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194 Ernährung im Fokus 11-05 | 11 TITEL Ralf Demmel Alles eine Frage der Motivation? Motivational Interviewing in der Gesundheitsförderung Foto: Mauritius Motivational Interviewing ist ein zugleich direktives und patientenzentriertes Verfahren, das zunächst in Abgrenzung zu herkömmlichen – zumeist konfronta- tiven – Methoden der Behandlung alkoholabhängi- ger Patienten entwickelt wurde. In den vergangenen Jahren wurde der Anwendungsbereich jedoch zuneh- mend erweitert (HIV-Prävention, Bewährungshilfe, Anorexia nervosa, Adipositas, Diabetes etc.). Warum ändern wir unsere Gewohnheiten? Wann ist die Zeit reif für eine Veränderung? Wie kommt es, dass wir einen lang gehegten Vorsatz endlich in die Tat um- setzen? Die Psychologie kennt viele Antworten auf diese Fragen und dennoch sind Ärzte, erapeuten und ande- re Gesundheitsprofis oſt ratlos, wenn Patienten – trotz bester Vorsätze – immer wieder scheitern, sich nichts (mehr) zutrauen oder gar nicht erst „in die Gänge kom- men“. Insbesondere die scheinbar unmotivierten Pati- enten stellen den erapeuten vor Herausforderungen. Was tun? Druck machen? Abwarten? Die Arbeit mit „schwierigen“ – zum Beispiel alkoholabhängigen – Pa- tienten hat Psychotherapeuten davon überzeugt, dass weder (sanſter) Druck noch (geduldiges) Abwarten an- gebracht sind, wenn Patienten unter einer chronischen Erkrankung leiden oder ihre schlechten Gewohnheiten nicht ablegen können. Insbesondere die Untersuchun- gen der Psychologen William R. Miller, University of New Mexico, und Stephen Rollnick, University of Wales, haben wesentlich zu diesem Umdenken beigetragen. Motivation Ziel des von Miller und Rollnick ( 1991, 2002) beschrie- benen „Motivational Interviewing“ ist die Förderung der Behandlungsmotivation und – etwas weiter ge- fasst – der Veränderungsbereitschaſt. Um „unmotivier- te“ Patienten zu motivieren, initiiert der erapeut ein lautes Nachdenken über die Aussicht auf Veränderung („change talk“): Möchte ich etwas verändern? Traue ich mir das zu? Warum sollte ich etwas ändern? Liegt mir wirklich etwas daran? (Demmel 2008). Die Ergebnisse psycholinguistischer Studien (Amrhein et al. 2003) be- legen, dass eine dauerhaſte Verhaltensänderung weit- aus wahrscheinlich ist, wenn Patienten sich selbst über- zeugen und nicht mit dem Rücken zur Wand ihre Laster oder schlechten Angewohnheiten – also den Status quo – verteidigen müssen. Der erapeut sollte den „change

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Ernährung im Fokus 11-05 | 11

TITEL

Ralf Demmel

Alles eine Frage der Motivation?Motivational Interviewing in der Gesundheitsförderung

Foto

: Mau

ritiu

s

Motivational Interviewing ist ein zugleich direktives und patientenzentriertes Verfahren, das zunächst in Abgrenzung zu herkömmlichen – zumeist konfronta-tiven – Methoden der Behandlung alkoholabhängi-ger Patienten entwickelt wurde. In den vergangenen Jahren wurde der Anwendungsbereich jedoch zuneh-mend erweitert (HIV-Prävention, Bewährungshilfe, Anorexia nervosa, Adipositas, Diabetes etc.).

Warum ändern wir unsere Gewohnheiten? Wann ist die Zeit reif für eine Veränderung? Wie kommt es, dass wir einen lang gehegten Vorsatz endlich in die Tat um-setzen? Die Psychologie kennt viele Antworten auf diese Fragen und dennoch sind Ärzte, Therapeuten und ande-re Gesundheitsprofis oft ratlos, wenn Patienten – trotz bester Vorsätze – immer wieder scheitern, sich nichts (mehr) zutrauen oder gar nicht erst „in die Gänge kom-men“. Insbesondere die scheinbar unmotivierten Pati-enten stellen den Therapeuten vor Herausforderungen. Was tun? Druck machen? Abwarten? Die Arbeit mit „schwierigen“ – zum Beispiel alkoholabhängigen – Pa-tienten hat Psychotherapeuten davon überzeugt, dass weder (sanfter) Druck noch (geduldiges) Abwarten an-gebracht sind, wenn Patienten unter einer chronischen

Erkrankung leiden oder ihre schlechten Gewohnheiten nicht ablegen können. Insbesondere die Untersuchun-gen der Psychologen William R. Miller, University of New Mexico, und Stephen Rollnick, University of Wales, haben wesentlich zu diesem Umdenken beigetragen.

