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Anpassung an den KlimawandelEine Strategie für Nordrhein-Westfalen

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INHALTSVERZEICHNIS 3

Zusammenfassung _____________________________________________________________________________________________________________________________________________ 6

1. Einleitung und Vorgehensweise _____________________________________________________________________________________________________________________ 12

2. Klima, Klimawandel und Klimafolgen in Nordrhein-Westfalen _________________________________________________________ 20

3. Zukünftiges Klima in Nordrhein-Westfalen _______________________________________________________________________________________________ 34

4. Auswirkungen des Klimawandels – Anfälligkeiten und Handlungsoptionen _____________________________ 46

4.1 Landwirtschaft und Boden ______________________________________________________________________________________________________________________________ 48

4.2 Wald und Forstwirtschaft __________________________________________________________________________________________________________________________________ 60

4.3 Biologische Vielfalt und Naturschutz __________________________________________________________________________________________________________ 74

4.4 Wasserwirtschaft _________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 84

4.5 Tourismus ________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 100

4.6 Gesundheit _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 110

4.7 Städte und Ballungsräume ______________________________________________________________________________________________________________________________ 120

4.8 Anlagensicherheit ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 130

5. Klimawandel in den Regionen Nordrhein-Westfalens __________________________________________________________________________ 138

■ Süderbergland mit Bergischem Land, Sauerland und Siegerland

■ Eifel

■ Westfälische Bucht (Münsterland) und Westfälisches Tiefland

■ Niederrheinisches Tiefland und Niederrheinische Bucht (mit Kölner Bucht, Ville und

Zülpicher Börde)

■ Weserbergland

6. Übergreifende Aktivitäten ________________________________________________________________________________________________________________________________ 148

7. Wie geht es weiter? _____________________________________________________________________________________________________________________________________________ 152

Anhang _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 156

■ Glossar/ Abkürzungsverzeichnis

■ Projekte im Überblick

■ Impressum

Inhaltsverzeichnis

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„Wenn der Mensch nicht über das nachdenkt,

was in ferner Zukunft liegt,

wird er das schon in naher Zukunft bereuen.“

Konfuzius (551–479 v. Chr.), chinesischer Philosoph

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VORWORT 5

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Klimawandel ist ein weltweites Problem. Jedoch treten die durch den Klimawandel hervorgeru-fenen Veränderungen in ihrer Art und Weise und ihrem Ausmaß nicht nur global, sondern auch regional sehr unterschiedlich auf. Das zeigt sich auch in Nordrhein-Westfalen: Beispielsweise sindBallungszentren wie das Ruhrgebiet anfälliger gegenüber zunehmenden Hitzewellen. Im ländlichenRaum sind durch Temperaturanstieg und veränderte Niederschlagsverteilung insbesondere Land-und Forstwirtschaft betroffen.

Mein Ministerium hat daher eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel erarbeitet, die sowohl detailliert auf die betroffenen Bereiche wie z.B. Naturschutz, Wasser, Landwirtschaft oderdie menschliche Gesundheit eingeht, als auch die regionalen Besonderheiten unseres Landes berücksichtigt. Hierfür wurden detaillierte Klimaprojektionen für die einzelnen Regionen Nordrhein-Westfalens erstellt und spezifische Anpassungsmaßnahmen erarbeitet. Nur so können die zukünfti-gen Auswirkungen des Klimawandels abgemildert und neue Chancen genutzt werden.

Mit der vorliegenden Strategie wollen wir das Wissen um die Folgen des Klimawandels stärken undIhnen Handlungsoptionen und Maßnahmen vorstellen, mit denen auf ein geändertes Klima reagiertwerden kann.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und aufschlussreiche Lektüre.

Ihr

Eckhard UhlenbergMinister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft

und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

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6 ZUSAMMENFASSUNG

ZUSAMMENFASSUNG

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Zusammenfassung

Hintergrund

Der Klimawandel ist ein weltweites Problem – Art und Ausmaß der Klimaände-rungen zeigen sich aber regional und zum Teil sogar lokal sehr unterschiedlich.Die Landesregierung hat daher eine Strategie zur Anpassung an den Klima-wandel in Nordrhein-Westfalen erarbeitet, die ausdrücklich auf die regiona-len Besonderheiten des Landes eingeht. Dafür wurden kleinräumige Klimapro-jektionen (18 km x 18 km) erstellt und für acht unterschiedliche Lebens-,Umwelt- und Wirtschaftsbereiche die jeweiligen Anfälligkeiten gegenüber demKlimawandel ermittelt (Landwirtschaft und Boden, Wald und Forstwirtschaft,Biologische Vielfalt und Naturschutz, Wasserwirtschaft, Tourismus, Gesund-heit, Städte und Ballungsräume, Anlagensicherheit).

Aus Sicht der Landesregierung ist es wichtig, sich auf den Klimawandel undseine Folgen einzustellen, und zwar nicht nur reaktiv, wie es Mensch und Naturimmer schon getan haben, sondern vorausschauend. Sowohl Schnelligkeit undAusmaß des Klimawandels als auch die veränderten Randbedingungen erfor-dern dies. Nordrhein-Westfalen ist mit seiner hohen Bevölkerungsdichte, einerteuren Infrastruktur und einer ausgeprägten Land- und Forstwirtschaft verletz-licher geworden. Dies haben Extremwetterereignisse wie der Orkan Kyrill, derHitzesommer 2003 oder Starkregenniederschläge mit anschließender Über-flutung klar verdeutlicht. Auf der anderen Seite kann ein geändertes Klimaaber auch neue Chancen eröffnen.

Ein vorsorgendes Handeln ist sinnvoll, weil es Schäden verhindern, die Lebens-qualität erhöhen und neue Möglichkeiten offenhalten kann. Frühes Handelnlohnt sich damit auch wirtschaftlich. Die heutigen Klimamodelle und die regio-nalen Projektionen zeigen, womit wir in Nordrhein-Westfalen zu rechnenhaben. Mit der vorliegenden Strategie stellt sich die Landesregierung denneuen Entwicklungen und bietet den Akteuren in Wirtschaft, Gesellschaft undöffentlichen Einrichtungen spezifische Informationen im Sinne einer Gemein-wohlvorsorge an.

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ZUSAMMENFASSUNG 9

Die Anpassungsstrategie zeigt allgemeine Handlungsop-tionen auf und stellt außerdem bereits initiierte Anpas-sungsprojekte und Maßnahmen der Landesregierung vor.Auf Initiative des Ministeriums für Umwelt und Natur-schutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz werdenderzeit etwa 30 Projekte und Maßnahmen speziell zumThemenbereich Klimaanpassung durchgeführt.

Ziele der Anpassungsstrategie Nordrhein-Westfalens

■ Langfristiges Ziel der Landesregierung ist es, die An-fälligkeit der Menschen und der Umwelt Nordrhein-Westfalens zu verringern und Chancen zu nutzen, diesich als Folge der Klimaänderung ergeben.

■ Die Anpassungsstrategie soll daher unter anderem

■ das Problembewusstsein stärken,

■ das Wissen um die regionalen Folgen des Klima-wandels erweitern,

■ Handlungsoptionen anbieten und Maßnahmen ini-tiieren,

■ die Anpassungskapazität, d.h. das Wissen und dieMöglichkeiten zur Anpassung, vergrößern und

■ mithelfen, das komplexe Thema Anpassung hand-habbar zu gestalten.

Die Landesregierung stellt in ihrer Strategie erstmals dieverfügbaren Informationen für ein vorausschauendesHandeln und langfristige Entscheidungen detailliert undzusammenfassend für Nordrhein-Westfalen bereit.

Alle Akteure sind aufgerufen, in ihrem persönlichen Bereichund Handlungsfeld die notwendigen Maßnahmen umzuset-zen. Das Angebot und der Appell richten sich ebenso an

Kommunen, z.B. für die Sektoren Tourismus oder Stadtpla-nung, wie an Landwirte, Waldbesitzer und Unternehmer inden als klimaanfällig identifizierten Sektoren und nicht zu-letzt an alle Bürgerinnen und Bürger beispielsweise im Be-reich Gesundheit. Auch die Landesregierung ist selbst be-troffen, z.B. als Eigentümerin von Wäldern.

Klimawandel in Nordrhein-Westfalen

■ Der Klimawandel findet in Nordrhein-Westfalen im Ver-gleich zu anderen Regionen in Europa und der Weltmoderater statt.

■ Für Nordrhein-Westfalen ist im Zeitraum 2031–2060im Vergleich zur Referenzperiode 1961–1990 von einerErwärmung von durchschnittlich 1,9 °C zu auszuge-hen. Die stärkste Temperaturzunahme (in einigen Mo-naten bis zu 3 °C) wird dabei in den Sommermonatenzu verzeichnen sein.

■ Aufgrund der steigenden Temperaturen werden dieSchneetage zurückgehen und die Winterniederschlägevermehrt als Regen denn als Schnee fallen.

■ Die jährlichen Gesamtmengen der Niederschläge wer-den voraussichtlich um etwa 5% zunehmen. Es ist miteiner deutlichen Verschiebung der Niederschläge in dieWintermonate zu rechnen, hier ist von einer Zunahmevon etwa 10-20% auszugehen. In den Sommermona-ten nehmen die Niederschläge um bis zu 20% ab.

■ Wetterextreme wie Hitzewellen oder Starkniederschlags-ereignisse werden voraussichtlich häufiger auftreten.

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■ Während in allen Regionen Nordrhein-Westfalens ähn-liche Temperaturtrends zu verzeichnen sind, verteiltsich die Niederschlagszunahme ungleichmäßig überdas Land: Es ist davon auszugehen, dass vor allem ingebirgigem Gelände, d.h. im Sauerland und im Weser-bergland, die Niederschläge zunehmen. In der Nieder-rheinischen Bucht sind dagegen leichte Nieder-schlagsrückgänge zu erwarten.

