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FRANUI

SchUbeRtlIedeRS. / p. 15

bRAhmS VolkSlIedeRS. / p. 29

mAhleRlIedeRS. / p. 63

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mit dem Festival »Kulturwiese« an die Schwingungen der musikalischen Me-tropolen anschließen. Dieser Plan endete abrupt, als das Hauptquartier der »Kulturwiese« in Flammen aufging, Ursache Brandstiftung. Schett ging dann sicherheitshalber nach Innsbruck und nahm »Franui« mit. Die Band, nicht die Alm.»Franui« wurden anfangs als Spielart eines Trends, der »neuen Volksmusik«, wahrgenommen, aber während sich der Trend sanft in nichts auflöste, schärf-ten »Franui« befreit ihr Profil und entwickelten sich selbstbewusst weiter. Die Volksmusikkapelle verleugnete neben dem Spaß an der musikalischen Sor-tenvielfalt auch ihre Bildung nicht mehr und rückte näher an die Bühnen der Hochkultur, an die Musikalienschränke der großen Meister. Schon als Franui im Jahr 2000 ein Album mit Trauermusiken aufnahmen (»Frische Ware«), hörte man durch das blecherne Stampfen und Keuchen bisweilen den Atem Franz Schuberts. »Das Ende vom Lied« (2004) sortierte dann Extreme: Trauer und Tanzboden, eine hinreißende Analyse von musika-lischer Ursache und Wirkung – waren es nun die romantischen Melodien von Schubert und Mahler, die den Blaskapellen einleuchteten, oder doch umge-kehrt? »Franui« kamen zum einleuchtenden Ergebnis: Keine Ahnung!

Das Programm »Schubertlieder« eröffnete Franuis Trilogie der klassischen Dekonstruktion. Schett und seine Musikanten machten sich nicht als Inter-preten ans Werk, das heißt: Sie interpretieren Schubert nicht eins zu eins, son-dern tief über seine Motive gebeugt, aus den eigenen Nüstern schnaubend. Die Lieder, die für die Musiktheater-Produktion »wo du nicht bist« (gemeinsam

AN dIe mUSIkAlIeNSchRäNke deR gRoSSeN meISteR!

Manchmal klingen Franui auch wie eine Blaskapelle.Dann macht die Tuba von unten Druck, und oben gerät etwas in Bewegung. Die Trompeten, stampfend. Rollend, das Saxophon, quietschend, die Klarinet-te, und gleich bricht der Schweiß aus. Das können Franui auch.Aber dann Stille. Nur noch das Schweben eines Harfenakkords, vielleicht das gepflegte Plong-Plong des gezupften Kontrabasses. Dann wird gesungen. Aus voller Kehle, und was zuerst einen Moment lang ans Wirtshaus erinnert, nach der dritten Runde Bier, verdichtet sich plötzlich zu seraphinischem Schweben, zu Wohlklang aus feinstem, transparentem Stoff. Doch gerade, als man die Kapelle als schlussendlich sensibel zu durchschauen meint, bricht wieder der Lärm los, wummta, wummta, und die Blaskapelle fährt den Sensi-belchen mit vollem Trara über die Krawatte.Franui. Es ist immer eine vergnügliche Angelegenheit, wenn Andreas Schett bei Konzerten aufsteht und die Kombo – die Kombo selbst nennt sich »Banda« – vorstellt. Langsam, äußerst langsam erfahren wir, wohin wir mit dem Finger über die Karte fahren müssen, um schließlich rechts Richtung Innervillgraten abzubiegen, das ist in Osttirol, und hinter Innervillgraten ist die Alm, die heißt Franui, und so heißt auch die Kombo, aber die Alm war zuerst da, also heißt die Kombo nach der Alm.Wobei, auch Franui haben schon ein tüchtiges Stück Geschichte. Schett grün-dete die Band 1993, da war er ein bisschen über 20 und wollte Innervillgraten

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gar nicht anders können; beschwingt, weil für Tänzer; witzig, wo geht; tragisch sowieso.

Der zweite in der Reihe: Brahms. Brahms, dessen intensivste Momente Glenn Gould mit entschlossener Langsamkeit an die Oberfläche gefördert hat, und dem Franui ganz im Gegenteil eine Packung Vitalität, Kraft und Humor ver-passen, die Spannweite seiner Kompositionen zwischen Zitherklang, buko-lischem Chorgesang, Dixieland-Rauchschwaden und kakophonischem Or-chestergestotter verorten (»Erlaube mir, feins Mädchen«), nur um dann umso sparsamer, gouldesker über den Motiven von »Die Meere« zu meditieren, leise, sparsam, unbedarft und ungeheuer schön. Sicher das hellste aller drei Programme in dieser Box.

Dann: Mahler. Logisch, dass Franui an Mahler nicht vorbeigehen konnten. Mahlers Kom-ponierhaus in Toblach ist erstens nur einen Marsch über das Pfannhorn von Innervillgraten entfernt, seine Inspirationswolke beregnet also auch Franui (die Alm). Zweitens verbergen sich seine berückenden Lieder oft hinter kom-plizierten Konstruktionen aus Kunstfertigkeit, Geschmack, Klangfieber, Bom-bast und knödelndem Gesang, da lauert eine Aufgabe. Franui ziehen den Mahler-Liedern den Smoking aus, so dass sie bloß noch nackt dastehen in der Kälte und vergessen, vornehm zu schauen. »Urlicht« zum Beispiel, dieses flehentliche Forschen nach dem Ursprung, dem Ziel von allem, bekommt zu Mahlers tragischem Pathos auch noch ein wis-sendes Lächeln mit auf die Reise, einen Schwung Marschmusik, einen Erinne-

mit der Berliner Theatergruppe »Nico and the Navigators«) für die Bregen-zer Festspiele entstanden, berichten vom Wandern, vom Abschiednehmen, von der unausweichlichen Einsamkeit: »Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück« lautet die Schlusszeile des berühmten Schubertlieds »Der Wanderer«, und »Franui« haben sich das Wort als Motto für die von Schubert inspirierten Kompositionen ausgeborgt, die Andreas Schett und Markus Kraler besorgt haben.Das Ergebnis ist schlicht großartig. Die metallische Wucht der Besetzung, die Unverblümtheit der Rückführung Schubert’scher Romantik ins gefühlte Wirtshaus, wo diese bittere Romantik über ein paar Gläsern Wein schließlich erst ausgebrütet werden musste. Die Souveränität der breitbeinigen, scheppernden Auftritte, die sich plötzlich in feinste, vergeistigte Melodien transformieren. Energische Aufforderungen, einen ungarischen Tanz zu wagen, verwandeln sich in Nino-Rota-mäßiges Gemurmel und erzählen von ihrer Bekanntschaft zu Federico Fellini. Kirchplatzchorgesang. Emigrantenfremdheit in einem Kostüm, wie es sich Kurt Weill ausgedacht haben könnte – auch das eine interessante Enthüllung von »Franui«, dass Weill und Schubert verwandt miteinander gewesen sind …Franui richten Schubert mit großem Besteck an. Mit sattem Blech (Tuba, Trompete, Posaune), süßem Holz (Klarinette), Volksharfe, Hackbrett, Zither und, wenn nötig, der einen oder anderen Violine verwandeln sich »Franui« zum Verstärker Schubert’scher Ideen, setzen schweres Moll und verspiel-te, verrätselte Duren an den Originalkompositionen vorbei in die Welt und spinnen gleichzeitig die Idee einer Osttiroler Volksmusik weiter: traditions-bewusst, wo nötig; virtuos, weil es die klassisch ausgebildeten neun Virtuosen

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to the mUSIc cAbINetS oF the gReAt mASteRS!