Motivation

Ziel des von Miller und Rollnick (1991, 2002) beschrie-benen „Motivational Interviewing“ ist die Förderung der Behandlungsmotivation und – etwas weiter ge-fasst – der Veränderungsbereitschaft. Um „unmotivier-te“ Patienten zu motivieren, initiiert der Therapeut ein lautes Nachdenken über die Aussicht auf Veränderung („change talk“): Möchte ich etwas verändern? Traue ich mir das zu? Warum sollte ich etwas ändern? Liegt mir wirklich etwas daran? (Demmel 2008). Die Ergebnisse psycholinguistischer Studien (Amrhein et al. 2003) be-legen, dass eine dauerhafte Verhaltensänderung weit-aus wahrscheinlich ist, wenn Patienten sich selbst über-zeugen und nicht mit dem Rücken zur Wand ihre Laster oder schlechten Angewohnheiten – also den Status quo – verteidigen müssen. Der Therapeut sollte den „change

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talk“ lediglich initiieren und in anderen Worten mög-lichst verständlich und präzise wiederholen – so hört der Patient sein eigenes Plädoyer in zwei Versionen.

Miller und Rollnick (1991, 2002) beschreiben eine Rei-he verschiedener Techniken, die den Einstieg in den „change talk“ erleichtern. Insbesondere der so genann-te „readiness ruler“ (Abb. 1) ermöglicht es, den Patien-ten dort abzuholen, wo er steht (Beispiel 1). Zum Ab-schluss des Gesprächs fügt der Therapeut nochmals alle Argumente des Patienten zu einem ausführlichen Resü-mee zusammen und vereinbart – in gegenseitigem Ein-vernehmen – das weitere Vorgehen.

Neben der Erforschung eigener Motive und Prioritäten kann auch ein Gespräch über Werte und Ziele den An-stoß zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung geben. In Übereinstimmung mit den Annahmen der kogniti-ven Sozialpsychologie verweisen Miller und Rollnick (1991, 2002) darauf, dass der Widerspruch zwischen Werten und Zielen einerseits und den Konsequenzen (selbst-)schädigenden Verhaltens andererseits zu einer Änderung beispielsweise der Ernährungsgewohnheiten motivieren kann. Mit dem „value card sort“ wurde ein standardisiertes Verfahren entwickelt, dessen Anwen-dung lediglich 20 bis 30 Minuten in Anspruch nimmt und die Bereitschaft zum Ablegen „schlechter Ange-wohnheiten“ fördern kann (zur Durchführung siehe Demmel, Peltenburg 2006). Das „agenda setting chart“ (Abb. 2) soll Patienten ermutigen, eigene Prioritäten zu setzen – Worüber möchte ich zuerst sprechen? Was er-scheint mir am dringendsten? Was traue ich mir zu? – und mit dem Therapeuten einen »Fahrplan« zu verein-baren (Beispiel 2).

Abbildung 1:Einstieg in den „change talk“: Der „readiness ruler“

Wie wichtig ist es Ihnen, weniger zu essen?Wie denken Sie im Moment darüber?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

unwichtig sehr wichtig

Wenn Sie sich jetzt vornehmen würden, weniger zu essen:Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie das schaffen würden?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

überhaupt nicht absolut

Wie wichtig ist es Ihnen, weniger Kaffee/schwarzen Tee zu trinken?Wie denken Sie im Moment darüber?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

unwichtig sehr wichtig

Wenn Sie sich jetzt vornehmen würden, weniger Kaffee/schwarzen Tee zu trinken:Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihnen das gelingen würde?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

überhaupt nicht absolut

Wie wichtig ist es Ihnen, mehr frisches Obst und Gemüse zu essen?Wie denken Sie im Moment darüber?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

unwichtig sehr wichtig

Wenn Sie sich jetzt vornehmen würden, mehr frisches Obst und Gemüse zu essen:Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihnen das gelingen würde?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

überhaupt nicht absolut

Wie wichtig ist es Ihnen, weniger Süßigkeiten zu essen?Wie denken Sie im Moment darüber?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

unwichtig sehr wichtig

Wenn Sie sich jetzt vornehmen würden, weniger Süßigkeiten zu essen:Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihnen das gelingen würde?

