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    Andr Kostolany

    Die Kunst ber

    Geld

    nachzudenken

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    Tips vom Meister der Brsenspekulation: Was bedeutet Geld fr mich? Wiewird mein Geld aktiv? Und wie lasse ich das Geld anderer Leute fr micharbeiten? Zu diesen und hnlichen Fragen nimmt der groe Brsenguru AndrKostolany in seinem Buch Stellung. Es bietet einen Ausblick auf dieVernderungen und Fehlentwicklungen, die Chancen und Risiken der Brseim 21. Jahrhundert. Der nicht zuletzt wegen seines geistreichen Witzes

    berhmte Brsenguru starb 1999 93-jhrig in Paris.

    ISBN: 3548700462Econ Tb Vlg., Mnchen

    Erscheinungsdatum: 2001

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    Inhalt

    Inhalt....................................................................................................2

    Vorwort ...............................................................................................5

    Die Faszination des Geldes ..............................................................11

    Geld und Moral...............................................................................11

    Geld der Wertmastab der freien Welt........................................13Wie viel Geld braucht man, um Millionr zu sein?........................17Das richtige Verhltnis zum Geld ..................................................19Millionr in kurzer Zeit ..................................................................22Eine Kunst, und keine Wissenschaft ..............................................23Spekulant, das bin und bleibe ich ...................................................24

    Mein Brsenzoo ................................................................................27

    Spekulation so alt wie die Menschheit!.......................................27Spekulieren oder nicht spekulieren?...............................................31Makler: Nur der Umsatz zhlt ........................................................34Money-Manager: Herrscher ber Milliarden .................................35Finanziers: Die groen Macher ......................................................36Arbitrageure: Eine aussterbende Spezies .......................................37Brsenspieler: Die Hasardeure der Brse.......................................40Anleger: Die Marathonlufer der Brse ......................................... 44Spekulanten: Strategen auf lange Sicht .......................................... 46

    Spekulieren! aber womit?................................................................51

    Eine Frage von Chance und Risiko ................................................51Anleihen: Ein bedeutenderes Spekulationsobjekt als man denkt ...52Devisen: Frher interessanter als heute..........................................57Rohstoffe: Spekulant gegen Spekulant...........................................65Sachwerte: Sammler oder Spekulant? ............................................ 69Immobilien: Nur was fr groe Spekulanten .................................71

    Aktien: Das Spekulationsobjekt an sich ......................................... 74

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    Die Brsen Nervensystem der Marktwirtschaft? .......................76

    Die Geburtsstunde ..........................................................................76Nervensystem des Kapitalismus.....................................................83

    Treffpunkt der Brsenteilnehmer ...................................................86Spiegel der Weltgeschichte ............................................................ 88Thermometer der Wirtschaft?.........................................................89

    Was die Kurse bewegt......................................................................91

    Die Logik der Brse .......................................................................91Das Postulat von Angebot und Nachfrage......................................93

    Die langfristigen Einflussfaktoren ..................................................95

    Moll oder Dur? ...............................................................................95Der Friede ist das Wichtigste..........................................................96Die wirtschaftliche Entwicklung auf lange Sicht ...........................98

    Die mittelfristigen Einflussfaktoren..............................................108

    Geld plus Psychologie gleich Tendenz.........................................108Die Konjunktur: Unwichtig fr die mittelfristige Brsentendenz 111Inflation: Nur der Kampf gegen sie ist schdlich .........................114

    Deflation: Die grte Katastrophe fr die Brse..........................117Notenbanken: Die Diktatoren der Zinsen.....................................118Anleihen: Die Konkurrenten der Aktie ........................................ 124Devisen: Und was macht der Dollar?...........................................127Die Psychologie der Massen ........................................................130

    Die Brsenpsychologie....................................................................132

    Zittrig oder Hartgesotten? das ist hier die Frage ....................... 132

    Geld ..............................................................................................133Gedanken......................................................................................136 Geduld ..........................................................................................140Glck ............................................................................................142Das Ei des Kostolany....................................................................144Boom und Krach: Ein unzertrennliches Gespann.........................161Die Tulpenkatastrophe im 17. Jahrhundert...................................162Mathematik brach Frankreich das Genick....................................1661929: Der Inbegriff des Brsenkrachs..........................................170

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    Antizyklisch lautet das Erfolgsrezept.......................................179Eine Frage der Charakterstrke ....................................................183Haussier oder Baissier? Keine Prinzipienfrage .........................186

    Im Informationsdschungel.............................................................201Informationen: Das Handwerkszeug des Spekulanten ................. 201Das Phnomen desFait accompli ................................................203 Die Informationsgesellschaft........................................................211Tipps, Empfehlungen und Gerchte.............................................213Brsengurus: Vom Wunderrabbiner bis zum Mathematiker........216Insider-Informationen...................................................................223

    Stockpicking....................................................................................226 Von der Aktienbrse zur Brse von Aktien .................................226Wachstumsbranchen: Die Chance, reich zu werden.....................228Der faire Preis einer Aktie............................................................230Turnaround-Werte: Der Phnix aus der Asche ............................232Das unsinnige Vokabular der Analysten ...................................... 234Charts: Gewinnen kann man, verlieren mu man ........................236

    Die Geldverwalter...........................................................................241

    Spekulanten auf fremde Rechnung...............................................241Investmentfonds: Der Autobus fr viele Anleger.........................243Hedge-Fonds: Bereits der Name ist Betrug..................................245Anlageberater: Ihre Freud ist des Kunden Leid............................248Vermgensverwalter: Die Maschneider unter den Geldverwaltern......................................................................................................250

    An den, der es wagen will...............................................................251

    Verlieren gehrt dazu ...................................................................251Keine Frage der Zeit.....................................................................254Der Nimbus hat Folgen ................................................................255Brse und Liebe und die Liebe zur Brse ....................................257ZEHN GEBOTE...........................................................................265ZEHN VERBOTE........................................................................266

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    Vorwort

    Als Andr Kostolany und ich im Februar diesen Jahres andem vorliegenden Buch zu arbeiten begannen, wussten wir

    beide, da es sein letztes Buch sein wrde. Dass mein Vorwortaber zugleich ein Nachruf sein wrde, ahnte ich nicht.

    Am 14. September starb Andr Kostolany im Alter von 94Jahren in Paris. Die Folgekrankheiten eines Beinbruchs hattesein geschwchter Krper nicht mehr verkraftet.

    Doch in seinen Werken lebt er weiter. Dreizehn Bcher,einschlielich des vor Ihnen liegenden, hat er geschrieben. Siewurden weltweit rund drei Millionen Mal verkauft. 44 Malerschien seine Kolumne in Capital die erste in der Mrz-Ausgabe 1962 unter dem Titel Bekenntnisse eines Spekulantenund die letzte in der Oktober-Ausgabe diesen Jahres. Seingrter Wunsch war es, die Kolumne fr die Januar-Ausgabe2000 noch zu schreiben. Capitalhat es mir garantiert, aber wer

    garantiert fr Capital, hatte er in seiner gewohnt humorvollenArt gesagt.

    Unzhlige Vortrge und Fernsehauftritte absolvierte er in denvergangenen 35 Jahren. Doch egal wo Kostolany auftrat, ob aufdem Wirtschaftsforum in Davos oder bei der Volksbank Jever,ob in der Telebrse oder in der Harald Schmidt Show, er warimmer der gewohnt humorvolle, geistreiche und streitbare

    Kmpfer fr einen sauberen Kapitalismus.Er wurde zum Altmeister der Brse. Wer auf heie Tipps vom

    Brsenguru Kostolany wartete, wurde jedoch enttuscht.Erwarten Sie keine Tipps, begann er jeden seiner Vortrge.Tipps gebe es nicht, sie seien stets der Versuch einer Bank odereiner anderen Interessengruppe, irgendeine Aktie beimPublikum abzuladen. Ratschlge gab er in den Jahren seines

    journalistischen Wirkens hingegen viele.

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    Der berhmteste war wohl, in die Apotheke zu gehen,Schlafmittel zu kaufen, einzunehmen, dann eine Paletteinternationaler Standardwerte zu kaufen und ein paar Jahre zu

    schlafen. Wer diesen Rat beherzigte, erlebte die von ihm zuvorprophezeite angenehme berraschung.

    Den weisesten seiner Ratschlge gab er jungen Eltern:Investieren Sie in die Ausbildung ihrer Kinder! Was aus demMunde eines anderen wie ein pathetischer Allgemeinplatzgeklungen htte, erhielt durch Kostolanys eigene ErfahrungGewicht. Seine Eltern hatten ihn im Alter von achtzehn Jahrenzu einem befreundeten Brsenmakler nach Paris in die Lehregeschickt. Dank dieser Ausbildung konnte ihr jngster SohnAndr ihnen spter, nachdem sie durch den Krieg und denKommunismus alles verloren hatten, einen angenehmenRuhestand in der Schweiz finanzieren.

    Genieen Sie das Leben, lautete der Rat, den er seinemPublikum aus dem durch Budapest fahrenden Audi A8 gab. EinGrundsatz, den er beherzigt und (fast) bis zum Schluss gelebt

    hat. Andr Kostolany genoss das Leben in vollen Zgen. Erliebte die klassische Musik. ber 100 Mal sah er Wagners

    Meistersinger von Nrnbergund denRosenkavaliervon RichardStrauss, den er zu seiner groen Freude noch persnlich kennenlernen durfte. Klassische Musik zu hren, eine gute Zigarre zurauchen und ber die Brse nachzudenken, bereitete ihm grtesVergngen. Nur die Zigarre lie er aus gesundheitlichenGrnden spter weg.

    Kosto, wie wir Freunde ihn nennen, genoss aber nicht nur dasangenehme Leben, sondern auch seine Arbeit. So wie seinPublikum ihn brauchte, so brauchte er sein Publikum. Es gabihm die Besttigung und hielt ihn jung. Geistige Gymnastikwar seine Antwort auf die immer wieder in Interviews undDiskussionen gestellte Frage nach seiner Vitalitt. Doch erwusste, da mit zunehmendem Alter Musik hren und

    nachdenken im Kampf gegen die Senilitt nicht mehr-6 -

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    ausreichten. Er forderte sich, hielt 1998 noch ber dreiigVortrge, trat in verschiedenen Fernsehsendungen auf und gabdiverse Interviews. Zwar wurde die Anreise per Flugzeug, Bahn

    oder Auto, einschlielich des letzen Fuweges auf die Bhne,immer beschwerlicher, doch die bequemen Sessel, die ihm dieVortragsveranstalter stets zur Verfgung stellten, nahm derHerr Kostolany bis zuletzt nicht in Anspruch. Hatte er mit

    beiden Hnden das Rednerpult fest im Griff, blhte er auf, undes folgten 60 bis 90 mitreiende, spannende und witzigeMinuten. Immer hufiger gab es anschlieend StandingOvations.

    Andr Kostolany ist zur Kultfigur zweier Brsianer-Generationen in Deutschland geworden. Star-Allren bliebenihm trotzdem fremd. Auf die Autogrammwnsche junger Leuteentgegnete er unglubig: Ich bin doch kein Rockstar, bevor erdem Wunsch nachkam und auf Eintrittskarte, Geldschein oderT-Shirt unterschrieb.

    War er nicht als Wanderprediger der Brse, wie er sich selbst

    nannte, unterwegs, lebte er in Paris bei seiner Frau oder in seinerzweiten Heimat Mnchen. Dort angekommen fhrte ihn seinWeg mittags ins Caf in der Hypo-Passage. Abends ging es zuseinem StammitalienerROMAauf der Maximilianstrae oder inden Austernkeller. Die seiner Ansicht nach beste Kche aberfand er wie soll es anders sein in Paris. Mittags bei Chez

    Andrauf der Rue Marbuf. In diesem Bistro gebe es die bestenAustern der Stadt, sagte er. Als Dessert die Tarte Chocoladeoder Millefeulle. Anschlieend fhrte ihn sein Weg in das

    berhmte Caf Fouquets auf den Champs-lyses, wo erabgesehen von den Kriegsjahren seit 1924 Stammgast war.

