ALPEN MASTE RS 2018 - oisans.com · Ducati Monster 821 KTM 790 Duke Triumph Street Triple S Yamaha...

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Von Eva Breutel, Stefan Kaschel und Peter Mayer; Fotos: fact, Giuseppe Gori Welches ist das beste Motorrad in den Alpen? Die Frage ist einfach, die Antwort aufwendig. 21 neue oder überarbeitete Maschinen kämpfen in den französischen Hochalpen um den Titel des Bergkönigs. Start frei für den größten Motorrad-Vergleichstest weltweit. ALPEN TEIL 1 MASTE RS 2018 12 TEST+TECHNIK

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Page 1: ALPEN MASTE RS 2018 - oisans.com · Ducati Monster 821 KTM 790 Duke Triumph Street Triple S Yamaha MT-09 SP POWER NAKEDS Honda CB 1000 R+ Kawasaki Z 1000 R Edition MV Agusta Brutale

Von Eva Breutel, Stefan Kaschel und Peter Mayer; Fotos: fact, Giuseppe Gori

Welches ist das beste Motorrad in den Alpen? Die Frage ist einfach, die Antwort aufwendig. 21 neue oder überarbeitete Maschinen kämpfen in den französischen Hochalpen um den Titel des Bergkönigs. Start frei für den größten Motorrad-Vergleichstest weltweit.

ALPEN

TEIL 1

MASTE RS 2018

1 2 T E S T + T E C H N I K

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Alpen-Masters 2018

Es war eine Punktlandung. Drei Stunden früher und die Schran­ken am 2646 Meter hohen Gali­bier wären noch geschlossen, die

Schneefräsen noch bei der Arbeit gewe­sen. Der Winter dauert lange im Hochge­birge – und hinterlässt heftige Spuren. Schmelzwasser zieht bis weit in den Juni hinein feuchte Spuren über den Asphalt, der Frost hat handballgroße Brocken aus dem Asphalt gesprengt oder die Fahr­bahnränder über viele Meter absacken lassen. Doch es braucht nicht zwangsläu­fig die zusätzlichen Herausforderungen des Frühstarts in die alpine Motorrad­

saison, um dem Reiz der Bergwelt auf zwei Rädern zu erliegen. Schon gar nicht in der Region, in der sich das diesjährige Alpen Masters von MOTORRAD abspielt. L´Alpe d’Huez, Croix de Fer, Glandon, Iseran, Télégraphe oder eben der Galibier – Pässe, deren Namen Motorrad­Fans wie Sahneeis auf der Zunge zergehen. Grandi­ose Landschaft, lang gezogene Aufstiege, spärlicher Verkehr und später im Sommer dann auch griffiger Asphalt generieren ein nahezu ekstatisches Fahrererlebnis. Die Essenzen des Motorradfahrens haben hier im Département Hautes­Alpes ihre perfekte Kombination gefunden.

Ein Umfeld, in welchem Aspekte wie Höchstgeschwindigkeit, Geradeauslauf­

stabilität, Licht oder Inspektionskosten verblassen und die Primärtugenden eines Motorrads zu den alles entscheidenden Kriterien avancieren. Sanfte Lastwechsel am Scheitelpunkt der Kehren, kräftiger Durchzug am Kurvenausgang, agile Hand­lichkeit in Wechselkurven, ausgeprägte Lenkpräzision oder fein dosierbare Brem­sen vor engen Bergabrampen – das sind die Argumente, mit denen ein Motorrad in den Alpen überzeugt.

Deshalb reduziert MOTORRAD bei den Alpen­Masters die 1000­Punkte­Wertung auf die fahrdynamisch wichtigen Kriterien, gewichtet relevante Aspekte stärker und lässt in dieser Hinsicht weniger entschei­dende Elemente unberücksichtigt.

ADVENTUREBMW F 850 GSDucati Multistrada 1260 SHonda Africa Twin Adventure Sports DCTTriumph Tiger 800 XCA

SPORT/TOURINGBMW K 1600 BHarley-Davidson Road GlideHonda GL 1800 Gold Wing TourKawasaki H2 SX SE

MID NAKEDSDucati Monster 821KTM 790 DukeTriumph Street Triple SYamaha MT-09 SP

POWER NAKEDSHonda CB 1000 R+ Kawasaki Z 1000 R Edition MV Agusta Brutale 800 RR Triumph Speed Triple RS

MODERN CLASSICSDucati Scrambler 1100 Sport Kawasaki Z 900 RS Moto Guzzi V7 III Carbon Triumph Bonneville Bobber Black

In MOTORRAD 16/2018 In MOTORRAD 16/2018 In diesem HeftIn diesem HeftIn MOTORRAD 16/2018

DIE ALPENWas die Auswahl der Maschinen be­trifft: Nur Bikes, die für die aktuelle Saison neu sind oder zumindest überarbeitet wurden, dürfen beim Alpen­Masters an­treten. Der Weg zum Ziel ist steinig und äußerst selektiv. Aus den fünf – nach der konzeptionellen Ausrichtung der Maschi­nen festgelegten – Gruppen qualifiziert sich nur der jeweilige Gewinner fürs Fina­le. Nach den Vorrunden in diesem und dem nächsten Heft tritt das Sieger­Quin­tett im großen Finale (MOTORRAD 17/2018) auf einer über 300 Kilometer langen Runde gegen den Titel­Verteidiger, die BMW R 1200 GS Rallye an. Vorhang auf für das Alpen­Masters 2018 in den franzö­sischen Hochalpen.

www.motorradonline.de/video

FORDERNDE KEHREN, GRANDIOSE

PANORAMEN – WER DIE ALPEN

AUF DEM MOTORRAD ERLEBT, IST

BEIDEM FÜR IMMER VERFALLEN

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Von Eva Breutel; Fotos: fact, Rossen Gargolov

Alpen-Masters 2018

DUCATI Scrambler 1100 Sport

TRIUMPH Bonneville Bobber Black

KAWASAKI Z 900 RS

MOTO GUZZI V7 III Carbon

Ausgesprochen starke Charaktere treffen in der stilvollen Gruppe der Modern Classics aufeinander: elegant die Ducati, cool die Kawasaki, charmant die Moto Guzzi und extravagant die Triumph. Einem furiosen Auftakt des Alpen-Masters 2018 steht somit nichts im Weg.