Sometimes Franui do sound like a brass band. When the tuba is putting pressure on from below, and some movement comes in from above. The trumpets, pounding. Rolling, the saxophone, squealing, the clarinet, and any moment now it’s all going to break into a sweat. Franui can do that, too. But then: silence. Only the hovering of a harp chord, perhaps the neat plonk-plonk of a plucked double bass. Then the singing starts. At full blast, which at first makes you think of folks in a pub, after the third round of beers, but all of a sudden it condenses into a seraphic hovering, a har-mony made of the most delicate, transparent fabrics. But just when you think you’ve finally recognized the band for what they are: a really sensitive bunch, the noise is back, boom-ta-boom-ta, and the bona-fide brass band comes down on the bow-tied softies with a mighty roar.Franui. When Andreas Schett gets up during a concert to introduce the en-semble – who refer to themselves as a “banda” – hilarity is guaranteed. Slowly, slowly we learn which route to follow on the map, until a turn to the right finally takes us towards Innervillgraten, a village in East Tyrol, and behind Innervillgraten lies a mountain pasture named Franui, which is also the name of the ensemble, but the mountain pasture was there first, so the ensemble was named after the mountain pasture. Incidentally, Franui themselves have also accumulated quite a history. When Schett founded the band back in 1993, he was in his early twenties and had just

rungsfetzen an den Tanzboden, so schlimm war es doch gar nicht, das Leben …

Erst durch das Entkanonisieren der Musik tritt deren überragende Substanz ans Tageslicht, und Franui lassen sich nicht lumpen und drehen die Themen zuerst durch den Rhythmusfleischwolf, und dann gestatten sie sich zu lachen, um plötzlich doch wieder ergriffen dazustehen und über Blechakkorden, die auch von Gil Evans sein könnten, der Gesangsstimme zuzuhören, die den Text anstimmt: »O Röslein rot …«Franui haben selbst in den prekärsten Momenten Respekt. Niemals würden sie zu Mahlers Melodien »du« sagen, ohne sich vorher, wie es sich gehört, mit ihnen verbrüdert zu haben. Wenn es aber zu viel wird, greift das Entschla-ckungskommando von der Alm grinsend ein. Wo es bei Mahler heißt »Ich bin von Gott und will wieder zu Gott!«, verständigen sich »Franui« auf: »Ich bin ein Falott und bleib ein Falott, ach Gott, sapperlot«, und ehrlich, das »Urlicht« wird von dieser Wendung nicht getrübt.

Schubert–Brahms–Mahler. Das magische Dreieck wird von Franui an jeder Seite peinlich genau unter-sucht, damit alles seine Richtigkeit hat. Die Fläche dazwischen ist endgültig in Besitz genommen.

Christian Seiler

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Christian Seiler (*1961) ist Journalist und Autor zahl-reicher Bücher, u. a. der Biographie André Hellers. Er lebt

in Wien und arbeitet für Zeitschriften und Magazine in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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lieder on the album (originally part of the music theater project “where you are not” created for the Bregenz Festival in collaboration with the Berlin-based theater group “Nico and the Navigators”) tell tales of wanderings, of farewells, of inescapable loneliness: “Where you are not, that is where happiness lies,” is the last sentence of Schubert’s famous lied “Der Wanderer,” which Franui bor-rowed as a motto for their Schubert-inspired compositions, written by Andreas Schett and Markus Kraler. The result is no less than wonderful. The metallic force of the instrumentation, the boldness with which Schubertesque romanticism is transferred back into the ambiance of an old-fashioned inn, where such bitter romance would have been hatched out in the first place. The self-assuredness of a straddle-legged, rattling performance that all of a sudden turns into the most delicate and spiritualized of melodies. A resolute summons to get up and join in a Hungarian dance that is transformed into Nino-Rota-esque murmuring and reminds us of the band’s acquaintance with Federico Fellini.Church square choirs. An emigrant’s alienation dressed up in a costume that might have been designed by Kurt Weill – another interesting revelation by Franui, that Weill was related to Schubert …Franui are serving Schubert on a grand scale. With mellow brass (tuba, trumpet, trombone), sweet woodwind (clarinet), harp, hammered dulcimer, zither, and, if required, the odd violin, Franui become an amplifier for Schubertesque ideas, give birth to heavy minor keys and playful, enigmatic major keys smuggled past the original compositions while still busy spinning their notion of East Tyrolean folk music: conscious of traditions, where necessary; with great skill, because

established the “Kulturwiese” (or “cultural pastures”) festival in an attempt to tune his native village of Innervillgraten into the vibes of the musical metropo-lises. His plans were reduced to ashes when the “Kulturwiese” headquarters went up in flames thanks to the efforts of an arsonist. So Schett, looking for a safe haven, moved to Innsbruck and took Franui with him. The band, not the pasture. At first Franui were regarded as part of the “new folk music” trend emerging at the time; but while the trend went on and evaporated into nothing, Franui emancipated themselves, heightened their profile and confidently went their own way. While openly committed to enjoying the great variety of music avail-able, the folk music band also no longer attempted to disavow their musical education, drawing ever closer to the realms of high culture, to the music cabi-nets of the great Masters. Already on Franui’s album “Frische Ware,” a compilation of funeral music they recorded in 2000, every once in a while the brassy hammering and gasping seemed to be imbued with the spirit of Franz Schubert. In 2004, on “Das Ende vom Lied,” they went to extremes: grief and sorrow meeting in the dancehall – an enchanting analysis of musical cause and effect – was it the romantic melodies of Schubert and Mahler that made sense to the brass band, or was it the other way round? Franui most sensibly decided: Not a clue!

The “Schubertlieder” program was the first episode in Franui’s trilogy of clas-sical deconstruction. Schett and his co-musicians did not approach Schubert’s music simply as performers, but interpreted it, not straightforwardly but bend-ing low over the composer’s motifs, snorting through their own nostrils. The

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Franui serve us a knowing smile, a measure of marching music, fragmented memories of dancehalls, it wasn’t all that bad, life was …Only by decanonizing the music its outstanding essence is brought to light, and Franui, used to doing things in style, first put the motifs through the rhythm grinder, then take the liberty of laughing, only to stop in their tracks again, deeply moved, as, over the sound of brass chords that could just as well be Gil Evans’s, they listen to a voice intoning the words: “O Röslein rot …”Even when things become really critical, Franui are always respectful. They wouldn’t dream of addressing Mahler’s lieder on a first-name basis without first duly pledging friendship and sealing it with a drink. But if it all gets too much, the cleansing committee from the mountains step in with a grin. Where Mahler’s lyrics read, “I am from God and shall return to God,” Franui confess by consensus: “I am a hound and will always remain a hound! Oh God, zounds” And, actually, the primeval light is by no means dimmed by this turn of events.

Schubert–Brahms–Mahler. The magical triangle is subjected to a meticulous examination from every angle by Franui, to make sure everything is in good order.The enclosed area has been taken possession of for good.

Christian Seiler

the nine classically trained virtuoso players just can’t help it; buoyant, because it’s for dancing; hilarious, wherever possible; and tragic, as a matter of course.