    Nachmittags hielt er regelmig Siesta, bevor es am Abend ineine der berhmten Brasserien der Stadt ging. Besonders liebteer das La Coupoleim Stadtteil Montparnasse, dessen berhmteheie Tage er in den Dreiigerjahren noch miterlebt hatte.

    Andr Kostolany hat sich seit 1917 ununterbrochen mit Geld-7 -

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    und Brse beschftigt und war dennoch kein Materialist. Nichtdas Geld, das er bei Spekulationen einstrich, sondern mit seinerberlegung Recht bekommen zu haben, bereitete ihm das

    Vergngen. Er bezeichnete sich selbstbewusst als Spekulant. Frihn war Spekulation eine intellektuelle Herausforderung. Erhatte zu Geld einen gesunden Abstand, seiner Ansicht nach dieGrundvoraussetzung fr einen erfolgreichen Spekulanten. Kostowar weder geizig noch schmiss oder protzte er mit dem Geldherum. Geld war fr ihn Mittel zum Zweck. Es bot ihm Hilfe in

    jener Notsituation, als er vor den Nazis aus Paris flchtenmute, die beste medizinische Versorgung, was er besonders in

    seinen letzten Monaten zu schtzten wusste, und dieMglichkeit, ein angenehmes Leben zu fhren. Reizte denMusiknarren Kostolany eine Oper oder ein Konzert besonders,flog er auch fr nur einen Abend nach Mailand in die Scala.Konnte man ohne groe Mhe etwas sparen, war er auch dabei.So tauschte er regelmig die First-Class-Tickets, die ihmmanche Vortragsveranstalter schickten (als es die First-Class

    noch auf allen Flgen gab), in zwei Economy-Tickets um undzweigte so einen Privatflug ab. Er sei so schlank, da er diebreiten Sitze ohnehin nicht ausfllen knne, pflegte er dann zusagen.

    Vor allem aber genoss der Weltbrger Kostolany diefinanzielle Unabhngigkeit, die ihm das Geld gab. Sie war frihn nach der Gesundheit das wichtigste Gut und der grteLuxus: die Unabhngigkeit, (fast) alles tun und alles sagen zu

    knnen, was man will, und nichts tun und sagen zu mssen, wasman nicht will. Vor allem der Kolumnist Kostolany liebte seineUnabhngigkeit im Kampf gegen die Schwindelfonds der IOSin den 70er-Jahren, gegen die Goldlobby in den 80er-Jahren unddie Bundesbank und den Neuen Markt in den 90er-Jahren.Welchen Kampf er auch immer fhrte, er war stetsberzeugungstter. Die von manchen seiner Kritikergeuerte Vermutung, er baue sich Feindbilder auf, um seine

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    Popularitt zu erhhen, war abwegig. Wer ihn wie ichpersnlich gut kannte, wei, da er auch im Dialog mit gleicherVehemenz fr seine berzeugung stritt wie in seinen Kolumnen

    und Vortrgen. Auf die Frage einer Journalistin, ob er nocheinmal zwanzig Jahre alt sein wolle, entgegnete er: Zwanzig?Machen sie Witze? Achtzig Jahre mchte ich sein, dann htteich noch zehn Jahre, um gegen die Bundesbank zu kmpfen.

    Lange vor Oskar Lafontaine bekannte Kostolany: Mein Herzschlgt links, doch der Satz ging bei ihm weiter: Doch meinKopf ist rechts und meine Brieftasche schon lngst in Amerika.Seine jahrzehntelange Brsenerfahrung hatte ihn gelehrt, da inder Wirtschaft Praxis und Theorie weit auseinander liegen.

    Die Kunst ber Geld nachzudenken ist das letztesVermchtnis Andr Kostolanys. Vom Beginn des Jahres 1999

    bis zu seinem Tod bildete die Arbeit an diesem Buch dasZentrum seines Schaffens. An seine Pariser Wohnung gefesselt,konzentrierte er alle Krfte auf dieses Projekt. Nur das Vorwort,

    das jeder Autor kurioserweise zum Schluss schreibt, blieb erdem Leser schuldig.

    Besonders die neue, durch den Brsengang der DeutschenTelekom geschaffene Brsianer-Generation lag ihm am Herzen.Ausdrcklich begrte er die zunehmende Akzeptanz derAktienanlage in Deutschland, doch besorgte ihn zugleich diesich ausbreitende Spielwut. Mit dem vorliegenden Buch wollte

    Kostolany fr sein Verstndnis von Anlage und Spekulationwerben, das sich fr ihn nicht in Daytrading, Echtzeit, Realtimeoder Stop-loss erschpfte.

    In der Einfhrung seines Buches Bilanz der Zukunft gestander, da er seit einigen Jahren nicht mehr zur Brse gehe, weil erAngst habe, der Allmchtige knne ihn dort entdecken unddenken: Was, der alte Kosto ist immer noch da? Er sollheraufkommen, ich kann ihn hier auch gut brauchen. Seine alten

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    Kollegen warten schon auf ihn, und sein Platz am Stammtischist noch frei. Wenn ihn der Herr aber irgendwann zu sich hole,dann wrde es ihn mit Glck erfllen, wenn er seine Freunde,

    Schler und Leser sagen hre: Der Kosto hat doch Rechtgehabt!

    Lieber Andr, ich hoffe, du hast bereits Platz genommen undwirfst dieser Tage einen Blick auf die Brsen. Dann wirst dusehen, da sie deinem Optimismus, den Schwarzsehern zumTrotz, weiter Recht geben.

    Bremen, im Dezember 1999

    Stefan Rie*

    *Stefan Rie war enger Freund und hufiger Begleiter Andr Kostolanys. Erist freier Finanzjournalist und schreibt eine Kolumne fr das Printmagazin

    Die Telebrse.

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    Die Faszination des Geldes

    Geld und Moral

    Von Aristoteles ber Franz von Assisi (dem Apostel derArmut) und Marx bis Johannes Paul II. haben die Denker eineFrage immer wieder leidenschaftlich errtert: Ist der Drang nach

    Geld moralisch vertretbar und gerechtfertigt? Einig wurden siesich freilich nie, doch waren alle gleichermaen vom Geld undseiner Wirkung fasziniert. Die einen fhlten sich abgestoen, dieanderen angezogen. Sophokles sieht im Geld die Verkrperungdes Bsen, whrend Emile Zola in seinem von mir so geliebtenRoman Das Geld die Frage stellt: Warum sollte das Geld anallen Unsauberkeiten, die es verursacht, schuld sein? Einobjektives Urteil ist und bleibt unmglich. Es hngt von der

    philosophischen Einstellung und auch der materiellen Situationjedes Einzelnen ab. Denn die Motivation, den Drang nach Geldfr unmoralisch zu erklren, erwchst bei vielen aus Neid undnicht aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit.

    Doch unabhngig von der Beantwortung der Frage ist eineswohl unbestritten: Der Drang nach Geld ist die Triebfeder deswirtschaftlichen Fortschritts. Die Chance, Geld zu verdienen,setzt die Kreativitt, den Flei und die Risikobereitschaft jedesEinzelnen frei. Der Philosoph mag fragen, ob uns das Geld oderdas, was wir damit erwerben knnen, denn wirklich glcklichermacht. Sind wir aufgrund von Computern, Fernsehern, Autosetc. glcklicher als die Menschen vor 500 Jahren, die all diesnicht hatten? Vielleicht nicht, weil man nicht vermissen kann,was man nicht kennt. Eines aber ist sicher: Ohne denwirtschaftlichen Fortschritt, der auch verantwortlich fr den

    Fortschritt in der Medizin ist, se ich heute nicht hier und-11-

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    wrde mit 93 Jahren an meinem dreizehnten Buch schreiben, einUmstand der mich auerordentlich glcklich macht.

    Ich will nicht behaupten, das kapitalistische

    Wirtschaftssystem, das auf dem Drang nach Geld aufgebaut ist,sei gerecht. Nein, es ist ein Betrug, aber geben wir zu einverdammt guter Betrug. Der Unterschied zwischen Kapitalismusund Sozialismus ist einfach erklrt: ein groer Kuchen, derungerecht, oder ein kleiner Kuchen, der gerecht geteilt wird; mitdem Ergebnis, da die gerechten Stcke des kleinen Kuchensviel winziger sind als die kleinsten Stcke des groen Kuchens.Jeder kann fr sich entscheiden, welches System besser ist. DieWelt hat sich bis auf weiteres fr den groen Kuchenentschieden. Wahrscheinlich, weil das kapitalistischeWirtschaftssystem dem menschlichen Naturell viel nher ist.Denn auch der Sozialismus hat den Drang nach Geld nicht

    beseitigen knnen. Ich erinnere mich noch, als ich 1946 nachdem Krieg nach Budapest fuhr. In Amerika herrschte einaufgeheizter bersteigerter Kapitalismus. Auf Partys ging es nur

    um ein Thema: Geld. Nicht was jemand war, sondern nur wasman verdiente und besa war von Bedeutung. Und dann erlebteich den krassen Gegensatz in Budapest. Dort sprach man nurber das, was die Leute machten und mit welchem Erfolg sie estaten. Der eine komponierte erfolgreich, der andere hatte einenBestseller geschrieben. Der Nchste war anerkannterWissenschaftler etc. Dieses Klima gefiel mir deutlich besser,doch ein Freund klrte mich auf: Niemand spricht ber Geld,

    doch alle denken daran. Da aber wenig Hoffnung bestand, inden begehrten Besitz zu kommen, sprach man lieber nichtdarber.

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    Geld der Wertmastab der freien Welt

    Es besteht natrlich ein Unterschied zwischen dem Drang,Geld zu besitzen, und dem, Geld zu verdienen. Der Besitz vonGeld bereitet die verschiedensten Freuden. Es gibt die, die

    bereits das Geld an sich glcklich macht. Ich kannte einenMann, dessen Lieblingszeitvertreib es war, auf seinenBankauszgen die Zahlen zu addieren. Dann gibt es auchdiejenigen, die zwar vieles Schnes und Teures erwerbenknnten, es aber nicht tun, weil ihnen der Gedanke gengt, es

    tun zu knnen. Sie spren die Radioaktivitt des Geldes unddas macht sie schon glcklich. Ich hatte einen Freund, der, wenner das Wort Geld aussprach, seine Brieftasche durch den Stoffdes Jacketts streichelte, mit dem Gefhl, da alle Gensse desLebens im Scheckbuch kondensiert seien. Ein anderer erzhltemir, da er jedesmal, wenn er Kasse machte und sie sehr positivwar, seine Libido sprte.

    Glcklicherweise gibt es aber auch Leute, die nicht nurschtzen, da sie mit ihrem Geld etwas kaufen knnen, sondernes auch tun. Sie wollen das Leben genieen. Sie begngen sichnicht mit dem Studium einer Speisekarte, sondern wollen essen.Gbe es diese Spezies nicht, msste man sie erfinden, dennsonst wrden wir in einer permanenten Deflation leben. Einerihrer Vertreter war der Poet Josef Kiss, ein wahrerIntellektueller und fr mich der ungarische Heinrich Heine.

    Folgende Anekdote wurde ber ihn erzhlt:Auf dem Weg in die Bank, wo Kiss blicherweise seine

    Untersttzung erhielt, sah er im Schaufenster eines luxurisenLebensmittelgeschfts eine wunderbare Ananas.

    Was kostet sie, fragte er zgernd.

    Hundert Forint, Herr Poet.

    Das kann ich mir nicht leisten, denkt Kiss und geht in die

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    Bank.

    Auf dem Rckweg kommt er wieder an dem Geschft vorbeiund dieses Mal erliegt er der Verlockung und kauft die Ananas.