Folgen des Klimawandels in Nordrhein-Westfalen

Die projizierten Klimaänderungen haben Folgen für dieunterschiedlichen Lebens-, Natur- und Wirtschaftsberei-che in Nordrhein-Westfalen. Diese Folgen werden voraus-sichtlich beherrschbar sein, wenn frühzeitig die notwendi-gen Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. In einigenBereichen birgt der Klimawandel auch neue Möglichkeitenund Chancen, die es zu nutzen gilt.

Die wesentlichen Entwicklungen in den einzelnen Lebens-,Natur- und Wirtschaftsbereichen sind:

■ Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen wird vo-raussichtlich eher von den zu erwartenden Klimaände-rungen profitieren. Wärmere Temperaturen, eine damitverbundene längere Vegetationsperiode und die in denmeisten Regionen Nordrhein-Westfalens auch künftigausreichende Wasserverfügbarkeit können zu Ertrags-steigerungen führen. Der Fokus der Anpassungsmaß-nahmen ist daher auf die Regionen zu richten, indenen die Böden eine geringe Wasserspeicherkapazi-tät haben und bereits Ertragsrückgänge zu verzeich-nen waren. Bei geänderten klimatischen Bedingungen

kann es generell zu einer deutlichen Verschiebung derAnbauzonen kommen.

■ Für Teile des Süderberglands, des Weserberglands,des Niederrheins und des Westfälischen Tieflands istvor allem in den Wintermonaten mit einer Zunahmeder Orkanhäufigkeit zu rechnen. Für die dortigen Wäl-der bedeutet diese Entwicklung eine deutliche Zu-nahme des Sturmwurfrisikos, insbesondere wenn dieWälder aufgrund der jeweiligen Bodeneigenschaften,der Baumartenzusammensetzung oder der Topogra-phie bereits heute ein hohes Risiko besitzen.

■ Die in Nordrhein-Westfalen zu erwartenden klimati-schen Änderungen können erhebliche Auswirkungenauf die biologische Vielfalt, die Zusammensetzungvon Lebensgemeinschaften und die Verbreitungsge-biete von Arten haben. Insbesondere Feuchtlebens-räume können als besonders klimasensitiv eingestuftwerden. Insgesamt werden in Nordrhein-WestfalenKälte und Feuchtigkeit liebende Arten eher zurückge-hen, Wärme liebende Arten dagegen eher zunehmen.

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ZUSAMMENFASSUNG 11

■ Der zu erwartende Klimawandel beeinflusst alle Tätig-keitsfelder in der Wasserwirtschaft. Beim Hochwas-serschutz, der Talsperrenbewirtschaftung, der Abwas-serbeseitigung, dem Gewässerschutz und derTrinkwasserversorgung hat Nordrhein-Westfalen be-reits ein hohes Niveau erreicht und damit eine guteAusgangssituation für den Schutz vor nachteiligen Kli-mafolgen.

■ Die Klimamodellierungen für Nordrhein-Westfalenhaben gezeigt, dass insbesondere der Wintersport-tourismus als sehr anfällig gegenüber dem Klimawan-del eingestuft werden kann. Im Laufe der nächstenJahrzehnte ist mit einer deutlichen Abnahme der na-türlichen Schneetage zu rechnen. Dieser Rückgangwird langfristig wahrscheinlich auch nicht mit Schnee-kanonen zu kompensieren sein.

■ In fast ganz Nordrhein-Westfalen ist eine mittlere bissehr hohe Zunahme der Anfälligkeit gegenüber Hitzezu erwarten. Besonders betroffen sind hiervon diedicht bebauten Ballungszentren und Großstädte desRuhrgebiets, in denen häufig kein ausgleichender Ef-fekt durch Grünflächen oder ausreichende Frischluft-zufuhr gewährleistet ist.

■ Extremwetterereignisse müssen bereits heute bei derAuslegung, der Errichtung und dem Betrieb bestimmterIndustrieanlagen berücksichtigt werden. Dabei werdenjeweils regelmäßig bestimmte Sicherheitszuschläge ein-gearbeitet. In welchem Ausmaß eventuell auftretendeZusatzbelastungen durch den Klimawandel damit be-reits abgedeckt sind, kann noch nicht abschließend be-urteilt werden. Es ist Aufgabe der Anlagenbetreiber, dieklimabedingten Veränderungen zu verfolgen und in ihreGefahrenanalyse einfließen zu lassen.

Wissenschaftliche Grundlagen derAnpassungsstrategie

Die in der Strategie verwendeten Berechnungen und Ana-lysen basieren auf Untersuchungen des Deutschen Wet-terdienstes (DWD), des Landesamts für Natur, Umweltund Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)und des Regionalverbands Ruhr (RVR) sowie auf Ergeb-nissen einer Studie, die das Potsdam-Institut für Klimafol-genforschung e.V. (PIK) im Auftrag des Ministeriums fürUmwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz erstellt hat (PIK-Studie).

Wie geht es weiter?

Die Landesregierung begreift die Anpassung an den Kli-mawandel als dynamischen Prozess. Verbesserte Modellekönnen zusätzliche Analysen ermöglichen, bei einzelnenParametern können sich Veränderungen ergeben undjedes Jahr bringt zusätzliche praktische Erfahrung. Im In-teresse des Landes Nordrhein-Westfalen und seiner Bür-ger wird die Landesregierung diesen Prozess begleiten,sinnvolle Ansätze fördern und unterstützen und ihre An-passungspolitik kontinuierlich weiterentwickeln.

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12 KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE

KAPITEL 1EINLEITUNG UND VORGEHENSW

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W EISE

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Der im Frühjahr 2007 veröffentlichte 4. Sachstandsbe-richt des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaän-derungen (IPCC) zeigt deutlich: Das globale Klima verän-dert sich. Für die letzten 100 Jahre ist ein Anstieg derglobalen Durchschnittstemperatur um 0,74 °C belegt.Hauptursachen für die globale Erwärmung sind mit hoherWahrscheinlichkeit der Ausstoß von Treibhausgasen beider Energieerzeugung, Brandrodungen von Waldflächen,Ackerbau und Viehzucht. Nur durch eine drastische Re-duktion des Ausstoßes klimarelevanter Gase könnendaher der Klimawandel und seine unvermeidlichen Folgennoch in einem erträglichen Rahmen gehalten werden. In-ternational wird angestrebt, die globale Erwärmung aufmaximal 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zubegrenzen.

Selbst wenn es gelingt, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen,wird bereits ein Temperaturanstieg um 2 °C einschnei-dende Folgen für Mensch und Umwelt mit sich bringen.Und selbst wenn alle Treibhausgasemissionen sofort ge-stoppt würden, kann aufgrund der Langlebigkeit der Treib-hausgase ein gewisses Ausmaß an Klimaänderung bereitsheute nicht mehr verhindert werden.

Daher gehören zu einer verantwortungsvollen Klimapolitiknicht nur Maßnahmen zum Schutz des Klimas, sondernauch eine Strategie zur Anpassung an die unvermeidli-chen Folgen des Klimawandels. Es gilt, die Anfälligkeitender Menschen und der Umwelt in Nordrhein-Westfalen zuverringern und neue Chancen zu nutzen.

14 KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE

Einleitung undVorgehensweise

Ziel der Europäischen Union ist es, mit umfassen-den Maßnahmen die Emission von Treibhausga-sen bis 2020 um 20%, bzw. wenn sich andere Industrienationen zu vergleichbaren Reduktionenverpflichten, bis zu 30% gegenüber 1990 zu ver-mindern. Auch die Bundesregierung verfolgt ehrgeizige Ziele: Im Vergleich zu 1990 sollen dieTreibhausgasemissionen bis 2012 um 21% undbis 2020, falls das 30%-Ziel der EU realisiertwird, um 40% sinken. Die Landesregierung inNordrhein-Westfalen unterstützt die Bundesre-gierung bei diesen Verpflichtungen und hat ei-gene Ziele in einer Energie- und Klimaschutzstra-tegie formuliert.

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KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE 15

Anpassung von Mensch und Umweltan sich ändernde Umweltbedingun-gen ist kein neues Phänomen – der-artige Prozesse haben seit jeherstattgefunden, in aller Regel im Nach-hinein als Reaktion auf bereits einge-tretene Veränderungen.

Heute haben wir die Chance und diePflicht, auf heraufziehende Verände-rungen aktiv zu reagieren und dabeizugleich vorausschauend zu handeln.

Sowohl Schnelligkeit und Ausmaßdes Klimawandels als auch die verän-derten Randbedingungen erforderndazu ein Umdenken. Unsere Gesell-schaft ist aufgrund der hohen Bevöl-kerungsdichte, teurer Infrastrukturund einer ausgeprägten Land- undForstwirtschaft verletzlicher gewor-den. Modellberechnungen ermögli-chen zudem einen Blick in die Zu-kunft unseres Klimas und schaffendamit erstmals die Voraussetzungenfür präventives Handeln. EinschlägigeUntersuchungen zeigen, dass früh-zeitiges Handeln sich nicht nur unterVorsorgegesichtspunkten, sondernauch unter betriebs- und volkswirt-schaftlichen Aspekten lohnt.

Die Landesregierung will daher einefrühzeitige Anpassung an zukünftigeKlimaentwicklungen anstoßen. Es gilt,das Problembewusstsein zu schärfen,verlässliche Daten über die zukünftigeEntwicklung des Klimas zu erschlie-ßen, die Langfristigkeit der erforderli-chen Maßnahmen zu verdeutlichenund mitzuhelfen, dieses komplexeThema handhabbar zu gestalten. Ei-geninitiative und marktwirtschaftlicheKräfte müssen zügig hinzukommen.

