈ H undV GH (x) =

∏si=1 r

−1i xdiri wie in 18.2. Fur i = 1, . . . , s sind dann xdi , r−1

i xdiri ∈ H. Da H abelsch ist,folgt 〈H, riHr−1

i 〉 ⊆ CG(xdi). Als abelsche Hallgruppen von CG(xdi) sind H und riHr−1i nach Wielandt

in CG(xdi) konjugiert, etwa ciriHr−1i c−1

i = H mit ci ∈ CG(xdi). Dann ist ciri ∈ N und r−1i xdiri =

r−1i c−1

i xdiciri = xdi [x−di , r−1i c−1

i ]. Folglich ist V GH (x) = x|G:H|d mit d :=∏si=1[x−di , r−1

i c−1i ] ∈ [H,N ].

Daher ist x|G:H| ∈ V GH (H)[H,N ] und H = x|G:H| : x ∈ H = V GH (H)[H,N ].Offenbar ist [H,N ] = 〈[g, h] : g ∈ N, h ∈ H〉 ⊆ 〈[g, h] : g ∈ G, h ∈ H, [g, h] ∈ H〉 = FocG(H) ⊆ H∩G′ ⊆H ∩ Ker(V GH ). Daher ist auch H = V GH (H)(H ∩ Ker(V GH )). Wegen [H,N ] ⊆ Ker(V GH ) zeigt die obigeRechnung V GH (V GH (x)) = V GH (x)|G:H| fur x ∈ H; insbesondere ist die Einschrankung von V GH eine Bijektionauf V GH (H). Daher ist V GH (H)∩Ker(V GH ) = 1, d.h. H = V GH (H)⊕ (H ∩Ker(V GH )) = V HG (H)⊕ [H,N ] undH ∩Ker(V GH ) = [H,N ].Fur y, z ∈ G ist yV GH (z)y−1 = V GyHy−1(yzy−1); fur jedes Reprasentantensystem R fur G/H ist namlichyRy−1 ein Reprasentantensystem fur G/yHy−1. Ist ferner r ∈ R und zrH = ρz(r)H mit ρz(r) ∈ R, soist yzy−1 ·yry−1 ·yHy−1 = yzrHy−1 = yρz(r)Hy−1 = yρz(r)y−1 ·yHy−1 mit yρz(r)y−1 ∈ yRy−1. Daherist

V GyHy−1(yzy−1) =∏r∈R

yρz(r)−1y−1 · yzy−1 · yry−1 = y( ∏r∈R

ρz(r)−1zr)y−1 = yV GH (z)y−1.

Fur y ∈ N und z ∈ H ist also yV GH (z)y−1 = V GH (yzy−1) ∈ V GH (H), d.h. V GH (H) E N . Fur x ∈ V GH (H)und y ∈ N ist [x, y] ∈ V GH (H) ∩ [H,N ] = 1. Folglich ist V GH (H) ⊆ H ∩ Z(N).Fur x ∈ H ∩ Z(N) ist nach obiger Rechnung V GH (x) = x|G:H|. Daher ist H ∩ Z(N) = x|G:H| : x ∈H ∩ Z(N) ⊆ V GH (H), und wir sind fertig.

Bemerkung. Mit F := FocG(H) gilt also nach 18.3: G/Ker(V GH/F ) ∼= H/F ∼= H ∩ Z(N). Auf dieseWeise kann man haufig Normalteiler konstruieren.

19.7. Satz. Gebenen sei ein minimaler Normalteiler A einer endlichen Gruppe G mit A = CG(A) undggT(|A|, |G/A|) = 1. Dann ist Z(G/A) zyklisch.

Beweis. Nach Schur-Zassenhaus besitzt A ein Komplement K in G. Wegen K ∼= G/A genugt es zu zei-gen, daß Z(K) zyklisch ist. Ist dies nicht der Fall, so enthalt Z(K) eine elementarabelsche p-UntergruppeH der Ordnung p2 fur eine Primzahl p. Wir bezeichnen mit H0, H1, . . . ,Hp die p + 1 verschiedenen

Untergruppen der Ordnung p von H. Dann ist H = 1∪•⋃pi=0 (Hi \ 1). Fur a ∈ A ist also∏

h∈H hah−1 = a−p

∏pi=0

∏hi∈Hi

hiah−1i . Offenbar ist B :=

∏h∈H hah

−1 : a ∈ A E AK = G undB ⊆ CA(H) ⊆ A, also B ∈ 1, A. Im Fall B = A ware CA(H) = A, also H ⊆ CG(A) = A. Daher istB = 1. Analog ist Bi :=

∏hi∈Hi

hiah−1i : a ∈ A = 1 fur i = 0, . . . , p. Dann ist aber a−p = 1 fur a ∈ A

im Widerspruch zu p - |A|.