    Auch der Geheimrat Leo Lanczy, Generaldirektor desBankhauses, hatte am Vormittag die Ananas im Schaufenstergesehen. Nachmittags geht er hin und mchte sie kaufen.

    Wir haben sie nicht mehr, der Herr Kiss war da und hat siegekauft.

    Ach so, meint der Generaldirektor und geht davon.

    Bei der nchsten Gelegenheit, als Kiss wieder einmal in der

    Bank seine Untersttzung abholt, kommt der Geheimrat undmosert ihn an: Sagen Sie, Herr Poet, Sie schnorren bei unshundert Forint und dann gehen Sie hin und kaufen sich gleicheine Ananas dafr?

    Aber Herr Generaldirektor, antwortete Kiss, habe ichkeine hundert Forint, kann ich keine Ananas kaufen. Habe ichhundert Forint, darf ich keine Ananas kaufen. Wann soll ich mir

    denn dann eine Ananas kaufen?Diese Frage stelle ich auch den deutschen Politikern, die denAmerikaner vorwerfen, Champagner statt Coca-Cola zu trinken.

    Fr viele bedeutet Geld auch Macht und Statussymbol: Esbringt ihnen Freunde, Heuchler, Neider, Komplimente und ziehtSchmarotzer an. Sie sind vom Geld fasziniert, weil sie wissen,da es viele andere fasziniert. Geld kann aber auch eineEntschdigung fr Miseren sein, zum Beispiel physischeBehinderung, Hsslichkeit und so weiter. Oder es trstet einen,der gesellschaftliche Ambitionen hat, seiner bescheidenenHerkunft wegen aber daran gehindert ist. Geld kann ihm dieAhnen ersetzen. Elsa Maxwell machte in den heroischen Jahrendes amerikanischen Aufschwungs dadurch eine glnzendeKarriere, da sie die neuen amerikanischen Millionre irischerAbstammung, die von den superfeinen Mayflower-

    Amerikanern nicht akzeptiert wurden, mit verarmten englischen-14-

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    Aristokraten zusammenbrachte. Diese neuen Millionre fhltensich pltzlich durch ihren Umgang mit den Earls und Dukesdem steifen amerikanischen Geldadel ebenbrtig, und die

    Millionen der Neureichen faszinierten gleichzeitig den Adel, derkein Geld mehr hatte.

    Fr andere bedeutet Geld medizinische Versorgung,Gesundheit und ein lngeres Leben. Mit fortschreitendem Alterwei ich diesen Vorteil des Geldes zunehmend mehr zuschtzen. Vor allem aber verschafft Geld Unabhngigkeit, frmich neben der Gesundheit das grte Privileg.

    Wer kein Geld besitzt, mu welches verdienen. Die meistenMenschen tun es, um ihr tgliches Auskommen zu haben,andere, um in den Besitz von Geld zu kommen oder diesen zuvergrern. Schopenhauer sagte: Geld ist wie Meerwasser, jemehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.

    Fr viele aber macht nicht der Besitz, sondern das Verdienendes Geldes den eigentlichen Reiz aus. Wenn mir eineSpekulation glckt, dann freue ich mich in erster Linie nichtber das Geld, das ich dabei einstreiche, sondern ber dieTatsache, mit meiner Idee gegen die Meinung der anderen Recht

    bekommen zu haben. Auch der Roulettespieler geniet dasGewinnen. Aber schon sein zweitgrter Genuss ist dasVerlieren, denn sein Vergngen ist der Nervenkitzel, nicht dasGeld.

    Fr Intellektuelle und Knstler bedeutet Geld verdienen nebenden praktischen Vorteilen die Anerkennung ihrer Leistung. Esgibt Maler, Schriftsteller und Musiker, die reich zur Weltkamen. Dennoch werden sie versuchen, fr ihre Bilder, Bcheroder Kompositionen den maximalen Betrag zu erzielen. Auchich habe diese Erfahrung gemacht. Wenn meine Bcher sich gutverkaufen, freue ich mich weniger ber das zehnprozentigeAutorenhonorar sondern ber den zehnfachen Preis, den die

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    Leser dafr zu opfern bereit waren.

    Einer meiner alten Freunde kaufte ber Strohmnner Bilderseiner Frau, damit sie als Malerin die offizielle Anerkennung

    bekam, die ihr seiner Meinung nach zustand. Und selbst diereichste schne Frau wird fr Modellfotos die hchstmglichenHonorare fordern, zeigt es doch, wie begehrenswert sietatschlich ist. Ich werde nie vergessen, wie die groe Max-Reinhardt-Schauspielerin Lili Darvas, ich habe sie persnlichgut gekannt, zu mir sagte: So, mein lieber Andr, jetzt werdeich mich aufreizend anziehen und auf dem Boulevard spazierengehen, um zu sehen, wie viel man mir bietet. Denn umsonst ist

    jede Frau schn!

    Ich halte es im Gegensatz zu den meisten auch nicht frverwerflich, wenn sich eine Frau in einen Mann wegen seinesGeldes verliebt. Das Geld ist Ausdruck seines Erfolges und vondiesem ist sie fasziniert.

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    Wie viel Geld braucht man, um Millionr zusein?

    Eine paradoxe Frage, werden viele meinen. Es hngt davonab, wie man Millionr definiert. Er ist ein schwererMillionr sagten einst die Wiener, wenn jemandhunderttausend Gulden besa. Fr sie war der Millionr nichtder, der mindestens eine Million besitzt, sondern der reicheMann, dem Respekt gebhrt.

    Auch heute bedeutet, in nackten Zahlen gerechnet, einMillionr in Deutschland etwas vollkommen anderes als einMillionr in Italien. Whrend in Italien der einfache Millionrein armer Mann ist, gilt er in Deutschland als reich. Deramerikanische Millionr ist nochmals fast doppelt so reich wiesein deutscher Kollege, und nach der kompletten Umstellung aufden Euro werden in Europa die meisten Millionre wiederverschwunden sein. Trotzdem wird man sie auch weiterhin so

    bezeichnen, weil der Begriff heute genau wie im Wien vondamals fr den Krsus steht, der sich so ziemlich alles leistenkann.

    Nach meiner Definition ist der Millionr derjenige, der dankseines Kapitals von niemandem abhngig ist, um seineAnsprche zu befriedigen. Er braucht nicht zu arbeiten und sichweder vor dem Chef noch dem Kunden zu beugen. Er genietden Luxus, gegenber jedem, der ihm nicht passt, Goethes Gtzzitieren zu knnen. Der Mensch, der so lebt ist der wahrhaftigeMillionr. Der eine braucht dazu 500 000, ein anderer fnfMillionen Dollar. Es hngt von den persnlichen Ansprchenund Verpflichtungen ab. Derjenige, der die Musik zu seinerLeidenschaft gemacht hat, wird weniger Geld bentigen als derSammler wertvoller Oldtimer. Ist man allein stehend oder hatman eine groe Familie zu versorgen? Wie anspruchsvoll ist die

    Ehefrau? Liebt sie schlichte Kleider oder Pelze und Juwelen?-17-

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    Oder hat sie sich vielleicht in ihr Bankkonto verliebt, dann wirdihr Mann nach meiner Definition nie Millionr sein. Pelze,Autos und Schmuck haben ihre Grenzen und irgendwann tritt

    eine Sttigung ein. Nicht aber beim Konto, es ist eine Art Fassder Danaiden.

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    Das richtige Verhltnis zum Geld

    Geld geht zu dem, der es leidenschaftlich begehrt. Er muvom Geld hypnotisiert sein wie die Schlange von ihremBeschwrer. Doch er mu auch einen gewissen Abstand haben.In einem Satz: Man mu das Geld hei lieben und kalt

    behandeln. Und man darf dem Geld nicht nachlaufen, sondernmu ihm entgegengehen, wie Onassis es sagte. Das gilt

    besonders an der Brse, wo man den steigenden Kursen nichthinterherlaufen darf, sondern den fallenden Kursen

    entgegengehen mu.Die Leidenschaft zum Geld kann aber auch zu krankhaftem

    Geiz oder zu krankhafter Verschwendungssucht fhren. Dereine ist schtig, immer mehr Geld auszugeben, und der andereist schtig, immer mehr zu besitzen. Besonders der Geiz treibtmanchmal verrckte Blten. Der mehrfache Milliardr PaulGetty, damals der reichste Mann Amerikas, war dafr bekannt,

    seine Gste zum Telefonieren in die Telefonzelle zu schicken.An meinem Cafhaustisch ging einmal die Debatte, wer wohlder geizigste Mann in ganz Budapest sei. Baron Herzog, derKnig der Tabakhndler auf dem Balkan, oder Ludwig Ernst,Kunstsammler und Museumsbesitzer, beide natrlichsteinreiche, mehrfache Millionre. Es wurden sogar Wettenabgeschlossen und irgendwie warteten wir alle auf eine gnstigeGelegenheit, um diese Frage ein fr alle Mal endgltig zu

    klren. Dann kam die Gelegenheit: die Sammlung fr das RoteKreuz. Einer der Sammler begegnete zufllig beiden zusammen.Er reichte zuerst Baron Herzog die Bchse, der umstndlich ausseiner Geldbrse die kleinste existierende Mnze hervorkramteund sie mit lssiger Bewegung in den Behlter warf. Dann kamder groe Augenblick der Entscheidung: Wie viel mehr oderweniger wrde Ludwig Ernst geben? Er berlegte nur eine halbeSekunde und sagte dann wie selbstverstndlich: Wir sind

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    zusammen. Es war fr uns beide!

    Noch zynischer war ein reicher Brsenmakler namens MarcelFischer, der Vater eines meiner Schulkollegen. Eines Tages hrt

    er in seinem kleinen Bro, wie sein Prokurist aufgeregtherumschreit:

    Nein, nein, wir haben kein Geld, wir haben kein Geld.Machen Sie, da sie fortkommen.

    Fischer strzt aus seinem Bro und fragt: Was schreien Siedenn so, Herr Prokurist?

    Der Schnorrer Grn war da und wollte uns um eine Spende

    angehen.Und was haben Sie mit ihm gemacht? Hinausgeworfen

    und gesagt, da wir kein Geld haben.

    Dann laufen Sie ihm schnell nach und bringen Sie ihnwieder her, sagte Millionr Fischer.

    Grn, der noch im Treppenhaus ist, als der Prokurist ihnzurckruft, ist sehr erfreut, da der Chef ihn sehen will.

    Vielleicht fllt ja doch noch etwas ab.Grn kommt ins Bro, Fischer ffnet den Geldschrank und

    sagt: Sehen Sie die vollgestopften Schubladen, Herr Grn?Was hat mein Prokurist gesagt? Wir htten kein Geld? Ganzfalsch. Wir haben Geld, sehr viel sogar, aber ich gebe Ihnennichts!

    Schn ist auch die Geschichte von Herrn Blau, der seinen

    Freunden im Kaffeehaus vorsthnt: Meine Frau will immerwieder Geld von mir.

    Um dem Gejammer ein Ende zu bereiten, fragt einer seinerKumpel: Was macht sie denn mit dem vielen Geld?

    Ich wei nicht, mein Blau, ich gebe ihr ja keins.

    Die Figuren in diesen Geschichten waren der Zahl nach zwaralle Millionre, doch bin ich der festen berzeugung, da man

    durch bersteigerten Geiz nicht zum Millionr werden kann,-20-

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    weder materiell noch intellektuell. Wer zu sehr an seinem Geldklebt, kann es nicht investieren, weil er jedes Risiko scheut, eszu verlieren. Das ist doch das Problem der Deutschen, die ihre

    heilige Mark anbeten und deshalb Milliarden auf dem Sparbuchliegen haben. Und die Bundesbank hat mit ihrer viel zu geizigenGeldpolitik ein zweites deutsches Wirtschaftswunder bisherverhindert.