The second episode: Brahms. Brahms, whose most intense moments have been dragged above ground by Glenn Gould with stubborn slowness, whereas Franui let him have a massive dose of vitality, power and humor, placing his compo-sitions somewhere between the sound of a zither, bucolic choirs, billows of Dixieland smoke and stuttering orchestral cacophonies (“Erlaube mir, feins Mädchen”), only to move on and make their meditation on the motifs of “Die Meere” all the more economical and Gouldesque: quiet, simple, and incredibly beautiful. Certainly the most cheerful of the three programs in this box.

And then: Mahler. It comes as no surprise that Franui couldn’t but take Mahler on board. For one thing, Mahler’s composing hut at Toblach is separated from Innervillgraten only by a walk across the Pfannhorn mountain, so the rain from the clouds of his inspiration naturally comes down on Franui (the pasture) as well. Also, more often than not his entrancing lieder hide behind complicated structures combining flawless craftsmanship, tastefulness, a fever of sound, pomposity, and strangled singing, so there’s a real challenge lying in wait here.Franui strip Mahler’s lieder of their dinner jackets and leave them standing naked out in the cold, unable to remember even how to look distinguished.Take “Urlicht” (or “Primeval Light”), for example, this passionate quest for the origin, the destination of everything – as a side order to Mahler’s tragic heroics

Christian Seiler (*1961) is a journalist and the author of numerous books, e. g. the biography of André Heller. He

lives in Vienna and works for journals and magazines in Germany, Austria and Switzerland.

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CD 1SchUbeRtlIedeR»Wo du nicht bist, dort ist das Glück.«

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SchUbeRtlIedeR

1 Der Wanderer (nach / after D493) 04:57

2 Auf dem Wasser zu singen (nach / after D774) 02:57

3 Der Wanderer an den Mond (nach / after D870) 05:22

4 Wanderers Nachtlied (nach / after D768 »Wanderers Nachtlied II«) 02:27

5 Abendstern (nach / after D806) 04:46

6 Abschied (nach / after D957/7, »Schwanengesang«) 03:32

7 Im Frühling (nach / after D882) 03:24

8 Der Doppelgänger (nach / after D957/13, »Schwanengesang«) 06:10

9 Die Taubenpost (nach / after D965a oder 957/14, »Schwanengesang«) 02:56

10 An den Mond (nach / after D259) 03:52

11 Ständchen (nach / after D957/4, »Schwanengesang«) 04:34

12 Du bist die Ruh (nach / after D776) 05:15

13 Zum Rundetanz (nach / after D983/3, »Vier Gesänge für vier Männerstimmen«) 03:11

14 Im Abendrot (nach / after D799) 03:44

15 Seligkeit (nach / after D433) 02:45

16 Abschied (Über die Berge) (nach / after D475, »Abschied (nach einer Wallfahrtsarie)«) 05:36

17 I’m a Stranger (On the Danube) (nach / after D553, »Auf der Donau«) 02:47

total time 69:11

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österreichischen Tanzkapelle in der Hand: hohes und tiefes Blech, Holzbläser (»süßes Hölzl«), Volksharfe, Zither und Hackbrett. Dazwischen und darüber Streichinstrumente – als Schmiere. In den besonderen Klangfarben werden die volksmusikalischen Inspirationsquellen des Komponisten Schubert hörbar. Zeitgleich hallt Schuberts Klangwelt in der Gegenwartsmusik wider. Musika-lische Erinnerung. – »Der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht.«

Andreas Schett

lIedeRAbeNd NAch FRANz SchUbeRtFüR mUSIcbANdA UNd eINeN VeRSchwUNdeNeN SäNgeR

»Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.« – Mit diesem Satz endet eines der berühmtesten Lieder Franz Schuberts, »Der Wanderer« (D493) aus dem Jahr 1816. »Ich bin ein Fremdling überall«, bekennt einer, der vom Gebirge kommt und jetzt, da er ans Meeresufer gelangt, bricht ein Lied aus ihm heraus.

Bei Schubert begegnen wir auf Schritt und Tritt solchen Fremdlingen. Sie sa-gen: »Ich wandle still, bin wenig froh«; sie singen Ständchen, Nachtlieder, an den Mond, an die Musik, an die ferne Geliebte; sie singen vom Frühling, vom Abschied, von der Glückseligkeit. Und sie wandern –

In entlegene Welten ist Franz Schubert nicht nur entlang der schwarzen und weißen Tasten des Klaviers gekommen. In der von ihm verfassten Novelle »Mein Traum« heißt es: »(…) und mit einem Herzen voll unendlicher Lie-be für die, welche sie verschmähten, wanderte ich abermals in ferne Gegend. Lieder sang ich nun lange lange Jahre. Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe. So zerteilte mich die Liebe und der Schmerz.«

»… wo du nicht bist …« – das ist die Weltformel unserer Sehnsucht nach Wan-derschaft, zu lesen wie eine Tempoanweisung am Beginn einer Partitur. Die Musiker eignen sich die Schubert’sche Musik auf ihre Weise an, das Gerät einer

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in their hands: high and low brass, woodwind (“sweet pandemonium”), harp, zither and dulcimer. Interspersed in between and on top with strings – as a sort of lubricant. Schubert’s folk music influences become evident in the special sound qualities of the instruments. And at the same time, Schubert’s sound is reflected in contemporary music. Musical memory. – “My hat flew off, I did not turn.”

Andreas Schett

lIedeR SoIRée INSPIRed bY FRANz SchUbeRtFoR mUSIcbANdA ANd A dISAPPeARed SINgeR

“Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.” (Where you are not, that is where happiness lies) – This sentence comes at the end of one of Franz Schubert’s most famous songs, “Der Wanderer” (D493) from 1816. “I’m a stranger every-where” confesses the man who descends from the mountains and, arriving at the seashore, breaks into song.

With Schubert we meet such strangers at practically every turn. They say: “I wander silently and unhappy”; they sing serenades, night songs to the moon, to music, to distant loved ones; they sing of spring, of parting, of bliss. And they continue to roam –

Franz Schubert came to these remote worlds not only through the black and white keyboard of the piano. In his novella entitled “Mein Traum” (My Dream) he wrote: “(…) and with a heart full of infinite love for those who spurned it, I walked again into distant parts. I sang songs there for many years. If I wanted to sing about love, it just became pain. And if I wanted only to sing of pain, then it became love. Thus love and pain tore me apart.”

“… where you are not …” is a theme for today, a yearning for wanderlust, to be read like a tempo instruction at the start of a score. The musicians adapt Schubert’s music in their own way, the instruments of an Austrian dance band

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11Ständchen

Komm, beglücke mich!

Serenade

Come, please me!

2Auf dem wasser zu singen

… Gleitet die Seele dahin wie der Kahn …… Wieder wie gestern und heute die Zeit …

Song to sing on the water

… glides the soul along like the boat;… (time will vanish with shimmering wings)again, as yesterday and today …

13zum Rundetanz

Auf! es dunkelt; silbern funkeltDort der Mond ob Tannenhöh’n! Auf! und tanzt in froher Runde; diese StundeDämmert unbewölkt und schön!

Hüpft geschwinde um die Linde,Die uns gelbe Blüten streut.Laßt uns frohe Lieder singen, Ketten schlingen,Wo man traut die Hand sich beut.

