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08-Sep-2019Category
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Medizinische Fakultät Prof. Dr. Johann Behrens Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft
Am 8.6. 1913 war von Pflege- und Therapiewissenschaften noch keine Rede. Sind es überhaupt eigenständige Grund legende Wissenschaften mit eigenen Theorien?
Drei Thesen:
1. Es sind Grund legende Handlungswissenschaften mit einem eigenen Gegenstand – statt bloßer Anwendungen anderer Grundlagenwissenschaften.
2. Professionsbegründende Wissenschaften differenzieren sich historisch kontingent entlang eigener Problemstellungen (Codes) und entlang den Feldern lebenspraktischer Krisenbewältigung aus.
3. Für multiprofessionelle multidisziplinäre Teams, die zwischen Leistung und Lieferung nicht unterscheiden können, ist die horizontale Koordination weniger unverantwortlich als die vertikale.
Frage: Geht die Entwicklung wirklich von der fürsorglichen Bevormundung über die organisierte Unverantwortlichkeit zur professionsgestützten selbstbestimmten Teilhabe?
Medizinische Fakultät Prof. Dr. Johann Behrens Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft
1. Kontemplative und Handlungswissenschaften: Die „Nichtwissenschaft“ Medizin und Pflegewissenschaft? Wissenschaft; Handwerk und Kunst?
Aristoteles führt den Begriff der Wissenschaft in strikter Abgrenzung von der Nichtwissenschaft Medizin und ihren Einzelfallentscheidungen ein (Nikomachische Ethik). Als Wissenschaft gelten seitdem kontemplative Wissenschaften wie Biologie und Soziologie, die nicht den Einzelfall, sondern das Allgemeine anzielen. Merksatz“ (R.Gross M. Löffler, Prinzipien der Medizin, Berlin 1997, S. 8) „In der Medizin sind Wissenschaft, Kunst und Handwerk untrennbar verbunden. Wenn auch die Forschungsergebnisse mehr wissenschaftlicher Natur sind, der Umgang mit den Kranken mehr eine Kunst, so handelt es sich dabei um Akzente“
Medizinische Fakultät Prof. Dr. Johann Behrens Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft
Angewandte Biologie und Soziologie? „Unique Mix“ (Smith 1981:1) aus biologischen und Sozialwissenschaften oder grundlegend eigenständige Fragestellung?
Wenn die Medizin ihren Wissenschaftscharakter aber nur auf kontemplative Grundlagenwissenschaften wie die Biologie bezieht, dann stellt sie sich selbst dar als Anwendung der Grundlagenfächer, ohne selbst Wissenschaft zu sein.
Warum sollte aber angewandte Biologie nicht „angewandte Biologie“ heißen, sondern „Medizin“? Etikettenschwindel? Und warum sollten angewandte Soziologie und Biologie „Pflegewissenschaft“ heißen ?
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Medizin, Pflege- und therapeutische Wissenschaften als Handlungswissenschaften
Medizin, Pflegewissenschaft, Physiotherapiewissenschaft, Pädagogik und andere sind Wissenschaften mit eigenen, von den kontemplativen Wissenschaften der Biologie und Soziologie u.a. trennbaren Gegenständen:
Ihr handlungswissenschaftlicher Gegenstand ist die - zukunftsunsichere, aber vernünftige innovative
Krisenentscheidung im jeweiligen einzigartigen Fall - unter zeitlichem Handlungsdruck und Begründungszwang - im Arbeitsbündnis mit den je einzigartigen Klienten und im
Respekt vor deren eigenständiger Praxis der Lebensbewältigung.
Sie als „Künste“ statt als Handlungswissenschaften zu bezeichnen, macht ihre Praxis als „vernünftige“ undiskutierbar, unkritisierbar, unerforschbar.
Handlungswissenschaften unterscheiden sich von Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften nicht im Gebrauch der Vernunft, sondern im Gegenstand (decision making science).
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Gegenstand der Handlungswissenschaften Interne und externe Evidence
Solche Krisenentscheidungen des multiprofessionellen Teams mit den Klienten im Einzelfall lassen sich nicht aus kontemplativen Wissenschaften der Biologie und der Soziologie „ableiten“, dennoch sind sie nicht einfach Glückssache, Kunst oder Intuition jenseits aller wissenschaftlichen Vernunft.
Sie sind mit eigenen Methoden wissenschaftlich untersuchbar und vernünftig begründbar in der Handlungswissenschaft des Aufbaus interner Evidence, die externe Evidenz für den Einzelfall erst nutzbar macht.