MODERN CLASSICS

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Alpen-Masters 2018

SO STEIL GEHT ES AUF DIESEN PASS HINAUF, wie Redakteur Peter Mayer hier mit dem Meilenstein des Col de la Croix de Fer anzeigt. Das Panorama dort ist überwältigend, die Schlaglöcher sind es allerdings auch

Ducati

Scrambler 110 Sport

Kawasaki

Z 900 RSMoto Guzzi

V7 III Carbon

Triumph

Bonneville

Bobber Black

DatenMotor Zweizylinder Vierzylinder Zweizylinder Zweizylinder

Hubraum 1079 cm³ 948 cm³ 744 cm³ 1200 cm³

Nennleistung 86 PS 112 PS 52 PS 77 PS

Drehmoment 88 Nm 99 Nm 60 Nm 106 Nm

Gewicht (ohne Koffer)1 207 kg 217 kg 214 kg 257 kg

Zuladung 189 kg 178 kg 205 kg 110 kg

ABS/Traktionskontrolle ●/● ●/● ●/● ●/–

Preis 14 990 Euro 11695 Euro 9900 Euro 13 750 Euro

Nebenkosten 305 Euro 255 Euro inkl. 450 Euro

Preis Testmotorrad 14 990 Euro 11995 Euro2 9900 Euro 13 750 Euro

-MesswerteDurchzug

in 2000 m über NN,50–100 km/h 6,3 sek 6,7 sek 11,3 sek 10,2 sek

bergauf mit Sozius,2. Gang, 25–75 km/h 5,2 sek 4,6 sek 7,8 sek 4,6 sek*

Bremswegbergab mit Sozius,

75–25 km/h 26,8 m 25,2 m 24,8 m 24,2 m*

Verbrauch Pässe/100 km 5,0 Liter 4,8 Liter 4,6 Liter 5,0 Liter

Reichweite Pässe 298 km 351 km 455 km 180 km

● = Serie; – = nicht vorhanden; 1MOTORRAD-Messung; 2Farbe Braun/Orange (Aufpreis 300 Euro); *nur Fahrer, da kein Soziussitz vorhanden

Daten und Messwerte

didatinnen wohl die authentischste – kein Retro-Bike, das sich Designer mit viel Hirn-schmalz ausgedacht haben, sondern aus der traditionsreichen Guzzi-Philosophie geboren, die bis heute ausschließlich auf luftgekühlte, längs eingebaute V2 setzt. Im Modell Carbon mit seinen auffälligen knallroten Zylinderkopfdeckeln findet die V7 ihren derzeitigen Höhepunkt.

Tatsächlich präsentieren sich die Kupp-lung leichtgängiger und das Getriebe prä-ziser als bei früheren Modellen. Der Ritt mit der V7 lässt sich auf Pässen mit klang-vollen Namen wie Galibier und Croix de Fer unterhaltsam an. Man muss sich nur auf sie einlassen und keine Wundertaten von ihrem Motor erwarten, dann zieht sie mit durchaus fülligem Drehmoment har-monisch ihre Bahnen. Leichtfüßig wedelt

Die MOTORRAD-Tester sind sich in einem Punkt ausnahmsweise schon vor dem Start einig: Die vier Modern Classics sind

die emotionalsten Maschinen im ganzen Alpen-Masters. Wunderbare Linien ver-wöhnen das Auge, rauchige Bässe schmei-cheln dem Ohr, liebevoll verarbeitete Details erwärmen das Herz. Ihrer klassi-schen Optik tragen allerdings nur zwei Motorräder mit entsprechenden Motoren Rechnung. Ducati schickt mit der Scramb-ler 1100 Sport einen luftgekühlten und damit stilechten V2 ins Rennen, ebenso Moto Guzzi mit der V7 III Carbon. Triumph hingegen kommt bei der Bonneville Bob-ber Black nicht ohne Wasserkühlung aus, versteckt diese aber geschickt und gestal-

tet seinen dicken Reihentwin immerhin mit Kühlrippen. Ein durch und durch modernes Aggregat setzt Kawasaki in der Z 900 RS ein, nämlich einen wasser- gekühlten Vierzylinder neuester Bauart.

Also mehr Klassik-Schein als Retro-Sein? Geschenkt. Erlaubt ist, was gefällt, und in dieser Hinsicht sind die vier Maschi-nen bestens aufgestellt. Verfechter der reinen Lehre lassen ohnehin nichts ande-res gelten als die Originale aus den 80er-, 70er- oder noch früheren Jahren. Alle anderen jedoch sind um moderne Kom- ponenten wie ABS, Traktionskontrolle und zeitgemäße Fahrwerkstechnik froh – gerade auf rutschigen, welligen und mit Schlaglöchern gespickten Straßen, wie sie in den Alpen zuhauf vorkommen.

Ein Wort zur Zusammenstellung der Gruppe: Alle Motorräder sind brandneu,

also erst seit 2018 auf dem Markt, genau wie es das Reglement vorsieht (siehe Seite 14/15). Die einzige Ausnahme bildet die Moto Guzzi V7: Weil 2017, als die jüngste Überarbeitung namens V7 III vorgestellt wurde, für sie kein Platz bei den Modern Classics war, darf sie in diesem Jahr ihre alpinen Künste unter Beweis stellen. Mal wieder, denn weil Moto Guzzi ihr mit schö-ner Regelmäßigkeit ein kleines Update verpasst, ist der sympathische Zweizylin-der Dauergast beim Alpen-Masters. Auf 52 PS statt zuvor 48 PS bringt es die Guzzi nun, das maximale Drehmoment ist leicht gestiegen, und zudem wurden leidige Kritikpunkte wie Kupplung und Getriebe überarbeitet. Schon klar, ein glühender PS-Brenner wird aus der V7 nicht mehr, doch in den Bergen zählen schließlich auch an-dere Qualitäten. Sie ist von allen vier Kan-

Col du Lautaret, 2057 mCol du Lautaret, 2057 m

Briançon

Villar-d´Arène

La Grave

Briançon

Le Freney-d´Oisans

Le Bourg-d´Oisans

Villar-d´ArèneLe Freney-d´Oisans

Le Bourg-d´OisansLa Grave

OzGRENOBLE

Le Rivier d´AllemontEntraigues

OzGRENOBLE

Le Rivier d´Allemont

Col du Galibier, 2642 mCol du Galibier, 2642 m

Valloire

St.Michel- de-Maurienne

ValloireEntraigues

St.Michel- de-Maurienne

Col du Mollard, 1638 m

Col de la Croix de Fer, 2086 m

Saint-Jean-de-MaurienneCol du Mollard, 1638 m

Col de la Croix de Fer, 2086 m

Moûtiers

Saint-Jean-de-Maurienne

ITALIENFRANKREICH

25 km25 km

Moûtiers

Col du Télégraphe,1566 m

Col du Télégraphe,1566 m

EIN TEIL DER GRANDIOSEN ROUTE DES GRANDES ALPES bildete die Basis des Alpen-Masters 2018. Vom „Hôtel de Milan“ in Le Bourg d’Oisans führte der tägliche Testweg alle Gruppen über den Col de la Croix de Fer (2086 m), Col du Mollard (1638 m), Col du Télégraphe (1566 m) zum beeindruckenden Col du Galibier (2642 m) und den anschließenden Col du Lautaret (2057 m). Die 180 Kilometer lange Teststre-cke hielt sämtliche denkbaren Schikanen für Fahr-werk und Motor bereit, vom wirklich erbarmungs-würdigen Zustand des Straßenbelags am Abstieg des Croix de Fer bis zur gut ausgebauten Hauptstra-ße Grenoble–Briançon.