Sowohl die Europäische Union alsauch die Bundesregierung habendazu bereits erste Schritte unter-nommen. Die EU-Kommission hat imJuni 2007 ein Grünbuch mit demTitel „Anpassung an den Klimawan-del in Europa – Optionen für Maßnah-men der EU“ vorgelegt, die Bundesre-gierung im Dezember 2008 eine„Deutsche Anpassungsstrategie anden Klimawandel“. Auch die Landes-regierung hat bereits im August 2007ein erstes Grundlagenpapier mit demTitel „Klimawandel in Nordrhein-Westfalen – Wege zu einer Anpas-sungsstrategie“ veröffentlicht. DieseKonzepte beschreiben vor allem dieSituation und zeigen den zukünftigenHandlungsrahmen auf.

Den Ländern kommt aufgrund der fö-deralen Struktur Deutschlands einebesondere Rolle zu. Auf regionalerEbene zeigen sich die klimabedingtenÄnderungen in ihren spezifischenAuswirkungen je nach geographi-scher bzw. naturräumlicher Lage sehrverschieden. Die Länder kennen da-rüber hinaus ihren jeweiligen Lebens-und Wirtschaftsraum am besten undkönnen dadurch regionale Anfällig-keiten identifizieren und regionalspe-zifische Anpassungsstrategien erar-beiten.

Für die vom Klimawandel betroffenenSektoren wie z.B. Naturschutz, Forst-wirtschaft, Hochwasserschutz, Bo-denschutz sowie Anlagensicherheitverfügen die Länder zudem über eineBehördenstruktur mit entsprechen-den Detailkenntnissen. Sie sind in derLage, für die jeweiligen Sektoren denbetroffenen Akteuren spezifische In-formationen und Handlungsoptionenim Sinne einer Gemeinwohlvorsorgeanzubieten. Daneben können Länderauch selbst Akteure in den vom Kli-mawandel betroffenen Sektoren sein,z.B. als Eigentümer von Wäldern.

Anpassung: Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels vorausschauend handeln, umdie Anfälligkeiten von Mensch und Umwelt zu verringern und neue Chancen zu nutzen.

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Aktivitäten der Bundesregierung und der Euro-päischen Union können die Länderaktivitäten ergänzen, insbesondere bei grenzüberschrei-tenden Fragen, der Förderung von Anpassungs-maßnahmen, der Informationsbereitstellungsowie der Schaffung von gemeinsamen Rah-menbedingungen, etwa im Bereich Klimamo-dellierung.

Vier Schritte zu Schutz, Vorsorge und neuen Chancen

Mit der vorliegenden Anpassungsstrategie wer-den erstmals die verfügbaren Informationen fürein vorausschauendes Handeln und langfristigeEntscheidungen detailliert und zusammenfas-send für Nordrhein-Westfalen bereitgestellt.Die Strategie der Landesregierung zur Anpas-sung an den Klimawandel besteht aus mehre-ren Schritten zur Entwicklung und Umsetzungvon Maßnahmen (s. Abb. 1.1).

1. Schritt: Erstellen von kleinräumigenKlimaprojektionenDer Klimawandel ist ein weltweites Problem – Art undAusmaß der Klimaänderungen zeigen sich aber regio-nal und zum Teil sogar lokal sehr unterschiedlich. Umdie jeweilige Anfälligkeit der Regionen in Nordrhein-Westfalen zu ermitteln, sind daher in einem erstenSchritt vom Landesamt für Natur, Umwelt und Ver-braucherschutz (LANUV) kleinräumige Klimaprojek-tionen mit einer Auflösung von 18 km x 18 km erstelltworden.

2. Schritt: Ermitteln von sektorspezifischenAnfälligkeiten in den RegionenDie Anfälligkeit einer Region hängt einerseits vom Aus-maß der zu erwartenden Klimaänderungen ab, zu-gleich aber auch von der jeweiligen Empfindlichkeit(Sensitivität) gegenüber den zu erwartenden Klima-trends. Diese Empfindlichkeit wird von den sozialen,ökonomischen und naturräumlichen Rahmenbedin-gungen vor Ort bestimmt. Deutlich wird dies am Bei-spiel der Auswirkungen des Klimawandels auf diemenschliche Gesundheit (s. schematische Darstellungin Abb. 1.2).

16 KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE

Erstellen von kleinräumigenKlimaprognosen

Ermitteln von sektorspezifischenAnfälligkeiten

Erarbeiten von sektorspezifischenAnpassungsmaßnahmen

Umsetzen der Maßnahmen

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Abb. 1.1: Arbeitsschritte Anpassungsstrategie

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KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE 17

Die Sensitivität einer Region wird über den Anteilan versiegelter Fläche, die Bevölkerungsdichteund den Anteil älterer Menschen als insoweit be-sonders sensible Bevölkerungsgruppe ermittelt.Zusammen mit den zu erwartenden Klimaände-rungen vor Ort (die Hitzewellentage) ergibt sichdie regionale Anfälligkeit. Selbst bei moderatenklimatischen Änderungen kann eine Region alsoanfällig gegenüber klimatischen Änderungensein, wenn sie eine hohe Empfindlichkeit besitzt.

Für die vorliegende Anpassungsstrategie Nord-rhein-Westfalens wurden die regionalen Anfällig-keiten jeweils für die Bereiche Gesundheit, Was-serwirtschaft, Landwirtschaft, Wald und

Forstwirtschaft, Biologische Vielfalt, Tourismus,Städte und Ballungsräume sowie Anlagensicher-heit ermittelt.

Schließlich bestimmt immer auch die vor Ort vor-handene Anpassungskapazität, wie erfolgreicheine festgestellte Anfälligkeit gemeistert wird. Re-gionen mit finanziellen und wirtschaftlichen Res-sourcen, guter Infrastruktur und detailliertenKenntnissen über die künftigen Entwicklungengelten beispielsweise als anpassungsfähiger alsRegionen mit weniger Mitteln und geringemKnow-how. Dieses Know-how zu verstärken, istein Ziel der Anpassungsstrategie.

Abb. 1.2: Ermittlung von Anfälligkeit im Bereich Gesundheit (Quelle: PIK, abgeändert)

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3. Schritt: Erarbeiten von sektorspezifischen AnpassungsmaßnahmenWird eine Region in einem bestimmten Bereich mit Hilfe der oben beschriebe-nen Kriterien als anfällig identifiziert, müssen spezifische Anpassungsmaß-nahmen erarbeitet werden. Mit wirksamen Maßnahmen können sowohl die re-gionalen Empfindlichkeiten verringert als auch die Anpassungskapazität vorOrt gestärkt werden.

„Anpassung“ kann sich sehr unterschiedlich gestalten. Es wird vorsorglicheund reaktive, private und öffentliche, natürliche und geplante oder je nach Zeit-horizont kurz-, mittel- oder langfristige Initiativen geben müssen. „Anpassung“umfasst dabei ein breites Spektrum, von rein technisch orientierten Maßnah-men bis hin zur Änderung des persönlichen Verhaltens, von betriebswirt-schaftlicher Steuerung bis zu politischen und gesetzlichen Entscheidungen. Injedem Fall ist es notwendig, jeweils regionenspezifisch die Ursachen für die An-fälligkeit zu ermitteln, um wirksame Anpassungsmaßnahmen treffen zu kön-nen.

Bei der Konzeption von Anpassungsmaßnahmen ist auch zu beachten, dassdie Maßnahmen keine negativen Auswirkungen auf andere Sektoren haben (z.B. können eine flussnahe Eindeichung oder der Waldumbau mit fremdländi-schen Baumarten in Schutzgebieten zu Zielkonflikten mit dem Naturschutzführen).

18 KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE

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KAPITEL 1 EINLEITUNG UND VORGEHENSWEISE 19

4. Schritt: Umsetzen der MaßnahmenAlle Akteure sind aufgerufen, in ihrem persönlichen Be-reich und Handlungsfeld die nötigen Maßnahmen umzu-setzen. Die Landesregierung nimmt diese Aufgabe an. DasAngebot und der Appell richten sich ebenso an Kommu-nen, z.B. für die Sektoren Tourismus oder Stadtplanung,wie an Landwirte und Unternehmer in den als klimaanfäl-lig identifizierten Sektoren, und nicht zuletzt an alle Bür-gerinnen und Bürger beispielsweise im Bereich Gesund-heit. Bei der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen istes wichtig, vorhandene Synergieeffekte zu nutzen undZielkonflikte möglichst zu vermeiden.

DynamisierungAufgabe der Anpassungspolitik ist es schließlich, die Wirk-samkeit der eingeleiteten Maßnahmen kontinuierlich zuprüfen und ggf. Änderungen und Ergänzungen vorzuneh-men. Klimaprojektionen stellen Modellrechnungen dar, diestark von den zugrunde liegenden Annahmen abhängenund daher die tatsächlichen Entwicklungen sowohl über-als auch unterschätzen können. Daher gilt es, die aktuel-len Emissions- und Klimatrends kontinuierlich mit denProjektionen abzugleichen und bei längerfristigen Abwei-chungen die eingeleiteten Maßnahmen entsprechend weiterzuentwickeln.

Übergreifende AktivitätenErgänzend beschreibt Kapitel 6 übergreifende Aktivitätender Landesregierung, um dieses Angebot breit vorzustel-len (Internet, Veranstaltungen, Bildungsprogramme). Einweiterer Schwerpunkt ist der internationale Erfahrungs-austausch mit anderen Regionen Europas.

Im Rahmen des Wettbewerbs zur „Klimakommune Nord-rhein-Westfalen“ wurden erstmals die Bereiche Klima-schutz und Klimaanpassung thematisch miteinander verknüpft, um sie im Rahmen einer integrierten Vorge-hensweise auf kommunaler Ebene praktisch zu erproben.

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20 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

KAPITEL 2KLIMA, KLIMAWANDEL UND KLIMA

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FOLGEN IN NORDRHEIN-WESTFALEN

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Das Klima in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen herrscht warm-gemäßigtes Regenklima. Das Land liegtfast vollständig im nordwestdeutschen Klimabereich, der sich durch relativ mildeWinter und durchwachsene Sommer auszeichnet. Unter dem Einfluss kontinenta-

Klima, Klimawandel und Klimafolgen in Nordrhein-Westfalen

22 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

Abb. 2.1: Die Großlandschaften Nordrhein-Westfalens (Quelle: LANUV)

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ler Witterungsabschnitte können vereinzelt auch kühlereWinter und wärmere Sommer mit stärker ausgeprägtenTemperaturextremen auftreten.