0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10

überhaupt nicht absolut

Abbildung 2: Einstieg in den „change talk“: Das „agenda set-ting chart“

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Optimismus

Zuversicht ist eine wesentliche Voraussetzung erfolg-reicher Behandlung: Wer an das eigene Vermögen, sei-ne Energieaufnahme reduzieren zu können, glaubt, wird die Sache eher in Angriff nehmen und sich von Misser-folgen und Rückfällen nicht so leicht entmutigen las-sen – Zuversicht fördert das Durchhaltevermögen. Das Selbstvertrauen der Patienten zu fördern, ist daher ein wesentliches Anliegen psychotherapeutischer Interven-tionen, die den von Miller und Rollnick (1991, 2002) for-mulierten Behandlungsmaximen entsprechen. Patien-ten können entweder von eigenen Erfahrungen – Was könnte es mir leichter machen? Was habe ich in der Ver-gangenheit erfolgreich gemeistert? Wie habe ich das ge-

macht? Könnte ich darauf zurückgreifen? – oder der Ex-pertise des Therapeuten – Was hat anderen Patienten ge-holfen? Was sagt die Forschung zu den Erfolgsaussichten der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten? – profi-tieren (Beispiel 3). Insbesondere übergewichtige Patien-ten neigen jedoch – trotz zahlreicher gescheiterter Diä-ten – zu inflationärer Selbstüberschätzung (Polivy, Her-man 2002) und machen die Arbeit des Therapeuten zu einem schwierigen Balanceakt, denn nur „verdiente“ Zu-versicht, die sich aus früheren Erfolgen speist, erlaubt ei-ne Vorhersage des Behandlungserfolgs (Demmel et al. 2006).

Fazit

Motivational Interviewing wurde zunächst in Abgren-zung zu herkömmlichen – zumeist konfrontativen – Methoden der Behandlung alkoholabhängiger Patienten entwickelt. In den vergangenen Jahren wurde der An-wendungsbereich jedoch zunehmend erweitert (HIV-Prävention, Bewährungshilfe, Anorexia nervosa, Adi-positas, Diabetes etc.). Das zugleich direktive und pati-entenzentrierte Vorgehen fördert die Behandlungsmo-tivation „unmotivierter“ Patienten, reduziert die Zahl

Beispiel 1Psychotherapeutin: Ich hatte Ihnen ja bereits angekündigt, dass ich mit Ihnen noch mal über das Abnehmen reden wollte …Patient: … das leidige Thema … meine Familie liegt mir damit auch immer in den Ohren …Psychotherapeutin: … sozusagen ein Dauerbrenner … und jetzt komme ich auch noch damit … ist nicht so schön, wenn die anderen immer den Finger in die Wunde legen …Patient: … allerdings …Psychotherapeutin: Darf ich Ihnen trotzdem noch eine Frage dazu stellen? Ich wür-de ganz gerne wissen, wie wichtig Ihnen die Sache eigentlich ist … und ich würde es gerne ganz genau wissen … schauen Sie bitte mal hier: Was würden Sie sagen? Wie wichtig ist es Ihnen, weniger zu essen? Wenn unwichtig eine »0« wäre und sehr wichtig eine »10« … Wo stehen Sie im Moment?Patient: … vielleicht eine »3« …Psychotherapeutin: … andere Dinge sind im Moment wichtiger …Patient: … ich hab’ genug um die Ohren und wahrlich andere Sorgen …Psychotherapeutin: … andererseits haben Sie aber auch keine »0« angekreuzt … es ist Ihnen also nicht völlig unwichtig …. Warum haben Sie keine »0« angekreuzt?Patient: … wie gesagt, meine Familie lässt nicht locker … die versuchen immer wieder, mich zum Abnehmen zu überreden …Psychotherapeutin: … Ihre Lieben sind ziemlich hartnäckig …Patient: … die machen sich Sorgen um meine Gesundheit … haben sie ja auch recht … ich merke schon, dass meine Gelenke einiges zu tragen haben … die Knie werden nicht besser …Psychotherapeutin: … ein paar Pfund weniger würden entlasten …Patient: … ja, sicher … Psychotherapeutin: … Ihre Familie macht sich Sorgen, die Gelenke schmerzen … Was noch? Warum ist es Ihnen nicht völlig unwichtig abzunehmen?Patient: … na ja, ich komme schon schneller außer Atem als früher …Psychotherapeutin: … Ihnen geht dann schon mal die Puste aus …Patient: … beim Treppensteigen komme ich ganz schön ins Schnaufen …[…]