    Millionr zu sein bedeutet unabhngig zu sein. Der totaleGeizhals wird jedoch nie unabhngig sein, weil er unter demDiktat seiner Sparsucht steht. Er kann sich das teure Auto wederkaufen noch sich daran erfreuen, es jederzeit kaufen zu knnen.Allein der Gedanke, Geld auszugeben, ist fr ihn bereitsverboten.

    Und der Verschwendungsschtige? Er lebt das Leben invollen Zgen, kauft und konsumiert alles, was er will, doch aucher ist nicht unabhngig. Weil er smtliches Geld ausgibt, ist erstndig gezwungen, neues zu beschaffen. So ist er abhngig vonseinem Chef oder den Kunden, die seine Geldquelle sind.

    Die richtige Einstellung zum Geld liegt irgendwo zwischenden beiden Extremen. Doch sie allein macht noch keinenMillionr.

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    Millionr in kurzer Zeit

    Nach meiner Erfahrung gibt es drei Mglichkeiten, schnellreich zu werden:

    1. durch eine reiche Heirat;

    2. durch eine glckliche Geschftsidee;

    3. durch Spekulation.

    Natrlich kann man auch durch eine Erbschaft oder einenLottogewinn schnell zum Millionr werden, doch lsst sich dies

    im Gegensatz zu den vorher genannten drei Methoden nichtsteuern.

    Unzhlige Frauen und auch unzhlige Mnner wurden durchihre Eheschlieung zu Millionren, ich knnte Hunderte vonBeispielen aufzhlen.

    Mit dem Reichtum durch eine glckliche Geschftsidee wirdgegenwrtig wohl kein Name mehr assoziiert als der von Bill

    Gates. Mit einer Idee und dem richtigen Gespr hat er esgeschafft, in drei Jahrzehnten zum reichsten Mann Amerikas zuwerden. Oder denken wir an Sam Walton von Wal Mart oderden Grnder von McDonalds. Mein Landsmann, der genialeIngenieur Ern Rubik, wurde mit der Erfindung desZauberwrfels vor rund zwanzig Jahren zum ersten Millionrdes Ostblocks. Die Idee allein reicht jedoch nicht aus, derErfindergeist mu auch mit dem ntigen Geschftssinn

    verquickt sein. Der Apotheker, der die Rezeptur fr Coca-Colaentwickelte, erlste beispielsweise nur ein paar Dollar fr dieGrundlage der heute weltweit bekanntesten Marke.

    Viel mehr kann ich ber den Reichtum durch eine klugeGeschftsidee aber kaum sagen, denn mein Feld war immer diedritte und letzte Mglichkeit, Millionr in kurzer Zeit zu werden

    die Spekulation.

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    Eine Kunst, und keine Wissenschaft

    Ich spekulierte schon in allen Werten, Whrungen undRohstoffen, Kassa und Termin, an der Wall Street, in Paris,Frankfurt, Zrich, Tokio, London, Buenos Aires, Johannesburgoder Schanghai. Ich spekulierte in Aktien, Staatsanleihen,inklusive denen der kommunistischen Lnder, inWandelanleihen, Whrungen egal ob sie stabil waren oderfloateten , in dem Leder meiner Schuhsohlen, in Sojabohnenund allen Getreidesorten, in Wolle und Baumwolle, in dem

    Gummi meiner Autoreifen, in Eiern und Frhstcksspeck, inKaffee und Kakao, den ich so sehr liebe, in Whisky, in der Seidemeiner Fliege, in allen Metallen, ob sie nun edel oder unedelwaren.

    Doch ich war kein Preistreiber, da ich nicht nur daraufspekuliert habe, da die Preise steigen, sondern ebenso darauf,da sie fallen. Kurz gesagt, ich spekulierte in allem, je nachdem,

    wie sich der Wind drehte oder die Wirtschaft und die politischeLage es verlangten, in Hochkonjunktur und Depression,Inflation und Deflation, Auf- und Abwertungen, und ich habesie alle berlebt. Seit 1924 gab es keine Nacht, in der ich nichtein Brsenengagement gehabt htte.

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    Spekulant, das bin und bleibe ich

    Viele Journalisten nennen mich einen Brsenguru, dochdieses Prdikat habe ich nie akzeptiert. Ein Guru ist unfehlbar,und das bin ich bestimmt nicht. Ich bin nur ein sehr alter,erfahrener Brsenprofi. Was morgen sein wird, wei auch ichnicht, doch ich wei, was gestern war und heute ist. Und das istschon eine ganze Menge, denn viele meiner Kollegen wissendoch nicht einmal das. Und meine achtzigjhrigeBrsenerfahrung hat mich vor allem eines gelehrt: Spekulation

    ist eine Kunst und keine Wissenschaft. Genau wie in der Malereimu man auch an der Brse fr Surrealismus Verstndnishaben. Manchmal stehen die Beine oben und der Kopf unten.Und wie bei den Impressionisten sind die Konturen nie ganzklar zu erkennen. Wie der berhmte amerikanische Finanzier,Staatsmann und persnliche Finanzberater von vieramerikanischen Prsidenten, Bernard Baruch, bezeichne ichmich selbstbewusst als Spekulant. Ich verstehe dieBezeichnung im noblen Sinne des Wortes. Fr mich ist derSpekulant der intellektuelle, mit berlegung handelndeBrsianer, der die Entwicklung der Wirtschaft, der Politik undder Gesellschaft richtig prognostiziert und davon zu profitierenversucht.

    Und wie wird man zum Spekulanten? Etwa so wie einMdchen zum ltesten Beruf der Welt kommt. Sie beginnt aus

    Neugier, dann macht sie es zum Spa und am Schluss nur nochfrs Geld. Spekulant zu sein ist ein herrlicher Beruf, vor allem,wenn man sich wie ich noch immer in der zweiten Phase

    befindet. Zugegeben, er gehrt ganz sicher nicht zu denbrgerlichen Berufen und schon gar nicht verspricht er sicherenErfolg, doch er bedeutet jeden Tag aufs Neue eine intellektuelleHerausforderung und stndige geistige Gymnastik, die ich inmeinem Alter umso mehr brauche.

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    Leider gibt es von dieser Spezies immer weniger Exemplare.Die meisten Brsenteilnehmer zocken wild und ohne jedeberlegung hin und her. Sie haben aus vielen Brsen lngst ein

    Spielkasino gemacht. In einem meiner vorherigen Bcherbekannte ich:

    Finanzminister sein: Kann ich nicht.

    Bankier sein: Will ich nicht.

    Spekulant und Brsianer, das bin ich!

    Am Posten des amerikanischen Finanzministers war ichjedoch nher dran, als ich damals dachte. Anfang der

    Vierzigerjahre lebte ich in New York. Ich war als wohlhabenderjunger Brsianer vor den deutschen Truppen aus Paris geflohen.Doch nachdem ich mir das Land angesehen hatte, langweilte ichmich. Immer nur lesen, Musik hren und ins Theater zu gehenfllte mich nicht aus. So beschloss ich, eine Arbeitsstelle zusuchen. Auch ohne Gehalt, da ich gut von den Zinsen meinesKapitals leben konnte.

    Ich hielt es fr die beste Idee, in die Firma Goldmann, Sachs& Co. hineinzukommen. Sie ist heute 130 Jahre alt und diereichste Firma an der Wall Street. Sehr freundlich empfing michdamals Walter Sachs, ein entzckender lterer Herr. Er machtemich gleich mit dem Personalchef bekannt. Ich trug beiden meinAnliegen vor. Ich sei aus Europa vor Hitler geflohen,ausgestattet mit relativ viel Kapital, besonders fr einen jungenMann. Ich brauchte keine materielle Hilfe, wollte aber gern bei

    einer so vornehmen Firma wie Goldmann, Sachs & Co. mit deminternationalen Finanzmarkt in Verbindung treten. Mit dieserBemerkung besiegelte ich mein Schicksal. Einige Tage sptertraf die Antwort ein: NEIN! Sie knnten mit jungen Leuten, dieselbst schon viel Geld besen, nichts anfangen. Nur solche

    jungen Menschen wrden eingestellt, die um jeden Preishochkommen wollten. Wre ich ein armer, hilfloser Flchtlinggewesen, htten sie mich wahrscheinlich genommen. So nahmen

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    sie einige Zeit spter einen anderen jungen Mann, der spter beiGoldmann, Sachs & Co. Partner wurde. Sein Name war RobertRubin, und heute ist er erfolgreicher Finanzminister der USA,

    der erste seit Jahrzehnten, der Budgetberschsse verteilen darf.Die Geschichte erinnert mich an den reichen Grn. Als armer

    Mann bewarb er sich auf eine Anzeige hin um eine Stellung alsTempeldiener in Wien. Doch mute auch ein Tempeldiener zu

    jener Zeit schreiben und lesen knnen. Da Grn jedochAnalphabet war, bekam er den Posten nicht. In seinem Kummer

    benutzte er das kleine Trostgeld, das er fr seine Reisebekommen hatte, um nach Amerika auszuwandern. In Chicagomachte er Geschfte. Mit den ersten kleinen Ersparnissen schufer dann ein Unternehmen, das mit der Zeit immer grer undgrer wurde. Ein Grokonzern kaufte ihm sein Unternehmenab, und bei der Vertragsunterschrift kam die groeberraschung: Grn konnte nicht unterschreiben. Mein Gott,sagte der Anwalt des Kufers, was wre aus Ihnen geworden,wenn Sie lesen und schreiben knnten?

    Sehr einfach, antwortete Grn, ein Tempeldiener!Ich konnte lesen und schreiben und blieb dennoch ein

    Spekulant. Doch bereut habe ich es nie.

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    Mein Brsenzoo

    Spekulation so alt wie die Menschheit!

    Spekulation gab es schon lange bevor es die Brse gab. Dievon manchen Sozialisten gehegte These, erst das kapitalistischeWirtschaftssystem habe den Menschen zum Spekulantengemacht, ist vollkommen falsch. Sie wird bereits in der Bibelwiderlegt.

    Die erste geschichtlich bermittelte Spekulation war die vonJoseph von gypten, der sich halsbrecherischen Spekulationenhingab.

    Der ebenso begabte wie einsichtige Finanzberater des Pharaozog aus dessen Traum von den sieben fetten und sieben magerenJahren die richtigen Konsequenzen. Whrend der fetten Jahrespeicherte er groe Getreidevorrte, um sie dann whrend der

    folgenden mageren Jahre zu hohen Preisen wieder auf denMarkt zu bringen. Allerdings wei man bis heute nicht, ob erschon vor viertausend Jahren der Vater der Planwirtschaftwurde, der berschsse einlagerte, um das sptere Erntedefizitzu decken, oder ob er nur schlicht und einfach honi soit quimal y pense der erste Spekulant der Geschichte war, der Wareaufkaufte, um sie spter teuer zu verkaufen.

    Im alten Athen spekulierte man mit Mnzen. Die Geldleutewurden Trapezoi genannt, das heit Trapezknstler, weil siehinter einem kleinen trapezfrmigen Tischchen saen unddarauf ihre Geldstcke zur Schau stellten. Genau wie heute.Man knnte in diesem Namen auch ein Symbol sehen. Sindnicht die Akrobaten des Geldwesens wahrhafte Trapezknstler?Die gewagten Geschfte eines dieser antiken Finanzakrobatenhatten eine Reihe von finanziellen Katastrophen und

    Preisstrzen ausgelst. Sein Name Phormion ist zwar nicht-27-

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    unsterblich geworden, aber er gab dem grten Redner desAltertums, dem Rechtsanwalt Demosthenes, Anlass zur erstenleidenschaftlichen Verteidigungsrede fr die Spekulation

    sicherlich ohne die berhmten Kieselsteine im Mund.Auch im alten Rom, dem Finanzzentrum des

    Mittelmeerraums, blhte die Spekulation. Man spekulierte groin Getreide und Waren. Die leidenschaftliche Politik Catos, derdie Zerstrung Karthagos betrieb, hat den Spekulanten seinerZeit viel Kummer bereitet. Karthago war die Kornkammer derdamaligen Welt, und als die Soldaten des Generals Scipio in diezerstrte Stadt einzogen, plnderten sie die Lagerhuser undSilos. Rom fielen Tausende von Tonnen Getreide in die Hnde,zustzlich zu seiner eigenen Ernte. Die Preise kamen zunchstins Gleiten und strzten schlielich senkrecht in die Tiefe. VieleSpekulanten verloren dabei ihr Vermgen. Man sprach schonvon Zahlungsschwierigkeiten einiger Stammgste des ForumRomanum. (Ein Vergleich mit den Jahren 1081/82 liegt auf derHand. Die amerikanische Hochzinspolitik verursachte einen

    Riesenkrach in allen Rohstoffen, und Hunderte von Firmenwren zahlungsunfhig geworden, htten die Regierung undandere Mammutunternehmen sie nicht untersttzt.) Auf demForum versammelten sich die reichen Brger in der Nhe desJanustempels, um ihre Geschftstransaktionen zu besprechen.Und hier holte sich Dr. Cicero, der prominenteste Anwalt seinerZeit, die Tipps fr seine verschiedenen Spekulationen inGrundstcken, Mnzen und Waren.