Also schweben wir durch’s LebenLeicht wie Rosenblätter hin.An den Jüngling, dunkelt’s bänger, schließt sich engerSeine traute Nachbarin.

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Now for a round dance

Away! the night sky darkens; the moon sparkles silverYonder above the fir trees! Away! and dance a merry round; this momentBreaks unclouded and bright!

Skip nimbly around the linden tree,That showers us with yellow blossom.We’ll sing joyful songs, join up as chains,Cordially offering hands.

This is how we float through lifeLightly on like rose petals.As the night sky ominously darkens, to the lad,the sweetheart by his side clings ever tighter.

Lyrics: Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis (1762–1834)

15Seligkeit

O da möcht ich seinUnd mich ewig frein!

bliss

O, there I would like to beand rejoice forever!

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17I’m a Stranger (on the danube)

The sun seems so cold here to me,The flowers [the music] faded, the life is old,And what they say has an empty sound;And I, I’m a stranger, I’m a stranger everywhere.

I wander silently and unhappy,And my sighs they always ask “Where?”And in a ghostly breath it calls back to me,“There, where you are not, there is your happiness.”

Where are you, my dear land,Where my dead ones rise from the dead,That land where they speak my language,Oh land, where are you?

Ich bin ein Fremdling (Auf der donau)

Die Sonne dünkt mich hier so kalt,Die Blüte welk, das Leben alt,Und was sie reden, leerer Schall;Ich bin ein Fremdling überall.

Ich wandle still, bin wenig froh,Und immer fragt der Seufzer, wo?Im Geisterhauch tönt’s mir zurück:»Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.«

Wo bist du, mein geliebtes Land,Wo meine Toten auferstehn,Das Land, das meine Sprache spricht,O Land, wo bist du?

Lyrics: Georg Philipp Schmidt von Lübeck (1766–1849)

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CD 2bRAhmS VolkSlIedeR»Nur ein Gesicht auf Erden lebt …«

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bRAhmS VolkSlIedeR

1 Ich will – allzeit – umsonst! aus / from: 49 deutsche Volkslieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung (WoO 33) – No. 1 03:37

2 Es steht ein Lind aus / from: WoO 33 – No. 41 05:32

3 Dort hoch auf jenem Berge aus / from: WoO 33 – No. 11, 12 04:14

4 Schwesterlein, hüt du dich! aus / from: WoO 33 – No. 15, 34, 40 05:04

5 Komm du, mein Liebchen komm! aus / from: WoO 33 – No. 34, 38 05:12

6 Erlaube mir, feins Mädchen aus / from: WoO 33 – No. 2 03:25

7 Die Meere (1) aus / from: Drei Duette für Sopran und Alt mit Klavier op. 20 – No. 3 03:05

8 Da unten im Tale aus / from: WoO 33 – No. 6 03:30

9 Ach Gott, wie weh tut scheiden aus / from: WoO 33 – No. 17 04:59

10 Die Sonne scheint nicht mehr aus / from: WoO 33 – No. 5, und/and Liederkreis op. 39, No. 1 04:20

11 Mein Mädel hat einen großen Mund aus / from: WoO 33 – No. 11, 25, 31 02:57

12 Es ging ein Maidlein zarte aus / from: WoO 33 – No. 21 04:59

13 Die Meere (2) aus / from: op. 20 – No. 3 03:03

14 Du la la la la la aus / from: WoO 33 – No. 25, 26 03:03

15 Bolero WoO 33 – No. 11, 19, 29, 40 06:35

16 Steh still, steh still aus / from: WoO 33 – No. 35 04:39

17 In stiller Nacht aus / from: WoO 33 – No. 42 02:27

total time 70:41

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Nach 1945 ist im deutschsprachigen Raum die jahrhundertealte Komponisten-Tradition, Volkslieder als Grundstoff für neue Werke zu gebrauchen, abgeris-sen. Niemand wollte in die Nähe derer gerückt werden, die für ihre Verbre-chen auch die Volksmusik instrumentalisiert hatten. Sechs Jahrzehnte später sei es gestattet, die Musik freizulegen von Interpretationen und Besetzungen im musikalischen wie im politischen Sinn, die Melodien aufzugreifen, sich in sie hineinzubegeben und von innen heraus zu verwandeln.

In der vorliegenden Bearbeitung durch Franui ist das Erbmaterial der Volks-lieder in ständigem Wandel begriffen, geht immer neue Verbindungen ein. Ganz- und Halbstrophen, Melodien und Textzeilen finden im wohlgeordneten Chaos zueinander. Manch ein Teil sträubt sich freilich auch gegen Mutationen.

Die Brahms Volkslieder wurden als inszeniertes Konzert bei den Bregenzer Fest-spielen 2008 uraufgeführt. Der Titel des Abends, »Nur ein Gesicht«, entstand aus der Verknappung einer Liedzeile – Nur ein Gesicht auf Erden lebt – und hat wie die Musik von Franui eine schöne Vieldeutigkeit: Ein Gesicht ist bekannt-lich etwas, was man unter allen Umständen wahren soll. Wenn man aber eines hat, kann es sich auch um eine Vision handeln.Und zwar »nur«.

Markus Kraler / Andreas Schett

NUR eIN geSIcht

Gesichter werden gleich geblieben seinsie lassen Luft von einst in sich gerinnendarunter auch die unseren von damals(Vittorio Sereni)

Nach den Schubertliedern nimmt sich die Musicbanda Franui nun die Deut-schen Volkslieder von Johannes Brahms vor, die er 1893/94 als alter Mann he-rausgegeben hat*: Lieder, die von Zuneigung und Abschiednehmen erzählen, von Liebestollheit, Verlust und abgrundtiefer Trauer. Schön und schaurig zugleich ist diese Sammlung, geschrieben für ein kollektives Nachleiden der großen Gefühle.

Beste Voraussetzungen also für die trauermarsch- und tanzbodenerprobte Musicbanda, die Brahms’schen Notenblätter gegen das Licht zu halten und weiter zu komponieren – durchaus im Wissen, dass auch manches »Volkslied« von einem mehr oder weniger vergessenen Tonsetzer oder Textdichter frei erfunden ist: So wurde Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio, auf dessen Sammlung Brahms bei der Bearbeitung der 49 Deutschen Volkslieder WoO 33 größtenteils zugreift, als »Fälscher« gebrandmarkt, der absichtlich mit eigenen Volksliedern die Zeitgenossen zum Besten hielt. Interessant und damals wie heute unerheblich ist der Gelehrtenstreit in der Frage, welches Volkslied echt oder unecht und welches es wert sei, in den Kanon »überzeitlicher künstleri-scher Werte« aufgenommen zu werden.

* Erste Aufführungen: 22. Oktober 1894, Hamburg, 1. Abonnement-Konzert unter Gustav Mahler; 26. Oktober 1894, Berlin, Philharmonie. Interpreten: Amalie Joachim mit Feruccio Busoni, Klavier (Hamburg); Amalie Joachim mit Heinrich Reimann, Klavier (Berlin).

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In the German-speaking countries, the year 1945 marked an abrupt end of the century-old tradition of using folk songs as raw material for creating new compositions. No-one wanted to be associated with those who had instrumen-talized even folk music for their crimes. Now, six decades later, it may at long last be permissible to lay bare this music and liberate it from interpretations and connotations both musical and political, to take up the melodies, get inside them and transform them from within.

