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Angriff auf die Seele Nr. 1 Januar 2003 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei

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Angriff auf

die Seele

Nr. 1 Januar 2003 Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei

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1/2003 Deutsche Polizei 1

KOMMENTAR

ABGEORDNETE2/3 18KURZ BERICHTET

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Bundesweite Protestwelle

Druckauflage dieser Ausgabe:195.301 ExemplareISSN 0949-2844

Inhalt:100% RecyclingpapierUmschlag:chlorfrei gebleicht

Deutsche

PolizeiTitelbild: Rembert Stozenfeld

Nr. 1 • 52. Jahrgang 2003 • Fachzeitschriftund Organ der Gewerkschaft der Polizei

Herausgeber:Gewerkschaft der Polizei,Forststraße 3a, 40721 Hilden,Telefon Düsseldorf (0211) 7104-0,Fax (0211) 7104-222Homepage des Bundesvorstands der GdP:http://www.gdp.de

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Die unter Verfassernamen erschienenenArtikel stellen nicht in jedem Fall die Meinungder Redaktion dar. Für unverlangt eingesandteManuskripte kann keine Gewähr übernommenwerden. Mitteilungen und Anfragen bitten wiran den jeweiligen Landesbezirk zu richten.

Erscheinungsweise und Bezugspreis:

Monatlich 2,90 EURO zuzüglich Zustellgebühr.Bestellung an den Verlag.Für GdP-Mitglieder ist der Bezug durch denMitgliedsbeitrag abgegolten

INHALT

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FORUM

TITEL / PSYCHOTERRORAM ARBEITSPLATZ

INFORMATIONS-UND KOMMUNIKATIONS-

TECHNIK

SCHÖNEBERGERFORUM

VERKEHRSRECHT

WIRTSCHAFTS-KRIMINALITÄT

FAHNDUNG

3. BUNDESSENIOREN-FAHRT

Argumente nach Kassenlage?

Angriff auf die Seele

Digitalfunk zügig einführen

„Flexibilisierung” – Bemäntelung für Kürzung

Polizeiliche Fahndung –neue Wege zum Erfolg

Wolga Flusskreuzfahrt auf derMS Andropow

GdP-Mitglieder im Bundestag

Verfolgung läuft ins Leere

BKA-Herbsttagung

TERRORISMUSFranchising-Terrorismus

Politiker-Gespräche

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KURZ BERICHTETBundesweite ProtestwelleWie sich die Bilder gleichen. Vor einigen Wochen hättewohl kaum jemand mit einer derartigen Protestwelle ge-gen die Sparpläne der Regierungen in Bund und Länderngeglaubt.Der Aufstand der Ordnungshüter und des gesamten öf-fentlichen Dienstes hat begonnen:

Rote Kelle in Lübeck gezeigt4. Dezember, Lübeck: Gut 500

Polizisten und Beschäftigte desöffentlichen Dienstes, darunterFinanzbeamte, Lehrer, Justizbe-amte und Feuerwehrleute ließenihrem Zorn gegen geplante Kür-zungen ihrer Gehälter durch dieLandesregierung freien Lauf.

Unter großem Aufsehen undentsprechendem Medieninte-resse zogen die mit Trillerpfeifen,Nebelhörnern und Signalfackelnausgestatteten Demonstrantenlautstark durch die Lübecker In-nenstadt zur Abschlusskund-gebung. Trotz damit verbundenerVerkehrsbehinderungen erhiel-ten sie ermunternden Zuspruch

testler ihre Haltung zurs c h l e s w i g - h o l s t e i n i s c h e nRegierungschefin deutlich: „Hei-de – Fortschritt durch Rücktritt“forderten sie. Und Detlef Hardtlegte bei seiner Rede nach:. „Wirhaben seit Jahren unseren Bei-trag geleistet, haben moderateTarifabschlüsse ertragen, wurdenausgenutzt, missbraucht. Jetzt istunsere Geduld am Ende.“ DerVertrauensverlust zur Politik seienorm. Auch den SPD-Innen-experte Klaus-Peter Puls vergaßder Gewerkschaftsvorsitzendenicht:

„Wer davon spricht, dass dieGdP-Veranstaltung Anfang No-

Demo zurHerbsttagung

GdP forderte Streikrecht5. Dezember Bremen. Rund

6.000 Teilnehmer der von derVereinigten Dienstleistungs-gewerkschaft (ver.di), der Ge-

werkschaft Erziehung und Wis-senschaft (GEW) und der Ge-werkschaft der Polizei organisier-ten Demonstration protestierten

Foto: Gründemann

von wartenden Autofahrern undFußgänger reihten sich in denProtestumzug ein.

„Es ist eine Ungeheuerlichkeitwie Ministerpräsidentin HeideSimonis mit einer bisher nichtgekannten Arroganz die Spitz-hacke bei allen Beschäftigten desÖffentlichen Dienstes ansetzt“,zürnte Detlef Hardt,Kreisgruppenvorsitzender derGewerkschaft der Polizei (GdP).

Schon auf ihren Transparen-ten machten die gereizten Pro-

vember vorm Landeshaus in Kieltotalitäre Züge gehabt habe undvom Zentralkomitee der Spit-zenfunktionäre spricht, das sichals Einpeitscher und Aufhetzerbetätigt habe, der ist für uns dieFrechheit in Person“, kritisierteDetlef Hardt den Sozialdemo-kraten. „Die GdP ruft nicht zueinem Aufstand der Ordnungs-hüter auf, nein, wir haben diesenAufstand schon!“

Thomas Gründemann Foto: hol

Protest vordem Landtag

12. Dezember Magdeburg.Auch wenn der Ministerpräsi-dent von Sachsen Anhalt gesenk-ten Hauptes zur Sitzung eilte,waren die rund 750 lautstarkenProtestler nicht zu überhören,die auf ihre Probleme mit der ge-genwärtigen Landes- und Bun-despolitik aufmerksam machten.Mit einem Brief an alle Land-tagsabgeordneten hatte derGdP-Landesbezrik Sachsen An-halt die Aktion vorbereitet. d.p.

6. Dezember Wiesbaden. Miteiner Flugblattaktion machte dieGdP-Kreisgruppe BKA wäh-rend der Herbsttagung im Bun-deskriminalamt auf die Spar-bestrebungen im öffentlichenDienst aufmerksam. Die Aktionerweckte bei den Tagungsteil-nehmern hohe Aufmerksamkeit,zum Teil auch ziemliche Betrof-fenheit. d.c.

6. Dezember Düsseldorf: DieEmpörung über den geplantenGriff in ihre Taschen trieb auchweit über 1000 Angehörige desöffentlichen Dienstes in Düssel-dorf auf die Straße. Insgesamtzeigten am 6. Dezember rund30.000 Demonstranten allein inNRW den Politikern, dass sienicht mehr bereit sind, jede Spar-Pille zu schlucken. rl

Keine Spar-pillen mehr!

Foto: Lohscheller

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Politiker-GesprächeErklärungen, Vorschläge, De-

mentis, neue Überlegungen undInitiativen ... – gegenwärtig daspolitische Feld zu sondieren, zuwissen, wer wie denkt und wel-che Pläne hat, wird immerschwieriger, aber auch wichtiger.Denn mitunter können sich Mei-nungen ändern, wenn die gesam-te Problematik und Tragweiteanstehender Entscheidungenbewusst gemacht werden.

Daher sind Politiker-Gesprä-che an der Tagesordnung desGdP-Bundesvorsitzenden Kon-rad Freiberg, in denen er denGdP-Standpunkt insbesonderezu den aktuellen Sparplänen beider Polizei erläutert, auf Konse-quenzen bei „Erfolg“ aufmerk-

Konrad Freiberg im Gespräch mit Silke Stokar, innenpolitische Spreche-rin der Bündnisgrünen. Auch in diesem Gespräch wurde großes Interes-se an einem regelmäßigen Informationsaustausch bekundet.

Foto: tetz

sam macht und klar stellt, dassdie Gewerkschaft die Initiativezur Öffnungsklausel nichtkampflos hinnehmen werde.

U. a. fanden bereits Gesprächemit den innenpolitischen Spre-chern der Parteien, Frau SilkeStokar (Bündnis 90/Die Grü-nen), Wolfgang Bosbach (CDU)und Dieter Wiefelspütz (SPD)statt. Außerdem hatte KonradFreiberg die Möglichkeit, Bun-deskanzler Gerhard Schröder alsauch den SPD-Fraktionsvorsit-zenden Franz Müntefering sowieden Wirtschafts- und Arbeitsmi-nister Wolfgang Clement deut-lich auf die Situation und Stim-mungslage in der Polizei hinzu-weisen. tetz

Fahndung per Videotext

Bundesinnenminister OttoSchily hat Ende September 2002mit sechs TV-Sendern vereinbart,dass Fahndungen nach Straftä-tern nun auch auf den Tele-text-seiten zu sehen sind. An dem Pro-jekt beteiligen sich RTL, Sat1,ProSieben, N24, VOX und Kabel1. Damit wird ein neuer Weg be-schritten, um Straftätern auf dieSpur zu kommen.

Beamtenrecht in derDiskussion

Die Fahndungen im Fernse-hen erreichen die Menschennicht nur in Deutschland, son-dern auch überall dort, wo dieProgramme der sechs Sender perSatellit zu sehen sind. In denTeletext werden Aufrufe desBKA, der Landespolizeien undder Justizbehörden eingestellt.

(Mehr zu Öffentlichkeits-fahndung ab S. 24 ) tetz

machtvoll am Rande derInnenministerkonferenz gegendie Sparvorhaben der Regierung.Scharf geißelte der GdP-Vorsit-zende Konrad Freiberg in seinerRede die geplante Öffnungs-klausel bei der Beamtenbesol-dung ebenso wie eine Aufwei-chung der Flächentarifverträge.Konrad Freiberg: „Wir werdenuns massiv in die kommendenLandtagswahlen einmischen.“Er forderte für die Tarifbeschäf-tigten des öffentlichen Dienstes

eine Lohnerhöhung um deutlichüber drei Prozent. Auf die Beam-ten müsste das Tarifergebnis zeit-und inhaltsgleich übertragenwerden.

Beamte seien keine staatli-chen Arbeitssklaven, die nur vonder Willkür des jeweiligen Re-genten abhängig seien. ZurDurchsetzung der berechtigtenInteressen der Polizistinnen undPolizisten fordere die GdP daherdas Streikrecht.

tetz

„Dienstrecht im Wettbewerb –Beamtinnen zwischen Reformund Kürzungen“ war Thema des5. Schöneberger Forums, mit demsich rund 280 Beschäftigte des

öffentlichen Dienstes sowie Ver-treter aus Wissenschaft, Politikund von Gewerkschaften EndeNovember 2002 im RathausSchöneberg in Berlin beschäftig-

ten. Die Diskussion um eine„Flexibilisierung“ des Beamten-rechts ist nicht neu – allerdingsstand sie noch nie unter so har-ten Vorzeichen einer noch härte-ren Finanzpolitik. Auch wenn derBundesrat die Berliner Gesetzes-initiative zur Öffnung des Besol-

dungsrechts am 8. November2002 erst einmal an die Ausschüs-se verwiesen hat, bleibt das The-ma brisant, denn viele Länder-chefs sind angesichts leerer Kas-sen durchaus geneigt, nun diesesSpar-Instrument zu akzeptieren(s. auch S. 17). tetz

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KOMMENTARZu: Sind wir zu zahm?,DP 11/02

Diese Frage unseres GdP-Bundesvorsitzenden, KollegenFreiberg, kann ich ohne jedenZweifel nur bejahen.

Während bei Pensionären undRentnern (angeblich aus demo-graphischen Gründen?) gekürztwurde, haben sich die PolitikerAlterseinkommen und Über-gangsgelder aus der öffentlichenKasse genehmigt, dass dem Nor-malbürger schwindelig wird.Hauptsache, die eigene Tasche ist(auf wessen? Kosten) gefüllt. Al-les andere scheint Nebensache,auch dass der Staat pleite ist.

Für die GdP und übrige Ge-werkschaften kann es angesichtsder Skrupellosigkeit deutscherPolitiker in Sachen Selbstbedie-nung nur heißen: kompromisslosdie Mitgliederinteressen vertre-ten und Streikmaßnahmen frü-her ins Auge fassen! Die weicheWelle zieht bei den Politikernnicht. Sie kostet die Gewerk-schaft nur sehr viel Geld! Streik-maßnahmen sind angesagt, wo-bei freilich die Bevölkerung vonder eigenen Argumentation ge-gen die Politik überzeugt werdenmuss! Kollege Freiberg hat alsovollkommen Recht, wenn er ge-werkschaftliche Zusammenhän-ge verstärkt in die Öffentlichkeittragen will. Der Bürger muss wis-sen, was Sache ist, wie die deut-sche Politik den Staat finanziellan die Wand fährt!

Peter Haffke,Karlsdorf-Neuthard

Zu: Jetzt stellen wir unsquer, DP 12/02

Als langjähriges Mitglied mussich sagen, dass ihr Recht habt.

Jetzt reicht es. Ein Vorschlagvon mir für eine weitere wir-kungsvolle Aktion: Jeder sollteein Uniformhemd, „unser letztesHemd ausziehen“, und an denjeweiligen Innenminister seinesBundeslandes schicken. Wir ha-ben unser letztes Hemd gegeben.Mehr können auch wir nicht ver-kraften. Auch wir haben Famili-

Argumente nach Kassenlage?

Es ist kalt geworden inDeutschland.

Dennoch sind so viele Men-schen auf der Straße, wie schonlange nicht mehr. Reizthemenwie „Nullrunde“ in den Tarif-

verhandlungen und „Öffnungs-klausel“ in der Beamtenbesol-dung treiben sie vor allem um.

Es muss gespart werden.Die Haushaltlage ist Schuld.Und die Überalterung der Ge-sellschaft. Und die allgemeineWeltwirtschaftslage.

Damit scheint man legiti-miert zu sein, dem öffentlichenDienst wieder mal kräftig in dieTasche zu fassen Obwohl imJahre 13 nach der Wiederverei-nigung noch nicht einmal dieUngerechtigkeit der unter-schiedlichen Bezahlung in Ostund West vom Tisch ist.

All das ist schon schlimmgenug.

Zusätzlich macht mich aberbesonders sauer, dass wir allemiteinander noch für dummverkauft werden sollen – fürvergesslich und beliebig mani-pulierbar.

Erinnern wird uns:Am 9. März 2001 hat der

Bundesrat eine Stellungnahmezum Regierungsentwurf einesGesetzes zur Modernisierungder Besoldungsstruktur abgege-ben. Dabei stand auch die soge-nannte Bandbreitenregelungzur Debatte, nach der die Län-der selbst eine größere Selb-ständigkeit im Besoldungs-bereich erhalten sollten. Nahe-zu einmütig argumentierten dieEntscheidungsgewaltigen dage-gen und der Vorstoß wurde mitfolgender Begründung zu denAkten gelegt.

„Durch die Übertragung derEntscheidungskompetenz überdie Einstufung innerhalb derBandbreite auf die einzelnenDienstherren ist die Einheit-lichkeit der Besoldung im Bun-desgebiet und sogar innerhalbder einzelnen Länder nichtmehr gewährleistet. Es wird dieGefahr gesehen, dass sich auf-grund der unterschiedlichen fi-nanziellen Rahmenbedingun-gen die Einstellungs- undBeförderungspraktiken derDienstherren auseinander-entwickeln werden. Eine solcheSituation ist zu vermeiden.

Außerdem besteht die Be-sorgnis, dass die mit derBandbreitenregelung einherge-hende Dezentralisierung derBesoldung zu einem Auseinan-derdriften zwischenBesoldungs- und Tarifbereichführt.

Schließlich sind verfassungs-rechtliche Bedenken gegen dieBandbreitenregelung nichtgänzlich ausgeräumt worden.“

Nun hat sich die Welt einigeMonate weiter gedreht und alleArgumente, die im vergange-nen Jahr noch vehement vertre-ten wurden, sind urplötzlich imNirwana verschwunden – oderaber in den gigantischenHaushaltlöchern.

Ich kann es nicht mehr hö-ren, dass wir im Wohlstand le-ben und auch mit derÖffnungsklausel nicht verhun-gern würden – aber der Menschlebt nicht vom Brot allein! Esgeht auch um die Aufrechter-haltung sozialer Gerechtigkeit,es geht um den sozialen Frie-den und es geht um das Ver-trauen in eine berechenbarePolitik unserer gewählten Re-gierungen in Bund und Län-dern.

Gestern die Ablehnung derBandbreitenregelung und heuteeine Befürwortung derÖffnungsklausel – also Besol-dung je nach der Größe desFinanztopfes und Argumentati-on je nach Kassenlage – kanndas wohl kaum befördern.

Unsere GdP-Mitglieder ha-ben landesweit bereits mit Pro-testen, Demonstrationen undWarnstreiks reagiert. Vielleichtwaren wir in den letzten Jahrenwirklich zu einsichtig und zuzahm. Ich denke, das hat sich inden letzten Wochen deutlichgeändert.

Und es wird weiter heiß her-gehen, wenn die Politik perma-nent für soziale Kälte sorgt.Die GdP ist gut vorbereitet.

Von Konrad Freiberg

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FORUM

Die Redaktion behält sich vor,Leserbriefe zu kürzen, ummöglichst viele Kolleginnenund Kollegen zu Wort kom-men zu lassen. AbgedruckteZuschriften geben nichtunbedingt die Meinung derRedaktion wieder. AnonymeZuschriften werden nichtberücksichtigt.

en, auch wir wollen unsere Kin-der noch ernähren und erziehenkönnen.

Lothar Baier, Wunstorf

Mit Empörung, Erstaunenund Unverständnis wird das der-zeitige Verhaften von Bundes-und Landesregierungen sowieeinzelnen Politikern aufgenom-men und immer wieder in der DPkommentiert.

Aber konnte man anderes er-warten? Erinnern wir uns: In densechziger Jahren versuchten Stu-denten und andere Linke, wieMahler, Ströbele, Semler, Lang-hans, Fischer, Trittin, Dutschke,Cohn-Bendit und viele andere,deren Namen nicht so bekanntwurden, die bestehende Ord-nung gewaltsam umzufunktio-nieren. Als dann die Studenten-bewegung zusammenbrach, än-derte man nur die Taktik zum sei-nerzeit vielbe lächelten „Marschdurch die lnstitutionen“ – dasZiel aber blieb. Ihr Kampf rich-tete sich seit eh und je gegen denöffentlichen Dienst – insbeson-dere die Polizei.