Allerdings wird diese relativ grobe Einteilung den tatsäch-lichen klimatischen Gegebenheiten im Land nicht gerecht.Die zum Teil sehr unterschiedliche Geländestruktur aufengem Raum verursacht erhebliche regionale Unter-schiede, weshalb eine nochmalige Aufteilung des Klima-bereichs Nordrhein-Westfalen in einzelne Klimabezirkesinnvoll ist. Eine solche Einteilung kann entlang der gro-ßen Landschaftsformen Nordrhein-Westfalens erfolgen,die jede für sich ein recht einheitliches Klima aufweisen:

■ Der nordrhein-westfälische Teil der Eifel besteht ausdem Vennvorland und Teilen der West- und Osteifel.Hier erreicht die Eifel Höhenlagen von knapp 600 m,der Übergang zur Niederrheinischen Bucht im Nordenliegt in einer Höhe von etwa 200 m über dem Meer.

■ Die Niederrheinische Bucht erstreckt sich vom Mit-telgebirgsrand bis etwa zu einer Linie Düsseldorf-Mön-chengladbach. Sie wird durch mehrere Terrassenstu-fen (z.B. die Ville) und die Auen von Rhein, Erft und Rurgegliedert.

■ Das nördlich von Düsseldorf angrenzende Niederrhei-nische Tiefland reicht beiderseits des Niederrheinsbis zur niederländischen Grenze. Die Höhenlage be-trägt durchweg weniger als 100 m und sinkt nachNordwesten bis auf Höhen von 15 m ab.

■ Die nach Westen und Nordwesten geöffnete Westfäli-sche Bucht ist im Süden, Osten und Nordosten vonMittelgebirgen umschlossen. Die Höhenlagen betragenmeist weniger als 100 m, einzelne Hügel und Hügelket-ten ragen um rund 50 m bis knapp 100 m aus der um-gebenden Landschaft heraus.

■ Das Süderbergland mit Bergischem Land, Sauer- undSiegerland erreicht im Rothaargebirge Höhen vonmehr als 840 m. Es lässt sich als großes und relativeinheitliches Waldgebirge charakterisieren. Zwei klei-nere Areale im Süden von Nordrhein-Westfalen gehö-ren nach der naturräumlichen Gliederung zum Wester-wald (Siebengebirge, Haiger-Burbach – die Höh) undzwei weitere Teilbereiche im Osten von Nordrhein-Westfalen bei Medebach und Canstein zum Westhessi-schen Hügel- und Beckenland. Diese Areale werdenhier dem Süderbergland zugerechnet.

KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN 23

Klima und Wetter – Die Grundlagen in Kürze

Wetter: In der Meteorologie bezeichnet derBegriff „Wetter“ den Zustand der Atmo-sphäre zu einer bestimmten Zeit an einembestimmten Ort. Das Wetter wird dabei an-hand mehrerer Einflussgrößen wie z.B.Lufttemperatur, Niederschlag oder Luft-druck beschrieben.

Klima: „Klima“ steht als Begriff für die Gesamtheitaller Wettererscheinungen über einen gewissen Zeit-raum. Hierfür wird der Durchschnitt der einzelnenWettergrößen gebildet, z.B. der Mittelwert der überdie Jahre gemessenen Temperaturwerte. Der Mitte-lungszeitraum beträgt aufgrund internationaler Ver-einbarungen in der Regel 30 Jahre. Die letzte soge-nannte Klimanormalperiode bezieht sich auf dieJahre 1961 bis 1990.

Das Klima an einem bestimmten Ort hängt insbeson-dere von seiner geographischen Breite (davon abhän-gig sind Sonnenstand und Strahlungsintensität), sei-ner Höhenlage, seiner Entfernung zum Meer, derOberflächenbeschaffenheit und Oberflächenformsowie der Hangneigung und Exposition ab.

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■ Das Weserbergland ragt keilförmig in die nordwest-deutsche Tiefebene hinein. Bei Höhenlagen von etwa60 bis 300 m, vereinzelt auch mehr als 400 m, sindEggegebirge, Teutoburger Wald, Wiehen- und Weserge-birge als langgestreckte Gebirgsketten zu erwähnen.Teile des Oberen Weserberglandes zwischen Warburg,Scherfede und Holzminden, die bereits zum Klimabe-reich Westliches Mitteldeutschland gehören, werdenhier dem Weserbergland zugeordnet.

■ Die nördlichsten Flächen des Landes, nördlich desWiehengebirges, bilden eine naturräumliche Einheit,die gemäß ihrer markanten Flussläufe zum Ems-Hunte-Weser-Aller-Gebiet gerechnet oder kurz auchals Westfälisches Tiefland bezeichnet wird. Der Mit-tellandkanal erstreckt sich in West-Ost-Orientierungdurch diese Gebiete.

Einfluss der Topographie auf Niederschlag und TemperaturZahlreiche Klimaelemente zeigen in ihrer räumlichen Ver-teilung eine deutliche Abhängigkeit von der Geländehöhe,so zum Beispiel Temperatur und Niederschlag. Deshalbbietet sich für Nordrhein-Westfalen eine grobe Zweiteilungder klimatischen Strukturen an:

■ Die Niederungen (Höhenlagen unter 150 m) mit Nie-derrheinischer Bucht, Niederrheinischem Tiefland,Westfälischer Bucht und dem Westfälischen Tieflandsind durch Jahresmittelwerte der Lufttemperatur vonmehr als 9 °C gekennzeichnet. Im Rheinland ist dieJahresmitteltemperatur in der Regel etwas höher alsim Münsterland. Die höchsten Jahresmitteltemperatu-ren werden in den geschützten Flächen der KölnerBucht mit über 10 °C erreicht.

In den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr tragen zu-sätzliche anthropogene Effekte wie beispielsweise dieBodenversiegelung zur Wärmeinselbildung in Innen-städten bei. In Großstädten kann der maximale Tem-peraturunterschied zwischen Innenstädten und demUmland bis zu 10 °C betragen.

Der Niederschlag fällt in den Niederungen zu größerenTeilen im Sommer, wenn durch kräftige Sonnenein-strahlung verursachte Schauer und Gewitter auftreten.In den Niederungen ist eine Schneedecke eher selten,man findet sie am Niederrhein im Mittel an etwasmehr als 10 Tagen im Jahr, in der Westfälischen Buchtkönnen es mitunter auch etwas mehr als 20 Tage sein.

■ In den Mittelgebirgsregionen Eifel, Weserbergland undSüderbergland mit Bergischem Land, Sauer- und Sie-gerland nimmt die Temperatur im Mittel um etwa0,6 °C pro 100 m Höhe ab, sodass beispielsweise in

24 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

Abb. 2.2: Jahresmitteltemperatur für Nordrhein-Westfalen im Zeitraum

1961–1990 (Quelle: DWD)

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:00 Uhr Seite 24

KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN 25

den Höhenlagen des Rothaargebirges nur noch Jah-resmitteltemperaturen von um 5 °C gemessen werden.Hier treten Niederschläge häufiger auch in den Winter-monaten auf, wenn durch meist lebhafte Winde auswestlichen Richtungen atlantische Luftmassen heran-geführt werden. Durch tiefer hängende Wolken sindStaueffekte an den Hängen dann intensiver als imSommerhalbjahr, sodass vor allem im Süderberglanddie Niederschläge des Winterhalbjahres deutlich über-wiegen. In den höheren Lagen treten im Winter häufi-ger geschlossene Schneedecken auf, am häufigsten inden Höhenlagen des Rothaargebirges mit durch-schnittlich über 100 Tagen pro Jahr.

Luv- und LeelagenIn allen Regionen Nordrhein-Westfalens nehmen die Nie-derschlagsmengen mit der Höhe des Geländes zu. Dabeitreten jedoch deutliche Unterschiede zwischen windzuge-wandten (Luv) und windabgewandten (Lee) Hanglagenauf. Markante Luv- und Leegebiete werden durch dieHauptwindrichtung bestimmt. Auf den Luvseiten entste-hen durch Stau und die damit erzwungene Hebung feuch-tebeladener Luftmassen stärkere Bewölkung und größereNiederschlagsmengen, die Sonnenscheindauern gehenzurück. Im Lee trifft man dagegen auf weniger Bewölkungund Niederschlag, dafür aber auf mehr Sonnenschein. InNordrhein-Westfalen weht der Wind am häufigsten ausWest bis Südwest.

Ein typisches Beispiel für ein Luvgebiet ist daher das Ber-gische Land mit bis auf über 1400 mm im Jahr ansteigen-den Niederschlagsmengen, die bereits im Raum Wupper-tal/Remscheid bei Geländehöhen von lediglich ca. 250 mgemessen werden. In Höhenlagen um 500 m und höher(839 m auf dem Kahlen Asten) sind es mit 1500 bis knappüber 1600 mm nur 100 bis 200 mm Niederschlag mehr.

Auf den Ostseiten der Gebirge findet man den Lee-Effekt.Er wird durch Absinkbewegungen der durch luvseitiges

Ausregnen ohnehin schon trockeneren Luft verursacht.Markante Leegebiete in Nordrhein-Westfalen sind die Zül-picher Börde zwischen Eifel und Ville oder die Medeba-cher Bucht im Hochsauerland. In der Zülpicher Börde be-trägt die mittlere jährliche Niederschlagsmenge nurweniger als 600 mm und fällt damit noch einmal deutlichgeringer aus als in den Gegenden des NiederrheinischenTieflandes oder der Westfälischen Bucht, in denen mitt-lere jährliche Niederschlagsmengen zwischen 700 undüber 800 mm die Regel sind.