Beispiel 2Arzt: Ich wollte mit Ihnen zunächst mal über das weitere Vorgehen sprechen und Sie fragen, was Ihnen denn am wichtigsten erscheint …Patient: … ich werde wohl einiges ändern müssen … ich kann ja nicht mehr so weitermachen wie bisher …Arzt: … eine große Umstellung …Patient: … ich hab’ das immer noch nicht so ganz verdaut … als Sie mir gesagt ha-ben, dass ich zuckerkrank bin, wusste ich erst mal gar nicht, was ich sagen soll …Arzt: … war wie ein Schock …Patient: … so langsam erhole ich mich davon …Arzt: … dann können wir vielleicht schon mal einen ersten Blick in die Zukunft wagen und über die nächsten Schritte sprechen … einverstanden?Patient: … das sollten wir wohl machen …Arzt: Ich mache das ganz gerne mit diesem Blatt hier … jeder Kreis steht für ein Thema, mit dem wir uns befassen müssen … schauen Sie hier zum Beispiel Ernäh-rung, Gewicht, Bewegung usw. … und dann sind hier noch einige freie Felder, weil sie vielleicht etwas ergänzen möchten, das Ihnen wichtig erscheint … Womit sollen wir uns zuerst befassen?Patient: … ich weiß nicht so recht …Arzt: Darf ich Ihnen noch einen Hinweis geben? Manche Patienten entscheiden sich für das, was ihnen am wichtigsten erscheint, andere sagen: »Das traue ich mir zu, also fangen wir damit an«Patient: … dann sollten wir vielleicht zuerst einmal über meine Ernährung reden … und zuletzt über das Rauchen.Arzt: … bestens … was wissen Sie denn schon über Ernährung?[…]

„Es ist ein Riß in mir zwischen dem, was ich tue,

und dem, was ich will.“Henning Mankell, Die Rückkehr des Tanzlehrers

„Wir waren sechsundzwanzig Jahre verheiratet. Ich habe ihm gesagt,

dass er abnehmen müsse. Daraufhin tat er nur noch drei Stück Zucker in seinen Kaffee – statt vier.“

Henning Mankell, Der Feind im Schatten

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Der Autor

Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Ralf Demmel, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut (Verhaltenstherapie). Nach dem Studium der Psy- chologie an der Universität Mainz (1986-1993) promovierte er an der Universität Marburg (1998); seine Ausbildung zum Psychologi- schen Psychotherapeuten (Verhaltenstherapie) schloss er 1997 am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit ab. Er ist Dozent und Lehr- beauftragter an verschiedenen Hochschulen. Seit 2010 leitet er einen Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen.

PD Dr. Ralf Demmelv. Bodelschwinghsche Stiftungen BethelHomborn 1, 58339 Breckerfeld (Zurstraße)[email protected]

vorzeitiger Behandlungsabbrüche, senkt das Rückfallri-siko nach erfolgreicher Behandlung und kann zu einer dauerhaften Verhaltensänderung beitragen (Lundahl et al. 2010). Insbesondere „schwierige“ Patienten schei-nen von einer Behandlung, die den von Miller und Roll-nick (1991, 2002) formulierten Prinzipien entspricht, zu profitieren. Die erfolgreiche Anwendung des Verfahrens setzt ein hohes Maß an therapeutischer Kompetenz vo-raus. Verschiedene Adaptationen wie zum Beispiel das „health behavior counselling“ haben die Etablierung in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung ermög-licht (Rollnick et al. 2007). Neben Handbüchern, Ma-nualen und mehrtägigen Fortbildungen erleichtert ins-besondere ein fortlaufendes Coaching das Erlernen des Verfahrens (Miller et al. 2004).