Ihr Ziel verfolgen sie weiter(ständige Diffamierung), aberschön langsam, nicht mehr mitGewalt, leise und nach dem Mot-to „teile und herrsche“ (sieheÖffnungsklausel). Sie sind nachoben marschiert und so brauchtman sich nicht zu wundern, wennin einem Teil der Presse jederSchritt gegen den öffentlichenDienst bejubelt, aber vergessenwird, dass nicht der öffentlicheDienst die heutige Misere verur-sacht hat. Den Anfängen hat mannicht ausreichend gewehrt. Nunmüssen Härte und Unnachgie-bigkeit helfen!

Wer die hergebrachtenGrundsätze des Beamtentums sofür sich auslegt, muss auch spü-ren, dass wir es ebenso haltenkönnen. Denn jetzt stellen wiruns quer (wie ich hoffe).

Karl-Heinz Halfter, Berlin

Als Ehefrau eines Polizeibe-amten kann ich die Herum-hackerei auf die Beamten nichtmehr hören. Wie ich weiß, arbei-ten die Innendienstpolizeibe-amten nur noch effektiv, wenn sieihre privaten Gegenstände(Computer, Drucker, Monitor,Handy) mit in den Dienst brin-gen und diese auch nur noch fürden Dienst benutzen. Was wäre,wenn ab sofort diese privatenGegenstände nicht mehr für dieArbeit der Polizei eingesetzt wür-den? Ich glaube, dass das aufDauer einige negative Folgen fürden Arbeitgeber zur Folge hätteund dass die Regierung so end-lich mal aufwacht und mitbe-kommt, welche Ausstattung ihreArbeitnehmer (nicht) haben!

D. Richter, per E-Mail

Zu: Einkommensrunde2002, DP 12/01

Jetzt stellen wir uns quer!Klingt gut der Satz. Aber esmerkt keiner. Das ist das Pro-blem. Das hat schon jahrelangkeiner mehr gemerkt. Wir sindwie Bienen ohne Stachel. MeineMutter hat mir beigebracht, wersich an Wehrlosen vergreift istein „mieser Charakter“. Man sollsich lieber mit gleichstarken mes-sen. Was nützen uns aber dieschönsten Errungenschaften derGewerkschaft, wenn so stupideagierende Politiker wie Wowereitund Schily uns „Schwuppdi-wupp“ mal eben ganz schnell aufSozialhilfeniveau drücken. Fürdiesen politischen Kraftakt be-lohnt sich dann Frau Simonisnoch mit 5,7 % Diätenerhöhungbei gleichzeitiger Bekundung,dass die Kassen leer sind und diearmen Beamten und Angestell-ten jetzt nichts mehr abbekom-men können.

Mich würde schon interessie-ren, wie viele Kolleginnen undKollegen jetzt an Streik denken!Ich möchte Aktionen, bei denendie betroffenen Politiker vorSchmerzen aufheulen. Ich habedie Schn…. voll, ich will stechen

und die Schreie der anderen hö-ren. Wie sagten schon unsereBrüder und Schwestern aus demOsten – Wir sind das Volk! Ha-ben die gewonnen oder verlo-ren?

Stellen wir uns quer!

Georg Stamm, Hamm

Zu: Schusswaffen-merkmale erfassen,DP 12/02

W.D. macht den Vorschlag, dieSchusswaffenmerkmale krimi-naltechnisch erfassen zu lassenund hat dies sogar bei der Innen-ministerkonferenz angeregt.

Leider hab ich nicht so guteConnections, so dass ein vielsinnvollerer Vorschlag wohl inmeiner Dienstzeit nicht mehreingeführt werden wird.

Die Merkmale für eine Grup-penidentifizierung werden ja oh-nehin erfasst, was dann auch ofteinen Rückschluss auf dieWaffenart zulässt sofern Hülseoder Geschoss aufgefunden wer-den. Wenn bekannt wird, dassIndividualmerkmale jeder ein-zelnen Waffe durch Beschuss vordem Verkauf gesammelt werden,ist es jedoch ein Leichtes, denvorderen Laufbereich und ande-re Stellen leicht zu bearbeiten, sodass eine individuelle Zuord-nung nicht mehr möglich seinwird. Ganz zu schweigen vonWaffen, die zwecks Begehungvon Straftaten selbstverständlichnicht legal geführt werden.

Diese Ressourcen – oder auchnur ein Teil davon – würden si-cher sinnvoller in eine zentraleReferenzmustersammlung fürSchuhsohlenprofile investiertwerden. Nach dem Motto „KeinTäter kann fliegen“ werdenSchuhspuren immer am Tatortbleiben. Neben einigen Länder-sammlungen fehlt jedoch einezentrale Datei für die Gruppen-identifizierung bisher, obwohldies schon auf „Arbeitsebene“vom LKA NI seit den 80er Jah-ren bei der KTU des BKA ange-regt wurde. Trotz eindeutigerErfolge der Referenzmusterzu-ordnung und immer bessererEDV-technischer Möglichkeiten,

ist vom BKA bisher nichts um-gesetzt, was eine einfache, bun-desweite und einheitliche Mög-lichkeit bieten würde, die Schuh-spuren vom Tatort für den über-regionalen Vergleich einem be-stimmten Referenzprofil zuord-nen zu können. So bleibenFahndungs- und Ermittlungs-möglichkeiten – gerade im Be-reich der wieder ansteigendenMassenkriminalität – ungenutzt,zumal nach meiner Kenntnisweder die Länder-DV undINPOLneu noch Europol sichdieses Themas angenommen ha-ben. Sogar in der DDR war manmit einem zentral gepflegtenNachschlagewerk schon weiterals jetzt im gemeinsamenDeutschland.

Wenn also W.D. mal wiederdie Gelegenheit bei einer Innen-ministerkonferenz hat, hier meinVorschlag, doch auch einmal ein„SchuhFIS“ anzuregen!

Zur Einstimmung auf das The-ma hier ein Link:

http: / /194.89.205.4/wgm/wanted.htm

Helmut Pröve, Königslutter

Es ist richtig, dass an Schuss-waffen (z. B. im Laufinnern bzw.am Stoßboden des Verschlusses)Veränderungen vorgenommenwerden können, die eine Identifi-zierung erschweren. Das sollte je-doch kein Grund sein, von derEinrichtung einer Schusswaffen-merkmaledatei abzusehen, weil essich gegenüber der großen Masseimmer noch um wenige Einzelfäl-le handeln würde. Nicht jeder Tä-ter, der eine Schusswaffe benutzt,verfügt über weiterreichende waf-fentechnische Kenntnisse.

W.D.

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TITELAngriff auf die SeeleMobbing – ein Problem auchbei der Polizei

Ein Beitrag von Dr. Martin Wolmerath

Seit fast 10 Jahren zählt „Mobbing“ zu den großen Pro-blembereichen in unserer Arbeitswelt. Mittlere Schätzun-gen gehen davon aus, dass derzeit rund 1.300.000 Be-schäftigte in Deutschland akut von Mobbing betroffensind.Dass dieses Phänomen auch innerhalb der Polizei ein relevantes Themaist, dürfte spätestens seit dem Suizid einer jungen Polizistin im Jahre1997 bekannt sein, die sich von ihren Vorgesetzten und Kollegen ver-folgt fühlte und aus Verzweiflung erschoss.Sicher hat dieser Fall mit dazu beigetragen, dass dieMobbingproblematik innerhalb der Polizei thematisiertund vielerorts die Notwendigkeit erkannt wurde, hierge-gen aktiv vorzugehen.

T rotz langjähriger The-matisierung der Mob-bingproblematik in un-

serer Gesellschaft besteht in derRegel immer noch große Unsi-cherheit insbesondere darüber,was überhaupt Mobbing ist, wieman Mobbing erkennen und waskonkret dagegen unternommenwerden kann.

Hierüber will dieser Beitraginformieren. Allerdings kanneine erschöpfende Behandlungder Mobbingproblematik auf-grund der vielschichtigen Aspek-te nicht erfolgen. Aus diesemGrunde sei auf die vertiefendenLiteraturhinweise am Ende die-ses Beitrags hingewiesen.

Was ist „Mobbing“und woher kommt derBegriff?

„Mobbing“, ein Kunstwort, istder englischen Sprache entlehnt.Als Verb „to mob“ kann man esmit den Worten „über jemandenlärmend herfallen, anpöbeln, an-greifen, attackieren“, als Sub-stantiv „the mob“ mit „Mob,Gesinde, Pöbel(haufen)“ um-schreiben. Seinen Ursprung hatder Begriff in der lateinischenSprache. Mit „mobile vulgus“wird die aufgewiegelte Volks-menge, die wankelmütige Massebezeichnet.

Geprägt wurde der Begriff„Mobbing“ von dem Verhaltens-forscher Konrad Lorenz, der mitihm Gruppenangriffe von unter-legenen Tieren (z. B. Gänse) be-zeichnet hatte, um einen überle-genen Gegner (z. B. Fuchs) ver-scheuchen zu können.

Der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann verwendetediesen Terminus zur Beschrei-

bung von Gruppenverhalten vonSchulkindern, welches so weitgehen kann, dass das betroffeneKind einen Suizid begeht. Hier-an anknüpfend nahm der Ar-beitspsychologe Heinz Leymannden Begriff auf, um mit ihm ähn-liche Vorgänge in der Arbeits-welt der Erwachsenen beschrei-ben zu können. Er hatte im Ver-laufe seiner Untersuchungen inSchweden festgestellt, dass dieUrsachen für psychische Bela-stungen von Arbeitnehmern oft-mals nicht in deren Persönlich-keit, sondern in den betrieblichenUmfeldbedingungen zu suchensind.

Verwendung findet die vonLeymann geprägte Bezeichnung

Definition von Leymann:Unter Mobbing wird eine

konfliktbelastete Kommuni-kation am Arbeitsplatz unterKollegen oder zwischen Vor-gesetzten und Untergebenenverstanden, bei der die ange-griffene Person unterlegen istund von einer oder einigenPersonen systematisch, oftund während längerer Zeitmit dem Ziel und/oder demEffekt des Ausstoßes aus demArbeitsverhältnis direkt oderindirekt angegriffen wird unddies als Diskriminierung emp-findet.

Definition von Esser/Wolmerath:

Mobbing ist einGeschehensprozess in der Ar-beitswelt, in dem destruktiveHandlungen unterschiedli-cher Art wiederholt und übereinen längeren Zeitraum ge-gen Einzelne vorgenommenwerden, welche von den Be-troffenen als eine Beeinträch-

2001 auf dem Christopher Street Day in Köln Foto: dpa

PSYCHOTERROR AM ARBEITSPLATZ

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„Mobbing“ vor allem imdeutschsprachigen Raum. SoweitMobbing durch Vorgesetzte er-folgt, ist auch der Ausdruck„Bossing“ geläufig. Im englisch-sprachigen Raum wird das vonLeymann beschriebene Phäno-men überwiegend mit „bullyingat work“, „(employee) abuse“sowie „(sexuell) harassment“bezeichnet.

Das von Leymann beschriebe-ne Phänomen wird in unsererArbeitswelt mit großer Sicher-

heit schon immer existiert haben.Allerdings scheint es aus den ver-schiedensten Gründen in denletzten 10 Jahren in einem vor-her nicht gekannten Maße zuge-nommen zu haben. Veränderun-gen innerhalb der Gesellschaft,ein verändertes Werteverständ-nis, neue Managementmethodenund insbesondere die Angst vordem Verlust des eigenen Arbeits-platzes dürften einige Gründedafür sein.

Was „Mobbing“genau ist

„Mobbing“ bezeichnet einprozesshaftes Geschehen amArbeitsplatz, das sich aus zahlrei-chen höchst unterschiedlichenHandlungen zusammensetzenund sich teilweise über mehrereJahrzehnte erstrecken kann. Eshandelt sich hierbei um eine Er-scheinungsform psychosozialerBelastungen am Arbeitsplatz.Weitere Erscheinungsformensind die Diskriminierung sowiedie sexuelle Belästigung am Ar-beitsplatz, wobei die Übergängein der Praxis häufig fließend sind.So kann beispielsweise sexuelleBelästigung Bestandteil vonMobbing sein, muss es jedochnicht.

Für „Mobbing“ gibt es keinegesetzliche Definition, wie esetwa bei der sexuellen Belästi-gung am Arbeitsplatz (vgl. §2Abs. 2 Beschäftigtenschutzge-setz) der Fall ist. Es gibt eineReihe das Phänomen beschrei-bender, meist arbeitswissen-schaftlicher Begriffsbestimmun-gen, bei denen das zum Ausdruckkommt, was Mobbing letztend-lich ausmacht: die Verbundenheiteinzelner Handlungen durch einunsichtbares „Band“. Insoweitkann Mobbing durchaus mit ei-ner Perlenkette verglichen wer-den: Ist die einzelne Perle auchnoch so unbedeutend, so wächstihr Wert mit dem Hinzukommenweiterer Perlen, wobei der Fadendie Verbindung zwischen deneinzelnen Perlen herstellt.

Die Definitionen (siehe Ka-sten auf S. 6 und 7) erscheinen

tigung und Verletzung ihrerPerson empfunden werdenund dessen ungebremster Ver-lauf für die Betroffenengrundsätzlich dazu führt, dassihre psychische Befindlichkeitund Gesundheit zunehmendbeeinträchtigt werden, ihreIsolation und Ausgrenzungam Arbeitsplatz zunehmen,dagegen die Chancen auf einezufriedenstellende Lösungschwinden und der regelmä-ßig im Verlust ihres bisherigenberuflichen Wirkbereichs en-det.

Definition des Bundesar-beitsgerichts:

Mobbing ist das systemati-sche Anfeinden, Schikanierenoder Diskriminieren von Ar-beitnehmern untereinanderoder durch Vorgesetzte.

Definition des ThüringerLandesarbeitsgerichts:

Im arbeitsrechtlichen Ver-ständnis erfasst der Begriffdes „Mobbings“ fortgesetzte,aufeinander aufbauende oderineinander übergreifende, derAnfeindung, Schikane oderDiskriminierung dienendeVerhaltensweisen, die nachArt und Ablauf im Regelfalleiner übergeordneten, vonder Rechtsordnung nicht ge-deckten Zielsetzung förder-lich sind und jedenfalls in ih-rer Gesamtheit das allgemei-ne Persönlichkeitsrecht oderandere ebenso geschützteRechte, wie die Ehre oder dieGesundheit des Betroffenenverletzen.

möglicherweise kompliziert undnur schwer zu verstehen oder be-dürfen sogar einer Interpretati-on. Jedoch bedarf es einer genau-en Begriffsbestimmung, umMobbing von anderen Begriffen(z. B. Meinungsverschiedenheit,Streit, Disput) abgrenzen und ge-eignete Maßnahmen zu seinerBewältigung ergreifen zu kön-nen. Vielleicht hilft an dieser Stel-le eher ein kurzes und prägnan-tes Schlagwort weiter. Nennenwir es „Psychoterror“ – selbstwenn dieser Begriff ebenfallswegen der zahlreichenInterpretationsmöglichkeitenhöchst ungenau ist.

TypischeMobbinghandlungen

Mobbing kennzeichnet einenGeschehensprozess, der sich auseiner Vielzahl von unterschied-lichen Handlungen (aktives Tunund Unterlassen) zusammen-setzt. Der Phantasie der Mobberscheinen keine Grenzen gesetztzu sein. Allerdings lehrt uns dieErfahrung, dass die einzelnenMobbinghandlungen überwie-gend im kommunikativen Be-reich angesiedelt sind. Schließ-

Mobbinghandlungen, gestaffelt nach der Häufigkeit ihreAuftretens:

Gerüchte, Unwahrheiten 61,8 %Arbeitsleistungen falsch bewertet 57,2 %Sticheleien, Hänseleien 55,9 %Verweigerung wichtiger Informationen 51,9 %Arbeit massiv, ungerecht kritisiert 48,1 %Ausgrenzung/Isolierung 39,7 %Als unfähig dargestellt 38,1 %Beleidigungen 36,0 %Arbeitsbehinderung 26,5 %Arbeitsentzug 18,1 %

Quelle: sfs, Telefonische Mobbingbefragung 2001 (n = 495)

lich lassen sich diese am leichte-sten durchführen, hinterlassen inder Regel keine sichtbaren Spu-ren und benötigen grundsätzlichkeine besondere Vorbereitung.Auch dürfte die (moralische)Hemmschwelle bei den verbalenHandlungsformen am niedrig-sten anzusetzen sein. Wen plagt

schon das Gewissen, wenn je-mand anderes der Lächerlichkeitpreisgegeben wird. Sollte eineverbale Äußerung im Einzelfalldirekt angesprochen und bei-spielsweise zum Gegenstand ei-ner Beschwerde gemacht wer-den, wird sich der „Übeltäter“ inder Regel mit Worten „So habeich das nicht gemeint, da musstdu mich falsch verstanden ha-ben!“ aus der Affäre ziehen. Soist es nicht verwunderlich, dassdas Streuen von Gerüchten inBefragungen am häufigsten ge-nannt wird. Dieses Ergebnis isteinleuchtend, da sich die Verur-sacher von Gerüchten nurschwer identifizieren lassen unddie Betroffenen kaum Möglich-keiten haben, diesem Tun denNährboden zu entziehen.

Mobbinghandlungen lassensich katalogisieren, wodurch dieZielrichtung der einzelnen An-griffe sichtbar werden.

• Angriffe auf die Arbeitslei-stung und das Leistungsvermö-gen (z. B. Unterschlagung undManipulation von Arbeitsergeb-nissen, Anordnung von sinnlosenTätigkeiten)

• Angriffe auf den Bestand desBeschäftigungsverhältnisses (z.B. Unterstellung von Fehlverhal-

ten, willkürlicher Ausspruch vonAbmahnungen)

• destruktive Kritik (z. B. de-mütigende Kritik)

• Angriffe auf die soziale In-tegration am Arbeitsplatz (z. B.räumliche Isolation, Verweige-rung der Kommunikation, Igno-rieren von Fragen)

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• Angriffe auf das soziale An-sehen im Beruf (z. B. Verleum-dung, Verbreitung von Gerüch-ten)

• Angriffe auf das Selbstwert-gefühl (z. B. Demütigung, Blama-ge, gezielte Ungleichbehand-lung)

•Erzeugen von Angst,Schreck und Ekel (z. B., Ein-schließen auf der Toilette, Abstel-len des Aufzugs, tote Ratte aufden Schreibtisch legen)

• Angriffe auf die Privatsphä-re (z. B. Telefonterror)

• Angriffe auf die Gesundheitund körperliche Unversehrtheit(z. B. heimliches Verabreichenvon Medikamenten, Verunreini-gen von Speisen)

• Versagen von Hilfe (z. B. Ver-harmlosen von Beschwerden).