EbN hat sich als Methode des health service research in nursing (Versorgungsforschung) entwickelt, die – verantwortungsethisch - die Wirkungen von Handlungen erkennen und beachten will.
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Interne und externe Evidence: Behandung von Personen oder von Organen
Definition Externe Evidence: verlässliche Erfahrung Dritter Definition Interne Evidence: was ich nur von mir selbst wissen und in der Begegnung klären kann (Ziele, Empfindungen, Ressourcen, Gewohnheiten, typische Praxen der Bewältigung unvermeidbarer Krisen, individuelle Relevanz von „outcomes“, Qualitätskriterien) , weil alle Menschen und ihre Gemeinschaften ihre je eigenen Praxen der Lebensbewältigung entwickeln. EbN unterscheidet konsequent die kontemplative Zusammenfassung der verlässlichen Erfahrungen Dritter (externe Evidence) von der handelnden Entscheidung im Einzelfall (Fallverstehen interner Evidence) und kann deswegen den wechselseitigen Prozess zwischen beiden wissenschaftlich bearbeiten. Pflege behandelt keine Organe, sondern Personen, denen sie bei ihrer lebenspraktischen Bewältigung ihrer Krisen assistiert. „Man geht zur Wundpflegerin , will sich nur eine Wunde versorgen lassen und ansonsten in Ruhe gelassen werden – und muss sein Leben ändern.“
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(Kunst-)Lehre der , und :
Individual-biographische Zielsetzung des Klienten Impairment (medizinisch) Disability (ärztlich/pflegerisch) Participation (pflegerisch/ärztlich) Verlaufsdokumentationen
Zielklärung Anamnese Pflegediagnose !
! ! !
!
Interne Evidenz Datenbanken über
, z.B.: Evidence-based Nursing Cochrane Library Qualität technischer Geräte und Prozesse (klinisch- epidemiologische Studien) Qualitative und quantitative Soziologische Verlaufsstudien
erwiesene Wirksamkeit ! ! !
!
Externe Evidence
Vorschriften / Faustregeln / Leitlinien / Richtlinien / Gesetzliche Regelungen
Ökonomische Anreize und Vorschriften
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Selbsklärung interner Evidence in der Klassifikation der ICF: Teilhabe als Ziel von Therapie und Pflege
Training
Kontext “Umgebung Gesellschaftliche Umstände”
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Aus Erfahrungen Dritter (also aus externer Evidence) sind häufig gar keine Interventionen (Indikationen) im Einzelfall eindeutig „abzuleiten“ 1. statistisch: Bei number needed to treat > 1 weiss niemand, wer von einer Behandlung profitiert, wer nicht. Eine persönliche Entscheidung unter Ungewissheit ist unvermeidbar. 2. Indikations-Auftrag: Wenn eine Indikation für eine Person und nicht nur für ein Organ zu stellen ist (Organe ohne Personen dran kommen in Pflege, Therapie und Medizin kaum vor), dann muss für jede Indikation die interne Evidence der individuellen Lebensbewältigung einbezogen werden. Was für den einen Patienten indiziert sein kann, ist für den anderen Patienten mit demselben rein organischen Befund nicht indiziert. 3. Präferenzen ungeklärt: In Krisen haben Personen oft nicht sofort Präferenzen parat (wie der Kunde im neoklassischen Marktmodell), sondern Personen bedürfen oft eines Gesprächspartners, mit dem sie ihre Ziele klären können und der möglichst viele einschlägigen Erfahrungen Dritter (externe Evidence) kennt. Das externe Evidence aus Studien für eine Indikation nicht reicht, zeigt auch das Lehrbuch clinical epidemiology von Gordon Guyatt und Holger Schuenemann.
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Externe Evidence aus Studien reicht nicht für eine Indikations-Entscheidung entnommen aus Gordon Guyatt /Holger Schuenemann, clinical epidemiology
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Klinische Entscheidungen Entscheidungen im Gesundheitswesen
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Therapeutische Entscheidung im Arbeitsbündnis
Therapeuten – Nutzer
Ergänzung :Komponenten der therapeutisch/pflegerischen Entscheidung (die falsche ältere Sicht von 1999): Handlungsdruck und Begründungsanspruch Expertise der Therapeute n Interne Evidence
Umgebungsbedingungen, externe Anreize
Gesetze Materialien
Vergütung
Ziele und Präferenzen der Nutzer (Patienten,
Pflegebedürftige)
Individualität
Biographie Ergebnisse der Klinischen Forschung Externe Evidence
Studien bester Qualität
Medizinische Fakultät Pro