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sie durch Kurven und Kehren und erringt mit ihrem geraden Lenker und der passen-den, wenn auch nicht perfekt aktiven Sitzposition den Handlichkeitspreis in die-ser Gruppe. Doch, oh Schreck: Als unser 111-Kilogramm-Gasttester (nein, wir verra-ten nicht, wer das ist!) in den Sattel der V7 sinkt, gehen die Kayaba-Federbeine be-reits im Stand schier auf Block. Sie waren schon immer ein Schwachpunkt dieser Moto Guzzi, und dass sich bei der Überar-beitung die Federwege verkürzt haben, verstärkt das Problem. Sie geben auf der

überaus holprigen Abfahrt des Croix de Fer-Passes harte Schläge an den Tester- rücken weiter. Ironie dieses technisch gelebten Retro-Konzepts: Die schwache Bremse, die bei der Zwei-Personen-Verzö-gerung bergab ihre liebe Mühe hat und trotz maximalem Zug am Hebel kaum in den ABS-Regelbereich zu bringen ist, zieht sich durch den niedrigen Schwerpunkt der Guzzi überraschend gut aus der Affäre. Die V7 steht fast zwei Meter früher als die mit Monoblock-Nobelstoppern aufgerüstete, aber höhere Scrambler. Doch weil die V7 auch in Sachen Durchzug und Beschleuni-gung den Konkurrentinnen hinterherhe-

chelt, schafft sie es trotz ihres unbestritte-nen Charmes nur auf den dritten Platz.

Ebenfalls mit Fahrwerksproblemen kämpft die Bonneville Bobber Black. Dabei wollte Triumph diese eigentlich beheben und spendierte dem Einsitzer im Vergleich zur Bobber ohne „Black“-Zusatz eine deut-lich dickere Gabel von Zulieferer Showa. Doch nachdem gleichzeitig die vordere Bremse von einer auf zwei Scheiben auf- gerüstet wurde – an und für sich natürlich lobenswert –, sackt die weich abgestimm-te Front beim beherzten Griff in die Eisen in sich zusammen. Und nicht nur da: Beim Ritt über die dicken Bodenwellen und

Kawasaki Z 900 RSPlatz 1

hochmoderner Motor mit viel Dampfkomfortable Abstimmunggute Rückmeldungstabil und präzise in Kurven und Kehrenbequeme Sitzposition

wenig ZuladungGepäckunterbringung nur solo möglich

Ducati Scrambler 1100 SportPlatz 2

toller Motor mit gutem DurchzugKurven-ABSknackige Bremsen authentische Ausstrahlung kaum Plastikteile üppige Ausstattungbequeme Sitzposition für Fahrer und Beifahrer

hinten kein Schutzblechkein Platz für Gepäck

Triumph Bonneville Bobber BlackPlatz 4

begeisternder Motor mit jeder Menge Drehmoment gelungene Optik

Gabel viel zu weichsetzt sehr früh aufbreites Vorderrad macht Kehrenfahren zähkein Beifahrersitzplatzkein Platz für Gepäck

Moto Guzzi V7 III CarbonPlatz 3

einfaches Handling, sehr kehrenfreundlich überzeugender Charakterbequeme Sitzpositiongroße Reichweite

sehr lasche FederbeineSeitenständer setzt hart aufSitzbank mit Beifahrer zu kurz

Alpen-Masters 2018 Schlaglöcher auf der Rumpelstrecke am Col de la Croix de Fer braucht sie ihre Reserven vollends auf, die Dämpfung ist am Ende. Doch dagegen gibt es ein proba-tes Mittel: Gas raus und die Bobber Black gefühlvoll um oder über die Hindernisse im Belag steuern, dann ist alles wieder gut. Oder zumindest fast, denn das Aufstell- moment beim Bremsen fällt nicht eben verhalten aus, und selbst zurückhaltende Fahrer schraddeln in fast jeder Kurve mit den tief angebrachten Fußrasten über den Asphalt. Trotz alledem möchte man Triumph herzen und küssen für diesen Einsitzer mit der exzentrischen Optik und

dem bärigen 1200er-Twin, der schon ab niedrigsten Drehzahlen unbeirrt voran-stampft, egal welcher Gang eingelegt ist. Damit garantiert er gute Laune, den Schwächen der Maschine in den Bergen zum Trotz. Mehr als der letzte Platz ist für die Triumph in den Alpen aber nicht drin, zumal sie als Einsitzer in manchen unserer Wertungen zwar ein paar Punkte mehr ein-fährt, etwa bei der Zuladung, in anderen dafür deutlich weniger, wie beim logischer-weise nicht ermittelbaren Soziuskomfort.

Bleiben die Ducati Scrambler 1100 und die Kawasaki Z 900 RS, beides aufsehen-erregende Motorräder, die das Thema Mo-

dern Classic allerdings unterschiedlich in-terpretieren. Ducati greift für die 1100er-Scrambler auf den temperamentvollen V2 zurück, der anno 2003 die erste Multistra-da befeuerte – luftgekühlt und damals wie heute mit 86 PS. Das reicht für eine feurige Berg-und-Tal-Fahrt allemal, zumal der Zweizylinder wunderbar anspricht und immer ausreichend Drehmoment zur Ver-fügung stellt. Als einzige der vier Modern Classics bringt die große Scrambler serien-mäßig ein Kurven-ABS mit. Ein echter Sicherheitsgewinn, zumal man mit dieser Art von Motorrädern gern mal mit Jeans und Lederjacke und ohne Protektoren-

Unsere herzlichen Gastgeber vom „Hôtel de Milan“ in Le Bourg d’Oisans: Mama Claude, Tochter Chrystelle und Papa Adolphe. Sehr fahrenswert ist der über 70 Jahre alte Aufzug mit Scherengitter

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Vollausstattung auf Tour geht. Die hier getestete Modellvariante „Sport“ verfügt zudem über ein Öhlins-Fahrwerk, das ihr auf dem vernarbten hochalpinen Asphalt zugutekommt. In Sachen Ausstattung liegt die Ducati gegenüber der Ka-wasaki damit vorn, ebenso beim Bremsverhalten und beim ABS. Zugestehen darf man ihr auch ei-nen überaus authentischen Auftritt: Fast alles an ihr besteht aus Stahl und Alu, vom Tank über den Bürzel bis zum Schutzblech. Hinten verzichteten die Designer dann allerdings auf den nützlichen Schmutzabweiser, mit unübersehbaren Folgen: Eine Pfütze reicht, und schon sind Fahrer und Motorrad von oben bis unten eingesaut. Keine Empfehlung also für Sauberfrauen und -männer.