19.8. Bemerkung. Nach Aufgabe 3 von Blatt 6 ist NG/H(PH/H) = NG(PH)/H = NG(P )H/H furjede p-Untergruppe P und jeden p′-Normalteiler H einer endlichen Gruppe G.

Satz. Fur jede p-Untergruppe P und jeden p′-Normalteiler H einer endlichen Gruppe G istCG/H(PH/H) = CG(P )H/H.

Beweis. Offenbar ist CG(P )H/H ⊆ CG/H(PH/H) ⊆ NG/H(PH/H) = NG(P )H/H. Schreibt manCG/H(PH/H) = U/H, so ist also H ⊆ U ⊆ NG(P )H. Nach Dedekind folgt daraus U = U ∩NG(P )H =(U ∩NG(P ))H. Fur u ∈ U ∩NG(P ) und x ∈ P ist aber [u, x]H = [uH, xH] = 1, also [u, x] ∈ H ∩ P = 1.Daher ist U ∩NG(P ) ⊆ CG(P ) und U ⊆ CG(P )H, d.h. CG/H(PH/H) = U/H ⊆ CG(P )H/H.

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Index

Abb(X), 3

Alt(n), 7

Bild(f), 7

CG(x), 8

CoreG(H), 8

Erw(G,K), 48

Erw(α), 50

Erw(ω), 54

Erw(G,K), 48

Erw(α), 50

Erw(ω), 54

exp(G), 10

F (G), 30

Fak(α), 50

Fak(α), 50

FocG(H), 72

GL(V ), 6

GL(n,K), 5

idX , 3

Inn(G), 7

J(P ), 76

Ker(f), 7

NG(X), 8

Oπ(G), 14

Oπ(G), 13

Obs(α), 58

Obs(α), 59

OrbG(ω), 7

Out(G), 12

Φ(G), 39

P(X), 3

Par(G,K), 45

Par(ω), 54

Par(G,K), 46

Par(ω), 54

Pri(α), 50

sgn, 6

SL(n,K), 7

StbG(ω), 7

Sym(n), 5

V4, 15

V GH/K

, 71

Z(G), 7

Abbildung

identische, 3

Null-, 20

abelsch, 3

Abschluß

normaler, 12

Alphabet, 3

Alternierende Gruppe, 7

Einfachheit der, 70

Assoziativgesetz, 3

Auflosbarkeitsstufe, 28

Automorphismengruppe, 6

außere, 12

innere, 7

Automorphismensystem, 43

Automorphismus, 5

innerer, 6

Bahn, 7

Bahnengleichung, 7

Bahnlange, 7

Bild, 7

Burnside, W., 28, 32, 73

Burnsides Basissatz, 40

Burnsides Lemma, 10

Cauchy (1789–1857)