    Nach einigen Finanzabenteuern ist es ihm gelungen, einansehnliches Vermgen zusammenzubringen. Durch seinenRuhm und seine Persnlichkeit hat er der Spekulation in RomAuftrieb verliehen. Er sagte schon damals, das Geld sei der Nervder Republik, und war berzeugt davon, da die Spekulation derMotor der Vermgensbildung sei. Und er handelte auch danach.Tglich traf er auf dem Forum Roms Hochfinanz und

    durchreisende Kaufleute. Er spekulierte mit Grundstcken sowie-28-

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    Bauprojekten und mit Beteiligungen an Steuerpchtern, einedamals sehr beliebte Investition. Als Senator kam er leicht anInsider-Informationen ber die rmische Stadtplanung, was ihm

    bei seinen Spekulationen uerst hilfreich war.Doch zur Familie der Spekulanten gehrten noch viele andere

    berhmte Persnlichkeiten der Geschichte. Auch Sir IsaacNewton, der unsterbliche Entdecker der Gravitationsgesetze, hatsich in der Brsenspekulation versucht. Allerdings mitMisserfolg, sodass er schlielich sogar verboten hat, das WortBrse vor ihm auszusprechen. Voltaire plauderte mit seinerFreundin stundenlang ber Wertpapiere und Geld. Er spekulierteauch in Getreide und Grundstcken. Berhmt wurde er dann alsspekulativer Devisenschieber: Whrend des Erbfolgekriegeswurde in Sachsen eine Bank gegrndet, die den Krieg mit

    Notenemissionen finanzieren sollte. Nach dem Krieg verlorendiese Noten 40 Prozent ihres Wertes. Friedrich der Groeforderte aber eine hundertprozentige Einlsung in Silbertalernaller in preuischem Besitz befindlichen Noten. Voltaire lie

    diese Noten in Dresden aufkaufen, sie in Koffern nach Preuenschmuggeln (heute fahren deutsche Sparer mit Koffern nachLuxemburg oder in die Schweiz) und von dort aus durchStrohmnner von Dresden Silbertaler fordern.

    Beaumarchais, Casanova, Balzac waren leidenschaftlicheBrsenspieler. Balzac brauchte sehr viel Geld fr seinenLebensstil. Darum schrieb er Romane, Kurzgeschichten, Essays,kurzum, alles, was Geld brachte. Und so wurde er auchSpekulant und war hufiger Gast bei Baron Rothschild, umTipps zu erlauschen. Der Philosoph Spinoza und derWirtschaftswissenschaftler David Ricardo waren neben ihrenwissenschaftlichen Ttigkeiten begeisterte Spekulanten.

    Und wie knnte ich Lord Keynes, den grtenNationalkonomen unseres Jahrhunderts, in dieser Reihebergehen, unter dessen Portrt die britische Regierung

    folgenden Text setzen lie: John Maynard Lord Keynes, dem-29-

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    es gelungen ist, sich ohne Arbeit ein Vermgen zu schaffen. Erhatte 1932 auf dem Tiefpunkt der groen Wirtschaftsdepression,die dem legendren Krach von 1929 folgte, gro in

    amerikanische Aktien investiert. Durch den dann kommendenAufschwung wurde er zu einem sehr vermgenden Mann. Ergehrt zu den ganz wenigen Volkswirten, die an der Brse Geldgemacht haben.

    Solange es den Menschen gibt, gibt es auch Spekulation undSpekulanten, das gilt fr die Vergangenheit genauso wie fr dieZukunft. Wenn ich in einem Satz die Geschichte derSpekulation zusammenfassen wollte, msste ich sagen, derHomo ludens wurde geboren, er hat gespielt, gewonnen oderverloren, und er wird nie sterben.

    Darum bin ich auch der berzeugung, da nach jederBrsendepression, in der die Menschen ein wahrer Ekel vorAktien und der Brse befllt, wieder Zeiten folgen, wo alleWunden der Vergangenheit vergessen sind und die Menschensich wieder von der Brse anlocken lassen wie die Motten vom

    Eicht. Und wenn sie es nicht aus eigenem Antrieb tun sollten,dann sorgt schon die hoch entwickelte Brsenindustrie dafr,und an erster Stelle der Kder Geld.

    Ich vergleiche den Spekulanten mit einem Alkoholiker, dernach einem schweren Rausch am nchsten Tag in seinemKatzenjammer beschliet, nie wieder ein Glas in die Hand zunehmen. Aber am spten Nachmittag trinkt er doch wieder einenCocktail und dann noch einen und noch einen, und umMitternacht ist er wieder genauso betrunken wie am Abendzuvor.

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    Spekulieren oder nicht spekulieren?

    Soll man sich zwischen den Berhmtheiten einreihen undauch zu einem Spekulanten werden?

    Es hngt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: denmateriellen Verhltnissen und dem Charakter. Zur erstenVoraussetzung habe ich einen Leitspruch geprgt:

    Wer viel Geld hat, der kann spekulieren,

    wer wenig hat, darf nicht spekulieren,und wer berhaupt kein Geld hat,

    der mu spekulieren.

    Der letzte Satz ist natrlich nicht ganz korrekt. Eine gewisseSumme braucht man immer, um eine Spekulation anzufangen.Viel jedoch mu es nicht sein. Vor der Popularisierung der

    Aktienanlage war in Deutschland die Ansicht weit verbreitet, dieBrse sei nur ein Tummelplatz fr Reiche. Das ist vollkommenfalsch. Wer die richtige Idee hat, der kann auch mit einemrelativ kleinen Betrag betrchtliche Gewinne machen. Mitberhaupt kein Geldmeine ich also einen Betrag, der so geringist, da sich damit ohnehin kein Eigenheim finanzieren odereine Altersvorsorge aufbauen lsst.

    Wer aber tatschlich gar kein Geld hat, der mu zunchst einwenig arbeiten, im brgerlichen Sinne des Wortes. Ich war nachmissglckten Brsenabenteuern einige Male so pleite und sogarverschuldet, da ich gezwungen war, wieder als Makler undBerater Provisionen zu verdienen, um mich aus meinermisslichen Lage zu befreien.

    Viel Geld hat nach meiner Theorie derjenige, der bereits fr

    sich und sofern vorhanden seine Familie vorgesorgt hat.

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    Damit meine ich die Ausbildung der Kinder, eine Rente und

    nach Mglichkeit ein Eigenheim. Wer sich in dieser glcklichen

    Lage befindet, kann sich dem intellektuellen Abenteuer der

    Spekulation stellen und versuchen, sein Vermgen noch weiterzu vermehren. Er darf nur nicht brsenschtig werden. Kein

    Vermgen ist so gro, da es sich nicht an der Brse verlieren

    liee. Erinnert sei an Nick Leeson, der es in nur wenigen Tagen

    geschafft hat, die renommierte Barings-Bank zu ruinieren, oder

    an Andr Citron, der seine Autofirma am Spieltisch in Monte

    Carlo verlor.

    Ein Familienvater aber, dessen Einkommen und Vermgengerade fr den Kauf eines Eigenheims und die Ausbildung derKinder reicht, darf nicht spekulieren. Er kann sein Geld anlegen,auch in erstklassigen Aktien, wenn er sein Kapital fr lngereZeit nicht braucht, doch spekulieren ist tabu.

    Die zweite materielle Voraussetzung, die der Spekulantmitbringen mu, ist die zeitlich unbegrenzte Verfgbarkeitseines Kapitals. Man kann nicht zur Brse gehen und sich sagen,

    in den kommenden drei Jahren werden ich mit meinem Geldspekulieren, und anschlieend ein Haus kaufen, ein Geschftgrnden etc. An der Brse kommen die Dinge nie so, wie mandenkt. Hat man die richtige Idee, wird sie sich eines Tages auchauszahlen, doch wann wei niemand. Auch darf man nichtglauben, durch Spekulation liee sich ein regelmigesEinkommen verdienen. Man kann an der Brse gewinnen, sogarviel gewinnen, und reich werden, und man kann verlieren, vielverlieren, und Pleite gehen, doch Geld verdienen kann man ander Brse nicht.

    Ohnehin sind nur die Deutschen so seris, von Geldverdienen zu sprechen. Die Franzosen gewinnen das Geld(gagner largent), die Englnder ernten es (to earn money), dieAmerikaner machen es (to make money) und wir Ungarn wirsuchen das Geld.

    Wer die materiellen Voraussetzungen mitbringt, mu nun-32-

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    noch die charakterlichen Eigenschaften eines Spekulantenhaben. Eines ist klar, eine gewisse Risikobereitschaft gehrtdazu, will man sich auf das Brsenparkett wagen. Sichere

    Brsengewinne gibt es nicht. Gbe es sie, dann wrde wohlniemand mehr um fnf Uhr aufstehen, um eine Stunde sptermit der Frhschicht am Flieband zu beginnen.

    Welche Eigenschaften der Spekulant sonst noch braucht,erfhrt der Leser in diesem Buch. Zunchst aber mu icherklren, wer nach meiner Definition den Titel Spekulantverdient. Denn lngst nicht alle Brsenteilnehmer sindSpekulanten.

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    Makler: Nur der Umsatz zhlt

    Das gilt vor allem fr die Brsenmakler, Market-Maker undBroker. Die Makler und Market-Maker sehen wir laut schreiendherumflitzen, wenn n-tv live vom Frankfurter oder New YorkerBrsenparkett berichtet. Leider hocken heute immer mehr vonihnen lautlos am Computer und irgendwann wird es das alteBrsenparkett mit seiner ureigenen Atmosphre wohl gar nichtmehr geben. Die Broker sitzen in den Bros und stehen inKontakt mit den Kunden, um diese zu beraten, ihre Auftrge an

    die Makler weiterzuleiten und vor allem, um sie zu immer neuenUmstzen zu animieren.

    Makler und Broker verdienen nicht an der Kursdifferenz,sondern an der Provision, die sie ihren Kunden fr jedeTransaktion berechnen. Wenn sich Broker unterhalten, reden sieals Erstes ber den Umsatz und erst dann ber die Tendenz.Man erzhlte sich auch folgende Geschichte: Ein Kunde kam zu

    seinem Broker, um nach Rat zu fragen. Dieser riet ihmleidenschaftlich, weitere IBM-Aktien zu kaufen. Als er mitseiner Rede zu Ende war, bemerkte der Kunde, da er eigentlichseine IBM-Aktien verkaufen wolle. Ach so, sagte der Broker,verkaufen ist auch nicht schlecht!

    Obwohl oder vielleicht gerade weil ich selbst in meinenjungen Jahren Broker war, schtze ich sie nicht besonders. Diemeisten von ihnen sind Dummkpfe. Doch sie sind ntig, damit

    die Brse funktioniert. Sie bringen Kufer und Verkuferzusammen und stellen anhand von Angebot und Nachfrage denKurs fest. Man knnte das Verhltnis zu ihnen so beschreiben,wie die Amerikaner es ber die Frauen sagen: You cant livewith them, and you cant live without them.