Engagierten Gipfelstürmern hingegen zaubert die große Scrambler ein Dauerlächeln ins Gesicht. Ele-gant flitzt sie durch die atemberaubenden Berg-panoramen zwischen Col du Galibier und Croix de Fer, lässt sich geschmeidig durch enge Kehren bugsieren, lädt mit guter Rückmeldung und stabi-ler Kurvenlage zu vertrauensvollen Schwüngen ein. Dank ihrer niedrigen Sitzhöhe und des relativ geringen Gewichts von 207 Kilogramm fassen selbst weniger geübte Fahrer schnell Zutrauen zu

Alpen-Masters 2018

Mot

orlei

stung

Motordrehzahl in 1/min x 1000

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100Kawasaki Z 900 RS79,3 kW (108 PS) bei 8600/min 97 Nm bei 6600/minDucati Scrambler 1100 Sport63,8 kW (87 PS) bei 7800/min 89 Nm bei 5400/minTriumph Bonneville Bobber Black57,4 kW (78 PS) bei 6000/min 102 Nm bei 3900/min

Moto Guzzi V 7 III Carbon39,7 kW (54 PS) bei 6600/min 64 Nm bei 5300/min

405060708090100110

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210 43 765 111098

Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %

Leistungsmessung

MotorBeschleunigung 0–140 km/h 20 15 17 4 14

Durchzug in 2000 m über NN 20 19 18 9 11Durchzug im 2. Gang bergauf* 20 16 17 9 171

Leistungsentfaltung 20 11 14 10 12Ansprech-/Lastwechselverhalten 20 14 15 13 16

Kupplung 20 14 16 14 13Schaltung 20 12 14 11 13

Getriebeabstufung 10 9 9 8 9Summe 150 110 120 78 105

FahrverhaltenAbstimmung/Komfort 20 13 15 8 8

Federungsreserven bei Beladung 20 12 13 7 8Handlichkeit auf Passstraßen 20 14 15 16 13

Stabilität in Kurven 20 13 15 10 8Lenkpräzision/Rückmeldung 20 14 16 12 10

Bremswirkung 20 14 15 10 13Bremsverhalten bergab/Fading 20 14 13 11 13

ABS 15 14 12 11 11Traktionskontrolle 5 3 3 2 0

Aufstellmoment beim Bremsen 10 8 9 8 5Schräglagenfreiheit bei Beladung 10 8 9 4 2

Summe 180 127 135 99 91

AlltagAusstattung 20 11 8 1 6

Gepäckunterbringung 10 0 2 2 1Reichweite Pässe 20 12 15 20 4

Zuladung 20 11 8 14 171

Handhabung beladen 10 8 8 9 7Sicht nach vorn/hinten 10 8 9 9 7

Bodenfreiheit m. Sozius u. Gepäck 10 8 6 8 61

Summe 100 58 56 63 48

KomfortSitzkomfort Fahrer 20 13 14 10 7Sitzkomfort Sozius 20 11 8 8 01

Wind- und Wetterschutz 20 0 0 0 0Laufruhe Motor 10 5 8 6 9

Summe 70 29 30 24 16

GESAMTWERTUNG 500 324 341 264 260

PLATZIERUNG 2. 1. 3. 4.

Alpen-Masters- Wertung

*mit Sozius; 1Bewertung nur mit Fahrer, da Einsitzer

ihr. Das sorgt in der hochalpinen Bergwelt für entspanntes Gleiten, gerade am weitge-hend ungesicherten Col du Galibier, an des-sen Hängen sich wunderschöne, aber dra-matisch tiefe Abgründe auftun. Ein rundum gutes Motorrad ist Ducati da gelungen.

Dennoch macht ihr die Kawasaki den Sieg streitig. Die Z 900 RS, die mit ihrer ge-nialen Optik im Stil der Z1 von 1972 euro-paweit eine regelrechte Begeisterungs- welle auslöste, ist im Grunde ein aktuelles Motorrad im wunderschönen klassischen Kleid. Und sie kann vieles eben noch ein klein wenig besser als die Ducati. Der von der Z 900 stammende wassergekühlte Vierzylinder wurde konsequent auf mehr Drehmoment getrimmt und hängt seidig am Gas. Die Kupplung ist leichtgängig, das Getriebe schaltet sich präzise und butter-weich, das gut abgestimmte Fahrwerk spricht hervorragend an. Ein Übriges tut die lässige Sitzposition mit dem hohen und breiten, relativ weit nach hinten rei-chenden Lenker, die praktisch jedem Fah-rer wie angegossen passt.

Das harmonische Ineinandergreifen aller Komponenten verschafft der Z 900 RS gerade auf anspruchsvollen Passstraßen kleine, aber entscheidende Vorteile. Wie von allein scheint sie in Schräglage zu fallen, lässt sich mit minimalem Kraftauf-wand präzise und neutral durch Kehren jeder Couleur zirkeln und strebt mit ihren strammen 112 PS zügig dem Gipfelglück entgegen. Dass Kawasaki ihr einen ande-ren Drehmomentverlauf verpasst hat als der Konzernschwester Z 900, zahlt sich gerade auf verwinkelten Passstraßen voll aus, denn der Vierzylinder schiebt schon von ganz unten kräftig voran. Selbst bei langsamen Turns durch Kehren, die auf dem oft rutschigen Asphalt angeraten sind, verliert die gut ausbalancierte RS nie die Contenance, sie macht den Alpentrip leicht, mühelos und unterhaltsam. Dass

Modern ClassicsKawasaki Z 900 RS

-FazitStarke Charaktere sind sie alle, doch gewinnen kann nur eine: Das gelingt der Kawasaki Z 900 RS, die in der alpinen Bergwelt mit ebenso agilem wie stabilem Fahrverhalten und ihrem zünftigen, drehfreudigen Motor begeis-tert. Nur knapp geschlagen landet die faszinierende, rundum gelungene Ducati Scrambler 1100 auf dem zweiten Platz. Auf drei und vier folgen die liebenswerte Moto Guzzi V7 III Carbon und die aufregende Triumph Bonneville Bobber Black, die beide mit Fahrwerksschwächen kämpfen.

sie auch noch toll aussieht, verleiht ihrem Sieg das Sahnehäubchen.