Satz von, 32

Cayley

Satz von, 12

Charakter

alternierender, 6

Charakteristische Reihe, 17

Dedekind-Identitat, 7

Diedergruppe, 65

Doppelnebenklasse, 8

Drei-Untergruppen-Lemma, 26

Endomorphismus, 5

Addierbarkeit von ∼men, 21

nilpotenter, 20

normaler, 20

Epimorphismus, 5

kanonischer, 11

naturlicher, 11

Erweiterung

Gruppen-, 42

zerfallende, 49

Erzeugendensystem, 6

Exponent, 10

Faktorensystem, 43

79

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80 INDEX

prinzipales, 51

Faktorgruppe, 11

Feit, W., 28

Fermat

Satz von, 10

Fitting, 30

Satz von, 20

Fittinggruppe, 30

Fixpunkt, 10

Fokalgruppe, 72

Frattini, 32, 40

Frattini-Argument, 10, 32

Frattinigruppe, 39

Frobenius, 33, 75

G-Menge, 7

Galois, 37

Gaschutz, 53

Gruppe, 5

abelsche

Hauptsatz uber endl. erz. ∼n, 20

allgemeine lineare, 5, 6

alternierende, 7

Einfachheit der, 70

auflosbare, 28

Automorphismen-, 6

außere, 12

innere, 7

charakteristisch einfache, 17

Dieder-, 65

einfache, 11

endlich erzeugte, 6

Faktor-, 11

Fitting-, 30

Fokal-, 72

Frattini-, 39

freie, 61

Rang einer, 62

Hall-, 37

Isomorphie von ∼n, 6

Kleinsche Vierer-, 15

Kommutator-, 27

hohere, 27

metabelsche, 28

nilpotente, 29

Ω-, 16

π-, 9

p-, 9

elementarabelsche, 40

extraspezielle, 66

Rang einer, 76

p-nilpotente, 75

p-Sylow-, 32

perfekte, 27

periodische, 10

Quaternionen-, 65

Semidieder-, 65

spezielle lineare, 7

symmetrische, 5

Thompson-, 76

Torsions-, 10

torsionsfreie, 10

Unter-, 6

unzerlegbare, 20

zyklische, 6

Gruppenerweiterung, 42

Aquivalenz von ∼en, 46

zerfallende, 49

Halbgruppe, 3

freie, 3

Hall, P., 38

Hallgruppe, 37

Hauptfaktor, 17

Hauptreihe, 17

Homomorphiesatz, 12

Homomorphismus, 5

Bild eines, 7

Kern eines, 7

Ω-, 16

Hyperzentrum, 29

identische Abbildung, 3

Index, 8

inverses Element, 4

invertierbar, 4

Involution, 9

Isomorphiesatz

erster, 13

zweiter, 13

dritter, 13

Isomorphismus, 5

Johnson, 56

Jordan-Holder

Satz von, 15

Kern, 7, 8

Klasse

Nilpotenz-, 29

Klassengleichung, 9

Klassenzahl, 8

Kleinsche Vierergruppe, 15

kommutativ, 3

Kommutator, 25

hoherer, 25

Kommutatorgruppe, 27

hohere, 27

Komplement, 37

Kompositionsfaktor, 15

Kompositionslange, 15

Kompositionsreihe, 15

Konjugation, 8

Konjugationsklasse, 8

Krull-Schmidt

Satz von, 22

Lagrange (1736–1813)

Satz von, 8

linksinvers, 4

linksinvertierbar, 4

Linksnebenklasse, 8

linksneutral, 3

Maximalbedingung, 20

Minimalbedingung, 20

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INDEX 81

Monoid, 3

freies, 3

Monomorphismus, 5

Nebenklasse

Doppel-, 8

Links-, 8

Rechts-, 8

neutrales Element, 3

Nilpotenzklasse, 29

Normaler Abschluß, 12

Normalisator, 8

Normalreihe, 15

Isomorphie von ∼n, 15

Verfeinerung einer, 15

Normalteiler, 11, 16

maximaler, 19

minimaler, 19

Ω-, 16

Nullabbildung, 20

Ω-Gruppe, 16

einfache, 17

Ω-Homomorphismus, 16

Ω-Normalteiler, 16

Ω-Untergruppe, 16

Obstruktion, 58

Operation, 7

n-transitive, 69

Ahnlichkeit von ∼en, 70

imprimitive, 69

Isomorphie von ∼en, 70

Kern einer, 7

primitive, 69

regulare, 68

transitive, 7

treue, 7

triviale, 7

Operator, 16

Orbit, 7

Ordnung, 5

eines Gruppenelements, 9

π-Element, 9

π-Faktor, 10

π-Gruppe, 9

π-Kern, 13

π-Radikal, 13

π-Residuum, 14

p-Element, 9

p-Faktor, 10

p-Gruppe, 9

elementarabelsche, 40

extraspezielle, 66

Rang einer, 76

p-Sylowgruppe, 32

Paarung, 54

Parametersystem, 43

Aquivalenz von ∼en, 46

Permutation, 5

Potenz, 4

Potenzmenge, 3

Primfaktorzerlegung, 10

Produkt

direktes, 5

eingeschranktes direktes, 6

semidirektes, 49

Quaternionengruppe, 65

Radikal

auflosbares, 28

Rang

einer p-Gruppe, 76

einer freien Gruppe, 62

rechtsinvers, 4

rechtsinvertierbar, 4

Rechtsnebenklasse, 8

rechtsneutral, 3

Relation, 62

Relator, 62

Schmidt O., 36

Schreier, 15, 48

Schur (1875–1941), 51

Schurs Lemma, 20

Schur-Zassenhaus

Satz von, 51

Semidiedergruppe, 65

Signum, 6

Stabilisator, 7

Stufe

Auflosbarkeits-, 28

Subnormalreihe, 15

Isomorphie von ∼n, 15

Verfeinerung einer, 15

Summe

direkte

von Gruppen, 18

Sylow (1832–1918)

Satz von, 32

Symmetrische Gruppe, 5

Thompson, J., 28, 76

Thompsongruppe, 76

Torsionsgruppe, 10

Untergruppe, 6

charakteristische, 16

echte, 6

hyperfokale, 72

Index einer, 8

Kern einer, 8

Komplement einer, 37

maximale, 6

minimale, 6

normale, 11

Ω-, 16

triviale, 6

vollinvariante, 16

Verfeinerungssatz, 15

Verknupfung, 3

Verknupfungstafel, 3

Verlagerung, 71

vertauschbar, 3

Vorzeichen, 6

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82 INDEX

Wielandt, 37, 40Witt-Identitat, 25

Zassenhaus, 13, 51, 56Zentralfolge

absteigende, 26

aufsteigende, 28Zentralisator, 8

Zentralreihe, 29

absteigende, 29aufsteigende, 29

obere, 29

untere, 29Zentrum, 7

Hyper-, 29