Abb. 2.3: Mittlerer Jahresniederschlag für Nordrhein-Westfalen im

Zeitraum 1961–1990 (Quelle: DWD)

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26 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

KenntageTage, an denen ein definierter Schwellenwerteines klimatischen Parameters erreicht oderüber- bzw. unterschritten wird, heißen Kenn-tage. Zur Charakterisierung von Temperatur-extremen werden üblicherweise die folgendenfünf Kenntage verwendet:

■ Eistage: Die Tageshöchsttemperatur klettertnicht über 0 °C

■ Frosttage: Die Temperatur fällt mindestenseinmal am Tag unter 0 °C

■ Sommertage: Die Tageshöchsttemperaturüberschreitet 25 °C

■ Heiße Tage: Die Tageshöchsttemperaturüberschreitet 30 °C

■ Tropennächte: Die Temperatur sinkt nichtunter 20 °C

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:00 Uhr Seite 26

KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN 27

In Nordrhein-Westfalen ist die Anzahl der Kenntage relativ uneinheitlich verteilt. Wie die Temperaturselbst sind auch die Temperaturkenntage an die Geländehöhe gekoppelt. Zum Beispiel wurden zwi-schen 1961 und 1990 an vielen Messstationen am Niederrhein, in der Westfälischen Bucht und imWestfälischen Tiefland im Mittel weniger als 10 Eistage pro Jahr gezählt, wogegen auf dem KahlenAsten noch über 50 Eistage pro Jahr gemessen werden. In manchen Regionen am Rhein misst manetwa 40 Sommertage im Jahr, an der klimatologischen Station Gütersloh (Westfälische Bucht) sind esnoch etwas mehr als 30 Sommertage, in Arnsberg (Sauerland) lediglich 25 und auf dem Kahlen Astennur noch etwa 5 Sommertage. Tropennächte sind in ganz Nordrhein-Westfalen sehr selten.

Weitere Kenntage, die im Folgenden zur Charakterisierung des Klimas herangezogen werden, sind:

■ Sonnige Tage: Tage mit Sonnenscheindauer > 5h

■ Trockene Tage: Tage mit Niederschlagswerten von < 1mm

■ Regentage: Tage mit Niederschlagswerten von > 5mm

Das Klima hängt von zahlreichen Faktoren ab undist ein komplexes System aus überwiegend kompli-zierten, nicht linearen Wechselwirkungen zwischenden physikalischen Prozessen in Atmosphäre,Ozean, Meereis und Landoberflächen. Diese Wech-selwirkungen werden durch natürliche Faktoren wiebeispielsweise tektonische Vorgänge, Änderungender Sonnenaktivität oder auch Vulkanausbrüchebeeinflusst. Aber auch der Mensch übt Einfluss aufdas Klima aus. Bestimmte Aktivitäten, bei denengroße Mengen klimarelevanter Gase freigesetztwerden, wie beispielsweise die Verbrennung fossilerBrennstoffe oder großflächige Waldrodungen, ver-stärken den sogenannten natürlichen Treibhausef-fekt: Treibhausgase, die in einer bestimmten Kon-zentration in der Atmosphäre vorkommen,

verhindern, dass die auf die Erde eingestrahlte Son-nenenergie wieder vollständig ins All entweicht.Ohne diesen lebensnotwendigen natürlichen Treib-hauseffekt würde auf der Erde eine Temperatur vonnur ca. -18 °C vorherrschen. Aufgrund des natürli-chen Treibhauseffekts beträgt die Temperatur aufder Erdoberfläche im globalen Mittel etwa +15 °C.Die Freisetzung von Treibhausgasen (z.B. CO2, CH4)durch den Menschen führt zu einer zusätzlichen Er-wärmung der Erdoberfläche, was seinerseits wiederRückkopplungseffekte hat: Eine steigende Durch-schnittstemperatur verursacht z.B. einen Anstiegder Verdunstungsrate und damit einen Anstieg desWasserdampfgehalts in der Atmosphäre, was denTreibhauseffekt abermals verstärkt.

Der Einfluss des Menschen auf das Klima

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Bisheriger Klimawandel in Nordrhein-Westfalen

Das Klima in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Jahrzehnten merklich ge-ändert. Deutlich wird dies anhand der Zeitreihen von Lufttemperatur und Nieder-schlag:

LufttemperaturDie Jahresmitteltemperaturen für Nordrhein-Westfalen ab 1890 zeigt Abb. 2.4.Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Gebietsmittel der Lufttemperaturnoch bei ca. 8,4 °C lag, beträgt es heute rund 9,6 °C. Dieser Anstieg der Lufttem-peratur findet in allen Monaten statt, besonders ausgeprägt ist er jedoch imHerbst.

Auch die Anzahl der Temperaturkenntage hat sich in den letzten Dekaden teil-weise verändert. Beispielsweise haben die Frosttage insgesamt etwas ab- und dieSommertage vor allem in den Niederungen leicht zugenommen.

28

4,00

6,00

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1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

Gra

d C

Einzelwerte Linearer Trend

Abb. 2.4: Jahresmittel der Lufttemperatur in Nordrhein-Westfalen 1890–2007 (Quelle: DWD)

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KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN 29

NiederschlagDie Niederschläge weisen eine besonders große zeitlicheund räumliche Bandbreite auf. Einzelne Messungen vorOrt müssen deshalb nicht repräsentativ sein. Zum Bei-spiel kann ein Gewitter in einem eng begrenzten Raumgroße Regenmengen verursachen, während benachbarteOrte keinen oder nur sehr wenig Niederschlag erhalten.Dies führt zu beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Be-stimmung der jährlichen Gebietsmittel des Niederschlags,die bei der Interpretation langer Zeitreihen berücksichtigtwerden müssen.

Die Jahressummen des Niederschlags in Nordrhein-West-falen sind als Gebietsmittel für den Zeitraum von 1890 bis2007 in Abb. 2.5 dargestellt. Ende des 19. Jahrhundertslag das errechnete Gebietsmittel des Jahresniederschlagsbei rund 790 mm, heute sind es rund 910 mm, was einerZunahme von 120 mm oder etwa 15% entspricht. DieserTrend wird seit Mitte der 1960er Jahre geprägt. Seit dieserZeit sind mehrfach Jahre mit Gebietsmitteln des Nieder-schlags von deutlich mehr als 1000 mm aufgetreten undniederschlagsärmere Jahre seltener geworden. Der Effektkann außer im Sommer für alle Jahreszeiten nachgewie-sen werden.

Klimafolgen in Nordrhein-Westfalen

Natur und Umwelt werden von klimatischen Faktoren be-einflusst und reagieren folglich auch auf Veränderungendes Klimas. Mittels eines sogenannten Klimafolgenmoni-toring-Systems können anhand aussagekräftiger Indika-toren solche durch den Klimawandel bedingten Verände-rungen erfasst und dokumentiert werden. Das Monitoringermöglicht Rückschlüsse auf bisher eingetretene undeventuell noch zu erwartende Auswirkungen von Klimaän-derungen.

Die folgenden Indikatoren machen schon heute sichtbareVeränderungen in Nordrhein-Westfalen deutlich. Teilweisezeigen sie dabei bereits längerfristige Trends, teilweisegeben sie lediglich erste Anzeichen für mögliche klimabe-dingte Entwicklungen, die weiter beobachtet werden müs-sen.

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200

400

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mm

Einzeljahre Linearer Trend

Abb. 2.5: Mittlerer Jahresniederschlag in Nordrhein-Westfalen

1890–2007 (Quelle: DWD)

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Verändertes Brutverhalten der VögelWie keine andere Tierart werden Brutvögeldurch ihr z. T. ausgeprägtes Zugverhalten undden damit verbundenen jährlichen Aufenthalts-wechsel bis über Tausende von Kilometern sehrunterschiedlich vom Klimawandel beeinflusst.Nach derzeitigem Erkenntnisstand können vonden häufigsten 100 Brutvogelarten in Nordrhein-Westfalen 49 als klimasensitiv eingestuft wer-

den. 24 dieser Arten gelten bisher als „Klimage-winner“, 25 als „Klimaverlierer“. Die verblei-benden 51 Vogelarten werden derzeit als weitge-hend klimaneutral eingestuft. In Abb. 2.6 ist dieBestandsentwicklung dieser drei Gruppen abdem Basisjahr 2002 dargestellt.

Zu den Klimagewinnern zählen viele Standvö-gel, also Vögel, bei denen Brut- und Überwinte-rungsgebiet örtlich zusammenfallen. Ein Grundfür diese positive Bestandsentwicklung ist dasAusbleiben strenger Winter, in denen üblicher-weise die größten Verluste heimischer Arten zuverzeichnen sind. Als Klimaverlierer gelten vieleLangstreckenzieher, deren Brutgebiete vor-nehmlich im südlichen Afrika liegen. Ihr Brutbe-

stand nimmt seit Jahren stetig ab. Ursachen fürdiesen Rückgang der Langstreckenzieher sindeinerseits Veränderungen in den Brut-, Rast-und Überwinterungsgebieten, andererseits aberauch negative Auswirkungen durch die Entkop-pelung bisher synchron verlaufender Entwick-lungen. Deutlich wird dies am Beispiel des Trau-erschnäppers: Dessen Nestlingsnahrung,bestimmte Insekten, entwickeln sich aufgrund

30 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

Abb. 2.6: Brutbestandsentwicklung klimasensitiver Vogelarten (Quelle: LANUV)

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steigender Temperaturen inzwischenhäufig so früh, dass sie als Nahrungfür die frisch geschlüpften Trauer-schnäpper nicht mehr geeignet sind.Der Bestand des Schnäppers ist inNordrhein-Westfalen von 2003 bis2008 um mehr als 25% zurückge-gangen.