Ursachen für Mobbing

Die Ursachen für Mobbingvariieren von Fall zu Fall.Pauschalisierungen wären fehlam Platz. Manchmal lassen sichdie Mobbing-Gründe im Nach-hinein überhaupt nicht mehrfeststellen. In einem solchen Fallwird das Mobbing quasi zumSelbstläufer – manchmal aller-dings mit der Chance verbunden,

mehr einem Jahr fortlaufend ge-demütigt. Monika hatte jedeForm der Kommunikation mitSusanne eingestellt, gab bei-spielsweise Informationen nichtan Susanne weiter, ließ sich vonihr nicht ansprechen, gab auf Fra-gen keine Antworten. Angespro-chen auf die von Susanne nichtmehr auszuhaltende Situationund auf den Grund für ihr Ver-halten lautete die Antwort vonMonika recht lapidar: „Das weißich auch nicht mehr!“

Zeitgleich mit dieser Äuße-

• Ursachen in den Rahmenbe-dingungen am Arbeitsplatz (z. B.unzureichende Arbeitsorganisa-tion, schlechtes Betriebsklima,unklare Kompetenzregelungen)

• Ursachen im sozialen Sy-stem am Arbeitsplatz (z. B. un-glückliche soziale Zusammenset-zung einer Arbeitsgruppe,Gruppendruck, Zuschreibungvon Verantwortlichkeiten aufeinzelne „Sündenböcke“)

• Ursachen im persönlichenSystem am Arbeitsplatz (z. B. un-zureichende soziale Kompetenz,geringes moralisches Niveau)

• Ursachen in der Person desMobbers (z. B. Überforderung,Selbstwertprobleme, Ängste,soziopathische Persönlichkeit)

• Ursachen in der Person desMobbingbetroffenen (z. B. wenigsoziale Kompetenz, Probleme imLeistungsbereich, auffälliges äu-ßeres Erscheinungsbild, Krank-heit, soziopathische Persönlich-keit).

Für eine Repräsentativstudiewurden Mobbingbetroffene nachden Motiven befragt, die nachihrer Einschätzung zu Mobbinggeführt haben. Hier die Antwor-ten:

Ich wurde gemobbt, weil ich ...bzw. wegen ... (Mehrfach-nennungen waren möglich)

... unerwünschte Kritik geäu-ßert habe 60,1 %

... als Konkurrenz empfundenwurde 58,9 %

... der/die Mobber neidisch aufmich war/waren 39,7 %

Mobbingfolgen: (Mehrfachnennungen waren möglich,Nur abgeschlossene Fälle)

Krankheit wegen des Mobbings 43,9 %Krankheitsdauer mehr als 6 Wochen 20,1 %Freiwilliger Arbeitsplatzwechsel im Betrieb 30,8 %Eigene Kündigung 22,5 %Kündigung durch Arbeitgeber 14,8 %Arbeitslosigkeit 11,4 %Erwerbsunfähigkeit oder Frührente 6,9 %Zwangsweise Versetzung 5,6 %

Quelle: sfs, Telefonische Befragung 2001 (n = 491)

es recht schnell auf einfache Wei-se beenden zu können. Hierzuein vereinfacht dargestelltes Bei-spiel, das sich vor einiger Zeittatsächlich ereignet hat:

Susanne war unruhig, fandkeinen richtigen Schlaf mehr,fühlte sich insgesamt unwohl undging täglich mit Bauchschmerzenins Büro. Sie wurde von ihrerArbeitskollegin Monika seit nun-

rung hörte der „Spuk“ auf. Manmag sich lieber nicht ausmalen,wie die Situation weiter verlau-fen wäre, wenn Susanne nichtden Mut gefasst und Monika an-gesprochen hätte.

Bei einer abstrakt generellenBetrachtung lassen sich die Ur-sachen für Mobbing fünf Berei-chen zuordnen:

... es Spannungen zwischen mirund meinem Vorgesetzten gab39,4 %

... meiner starken Leistungsfä-higkeit 37,3 %

... ein Sündenbock gesuchtwurde 29,1 %

... meines Arbeitsstils 28,5 %

... der/die Mobber meinen Ar-beitsbereich an sich ziehen woll-te/wollten 24,8 %

... meiner angeblich unzurei-chenden Leistungen 23,3 %

... neu in die Abteilung/Grup-pe gekommen bin 22,1 %

... meines persönlichen Le-bensstils 17,7 %

... eine Mann bzw. eine Fraubin 12,5 %

... meines Aussehens 9,1 %

... meiner Nationalität 3,8 %

... meiner sexuellen Orientie-rung 2,3 %

Sonstige Motive 28,2 %Ich weiß nicht, weshalb ausge-

rechnet ich gemobbt wurde 7,9 %Quelle: sfs, Schriftliche

Mobbingbefragung 2001 (n =1.317)

Mobber undMöglichmacher

Was Mobbing oftmals erst er-möglicht bzw. den Mobber in sei-ner Auffassung bekräftigt, mitseinen Handlungen fortzufahren,ist das Verhalten der Personen,die in Passivität verharren. Siedulden das Geschehen, schauenweg und schweigen. Leymannhat diesen Personenkreis zutref-fend „Möglichmacher“ genannt.Würden sie Zivilcourage zeigen,dem Mobbingbetroffenen in ei-ner nach außen erkennbaren ein-deutigen Weise beistehen undden Mobber in seine Schrankenweisen, wäre dem Mobbing derNährboden entzogen. Die Mob-

PSYCHOTERROR AM ARBEITSPLATZ

Unser Autor,Dr. MartinWolmerath, istRechtsanwaltin Hamm. Erbeschäftigtsich seit 1994mit derMobbingproble-matik in derdeutschenArbeitsweltund berätBetriebs- undPersonalräteüber Lösungendamit verbun-dener Proble-matik.

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binghandlungen würden in allerRegel recht schnell aufhören.Schließlich müsste der Mobberbei einem Fortfahren mit derMöglichkeit einer Sanktionie-rung seines Verhaltens zumindestdurch diesen Personenkreis rech-nen.

Mobbing kann jeden zujeder Zeit treffen

Wer glaubt, gegen Mobbingimmun zu sein, befindet sich ineinem gewaltigen Irrtum. Die im-mer wieder aufkommende Fra-ge, ob es den „typischen“Mobbingbetroffenen gibt, derdas Mobbing quasi auf sich zieht,kann daher ebenfalls verneintwerden.

Mobbing ist in allen Berufs-sparten und Hierarchien anzu-

treffen: Vorgesetzte können Vor-gesetzte mobben, Vorgesetztekönnen Untergebene mobben,Untergebene können Vorgesetz-te mobben, Untergebene könnenUntergebene mobben. Auch dasLebensalter sowie das Dienstal-ter schützen nicht vor Mobbing.Die Zugehörigkeit zu einer – wieauch immer gearteten – Minder-heit kann bisweilen das Risikoerhöhen, von Mobbing betroffenzu werden. Dies kann zum Bei-spiel auf den einzigen Raucher ineiner Abteilung unter lauterNichtrauchern zutreffen.

Eine in 2001 durchgeführteUntersuchung ergab, dass Frau-en ein um 75 Prozent höheresRisiko tragen, von Mobbing be-troffen zu werden, als Männer.Trotz dieses Ergebnisses ist esnicht zulässig, das Mobbing-Phä-nomen zu einem „Frauen-problem“ zu erklären. Schließ-lich ist zu berücksichtigen, dassFrauen eher bereit sind, gesund-heitliche Probleme zuzugebenund Hilfe zu suchen, als es beiMännern der Fall ist. Bei vielenMännern scheint der Spruch:„Indianer kennen keinenSchmerz“ auch heute noch aufder Tagesordnung zu stehen, sodass die Dunkelziffer unter ihnenin punkto Mobbing relativ hochsein dürfte.

Konsequenzen undGefahren von Mobbing

Auf den ersten Blick scheintdas Mobbing nur für die davonbetroffenen Personen mit Kon-sequenzen und Gefahren ver-bunden zu sein. Auch wenn eszutrifft, dass die Folgen fürMobbingbetroffene regelmäßigam gravierendsten sind, so gibtes auch Konsequenzen und Ge-fahren für den Mobber, für die

Auswirkungen auf das Arbeits- und Leistungsverhalten:(Mehrfachnennungen waren möglich)

Ich war demotiviert 71,9 %Ich entwickelte starkes Misstrauen 67,9 %Ich wurde nervös 60,9 %Ich war verunsichert 60,0 %Ich habe mich zurückgezogen 58,9 %Ich fühlte mich ohnmächtig 57,7 %Ich habe innerlich gekündigt 57,3 %Es kam zu Leistungs- und Denkblockaden 57,0 %Ich zweifelte an meinen Fähigkeiten 54,3 %Ich wurde ängstlich – hatte Angstzustände 53,2 %Ich war unkonzentriert bei der Arbeit 51,5 %Ich wurde gereizt/aggressiv 41,2 %Es traten vermehrt Fehler auf 33,5 %Ich fühlte mich schuldig/verantwortlich 25,0 %Es kam zu keinen Auswirkungen 1,3 %

Quelle: sfs, Schriftliche Mobbingbefragung 2001 (n = 1.316)

Belegschaft, für die Behörde bzw.Dienststelle und letztendlich so-gar für unsere gesamte Gesell-schaft.

Für den Mobbingbetroffenenergeben sich zahlreiche Konse-quenzen und Gefahren, die na-hezu alle Lebensbereiche erfas-sen und sich mithin als äußerstbedrohlich darstellen können:

Mobbinghandlungen lösen beidem Betroffenen in aller RegelStress aus, der sich negativ aufdas Wohlbefinden und auf den

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Gesundheitszustand auswirkt.Was im Einzelfall vielleicht mitÜbelkeit, Einschlafstörungenund Blutwallungen beginnt, kannetwa zu Magen- und Darm-krankheiten, Medikamenten-und Alkoholmissbrauch sowieDepressionen führen. Psychischeund psychosomatische Erkran-kungen sind die regelmäßige Fol-ge von Mobbing. Suizid undSuizidversuche bilden nicht sel-ten das letzte Glied in der Reiheder möglichen Folgen vonMobbing. Schätzungen zufolgesollen ca. 20 % aller Suizide (d.h. 30.000 pro Jahr!) auf Mobbingzurückzuführen sein.

Zu den gesundheitlichen Fol-gen, die im schlimmsten Fall miteiner dauerhaften Arbeits- bzw.Dienstunfähigkeit einher gehenkönnen, kommen die sozialenAuswirkungen von Mobbing hin-zu: der Verlust des bisherigenArbeitsbereichs (z. B. infolgeVersetzung) ist häufig zu ver-zeichnen. Mobbingbetroffenevereinsamen nicht nur an ihremArbeitsplatz, nicht selten wendensich auch Bekannte, Freunde undmanchmal sogar die eigenen Fa-milienmitglieder ab.

Der Mobber begibt sich mitseinen Mobbinghandlungen inein Spannungsfeld zwischen Er-laubtem und Verbotenem. Sozi-al adäquate Verhaltensweisen (z.B. keine Erwiderung des Grußes)sind erlaubt, mit der Folge, dassder Mobbingbetroffene diesehinzunehmen hat. Soweit aller-dings die Grenzen des rechtlichErlaubten überschritten werden,muss der Mobber mit einer Sank-tionierung seines Verhaltensrechnen.

Neben arbeits- bzw. dienst-rechtlichen Konsequenzen kanndas Verhalten des Mobbers von

strafrechtlicher Relevanz seinsowie eine Pflicht zum Ersatz derdurch ihn verursachten Schädenzur Folge haben. Ob und inwie-weit dies der Fall ist bzw. derMobber mit einer Sanktion zurechnen hat, bemisst sich nachden allgemeinen gesetzlichenVorschriften, da es in der Bun-desrepublik Deutschland keinespeziellen Normen oder gar Ge-setze zur Mobbingproblematikgibt. Allerdings haben die Erfah-rungen gezeigt, dass die Mobberbislang kaum mit einer Sanktio-nierung ihres Verhaltens rechnenmussten. Insbesondere kommenihnen dabei die Beweislastregelnzugute.

Gesundheitliche Folgen seinesTuns wird ein Mobber kaum zubefürchten haben. Anders ist esnur dann, wenn er als „Angst-Mobber“ nach den Prinzipien„Lieber mobben als selbstgemobbt werden“ bzw. „Angriffist die beste Art der Verteidi-gung“ handelt. Solch ein Mobbererkrankt in vergleichbarer Wei-se wie sein „Opfer“, da dasMobbing für ihn beachtlicher

schaft ist dann mit dem Schick-sal der Dienststelle, einzelnerAbteilungen etc. eng verknüpft.

Abgesehen von den äußerst

Stress mit erheblicher emotiona-ler Belastung ist.

Für die Belegschaft hatMobbing ebenfalls negative Aus-wirkungen, denn darunter leidenBetriebsklima und Arbeitsmoral,die Leistungsmotivation sinkt.Die emotionalen Stressfaktorenzwingen die Beschäftigten oft-mals zu einem reaktiven sowiedefensiven Verhalten, um die ei-gene Person zu schützen. In ex-tremen Fällen können Quantitätund Qualität der Arbeitsergeb-nisse derart abfallen, dass eineGefährdung der Arbeitsplätzeeintritt. Das Schicksal der Beleg-

wenigen Fällen, in denen für dieArbeitgeberseite ein gewisser„wirtschaftlicher Nutzen” ausMobbing gezogen werden kann– etwa wenn es darum geht, Per-sonal „kostengünstig“ abzubau-en bzw. zu einem „freiwilligen“Ausscheiden zu bewegen –, istMobbing für die Behörde bzw.Dienststelle nur mit negativenVorzeichen versehen. Hier stehtneben den durch Mobbing ver-ursachten Kosten vor allem derImageverlust im Vordergrund.Gemäß einer Schätzung des Psy-chologen und KonfliktforschersMartin Resch verursachen derArbeitsausfall eines Mobbing-betroffenen und die Minderlei-stung der Mobber zusammen mitdem Ausfall der Arbeitszeit vonVorgesetzten sowie der Personal-abteilung, die sich mit demMobbingfall auseinandersetzenmüssen, jährliche Kosten inHöhe von 15.000 Euro bis 50.000Euro.

Letztendlich wirkt sich Mob-bing auch negativ auf unsere

Auswirkungen auf die private und familiäre Situation:(Offene Fragestellung, Mehrfachnennungen waren möglich)

Unausgeglichenheit 23,7 %Soziale Isolation 21,6 %Streit in der Familie bzw. Partnerschaft 19,7 %Allgemein belastend 16,6 %Finanzielle Probleme 15,4 %Kraft- und Lustlosigkeit 13,9 %Aggressivität 9,6 %Thema Mobbing bestimmt Privatleben 9,6 %Depressionen 9,3 %Trennung von Partner/in 8,1 %Angst 6,7 %Verminderung des Selbstwertgefühls 6,6 %Schlafstörungen 5,8 %Misstrauen 5,7 %Positive Effekte 5,2 %Unzufriedenheit 4,6 %Kein Verständnis 4,3 %Erzwungener Umzug 2,9 %Überforderung 2,7 %Sonstiges 5,2 %

Quelle: sfs, Schriftliche Befragung (n = 920)

Gesellschaft auf. Der Verlust ansozialer Kompetenz und der Fä-higkeit zur Bewältigung vonKonflikten in einer fairen, offe-nen sowie zukunftsgerichteten

Weise gehen mit Mobbing ein-her. Der Respekt anderen gegen-über sinkt, die Solidarität weichtdem individuellen Egoismus, dieBereitschaft zur Anwendung vonGewalt als Mittel zur Lösung vonKonflikten steigt.

Aber auch in finanzieller Hin-sicht kommt unserer Gesell-schaft Mobbing teuer zu stehen.Einzelne Schätzungen gehen da-von aus, dass die durch Mobbingbedingten Behandlungskostenca. 50.000 Euro bis 65.000 Euroje Fall (bei einer Behandlungs-dauer von drei bis vier Jah-ren)betragen. Die gesamtwirt-schaftlichen Kosten aller krank-heitsbedingten Fehlzeiten (inden alten Bundesländern) ma-chen jährlich ca. 2,5 Mrd. Euroje 1 % Krankenstand aus. ProJahr werden zwischen 12.000 und25.000 Menschen aufgrund vonMobbing „frühverrentet”, wo-durch jährliche Kosten zwischen1,5 und 3 Mrd. Euro entstehen.

PSYCHOTERROR AM ARBEITSPLATZ

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Handlungsmöglichkeitenund Handlungspflichten

Es gibt zahlreiche Möglichkei-ten, um in einer akutenMobbingsituation zu intervenie-ren. Das Problem besteht eherdarin, das „Stroh vom Weizen zutrennen“ und die richtige Maß-nahme zum richtigen Zeitpunktanzuwenden. Der Erfolg einerMaßnahme hängt schließlich vonvielen einzelnen Faktoren ab. Indem einen Fall kann das ernst-hafte Gespräch zwischen demVorgesetzten und dem Mobberbereits dazu führen, dass letzte-rer seine Mobbinghandlungeneinstellt. In einem anderen Fallkann durch ein derartiges Ge-spräch allerdings auch erreichtwerden, dass der Mobber seineAngriffe in den „Untergrund“verlegt und zu subtilen, kaumnachweisbaren Handlungengreift. Ferner ist zu unterschei-den, ob das Mobbing von einemKollegen oder von einem Vorge-setzten ausgeht.

Überstürzte Reaktionen undMaßnahmen sollten möglichstvermieden, juristische Schrittemit viel Bedacht eingeleitet wer-den. Auch ist stets zu hinterfra-gen, ob eine Aufarbeitung desMobbing mit juristischen Mittelnin dem konkreten Fall überhauptdazu beitragen kann, die Situati-on zu bewältigen. Ein Prozess,den der Mobbingbetroffene ver-liert, kann den Mobber unterUmständen in seiner Auffassungbestärken, „richtig“ und vor al-lem „legal“ zu handeln. Aberauch ein für den Mobbing betrof-fenen auf dem ersten Blick posi-tiv erscheinender Prozessaus-gang kann bewirken, dass derMobber für seine Angriffe eineandere Plattform sucht, die esihm ermöglicht, aus der Anony-mität heraus mit seinem Tun fort-zufahren. Risiken und Chanceneiner juristischen Auseinander-setzung sollten daher sorgfältigund mit viel Bedacht gegenein-ander abgewogen werden.

Hilfreich ist es immer fürMobbingbetroffene, mit jeman-dem über die belastende Situati-

on zu sprechen. Wer diese Personist, spielt häufig keine Rolle. Ent-scheidend ist, dass diese das Ver-trauen des Mobbingbetroffenengenießt. Nicht selten sind folgen-de Worte zu vernehmen: „End-lich mal jemand, der mit zuhört“.Die Bedeutung solcher Gesprä-che darf nicht gering geschätztwerden. Nach so einem Gesprächsieht die Welt für den Mobbing-betroffenen oftmals schon vielbesser aus und bietet die Basisfür weitere Maßnahmen. Hierankann sich beispielsweise derGang zu einem Arzt, ein Ge-spräch mit dem Vorgesetztenoder eine Beschwerde beim Per-sonalrat anschließen.

