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Die energetische Nut-zung von Abfall aus derBiotonne setzt sich zu-
nehmend durch. Nach undnach entstehen an vielen Kom-postierungen Biogasanlagen –meist, wenn ohnehin eine Er-neuerung ansteht. So auch imKreis Coesfeld. Hier wird dieBiogasanlage im Auftrag desLandkreises durch die ReterraWest GmbH & Co KG betrie-ben, eine hundertprozentigeTochtergesellschaft von Re-
mondis, einem Dienstleisterfür Recycling, Rohstoff- undWasserversorgung. Vor vierJahren suchte der Kreis Coes-feld ein passendes Konzept,Bioabfälle zukünftig nicht nurstofflich über die Kompostie-rung zu verwerten, sondernauch eine energetische Nut-zung vorzuschalten. Über denNutzen einer Vergärungsstufevor der Kompostierung herrsch-te schnell Einigkeit – zumalsich damit die Möglichkeit zurSenkung der Abfallgebührenergibt. Um die Kosten noch
weiter zu senken, sollten vor-handene Teile der bestehen-den alten Kompostanlage mög-lichst weitgehend in die neueintegriert werden. Dazu kamdie Frage, ob das Biogas vorOrt oder in einem Satelliten-Bhkw verstromt werden sollte,um mit der Wärme beispiels-weise das Kreishaus zu heizen.Eine Machbarkeitsstudie solltedies und mehr klären. Umgesetzt wurde schließlichnoch eine andere, letztlichwirtschaftlichere Variante: dieAufbereitung des Biogases zu
Biomethan und dessen Ein-speisung ins Gasnetz. Jedochist diese räumlich und unter-nehmerisch von der Biogasan-lage und der Kompostierunggetrennt. Für die Bioabfallver-wertung selbst erhielt erneutReterra den Zuschlag. In derenZuständigkeit fällt nun die Bio-gas- und die neue Kompostie-rungsanlage. Beide entstan-den auf dem Gelände der altenKompostierung. Planung undBauaufsicht übernahm die Pla-nungsabteilung von Remondisin Lünen. Sie vergab dann die
Alt und neu kombiniertMillionen Euro investiert, Abfallgebühren aber gesenkt
Der KreisCoesfeld wollte derneuen Kompostie-
rungsanlage für Bio-abfälle eine Vergä-
rungsstufe vorschal-ten und dabei vorhan-dene Anlagen nutzen.Als wirtschaftlichsteVerwertung für dasBiogas erwies sich
dessen Aufbereitungund Einspeisung ins
Erdgasnetz.
Standort der Gaseinspeisestation
Standort der Vergärungs- und Kompostierungsanlage
EntschwefelungDruckwasserwäsche zur
Biogasaufbereitung
Biogasspeicher
Bild: WBC
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einzelnen Gewer-ke an unterschied-liche Firmen, bei-spielsweise denFermenterbau andie Axpo-Kompo-gas AG aus derSchweiz und denTiefbau an dieFirma Lüllmannaus dem nahenMünster.
Biogas aus demPfropfenstrom
Jährlich werdenim Kreis Coesfeldetwa 45.000 Ton-nen organischeReststoffe überdie kommunaleAbfallentsorgung gesammelt.Aus der Biotonne stammendabei etwa 37.000 Tonnen,8.000 Tonnen sind Grüngut.Aus dem Grüngut werden hol-zige Anteile aussortiert, zuKompost oder Hackschnitzeln
aufbereitet undvermarktet. EinTeil des Holzeswird mit dem Bauder Biogasanlagenun selbst ge-nutzt, um in einer9 0 0 - K i l ow a t t-Hackschnitzelfeu-erung die Wärmezur Fermenterbe-heizung zu er-zeugen – Bhkw-Abwärme stehtaufgrund derAufbereitung zuBiomethan nichtzur Verfügung.Außerdem wirdein Teil des Grün-gutes dem Bioab-fall zugemischt,
so daß das Biogas-Substrat aufeinen Trockensubstanzgehaltvon mindestens 30 Prozentkommt. Dieser ist nötig, damites im Pfropfenstrom durch denFermenter wandert und nichtfließt.