In Franui’s adaptation, the folk song heritage is subjected to a constant transfor-mation and joined together in ever new combinations. Verses whole and half, melodies and lines of text find each other in the midst of a well-ordered chaos. Some of the pieces, though, simply refuse to be changed.

These Brahms Folk Songs were first performed as a staged concert at the 2008 Bregenz Festival. The title of the show, “Nur ein Gesicht” – “Only one face”, is the abridged version of a line out of one of the songs – Nur ein Gesicht auf Erden lebt – and, like Franui’s music, possesses a delightful ambiguity: One’s face is something to be saved under any circumstances. On the face of it, though, it may be no more than a mere aspect, an image, a reflection.Yet only one.

Markus Kraler / Andreas Schett

oNlY oNe FAce

Faces unaltered they’ll be, same as ever,With an old air congealed in them today.Even our own, amongst them, of that time?(Vittorio Sereni)

Following their Schubertlieder (col legno WWE 20301), the Musicbanda Franui have now taken up Johannes Brahms’ German Folk Songs, published by the composer as an old man in 1893/94*: songs telling tales of affection and farewell, of love-madness, loss and immeasurable grief. A collection both beautiful and eerie, dedicated to a collective experiencing of grand emotions.

Thus, an ideal starting point for the Musicbanda – well-versed in funeral marches and dance tunes – to study Brahms’ songbook against the light, and take the music further, always aware that quite a few “folk songs” have been freely invented as such by now almost forgotten composers and lyric writers. Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio, for instance, whose collection of songs was Brahms’ main source when he arranged his 49 German Folk Songs WoO 33, was denounced as a “forger” who deliberately duped his contemporar-ies by presenting them with folk songs of his own creation. The dispute among scholars as to which folk songs are genuine or not, and which are worthy of being added to the canon of “time-transcending artistic merits”, is, albeit inter-esting, as irrelevant today as it was at a hundred years ago.

* First performances: 22 October 1894, Hamburg, first subscription concert under Gustav Mahler; 26 October 1894, Berlin, Philharmonie. Performers: Amalie Joachim with Feruccio Busoni, piano (Hamburg); Amalie Joachim with Heinrich Reimann, piano (Berlin).

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I want – always – in vain!

I want, I want, I want!Always, always, always!In vain, in vain, in vain!I want always in vain!

(aus / from: No. 1 »Sagt mir, o schönste Schäf ’rin mein«)

1Ich will – allzeit – umsonst!

Ich will, ich will, ich will!Allzeit, allzeit, allzeit!Umsonst, umsonst, umsonst!Ich will – allzeit – umsonst!

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A lime-tree grows

In the valley a lime-tree grows, oh God what does it there?It wants to help me mourn, to mourn,for I have lost my love, for I have lost my love.

A little bird sits on the fence, oh God what does it there?It wants to help me lament, to lament,for I have lost my love, for I have lost my love.

A brooklet gurgles on the plane, oh God what does it there?It wants to help me weep, to weep,for I have lost my love, for I have lost my love!

2es steht ein lind

Es steht ein Lind in jenem Tal, ach Gott, was tut sie da?Sie will mir helfen trauren, trauren,dass ich mein Lieb verloren hab; dass ich mein Lieb verloren hab.

Es sitzt ein Vöglein auf dem Zaun, ach Gott, was tut es da?Es will mir helfen klagen, klagen,dass ich mein Lieb verloren hab; dass ich mein Lieb verloren hab.

Es quillt ein Brünnlein auf dem Plan, ach Gott, was tut es da? Es will mir helfen weinen, weinen,dass ich mein Lieb verloren hab; dass ich mein Lieb verloren hab!

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high Up on Yonder mountain

High up on yonder mountain stands a mill wheel,grinding naught but love all night and through the day. The mill has broken down and love has lost its glow, God bless you my lovely, I’m riding unto my woe.

The mill has broken down and love has lost its glow,God bless you my lovely, I’m riding unto my woe.

(aus / from: No. 11 »Jungfräulein, soll ich mit euch gehn«)

3dort hoch auf jenem berge

Dort hoch auf jenem Berge, da steht ein Mühlenrad,das mahlet nichts als Liebe, die Nacht bis an den Tag.Die Mühle ist zerbrochen, die Liebe hat ein End,so seg’n dich Gott, mein feines Lieb, jetzt fahr ich ins Elend.

Die Mühle ist zerbrochen, die Liebe hat ein End,so seg’n dich Gott, mein feines Lieb, jetzt fahr ich ins Elend.

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Sister mine, fare thee well!

“Sister mine, sister mine, when shall we go home?”“Tomorrow when the cocks begin to crow, that’s when we shall go.Brother mine, O brother mine, that’s when we’ll go home.”

“Sister mine, sister mine, the time has come to go.”“My darling’s dancing with me, but if I went he’d dance with her,Brother mine, O brother mine, just let me be now.”

4Schwesterlein, hüt du dich!

»Schwesterlein, Schwesterlein, wann gehn wir nach Haus?«»Morgen wenn die Hahnen krähn, wolln wir nach Hause gehn,Brüderlein, Brüderlein, dann gehn wir nach Haus.«

»Schwesterlein, Schwesterlein, wohl ist es Zeit.«»Mein Liebster tanzt mit mir, geh ich, tanzt er mit ihr,Brüderlein, Brüderlein, lass du mich heut.«

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Just come, my darling come!

“Who’s there? Who’s knocking at the doorand awakens me so gently?”

“It is your own sweetheart,get up my treasure and let me inquite secretly!”

“How can I come up the stairs,tell me, my darling, speak?How will I come up the stairs,tell me, my darling, speak.”

“Just take your shoes in your handand along the wall slink quietly,just come, my darling come!Just come, my darling come!Just come, my darling come!Just come, my darling come!”

(aus / from: No. 38 »Des Abends kann ich nicht schlafen gehn« & No. 34 »Wie komm ich denn zur Tür herein?«)

5komm du, mein liebchen komm!

»Wer ist denn da? Wer klopfet an,der mich so leis aufwecken kann?«

»Das ist der Herzallerliebste dein,steh auf, mein Schatz und lass mich ein,ganz heimelig!«

»Wie komm ich denn die Trepp hinauf,sag du, mein Liebchen sag?Wie komm ich denn die Trepp hinauf,sag du, mein Liebchen sag?«

»Nimm die Schuh nur in die Handund schleich dich leis entlang der Wand,komm du, mein Liebchen komm!Komm du, mein Liebchen komm!Komm du, mein Liebchen komm!Komm du mein Liebchen komm!«

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Allow me fair maiden

Allow me fair maiden to go into the garden,there to gaze at the roses so beautiful.Allow me to pluck them, for it is more than time;their beauty and their youth they are my heart’s delight.

Oh maiden, oh maiden, you solitary child,who put into your heart a thought so wild,that I may see the garden but the roses not caress;you are a pleasure to my eyes, indeed I must confess.

6erlaube mir, feins mädchen

Erlaube mir, feins Mädchen, in den Garten zu gehn,dass ich dort mag schauen, wie die Rosen so schön.Erlaube sie zu brechen, es ist die höchste Zeit;ihre Schönheit, ihr Jugend hat mir mein Herz erfreut.

O Mädchen, o Mädchen, du einsames Kind,wer hat den Gedanken ins Herz dir gezinnt,dass ich soll den Garten, die Rosen nicht sehn?Du gefällst meinen Augen, das muss ich gestehn.