Gleichstellungsbeauftragteund Mitglieder der Interessen-vertretung stellen für Mobbing-betroffene regelmäßig gute An-sprechpersonen dar. Insbesonde-re der Personalrat hat es in derHand, Probleme innerhalb derDienststelle mit dem Dienst-stellenleiter zu erörtern, ohneNamen nennen zu müssen.

Dass die Arbeitgeberseite aufMobbing den unmittelbarstenEinfluss hat, ergibt sich bereitsaus ihrem Weisungsrecht und ih-rer Möglichkeit, das Verhaltender Mobber zu sanktionieren.Die Fürsorgepflicht gegenüber

ihren Beschäftigten zwingt sienahezu dazu, gegen Mobbingvorzugehen sowie präventiveMaßnahmen zum Schutze vorMobbing zu ergreifen. So gibt dasArbeitsschutzgesetz dem Arbeit-geber auf, die „für die Beschäf-tigten mit ihrer Arbeit verbunde-nen Gefährdungen zu ermitteln“(§ 5 Abs. 1 ArbSchG) und „dieerforderlichen Maßnahmen desArbeitsschutzes unter Berück-sichtigung der Umstände zu tref-fen, die die Sicherheit und Ge-

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sundheit der Beschäftigten beider Arbeit beeinflussen“ (§ 3Abs. 1 ArbSchG). Dass alle Er-scheinungsformen der psycho-sozialen Belastung vom Arbeits-schutzgesetz erfasst werden unddie Personalvertretung bei derBeurteilung der Arbeitsbedin-gungen nach § 5 ArbSchG sowieder „Gefahrenabwehr“ gemäß §3 ArbSchG ein Mitbestimmungs-recht haben, ist unbestritten.

Zudem zeigen zwei Gerichts-entscheidungen aus jüngster Zeitin äußerst deutlicher Weise auf,dass der Arbeitgeber Gefahrläuft, sich gegenüber einemMobbingbetroffenen schadens-ersatzpflichtig zu machen, wenner Mobbing duldet bzw. trotz vor-liegender Erkenntnisse aus derVergangenheit keine Vorsorgetrifft, dass sich Mobbing nichtwiederholen kann.

Erstmals wurde mit der Ent-scheidung des Landesarbeitsge-richts Thüringen den Arbeitge-bern eine Organisationspflicht inder Weise auferlegt, dass eineVerletzung des Persönlichkeits-rechts der Beschäftigten infolgepsychosozialer Belastung am

Arbeitsplatz auszuschließen sei.Hieraus ergibt sich als zwangs-

läufige Konsequenz, dass es beiMobbing im Einzelfall eineSchadensersatzpflicht des Ar-beitgebers nach den Grundsät-zen der Organisationshaftunggeben kann.

Wie vorbeugen?

Dienstherr, Vorgesetzte undBeschäftigte haben es zu jederZeit in der Hand, ihr bisherigesmiteinander Umgehen am Ar-beitsplatz bzw. bei der Arbeit zuüberdenken und bei Bedarf neuzu definieren. Die Arbeitgeber-seite müsste hierzu allein schonaus den bereits erwähntenImage- und Kostengründen be-reit sein.

Das zentrale betriebspoli-tischer Mittel, gegen Mobbingvorzugehen, ist die Dienstver-einbarung. Dienststellenleiterbzw. Dienstherr und die Perso-nalvertretung haben damit dieMöglichkeit, unmittelbar undgestaltend Einfluss auf den Um-gang miteinander am Arbeits-platz zu nehmen. Den rechtli-chen Rahmen hierfür bieten diePersonalvertretungsgesetzte. Sobestimmt beispielsweise § 75Abs. 3 BPersVG, dass der Perso-nalrat mitzubestimmen hat über:

• Maßnahmen zur Verhütungsonstiger Gesundheitsschädi-gungen (Nr. 11) und

• Regelung der Ordnung inder Dienststelle und des Verhal-tens der Beschäftigten (Nr. 15).

B u n d e s g e r i c h t s h o f ,Beschluss vom 01.08.2002 –III ZR 277/01:

Für Schäden, die dadurchentstehen, dass ein Polizeibe-amter im Rahmen der ge-meinsamen Dienstausübungdurch seinen Vorgesetzten(Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG)systematisch und fortgesetztschikaniert und beleidigt wird(Mobbing), haftet der Dienst-herr des Schädigers nachAmtshaftungsgrundsätzen.

Landesarbeitsgericht Thü-ringen, Urteil vom 10.04.2001– 5 Sa 403/00:

Der Arbeitgeber ist ver-pflichtet, das allgemeine Per-sönlichkeitsrecht der bei ihmbeschäftigten Arbeitnehmernicht selbst durch Eingriffe inderen Persönlichkeits- oderFreiheitssphäre zu verletzen,diese vor Belästigungen durchMitarbeiter oder Dritte, aufdie er einen Einfluss hat, zu

schützen, einen menschenge-rechten Arbeitsplatz zur Ver-fügung zu stellen und dieArbeitnehmerpersönlichkeitzu fördern. Zur Einhaltungdieser Pflichten kann der Ar-beitgeber als Störer nicht nurdann in Anspruch genommenwerden, wenn er selbst denEingriff begeht oder steuert,sondern auch dann, wenn eres unterlässt, Maßnahmen zuergreifen oder seinen Betriebso zu organisieren, dass eineVerletzung des Persönlich-keitsrechts ausgeschlossenwird.

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Sensibilisierung undQualifizierung

• Festlegung geeigneter Maß-nahmen (z. B. Schulungsangebo-te, Vortragsreihen, Ausstellung)• Zeitpunkt und Ort derDurchführung der einzelnenMaßnahmen• Freistellung der Beschäftig-ten von ihren dienstlichenPflichten zum Zwecke der Er-möglichung der Teilnahme anden Maßnahmen

Schlussbestimmungen

• Schlichtungsstelle zur Beile-gung von Meinungsverschie-denheiten aus und im Zusam-menhang mit der Dienst-vereinbarung (Regelung derZuständigkeit, Besetzung –z. B. Hinzuziehung des „Fair-nessbeauftragten“, Verfah-rensregeln)• Bekanntmachung der Ver-einbarung (z. B. Vorstellungauf einer Personalversamm-lung unter Mitwirkung exter-ner Referenten)• Salvatorische Klausel• Verpflichtung der Vertrags-parteien zur Evaluierung undFortschreibung der Dienst-vereinbarung bei Bedarf• Inkrafttreten einer unbefri-stet geltenden Vereinbarung,sofern dies losgelöst von derUnterzeichnung der Dienst-vereinbarung erfolgen soll(s. a.: zeitlicher Geltungsbe-reich)• Kündigung der Vereinba-rung (z. B. Bestimmung einesTermins, zu dem eine Kündi-gung erstmals zulässig seinsoll, Festlegung einer Kündi-gungsfrist)• Nachwirkung der Vereinba-rung (d. h. Fortdauer über denKündigungszeitpunkt hinausbis zum Abschluss einer neu-en bzw. ablösenden Vereinba-rung)

• Aufzählung von unerwün-schten Verhaltensweisen (z. B.keine Witze und Späße, dieandere diskriminieren kön-nen)• Beschreibung des Umgangsmit Problemen und Konflikt-situationen

Konfliktlösung

• Angebote für eine Konflikt-lösung ( wie Festlegung derAnsprechpartner, Regelungdes Verfahrens, Regelung derMöglichkeit der Hinzuzieh-ung von externem Sachver-stand, Angebote für Hilfe su-chende Beschäftigte undAufzählung einzelner Hilfsan-gebote – z. B. Einrichtung ei-ner Sprechstunde, Therapeu-tische Beratung, Ausleihe vonBüchern und Broschüren,Weitergabe der Anschriftenvon externen Beratungsstel-len und Selbsthilfegruppen)

Betriebliche Anlaufstelle

• Benennung der Anlaufstel-le in einer Weise, die möglichstpositiv formuliert ist und kei-nen Raum für Vorurteile so-wie Ängste lässt (z. B. „Fair-nessbeauftragter“)• Beschreibung der Funktio-nen und Aufgaben der An-laufstelle• Stellung der Personen derAnlaufstelle (z. B. Mitglieddes Personalrats)• Ausstattung der Anlaufstel-le (z. B. Büro, Bücher, PC, Te-lefon)• Möglichkeit der Hinzu-ziehung externer Personen(z. B. Selbsthilfegruppen)• Schulung und Bildung derPersonen der Anlaufstelle• Budget bzw. Kostentragung

Dienstvereinbarung alle Be-schäftigten der Dienststelle.Anderes gilt nur dann, wenneine Beschränkung des Gel-tungsbereichs auf einzelneBeschäftigtengruppen sach-dienlich ist.• Zeitlicher Geltungsbereich:Die zeitliche Dauer derDienstvereinbarung ist dannzu bestimmen, wenn sie nichtauf unbestimmte Zeit abge-schlossen wird (s. a.: Schluss-bestimmungen).

Begriffsbestimmung

•Definition des Begriffs „Mobbing”• Aufzählung von einzelnenbeispielhaften Mobbing-handlungen (Wichtig: Es soll-te keine abschließende Auf-zählung erfolgen!)• Abgrenzung von Verhal-tensweisen, bei denen es sichnicht um Mobbing handelt(z. B. Streit, Meinungsver-schiedenheit, einmalige unge-rechte Behandlung)• Einbeziehung von Verhal-tensweisen, die nicht unterMobbing fallen, aber wieMobbing betrachtet werdensollen (mobbinggleiche Ver-haltensweisen)• bei Bedarf: Definition desBegriffs Diskriminierung(vgl. z.B. § 67 Abs. 1 Satz 1BPersVG) und Aufzählungvon beispielhaften typischenVerhaltensweisen• bei Bedarf: Definition desBegriffs sexuelle Belästigung(vgl. § 2 Abs. 2 BeSchuG) undAufzählung von beispielhaf-ten typischen Verhaltenswei-sen

Verhaltenskodex

• Aufzählung von einzelnenVerhaltensanforderungen(z. B. den Gruß erwidern,Konfliktsituationen anspre-chen)

Überschrift

•Eine positive Formulierungist wichtig, um möglichenÄngsten und Vorurteilen vor-zubeugen sowie Vorbehaltenentgegenzuwirken; sie solltenicht gegen, sondern für etwasstehen•Die Auswahl der Überschriftsollte sich daran orientieren,ob die Dienstvereinbarungnur Mobbing, oder auch dieweiteren Erscheinungsfor-men psychosozialer Belastun-gen zum Gegenstand habensoll.• Beispiel: Dienstverein-barung für ein partnerschaft-liche Verhalten am Arbeits-platz

Präambel

• Darlegung der Motive fürden Abschluss der Vereinba-rung• Erläuterung der verfolgtenAbsichten und Ziele

Da die Präambel unter ande-rem der Sensibilisierung derBeschäftigten dient und auchspäter eintretende Beschäftig-te erreichen soll, darf die Be-deutung der Präambel nichtunterschätzt werden. Dahersollte ihr bei der Ausfor-mulierung ausreichend Zeitund Raum geschenkt werden.

Geltungsbereich

• Betrieblicher Geltungsbe-reich: Es erfolgt eine Festle-gung in räumlicher Hinsicht,wobei der Geltungsbereichgrundsätzlich auf die Dienst-stelle beschränkt ist.• Fachlicher Geltungsbereich:Es wird festgelegt, für welcheBereiche einer Dienststelledie Dienstvereinbarung gel-ten soll.• Personeller Geltungsbe-reich: Regelmäßig erfasst die

Eckpunkte für eine Dienstvereinbarung zurMobbingproblematik:

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über nachgedacht wird, für dieeigene Dienststelle eine Dienst-vereinbarung abzuschließen (zubeziehen über den GdP-Landes-bezirk Brandenburg, Rudolf-Breitscheid-Straße 64, 14482Potsdam – d. R.).

Zu bedenken ist hierbei aller-dings, dass jede Dienst-vereinbarung auf die konkretebetriebliche Situation zuge-schnitten sein muss und sich da-her ein bloßes „Abschreiben“bereits vorhandener Regelungs-werke verbietet. Schließlichschlummern die (politischen)Rahmenbedingungen einzelnerVereinbarungen sowie die Be-weggründe für ihren Abschluss –häufig für Außenstehende nichterkennbar – im Verborgenen.Der „Teufel“ einer jeden Dienst-vereinbarung steckt halt im De-tail.

Zusätzlich können für denAbschluss einer Dienstverein-barung die auf Seite 13 stehen-den Eckpunkte Anregungen lie-fern, die bei der Ausarbeitungeiner Vereinbarung zur Mob-bingproblematik zu bedenkensind.

Ausblick

Dass es sich zum Wohle allerauszahlt, wenn sich die Betriebs-parteien und die Beschäftigtender Mobbingproblematik anneh-men, liegt auf der Hand: das Be-triebsklima wird besser, die Mo-tivation der Beschäftigten steigt,die Arbeitsergebnisse gewinnenan Qualität, der Krankenstandsinkt – und letztendlich werdenneben einem Imagegewinn un-nötige Kosten vermieden.

Bereits diese wenigen Aspek-te verdeutlichen, dass es keinen

Beide Normen können alsrechtliche Grundlagen für denAbschluss einer Dienstverein-barung zur Mobbingproble-matik herangezogen werden,wobei allerdings zu beachten ist,dass § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVGim Zweifel einen größerenGestaltungsspielraum eröffnet,als dies bei § 75 Abs. 3 Nr. 15BPersVG der Fall ist.

Wichtig ist in diesem Zusam-menhang, dass die Personalver-tretung im Rahmen der vorge-nannten Vorschriften nicht nurein Mitbestimmungsrecht, son-dern sogar ein Initiativrecht hat.Die Personalvertretung kanngemäß § 70 Abs. 1 BPersVGMaßnahmen gegen Mobbingvorschlagen. Sofern dem Antragnicht entsprochen wird, bestimmtsich das weitere Verfahren nach§ 69 Abs. 3, 4 BPersVG.

Die einmalige Chance, dieeine Dienstvereinbarung zurMobbingproblematik beinhaltet,ist zum einen darin begründet,dass sie sowohl präventive alsauch Konflikt bewältigendeAspekte beinhalten kann. Zumanderen können mit ihr auch die

übrigen Erscheinungsformenpsychosozialer Belastungen, na-mentlich die Diskriminierungsowie die sexuelle Belästigung,angegangen werden.

Wie ein derartiges Regelungs-werk aussehen kann, veran-schaulicht beispielhaft die„Rahmendienstvereinbarungüber den Umgang mit Mobbingam Arbeitsplatz in den Polizeibe-hörden und -einrichtungen desLandes Brandenburg”. Sie kannals Hilfestellung und Anregungherangezogen werden, wenn dar-

wirklichen Grund gibt, dasMobbingphänomen zu ignorie-ren. Wer der Ansicht ist, Mobbingsei an seinem Arbeitsplatz keinThema – gemäß dem Motto:„Mobbing? – aber nicht beiuns!“, - sollte seine Ohren „spit-zen“. Wer sich des Themas wirk-lich annimmt, wird oftmals rechtschnell eines Besseren belehrtund erfahren, dass „Mobbing? –bei uns leider auch!“ existiert, imVerborgenen schlummert unddarauf wartet, endlich beseitigtzu werden.

Literatur zum Thema:• GdP Arbeitshilfe 9: Mobbing

am Arbeitsplatz• Esser/Wolmerath, Mobbing:

Der Ratgeber für Betroffene undihre Interessenvertretung, 4.Aufl., Frankfurt am Main 2001

• Europäisches Parlament(Hrsg.), Mobbing am Arbeits-platz, SOCI 108 DE, Luxemburg2001

• Leymann, Mobbing: Psycho-terror am Arbeitsplatz und wieman sich dagegen wehren kann,Reinbek bei Hamburg 1993

• Leymann (Hrsg.), Der neueMobbing-Bericht, Reinbek beiHamburg 1995

• Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbing-Re-port: Repräsentativstudie für dieBundesrepublik Deutschland,Dortmund/Berlin 2002

• Wolmerath, Mobbing im Be-trieb: Rechtsansprüche und de-ren Durchsetzbarkeit, Baden-Baden 2001

• Zapf, Mobbing in Organisa-tionen - Überblick über denStand der Forschung, Zeitschriftfür Arbeits- und Organisations-psychologie Heft 1/1999

PSYCHOTERROR AM ARBEITSPLATZ

Hier noch einige Internet-adressen:

www.mobbing-net.dew w w . m o b b i n g - a m -arbeitsplatz.dewww.mobbing-abwehr.dewww.mobbing-web.dewww.gesuender-arbeiten.dewww.mobbing-help.de

Die Redaktion

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INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONSTECHNIK

Digitalfunk zügig einführenDie Finanzministerkonferenz hat mit ihrer Beschlusslagevom 14.11.2002 die zwingend notwendige Einführung desdigitalen Funks für die Sicherheitsbehörden weiter verzö-gert. Die Finanzierung eines digitalen Funknetzes für dieSicherheitsbehörden sei unrealistisch, hieß es dort. Dar-aufhin schrieb die GdP am 26.11.2002 die Ministerpräsi-denten an, damit nun von dort ein „Machtwort“ gespro-chen werde.

In Art. 44 des SchengenerÜbereinkommens vom 19. Juni1990 hat sich die BundesrepublikDeutschland verpflichtet zu prü-fen, ob mit der Errichtung eineseuropaweit einheitlichen Sprech-und Datenfunksystems für Si-cherheitsbehörden ein Ausgleichfür den Wegfall der Grenzkon-trollen geschaffen werden könne.

1996 hat sich die Innen-ministerkonferenz auf die Ent-wicklung von Konzepten zurEinführung eines digitalen Funk-systems für die Sicherheitsbehör-den verständigt, da dieses Vorha-ben für die innere Sicherheit derBundesrepublik Deutschlandvon besonderer Bedeutung warund auch heute noch ist.

Bis zur Fußball-Weltmeister-schaft 2006 sollten alle Sicher-heitsbehörden und Rettungs-dienste in Deutschland mitDigitalfunk ausgerüstet werden,beschloss die Innenminister-konferenz im November 2000.

Die Anschläge in den USA imSeptember 2001 haben die Über-legungen der Innenminister und-senatoren in Bund und Ländernmehr als deutlich bestätigt und diePolitik betonte die Notwendigkeitzur Erneuerung der Sprach- undDatenfunktechnik immer wieder.Sowohl im Bundestag als auch imBundesrat wurde nach den o. a.Anschlägen in den USA festge-stellt, dass den Sicherheitsbehör-den zu ihrer Stärkung die notwen-digen rechtlichen und sachlichenMittel an die Hand gegeben wer-den müssen, um in der jeweiligenLage angemessen reagieren zukönnen.