Daß die Entscheidung auf ein Pfropfenstrom- und nicht beispielsweise Boxenfermen-terverfahren fiel, begründetAloys Oechtering, Geschäfts-führer der Reterra West, mitder besseren Gasausbeute.Aber auch die Biomethanan-lage benötige eine gleichmä-ßigere Gasversorgung, alsBoxenfermenter sie liefernkönnten. Von der alten Kompostierungkonnte die Abfallannahmeübernommen werden, wo derInhalt der Biotonnen zunächst
in einen Bunker geschüttetwird. Der Eintrag in den Fer-menter besteht aus einemlangsamlaufenden Schredderund einem Sieb, die den Abfallauf unter 60 Millimeter Korn-größe zerkleinern, bevor eineSchnecke ihn an der Frontseitein den wannenförmigen Fer-menter aus Edelstahl einführt.Die Paddel des Längsachsrühr-werkes transportieren die Bio-masse dann während der Ver-gärung in zehn bis 21 Tagenzum Austrag. „Die unterschied-lichen Verweilzeiten entste-
Biogas- und Biomethananlage Coesfeld
Substrate: 37.000 t/a aus Biotonne, 8.000 t/a Grüngut
Vergärungsstufe: Trockenfermentation im Pfropfenstrom1.600 m3 Fermentervolumen, bis 21 Tage Verweilzeit, Fermenterheizung mit Holzhackschnitzeln aus Grüngut
Biomethananlage: Druckwasserwäschebis 600 Nm3/h Rohbiogas-Aufnahme, 1,9 Mio. Nm3/a einge-speistes Biomethan, Einspeisung in eine Gashauptleitungmit 70 Bar
Biomethan: Vermarktung durch Bmp Greengas
Die Bioabfälle werden im Pfropfenstrom vergoren. Die Anlage wurdean die bestehende Annahmehalle für die Bioabfälle gebaut.
„Die Gasausbeutebeim Pfropfen-stromverfahren
ist höher.“
Aloys Oechtering, Geschäftsführer von
Reterra West
Aus dem Grüngut gewonnene Hackschnitzel dienen als Brennstoff für die Fermenterheizung.
In der Tunnelkompostierung verrot-tet der Gärrest zu Kompost mit demhöchsten Rottegrad. Fotos: Reterra
Im Biofilter wird die Abluft aus dem Raummit dem Fermenteraustrag gereinigt.
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hen durch die je nach Jahres-zeit schwankenden Mengen“,erklärt Oechtering. Im Winterverbleibe das Substrat längerim Fermenter, da dann kaumGrüngut und Gartenabfälle an-fielen. Biomasse, die im Som-mer bei den kürzeren Verweil-zeiten in der Biogasanlagenicht abgebaut werde, verrottebei der anschließenden Kom-postierung des Gärrestes. Dieser wird zunächst in einemSeparator abgepreßt und ineinem Bunker zwischengela-gert. Dieser Puffer ist nötig,
damit ausreichend Material fürdie diskontinuierliche Tunnel-kompostierung zur Verfügungsteht. Der Schlupf an Biogaswährend der Aerobisierung seinach eigenen Messungen sehrgering, so Oechtering und be-gründet das mit der abruptenAbkühlung während der Pres-sung. Sie stoppe die mikro-bielle Tätigkeit sehr schnell.Außerdem wird die Abluft ausdiesem Raum erfaßt und übereinen Abluftwäscher und an-schließenden Biofilter gerei-nigt. Das abgetrennte Preß-
wasser wird zum Anmaischendes frischen Abfalls genutzt,was laut Oechtering vor allemim Sommer und Herbst nötigsei. Der Separator sei aber soeingestellt, daß nicht mehrPreßwasser entstehe, als be-nötigt werde. Das übrige Über-schußwasser wird in der Rotteverdampft.