Phänologische PhasenEin Beispiel für eine sehr unmittel-bare Folge des Klimawandels ist dieVeränderung der Entwicklungspro-zesse von Pflanzen im Jahresverlauf– den sogenannten phänologischen

Phasen, die in hohem Maße tempera-turabhängig sind. Anhand der Ein-trittszeiten charakteristischer Wachs-tumsstufen, z.B. des Blütebeginns,kann die Wirkung von Klimaänderun-gen auf die Natur ermittelt werden.Steigende Temperaturen, insbeson-dere im Winterhalbjahr, haben in denletzten Jahrzehnten zu einer stetigenVorverlagerung des Wachstumsbe-ginns der Pflanzen im Frühjahr undinsgesamt zu einer Verlängerung derVegetationsperiode geführt.

Abb. 2.7 zeigt, dass der Blütezeit-punkt ausgewählter Straucharten imJahresverlauf seit den 1950er Jahrenim NRW-Durchschnitt um bis zu 20Tage früher eintritt.

Die Verschiebung von Wachstums-und Entwicklungsphasen bei Pflan-zen kann auch mit Hilfe sogenannterphänologischer Uhren veranschau-licht werden. Hierbei wird das Jahr in10 phänologische Jahreszeiten unter-teilt, deren Beginn jeweils durch eineoder mehrere sogenannte Zeiger-pflanzen definiert ist. Beispielsweisezeigt die Blüte des Schneeglöck-chens den Beginn des phänologi-schen Vorfrühlings an, mit der Blüteder Sommerlinde beginnt der phäno-logische Hochsommer, die Blattver-färbung der Stileiche läutet den phä-nologischen Spätherbst ein.

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1951-55 1956-60 1961-65 1966-70 1971-75 1976-80 1981-85 1986-90 1991-95 1996-00 2001-05

Tag

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20 Tage früher

18 Tage früher

15 Tage früher

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Abb. 2.7: Blütezeitpunkt verschiedener Sträucher in Nordrhein-Westfalen am Beispiel von Hasel,

Kornelkirsche und Schlehe (Quelle: Daten des DWD)

Zu den Klimaverlierern zählen vor allem Zugvögel wie der Trauerschnäpper (2. v. l.). Heimische Standvögel profitieren

vom Klimawandel mit seinen milderen Wintern – so der Eisvogel (l.) oder der Buntspecht (o.).

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Zur Veranschaulichung der zeitlichen Verschie-bung der phänologischen Jahreszeiten werdenzwei unterschiedliche Zeitperioden mittels einesdoppelten Ringes dargestellt. Abb. 2.8 zeigt einesolche phänologische Uhr, die das PIK beispiel-haft für eine Messstation im ostwestfälischenWulferdingsen erstellt hat. Der äußere Ring zeigtdie phänologischen Jahreszeiten im Zeitraum1971–1990, der innere Ring die phänologischenJahreszeiten im Zeitraum 1991–2007. Man er-kennt deutlich eine Verschiebung der phänologi-schen Frühjahrsphasen in den kalendarischenWinter – eine Entwicklung, die sich auch für alle

anderen untersuchten Stationen in Nordrhein-Westfalen zeigt. Insgesamt haben sich in Nord-rhein-Westfalen der Beginn des Vorfrühlings jenach Region um ca. 6–11 Tage, der Beginn desFrühsommers um ca. 8–11 Tage und der Früh-herbst um etwa 7–14 Tage vorverlagert. Darüberhinaus hat sich die Vegetationsperiode, definiertals Zeitraum zwischen Beginn der Blattentfal-tung und der herbstlichen Blattverfärbung derStileiche, in den betrachteten Zeiträumen um5–9 Tage verlängert.

32 KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN

Abb. 2.8: Beispiel einer phänologischen Uhr (Station Wulferdingsen) (Quelle: PIK)

MUNLV_Doku_1004_END 10.04.2009 19:00 Uhr Seite 32

KAPITEL 2 KLIMA, KLIMAWANDEL, KLIMAFOLGEN 33

WassertemperaturAuch der Parameter Wassertempera-tur ist ein deutlicher Indikator für denKlimawandel:

Höhere Lufttemperaturen und zu-nehmende Sonnenscheindauer führ-ten in den vergangenen Jahren zueinem Anstieg der mittleren und ma-ximalen Wassertemperaturen. Abb. 2.9 zeigt diese Entwicklung amBeispiel der Daten einer Messstationam Niederrhein. Erkennbar ist die Zu-nahme der mittleren Wassertempe-ratur des Rheins um 1,2 °C seit 1977und eine Zunahme der Jahre mit ma-ximalen Wassertemperaturen vonüber 25 °C in den letzten zehn Jah-ren. Dieser Temperaturanstieg ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Klima-wandel zurückzuführen, da gleichzeitig ein Rückgang genehmigter Abwärme-einleitungen am Rhein stattgefunden hat.

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1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

Was

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[°C

]

maximale Wassertemperatur

mittlere Wassertemperatur

Klimafolgenmonitoring: Das MUNLV plant, als inte-grative Maßnahme im Rahmen der Anpassungsstra-tegie, ein Klimafolgenmonitoring-System zu etablie-ren. Sektorale Untersuchungen haben gezeigt, dassdie bereits eingetretenen Veränderungen im Tempe-ratur- und Niederschlagsregime Auswirkungen aufNatur und Umwelt haben können. Bisher existiert al-lerdings weder auf internationaler noch auf nationa-ler Ebene ein systematisches sektorübergreifendesMonitoringkonzept, um die Folgen der Klimaverän-derungen auf Mensch, Natur und Umwelt in einemintegrativen Ansatz zu beobachten. Zur besseren

Kommunizierbarkeit der Gesamtaussage ist geplant,eine begrenzte Anzahl von ca. 10 bis 15 Indikatorenauszuwählen, mittels derer dann zusätzlich zu dendirekten Veränderungen im Niederschlagsregimeund beim Temperaturverlauf auch deren Folgewir-kungen auf Natur und Umwelt erfasst und dokumen-tiert werden können. Auf Basis bisher eingetretenerFolgen werden Rückschlüsse auf eventuell noch zuerwartende Auswirkungen von Klimaänderungen er-möglicht, sodass rechtzeitig geeignete Anpassungs-maßnahmen entwickelt werden können, um Schä-den möglichst zu vermeiden oder gering zu halten.

Projekte und Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen

Abb. 2.9: Entwicklung der mittleren und maximalen Wassertemperatur des Rheins an der Station

Kleve Bimmen (Rhein-km 865) von 1977–2006 (Quelle: LANUV)

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34 KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA

KAPITEL 3ZUKÜNFTIGES KLIMA IN NORDRH

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H EIN-WESTFALEN

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Klimaprojektionen – eine kurzeEinführung

Das augenblickliche Wetter und das Klimader Vergangenheit können durch gemes-sene meteorologische Daten und Beob-achtungen genau erfasst und beschriebenwerden. Um Aussagen über das zukünftigeWetter und Klima zu erhalten, muss einanderer Weg beschritten werden: Mit ma-thematischen Rechenmodellen werdenaus dem derzeitigen Zustand der Atmo-sphäre – festgelegt durch die meteorologi-schen Messdaten (z. B. Temperatur, Luft-druck, Wind) – die zukünftigen Zuständeder Atmosphäre, d.h. das Wetter oderKlima für den nächsten Tag, den nächstenMonat oder einen Zeitraum in 100 Jahren,berechnet. Grundgedanke der Klimamo-delle ist, dass zunächst aus der Kenntnisder Wirklichkeit (wie entstehen Winde,Wolken, Niederschlag) ein physikalischesAbbild erstellt wird (z. B. physikalische Ge-setze wie der erste Hauptsatz der Wärme-lehre). Dieses physikalische Abbild wirddann mit Hilfe mathematischer Gleichun-gen in Zahlenwerte umgesetzt.

Im Gegensatz zur täglichen Wettervorher-sage (wenige Tage) ist bei Modellrechnun-gen zum Klima in den nächsten Jahrzehn-ten und Jahrhunderten – den sogenanntenKlimaprojektionen – Folgendes zu beach-ten: Neben den Vorgängen in der Atmo-sphäre (Wind, Wolken) sind die Wechsel-wirkungen mit allen anderen Systemen –und dabei ganz speziell mit der Hydro-sphäre (Meere, Gewässer) – zu berück-sichtigen. Daher werden für Klimaprojek-tionen in der Regel gekoppelteAtmosphäre-Ozean-Modelle verwendet.

Die Klimaprojektionen, die der Anpas-sungsstrategie Nordrhein-Westfalen zu-grunde liegen, wurden größtenteils mitdem dynamischen Modell CCLM erstellt.An geeigneter Stelle wurden die CCLM-Projektionen durch statistische Modelleergänzt, um die Bandbreite möglicher Kli-maschwankungen nicht unberücksichtigtzu lassen bzw. bereits vorhandene Datenzu nutzen.

Zukünftiges Klima in Nordrhein-Westfalen

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KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA 37

Ein weit verbreitetes globales Zirkulationsmodell zur Erstellung von Klimaprojektionen ist das am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg betriebene ECHAM5. Das Modell wird mit einem relativ grob-maschigen Rechengitter betrieben, um die Rechnungen überschaubar und handhabbar zu halten. Ein Bun-desland wie Nordrhein-Westfalen ist in einem solchen Modell nicht repräsentativ erfasst. Um diekleinräumigen Charakteristika einzelner Regionen besser herausarbeiten zu können, müssen daher zusätz-lich regionale Klimamodelle eingesetzt werden, die eine deutlich höhere Gitterauflösung besitzen.

In Deutschland stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vier verschiedene regionale Klimamodelle zur Verfü-gung: REMO, WettReg, STAR2 und COSMO-CLM, kurz CCLM. Diese regionalen Klimamodelle lassen sich im Wesentlichen in zwei Kategorien einordnen:

■ Dynamische Klimamodelle (REMO, CCLM) verwenden physikalische Methoden, um regionale Klimaprojek-tionen zu berechnen. Sie funktionieren also im Prinzip wie globale Zirkulationsmodelle – ergänzt um Detail-informationen aus der Region. Dynamische Klimamodelle gewährleisten damit eine konsequente Verfeine-rung der weltweiten Klimaprojektionen auf einen regionalen Maßstab. Unter diesen Modellen kommt demModell CCLM eine Sonderstellung zu, da es aus der Gruppe der Wettervorhersagemodelle des DeutschenWetterdienstes (DWD) heraus entwickelt wurde. Viele Eigenschaften dieser Modellgruppe konnten in deroperationellen Wettervorhersage über mehrere Jahre hinweg überprüft und verbessert werden. Dies stelltnun bei der Erstellung und Interpretation der regionalen Klimaprojektionen einen Vorteil dar.