Zuletzt hat die Bundesregie-rung mit Kabinettsbeschluss vom27. März 2002 die Errichtung ei-

nes gemeinsamen bundesweitendigitalen Sprech- und Daten-funksystems zur Verbesserungder Kommunikation der Sicher-heitsbehörden und Rettungs-dienste unterstützt.

All diesen Worten müsstennun auch zügig die Taten folgen!

Während in der privaten Wirt-schaft die Umstellung auf digita-le Funknetze in vollem Gange ist,sind deutsche Sicherheitsbehör-den immer noch auf die Nutzung

auch die öffentlichen Netze über-lastet bzw. zusammengebrochenwaren, Kuriere auf die Reise ge-schickt werden.

Der durch die Einführung desdigitalen Funksystems nutzbareMehrwert zum Schutz des Bür-gers, Schutz von Menschenlebenund Gemeinschaftseigentum istnach Auffassung der GdP in dieGesamtbetrachtung in angemes-sener Weise einzubeziehen. Dashaben die Finanzminister bishernicht getan.

Die GdP muss bei den Finanz-ministern eine offenbar generel-le Ignoranz der Sicherheitsbe-dürfnisse durch mehrfach wie-derholte Forderung nach Absen-kung der Anforderungen an denMindeststandard feststellen. Obdie „billige“ Technik den opera-tiv-taktischen Anforderungendann noch genügt, interessiert

Belastungen der Haushalte, alsdas digitale System. Digitalfunkleistet damit also einen Beitragzur Haushaltskonsolidierung.

Einig ist man sich in Experten-kreisen, dass es weder praktika-bel noch vertretbar sei, öffentli-che Netze als BOS-Digitalfunk-Lösung zu nutzen.

Die Fußball-Weltmeister-schaft 2006 rückt in greifbareNähe. Sie wird zu einem hohenEinsatzaufkommen insbesonde-re der Polizeien der Länder unddes Bundes führen.

Während ein kleines Land wieKorea es geschafft hat, nochrechtzeitig zur Fußball-Weltmei-sterschaft 2002 ein digitalesFunknetz für die Sicherheitsbe-hörden in Betrieb zu nehmen,gerät die BundesrepublikDeutschland auch im Vergleichzu anderen europäischen Län-dern technisch immer weiter inRückstand.

Unsere europäischen Nach-barn Belgien, Niederlande,Österreich, Großbritannien, Nor-wegen, Finnland, Polen, Frank-reich und die Schweiz haben zumTeil schon vor Jahren mit demAufbau von Digitalfunknetzenbegonnen. Deutschland ist dies-bezüglich ein weißer Fleck imeuropäischen Raum.

Die GdP hat in ihrem Schrei-ben die Ministerpräsidenten dar-auf hingewiesen, dass die Beibe-haltung des Analogfunks für diedeutschen Sicherheitsbehördenauf Dauer nicht nur zu höherenBelastungen der Landeshaushal-te und des Bundeshaushalts unddamit zur Gefährdung der Zieledes Stabilitätspaktes führe, son-dern auch zu einer nicht kalku-lierbaren Gefährdung der inne-ren Sicherheit.

Wer heute noch in analogeFunktechnik investiert berück-sichtigt nicht, dass diese seit 30Jahren in Betrieb befindlicheTechnik total veraltet und derenlangfristige Verfügbarkeit durchdie Hersteller – mangels Nach-frage – nicht mehr gesichert ist.

HMue

analoger Technik, die ihren Ur-sprung in den 70er Jahren hat,angewiesen, die den taktischen,technischen und datenschutz-rechtlichen Anforderungen derSicherheitsbehörden schon lan-ge nicht mehr genügt. Bei Groß-und Katastropheneinsätzen istdas noch in Betrieb befindlicheanaloge Netz mehrfach zusam-mengebrochen. Zuletzt geschahdies beim Einsatz anlässlich desJahrhunderthochwassers. ZurÜbermittlung wichtiger Füh-rungsinformationen mussten, da

die Finanzminister ganz offen-sichtlich nicht. Hauptsache dasGanze ist billig!

Die von der Zentralstelle Ein-führung Digitalfunk (ZED) ein-gesetzte Arbeitsgruppe „GAN“hat nach Kenntnis der GdP eineabschließende Beschreibung ei-nes Mindeststandards, die mitallen Bundesländern abgestimmtwurde, am 12.11.2002 der Innen-staatssekretärskonferenz vorge-legt. Demnach führe die Beibe-haltung des analogen Funk-systems auf Dauer zu höheren

Moderner Digitalfunk ist in den verschiedenen Einsatzbereichenunerlässlich. Foto: Motorola

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SCHÖNEBERGER FORUM

„Flexibilisierung” –Bemäntelung für KürzungBeim 5. Schöneberger Forum des Deutschen Gewerk-schaftsbundes am 26./27. November 2002 im BerlinerSchöneberger Rathaus widmeten sich Gewerkschafter,Wissenschaftler und Politiker dem Thema „Dienstrecht imWettbewerb – Beamtinnen und Beamte zwischen Reform-und Kürzungspolitik“.

Der öffentliche Dienst seistark, weil das Berufs-beamtentum Traditionen fort-setzte und gleichzeitig Reformendurchführe, meinte der frühereInnenminister von Schleswig-Holstein, Prof. Hans-Peter Bull.Zwar wandte er sich gegen reinwirtschaftliches Denken, hieltaber die Leistungsfähigkeit desöffentlichen Dienstes für nichtausreichend. Schwachpunkt beider Modernisierung des öffent-lichen Dienstes sei die Führungs-ebene; sie nehme ihre Füh-

ministerium, Fritz Rudolf Kör-per, den Ausbau der leistungsori-entierten Besoldung heraus. Esmüsse ein ausgewogenes Ver-hältnis von flexiblen Regelungenund Einheitlichkeit geben, dabeiaber ein Wettbewerbswettlaufvermieden werden. Er haltebundesrechtliche Vorgaben fürnotwendig, aber aus finanzpoli-tischer Sicht sollte ein flexiblesGestalten möglich sein, um dashomogene und starre System derBesoldung aufzubrechen. DieBerliner Gesetzesinitiative über

knüpft. Insoweit sei der BerlinerVorschlag falsch, weil das Ge-setzesvorhaben nur Haushalts-löcher stopfen soll.

Einen Kontrapunkt zu denAussagen seiner Vorredner setz-te der GdP-Vorsitzende KonradFreiberg in seinen Ausführungen.Vehement wandte er sich gegendie Aufgabe der bundeseinheit-lichen Besoldung. Er erinnertean das Zustandekommen derVereinheitlichung Ende der 60er,Anfang der 70er Jahre durch Ein-fügung eines Artikels 74 a in dasGrundgesetz. Die Berliner Initia-tive qualifizierte er als einenGriff in die Taschen der Beam-ten: „Was Berlin ausgeheckt unddie übrigen Länder im Bundes-rat übernehmen wollen, ist nichtsanderes als die Aufkündigungder Treuepflicht“. Dagegen wer-den die Gewerkschaften und ihreMitglieder sich nach Freibergheftig zur Wehr setzen. Für dieGdP kündigte der Vorsitzendeeinen Aufstand der Ordnungshü-ter an und appellierte eindring-lich an die Politiker, eine Politikzu machen, die den Bürgerinnenund Bürgern und unserem Landnützt.

Berlins Finanzsenator, ThiloSarrazin, verteidigte hingegendie Berliner Gesetzesinitiative.Berlin habe ein Ausgaben-problem und dies könne er we-gen des Scheiterns der Solidar-paktgespräche mit den Gewerk-schaften nur noch über eine Ab-senkung der Besoldung lösen.ver.di-Vorstandsmitglied Christi-an Zahn warf Sarrazin vor, mitden Öffnungsklauseln in der Be-soldung den Flächentarifvertragangreifen zu wollen. Dabei seiendoch die Gewerkschaften bereit,über eine Reform des BAT alsein leistungsorientiertes Entgelt-system zu verhandeln. Notwen-dig sei hierzu die Motivations-steigerung der Beschäftigten undnicht ein Klima der Unsicherheitdurch die angekündigten Strei-chungen im Bezahlungsbereich.

Prof. Ullrich Battis von der

rungsverant-wortung nichtausre ichendwahr und esfehle an Füh-rungskompe-tenz. Nach Bullbedarf dieBundesstaat-lichkeit einerVielzahl vonRegelungen –insbesondereim Bezah-lungssystem.Abweichun-gen vom Bun-d e s n i v e a umüssten hinge-nommen wer-den, allerdingsunter Beach-tung des Art.72 GG und ei-nes ausreich-enden Niveaus.Darüber hin-aus forderte erbessere Chan-cen für Lei-stungswillige.

Als Ziel der Bundesregierungstellte der parlamentarischeStaatssekretär im Bundesinnen-

Öffnungsklauseln finde die Zu-stimmung der Bundesregierung,wenn sie an Bedingungen an-

Konrad Freiberg auf dem Schöneberger Forum Foto: hol

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Humboldt-Universität Berlinbescheinigte den Initiatoren derÖffnungsklauseln, Missbrauchmit positiven Begriffen zu betrei-ben. Begriffe wie Föderalismusund Wettbewerb würden genutzt,um zu sparen; Haushaltsnötewürden unter dem DeckmantelModernisierung bekämpft. Battishielt eine Öffnung der Besoldunggrundsätzlich für machbar. Aller-dings bedürfe es auch einer Öff-nung nach oben, sollte diese ver-fassungsrechtlich unbedenklichsein, wobei der Spreizung aberGrenzen gesetzt sein müssten.

Prof. Werner Jann, Universi-tät Potsdam, bekannte sich zu ei-ner Föderalisierung desBezahlungssystems. Er beobach-te auch im internationalen Ver-gleich einen Trend zur Dezentra-

lisierung, Regionalisierung,Funktionalisierung. Für mehrWettbewerb bedarf es einer Per-sonalführung im öffentlichenDienst, die sei im öffentlichenDienst geradezu schlecht.

Prof. Hans-Peter Stoephasius,Fachhochschule Berlin, gingnoch einen Schritt weiter: letzt-lich müsse die Frage erlaubt sein,ob nicht im Rahmen des Wettbe-werbs der Beamtenstatus abzu-schaffen sei.

Dieter Wiefelspütz, der innen-politische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hielt sichhinsichtlich der Haltung derBundestagsfraktion zur BerlinerInitiative sehr bedeckt. Erst müs-se die Entscheidung des Bundes-rates abgewartet werden.

Silke Stokar, das Pendant der

ABGEORDNETE

GdP-Mitglieder im BundestagSchon gewusst? Die GdPhat fünf Mitglieder im Bun-destag. Im Folgenden ihreKurzporträts:

Grünenfraktion im DeutschenBundestag, wurde deutlicher.„Wenn der Bundesrat Öffnungs-klauseln will, dann wird es dafürauch eine Mehrheit im Deut-schen Bundestag geben“.

Gegen die Aufgabe der Be-soldungseinheit sprach sich derinnenpolitische Sprecher derFDP-Fraktion, Max Stadler, aus.Er sehe darin eine Ermächti-gung, die Bezüge zu kürzen. Des-halb stehe er in SachenÖffnungsklauseln an der Seitedes DGB.

Auch der beamtenpolitischeSprecher der CDU/CSU-Frakti-on, Roland Gewalt, wandte sichgegen eine einseitige Flexibilisie-rung der Bezüge. Seine Fraktionwolle kein Einkommens- unddamit auch Leistungsgefälle in-

nerhalb der BundesrepublikDeutschland. Für die CDU-/CSU-Fraktion erschwere Flexi-bilisierung den Wechsel der Be-amten zwischen den Gebietskör-perschaften. Angesagt sei viel-mehr eine Aufgabenkritik vorFreigabe der Beamtenbezüge.

Übereinstimmend bekunde-ten SPD- und Grünen-Vertreter,in der Flexibilisierungsfrage er-neut das Thema Bandbreiten-regelung aufgreifen zu wollen.Das Forum endete mit dem An-gebot von Dieter Wiefelspütz andie Gewerkschaften, in einemWorkshop die Frage der von denDGB-Gewerkschaften geforder-ten besseren Beteiligungsrechte„Verhandeln statt Verordnen“eingehend zu erörtern.

HJA

Heidi Wright (SPD) – auf demFoto mit Harald Schneider, stellv.GdP-LandesbezirksvorsitzenderBayern –, Jahrgang 1951, gelern-te Rechtsanwaltsgehilfin undMutter von vier Kindern ist seit1994 Mitglied des DeutschenBundestages. Zur GdP kam sie1989, denn vor ihrer Wahl überdie Landesliste Bayern war sieVerwaltungsangestellte bei derPolizei. In den ersten acht Jahrenihrer Tätigkeit im DeutschenBundestag war sie Mitglied imAusschuss für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirt-schaft und zuletzt stellv. agrar-politische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. In der neu-en Wahlperiode haben sich ihreSchwerpunkte durch ihre Mit-gliedschaft im Ausschuss für Ver-kehr, Bau- und Wohnungswesenverlagert. Heute ist sie Koordi-natorin für Bayern für die Fort-schreibung des Bundes-verkehrswegeplans und Bericht-erstatterin u.a. für die ThemenVerkehrssicherheit und jugend-liche Fahranfänger, Straßenver-kehrslärm, Fahrradverkehr, Steu-ern und Abgaben im Verkehrs-

bereich (KfZ-Steuer, Mineralöl-steuer). Vor allem in diesen Be-reichen will sie in Zukunft engmit den Kolleginnen und Kolle-gen auf den Dienststellen und inder Gewerkschaft zusammenar-beiten. Die Kürzungsbestre-bungen in der Beamtenbesol-dung sorgen sie sehr: “Ich meine,dass sie verfassungsrechtlich äu-ßerst bedenklich sind, da unter-schiedliche Bezahlung bei glei-cher Tätigkeit den Gleich-behandlungsgrundsatz verletzenwürde. Außerdem könnten Ab-wanderungstendenzen in finan-ziell besser ausgestattete Bun-desländer noch verstärkt wer-den.“

Geboren 1949 in Passau warDr. Max Stadler (FDP) nach sei-ner Promotion 1977 in seinerHeimatstadt zunächst Staatsan-walt und dann Richter bevor er1994 über die bayerische Landes-liste in den Deutschen Bundes-tag einzog. Noch heute ist derVater eines Sohnes Vorsitzenderder FDP-Stadtratsfraktion inPassau. Bereits in der vergange-

nen Wahlperiode wurde Dr. MaxStadler, der 1997 in die GdP ein-trat, zum innenpolitischen Spre-cher seiner Fraktion gewählt –ein Amt, dass er auch in der neu-en Legislatur wieder gern über-

nommen hat. Seine InhaltlichenSchwerpunkte im Innenaus-schuss sind Innere Sicherheit undinnere Liberalität, Asyl-, Auslän-der- und Staatsangehörigkeits-recht sowie die Reform des öf-fentlichen Dienstes. Vor derSchaffung von Öffnungsklauselnfür einzelne Bundesländer in der

SCHÖNEBERGER FORUM

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Der Kläger war im August1999 mit seinem Pkw in eineVerkehrskontrolle geraten. DieBeamten beschlagnahmten da-bei ein auf dem Armaturenbrettinstalliertes Radarwarngerät,woraufhin sich der Kläger beimInnenministerium Baden-Würt-temberg „wegen Raubes einesBreitbandempfängers durch Be-amte des Einflussbereiches desInnenministeriums“ beschwerte.

In ihrer Entscheidung stützendie Richter die Anordnung derzuständigen OrtspolizeibehördeWeinheim, das Radarwarngeräteinzuziehen und anschließend zuzerstören. Denn ein Verkehrsteil-nehmer, der ein Radarwarngerätmit sich führe, schaffe durch sei-ne Absicht, Geschwindigkeitsbe-schränkungen nicht einzuhalten,eine Gefahr für die öffentlicheSicherheit.

Durch das Einziehen desRadarwarngeräts sollte verhin-dert werden, dass es dem Klägerweiterhin möglich sei, sich über„straßenverkehrsrechtliche Vor-schriften hinwegzusetzen undfolgenlos Ordnungswidrigkeitenzu begehen“, die dem Schutz vonLeib und Leben anderer Ver-kehrsteilnehmer dienten. Seitdem 1. Januar 2002, so bemerk-ten die Richter letztlich, seienRadarwarngeräte übrigens ver-boten. MiZi

Beschluss vom 29.10.2002 –1 S 1925/01

„Das Mitführen eines be-triebsbereiten Radar-warngerätes auf öffentlichenStraßen in einem Kraftfahr-zeug ist unzulässig.“ Damitbestätigte der in Mannheimsitzende Verwaltungsge-richtshof (VGH) Baden-Würt-temberg in einem Beschlussvom 29.10.2002 ein Urteildes VerwaltungsgerichtsKarlsruhe.

VERKEHRSRECHT

Polizei darf Ra-darwarngeräteeinziehen

Beamtenbesoldung und -ver-sorgung warnt Dr. Max Stadler:„All dies ginge zu Lasten der inden siebziger Jahren mühsamerkämpften Einheitlichkeit vonBesoldung und Versorgung derBeamten in Bund und Ländern;die Einheitlichkeit der Lebens-verhältnisse im öffentlichenDienst in Bund, Ländern undGemeinden würde gefährdet; einunguter Wettbewerb zwischenden Dienstherren wäre ebensodie Folge wie die Schwächung fi-nanzschwacher Länder und Ge-meinden bei der Gewinnungqualifizierten Personals. Wenndie Bundesregierung auf dieseÜberlegungen eingeht, lässt sieauch auf diesem Feld die Maskefallen: Beamte sollen die Folgender unseriösen Haushaltspolitikin Bund und Ländern ausbaden.“

Aus dem aktiven Polizeidienstals Leiter der Kriminalpolizei desKreises Borken kam Hans-PeterKemper (SPD) 1993 die nord-rhein-westfälische Landesliste in

den Deutschen Bundestag. Der1944 geborene Vater von zweiKindern hatte zunächst diehöhere Landespolizeischule be-sucht bevor er über von derSchutzpolizei zur Kripo wechsel-te. Hans-Peter Kemper, der 1981der GdP beitrat, ist Mitglied imVorstand der SPD-Bundestags-fraktion und Vorsitzender derNRW-Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. BeimInnenausschuss-Mitglied Kem-

per haben die Themen Beamten-und Besoldungsrecht, Polizeian-gelegenheiten und Asylrecht inseiner politischen Tätigkeit Vor-rang. In der Diskussion um dieÖffnungsklausel im ÖffentlichenDienst plädiert Hans-PeterKemper für allergrößte Vorsicht:“Sie muss dreimal überlegt wer-den; denn sie würde das Tarif-und Besoldungsrecht in ihrenGrundstrukturen nachhaltig ver-ändern.“

Neu im Deutschen Bundestagist der 1962 geborene Kollege

Jürgen Herrmann (CDU) ausBrakel. Bis zu seiner Wahl warder Vater zweier Söhne imnordrhein-westfälischen Polizei-dienst als Dienstgruppenleiter imFührungs- und Lagedienst beider Bezirksregierung Detmold.Gleich zu Beginn seiner Ausbil-dung, die ihn über Bonn undHöxter nach Detmold führte, warJürgen Herrmann 1980 in dieGdP eingetreten.