Tunnelkompostierung für Gärreste
Die zuvor genutzte sogenann-te Brikollare-Kompostierungwurde durch eine Tunnelkom-postierung für die Gärreste ab-gelöst. Vorteil dieser ist dieLuftzufuhr von unten durcheinen Belüftungsboden sowiedie kontrollierte Ablufterfas-sung und -reinigung aufgrundder Einhausung. Der fertigeKompost erreicht durch dievorgeschaltete Vergärungs-stufe den höchsten Rottegrad.Zudem erfüllten die herge-stellten Erden und Substratedie Qualitätsvorgaben derBundesgütegemeinschaftKompost, betont Oechtering.
Eigenstrom für Druckwasserwäsche
Das im Fermenter entstandeneBiogas wird direkt in eine 800Meter lange Leitung zur Bio-methananlage eingespeist.Die Leitung verläuft entlangder Deponie über kreiseigenesGelände. Da durch die Abküh-lung Kondensat entsteht, sindmehrere Kondensatfallen ein-gebaut. Die hier gesammelteFlüssigkeit wird in den Fer-menter rückgeführt. An der Biomethananlage wirddas Rohbiogas in einen 7.000Kubikmeter fassenden kugel-runden Doppelmembran-Gas-speicher geleitet, um Schwan-kungen in der Gaszufuhrauzugleichen. Allein dafürwürden die 7.000 Kubikmeterallerdings nicht benötigt, soStefan Bölte, Geschäftsfüh-rer der WirtschaftsbetriebeKreis Coesfeld GmbH (WBC),aber im Regelwartungsfall, das sind acht Stunden, müsseder Speicher die maximale Liefermenge puffern können. Die WBC ist für die Abfallent-
Gasspeicher und Druckwasserwäsche zur Aufbereitung des Bio-gases zu Biomethan. Die Anlage wurde an die bestehenden Deponie-gas-Bhkw sowie die Sickerwasseraufbereitung (kleines Bild: im Vor-dergrund) angegliedert.
Fotos: Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH
Während die vorhandenen Deponiegas-Bhkw für Biogas ertüch-tigt wurden, wurde für die nachlassende Deponiegas-Menge ein neues160-Kilowatt-Aggregat angeschafft.
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sorgung im Kreiszuständig, ihreinziger Gesell-schafter ist derLandkreis Coes-feld. Letzteresgilt auch für dieGesellschaft zurFörderung rege-nerativer Ener-gien (GFC), diedie Biomethan-anlage betreibtund sie zuvormit Hilfe des aufBiogasaufberei-t u n g s a n l a ge nspezialisiertenIngenieurbürosH. Berg & Part-ner errichtete.Biomethanan-lage und Spei-cher entstandenbenachbart zur Sickerwasser-behandlung und den Deponie-gas-Bhkw der Abfalldeponiedes Kreises. So kann der Stromder Deponiegas-Bhkw mitetwa 800 Kilowatt Leistung alsbetriebswirtschaftlich günsti-ger Eigenstrom genutzt wer-den. Daneben stehen dieBhkw als Alternative zur Not-fackel zur Verfügung, so daßbei Ausfall der Biomethanan-lage das Biogas zumindest ver-stromt werden kann. Das warauch einige Wochen im Herbst2013 der Fall, als die Biogas-anlage schon lieferte, der An-schluß an das Erdgasnetz abernoch nicht fertig war. Zuvorhatte der Bhkw-Ausrüster Etw
Energietechnikaus Moers diebeiden Deponie-gas-Bhkw umge-baut. Als Ersatzfür die Deponie-gasnutzung wur-de ein drittes160-Ki lowatt-Bhkw aufgestellt.Ansonsten ver-sorgt die Wärmeaus der Deponie-gas-Verstromungvor allem diebiologische Sick-kerwasserreini-gung. Demnächstsollen die Bhkwzudem im Regel-energiemarkt alsSekundärreser-ve angebotenwerden.
