An U niv er sitäten darf es keinen H eima tsc hutz gebenallem für F rauen ist es sch wierig, den A...

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Meinungen 24.03.13 / Nr. 12 / Seite 16 / Teil 01 NZZ AG An Universitäten darf es keinen Heimatschutz geben Junge Schweizer scheuen das Risiko einer akademischen Laufbahn .................................................................................. .................................................................................. Monika Bütler .................................................................................. N ur deutsche Bewer- ber für Lehrstuhl an Schweizer Uni eingeladen!» Dieser Aufschrei geht in regelmässigen Abständen durch die Medien. Es scheint offenkundig: Schweizer werden benachteiligt. Meine eigene, langjährige Erfahrung mit Berufungen deckt sich nicht mit dem Klagelied; es wird wohl eher zu- gunsten der Schweizer entschieden. Nur gibt es dazu wenig Gelegenheit. Unbestreitbare Tatsache ist: Um aka- demische Positionen bewerben sich kaum Schweizer(innen). Es fehlen eben – so argumentieren die Differenzierteren – einheimische Kandidaten, weil der Nachwuchs ver- nachlässigt werde. Doch halt: Geben nicht Hochschulen und Nationalfonds jährlich riesige Summen für die Nach- wuchsförderung aus? Auch wenn die Treffsicherheit bei der Vergabe manchmal zu wünschen übrig lässt: So unattraktiv können diese Program- me nicht sein. An Bewerbern – Schweizern und Ausländern – fehlt es in der Regel nicht. Liegt das Problem vielleicht im Ausland? Bieten andere Länder ihren Nachwuchsforschern bessere Karrie- remöglichkeiten? Stimmt teilweise. Die offensichtliche Lösung wäre dann, dass die jungen Schweizer Forscher selber für ein paar Jahre ins Ausland gehen. Gerade Hochschulen, die ihren Forschern im internationalen Wettbe- werb sehr gute Bedingungen anbieten, sind offen für die hellsten Köpfe – im eigenen Interesse. Doch viele Schweizer wollen nicht. Zugegeben, das Leben eines Nach- wuchsforschers «gleicht der Reise / Eines Wandrers in der Nacht». Vor einer mühsamen Bewerbung um einen Aufenthalt in der Fremde (statt eines bequemen Nationalfonds-Stipen- diums) schrecken viele zurück. Vor allem für Frauen ist es schwierig, den Auslandaufenthalt mit einer Familie zu verbinden. Paradoxerweise: Seit das Problem thematisiert wird, wollen auch viele Männer aus familiären Gründen nicht mehr weg. Akademische Karrieren gleichen einer Startup-Firma: Sie sind riskant, bedingen einen hohen Einsatz, grosse Mobilität und ein Quentchen Glück. So wenig wie eine Firma mit einem idealen Businessplan sicher reüssiert, so wenig lässt sich für eine akademi- sche Karriere eine Punkteliste ab- fahren. Das Risiko schreckt ab, auch wenn eine interessante Stelle mit viel Gestaltungsfreiheit lockt. Dabei müsste dieses Risiko gerade für Schweizer tragbar sein: In kaum einem anderen Land haben Forscher nach abgebrochener Universitätskar- riere so grosse Chancen, im normalen Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auch hier gilt der Schluss des Beresina- Lieds: «Hinter jenen fernen Höhen / Wartet unser noch ein Glück.» Verlockend wäre es, der Wande- rung durch die Nacht ihren Schrecken zu nehmen: Mehr Planbarkeit und insbesondere Positionen mit der Aus- sicht auf eine permanente Professur könnten die akademische Karriere für Schweizer wieder attraktiver machen. Aber Vorsicht: Dies funktioniert nur, wenn solche Stellen ergebnisoffen ausgeschrieben und nur die Besten von der provisorischen auf eine feste Stelle befördert werden. Sonst landen wir wieder im alten System, bei dem die Professoren ihre treu ergebenen Oberassistenten auf die planbaren Jobs setzten und sich die Uni später nicht getraute, jemanden zu entlassen. Diese selektive Planbarkeit hat in der Vergangenheit bestimmt nicht zu Spit- zenleistungen geführt. Geht es in der Debatte um den Schweizer-Malus am Ende vielleicht gar nicht um Fairness in der Nach- wuchsförderung? Schlagzeilen macht eine Berufung vor allem dann, wenn ein Deutscher einem Schweizer vor- gezogen wird. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass jemals die Nicht- berücksichtigung von Frauen einen Aufschrei ausgelöst hätte. Werden keine Frauen eingeladen, ist dies eben etwas ganz anderes. Schliesslich gibt es gar nicht genügend qualifizierte Bewerberinnen. Und viele der geeig- neten Frauen entscheiden sich freiwil- lig gegen die akademische Karriere. Genau! Genau? .................................................................................. Monika Bütler ist Professorin für Volks- wirtschaftslehre an der Universität St. Gal- len und führt das Schweizerische Institut für Empirische Wirtschaftsforschung.