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down in the valley

Down in the valley the water flows dull,and I can’t tell you I love you so well.

You always speak of love, speak of being true.But a bit of falsehood in your words there is too.

And if I tell you ten times that I love you and my words you simply scorn, I must move on.

For the time I am grateful when you loved me dearand I wish that somewhere else you’ll better fare.

8da unten im tale

Da unten im Tale läufts Wasser so trübund i kann dirs nit sagen, i hab di so lieb.

Sprichst allweil von Lieb, sprichst allweil von Treuund a bissele Falschheit is a wohl dabei!

Und wenn i dirs zehnmal sag, dass i di lieb,und du willst nit verstehen, muss i halt weiter gehn.

Für die Zeit, wo du g’liebt mi hast, dank i dir schön,und i wünsch, dass dirs anderswo besser mag gehn.

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The sun shines no more

The sun shines no moreas beautifully as it did before,the day has lost its cheer,and the warmth it had before.

My heart is mine no more,oh, were you by my side,every pain I would endure,and sorrows all abide.

10die Sonne scheint nicht mehr

Die Sonne scheint nicht mehrso schön als wie vorher,der Tag ist nicht so heiter,so liebreich gar nicht mehr.

Mein Herz ist nicht mehr mein,o könnt ich bei dir sein,so wäre mir geholfenvon aller meiner Pein.

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my lass she has so big a maw

My lass she has so big a mouththat when she speaks it hangs down south!Oh you! Oh you! Oh you!

(aus / from: No. 25 »Mein Mädel hat einen Rosenmund« – adaptiert / adapted)

11mein mädel hat einen großen mund

Mein Mädel hat einen großen Mundund wen es frisst, der steckt im Schlund! O du! O du! O du!

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A maiden young and tender

A maiden young and tender went at the break of dayinto in a flowery garden, so happy and so gay;she’d gone to pluck some flowers,with them to weave a wreathe, of silver and of gold.

Up crept all of a sudden a horrible, frightening man,all colour in his face was gone, no clothes had he on.No flesh, no blood, no hair, they’d dried up on his frame, his flesh and sinews all.

O Death let me live on, take all the servants in my stead!My father if he finds me well will give you them unsaid;I am his only daughter, he’ll never give me away not for a thousand guineas bright.

He took her by the waist, where she most slender was,no plea, no prayer did he heed, but threw her on the grass,and when he touched her youthful heart the tender maid lay there,benumbed by fear and pain.

12es ging ein maidlein zarte

Es ging ein Maidlein zarte, früh in der Morgenstund,in einen Blumengarten, frisch, fröhlich und gesund;der Blümlein es viel brechen wollt, daraus ein’n Kranz zu machen,von Silber und von Gold.

Da kam herzu geschlichen ein gar erschrecklich Mann,die Farb war ihm verblichen, kein Kleider hatt er an.Er hatt kein Fleisch, kein Blut, kein Haar, es war an ihm verdorret,sein Fleisch und Flechsen gar.

O Tod, lass mich beim Leben, nimm all mein Hausgesind!Mein Vater wird dirs geben, wenn er mich lebend findt;Ich bin sein einzig Töchterlein, er würde mich nicht gebenum tausend Gulden fein.

Er nahm sie in der Mitten, da sie am schwächsten war,es half an ihm kein Bitten, er warf sie in das Gras,und rührte an ihr junges Herz, da liegt das Maidlein zarte,voll bittrer Angst und Schmerz.

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You la la la la

Oh you! Oh you! Oh you!You la la la la la! You la la la la la!

(aus / from: No. 25 »Mein Mädel hat einen Rosenmund«)

14du la la la la la

O du! O du! O du!Du la la la la la! Du la la la la la!

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be still, be still

Be still, be still, my pretty love,be still, be still, just do not move,else you’ll wake up father, else you’ll wake up mother,that will not be good for you nor me.

What care I for father, what care I for mother?By your bedroom window I want to be,where my pretty love I shall marvelfor whose sake I must a long way travel.

The two stood there locked together,their lips so fond and tender;then the watchman blew his horn:Adieu – we have to part.

(aus / from: No. 35 »Soll sich der Mond nicht heller scheinen«)

16Steh still, steh still

Steh still, steh still, mein feines Lieb,steh still, steh still und rühr dich nicht,sonst weckst du Vater, sonst weckst du Mutter,das ist uns beiden nicht wohlgetan.

Was frag ich nach Vater, was frag ich nach Mutter?Vor deinem Schlaffenster muss ich stehn,ich will mein schönes Lieb anschauenum das ich muss so ferne gehn.

Da standen die zwei wohl beieinandermit ihren zarten Mündelein;der Wächter blies wohl in sein Hörnlein:Ade, es muss geschieden sein.

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In the silent night

In the silent night, at the first watch, a voice began to wail,sweetly and gently, the night wind carried to me its sound;and from such bitter sorrow and grief my heart has melted,the little flowers – with my pure tears I have watered them all.

The beautiful moon wants to set, and never shine again,the stars will let fade their gleam for they wish to weep with me.Neither song of bird nor sound of joy can one hear in the air,the wild animals grieve with me as well, upon the rocks and in the ravines.

17In stiller Nacht

In stiller Nacht, zur ersten Wacht, ein Stimm begunnt zu klagen,der nächtge Wind hat süß und lind zu mir den Klang getragen;von herbem Leid und Traurigkeit ist mir das Herz zerflossen,die Blümelein, mit Tränen rein hab ich sie all begossen.

Der schöne Mon will untergon, für Leid nicht mehr mag scheinen,die Sternelan ihr Glitzen stahn, mit mir sie wollen weinen.Kein Vogelsang noch Freudenklang man höret in den Lüften,die wilden Tier traur’n auch mit mir in Steinen und in Klüften.

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CD 3 mAhleRlIedeR»… und ruh’ in einem stillen Gebiet.«

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mAhleRlIedeR

1 Wenn mein Schatz Hochzeit macht (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen / from: Songs of a Wayfarer) 04:14

2 Nicht wiedersehen! (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn) 04:48

3 Das irdische Leben (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn ) 02:37

4 Ich atmet’ einen linden Duft (aus: Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert / from: Five Songs on Poems by Friedrich Rückert) 04:57

5 Die zwei blauen Augen (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen / from: Songs of a Wayfarer) 05:24

6 Wunderhorntanz (Des Antonius von Padua Fischpredigt, Wer hat dies Liedlein erdacht?!, Rheinlegendchen – aus: Des Knaben Wunderhorn / Antonius of Padua’s Sermon to the Fishes, Who Made up this Little Song?!, A Little Rhine Legend – from: The Youth’s Magic Horn) 04:13

7 Phantasie / Zu Straßburg auf der Schanz’ (Phantasie aus: Lieder und Gesänge für eine Singstimme und Klavier; Zu Straßburg auf der Schanz’ aus: Des Knaben Wunderhorn / Fantasy, from: Songs for Voice and Piano; On the Ramparts of Strasbourg, from: The Youth’s Magic Horn) 06:45

8 Wenn dein Mütterlein (aus: Kindertotenlieder / from: Songs on the Death of Children) 05:56

9 Ich ging mit Lust … ein Ausflug zu dem bedauernswerten Herrn Moszkowski inkl. (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn ) 05:09

10 Wo die schönen Trompeten blasen (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn) 07:19

11 Urlicht (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn) 04:37

12 Um Mitternacht (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn) 04:04

13 Revelge (For a Drummerboy) (aus: Des Knaben Wunderhorn / from: The Youth’s Magic Horn) 04:57

14 Ich bin der Welt abhanden gekommen (aus: Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert / from: Five Songs on Poems by Friedrich Rückert) 05:32

total time 70:32

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Vor diesem (landschaftlichen) Hintergrund spielt sich unsere Aneignung der Musik Gustav Mahlers ab. Mit einer Klangbatterie aus Holz- und Blechblä-sern, Streich- und Saiteninstrumenten (wie Hackbrett und Volksharfe) wol-len wir dabei nicht Interpreten, sondern Erzähler von Musik sein. Anhand einer Auswahl aus dem Mahler’schen Liedwerk (neben den Rückert- und den Wunderhorn-Liedern dienen uns auch die Lieder eines fahrenden Gesellen und die Kindertotenlieder als musikalische Grundlage) vollziehen wir einen Pers-pektivenwechsel: Der Zuhörer erfährt, woraus diese Musik entstanden ist – und was danach kam.