Auch in Teillast
Die von der Firma SchwelmAnlagentechnik GmbH errich-tete Druckwasserwäsche kon-zentriert den Methangehaltvon 50 bis 60 Prozent im Roh-biogas auf 96 bis 98 Prozent.Ein Vorteil dieses Verfahrensist, daß es auch in Teillast nochgut arbeitet, denn aufgrundder jahreszeitlich schwanken-den Abfallmengen verändertsich die Gasproduktion. Aus-gelegt ist die Anlage auf einenDurchsatz von 600 Normku-bikmeter Rohbiogas pro Stun-de, entsprechend werden dannetwa 350 Normkubikmeter Bio-
methan erzeugt. Sie passiereneinen Aktivkohlefilter, um rest-liche Schwefelverbindungenaus dem Gas zu entfernen –auch wenn laut Oechteringdavon in Bioabfällen deutlichweniger als in landwirtschaft-lichen Substraten enthaltensei. Mit 70 Bar wird das Biome-than schließlich in die naheGashauptleitung der ThyssenGas eingespeist. Seit inzwischen gut einem Jahrarbeitet die Druckwasserwä-sche im Dauerbetrieb. Der fürden technischen Betrieb zu-ständige Ingenieur Ralf Abelerstellt mit Zufriedenheit fest,„daß sie deutlich besser läuft,als wir erwartet haben. Sie istwenig störanfällig, was dieLeistungskennzahlen für denBetrieb im ersten Jahr bele-gen: insgesamt 1,9 MillionenKubikmeter eingespeistes Bio-methan mit einem Energiege-halt von 20,3 Millionen Kilo-wattstunden“. Daneben entstanden zusätzli-che Arbeitsplätze: eine halbeStelle für die Biomethan-anlage und eine Vollzeitstellefür die Biogasanlage.
Gebührensenkung durchBiomethanvermarktung
In die Biogasanlage und Tun-nelkompostierung wurdenetwa 15 Millionen Euro inve-stiert. Weitere 2,8 MillionenEuro kostete die Biomethanan-lage. Die Pauschale in Höhevon 250.000 Euro für den Gas-
netzanschluß fällt da kaum insGewicht. Trotz dieser Millio-neninvestitionen konnte derKreis Coesfeld die Abfallge-bühren inzwischen senken.Der zusätzliche Erlös ergibtsich vor allem aus dem Biome-thanverkauf.Diesen übernahm die BmpGreengas. Sie zahlt der GFCeinen mengenabhängigenStaffelpreis, wobei im Vertrageine Mindestliefermenge fi-xiert ist. Im ersten Betriebsjahrerwartet die GFC ein Plus imsechsstelligen Bereich für dieBiomethananlage. Derzeit wirddas Biomethan als „konventio-nelles“ Abfallbiogas nach EEGvertrieben, so GFC-Geschäfts-führer Stefan Bölte. Hinsicht-lich weiterer Vermarktungs-möglichkeiten ließ er das Bio-methan inzwischen auch alsBiokraftstoff zertifizieren undbekam bescheinigt, daß es„ein sehr hohes Treibhausgas-minderungspotential“ besitzt.Doch rechnet sich dieser Vermarktungsweg noch nicht.„Es ist zu hoffen, daß sich diewirtschaftlichen Bedingungenzur Nutzung des Biomethansals Biokraftstoff ab dem Jahr 2017 – mit der auf 4,5Prozent erhöhten Minderungs-pflicht – verbessern. Die Ent-wicklung bleibt abzuwarten“,so Bölte.
Marc Wilhelm Lennartz
›› www.wbc-coesfeld.de›› www.reterra.de
„Das durch uns pro-duzierte Biomethanhat ein sehr hohesTreibhausgasmin-derungspotential.“
Stefan Bölte, Geschäftsführer derkreiseigenen Gesell-
schaften WBC und GFC
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