Beispiel 3Ernährungsberaterin: Sie haben in der Klinik ja wahrscheinlich schon eine ganze Menge über gesunde Ernährung gehört …Patientin: … allerdings … mittlerweile bin ich eine richtige Ernährungsexpertin …Ernährungsberaterin: Ich muss Ihnen nichts mehr über gesunde Ernährung erzählen …Patientin: Nein, bestimmt nicht … am Wissen scheitert es nicht …Ernährungsberaterin: Keine Sorge, ich werde Ihnen keinen Vortrag halten … aber Sie werden verstehen, dass ich an dem Thema dran bleiben muss und immer mal wieder nachfragen werde … wenn jemand Diabetes hat, bleibt das Thema Ernährung ein Dauerbrenner …Patientin: … daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen … und ich sehe das ja auch ein, dass ich was ändern muss … das ist schon klar …Ernährungsberaterin: … ich sehe schon, ich muss Sie gar nicht mehr überzeugen … Darf ich Ihnen trotzdem noch eine Frage stellen?Patientin: … natürlich … Ernährungsberaterin: Sie haben in der Reha viel über gesunde Ernährung gehört und am guten Willen wird es auch nicht scheitern, aber ich weiß noch nicht, was Sie sich eigentlich zutrauen …Patientin: … na ja, zu allererst muss ich ja mal abnehmen und dann kommt der Rest …Ernährungsberaterin: … das empfehlen wir auch immer: Nicht alles auf einmal, erst mal eine Reihenfolge reinbringen … Nehmen wir mal das Ab-nehmen: Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie das schaffen würden? Also weniger zu essen … Und Sie wissen ja, wir möchten es immer ganz genau wissen … Wenn überhaupt nicht zuversichtlich eine »0« wäre und absolut zuversichtlich eine »10« … Was meinen Sie? Wo würden Sie sich im Moment ansiedeln?Patientin: Bisher hat es ja noch nicht so gut geklappt … in der Klinik habe ich zwar fast drei Kilo abgenommen, aber jetzt zu Hause kämpfe ich wieder ganz schön mit den Pfunden …Ernährungsberaterin: … na ja, immerhin drei Kilo … und was würden Sie jetzt sagen, wenn Sie an die nächste Zeit denken … Wie zuversichtlich sind Sie?Patientin: … also in Zahlen … [genau] … sagen wir mal »4« …Ernährungsberaterin: … also nicht sehr zuversichtlich … Was könnte Ihnen denn helfen? Was würde es Ihnen etwas leichter machen?Patientin: Das Problem ist natürlich, dass ich mich schwer zurückhalten kann, wenn die Chips erst mal im Haus sind …Ernährungsberaterin: … das Problem beginnt eigentlich im Supermarkt …Patientin: … ich müsste mich schon beim Einkaufen beherrschen können …Ernährungsberaterin: … wenn die Sachen erst mal im Einkaufswagen sind, werden sie schließlich auch gegessen … Wir müssten also auf jeden Fall darüber sprechen, wie Sie sich durch richtiges Einkaufen – oder besser Nichtkaufen – das Leben einfacher machen könnten und gar nicht erst in Versuchung kommen … Hätten Sie schon eine Idee?Patientin: Ich habe mal gelesen, dass man nicht hungrig einkaufen gehen soll …Ernährungsberaterin: … viele Patienten sagen, das wäre tatsächlich ganz hilfreich … Was könnte Ihnen noch helfen?Patientin: Mmh, also oft esse ich, ohne vorher darüber nachzudenken … ganz automatisch … und wenn ich mal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören …Ernährungsberaterin: … das geht ganz von selbst … und nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip …Patientin: … genau … und hinterher fühle ich mich manchmal ganz elend …Ernährungsberaterin: … Sie würden es gerne rückgängig machen …Patientin: … geht halt leider nicht …Ernährungsberaterin: Haben Sie es denn schon mal geschafft, mittendrin aufzuhören?Patientin: … eigentlich nicht …Ernährungsberaterin: Hätten Sie eine Idee, wie das gehen könnte? So wie beim Einkaufen …Patientin: … keinen blassen Schimmer …Ernährungsberaterin: Soll ich Ihnen mal sagen, was anderen Leuten in der Situation geholfen hat?Patientin: … sehr gerne[…]

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