Im Bundestag vertritt er miteinem Direktmandat den Wahl-kreis Höxter-Lippe II. Seiner par-lamentarischen Arbeit wird er inerster Linie im Verteidigungs-ausschuss nachgehen, aber auchim Innen- und Petitionsaus-schuss, in denen er stellvertreten-des Mitglied ist. Zu der geplan-ten Öffnungsklausel bei der Be-amtenbesoldung sagt JürgenHerrmann: „Ich meine, grund-sätzlich sollte das Prinzip gleicherLohn für gleiche Arbeit gelten.Die Einführung von Öffnungs-

klauseln in der Beamtenbesol-dung läuft dem zuwider, wofürsich die GdP zu Recht immer ein-gesetzt hat: Einheitliche Besol-dung in Ost und West, also in al-len Ländern.“

Bereits in der dritten Legisla-turperiode nimmt Frank Hof-mann (SPD), Jahrgang 1949, seinMandat über die LandeslisteBayern im Deutschen Bundestagwahr. Der Vater zweier Töchterist Diplomvolkswirt und warKriminaloberrat beim BKA. Indie GdP trat er 1994 ein. Er warVerfasser der Lehr- und Studien-briefe Kriminologie I und Krimi-nologie II, die im VDP erschie-nen sind.

Als ordentliches Mitglied imInnenausschuss und stellvertre-tendes Mitglied im Auswärtigen

Ausschus des Deutschen Bun-destages und aufgrund seinerberuflichen Erfahrungen enga-giert sich Frank Hofmann beson-ders im Bereich Terrorismus-bekämpfung, für eine neueSicherheitsarchitektur, für dieZusammenarbeit zwischen denSicherheitsbehörden und für dieZukunft des BGS in einem grö-ßeren Europa. Neben seiner Tä-tigkeit als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Unter-suchungsausschuss zu den CDU-Parteispenden setzte er sich inder vergangenen Legislaturperi-ode besonders für die Weiterent-wicklung im Bereich der Korrup-tionsbekämpfung ein.

Zusammengestellt von AnjaWeusthoff.

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VERKEHRSRECHT

Verfolgung läuft ins LeereIm September 2001 hat die EU-Kommission ein Aktions-programm bis zum Jahr 2010 vorgelegt, um dieStraßenverkehrssicherheit zu optimieren und die Opfer-zahlen bis zum Jahr 2010 um 50 % zu senken Sie siehtden Verkehr mehr und mehr als eine potenzielle Gefahrund beklagt die relative Toleranz gegenüberStraßenverkehrsunfällen. Täglich kämen dabei in der EUso viele Menschen um wie beim Absturz eines mittelgro-ßen Flugzeugs (im Jahr 40.000).

Ohne große Aktionen könntedie EU einen wesentlichen Bei-trag zur Verkehrsdisziplin unddamit zur Verkehrssicherheit lei-sten, indem sie für die Verfolgungvon Verkehrsordnungswidrig-keiten über Grenzen hinwegsorgt. Denn die subjektive Ent-deckungswahrscheinlichkeit undharte Sanktionen haben einennachgewiesenen direkten und si-

gnifikanten Einfluss auf denGrad der Befolgung von Ver-kehrsregeln.

Ausländische Verkehrsteil-nehmer, die im BundesgebietVerkehrsordnungswidrigkeitenbegangen haben, werden – außerin besonders gravierenden Fällen– wegen Erfolglosigkeit gar nichterst angezeigt bzw. eingeleitete

Verfahren deshalb grundsätzlicheingestellt. Die Vollstreckungvon Geldbußen läuft praktischins Leere, da ein Ersuchen umVollstreckung einer Bußgeld-entscheidung an einen auswärti-gen Staat nur dann möglich ist,wenn eine entsprechende völker-rechtliche Vereinbarung umge-setzt wird. Dies ist jedoch bislangnur ausnahmsweise der Fall –beispielsweise zwischenDeutschland und Österreich(BGBl. II 1990, 357, 1334).

Hoffnungsvolles Ergebnisformell gescheitert

Im April 1999 haben Deutsch-land, die übrigen zwölf Schen-gen-Staaten sowie Norwegen

und Island ein Übereinkommenzur Verfolgung von Verkehrs-verstößen unterzeichnet (Doku-ment SCH/III (96) 25, 18. Rev.,vom 31. März 1999).

Es sollte eine einheitliche völ-kerrechtliche Grundlage für diegrenzüberschreitende Ahndungab 40 Euro Bußgeld schaffen undvon der Halterfeststellung beizentralen Verkehrsregisterbe-hörden, über die Anhörung Be-troffener im Ausland bis hin zurVollstreckung rechtskräftig ver-hängter Geldsanktionen das Ver-fahren regeln. Leider ist seineRatifizierung wegen einer For-malie in der EU-Zusammenar-beit gescheitert: Norwegen undIsland gehörten zwar demSchengen-Verbund an, nicht je-doch derEU. >

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Unbefriedigender neuer(langer) Weg

Deutschland hat danach zwarim Herbst 2000 den Entwurf fürein Übereinkommen übermit-telt, mit dem die Regelungen desSchengen-Übereinkommens in-haltlich wieder aufgegriffen unddie Rechtsfehler behoben wer-den sollten. Der Entwurf wurde

seitdem in den EU-Gremien je-doch nicht beraten. Statt dessensteht auf der Tagesordnung einevon Großbritannien, Frankreichund Schweden erarbeitete Initia-tive für einen Rahmenbeschlussüber die Anwendung des Grund-satzes der gegenseitigen Aner-kennung von Geldstrafen undGeldbußen durch den Rat, derGeldstrafen und Geldbußen inallen Rechtsbereichen betreffensoll (ABl. EG Nr. C 278/4 vom2.10.2001). Dieses neue Papierträgt den besonderen Umstän-den bei den Straßenverkehrs-ordnungswidrigkeiten jedochnicht Rechnung.

Zwar hat der Rahmenbe-

schluss gegenüber dem SchengenIII-Übereinkommen den recht-lichen Vorteil, dass den EU-Mitgliedstaaten eine verbindli-che Frist für die Umsetzung vor-gegeben werden soll, jedochmuss er aus Sicht der Länder unddes Bundes um folgende Vortei-le des Schengen III-Überein-kommens nachgebessert werden:

a) Berücksichtigung der deut-schen Verkehrsordnungswidrig-keiten, nicht nur der Verkehrs-

verstöße, dienach ausländi-schem RechtS t r a f t a t e nsind

b) Berück-sichtigung derBeiderseitig-keit der Straf-barkeit, weilandernfalls inDeutschlandauch Sanktio-nen voll-streckt wer-den müssten,die nach derd e u t s c h e nR e c h t s o r d -nung nichtverhängt wer-den könnten(z. B. für dieNichtbenen-nung des Fah-rers durch ei-nen Halter)

c) Aner-kennung derj e w e i l i g e nHöchstgren-zen bei Geld-

strafen bzw. Geldbußen, weil an-dernfalls erhebliche Unterschie-de zum deutschen Sanktions-niveau auftreten könnten

d) Einführung einer Voll-streckungsmindestgrenze von 40Euro, weil eine hohe Grenze diedeutschen Verfahren vielfachvon der Vollstreckung ausneh-men würde und deutsche Ord-nungswidrigkeiten nicht berück-sichtigt würden

e) Aufnahme der im Vertragzwischen den Schengen-Staatenvereinbarten rechtshilferecht-lichen Regelungen (Halterfest-stellung, Regelungen über dieunmittelbare Zusammenarbeitder Behörden bei Nachermitt-

lungen usw.), weil andernfalls diedeutschen Verfahren wegen deshohen Anteils der automatisier-ten Verkehrsüberwachung (ohneAnhalten des Betroffenen) viel-fach trotz des Rahmenbe-schlusses ohne Relevanz wären.

Im September 2002 haben dieLänder das Bundesverkehrs- unddas Bundesjustizministerium ge-beten, dafür Sorge zu tragen, dassdie deutsche Seite dem Rahmen-beschluss nur bei Berücksichti-gung sämtlicher genannten Ände-rungen zustimmt. Im Oktober2002 haben die Justiz- und Innen-minister der EU die Angelegen-heit beraten, leider ohne Einigung.

Zwar ist es mittlerweile un-strittig, dass Verkehrsordnungs-widrigkeiten zum Regelungs-gegenstand der Richtlinie gehö-ren sollen, jedoch hat die Forde-rung Deutschlands, als Verfol-gungsuntergrenze 40 ¬ zu erklä-ren, keine einstimmige Zustim-mung erfahren. Und da imRahmenbeschluss keine Rege-lungen zur Rechtshilfe vorgese-hen sind, hat die Bundesregie-rung die politisch verbindlicheErklärung eingebracht, dass un-mittelbar nach Unterzeichnungdes Abkommens ein zweites mitden Regelungen zum Vollzugvorzulegen ist.

Bernhard Strube

WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT

BKA-Herbsttagung

Zu schnell, geblitzt und nicht geahndet? Die Vollstrek-kung von Geldbußen gegen ausländische Verkehrsteil-nehmer läuft gegenwärtig vielfach ins Leere. Foto: dpa

Anlage- ,K r e d i t v e r-m i t t l u n g s -und Subven-tionsbetrug,Insider- undS c h e i n g e -schäfte, ge-fälschte Bi-lanzen, Pro-dukt- oderMarkenpira-terie, Börsen-delikte oderKorruption –all das sindFacetten desg l e i c h e nDelikts. DerJahresbericht Wirtschaftskrimi-nalität 2001 weist aus, dass110.018 Fälle im letzten Jahr be-gangen wurden. Diese lediglich1,73 Prozent der Gesamtkrimi-nalität verursachten einen Scha-den von 13,19 Milliarden DM,dies entspricht einem Anteil von61,7 Prozent am Gesamtschaden,

den alle Fälle mit Schadenssum-men verursachten.

Gegenüber dem Jahr 2000 warein Anstieg in Höhe von 21,3Prozent zu verzeichnen. Ca. 2/3aller registrierten Fälle warenBetrugsdelikte. Die Aufklärungs-quote lag im Jahr 2001 bei 97,3Prozent. Diese eminent hohe

In seiner Eröffnunsrede forderte BundesinnenministerOtto Schily bei der Bekämpfung der Wirtschafts-kriminalität u. a. einen besseren Informationsflusszwischen den beteiligten Behörden. Foto: dpa

VERKEHRSRECHT

„Wirtschaftskriminalität und Korruption“ so lautete dasThema der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes vom19. bis 21.11.2002 in Wiesbaden.Mehr als dreihundert Teilnehmer aus Polizei, Justiz, Wirt-schaft und Wissenschaft berieten Strategien gegen diehohe Wirtschaftkriminalität

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Aufklärungsquote ergibt sichdaraus, dass Täter und Opfer inder Regel bekannt sind.

Die jährlich verzeichnetenDelikte der Wirtschaftskrimina-lität unterliegen starken Schwan-kungen. War 1999 gegenüberdem Vorjahr noch ein Anstiegum 26,3 Prozent zu verzeichnen,so gingen im Jahr 2000 die Fälleum 16,3 Prozent zurück. Ca.33.000 Tatverdächtige wurdenregistriert, sie machen einen An-teil von 1,46 Prozent aller Tatver-dächtiger aus. Die Struktur derTatverdächtigen ist im wesentli-chen gleich geblieben: 63 Prozentwaren männlich, der AnteilNichtdeutscher betrug 12,6 Pro-zent.

Zunehmende Verflech-tung mit organisierterKriminalität

Nicht zuletzt die Zahlen desJahres 2001 bestätigten, dass dasThema „Wirtschaftskriminalitätund Korruption“ ein anhaltendaktuelles Thema ist und dahersehr geeignet, im Mittelpunkt ei-ner BKA-Herbsttagung zu ste-hen.

In seiner Eröffnungsrede for-derte Bundesinnenminister Otto

Schily zu einem verstärktenKampf gegen die Wirtschafts-kriminalität auf. Wegen des gro-ßen Dunkelfeldes seien wesent-lich größere Anstrengungen nö-tig. Nicht zuletzt der immense,aus den Delikten resultierendeSchaden gebe „Anlass zu großerSorge“. Schily forderte insbeson-dere einen besseren Informa-tionsfluss zwischen den beteilig-ten Behörden. Beispielhaft seienhierfür die zwischen Polizei undden Diensten nach den Terroran-schlägen des 11. Septembers ge-schaffenen „Info-Boards“ unddie beim BKA neu gegründete„Financial Intelligence Unit“.

Besondere Sorgen bereitenSchily die zunehmende Verflech-tung zwischen Wirtschafts-delikten und Organisierter Kri-minalität und die zunehmendenZahlen von Anlegerbetrug imAktienmarkt. Dies führe zu starkgeschundenem Vertrauen derAnleger in den Aktienmarkt unddamit zu geringeren Investitions-neigungen.

„Organisierte Kriminalitätund Wirtschaftskrimina-lität füh-ren kein getrenntes Eigenleben.Vielmehr stellt die Wirtschafts-kriminalität mittlerweile nachdem Rauschgifthandel den stärk-sten Kriminalitätsbereich der

OK in Deutschland dar“, soSchily in seiner Eröffnungsrede.

Der BKA-Präsident, Dr. Ul-rich Kersten, wies in seinem Bei-trag über „Wirtschaftskrimi-nalität als Strukturkriminalität“darauf hin, dass sie keineswegsein „Delikt ohne Opfer“ sei.Auch er forderte einen höherenStellenwert der Bekämpfung derWirtschaftskriminalität ein.

nowÜber die weiteren, hochinteres-

santen Vorträge, Erkenntnisseund Anregungen der anwesendenFachleute berichtet DP in derFebruarausgabe.

Aus: BKA-Jahresbericht Wirtschaftskriminalität 2001

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Polizeiliche Fahndung –neue Wege zum ErfolgDie polizeiliche Fahndung gilt seit jeher als eine wesentli-che Säule des Ermittlungsverfahrens. Zielstrebigkeit,Schnelligkeit und Koordination entscheiden dabei ganzwesentlich über Erfolg oder Misserfolg und prägen soauch das Bild von polizeilicher Arbeit in der Öffentlichkeit.Um insbesondere in der Öffentlichkeitsfahndung noch ef-fektiver zu werden, ist es geboten, die modernen Kommu-nikationsmittel wie das Internet, Mobil- und Satelliten-telefone oder aber das Digitalfernsehen einzubeziehen,denn für immer mehr Bürger gehören diese Medien be-reits zum Alltag.Mit der künftigen Nutzung der neuen Medien für effektiveFahndungen befasst sich das BKA – speziell das neu ge-schaffene Servicecenter Fahndung (ZD 13-1).Kriminaloberkommissar Heiko Schneider vom Bundeskri-minalamt Wiesbaden berichtet über Grundpositionen derÖffentlichkeitsfahndung und die aktuellsten Projekte.

Nahezu alle polizeilichenErmittlungsaktivitäten mündenfrüher oder später in die zweck-orientierte Suche nach Personenoder Sachen – kommen aberauch häufig an dieser Stelle insStocken. Bedenkt man, dass na-hezu 80 Prozent aller polizeilichregistrierten Straftaten unterMithilfe der Bevölkerung aufge-klärt werden, wird die zentrale

Fachzeitschriften, Fahndungs-plakaten, Funk und Fernsehengilt es, die Möglichkeiten derneuen Medien mehr und mehr zunutzen.

Internetfahndung

National wie internationalsind derzeit zahlreiche Bemü-hungen im Gange, die polizeili-chen Internetauftritte zu struktu-rieren und – aus Sicht der Fahn-dung – zu optimieren. So auch imBKA. In Kürze sollen die völligneuen Internet-Fahndungs-rubriken des Bundeskriminalam-tes unter www.bka.de ins Netzgestellt werden. Diese neue Ver-sion der Internetfahndung er-laubt neben der Erfassung vonPersonen auch die Ausschrei-bung von numerischen undnichtnumerischen Gegenstän-den. Grundsätzlich können jeg-liche Arten von Gegenständen,Dokumenten, Falsifikaten usw.optimal abgebildet werden.

Die „sonstige Sachfahndung“beinhaltet darüber hinaus die„TOP 20“ der gesuchten/sicher-gestellten Gegenstände – darun-ter auch Gegenstände aus aktu-ellen Ermittlungsverfahren. Au-ßerdem sind Vorbereitungen fürein sogenanntes „Bürger-Fahn-

Rolle der Fahndung in der Öf-fentlichkeit deutlich.

Nimmt man die Bevölkerungbei der Aufklärung von Strafta-ten in Anspruch, sind vorab auskriminalistischer Sicht etlicheFragen zu klären. U. a.:

• Welche Informationen,sollen zu welchem Zweck derÖffentlichkeit mitgeteilt wer-den?

• Will man die Öffentlich-keit in Gänze oder nur teilweiseum Mithilfe bitten?

• Soll die Öffentlichkeits-fahndung regional, überregionaloder international erfolgen?

• Welche Medien bietensich an? Wie kann der Bürger amkomfortabelsten seine Informa-tionen der Polizei übermitteln?

• Liegen die rechtlichenVoraussetzungen im konkretenEinzelfall vor?

• Wie lange soll die Fahn-dung dauern, wann sind Aktua-lisierungen nötig?

• Wie verfährt man mit denoft massenhaft eingehenden Hin-weisen?

• Wer ist zu beteiligen?Wer ist verantwortlich?

Bei der Beantwortung derFragen ist neben der jeweiligenPolizeitaktik insbesondere derrechtliche Rahmen zu berück-sichtigen. Mit dem Strafver-fahrensänderungsgesetz 1999wurden durch die §§ 131 ff StPOerstmals explizite Regelungenfür den Komplex der Öffent-lichkeitsfahndung in die Straf-prozessordnung aufgenommen,die fortan bindend sind (s.Informations-Kasten auf S. 27 ).

Neben den klassischen Fahn-dungshilfsmitteln wie Presse und

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strieren, erhält er automatisiertper Newsletter Informationen zulaufenden Fahndungen – z. B.:Polizei Bremen fahndet nachMörder der 8-jährigen Tina, wei-tere Infos unter: www.bka.de.

Hierbei kann der Nutzer wäh-len, ob er über alle neuen Fahn-dungen oder nur über solche be-stimmter Kategorien in Kenntnisgesetzt werden möchte.