Der japanische Fotokünstler Hiroshi Sugimoto ist berühmt geworden, da er beim Nachdenken über die Frage, welche Landschaft die Menschen der Urzeit exakt gleich gesehen haben, wie wir heute es tun, auf die Idee kam, ins offene Meer hinaus zu fotografieren. Wären die dabei entstandenen Bilder aus Musik, so hätte sie Mahler verfertigt. Aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes hi-naus: In seiner Arbeit »Pine Trees« (2001) bezieht sich Sugimoto auf einen ca. 1590 entstandenen Kiefernwald-Schirm des Malers Hasegawa Tohaku – in den unglaublichsten Schwarz-Weiß-Abstufungen verfertigte Tuschemalerei, die als nationales japanisches Kulturerbe gilt. Sugimoto war völlig in den Bann gezo-gen von der Arbeit seines Vorgängers und beschloss, sich in dessen Kiefernwald »hineinzubegeben, um ihn von innen heraus zu verwandeln«. Im Museum, in dem ich Sugimotos »Pine Trees« sah, schrieb der Künstler zwei nüchterne Sätze an die Wand. An sie muss ich oft denken: »In der kulturellen Tradition Japans wird das Nachahmen von großen Werken großer Vorgänger als ›honka-dori‹

lIedeRAbeNd mIt eRINNeRUNgeN AN dIe ewIgkeIt SAmt UNVeRhoFFtem eINtReFFeN deS SäNgeRS

Die »Mahlerlieder« beschließen die Franui-Trilogie über die Liedkunst im 19. Jahrhundert, zu der auch die »Schubertlieder« (2006) und die »Brahms Volks-lieder« (2008) zählen. Die meisten von uns – wir spielen seit 18 Jahren in fast gleichbleibender Besetzung zusammen – stammen aus dem kleinen Osttiroler Dorf Innervillgraten, auf 1402 m Seehöhe direkt an der Grenze zu Südtirol gelegen. Dort gibt es eine Almwiese, die ebenfalls Franui heißt und unserer Musicbanda den Namen gegeben hat (die rätoromanische Flurbezeichnung der Wiese verweist auf die geografische Nähe zu den Dolomiten, wo bis heute ladinisch gesprochen wird).

Wer von Innervillgraten über das Toblacher Pfannhorn geht, hat nicht nur die Drei Zinnen und die Große Schusterspitze im Blick; er sieht auch in den zu Toblach gehörigen Ortsteil Altschluderbach hinab und in den Wald hinein, wo bis heute Gustav Mahlers letztes Komponierhäuschen steht. Dort, wo einem die sattgrünen Wiesen der Toblacher und Niederndorfer Bauern ins Auge springen und der sanfte Südhang des Pfannhorns Seele und Empfindung in die Ferne trägt, wo man sich heutzutage inmitten des »Wildparks Gustav Mahler« befin-det und Eintritt für die Besichtigung von Rotwild und Wildschwein entrichtet, um das Komponierhäuschen des Meisters zu sehen … dort also schrieb der geniale »Ferienkomponist« in den Sommern 1908, 1909 und 1910 sein Lied von der Erde, die 9. Symphonie und die Entwürfe zur unvollendeten Zehnten.

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bezeichnet, als Aufgreifen der Melodie. Man tut es nicht als bloßes Kopieren ab, sondern betrachtet es als ein lobenswertes Bemühen.«

Der Komponist Dieter Schnebel schrieb über Gustav Mahler etwas Wesent-liches: Wenn Mahler in seinen Werken immer wieder bekannte musikalische Themen aufgreife, so hätten weniger wohlgesonnene Menschen die Meinung verbreitet, es handle sich hierbei um Plagiate. Andere – wohlmeinendere – hätten entgegnet: »Nein, Zitate sind das!« Beides sei falsch, schreibt Schnebel. Bei Mahlers Methode des Aufgreifens von Melodien entstünde weder Plagiat noch Zitat, sondern – musikalische Erinnerung. (Zumindest hab ich das so in Erinnerung.)

Gasthof Grüner in Wien. Thomas Wördehoff, Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele und Auftraggeber für die Uraufführung unserer Mahlerlieder, isst Szegediner Gulasch und kommt ins Philosophieren: Wenn er Mahler höre, so sagt er, gingen die Gedanken in alle Richtungen davon und mit einem Mal finde man sich weit in der Zukunft wieder oder noch im Bauch der Mutter oder noch weiter in der Vergangenheit. Und dann kommt eine Bemerkung, die nur Thomas Wördehoff beim Verzehr von Szegediner Gulasch erfinden kann: »Erinnerungen an die Ewigkeit … nennen wir den Mahlerliederabend doch: Erinnerungen an die Ewigkeit!« Diese Schuhe sind uns denn doch zu groß.»Liederabend mit Erinnerungen an die Ewigkeit samt unverhofftem Eintreffen des Sängers« werden wir unsere Mahlerlieder später untertiteln. Das ist auch

eine Replik an den ersten Abend der Franui-Trilogie, die Schubertlieder, die wir mit dem Zusatz »Liederabend für Musicbanda und einen verschwundenen Sänger« versehen haben. Wir erzählen dem Publikum: Da der Sänger nicht gekommen sei, müssten wir alles selber machen! Bei den Mahlerliedern ist er nun pünktlich erschienen (und zu hören ab Track 11).

Markus Kraler sitzt gerade am Klavier. Seit 1993 schreiben wir die Franui-Kompositionen gemeinsam, sichten die Vorlagen, nehmen sie auseinander und setzen sie neu zusammen, fügen manchmal an einer bestimmten Stelle nur eine einzige Farbe, einen einzigen Ton hinzu und lassen an anderen Stel-len vom Original kaum etwas übrig. Und wenn wir gefragt werden, wie man zu zweit komponiere, antworten wir: Einer malt die Striche, der andere die Kugeln. Oder umgekehrt. Gerade sind wir bei »Ich atmet’ einen linden Duft« angekommen. Seit vielen Wochen schrauben wir an den Franui’schen Mahlerliedern herum und werden und werden nicht fertig. Die Dramaturgie der Ludwigsburger Schlossfestspiele, wo die Uraufführung unserer neuen Musik stattfinden soll, will auch noch ei-nen Text im Programmheft abdrucken und mahnt den Redaktionsschluss ein. Aber wann bleibt die Zeit zum Verfassen von Texten? Markus Kraler sagt: Du könntest aus Schönbergs Rede über Mahler zitieren, das füllt schnell eine halbe Seite und sagt auch viel über unsere Arbeit. (Wenn jemand nach dem Konzert unsere »Arrangements« lobt, schlagen wir in einer Verstimmung, die einsetzt wie Platzregen, die Augendeckel nieder und schweigen nobel.)