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    Money-Manager: Herrscher ber Milliarden

    Die zweite Gruppe der Berufsbrsianer sind dieGeldverwalter. Zu ihnen zhlen die Fondsmanager der groenInvestmentgesellschaften und die Vermgensverwalter. Sie

    bewegen Milliarden, doch genauso wie die Makler arbeiten sienicht mit ihrem eigenen, sondern mit dem Geld ihrer Kunden.Sie und ein Heer von ihnen zuarbeitenden Analysten werdendafr bezahlt, die Erfolg versprechenden Aktien, Anleihen oderRohstoffe herauszupicken. Insgesamt betrachtet, sind sie dabei

    beraus erfolglos, denn die wenigsten von ihnen schaffen es,dauerhaft besser abzuschneiden als der Index, an dem siegemessen werden.

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    Finanziers: Die groen Macher

    Doch auch nicht jeder Brsianer, der mit eigenen Mittelnoperiert, ist schon ein Spekulant.

    Da gibt es die ganz groen Finanziers, die Transaktionen mitAbermillionen und Milliarden durchfhren. Der Finanzier stecktstndig bis ber beide Ohren in den von ihm initiiertenGeschften, er sichert sich Mehrheiten, plant Fusionen undbernahmen. Besitzt er Anteile an einer Gesellschaft, wirkt eraktiv auf das Management ein oder feuert es, wenn es ihm nicht

    passt. Vor lauter Aktivitt fhrt er ein sehr unruhiges Leben.Wenn er Unternehmen grndet, wendet er sich an die Brse, umsich das notwendige Kapital zu verschaffen. Auch die Kontrolleber jene Gesellschaften, ber die er herrschen will, erhlt erdurch die Brse. Sein Ziel bleibt immer eine bestimmteTransaktion, und seine Kufe oder Verkufe verursachen groeBewegungen, die sich auf die ganze Brse auswirken.

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    Arbitrageure: Eine aussterbende Spezies

    Arbitrage ist die Spekulation im Raum. Spekulation in derZeit bedeutet, heute zu kaufen, um zu einem spteren Zeitpunktteurer zu verkaufen, oder umgekehrt, heute zu verkaufen, umspter billiger zurckzukaufen (Leerverkauf). Im Gegensatzdazu bedeutet Spekulation im Raum, zum gleichen Zeitpunkt aneinem Ort zu kaufen und am anderen zu verkaufen. Dabei muder Arbitrageur eine Kursdifferenz erzielen, die dieTransaktionsgebhren bersteigt, damit er einen Gewinn macht.

    Sein Vorteil gegenber dem klassischen Spekulanten: Er hatkeinerlei Risiko. Denn er gibt den Auftrag erst an den Makler,wenn sich eine fr ihn lohnende Kursdifferenz zwischen zweiBrsenpltzen ergibt. Er wei im Voraus, wie hoch sein Gewinnsein wird. Dafr mu er sich mit sehr kleinen Gewinnenabgeben und stndig die Kurse beobachten. Die Spezies derArbitrageure ist heute aber fast ausgestorben. Im Zeitalter dermodernen Kommunikationsmittel stehen smtlicheInformationen und Daten zeitgleich in Tokio, London,Frankfurt, New York und durch das Internet mittlerweile auch in

    jedem Wohnzimmer zur Verfgung. Die Kursdifferenzen sindminimal und werden in Sekundenschnelle ausgeglichen.Allerhchstens die Makler knnen noch kleine Differenzen vono, i Prozent ausnutzen, weil sie auer der Brsengebhr keineKommissionen bezahlen. Der unabhngige Spekulant wird in

    der heutigen Zeit keinen Kursunterschied zwischen zweiBrsenpltzen finden, der auch nur die Hlfte seiner Spesendecken knnte.

    Das war zu meiner aktiven Maklerzeit anders. Damalsherrschte ein reger Arbitragehandel zwischen London und Paris.Hunderte von Wertpapieren wurden an beiden Mrkten notiert,allen voran sdafrikanische Goldminen und internationalelgesellschaften. Entscheidend fr den Arbitrageerfolg war

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    damals eine schnelle Telefonverbindung. Wer als Erster denBroker in London oder umgekehrt in Paris erreichte, konnte dieDifferenzen, die sich zwischen beiden Brsenpltzen ergaben,

    ausnutzen und ausgleichen. Manche Arbitrageure bestachen dieTelefonistinnen in der Vermittlungsstelle, automatischeVerbindungen gab es noch nicht. Sie schenkten IhnenSchokolade, Bonbons oder Parfm. Manche luden sie sogar zumEssen ein und verliebten sich in sie. So ergaben sich einige Ehenzwischen Spekulanten und Telefonistinnen. Ein Lied wurdedamals geprgt. Der Refrain fllt mir noch ein: Hallo, seKlingelfee, sag mir, wie der Dollar steht.

    Die Kollegen, die sich auf dieses Geschft spezialisiert hatten,waren noch wirkliche Arbitrageure. Vllig falsch war dieseBezeichnung fr die Mitglieder des 1986 aufgeflogenen Insider-Rings um Ivan Boesky, der wohl das Vorbild fr die Film-FigurGordon Gekko aus Wall Streetdarstellte. Auch wenn sie mit den

    beschafften Insider-Informationen einen Informationsvorteilnutzten, waren sie doch Spekulanten in der Zeit und nicht im

    Raum.Die heute populrste und bekannteste Arbitrage ist die

    zwischen der Wall Street und dem Chicago Board of Trade. Fasttglich liest man im Marktbericht der New Yorker Brse vonArbitrage gesteuerten Kauf- oder Verkaufsprogrammen. Dasfunktioniert so: Riesige Computer in den Handelsabteilungender groen Brokerhuser berwachen stndig die Kurse desTerminkontraktes auf den Standard&Poors-Index auf der einenSeite und den Notierung der 500 einzelnen im Index enthaltenenAktien auf der anderen Seite. Ergibt sich eine lohnenswerteKursdifferenz zwischen Terminkontrakt und den Kassakursender Aktien, gibt der Computer automatisch die Order, Kontraktekaufen, Aktien verkaufen oder vice versa. Die Index-Arbitrageverbindet den New Yorker Aktienmarkt mit dem Terminmarktin Chicago wie zwei kommunizierende Rhren. Dieser Umstand

    war der Grund fr die Heftigkeit der Kursausschlge am-38-

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    19. Oktober 1987.

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    Brsenspieler: Die Hasardeure der Brse

    Eine Gruppe, die bestimmt nie ausstirbt, sondern zu meinemLeidwesen immer grer wird, sind die so genanntenBrsenspieler. Ich habe sie so getauft, weil sie nach meinerDefinition die Bezeichnung Spekulant nicht verdienen, auchwenn sie im allgemeinen Sprachgebrauch und von denJournalisten so bezeichnet werden. Der Brsenspieler versucht,

    bereits kleinste Kursbewegungen zu nutzen. Er kauft ein Papierbei 101, um es bei 103 bereits wieder zu verkaufen. Dann kauft

    er das nchste Papier zu 90, um es bei 91,50 zu verkaufen etc.

    Nehmen wir an, diese Kurve stellt die Kursentwicklunginnerhalb eines bestimmten Zeitraums dar. Der Brsianer, derauf kurze Zeit spielt, wird akrobatische Kunststcke vollfhren,um jedes Mal zwischen X und Y einen Gewinn einzustreichen.Er kann kurzfristig Erfolg haben. Wenn er nur auf steigende

    Kurse spekuliert und der Aktienmarkt sich meiner allgemeinenHausse befindet, ist die Chance entsprechend grer, steigendeKurse zu erwischen. Aber es kommt sehr selten vor, da mandie Schwankungen zwischen X und Y im richtigen Momentabpasst. la longue wird der Spieler sptestens dann, wenn esmit den Kursen seitwrts oder abwrts geht, Pleite machen. Erist ein Hasardeur und hat keinerlei berlegung und Strategie. Er

    benimmt sich wie ein Roulettespieler, der von Tisch zu Tisch

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    luft. Ich wei, da mir jeder Brsenspieler hier widersprechenwird. Sie haben natrlich Charts und Computerprogramme, dieihnen sagen, wann sie kaufen und verkaufen mssen. Doch jeder

    Computer ist so schlau wie sein Programmierer. Ich habe inmeinen fast 80 Jahren Brsenerfahrung jedenfalls keinenBrsenspieler kennen gelernt, der langfristig Erfolg gehabt htte.

    Die Banken und Broker haben alles daran gesetzt, aus ihrenKunden Brsenspieler zu machen. Unverfroren und ohne Schamwerben ihre Discount-Brokerage-Ableger fr das so genannteDaytrading. ber das Internet hat nun auch jederPrivatspekulant die Mglichkeit, in Echtzeit und Intradayzu handeln. Viele unerfahrene Privatanleger, die durch dieTelekom-Emission fr die Aktienanlage gewonnen wurden,werden nun zum Brsenspiel verleitet. Das halte ich frunverantwortlich und moralisch fragwrdig. Im Handelsblattkonnte ich lesen, da es mittlerweile wie in den USAHndlerrume gibt, wo sich diese Daytrader einen Arbeitsplatzmieten knnen. Eine Friseurin, die dort zitiert wurde, hatte ihren

    Job aufgegeben, weil sie hier viel mehr verdienen knne als inihrem Beruf. Wie der kleine Moritz sich das vorstellt, htten dieWiener gesagt.

    Diese naiven Anleger glauben, sie htten nun die gleichenChancen im schnellen Geschft des stndigen Kaufens undVerkaufens wie die groen Institutionen, die aus den Brsenlngst ein Spielkasino gemacht haben nicht nur aus demAktienmarkt, sondern auch aus den Devisen-, Rohstoff- undAnleihemrkten. Mit monstrsen Gehltern kaufen sieAbsolventen von Havard, St. Gallen oder der London School ofEconomics ein, damit sie anschlieend mit Hunderten MillionenDollar in Anleihen, Aktien oder Devisen herumzocken. Speziellam Devisenmarkt herrscht ein perverses Spiel. ber eine BillionDollar werden in 14 Stunden um den Globus bewegt. Maximaldrei Prozent dieses Umsatzes dient der Abwicklung oder

    Absicherung von Im- und Exportgeschften. Der Rest ist Spiel.-41-

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    Vor einigen Jahren war in der International Herold TribuneeinInterview mit zwei der erfolgreichsten Devisentrader aus NewYork abgedruckt. Sie gaben unumwunden zu, da sie nicht auf

    eine Stunde, sondern auf zwei Minuten spekulieren. DieGeldinstitute, bei denen sie beschftigt waren, hielten dieseSpielerei sogar fr wnschenswert. 1986 hielt ich in Bremeneinen Vortrag vor Devisenhndlern. Nach meinem Referat kamich mit einer jungen Hndlerin ins Gesprch, die mir besttigte,da sie im Laufe eines Tages viele Millionen Dollar hin und herschiebe. Ich fragte sie: Wie gro sind die Differenzen, die Siezu erzielen versuchen? Ich spekuliere auf die vierte Stelle

    nach dem Komma, war die Antwort. Das ist natrlich toll. Mansetzt eine Million ein, um 100 Mark zu verdienen. Wenn mandas mehrmals am Tag macht, kommen vielleicht ein paarTausender zusammen. Die Hndler und ihre Arbeitgeber denkenwohl hnlich wie jener Landstreicher im alten Ungarn, der sichwegen Mordes vor Gericht verantworten mute. Schmst dudich nicht, einen Mann zu ermorden, fr nur zwei Gulden? Aus

    tiefster berzeugung kam die Antwort: Aber, gndiger HerrRichter, zwei Gulden hier, zwei Gulden dort, es lppert sichzusammen.