Selbstverständlich kann dieRegistrierung jederzeit durch

dungsportal“ geschaffen. Hierwird der Nutzer polizeilich sichergestelltes Diebesgut als Eigentü-mer identifizieren können. Erkann den Gesamtbestand nachGegenständen durchsuchen undim Falle der Identifizierung diesauch unmittelbar per E-Mail an-zeigen. Die Darstellung von Die-besgut in diesem „Bürger-Fahn-dungsportal“ wird sich allerdingsnach bisheriger Planung aufGroßsicherstellungen bzw. be-deutsame Sicherstellungen be-schränken.

Die Erfassung von Personen-und Sachfahndungen, die zurVeröffentlichung auf der BKA-Homepage bestimmt sind, wirdkünftig über ein sogenanntesRedaktionstool zentral im Ser-vicecenter Fahndung (BKA/ZD13-1) erfolgen können.

Newsletter

Die Überlegungen zur Neuge-staltung der BKA-Internetfahn-dung sehen auch vor, registrier-ten Bürgern Möglichkeiten zueröffnen, mittels eines News-letters fortlaufend über aktuelleFahndungen informiert zu wer-den.

Dafür wird die Fahndungs-rubrik der BKA-Internetseiteum eine Mailingliste ergänzt.Lässt sich ein Internet-Nutzermit seiner E-Mail-Adresse regi-

ÖffentlichkeitsfahndungÖffentlichkeitsfahndung

beinhaltet die Bekanntgabevon persönlichen Daten einesBetroffenen sowie individuel-len Merkmalen eines Gegen-standes, wodurch die unmit-telbare Identifizierung unter-stützt werden kann. Sie rich-tet sich an Personen im In-und/oder Ausland, die nichtden Strafverfolgungsbehör-den angehören und dient demZwecke der Kenntnisnahme,Erkenntnismitteilung und/oder Weiterverbreitung.

Persönliche Daten sind da-bei insbesondere die erweiter-ten Personalien sowie Licht-bilder, Videoprints, Phantom-bilder und auch mittels Com-putertechnik virtuell gealter-

te Abbildungen einer gesuch-ten Person.

Grundsätzlich sind Maß-nahmen der Öffentlichkeits-fahndung an das Vorliegen ei-ner Straftat von erheblicherBedeutung (vgl. §§ 98a, 100a,110a StPO) gebunden. In Aus-nahmefällen, nämlich bei der„Massierung“ gleichartigerStraftaten mit ernsthaftenSchäden/Gefahren für die All-gemeinheit, kommen auch bei„mittlerer“ KriminalitätÖffentlichkeitsfahndungen inBetracht.

Liegen konkrete Anhalts-punkte dafür vor, dass einevermisste Person Opfer einerStraftat geworden ist, richtet

sich die Zulässigkeit einerÖffentlichkeitsfahndung nach§ 131 b Abs. 2 StPO, da diesePerson als Zeuge angesehenwerden kann.

Dagegen ist die Veröffent-lichung von persönlichen Da-ten und Abbildungen einerPerson, die Opfer einesTötungsdeliktes wurde, ge-setzlich nicht eindeutig gere-gelt. Grundsätzlich ist deshalbdavon auszugehen, dass aufstaatsanwaltschaftliche An-ordnung hin eine Veröffentli-chung möglich ist, zumaldurch die Maßnahme Erfolgversprechende Hinweise ausder Bevölkerung zu erwartensind und die Aufklärung desSachverhaltes unterstütztwird.

Personenfahndung im Internet

den Nutzer zurückgenommenwerden. Darüber hinaus ist vor-gesehen, die Fahndungsnotie-rungen künftig auf Film- undTonsequenzen zu erweitern, so-zusagen multimedial zu fahnden.

Extrapol – das interneFahndungssystem derPolizei der Zukunft?

Mit der behördeninternenVernetzung, dem sog. Intranetder Polizei (oder auch Extrapol),steht der Polizei ein weiteresKommunikationsmedium zurVerfügung, das den Anforderun-gen im Hinblick auf eine schnel-le und komfortable Verbreitungvon Fahndungsmeldungen (hierim Polizeibereich) gerecht wird.

Nachteilig ist derzeit lediglichdie noch begrenzte und bundes-weit höchst unterschiedlich aus-geprägte Zugriffsmöglichkeit derDienststellen. Mittelfristig wer-den jedoch Fahndungsbilder undSachverhalte in Sekundenschnel-le bundesweit abgerufen und –viel wichtiger – in die täglicheFahndung mit einbezogen wer-den können.

Man denke in diesem Zusam-

menhang auch an das bishernoch überwiegend in Papierformerscheinende Bundeskriminal-blatt (BK-Blatt). Gerade für die-ses, z. Z. nicht weg zu denkendeFahndungsinstrument, bietetExtrapol eine ganze Reihe vonMöglichkeiten, mehr und mehrhin zu einer elektronischen, mul-timedialen BK-Blatt-Ausgabe zukommen.

Hieran arbeitet das BKA be-reits mit Hochdruck und istschon seit Anfang November2002 mit einer ersten Ausgabe„BK-Blatt online” im Extranetpräsent.

Die Einstellung von Fahn-dungsinformationen in das poli-zeiliche Extranet stellt defini-tionsgemäß keine Maßnahmeder Öffentlichkeitsfahndung dar,denn Adressaten dieser polizei-internen Fahndung sind aus-schließlich Mitarbeiter der Straf-verfolgungsbehörden.

Mobiltelefone

Weiterhin ist beabsichtigt,künftig die Fahndungsnotie-rungen einschließlich der Fahn-

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dungsfotos der 10 meist gesuch-ten Personen für den Bürgermittels der sogenannten WAP-Funktion auch über das Mobil-telefon abrufbar zu machen.Rein technisch gesehen keinProblem. Das Bundeskriminal-amt ist auf dem Weg, die hierzuerforderlichen Dateiformate zugenerieren, die sodann weltweitmobil verfügbar wären.

SMS-Fahndung

Die Überlegung ist hier, inherausragenden Fahndungs-lagen (z. B. Ausbrüche vonSerienstraftäter und Sexual-/Gewaltverbrecher, Vermiss-tenfälle oder Bankraube) vonzentraler Stelle (meist den örtli-chen Einsatzleitstellen) mittelseiner dort installierten Softwareeinem auf eine bestimmteFahndungsregion begrenztenPersonenkreis – wie Taxifahrer,Schmuck- und Antiquitäten-händler, Banken, Bahn- undNahverkehrspersonal sowie dieMitarbeiter des städtischen Ord-nungsdienstes (Knöllchenjäger)– einen Fahndungstext per SMSzu senden.

Die Polizei setzt dabei auf diefreiwillige Mitarbeit von ausge-

suchten Teilen der Bevölkerung.Angesprochen werden sollen zu-nächst Personen, die sich berufs-bedingt im öffentlichen Raumbewegen und daher der Polizeiwichtige Hinweise liefern können.Daneben können natürlich auchPolizeibeamte innerhalb und au-ßerhalb ihres Dienstes zumEmpfängerkreis gehören.

Zu diesem Zweck werden die

bestehenden Sicherheitspartner-schaften zwischen Polizei, städti-schen Ordnungsämtern, Taxi-gewerbe, Öffentlichem Perso-

nen-Nahverkehr sowie anderenprivaten und öffentlichen Ein-richtungen intensiviert.

Die ausgewählten Personenerhalten eine Kurznachricht aufihr Handy, etwa mit der Beschrei-bung eines flüchtigen Bankräu-bers, eines entwichenen Häftlingsoder einer vermissten Person.Auch Kfz-Kennzeichen könnenohne Zeitverzug übermittelt undauf dem Display abgerufen wer-

den (sogar das Übersenden vonFahndungsfotos via SMS ist be-reits möglich).

Das sog. SMS-Rundsende-verfahren (ca. 1500 SMS pro Se-kunde sind möglich) kann bishe-rigen Einschätzungen zufolgenutzbringend für die zielgerich-tete Öffentlichkeitsfahndung imRahmen einer akuten Nahbe-reichsfahndung sein sowie auchals Alarmierungs-/Informations-system für die eigenen Kräftedienen.

Nach intensiver Prüfung derrechtlichen und technischen Vor-aussetzungen wird dieser Fahn-dungsansatz derzeit im Rahmenvon 11 Pilotprojekten in den Po-lizeidienststellen des Bundes undder Länder erprobt und – beipositivem Projektverlauf – auchflächendeckend implementiert.

Fernsehfahndungen perTele- bzw. Video-Text:

Kern dieser BKA-Initiative istdie Einrichtung einer stets

gleichbleibenden Seitenreihen-folge im Video-/Teletext derFernsehsender, auf der rund umdie Uhr Fahndungen der Polizeiabgerufen werden können.

Am 19. September 2002 gabBundesinnenminister OttoSchily den Startschuss für dieTestphase. Ab sofort kann jeder-mann auf den Teletext-Seiten 895bis 899 von RTL, Sat1, Pro7, Ka-bel1, VOX und N24 (demnächstvermutlich auch noch beiEuroNews, Deutsche Welle,CNN u. a. Sendern) tagesaktuelleFahndungsmeldungen der deut-schen Polizei abrufen, weiterfüh-rende Links, meist ins Internet,einsehen und, im Falle eines Hin-weises, direkt Kontakt mit dersachbearbeitenden Dienststelleaufnehmen.

Erschlossen wurde hiermit einweiteres Medium, über das eingroßer Teil der Bevölkerungweltweit erreicht werden kann.Besonderen Anreiz, diese Tele-text-Seiten regelmäßig zu besu-chen, bieten neben nützlichenInformationen rund um die

Datenbanksystem mit komfortabler Verarbeitung von Massenhinweisen

SMS-gestützte Fahndung

FAHNDUNG

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Fahndung vielfach auch Beloh-nungen, die im Falle eines sach-dienlichen Hinweises aus derBevölkerung zugeteilt werdenkönnen.

Die Mitarbeiter des Service-centers Fahndung ermöglichenden Bedarfsträgern in Bund undLändern die schnelle und lage-angepasste Veröffentlichung ih-rer Fahndungsmeldung und be-raten in taktischen und rechtli-chen Fragen. Hierbei wird einebundesweite Redaktions-/Filter-funktion ausgeübt. Die Einstel-lung von Fahndungsmeldungenkann rund um die Uhr über einbei ZD 13-1 eingerichtetes inter-netbasiertes Redaktionstool undstets in enger Abstimmung mitder sachbearbeitenden Dienst-stelle erfolgen.

Im Zuge des sog. DIGI-TEX-TES (wurde auf der IFA 2002,Berlin, erstmals vorgestellt) undläuft derzeit im Großraum Ber-lin/Brandenburg bereits test-weise, soll künftig auch die Dar-stellung von Bildern innerhalbdes Videotextes möglich sein.

Geografische Analyseper Elektronik

Die schnelle und bedarfsge-rechte Verfügbarkeit von quali-fiziertem Personal und Material,lageangepasste Fahndungs-methoden und -strategien sowiedie behördenübergreifende Zu-sammenarbeit im In- und Aus-land sind einige Faktoren, dieden Fahndungserfolg ganz ent-scheidend mitbestimmen.

Um hierbei stets „up-to-date“zu sein, greifen die Mitarbeiterdes Servicecenter Fahndung in-teressante Entwicklungen im In-und Ausland auf und prüfen inZusammenarbeit mit den Be-darfsträgern deren Nutzbarkeitfür Fahndungszwecke. Diesumfasst die Informationstechnikebenso wie neue Arbeitsmetho-den.

Teil dieses Arbeitsfeldes istaktuell die Entwicklung einesDatenbanksystems mit einer

geografischen Analysekompo-nente. Dieses Computersystemsoll insbesondere die komforta-ble Verarbeitung von Massenhin-weisen für Taktik und Führungbieten.

Grundlage hierfür kann dieDatenbankanwendung PC Dukeder LPD Karlsruhe sein (aberauch jede andere) sowie einGeografisches Informationssy-stem (z. B. MapInfo GIS). ErsteErgebnisse dieser Arbeiten sindauf Seite 26 oben zu sehen.

Die praktische Nutzbarkeitsoll demnächst im Rahmen einesPilotprojektes in einer Länder-dienststelle unter Beweis gestelltwerden.

SatellitengestütztesWarnsystem der Bundes-regierung –Infrastrukturfür polizeiliche Fahn-dung?

Seit dem 1. Januar 2001 nimmtdas Bundesverwaltungsamt dieAufgaben des Zivilschutzes aufBundesebene wahr. Dafür hat esdie Zentralstelle für Zivilschutzin Bonn als Abteilung V einge-richtet. Dazu gehört auch eineWarnzentrale sowie drei Zivil-schutzverbindungsstellen, die inEinrichtungen der NATO-Luft-verteidigung in Deutschland un-tergebracht sind.

Die Zivilschutzverbindungs-stellen bzw. die Warnzentrale inBonn erfassen Gefahren, setzen

die Bevölkerung über bedrohli-che Lageentwicklungen übersämtliche verfügbaren Medien(Radio, TV, Internet, Mobilfunketc.) in Kenntnis und informie-ren über Verhaltensweisen.

Nach dem 11. September 2001wurde hierfür ein satelliten-gestütztes Kommunikationssy-stem zur Übertragung von amt-lichen Gefahrendurchsagen andie öffentlich-rechtlichen Rund-funkanstalten (Radio, TV) aufge-baut (Auftraggeber: BMI), das

künftig auch die privatenRundfunkanbieter sowie Presse-agenturen wie z. B. DPA, AFPmit umfasst.

Derzeit sind etwa 80 privateund öffentlich-rechtliche Medienüber dieses System erreichbar.

Aus polizeilicher Sicht bestehtmit dieser kurz skizzierten Tech-nologie eine problemlos funktio-nierende Infrastruktur, um (beiausgewählten Fahndungslagen)in Sekundenschnelle alle in denVerteiler aufgenommenen Medi-en mit einer entsprechendenFahndungs-/Warnmeldung zuversehen. Von Fall zu Fall kön-nen sowohl die „Fahndungs-region“, als auch der Adressaten-kreis individuell bestimmt wer-den. Kürzlich wurden die Lage-zentren der Innenministerien derLänder in den Kreis der zur Er-fassung berechtigten Institutio-nen aufgenommen. Die Polizeikönnte sich also auf kurzemWege dieser Infrastruktur bedie-nen. Ein Projekt, bei dem es sichaus Sicht der Polizei durchauslohnt, am Ball zu bleiben!

Das satellitengestützte Warnsystem der Bundesregierung – nutzbar fürdie polizeiliche Fahndung? Abbildungen (4): BKA

Rechtsgrund-lagen

Bei der Öffentlichkeits-fahndung werden naturge-mäß höchst persönliche Da-ten von Personen verwendetund der Öffentlichkeit preis-gegeben. Das erfordert eineexplizite Rechtsgrundlage.Umfassende Fahndungsvor-schriften sind im Strafver-fahrensänderungsgesetz(STVÄG) von 1999 fest ge-schrieben.

Eine ausführliche Dar-stellung dieser Fahndungs-vorschriften ist abgedrucktin der Juristischen Rund-schau, Heft 4/2002, Seite137ff., Verfasser: Kriminaldi-rektor Dr. Michael Soiné.

Dosierter Umganggeboten

Nachdem einige Möglichkei-ten und Visionen für die polizei-liche Fahndungsarbeit aufgezeigtwurden, möchte ich nochmalsdaran erinnern: Öffentlichkeits-fahndung nur soweit nötig!

Sicherlich wäre es falsch, sichNeuerungen zu verschließen.Gleichwohl gebieten kriminal-praktische Grundsätze selbst beieiner breiten Palette von Mög-lichkeiten stets einen dosiertenUmgang mit den Instrumentender Öffentlichkeitsfahndung.

Wir unterstützen Siegerne!

Nähere Informationen zu denAktivitäten rund um die Fahn-dung erhalten Interessenten vomServicecenter Fahndung z. B. te-lefonisch unter 0611-55-13063.Gern wird dort auch der betref-fende Fall erörtert und nach We-gen gesucht, dem Täter ein Stücknäher zu kommen!

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REISE

3. BUNDESSENIORENFAHRT

Diese Flusskreuzfahrt verbindetdie zwei bekanntesten Residenz-städte der Zaren – Moskau undSt. Petersburg –, wahre Schatz-kammern der russischen Kultur.

Unterwegs erwarten uns auf denrussischen Wasserwegen eineunvergessliche landschaftlicheVielfalt, weltberühmte Städtemit prachtvollen Bauten und ei-ner großen Geschichte.

1.Tag: Anreise nach MoskauEmpfang durch Reiseleitung/GdP-Reisebegleitung, Transferzum Schiff.

2. und 3. Tag: MoskauStadtrundfahrt: Roter Platz,Basilikuskathedrale, Kreml-Mauer, Lenin-Mausoleum, Kauf-haus GUM u.a.m. Spaziergangauf dem Roten Platz im Herzender Stadt.Kremlbesuch und Beginn derKreuzfahrt

4. Tag: UglitschWir erreichen eine der ältestenStädte an der oberen Wolga.Landgang mit Besichtigung desUglitscher Kreml und der ge-schichtsträchtigen Dmitrij-Blut-Kirche.

5. Tag: Goritsy – Kirillo-Bjeloserskij-KlosterBesichtigung der eindrucksvol-len Anlage.

6. Tag: KischiWeißer See, Wolga-Ostsee-Ka-nals, Onega-See; Besichtigungder inmitten des Sees gelegenenInsel Kischi mit hervorragendenDenkmälern russischer Holz-architektur.

7. Tag: Svirstroj/ MandrogaErholung an der „Grünen Anle-gestelle“ Svirstroj oder Man-droga. Einfahrt in den Ladoga-See, über die Newa nach St.Petersburg.

8. und 9.Tag: St.PetersburgStadtrundfahrt durch das bezau-bernd schöne „Venedig des Nor-dens“: u. a. Schlossplatz, Winter-palast, Alexandersäule, StandbildPeter des Großen, Isaaks-Kathe-drale, Newskij Prospekt; Besuch

der weltbekannten Eremitage(mit einer der größten Gemälde-sammlungen der Welt) und desWinterpalastes

10. Tag: Rückreise vonSt. Petersburg

Flug ab Düsseldorf, München,Hamburg, Berlin, Frankfurt undHannover.

Weitere Einzelheiten wie Visa-gebühren und Reisevollver-sicherung sind im Reisean-meldungsformular zu finden.

lnsgesamt stehen 100 Plätze zudiesem Exclusiv-Angebot zurVerfügung. Eine Vergabe derPlätze erfolgt nach der Reihen-folge der Anmeldungen.