Ganz ohne Schelte geht es allerdings nicht ab, doch die Kritik gilt nicht der RS allein. Denn wohin, fragt sich der willige Alpenreisende, wohin mit dem Gepäck? Die Siegerin bringt immerhin zwei Gepäck-haken mit, ansonsten bietet Kawasaki zwar Heiz- und Haltegriffe gegen Aufpreis, aber weder Koffer noch Gepäckbrücke. Auf die Ducati Scrambler 1100 passt nur eine Kreditkarte, noch nicht mal mit Gepäck- haken wartet sie auf. Die Triumph Bonne-ville Bobber Black gibt es nur mit Solositz, dennoch lässt sich noch nicht mal eine winzige Rolle auf sie schnüren. Stilgerecht

brachten die Entwickler auf ihrer linken Seite zwar eine verschließbare Ledertasche an, doch ein Paar Reservesocken sorgt dort schon für Überfüllung. Fehlschlag auf der ganzen Linie also? Nicht ganz. Die Guzzi immerhin lässt sich mit Gepäckträger und Taschen aus dem Zubehörprogramm für die Alpenreise rüsten.

Daher, liebe Entwickler bei Ducati, Kawasaki und Triumph: Ran ans Design von passenden Taschen und Trägern. Wir haben sehr wohl verstanden, dass es bei den Modern Classics vor allem auf gelungenes Outfit ankommt. Aber ein wenig mehr praktischer Nutzen schadet ihnen ganz gewiss nicht.

Motorrad-Sound stört die Natur? Nun, die Murmeltiere scheinen sich trotz der Bikes in ihrer Nähe wohlzufühlen

Maxim

ale

Punktzahl

Ducati

Scramber 1100 Sport

Kawasaki

Z 900 RSMoto Guzzi

V7 III Carbon

Triumph Bonne-

ville Bobber B

lack

Platz 1

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Von Stefan Kaschel; Fotos: fact, Giuseppe Gori

Alpen-Masters 2018

TRIUMPHSpeed Triple RS

KAWASAKI Z 1000 R Edition

HONDA CB 1000 R+

MV Agusta Brutale 800 RR

Wind- und Wetterschutz – Fehlanzeige! Bequemlichkeit – Keine Spur! Navi, Anfahrhilfe, Stauraum – braucht kein Mensch! Reichlich vorhanden hingegen: Motor, Fahrwerk, Bremsen. Damit wird man zwar ziemlich sicher kein Alpen- König, aber man fühlt sich wie einer. Und zwar mit jedem Höhenmeter mehr.

POWER-NAKEDS

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Also los, erste Station: Die kleine Tanke vor dem ersten Anstieg, bevor wir die Pässe angehen. Rund 180 Kilometer lang ist die Testrunde, und sie dürfte durchaus länger sein, denn die Tanks fassen zwi-schen 15,5 (Triumph) und 17 Litern Sprit. Das reicht bei den 1000ern trotz des alpi-nen Mehrverbrauchs für rund 300 Kilo- meter, nur die MV verbrennt bis zu einem Liter mehr (siehe Messwerte rechts). Das reicht bei sorgfältiger Planung der Tages- etappen, ist aber schnell mal zu wenig, wenn im milden Abendlicht noch die eine oder andere Passhöhe lockt. Doch das nur am Rande, wir kennen den Auftrag und das Ziel, während sich die Testcrew auf den Kandidaten häuslich einrichtet.

Das heißt: Brems- und Kupplungshebel (der ist nur bei der Honda nicht einstell-bar) auf die Handgröße und individuelle Vorlieben justiert, die Spiegel richten, Position einnehmen. Und feststellen, dass die Gegebenheiten bildlich gesprochen von einem komfortablen Alpen-Loft bis zum Wurfzelt reichen. Wer jetzt meint, dass dieser Vergleich hinkt, hat noch nie auf einer Brutale gesessen. Vorne nichts, hinten nichts und dazwischen dank der brettharten Sitzbank der Komfort einer Kanonenkugel. Bereits jetzt ahnt man: Auf diesem Motorrad fährst du nicht, du wirst geschossen. Das lassen auch die 202 Kilogramm vollgetankt – der Zusatz „ohne Koffer“ erübrigt sich in diesem Feld – vermuten, welche die Brutale zum Floh in ihrer Klasse machen. Die Konkurrenz muss locker zehn bis zwanzig Kilo mehr den Berg hochwuchten.

Doch so weit sind wir noch nicht, son-dern immer noch bei der Sitzprobe. Und

Demut. Der Blick aus dem Fenster des kleinen Hotels in Bourg d’Oisans unweit von Grenoble in den französischen Alpen

macht demütig, und zwar jeden Morgen aufs Neue. Was müssen dort für Kräfte am Werk gewesen sein, um die mehrere hun-dert Meter dicken, sauber geschichteten Gesteinsformationen als offensichtliche Zeugen tektonischer Verschiebungen zu einem monumentalen Wandgemälde zu formen! Was muss das für ein Spektakel gewesen sein, als sich der Meeresboden zu schroffen Gebirgszügen erhob. Winzig klein kommen wir uns vor inmitten der Bergriesen, beinahe verloren.

Wenn in dieser Gemütslage der Blick über das Feld der Power-Nakeds streift, die

Alpen-Masters 2018

Alpen-Masters 2018

Honda

CB 1000 R+

Kawasaki

Z 1000 R Edition

MV Agusta

Brutale 800 RR

Triumph

Speed Triple RS

DatenMotor Vierzylinder Vierzylinder Dreizylinder Dreizylinder

Hubraum 998 cm³ 1043 cm³ 798 cm³ 1050 cm³

Nennleistung 145 PS 142 PS 140 PS 150 PS

Drehmoment 104 Nm 111 Nm 87 Nm 117 Nm

Gewicht (ohne Koffer)* 214 kg 223 kg 202 kg 214 kg

Zuladung 188 kg 178 kg 177 kg 193 kg

ABS/Traktionskontrolle ●/● ●/– ●/● ●/●

Preis 14 485 Euro 13 995 Euro 15 670 Euro 15 850 Euro

Nebenkosten 315 Euro 275 Euro 286 Euro 450 Euro

-MesswerteDurchzug

in 2000 m über NN,50–100 km/h 5,5 sek 5,0 sek 5,8 sek 5,0 sek

bergauf mit Sozius,2. Gang, 25–75 km/h 6,2 sek 4,8 sek 6,4 sek 4,2 sek

Bremswegbergab mit Sozius,

75–25 km/h 26,3 m 25,3 m 30,4 m 25,6 m

Verbrauch Pässe/100 km 5,6 Liter 5,6 Liter 6,3 Liter 5,3 Liter

Reichweite Pässe 291 km 306 km 260 km 292 km

● = Serie; – = nicht vorhanden; *MOTORRAD-Messung

Daten und Messwerte

unten im Hof auf den Gipfelsturm warten, ist auch hier zumindest Respekt nicht zu leugnen. Schließlich muss hier und heute keiner mit weniger als 140 PS unterm Hintern zum Gipfelsturm antreten, und die runde 1000 wäre als Hubraumangabe obligatorisch gewesen, gäbe es nicht die 800er MV Agusta Brutale RR, die mit einem Wasserglas weniger auskommen muss. Wie auch immer, eines ist sicher: Hier fährt kei-ne mit, der in der Höhe die Luft auszuge-hen droht. Es sind Drehmoment- und Leis-tungsriesen am Werk und am Berg, die jede Passhöhe im Sturm erobern statt sie zu erwandern. Die Frage ist nur: Ist das alles noch kontrollierbar? Na klar, werden Technikjünger einwenden, zur Not gibt es ja die Traktionskontrolle. Stimmt nicht ganz, denn die Kawasaki Z 1000 R Edition hat zwar fahrwerksmäßig mit einem Öh-