    Als ich die Bremer Devisenhndlerin dann fragte, wie sieentscheide, ob sie kaufen oder verkaufen solle, gab sie mir dieviel sagende Antwort: Ich verfolge, was die anderen machen.Und dafr mu man nun an den teuersten Universitten der Welt

    bffeln? Um auf zwei Minuten so zu spekulieren, wie es der

    Rest der Horde auch tut? Den Direktor der Devisenabteilungeiner deutschen Grobank fragte ich einmal, ob seine Hndlerberhaupt wssten, was eine Whrung ist. Ich glaube nicht,meinte er, aber das ist auch nicht wichtig, sie mssen nurwissen, wie der Dollar in zehn Minuten steht. Auf meine Frage,wie er denn verhindere, da zwei Hndler zur gleichen Zeit miteiner Million long und einer short gehen wrden, erklrte er mir,da es kein Problem darstelle. Wichtig sei nur, da jeder der

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    Hndler am Ende seinen Schnitt mache. Ich kann es nichtbeweisen, aber bin mir sicher, da die meisten Schieflagendieser Golden Boys diskret verschwiegen werden.

    Am Ende mu ich jedoch auch eine Lanze fr dieBrsenspieler brechen. So sehr ich sie verabscheue, so sehr

    brauche ich sie auch. Sie sind lebensnotwendig fr einefunktionierende Brse. Und wenn sie nicht existieren wrden, somsste man sie erfinden. Je mehr Spieler, desto grer undliquider der Markt, und desto besser werden Erschtterungen,sowohl bei Hausse- als auch bei Baissebewegungen, abgefangenund gedmpft. Bei jedem Kursrckgang von einer Fraktionmelden sich neue Kufer und dadurch schtzen sie den Marktvor einem brutalen Rckgang. Bei jeder Kurssteigerung voneiner Fraktion melden sich neue Verkufer und wirken dadurchauch bei Haussebewegungen bremsend. Sie sind wie dieZylinder in einem Motor. Je mehr es gibt, desto runder luft derMotor. Nur durch die Brsenspieler ist es garantiert, da man an

    jedem Brsentag seine Positionen auflsen kann, ohne dabei die

    Kurse bereits nach unten zu drcken. Die Millionen Spielerhaben also ihre Berechtigung, denn gbe es nur Anleger, dieAktien kaufen, um sie ber Jahrzehnte zu halten, wre der Marktvllig illiquide.

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    Anleger: Die Marathonlufer der Brse

    Der Anleger ist das Gegenteil des Spielers. Er kauft Aktienund hlt sie ber Jahrzehnte als Altersvorsorge oder Aussteuerfr die Kinder oder Enkel. Die Kurse schaut er sich nicht einmalan. Sie interessieren ihn nicht. Selbst strkere Einbrche sitzt eraus. Das Kapital, das er langfristig in Aktien angelegt wissenwill, bleibt in Aktien investiert. Er unternimmt berhaupt keinenVersuch, in Schwchephasen den Aktienanteil seiner Anlagenzu reduzieren.

    Der Anleger setzt auf eine breite Palette erstklassiger Aktien,verteilt ber alle Branchen und ber mehrere Lnder. Erunternimmt keinen Versuch, spezielle Zukunftsbranchen zuerwischen und berzugewichten. Viele Anleger orientieren sich

    bei der Auswahl ihrer Papiere am Aktienindex ihres Landes odermehrerer Lnder. Aus diesem Grund sind die Index-Fondsimmer beliebter geworden und haben in den letzten Jahren

    Milliarden Dollar angesammelt. Fr den Anleger ist es diebequemste Methode, in eine breite Palette von Standardaktien,die so genannten Blue-Chips, zu investieren.

    Die grten Anleger sind heute die amerikanischen undenglischen Pensionskassen. Die Geldmengen, die sie verwalten,sind so immens, da sie gezwungen sind, die Papiere lange zuhalten, da sie ihre Positionen nicht auflsen knnten, ohne dabeidie Kurse unter Druck zu setzen. Das ist das groe Glck fr die

    Pensionre. Wrden die Verwalter die Gelder umschichtenknnen, wre ihre Performance sicher nicht so gut.

    Und in noch einem anderen Punkt ist der Anleger das genaueGegenteil des Brsenspielers. Whrend der Spieler auf langeSicht immer verliert, gehrt der Anleger, egal wann er in dieBrse einsteigt, langfristig zu den Gewinnern. Zumindest wardies in der Vergangenheit immer so, denn Aktien haben in ihrer

    Gesamtheit nach einem Krach immer wieder neue Rekordkurse

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    erreicht.

    Ich gebe zu, der Anleger kann mit einem kleinen Betrag nichtin kurzer Zeit zum Millionr werden. Langfristig aber kann er zu

    einem groen Vermgen kommen. Warren Bffet, der wohlberhmteste Anleger der Welt, wurde durch Anlage zumzweitreichsten Mann Amerikas. Trotzdem glauben die meistenBrsianer, das groe Geld sei nur zu machen, wenn man stndigkauft und verkauft.

    Ich selbst gehre seit einigen Jahren auch ins Lager derAnleger. Zum Spekulieren fhle ich mich heute zu alt.

    Auerdem war ich stndig von einem Vortrag und Interviewzum nchsten unterwegs und mit meiner Kolumne und meinenBchern so beschftigt, da mir keine Zeit mehr blieb, michstndig um meine Engagements zu kmmern. Ich besitze heuteber 500 verschiedene Aktien, von denen ich seit Jahren keineeinzige verkauft habe. Ich kaufe nur noch dazu.

    Wenn ich ehrlich bin, wrde ich jedem Leser raten, sich in dasLager der Anleger zu schlagen. Sie erzielen im Durchschnitt die

    beste Performance aller Brsenteilnehmer, denn auch von denSpekulanten gehrt nur eine Minderheit zu den Gewinnern.Bese mein Wort so viel Autoritt, da mir meine Leser blindgehorchen (dieser Illusion gebe ich mich allerdings nicht hin),knnte das Buch an dieser Stelle enden. Doch der Homoludens in uns ist zu stark. Wer knnte den Reiz der Spekulation

    besser verstehen als ich. Siebzig Jahre lang war ichVollblutspekulant an den Rohstoff-, Devisen- undWertpapierbrsen der ganzen Welt. Die Lage richtig analysiertund entgegen der allgemeinen Meinung Recht behalten zuhaben, bereitete mir dabei stets die grere Freude als dermaterielle Gewinn. Deshalb will ich erzhlen, was denVollblutspekulanten ausmacht, was ihn vom Finanzier, Anlegerund Brsenspieler unterscheidet.

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    Spekulanten: Strategen auf lange Sicht

    Man knnte sagen, der Spekulant befindet sich irgendwozwischen dem Spieler und dem Anleger. Die Grenzen sindnatrlich flieend. Doch im Gegensatz zum Anlegerinteressieren den Spekulanten alle Nachrichten, was aber nicht

    bedeutet, da er wie der Spieler auf jede Nachricht reagiert.Wenn der Spekulant auf steigende Kurse spekuliert und diesewegen irgendeines Vorfalles vorbergehend fallen, sagen wirzum Beispiel, der Prsident der Vereinigten Staaten erleidet

    einen Herzanfall (Prsident Eisenhowers Herzanfall im Jahre1955) oder in Sdamerika wtet ein Erdbeben, dann wird erseine Spekulationskonstruktion nicht sofort ber den Haufenwerfen. Nur wenn die Nachricht so einschneidend ist, da siedas Fundament seiner Prognose erschttert und vorherigeAnnahmen widerlegt, disponiert er um. Der Spekulant lsst diekleinen Kursausschlge zwischen X und Y (siehe Grafik Seite35) auer Acht. Er folgt nur der Tendenz: der von A nach Blaufenden Geraden. Der Spekulant auf weite Sicht verfolgtverschiedene Grundelemente: Geld- und Kreditpolitik, Zinssatz,wirtschaftliche Expansion, internationale Lage,Handelsbilanzen, Geschftsberichte und so weiter und lsst sichvon den sekundren Tagesnachrichten nicht beeinflussen. Er

    baut eine intellektuelle Konstruktion und Strategie auf, die ermit den tglichen Ereignissen abgleicht. Mit einem Wort, er hat

    Ideen, richtige oder falsche, aber Ideen. Das ist derentscheidende Unterschied zum Spieler.

    Im Gegensatz zum Finanzier, der zweifellos auch seineStrategie verfolgt und Ideen hat, bleibt der Spekulant passiverTeilnehmer. Er verursacht keine Kursbewegungen, sondernversucht nur, von solchen zu profitieren. Er wechselt nicht dasManagement einer Gesellschaft aus, sondern schmeit dieGesellschaft aus seinem Depot. Welch frstlicher Beruf! Und er

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    denkt wie Horaz: Glcklich jener, der weit von den Geschftenlebt. Ohne Kontakt mit dem Publikum, ohne sich beiniedriger Arbeit die Finger schmutzig zu machen, weitab von

    Handelswaren und staubigen Lagerhallen, von tagtglichenAuseinandersetzungen mit Kaufleuten und Geschftemachernberlegt der Spekulant in vlliger Versunkenheit. Eingehllt inden Rauch seiner Zigarre sitzt er bequem in seinemSchaukelstuhl und denkt nach, fern von der Welt und ihremLrm. Sein Handwerkszeug hat er in greifbarer Nhe, es istdenkbar bescheiden: ein Telefon, einen Fernseher, heutesicherlich auch einen Internetanschluss und ein paar Zeitungen.

    Aber auch dabei hat er sein Geheimnis: Er versteht, zwischenden Zeilen zu lesen.

    Er hat keine Angestellten und keinen Chef, mu nicht hierhinund dorthin freundlich gren, keine nervsen Kunden ertragenwie der Bankier oder der Makler. Er mu niemandem etwasaufschwatzen, er ist ein Edelmann, der ber sich und seine Zeitfrei verfgen kann. Und es ist nicht verwunderlich, da viele

    Leute neidisch sind.Dennoch lebt er gefhrlich und mu sich daran gewhnen,

    wie ein Krokodil mit offenen Augen zu schlafen. DieSpekulation ist eine gefhrliche Seefahrt zwischen Vermgenund Pleite. Man braucht ein seetchtiges Boot und einengeschickten Steuermann. Was verstehe ich unter einemseetchtigen Boot? Geld und Geduld sowie Nerven. Und werist der geschickte Steuermann? Derjenige, der die Erfahrunghat und souvern denkt. Balzac schrieb in seinem Traktat berdas Elegante Leben, es gebe drei Arten von Menschen;Menschen, die arbeiten, Menschen, die denken, und Menschen,die nichts tun. Der richtige Spekulant ist derjenige, der denkt.Viele glauben allerdings, es sei jener, der nicht arbeitet.

    Der Beruf eines Brsenspekulanten, sofern man berhauptvon Beruf sprechen kann, hnelt zum einen dem eines

    Journalisten und zum anderen dem eines Arztes. So wie der

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    Journalist lebt der Spekulant von Nachrichten, indem er sieverfolgt und sammelt. Der Journalist beschreibt undkommentiert sie, der Spekulant analysiert sie und mu dann das

    tun, was die zentrale Aufgabe eines Arztes ist: die Diagnosestellen. Die Diagnose ist das Wichtigste, ohne sie kann der Arztkeine Therapie anordnen. So wie ein Mediziner zunchst durchdiverse Untersuchungen den Patienten durchleuchtet, mu derBrsianer die Lage der Weltwirtschaft, der Finanzen der Zins-und Fiskalpolitik etc. durchleuchten, sich dann ein Gesamtbildmachen und die Diagnose stellen. Danach wei er, wie er seineEngagements auszurichten hat. Laufen die Dinge dann anders

    als diagnostiziert oder, in den Worten des Medizinersgesprochen, schlgt die Therapie nicht an, mu er eine neueDiagnose stellen.