Im Reisepreis eingeschlosseneLeistungen:

• An-/Rückreise per Flugzeug(Lufthansa/Pulkovo Aviation)• alle Transfers in Russland• Unterbringung auf dem Schiffin der gebuchten Kabinen-kategorie• Vollpension (beginnend mitdem Abendessen am Anreisetag,endend mit dem Frühstück amAbreisetag)• Besichtigungsprogramm nachReisebeschreibung• deutschsprechende Reiselei-tung/GdP-Reisebegleitung• gewerkschaftliches Begleit-programm

Reiseanmeldungen sind zu rich-ten an:

GdP-Bundesvorstand, Abt. III,Carmen Marcantonio,Tel.: 0211-7104-209Fax: 0211-7104-145

Nach der Ankündigung derSenioren-Reise in DP 12/02hier nun wie versprochen,nähere Informationen zu Lei-stungen und Preisen.

Wolga-Flusskreuzfahrt auf der MS Andropow

Preise:Frühbucherpreisebis 28.02.2003

Doppelkabine Hauptdeckp. Pers. Euro 939,00Mitteldeckp. Pers. Euro 984,00Oberdeckp. Pers. Euro 1049,00Doppelkabine alsEinzelkabine HauptdeckEuro1309,00Doppelkabine alsEinzelkabine MitteldeckEuro 1354,00Einzelkabine OberdeckEuro 1339,00

Für Buchungen ab01.03.2003 wird ein Zuschlagvon Euro 25,00 p. Pers.erhoben.

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TERRORISMUS

Franchising-TerrorismusVon Berndt Georg Thamm

Am 23. Oktober 2002 brachte ein 50-köpfigesSelbstmordkommando der Kampfgruppe „IslamischesRegiment“ aus Tschetschenien rund 800 Besucher desMusicaltheaters Nordost in Moskau in seine Gewalt undforderte ultimativ das Ende des Krieges im Kaukasus. 58Stunden später stürmten Soldaten der Elite-Einheiten„Alpha“ und „Wympel“ und der Spezial-Einheit „Witjas“das besetzte Theater unter Verwendung eines Nervenga-ses. 41 Terroristen wurden getötet, 129 Geiseln starbennoch im Theater oder in den ersten Tagen nach demSturmlauf an den Folgen des betäubenden Einsatzmittels.

Fast zeitgleich hatten über 800Polizisten, Soldaten und Zivil-schützer aus Frankreich, Italien,Spanien, Österreich, Belgien,Schweden und Griechenlandden Ernstfall geprobt, der sich inso fataler Weise als MoskauerRealität präsentierte. Zwei Tagelang war für diese Antiterror-Großübung Westeuropas größ-ter Truppenübungsplatz in Süd-frankreich gesperrt.

„Die Ereignisse in Moskauhaben gezeigt, wie nötig eine der-artige Übung war“, sagte eineSprecherin der EU-Kommissionam 28. Oktober auf dem in derProvence gelegenen Geländedes MilitärstützpunktesCanjuers.

Euratox 2002

Die Terrorszenarien bei dieserersten europäischen Zivilschutz-übung („Euratox 2002“) warendie Explosion einer schwach ra-dioaktiven Bombe in einemKino, der Austritt von Ammoni-ak in einem Schwimmbad undein Giftgasanschlag von einemKleinflugzeug aus auf ein Sport-stadion mit mehr als 20.000 Ver-letzten. Mit dieser Großübungsollte verfolgt werden, wie dieKommandokette bei Rettungs-einsätzen funktioniert. Darüberhinaus sollte die Zusammenar-beit der Zivilschutz-Organisatio-nen optimiert werden. Zu den 60EU-Beobachtern gehörte auchder Leiter der französischenZivilschutzbehörde MichelSappin. Er bilanzierte nach der

Übung, dass die Rettungskräftenicht schnell genug gewesen sei-en – und die Einheiten zur De-kontaminierung der Opfermüssten verdoppelt werden. Derschwedische Beobachter JonasHolst monierte ganz praktischeDinge, von Schwierigkeiten beiAnpassung der Schläuche wegenfehlender Normierung bis hin zuSprachproblemen.

Rettungswesen inDeutschland

Auch für Deutschland, das an„Euratox 2002“ nicht beteiligt

war, diagnostizieren Sicherheits-experten im Rettungsweseneklatante Probleme. Kai Hirsch-mann von der Bundesakademiefür Sicherheitspolitik in Bonnbeispielsweise wies darauf hin,dass hier ein „heilloses Kompe-tenz-Wirrwarr“ bestehe. In ruhi-gen Zeiten würde die Zusam-menarbeit der Behörden wohlgut funktionieren, doch unterdem Druck einer akuten Notla-

ge würde das System schnell zu-sammenbrechen. Die entschei-dende Schwachstelle sei die Tren-nung der Zuständigkeiten.

Den Katastrophenschutz, alsoden Schutz der Bevölkerung inFriedenszeiten, organisieren dieBundesländer in eigener Regie.Der Bund hingegen zeichnet fürden Zivilschutz in Kriegszeitenverantwortlich.

Disharmonien ob differenterFührungsstrukturen dürfen nichtdie einzigen Schwächen im ter-roristischen Ernstfall sein, dieQualität der Zusammenarbeitverschiedener Hilfskräfte darfnicht vom Zufall abhängen. Vor

diesem Hintergrund fordert Nor-bert Burger, Leiter der StändigenKonferenz für Katastrophenvor-sorge und Katastrophenschutz,ein Gesamtkonzept, das die un-terschiedlichen Zuständigkeitensinnvoll vereint. Da bioterro-ristische und andere Gefahrenals schlimmste Szenarien nichtauszuschließen seien, gehörten indas Gesamtkonzept letztlichauch, so Bayerns Innenminister

Günther Beckstein, „klare Struk-turen der Zusammenarbeit zwi-schen der taktisch-operativenFührung vor Ort und der Bun-deswehr“.

Terror digital

Für die Gegenwart rechnenSicherheitsexperten mit konven-tionell/physischen Bedrohungen,am ehesten mit Sprengstoffan-schlägen. Bereits hier werden At-tentäter wohl auch das Internetzur Erlangung sicherheits-relevanter Informationen (z. B.Streckenpläne für Gefahrengut-

Während derZivilschutz-Übung „Euratox2002“ warendie Explosioneiner schwachradioaktivenBombe, einGiftgasalarmund die chemi-sche Verseu-chung einesSportstadionsmit mehrerentausend Verletz-ten geprobtworden.

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transporte, Konstruktionsplänevon Brücken, Luftaufnahmenvon Fabrikanlagen) schon nut-zen. In Zukunft, so Netz-Exper-ten, werden Terroristen dieInformationstechnik nicht nurzur Planung ihrer Aktionen nut-zen, sondern Angriffe direkt überdas Internet starten.

Erst im November 2002 hatteein Vertrauter von Osama BinLaden in einem Interview mitdem US-Fachblatt „Computer-world“ angekündigt, dass die al-Qa’ida und andere Fundamenta-listen-Gruppen das Internet „alsWaffe im Djihad gegen den We-sten“ einsetzen werden. Nichtwenige westliche Internet-Spe-zialisten bezweifeln, dass radika-le Islamisten Interesse an cyber-terroristischen Aktionen haben.

Unstrittig ist hingegen dieGefahreneinschätzung, was ter-roristische Selbstmordattentäterbetrifft – bis hin zum „WorstCase“.

Schutzobjekt Kernkraft-werk

Der Anschlag auf die Zwil-lingstürme des World Trade Cen-ters hat auch den Blick auf dieSicherheit, von Atomkraftwer-ken verändert. Gegen Angriffevon Selbstmordattentätern ausder Luft läßt sich jedoch nur we-nig ausrichten, wie Anfang No-vember auch auf der Konferenz„Eurosafe“ in Berlin wieder fest-gestellt wurde. Mit „katastropha-

len Konsequenzen“ einer sol-chen Attacke rechnete zu diesemZeitpunkt Joachim Fechner,beim Bundesumweltministeriumfür Reaktorsicherheit zuständig,für die meisten der 19 inDeutschland arbeitenden Reak-toren nicht. Doch haben nachden Anschlägen in den USAauch hier in Deutschland die Ver-antwortlichen die Gefahr derSabotage durch Insider in ihreÜberlegungen einbezogen. Dierund 30.000 Beschäftigten inDeutschland wurden genaue-stens überprüft, bei rund 20 vonihnen gab es Zweifel an der Zu-verlässigkeit. Ihnen wurde dieZugangserlaubnis zu den Anla-gen entzogen. Der 11. Septemberhat die Dinge verändert. Er habedafür gesorgt, so DetlefCwojdzinski, Referatsleiter fürKatastrophenmedizin (Berlin),„dass wir jetzt in größeren Di-mensionen denken“. Das trifftinsbesondere auf die Bedrohungdurch Kampfstoffe zu.

Terrorwaffe „schmutzigeBombe“

International herrscht Angst,dass Terroristen mit strahlendemMaterial eine „schmutzige Bom-be“ bauen könnten. So sagte erstvor sechs Wochen der Vize-Sicherheitsminister von Geor-gien, Irakli Alasanija, der Agen-tur Interfax, dass al-Qa’ida ver-suchen könnte, Ampullen mitCäsium an sich zu bringen, das

früher zu Experimenten in derLandwirtschaft eingesetzt wor-den sei.

Wie viele kleine Mengen an-gereicherten Urans seit demEnde der Sowjetunion aus russi-schen Kernkraftanlagen „ver-schwunden“ sind, vermag nie-mand zu sagen. Und in Ostafri-ka konnte die Polizei Tansanias,die Mitte November 110 Kilogeschmuggeltes Roh-Uran be-schlagnahmte, auch nicht sagen,ob es bei diesem offensichtlichgeplanten Uran-Handel einenterroristischen Hintergrund ge-geben hatte. Der Zugriff aufNuklearmaterial durch ein Netz-werk wie al-Qa’ida ist heute ge-nausowenig auszuschließen wiedie Erreichbarkeit chemischerKampfstoffe.

Terrorwaffe Giftgas

Seit dem Anschlag der japani-schen Endzeitsekte AUM Shinri-Kyo mit Sarin auf den öffentli-chen Nahverkehr (U-Bahn) inTokio im März 1995 gehört inden Krisenstäben auch der An-schlag mit Giftgasen und ande-ren chemischen Kampfstoffen zuden denkbaren Szenarien. Vordiesem Hintergrund wurde inGroßbritannien Mitte Novemberder Festnahme von drei Nord-afrikanern in London hohe Auf-merksamkeit geschenkt. Infor-mationen der „Sunday Times“,nach denen die Männer einenGiftgasanschlag mit Cyanid aufdie U-Bahn geplant hatten, wur-den zunächst offiziell nicht kom-mentiert. Die vom BritischenGeheimdienst MI5 überwachtenVerdächtigen sollen Mitgliederder terroristischen Gruppe„Nordafrikanische Front“ gewe-sen sein, der Verbindungen zural-Qa’ida nachgesagt werden.Die Londoner U-Bahn, täglichvon ca. 3,5 Millionen Menschengenutzt, soll von dieser Gruppeüber Monate ausgespäht wordensein. Wenn von ihr Blausäuregasin kleinen Behältern in das weit-verzweigte Tunnelsystem ver-bracht worden wäre, und derFahrtwind hätte das Gas durchden Zug getrieben, wären mög-licherweise Zehntausende U-Bahnfahrgäste in Lebensgefahr

gewesen. Der Anschlag bliebglücklicherweise im Planungs-stadium.

Der französische Nachrichten-dienst, er soll den britischen Kol-legen Hinweise gegeben haben,schließ nicht aus, dass diese„nordafrikanische Zelle“ Verbin-dungen zur algerischen „Gruppeislamische Armee“(GIA)hat.Diese Gruppe hatte 1995 in Pa-ris bei einem Sprengstoffan-schlag in der Metro acht Men-schen getötet. Terroranschläge in

Bei den schlimmsten Terroranschlägen seit dem 11. September 2001waren am 12. Oktober 2002 mindestens 189 Menschen auf Bali getötetworden.

Jene Freiheit und De-mokratie, die ihr for-dert, gilt nur für euchselbst und die weißeRasse ... Ihr greiftuns an in Palästina.Ihr greift uns an inSomalia. Ihr unter-stützt die russischenGräueltaten gegenuns in Tschetsche-nien, unsere Unter-drückung durch Indi-en in Kaschmir unddie jüdische Aggres-sion gegen uns im Li-banon ... Deshalb istdas amerikanischeVolk nicht unschuldigan den Verbrechen,die Amerikaner undJuden gegen uns ver-üben ... Packt euerGepäck und verlasstunsere Länder.Zwingt uns nicht,euch in Särgen alsFracht zurückzu-schicken.

Osama Bin Ladens„Brief an Amerika“, veröf-fentlicht im britischen„Observer“ (London) am24. November 2002

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den U-Bahnen von Paris undTokio und Plakatwarnungen vorAnschlägen in der U-Bahn Lon-dons machen eine Gefahr deut-lich, die auch U-Bahnen andererGroßstädte bedrohen könnte –beispielsweise die in Berlin.

Der öffentliche Verkehr ist inoffenen Gesellschaften eineSchwachstelle; Züge, Flugzeugeund Schiffe sind hier nicht aus-genommen.

Schutzobjekt Schifffahrt

Wie ein Sprecher der deutsch-dänischen Scandlines Reedereiin Kopenhagen im November be-stätigte, hatte der dänische poli-zeiliche Nachrichtendienst PET(Politiets Efterretnigstjenestre)eine Warnung vor einem ange-kündigten Terroranschlag auf derOstsee zu dieser Zeit weiterge-geben. Auch wenn für diese undandere Fährgesellschaften dieangeblichen Bombendrohungenohne Folgen blieben, ist die po-tentielle Gefahr vor dem Hinter-grund nicht zu unterschätzen,dass die al-Qa’ida auch die Seelängst als Schauplatz für Terror-akte entdeckt hat. Die Selbst-mordattacke auf das US-Kriegs-schiff „Cole“ mit einem spreng-stoff-beladenem Kleinboot imJahr 2000 ist dafür nicht das ein-zige Beispiel. Die al-Qa’ida selbstsoll sogar über 20 Schiffe gekaufthaben. Dazu der erfahrene Lon-doner Hafenpolizist Eric Ellen:„Erst jetzt beginnen Regierun-gen in aller Welt fieberhaft zuüberlegen, wie man einen 11.September auf See verhindernkann“. Unter den vorstellbarenAnschlagsvarianten ist wohl dieeines bioterroristischen Angriffsdie opferreichste.

Terrorwaffe tödlicheViren

Dazu der Berliner Katastro-phenmediziner Detlef Cwojd-zinski Anfang Dezember: „Wirmüssen über alles nachdenken.Auch über die ganz großeKatastrophe. Im Moment spielenwir den Pockenfall durch. Einevon Terroristen hervorgerufenePockenepidemie wäre das

schlimmste, was passierenkönnte ...“

Ein vertraulicher Alarmplander Bundesregierung sieht vor,die Impfstoffreserve (die WHOhatte 1980 den Pockenvirus alsweltweit ausgerottet deklariert)auf 100 Millionen Dosen (Kostenbis zu 200 Millionen EUR) auf-zustocken. Nüchtern merktedazu Alexander S. Kekulé, Di-rektor des Instituts für Mikrobio-logie an der Universität Halle,Ende November an: „Währendsich die Politik nun hektisch umPockenimpfstoff bemüht, lerntdie nächste Terrorgeneration anTop-Universitäten, wie man gen-technisch veränderte Biowaffenherstellt“.

Touristen und andere„weiche Ziele“

Der Schrecken der ABC-Waf-fen wird wohl nur vom Schrek-ken der „menschlichen Bom-ben“ übertroffen, die sich in Ver-kehrsmitteln, Kaufhäusern, Ho-tels, Discotheken und vor diplo-matischen Vertretungen – undnicht zuletzt an belebten Stellendes Öffentlichen Strassenlandes– in die Luft sprengen. Sie sindzur gefährlichsten Waffe der ai-Qa’ida geworden, die sich gegenZivilisten richtet.

Insbesondere sind Touristenleichte, sogenannte weiche Zie-le. So wurden vornehmlich Eu-ropäer auf Djerba (11. April

2002), Australier auf Bali (12.Oktober 2002) und Israelis inMombasa (28. November 2002)

als Urlauber „soft targets“ des al-Qa’ida-Netzwerkes. Als Terror-impulsgeber inspirierte al-Qaidain den genannten Fällen Nord-afrikaner, Südostasiaten undOstafrikaner.

Franchising-Terrorismus

Vor dem Hintergrund dieserArt der Impulsgebung hieß esEnde 2002 auch beim BND, dassal-Qa’ida zunehmend auf dasPrinzip des „Franchising“ setze.Der Begriff „Franchise“ (franz.Abgabenfreiheit, engl. Lizenzerteilen) ist der Betriebswirt-

schaftslehre entlehnt, wo er füreine spezielle Art der Zusam-menarbeit zwischen rechtlichselbständigen Unternehmensteht. Für den Terrorismus be-deutet dieser Begriff aus derWirtschaft eine Art Lizenzverga-be durch die al-Qaida.

Das Netzwerk bietet welt-weit als „Franchise-Geber”(Franchisor) paramilitärischeAusbildung, manchmal auchWaffen und Sprengstoffe. Es ver-mittelt Kontakte zwischen Grup-pen und Personen“ leistet Fi-nanzhilfen – vor allem aber logi-stische Hilfen. So gerüstet bege-hen die „Franchise-Nehmer“(Franchisee) – beispielsweise dieindonesische „Jemaah Islami-yah“ oder die somalische „Al-

Ittihad Al-Islamiah“ –dann nach ei-genem Gut-dünken An-schläge alsDjihäd-Ope-rationen, auchim Namen dera l - Q a ’ i d a .Nicht zuletztüberläßt derImpulsgebermittels Video-und Ton-bandaufzeich-nungen be-s t i m m t e„Rechte zumTöten“ unge-zählten Mud-jahidin, diesich durch dieausgestrahl-ten Botschaf-

ten – so vom Satelliten-TV-Sen-der al-Jazeera in Qatar – nichtnur angesprochen, sondern re-gelrecht stimuliert fühlen.

Franchise-Nehmer leben nichtnur geographisch weit entfernt inAsien oder Afrika, sie bewegensich auch in Australien, Amerikaund Europa – auch bei uns. „Esgibt ein Potential an islamis-tischen Kämpfern, das Deutsch-land als Vorbereitungsraum fürweitere Anschläge nutzt”, so eineBKA-Beamtin vor dem Ham-burger Landgericht im Novem-ber 2002, die als Sachverständi-ge im dortigen „al-Qaida-Pro-zess“ auftrat.

Wieder werden Terroropfer zu Gra-be getragen: Freunde und Ver-wandte trauern um die Opfer desAnschlags bei Mombasa.

Gedenken an die 19 Opfer von Djerba – darunter 14Deutsche. Fotos(4): dpa

TERRORISMUS