lins-Federbein zielführend aufgerüstet, ist aber hinsichtlich moderner Assistenz-Systeme im Technik-Mittelalter stecken geblieben. ABS, das war es. Aber, auch so viel sei vorweggenommen: Keiner der Tester hatte ausgeprägte Freude daran, aus jeder Kurve und Kehre auf diesen Boliden so gnadenlos den Hahn zu spannen, dass die Regelelektronik eingreifen müsste. Das ist nämlich erstens ziemlich anstrengend, verdirbt zweitens den Genuss an sattem und fein kontrollierbarem Schub, den die Kraftprotze auf ganz unterschiedliche Art bereitstellen. Die Frage ist nur: Was zählt hier mehr? Die gediegene japanische Vier-zylinderkultur der neuen Honda CB 1000 R+ und der Kawasaki Z 1000 R Edition oder die kernige europäische Dreizylinder- Konfiguration der Triumph Speed Triple RS und der MV Agusta Brutale 800 RR?

VON WEGEN BREXIT: Die Honda Cub einer britischen Moped-Gang schaffte es dank MOTORRAD-Pannenservice später doch noch auf den Galibier

erleben schon in dieser Hinsicht durchaus unterschiedliche Interpretationen des The-mas Naked Bike. Die sportive Variante bei der neuen Speed Triple RS, die den Fahrer eindeutig in Richtung Vorderrad positio-niert. Mit hohem Heck und großer Sitzhö-he. Den Gegensatz dazu bietet die neue CB 1000 R+ an. Spürbar tiefer die Heck- partie, entgegenkommender der Lenker,

niedriger die Fußrasten. Auf der letzten Rille hat diese Auslegung gewiss Nachtei-le, auf der Alpen-Testrunde bleibt das ab-zuwarten. Schließlich hat sich ein gewisser Komfort im Labyrinth aus Kehren, Steigun-gen und rasanten Abfahrten schon häufig als zielführend erwiesen, während dezi-dierte Sportlichkeit sich bisweilen als Hemmschuh herausstellte. Vielleicht liegt

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Triumph Speed Triple RSPlatz 1

hochwertige Ausstattungbedienfreundliche, zeitgemäße Assistenzsystememodernes TFT-Displaykomplettes Öhlins-Fahrwerk

sehr sportliche Sitzpositionsehr straffes Fahrwerkschlechte Sicht in den Rückspiegelngeringer Lenkeinschlag

Honda CB 1000 R+Platz 3

wertige Verarbeitung eigenständige Linien- führungtoll funktionierender Schaltassistent

Leistungsentfaltung des Motorsauch nicht billiggeringe Fahrwerksreserven

Kawasaki Z 1000 R EditionPlatz 2

rauer, aber kräftiger Motor gute Rückmeldung vom Vorderradgelungene Fahrwerks- abstimmung

keine Traktionskontrolle kein Schaltassistenthoher Preis gemessen an der Ausstattung

MV Brutale 800 RRPlatz 3

sehr handlichgeringes Gewichtflotte Optik

hoher Verbrauchunkomfortable Sitzbankzu straffes Federbeinbeschränkter Soziuskomfortgeringer Lenkeinschlagziemlich teuer

Alpen-Masters 2018

daher auch die vierte im Bunde, die Kawa-saki Z 1000 R Edition, genau richtig. Ver-halten sportlich, leidlich komfortabel – allein der breite Tank trifft sicher nicht je-dermanns Geschmack, während die brei-ten Lenkstangen im engen und zerfurch-ten Geläuf gerne angenommen werden.

Also los jetzt, der Croix de Fer mit seinen flüssigen, herrlich geschwungenen Kurven-kombinationen wartet. Mal mehr (Brutale) oder weniger lautstark (der Rest) rasten die ersten Gänge ein, mal mehr (der Rest) und mal weniger fein dosierbar (Brutale) gehen die Kupplungen zu Werke. Das muss schon

gen verkörpert die extrovertiert auftreten-de Kawa ein extrem umgängliches Wesen, das die Testcrew schon am ersten Anstieg angenehm überraschte. In Sachen Hand-lichkeit, Lenkpräzision und Rückmeldung zwar nicht ganz auf dem Niveau der neuen Speed Triple RS, aber knapp vor der CB 1000 R+, sammelt die auf famos harmonierenden Bridgestone S 21 rollende Kawa fleißig Fahrwerkspunkte und bietet einen überzeu-genden Federungskomfort, ohne es an den notwendigen Reserven fehlen zu lassen. Im Gegenteil: Es ist jedes Mal wieder ein Ge-nuss, die düstere Z 1000 R auf der wirkungs-vollen, fein dosierbaren Bremse zusammen-zustauchen und sich an der transparenten Rückmeldung zu erfreuen. Noch besser:

Trotz dieser Präzision, mit der die Z allenfalls gegenüber der Speed Triple klein beigeben muss, bietet die Kawa einen für ein so star-kes Naked Bike überraschenden Komfort, der sie in Kombination mit dem kernigen, aber durchaus gepflegt zu Berge klettern-den Reihenvierer zur gerne genommenen Gipfelstürmerin werden lässt.