    Von den Dreien darf sich nur der Journalist immer wiederirren, und dennoch wird er Journalist bleiben. Wenn der Arztsich zu oft irrt, wird er irgendwann keine Patienten mehr habenund der Spekulant wird schlicht Pleite machen. Dennoch habe

    ich die grte Achtung vor den Journalisten. Ich finde ihrenBeruf so faszinierend, da ich ihn in meinen spten Jahren selbstergriffen habe. Es besteht jedoch kein Zweifel, da das Risikoeines Journalisten dem Risiko eines Brsianers nichtgleichkommt, da das Schicksal des Letzteren eher mit dem einesSeiltnzers zu vergleichen ist. Eines aber haben beide Berufegemeinsam: Sie wissen zwar nur parvum omnibus ex totonihil, verlangen jedoch Scharfblick, eine gute

    Allgemeinbildung, Lebenserfahrung und die unumgnglicheLeidenschaft fr den Beruf. Zum Spekulanten Arzt oderJournalisten wird man geboren, ebenso wie man als Philosoph und sei es auch als Philosoph im Westentaschenformat geboren wird.

    In einer Sache aber unterscheidet sich der Beruf desSpekulanten von dem des Journalisten und vor allem des

    Mediziners. Er lt sich auf keiner Schule erlernen. Sein

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    Handwerkszeug ist Erfahrung, Erfahrung, und nochmalsErfahrung. Ich wrde meine achtzigjhrige Erfahrung nichtgegen mein Krpergewicht in Gold eintauschen, was bei mir

    ohnehin nicht mehr besonders viel wre.Dabei habe ich die grte Erfahrung mit verlustreichen

    Geschften gewonnen. Deshalb sage ich auch, einBrsenspekulant, der in seinem Leben nicht wenigstens zweimal

    pleite war, ist dieser Bezeichnung nicht wrdig. Die Brsen sindwie ein dunkler Raum, aber gewiss wird sich jener, der sich seitJahrzehnten in diesem Zimmer aufhlt, besser zurechtfinden alseiner, der erst vor kurzem eingetreten ist.

    Verlust und Gewinn sind ein unzertrennliches Paar undbegleiten einen Brsianer sein Leben lang. Ein erfolgreicherSpekulant gewinnt in 100 Fllen 51 Mal und in 49 Fllenverliert er. Von der Differenz mu er leben. Die Relation istvielleicht ein wenig bertrieben, charakterisiert aber gut, was ichmeine. Doch jeder Brsenverlust ist gleichzeitig ein Gewinn anErfahrung. Und diese ist in der Zukunft meistens mehr wert als

    das, was man gerade verloren hat. Profitieren kann man von denMisserfolgen aber nur, wenn man sie genau analysiert. Und zurAnalyse eignen sich die Gewinn bringenden Spekulationenweniger als die verlustreichen. Das liegt in der Natur der Sache.Gewinnt man an der Brse, fhlt man sich besttigt und schwebtber den Wolken. Das Gefhl, man msse noch dazulernen,versprt man nicht. Erst ein schmerzlicher Verlust holt einen aufden Boden der Tatsachen zurck. Und dann mu mandiagnostizieren, wo der Fehler lag.

    Dies ist der einzige Weg, ein erfolgreicher Spekulant zuwerden, volkswirtschaftliche Studien ganz sicher nicht. Ich gehenoch weiter. Wer Volkswirtschaft studiert hat und zur Brsegehen will, mu alles sofort und radikal vergessen, was er in denJahren zuvor gebffelt hat. Es ist eine Belastung. Volkswirtescheitern schon an der Vorhersage der Wirtschaftsentwicklung,

    wie sollen sie da Brsenprognosen stellen? Das sagte ich stets in

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    jedem meiner unzhligen Vortrge, die ich den vergangenen 25Jahren an Universitten gehalten habe. Das Audimax warnatrlich zu 80 Prozent mit Betriebs- und

    Volkswirtschaftsstudenten gefllt. Die Studenten nahmen es mitHumor, nur so mancher Professor schaute bitter. Ich fuhr dannfort: Ich wei, da mich die Professoren fr einen Scharlatanhalten. Doch besser, ich bin ein guter Scharlatan als einschlechter Professor.

    Volkswirte rechnen nur und denken nicht. Ihre Statistikensind nicht nur falsch, sie merken zudem nicht, was dahintersteckt. Sie wissen alles, was man aus Bchern lernen kann, dochdie Zusammenhnge entgehen ihnen. Ihre Theorien hatten schonzu meiner Zeit keine Gltigkeit, geschweige denn heute.Unterhalte ich mich mit einem Brsenkollegen, merke ich nachzwei Stzen, da er Volkswirtschaft studiert hat. SeineArgumente und Analysen sind in ein Korsett eingezwngt, ausdem er nicht heraus kann.

    Ich bin nicht der Einzige, der diese Ansicht vertritt. Die

    zweitgrte Maklerfirma an der Pariser Brse schiebt dieBewerber mit einem Wirtschaftsdiplom sofort zur Seite. DieBegrndung: Sie leben mit Scheuklappen, knnen nicht globaldenken und sind zudem noch Besserwisser. In den meistenBanken und Brokerfirmen ist diese Erkenntnis noch nichtgereift. ber die durchschnittliche Performance drfen sie sichdeshalb nicht wundern. Den Volkswirten, die schon alsFondsmanager, Hndler oder Analyst eine Anstellung gefundenhaben, rate ich es so zu halten wie mein vterlicher FreundAlbert Hahn, Professor der Volkswirtschaft. Er hinterlie 40Millionen Dollar und beschrieb seinen Spekulationserfolg kurz,aber ehrlich: Ich gebe doch nichts auf meine eigenenDummheiten, die ich als Professor verknde!

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    Spekulieren! aber womit?

    Eine Frage von Chance und Risiko

    Spricht man von Brse oder Spekulation, denkt jederzuallererst an Aktienbrse und Aktienspekulation. Die Aktiesteht fr die Spekulation und die Brse und umgekehrt. Auchich spreche und schreibe immer wieder von der Brse oder derSpekulation und meine ganz selbstverstndlich die Spekulationmit Aktien. Doch in meiner achtzigjhrigen Brsianerkarrierespekulierte ich lngst nicht nur mit Aktien. Groe Profitemachte ich mit Anleihen, doch auch am Devisen- undRohstoffmarkt war ich aktiv. Auch in Sachwerten sammelte ichErfahrungen.

    Der Kosmopolit unter den Spekulanten analysiert undbeobachtet nicht nur seinen heimischen Aktienmarkt, sondern

    das Geschehen rund um den Globus, die Weltpolitik, die groenGeldstrme, die Innen- und Auenpolitik der groenIndustrielnder, die Beschlsse der Weltbank und des IWF, dieSchuldenverhandlungen des Pariser Clubs, neue technologischeEntwicklungen, den Palstinenserkonflikt, ja, sogar das Wetterin Brasilien und in China.

    Immer wenn sich irgendwo eine Chance bietet, eineDiskrepanz zwischen dem Preis einer Ware, Whrung, Anleiheoder Aktie und ihrem fairen Wert entsteht, engagiert sich derSpekulant und wartet darauf, da der Markt die Differenzirgendwann ausgleicht. Die ganz groen Chancen bieten sichnicht jeden Tag, sodass es sich lohnt, nicht nur die Aktie alsSpekulationsobjekt ins Kalkl zu ziehen. Ich zum Beispielerzielte meine spektakulrsten Erfolge mit Anleihen.

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    Anleihen: Ein bedeutenderesSpekulationsobjekt als man denkt

    Bei Anleihen, die ja auch festverzinsliche Wertpapieregenannt werden, assoziieren die meisten Sparer eine sichereAnlage. Das sind sie natrlich auch. Wer Anleihen einessicheren Schuldners, nehmen wir zum Beispiel Staatsanleihen,kauft und bis zum Ende der Laufzeit wartet, geht berhaupt keinRisiko ein, Geld zu verlieren. Die Papiere werden am Endeimmer zu ihrem Nominalwert zurckgezahlt, und der beim Kaufkalkulierte Zins ist dem Besitzer sicher. Zwischendurch,whrend der Laufzeit, kann jedoch viel passieren. VieleAnleihen laufen ja zehn und manche sogar 30 Jahre. Whrenddieser Zeit schwankt der Zins fr langfristige Anleihenmanchmal erheblich. Insbesondere die 70er und 80er-Jahreerlebten groe Bewegungen am Geldmarkt. In den 70er-Jahrenfielen manche Papiere um 40 Prozent und in den 80ern stiegen

    sie auf das Doppelte. Da Anleihen oder Bonds, wie sie inAmerika auch genannt werden, handelbar sind, passen sie ihrenKurs an die aktuelle Zinssituation an. Fallen die Zinsen amGeldmarkt zum Beispiel von zehn auf sieben Prozent, wird eineAnleihe mit einem Kupon von zehn Prozent so weit steigen, dasie wie die anderen neu emittierten Papiere fr den Kufersieben Prozent abwirft.

    Auf diese Zinsvernderung spekulieren Spieler,

    Grospekulanten, Hedge-Fonds, Banken und Versicherungenmit Milliardenbetrgen. 1994 spekulierte sogar ein US-Districtnamens Orange County und ging prompt Pleite.

    Spekuliert oder gespielt wird am Terminmarkt mit sogeringen Einstzen, da die Spieler bereits einen Schnittmachen, wenn sich am Zinssatz nur die zweite Stelle hinter demKomma bewegt. Anleihen im Wert von 100 000 Dollar knnen

    mit nur 2000 Dollar Deckung gehandelt werden.

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    Wer auf die Vernderung der langfristigen Zinsen spekulierenwill, dem sei empfohlen, dies lieber mit Aktien zu tun. Aufgrere Vernderungen am Anleihemarkt reagiert die Brse

    sptestens nach zwlf Monaten und die Kursgewinne fallen hierviel deutlicher aus als zuvor bei den Anleihen.

    Aber es gibt noch eine andere Art der Anleihenspekulation dieich gemeint habe, als ich von meinen grten Erfolgen sprach.Hierbei handelt es sich nicht um Schuldverschreibungen (eineandere Bezeichnung fr Anleihen) sicherer Schuldner, sondernum Papiere, die eventuell unbezahlt bleiben und denSchuldendienst bereits ausgesetzt haben. Meine jngsteSpekulation, auf die ich sehr stolz bin, war eine Spekulation mitAnleihen dieser Art. Manche Papiere dabei waren lter als ichselbst.

    Es begann 1989. Nachdem Gorbatschow und Reagan sich zumehreren Gipfeln getroffen hatten und die Entspannungzwischen den beiden Weltmchten deutlich wurde, hatte ich dieVision, Gorbi wrde eines Tages bei den Westmchten eine

    Milliarden schwere Dollaranleihe platzieren wollen. Ich war mirsicher, da dieser Kredit gewhrt wrde, doch nur unter derBedingung, da Russland seine alten Schulden aus der Zarenzeitzumindest ordnete. Und ich war mir sicher, die Russen wrde la longue auch zahlen knnen. Russland ist ein an Rohstoffenreiches Land. Es besitzt meines Wissens etwa 50 Prozent derWeltreserven an Kohle, 35 Prozent an Erdgas, bis zu zehnMilliarden Tonnen Erdl und ist einer der weltgrtenProduzenten von Eisen und Aluminium. Die Russen frdern

    jhrlich 150 Tonnen Gold und haben ein Lager von siebenMillionen Karat Diamanten. Auerdem war die Zahlungsmoralerstklassig, die Sowjets hatten alle Schulden stets pnktlich

    bezahlt. Seinerzeit (und heute erst recht) allerdings mangelte esan Liquiditt.

    Ich rief einen mir bekannten Hndler dieser so genannten

    Non-Valeurs an, und bat ihn, mir alte zaristische Anleihen zu

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    kaufen, aus der Zeit zwischen 1822 und 1910. Diese waren zwarnoch mit geringem Umsatz an der Brse notiert, aber auf 0,25

    bis ein Proze