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  • Meinungen 24.03.13 / Nr. 12 / Seite 16 / Teil 01

    ! NZZ AG

    AnUniversitätendarfeskeinen HeimatschutzgebenJunge Schweizer scheuen das Risiko einer akademischenLaufbahn.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

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    Monika Bütler.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

    Nur deutsche Bewer-ber für Lehrstuhlan Schweizer Unieingeladen!» DieserAufschrei gehtin regelmässigenAbständen durch

    die Medien. Es scheint offenkundig:Schweizer werden benachteiligt.

    Meine eigene, langjährige Erfahrungmit Berufungen deckt sich nicht mitdem Klagelied; es wird wohl eher zu-gunsten der Schweizer entschieden.Nur gibt es dazu wenig Gelegenheit.Unbestreitbare Tatsache ist: Um aka-demische Positionen bewerben sichkaum Schweizer(innen).

    Es fehlen eben – so argumentierendie Differenzierteren – einheimischeKandidaten, weil der Nachwuchs ver-nachlässigt werde. Doch halt: Gebennicht Hochschulen und Nationalfondsjährlich riesige Summen für die Nach-wuchsförderung aus? Auch wenndie Treffsicherheit bei der Vergabemanchmal zu wünschen übrig lässt:So unattraktiv können diese Program-me nicht sein. An Bewerbern –Schweizern und Ausländern – fehlt esin der Regel nicht.

    Liegt das Problem vielleicht imAusland? Bieten andere Länder ihrenNachwuchsforschern bessere Karrie-remöglichkeiten? Stimmt teilweise.Die offensichtliche Lösung wäre dann,dass die jungen Schweizer Forscherselber für ein paar Jahre ins Auslandgehen. Gerade Hochschulen, die ihrenForschern im internationalen Wettbe-werb sehr gute Bedingungen anbieten,sind offen für die hellsten Köpfe – imeigenen Interesse.

    Doch viele Schweizer wollen nicht.Zugegeben, das Leben eines Nach-

    wuchsforschers «gleicht der Reise /Eines Wandrers in der Nacht». Voreiner mühsamen Bewerbung um einenAufenthalt in der Fremde (statt einesbequemen Nationalfonds-Stipen-diums) schrecken viele zurück. Vorallem für Frauen ist es schwierig, denAuslandaufenthalt mit einer Familiezu verbinden. Paradoxerweise: Seitdas Problem thematisiert wird, wollenauch viele Männer aus familiärenGründen nicht mehr weg.

    Akademische Karrieren gleicheneiner Startup-Firma: Sie sind riskant,bedingen einen hohen Einsatz, grosseMobilität und ein Quentchen Glück.So wenig wie eine Firma mit einemidealen Businessplan sicher reüssiert,so wenig lässt sich für eine akademi-sche Karriere eine Punkteliste ab-fahren. Das Risiko schreckt ab, auchwenn eine interessante Stelle mit vielGestaltungsfreiheit lockt.

    Dabei müsste dieses Risiko geradefür Schweizer tragbar sein: In kaumeinem anderen Land haben Forschernach abgebrochener Universitätskar-riere so grosse Chancen, im normalenArbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auchhier gilt der Schluss des Beresina-Lieds: «Hinter jenen fernen Höhen /Wartet unser noch ein Glück.»

    Verlockend wäre es, der Wande-rung durch die Nacht ihren Schreckenzu nehmen: Mehr Planbarkeit undinsbesondere Positionen mit der Aus-sicht auf eine permanente Professurkönnten die akademische Karriere fürSchweizer wieder attraktiver machen.Aber Vorsicht: Dies funktioniert nur,wenn solche Stellen ergebnisoffenausgeschrieben und nur die Bestenvon der provisorischen auf eine festeStelle befördert werden. Sonst landenwir wieder im alten System, bei demdie Professoren ihre treu ergebenenOberassistenten auf die planbarenJobs setzten und sich die Uni späternicht getraute, jemanden zu entlassen.Diese selektive Planbarkeit hat in derVergangenheit bestimmt nicht zu Spit-zenleistungen geführt.

    Geht es in der Debatte um denSchweizer-Malus am Ende vielleicht

    gar nicht um Fairness in der Nach-wuchsförderung? Schlagzeilen machteine Berufung vor allem dann, wennein Deutscher einem Schweizer vor-gezogen wird. Ich kann mich jedochnicht erinnern, dass jemals die Nicht-berücksichtigung von Frauen einenAufschrei ausgelöst hätte. Werdenkeine Frauen eingeladen, ist dies ebenetwas ganz anderes. Schliesslich gibtes gar nicht genügend qualifizierteBewerberinnen. Und viele der geeig-neten Frauen entscheiden sich freiwil-lig gegen die akademische Karriere.Genau! Genau?.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

    Monika Bütler ist Professorin für Volks-wirtschaftslehre an der Universität St. Gal-len und führt das Schweizerische Institutfür Empirische Wirtschaftsforschung.