Überraschung eins also: Die Z 1000 R kann mit der deutlich frischeren Konkurrenz motor- wie fahrwerksseitig locker mithal-ten, ist ihr teilweise sogar überlegen. Das gilt gerade mit Blick auf die neue CB 1000 R+, in die der Weltmarktführer nach eige-nem Bekunden viel Hirnschmalz investier-te, um endlich zur motorisch überlegenen

Konkurrenz aufzuschließen. Das ist – so viel steht schon auf der ersten Passhöhe fest – zumindest im für dieses Geläuf rele-vanten unteren Drehzahldrittel eher schlecht als recht gelungen. Ein Blick auf die Leistungskurven (Seite 30) offenbart das Malheur. Da fängt die CB 1000 R+ nicht nur verhalten an, es klafft auch im Drehzahlbereich zwischen 4500 und rund 7000/min ein mächtiges Drehmoment-loch. In diesen Regionen nähert sich der Honda-Motor bis auf zirka acht Newton-meter sogar dem hubraumschwachen MV-Drilling an, während der Abstand zu den 1000er-Genossen über 20 Newtonmeter (Kawa) beziehungsweise satte 30 Newton-meter (Triumph) beträgt.

an dieser Stelle erwähnt werden, weil die-ses Bauteil im weiteren Verlauf der Testrun-de zumindest bei der MV, der Triumph und der Honda weitgehend Pause hat. Für alle, die jetzt stutzen: Bei diesen dreien unter-brechen Schaltassistenten mit Blipper-Funktion beim Gangwechsel für Sekunden-bruchteile die Zündung und kappen so den Kraftfluss, die Zahnräder des nächsten Gangs rutschen mal mehr (Triumph und Honda), mal weniger geschmeidig (MV) ineinander, und zwar hoch wie runter. „Was für ein Unsinn, das ist was für die Rennstrecke“, mögen nun viele denken, die diese segensreiche Einrichtung bestenfalls an Supersportlern für zielführend erachten. Aber sie liegen falsch. Nie war eine Ent-

wicklung aus dem Rennsport segensrei-cher als eine Schalthilfe in den Alpen. Es ist vor jeder Kehre wieder eine Freude, mit automatischen Zwischengasstößen locker die Gänge herunterzusteppen, bei Bedarf bis runter in den ersten Gang und ohne übliche Einkuppel-Akrobatik. Bäng, bäng, bäng, sitzt, passt und hat Luft. Wer von den drei Blipper-Bikes auf die Z 1000 R umsteigt, muss sich umstellen.

Aber nur, was die Schalterei angeht. In allen anderen Belan-

BÖCKE UND BÖCKE: Geschaffen für das Leben in großer Höhe? Die einen ganz klar ja, die anderen nur bedingt

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Ein 30-Newtonmeter-Defizit – das muss man erst einmal schaffen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Deshalb fährt keines der anderen Bikes der piekfein verarbeiteten, eigenständigen Honda davon. Die Leichtigkeit jedoch, mit der die Kawa und vor allem die Triumph aus den engen Ecken marschieren, die geschmeidige Gasannah-me besonders der Britin, ja einfach das Erlebnis Motor, wie es in dieser Klasse mit Hingabe zeleb-riert wird – das geht der Honda ab. Und noch etwas bremst sie ein, nämlich die eingangs er-wähnte, passive Ergonomie. Ultrakompakt, aber mit breitem Lenker die Brutale, relaxt, aber mit breitem Tank die Z 1000 R, konzentriert und vorderradorientiert die Speed Triple – das passt irgenwie zur engagierten Fahrweise. Die inaktive Sitzposition mit weit nach hinten gekröpftem Lenker der CB 1000 R+ lässt hingegen nur eine positive Umschreibung zu. Es geht auf ihr beque-mer zu als auf der zudem mit einem brettharten Federbein gestraften MV und der Triumph.

Womit wir bei der Speed Triple RS sind, dem Topmodell der Baureihe und ihrer vielleicht ein-zigen Schwäche hier in den Alpen, nämlich der sportiven Sitzposition. Doch keine Angst: Auch die passt, wenn es flott genug vorangeht. Und mit der Speedy geht es immer flott voran. Kein Wunder bei einem Motor, der zwar ganz ähnlich wie der Honda-Vierzylinder auf einer mindestens so betagten Konstruktion beruht, dem aber die Frischzellenkur weitaus besser bekam als zu er-warten war. Der Dreizylinder spricht nämlich nach wie vor butterweich an, holt dann aber un-ter tiefem Triple-Grollen aus den serienmäßigen Arrows-Schalldämpfern zu einem satten Schlag aus, der sich gewaschen hat. Dann schiebt er los wie ein Ochse, egal, in welchem Drehzahlbe-reich. Falsche Gangwahl – praktisch unmöglich, falsche Linienwahl – umgehend zu korrigieren.

Alpen-Masters 2018

Mot

orlei

stung

Motordrehzahl in 1/min x 1000

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130Triumph Speed Triple RS110,3 kW (150 PS) bei 10 100/min 114 Nm bei 7500/minKawasaki Z 1000 R Edition103,6 kW (141 PS) bei 9900/min 112 Nm bei 7400/minHonda CB 1000 R+102,0 kW (139 PS) bei 10 400/min 101 Nm bei 8300/min MV Agusta Brutale 800 RR

95,0 kW (129 PS) bei 12 600/min 81 Nm bei 10 200/min

5060708090100110120

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210 43 765 15 16141312111098

Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %

Leistungsmessung

MotorBeschleunigung 0–140 km/h 20 18 18 18 18

Durchzug in 2000 m über NN 20 20 20 20 20Durchzug im 2. Gang bergauf* 20 13 17 13 18

Leistungsentfaltung 20 13 15 11 16Ansprech-/Lastwechselverhalten 20 15 16 13 17

Kupplung 20 14 14 11 14Schaltung 20 16 14 13 16

Getriebeabstufung 10 9 9 8 9Summe 150 118 123 107 128

FahrverhaltenAbstimmung/Komfort 20 13 13 10 11

Federungsreserven bei Beladung 20 13 14 14 14Handlichkeit auf Passstraßen 20 14 15 17 15

Stabilität in Kurven 20 15 17 13 17Lenkpräzision/Rückmeldung 20 15 16 11 17

Bremswirkung 20 15 16 17 17Bremsverhalten bergab/Fading 20 12 14 11 14

ABS 15 12 13 12 14Traktionskontrolle 5 4 0 3 4

Aufstellmoment beim Bremsen 10 7 7 6 8Schräglagenfreiheit bei Beladung 10 10 10 10 10

Summe 180 130 135 124 141

AlltagAusstattung 20 10 13 8 11

Gepäckunterbringung 10 0 2 0 2Reichweite Pässe 20 11 12 9 11

Zuladung 20 10 8 8 11Handhabung beladen 10 6 6 7 6

Sicht nach vorn/hinten 10 7 7 6 6Bodenfreiheit m. Sozius u. Gepäck 10 6 5 6 7

Summe 100 50 53 44 54

KomfortSitzkomfort Fahrer 20 14 14 9 12Sitzkomfort Sozius 20 6 7 4 7

Wind- und Wetterschutz 20 0 0 0 2Laufruhe Motor 10 8 8 5 8

Summe 70 28 29 18 29

GESAMTWERTUNG 500 326 340 293 352

PLATZIERUNG 3. 2. 4. 1.