■ Bei statistischen Verfahren (WettReg, STAR2) wird aus der Kenntnis des gegenwärtigen Regionalklimasund den Annahmen über globale Klimaentwicklungen auf zukünftige klimatische Bedingungen in derRegion geschlossen. Die regionalen Klimadaten stammen dabei aus Messreihen zurückliegender Ereig-nisse, die in die Zukunft übertragen werden. Damit repräsentieren sie nicht zwingend die klimatischenVerhältnisse in einer veränderten Zukunft, weshalb statistisch erstellte Zukunftsprojektionen gewissenEinschränkungen unterworfen sind. Sie haben allerdings den Vorteil, dass sie schnell berechenbar undgut handhabbar sind. Dadurch kann eine größere Anzahl an Projektionen (unter verschiedenen Annah-men) erstellt werden. Dies ermöglicht genauere Informationen über die Schwankungsbreite bezie-hungsweise Unsicherheit bei der Abschätzung des zukünftigen Klimas.

Klimamodelle

Emissionsszenarien

Grundlage für alle Klimaprojektionen sind Annah-men über den Ausstoß von Treibhausgasen bis zumJahre 2100. Der Zwischenstaatliche Ausschuss fürKlimaänderungen (IPCC), dem führende Wissen-schaftler der ganzen Welt angehören, hat verschie-

dene Zukunftsszenarien entwickelt, wie der zukünf-tige Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgaseerfolgen könnte – sogenannte Emissionsszenarien.Eines der häufig zugrunde gelegten Szenarien,„A1B“, geht von einem schnellen wirtschaftlichenWachstum in einer eher homogenen (vernetzten)Welt und einer parallelen Nutzung von fossilen und

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regenerativen Energieträgern aus.Die höchste Erdbevölkerungszahlwird zur Mitte des Jahrhunderts an-genommen. Die globalen Treibhaus-gas-Emissionen erreichen danach zurMitte des Jahrhunderts ihr Maximum.Bis zum Ende des Jahrhunderts neh-men sie kontinuierlich ab, liegen aberüber dem Ausstoß des Jahres 2000.

Neben dem Szenario „A1B“ werdenhäufig die Szenarien „B1“ und „A2“für Klimaprojektionsrechnungen ver-wendet. Szenario „A2“ beschreibteine heterogene Welt, in welcher dertechnologische Fortschritt unter-schiedlich schnell voranschreitet undregional hohe Geburtenraten zueinem steigenden Bevölkerungs-wachstum bis zum Ende des Jahr-hunderts führen. Das Szenario „B1“wiederum geht von einem raschen

Wandel der Wirtschaftsstruktur hinzu einer Dienstleistungsgesellschaftmit global vernetzten, nachhaltigenLösungen aus. Während somit dasSzenario „B1“ eine sehr optimistischeSicht der Entwicklung zeigt – mitTreibhausgasemissionen, die imJahre 2100 unter dem Niveau von

2000 liegen – schildert das Szenario„A2“ eine eher pessimistische Ent-wicklung, die zu einem Anstieg biszum Ende des Jahrhunderts führenwürde. Das „A1B“-Szenario findetsich – mit seiner Entwicklung desTreibhausgas-Ausstoßes und somitauch mit der geschätzten Bandbreitefür die globale Erwärmung – zwi-schen diesen beiden Szenarien(s. Abb. 3.1).

38 KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA

Abb. 3.1: Bandbreiten für die globale Erwärmung der Erdoberfläche (°C) (relativ zu 1980–99) für die

Szenarien A2, A1B und B1 (Quelle: IPCC)

Klimaprojektionen zeigen Entwicklungen auf, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenhaben. Ein gewisses Maß an Unsicherheit lässt sich dabei nicht völlig vermeiden.

Klimaprojektionen beinhalten zunehmende Wetterextreme wie Hitze, Hagel, Spätfrost oder sintflutartige Regenfälle –

Wetterereignisse, für die sich bislang keine gesicherten Voraussagen machen lassen.

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KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA 39

Aussagekraft und Unsicherheiten vonKlimaprojektionen

Klimaprojektionen zeigen Entwicklungen auf, diewir mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenhaben. Ein gewisses Maß an Unsicherheit lässtsich dabei nicht völlig vermeiden. Um sie so ge-ring wie möglich zu halten, arbeitet man mit un-terschiedlichen Klimamodellen und möglichstvielen Modellrechnungen. So lassen sich Trendsabsichern. Weltweit entwickeln Wissenschaftlersolche Modelle ständig fort und verbessern sodie Prognosefähigkeit.

Für die Verwendung von Klimaprojektionen istdeshalb Folgendes zu berücksichtigen:

■ Eine Auswertung für ein bestimmtes Jahr inder Zukunft ist nicht möglich. Betrachtungenzu den Änderungen der Temperatur und desNiederschlags sollten sich optimalerweiseauf Mittelwerte von 30 Jahren beziehen.

■ Die Ergebnisse können räumlich nicht belie-big fein aufgelöst werden. So sollten die Er-gebnisse als Mittelwerte über mehrere Git-terpunkte (Stationen) des Rechenmodellsinterpretiert werden.

Unsicherheiten von Klimaprojektionen

Unsicherheiten bei den Klimaprojektionen ergebensich insbesondere aus zwei Gründen. Zunächst ist zubeachten, dass alle Modellrechnungen sehr stark vonden Anfangswerten abhängen, d.h. den Startwerten,mit denen die Berechnung des zukünftigen Wettersund Klimas beginnt. Diese Startwerte sind gemes-sene meteorologische Größen wie die Temperaturund der Luftdruck. Die sehr große Komplexität desKlimasystems und die bereits beschriebenen Nichtli-nearitäten führen zu einer hohen Empfindlichkeit be-züglich kleiner Störungen der Startwerte. Dieser alsChaostheorie bezeichnete Effekt bewirkt, dass schonkleine Ungenauigkeiten in den Messdaten zu großenUnterschieden in den Modellergebnissen führen, spe-ziell wenn über lange Zeiträume gerechnet wird. Alsweiterer Effekt kommen Unsicherheiten hinzu, diedaraus resultieren, dass kein mathematisches Modelldas reale Klimasystem exakt beschreibt: Nicht voll-ständig verstandene physikalische Vorgänge (wie dasAbtauen der Polarkappen) und mathematische Nä-herungsverfahren führen zu Fehlern.

Erst eine Abschätzung der Unsicherheit der Klima-projektionen erlaubt eine abgesicherte Aussageüber das mögliche, zu erwartende Klima. Dies ge-schieht mit der sogenannten Ensembletechnik: Mitleicht veränderten Startwerten werden viele Modell-rechnungen durchgeführt, um damit die Unsicher-heiten zu erfassen. Durch die Kombination unter-schiedlicher Klimamodelle, die auf verschiedeneWeise die Wirklichkeit zu beschreiben suchen, wer-den die Unsicherheiten abgeschätzt.

Klimaprojektionen werden umso verlässlicher, jehöher die Zahl der Simulationen ist, je höher die Zahlder betrachteten Modelle und je besser die Modelledie Wirklichkeit beschreiben können. Unter hohemAufwand werden weltweit Modellrechnungen durch-geführt, um die Zahl der Simulationen zu erhöhen.Zugleich wird an neuen Methoden geforscht, um dieVorgänge im Klimasystem besser zu verstehen undbeschreiben zu können. Damit wird die Unsicherheitder Modellergebnisse in Zukunft deutlich abnehmenund die Möglichkeit, exaktere Vorhersagen zumkünftigen Klima zu treffen, zunehmen.

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■ Ergebnisse der Projektionen sollten immerals Differenzen zu einem Bezugs-/Mitt-lungszeitraum angegeben werden (s. Kapitel2). Der Mittlungszeitraum beträgt aufgrundinternationaler Vereinbarungen in der Regel30 Jahre. Als Bezugszeiträume werden diePerioden 1961–1990 (Standard) und auch1971–2000 (zur Berücksichtigung neuererEntwicklungen) empfohlen.

Trotz der genannten Einschränkungen liefernKlimaprojektionen wichtige Informationen fürEntscheidungsträger in der Politik, in der Wirt-schaft und nicht zuletzt für alle Bürgerinnenund Bürger, um die eingeleiteten Maßnahmenzur Minderung von Treibhausgas-Emissionenoder zur Anpassung an die Folgen des Klima-wandels weiterzuentwickeln.

Projizierte Klimaänderung fürNordrhein-Westfalen

Für Nordrhein-Westfalen werden im Folgendendie Ergebnisse der mit CCLM erstellten regiona-len Klimaprojektionen dargestellt. Diese Projek-tionen wurden in einer sehr hohen Auflösungvon 18 x 18 km erstellt. Berechnet wurde für dasSzenario A1B (das mittlere Szenario) die Tem-peraturentwicklung (Änderung der Jahresmit-telwerte) und die Niederschlagsentwicklung(Änderung der mittleren Jahressummen) fürdie 30-jährige Klimaperiode zwischen 2031 und2060 im Vergleich zum 30-jährigen Referenz-zeitraum 1961–1990.

Darüber hinaus wurde die saisonale Verände-rung von Temperatur und Niederschlag ermit-telt und aus den projizierten Klimatrends Rückschlüsse auf das Auftreten von Extrem-ereignissen gezogen. Weitere regionale und sektorale Besonderheiten bei der Klimaent-wicklung werden zusätzlich in den folgendenKapiteln dargestellt.