Alpen-Masters- Wertung

*mit Sozius

WAS WIEGEN SIE DENN? Die MOTOR-RAD-Testcrew hat die Waagen im handlichen Schrankformat auch in den Alpen dabei

Maxim

ale

Punktzahl

Honda

CB 1000 R+

Kawasaki

Z 1000 R Edition

MV Agusta

Brutale 800 RR

Triumph

Speed Triple RS

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Handlich und neutral fällt die RS in Schräg-lage, zielgenau und spurstabil folgt sie auf ihrer supersportlichen Pirelli-Supercorsa-Bereifung dem vorgegebenen Radius, sogar bei unwirtlichen äußeren Bedingun-gen. Das ebenfalls serienmäßige Öhlins-Fahrwerk der RS, das trotz sportlicher Härte sensibel auf kleinste Unebenheiten reagiert und die großen Verwerfungen locker wegsteckt, ergänzt das wertig aus-gestattete Rundum-sorglos-Paket, dem man im Grunde nur eins vorwerfen kann, nämlich die wenig touristische Ausrich-tung. Gemütlich dahintuckern ist auf ihr eine Selbstkasteiung für Fahrer und Fahr-zeug, der Rest pures Vergnügen.

Eine Einschätzung, die grundsätzlich auch für die MV Agusta gelten könnte, ja müsste, denn sie hat allerbeste Anlagen. Ein kompaktes, bärenstarkes Dreizylinder-Kraftwerk als Motor, einen stabilen, leich-ten Gitterrohrrahmen, wertige Komponen-ten. Was ihr jedoch fehlt, ist die Akribie und Perfektion, mit der es Triumph gelang, die Baugruppen aufeinander abzustim-

Premiere: Lärmmessung beim Alpen-MastersIn der ruhigen Bergwelt stört der Verkehrslärm noch aufdringlicher als im Flachland. Deshalb ermittelte MOTORRAD zum ersten Mal im Rahmen eines Alpen-Masters die Lautstärke der Testmaschinen.

Die Ruhe täuscht: Mag in den vergleichs-weise einsamen französischen Alpen

das Thema Lärm (noch) keine große Rolle spielen, laufen stärker frequentierte alpine Regionen bereits Sturm. Maut am Stilfser Joch oder Fahrzeug-Kontingentierung am Sellajoch sind beispielsweise aktuelle be-hördliche Vorschläge zur Reduzierung des Lärmaufkommens. Doch wie groß sind denn die Lautstärke-Unterschiede in serien-mäßigem Zustand? Um diese Frage zu beantworten, nahm MOTORRAD zwei Pra-xismessungen an einem Bergaufstück vor. Zunächst wurde der maximale Pegel bei der Vorbeifahrt im Drehzahlbegrenzer festge-

stellt, danach mit einer Beschleunigung aus 50 km/h im zweiten Gang (Messpunkt: 10 Meter nach Beginn der Beschleunigungs-phase) die typische Fahrsituation nach einer Kehre simuliert. Zur Einordnung: Zehn db(A) Unterschied werden als eine Verdopplung der Lautstärke wahrgenommen. Insofern belegt das Ergebnis zwei Dinge: Erstens hat Lärm mit Leistung nichts zu tun. In beiden Gruppen gehören die leistungs-mäßig überlegenen oder adäquaten Kawa- saki-Modelle beim Maximalwert zu den lei-sesten Bikes. Zweitens liegen die Lärmpegel in der Beschleunigungsphase – also Dreh-zahlen zwischen 5000 und 6000/min – um bis zur Hälfte (Bonneville Bobber Black, CB 1000 R+, Brutale 800 RR) unter dem jewei-lige Maximalwert. Die entscheidende Er-kenntnis: Der Fahrer hat’s in der Gashand. Wer früh schaltet und den Motor im mittle-ren Drehzahlbereich ziehen lässt, anstatt ihn auszudrehen, geht Anwohnern, Radlern und Wanderern nur halb so sehr auf die Nerven. Ein Aspekt, über den es sich nach-zudenken lohnt.

Der Fahrer hat’s in der Gashand: Wer früh schaltet, kann halb so laut unterwegs sein – und hat kaum weniger Spaß

men. Einige Beispiele: Das Handling – famos, aber mit der Tendenz zur Kippelig-keit, die Gasannahme trotz mehrerer Modi spontan, aber mit Hang zur Nervosität. Die Sitzbank gefühlsecht, aber auf Dauer zu hart, ebenso wie das Federbein. Das Cock-pit stylish bis überfrachtet und nur unter günstigsten Bedingungen ablesbar. Und, und, und … man könnte diese Liste beina-he beliebig fortsetzen, tun wir aber nicht. Wir überlassen der Brutale 800 RR ihren angestammten Platz vorm Eiscafé statt auf rumpeligen Alpenpässen, wo sie mit ihrer atemberaubenden Formensprache beein-drucken kann und wird. Und die hübsche Honda – die macht sich dort gewiss auch gut. Die Kawasaki hingegen empfehlen wir nicht nur den Fans der Marke, sondern allen, für die nur ein Reihenvierer ein rich- tiger Motor ist. Die Triumph gewinnt fast alle Wertungskapitel und zieht hochver-dient ins Alpen-Masters-Finale ein. Ach, und noch was: Unter knapp 14 000 Euro (Honda) geht listenpreismäßig nichts, die Bru tale und die Speed Triple landen bei fast 16 000 Euro. Beträge, angesichts derer wir ganz automatisch mit der Demut schließen, mit der wir begonnen haben.

Power-NakedsTriumph Speed Triple RS

-FazitViel eindeutiger kann die Sache nicht ausgehen. Die neue Triumph Speed Triple RS hat trotz aller sportlichen Akzente den alpentauglichsten Motor, das beste Pässe-Fahrwerk und unter dem Strich auch im Urlaubsalltag am meisten zu bieten. Dazu kommt die wertige Verarbeitung, die hochwertigste Ausstattung und benutzerfreundlich verknüpfte Assistenzsysteme.

Alpen-Masters 2018

FRÖSCHE SAMMELN VERBOTEN: In Frank-reich leben die Hüpfer auch im Hochgebirge gefährlich

Gravierende Unterschiede – zehn Dezibel Differenz werden als doppelte Lautstärke wahrgenommen

Messwerte in db(A)

MaximaldrehzahlDurchzug 2. Gang

Triumph Speed Triple RS98

94

MV Brutale 800 RR

Kawasaki Z 1000 R Edition

Honda CB 1000 R+

Triumph Bonneville Bobber Black

Ducati Scrambler 1100 Sport

Moto Guzzi V7 III Carbon

Kawasaki Z 900 RS

98

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POWER NAKEDS

MODERN CLASSICSPlatz 1

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