Temperatur

Die Projektionen zur Temperaturentwicklungzeigen, dass innerhalb der ersten Hälfte des 21.Jahrhunderts mit einer fortgesetzten flächen-deckenden Erwärmung in Nordrhein-Westfalengerechnet werden kann (s. Abb. 3.2). Für dieJahre 2031–2060 wird beim Szenario A1B einemittlere Erwärmung um 1,9 °C gegenüber derReferenzperiode 1961–1990 erwartet.

Bei der räumlichen Verteilung der Temperatur-trends sind in den Modellprojektionen eine ten-denziell etwas stärkere Erwärmung des Weser-berglands, der Westfälischen Bucht, des Sauer-und Siegerlands und eine etwas schwächere Er-wärmung am Niederrhein, d.h. ein Ost-West-Gradient der mittleren Temperaturänderungen,zu erkennen, der jedoch zu gering ist, um alsgesicherte Entwicklung eingestuft werden zukönnen. Damit bestätigen die regionalen Projek-tionen den Trend, der sich auch bei den globale-ren Modellen für Nordrhein-Westfalen gezeigthat.

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KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA 41

Niederschlag

Im Vergleich zu den Aussagen zurTemperaturentwicklung sind die Mo-dellergebnisse für die Niederschlags-trends mit großen Unsicherheiten be-haftet. Entsprechend uneinheitlichfallen die Resultate verschiedenerModelle und verschiedener Emissi-onsszenarien aus. Grundsätzlich zei-gen die Modelle eine Zunahme desWasserdampfgehaltes der Atmo-sphäre bei einer Temperaturerhö-hung, was dazu führt, dass in Zukunftmehr Wasserdampf in der Atmo-sphäre vorhanden sein wird. Dieskann unter anderem zu Änderungenin der Niederschlagsintensität und -verteilung führen, wie in Abb. 3.3dargestellt ist.

Insgesamt zeigen die Szenarien eineleichte Zunahme des mittleren Jah-resniederschlags, der für Nordrhein-Westfalen auch in Niederschlagsmes-sungen aus den vergangenenJahrzehnten nachgewiesen werdenkann. Für den dargestellten Zeitraum2031–2060 steigen die jährlichenNiederschläge gegenüber dem Zeit-raum 1961–1990 nach CCLM-Ergeb-nissen um ca. 5%.

Diese Zunahme verteilt sich jedochnicht gleichmäßig über das Land. Esist zu vermuten, dass Niederschlägevor allem in gebirgigem Gelände ver-stärkt werden. An Gebirgshängen

aufgleitende Luft kühlt sich ab, Was-serdampf kondensiert zu Wolken undregnet schließlich aus. Für Nord-rhein-Westfalen bedeutet das, dassder Niederschlag im Süderberglandund im Weserbergland voraussicht-lich stärker zunehmen wird als amNiederrhein, in der WestfälischenBucht und im Westfälischen Tiefland.In der Kölner Bucht ist sogar einleichter Rückgang der Niederschlägezu erwarten.

Diese Differenzen zeigen, dass einüber ganz Nordrhein-Westfalen ge-mittelter Wert nicht ausreicht, um dieEntwicklungen in den Regionengenau widerzuspiegeln.

Abb. 3.2: Zunahme der Temperatur im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961–1990 (links) und Jahresmittelwerte der Temperatur in

Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum 2031–2060 nach CCLM-Simulationen des Szenarios A1B (rechts) (Quelle: LANUV)

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Veränderungen im Jahresverlauf

Die mittleren Veränderungen von Niederschlag undTemperatur im Jahresverlauf sind nicht linear überdas Jahr verteilt. Es zeigen sich vielmehr deutlicheUnterschiede zwischen den einzelnen Jahreszeiten.Abb. 3.4 zeigt dies für die Großlandschaften Nord-rhein-Westfalens.

Die Temperaturen nehmen in allen Monaten zu.Nach den Modellrechnungen sind allerdings ein sehrdeutlicher Anstieg der Sommertemperaturen (in ei-nigen Monaten über 3 °C), eine mittlere Erwärmungim Winter und Herbst und der geringste Anstieg imFrühjahr zu erwarten.

Eine weitere Entwicklung, die sich in allen Klimapro-jektionen und den Klimabeobachtungen der letztenJahrzehnte relativ einheitlich abzeichnet, ist eineVerlagerung der Niederschläge vom Sommer hin zuFrühjahr, Herbst und Winter. Die Modellergebnissedeuten auf insgesamt trockenere Sommer (monatli-cher Niederschlagsrückgang von bis zu 20%) unddeutlich nassere Winter hin (monatliche Nieder-schlagszunahme um rund 10–20%), in denen derNiederschlag aufgrund der Erwärmung zukünftigauch vermehrt als Regen denn als Schnee fallenkönnte.

Die Großlandschaften untereinander zeigen bezüg-lich der Muster der Veränderung der saisonalen Nie-derschläge und Temperaturen insgesamt nur ge-ringe Unterschiede.

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Abb. 3.3: Prozentuale Änderungen des Niederschlags bezogen auf den Zeitraum 1961–1990 (links) und Jahressummen des Niederschlags in

Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum 2031–2060 nach CCLM-Simulationen des Szenarios A1B (rechts) (Quelle: LANUV)

Das Klima ändert sich, Temperaturen steigen, Niederschläge nehmen zu. Mit Wetterextremen wie Hitzewellen, starken Gewittern oder Hagel ist in Zukunft häufiger zu rechnen.

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KAPITEL 3 ZUKÜNFTIGES KLIMA 43

Abb. 3.4: Veränderung der Monatstemperaturen (rot) und Monatsniederschläge (blau) im Vergleich der Zeiträume

1961–1990 und 2036–2065 (Quelle: PIK)

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Wetterextreme

Die mittleren Temperatur- und Niederschlagstrends machen sich auch in einerspürbaren Änderung der Temperaturextrema bemerkbar, die zum Beispieldurch die Temperaturkenntage erfasst werden. Beispielhaft sind in Abb. 3.5 dieim Zeitraum 2031–2060 im Vergleich zu 1961–1990 zu erwartenden Kenntagefür die Klimastation Lüdinghausen (Westfälische Bucht) dargestellt. Der Trend,der hier zu sehen ist, ist für ganz Nordrhein-Westfalen repräsentativ, die abso-luten Häufigkeiten der Kenntage sind abhängig von der Lage der Orte (dengrößten Einfluss auf die Anzahl der Kenntage hat die Höhenlage). Es wird deut-lich, dass die zu erwartende Klimaänderung längerfristig zu einem Rückgangvon Eis- und Frosttagen und einer Zunahme von Sommertagen und heißenTagen führt. Beispielhaft sei die Hitzewelle des Jahres 2003 angeführt, die fürdas Klima des 20. Jahrhunderts statistisch relativ unwahrscheinlich war. Beieinem Klima, wie es aus den Projektionen für das 21. Jahrhundert erwartetwird, muss häufiger mit derartigen Ereignissen gerechnet werden.

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Eistag Frosttag Sommertag Heißer Tag

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1961–1990

2031–2060

Abb. 3.5: Mit WettReg simulierte Anzahl der Kenntage für die Referenzperiode 1961–1990 und die 30-

jährige Mittelungsperiode 2031–2060 der Emissionsszenarien A1B am Beispiel der Station

Lüdinghausen (Westfälische Bucht) (Quelle: LANUV)

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Auch wird erwartet, dass die beschriebene Zu-nahme der winterlichen Niederschläge voneiner Zunahme der Bandbreite der einzelnenEreignisse begleitet wird. Dies hat zur Folge,dass auch Niederschlagsextreme zunehmenwerden. Auch für die Sommermonate erwartetman die Zunahme einzelner Starknieder-

schlagsereignisse wie beispielsweise Gewitter.Dabei wird sowohl die Häufigkeit als auch dieNiederschlagsmenge einzelner Ereignisse stei-gen. Die Starkniederschläge umfassen sowohlRegen als auch Hagelereignisse. Typische som-merliche Landregen könnten seltener werden.

Projekte und Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen

■ Räumliche Strukturen regionaler Klimaprojektionen: Vom LANUV werden der-zeit umfassende Informationen über die räumlichen Strukturen des Klimawandelsin Nordrhein-Westfalen erarbeitet. Dazu werden regionale Klimaprojektionen beigrößtmöglicher räumlicher Auflösung analysiert und im Hinblick auf Änderungentypischer mittlerer Klimagrößen und der dazugehörigen Extremwerte ausgewertet.

■ Änderung konvektiver Starkniederschläge: Im Rahmen eines LANUV-Projektswird untersucht, wie sich konvektive Starkniederschläge in Nordrhein-Westfalen mitdem Klimawandel verändern. Dazu werden beobachtete Extremniederschläge undregionale Klimaprojektionen ausgewertet und durch hoch aufgelöste Simulationenkonvektiver Wolken ergänzt.

■ Analyse und Darstellung von Klimaprojektionen I: Bei dem integrierten Diag-nose- und Präsentationstool (IDP) handelt es sich um eine vom CEC Potsdam ent-wickelte Software, mit deren Hilfe die Ergebnisse von Klimaprojektionen dargestelltwerden können. Durch dieses LANUV-Projekt hat Nordrhein-Westfalen sich der vonweiteren Bundesländern und dem Bund betriebenen Datenbank angeschlossen,mittels derer die für Deutschland angefertigten Klimaprojektionen vorgehalten, auf-bereitet und dargestellt werden können.

■ Analyse und Darstellung von Klimaprojektionen II: Zusammen mit weiteren Bun-desländern und dem Bund betreibt das Land Nordrhein-Westfalen eine Datenbank(IDP), mittels derer die für Deutschland angefertigten Klimaprojektionen vorgehalten,aufbereitet und z. B. in Form von Karten dargestellt werden können. Die mit dem ModellCCLM am LANUV neu erstellten Klimaprojektionen wurden in die Datenbank integriert.

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