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Leider finde ich jetzt in der Eile das passende Zitat nicht.

Toblach wurde zum angesagten Urlaubsort, nachdem 1871 die Südbahnstrecke fertiggestellt worden war. Aus Sicht der Wiener Hautevolee hatte sie den großen Vorteil, mit der Eisenbahn direkt von Wien-Süd nach Meran gelangen zu kön-nen. Und Toblach liegt am Weg, an genau jenem Punkt, wo vom Hochpustertal der Weg nach Cortina d’Ampezzo und weiter nach Venedig abzweigt. (Das Straßenschild mit der Aufschrift »Venezia 200 km« hat sich mir schon als Kind eingeprägt.) Gustav Mahler konnte Maiernigg am Wörthersee nicht länger als Urlaubsdomizil behalten, nach all dem Unglück, das dort geschehen war. Also Toblach. Er mietete in Altschluderbach den ersten Stock eines Hauses, ver-schanzte sich einen Steinwurf entfernt im Komponierhäuschen im Wald und ließ im Umkreis von einem Kilometer auch noch einen Zaun errichten, auf dass die Waldtiere nicht die Musikerfindungsgabe des Meisters störten. Hier in Toblach geschah es auch, dass ihn eines Tages ein Brief erreichte, der »An den Herrn Kapellmeister Mahler« adressiert war, tatsächlich aber ein Liebesbrief an Alma war. Absender: Walter Gropius. (Alma hatte ihn zuvor bei einem Kuraufenthalt kennengelernt und ihm untersagt, Zeichen jedweder Art in die Sommerresidenz zu senden.) Schließlich kam Gropius nach Toblach und es wird erzählt, dass der Herr Kapellmeister und der Herr Architekt in angemes-senem Abstand wild schreiend und gestikulierend über die Toblacher Felder streiften. Womöglich auch über das »Toblacher Feld«, das eine Wasserscheide ist: Dort entspringen die Drau und die Rienz. Letztere findet ihren Weg über die Poebene ins Mittelmeer, Erstere mündet in die Donau und fließt ins Schwarze

Meer. Auch Mahler musste von Toblach aus eine weite Reise antreten: Er suchte in der Zeit der Krise, in die ihn die Liebschaft seiner Frau mit einem anderen gestürzt hatte, einen Arzt auf, der gerade im niederländischen Kurort Leyden (!) seinen Urlaub verbrachte. Sein Name: Dr. Sigmund Freud. Berichtenswert ist auch noch die Geschichte, die Alma Mahler überlieferte: Zwei, drei Jahre nach dem Tode von Gustav Mahler habe Freud der trauernden Witwe eine saftige Honorarnote für die seinerzeit erfolgte Leydener Behandlung übersandt … Aber jetzt bin ich vom Eigentlichen abkommen. Ich wollte erzählen: Unseren Nachforschungen zufolge besteht der dringende Verdacht, dass Gustav Mahler über das Toblacher Pfannhorn nach Innervillgraten gewandert ist, sich vom Zeugwart unserer Musikkapelle, mit dem er äußerst gut bekannt war, den Schlüssel für unser Probelokal ausgeborgt – und dort Noten gestohlen hat.

Und die stehlen wir jetzt zurück! Andreas Schett

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“holiday composer” wrote his Lied von der Erde, his Ninth Symphony and the drafts for his unfinished Tenth.

This is the (scenic) background to our appropriation of Gustav Mahler’s music. With our battery of sounds comprising woodwind and brass, bowed and other string instruments (such as the dulcimer and the harp) we aim at being, not interpreters but narrators of music. Based on a selection of works from Mahler’s Lieder oeuvre (we have used not only the Rückert and Wunderhorn Lieder but also the Lieder eines fahrenden Gesellen and the Kindertotenlieder) we attempt to shift the perspective: The listener gets to know how this music was created – and what came after it.

Japanese photographic artist Hiroshi Sugimoto became famous when, as he was wondering which scene might have looked to our ancient ancestors exactly the way it does to us now, it occurred to him to photograph the open sea. If the pictures that resulted from his idea were music Mahler would have composed it. But what I am actually driving at is this: Sugimoto’s piece Pine Trees (2001) is a reference to the “Pine Forest Screens” created by the painter Hasegawa Tohaku round about 1590: ink paintings in amazing shades of dark and light that are listed as Japanese national treasures. Sugimoto was spellbound by his predecessor’s work and decided “to enter into Tohaku’s ‘Pine Forest,’ metaboliz-ing its inner life.” I saw Sugimoto’s Pine Trees at a museum; on the wall beside the piece the artist had written two plain sentences, which I often recall: “In

lIedeR SoIRée wIth memoRIeS oF eteRNItY PlUS the UNhoPed-FoR APPeARANce oF the SINgeR

The Mahlerlieder album concludes Franui’s trilogy about the art of the Lied in the 19th century, as the final sequel to its predecessors Schubertlieder (2006) and Brahms Volkslieder (2008). Most of us – we have been playing together in nearly the same line-up for 18 years now – originally come from Innervillgraten, a tiny East Tyrolean village situated 1,402 meters above sea level near the border to South Tyrol. Also located there is a mountain pasture known by the name of “Franui,” after which we have named our Musicbanda (the Rhaeto-Romanic field name indicates the geographical proximity to the Dolomites, where Ladin is still spoken today).

A walk from Innervillgraten up the Toblacher Pfannhorn will afford you a wonderful view not only of the Drei Zinnen and the Große Schusterspitze but also down as far as Altschluderbach, a hamlet of Toblach, and into the forest, where Gustav Mahler’s last composing hut can still be visited today. Here, where the roving eye is caught by the lush green pastures of Toblach and Niederndorf farms, where the gentle southern slope of the Pfannhorn bears your soul and your sentiment into faraway lands, where these days you find yourself in the middle of the “game preserve Gustav Mahler” and have to pay admission for being allowed a glimpse of red deer and wild boar and the Master’s composing hut … here is where, during the summers of 1908, 1909 and 1910, the brilliant

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Soirée with Memories of Eternity plus the Unhoped-for Appearance of the Singer.” This is also a reference to the first program in the Franui trilogy, the Schubertlieder, which came with the subtitle, “Lieder Soirée for Musicbanda and a Disappeared Singer.” We told the audience that due to the singer’s failure to appear we would have to do it all by ourselves. For the Mahlerlieder, the singer has arrived on time (and makes himself heard starting with track 11).

Markus Kraler is sitting at the piano. Since 1993 the two of us have been writ-ing music for Franui as a team, sifting through the material, taking it apart and reassembling it, sometimes adding merely a single nuance, a single tone, at other times leaving hardly any of the original notes unchanged. Whenever we are asked how one writes compositions as a team, we reply: One draws the note heads, the other does the stems. Or vice-versa. Right now we are working on “Ich atmet’ einen linden Duft.” For weeks and weeks we have been tinkering with the Mahlerlieder à la Franui, and completion still seems a far way off. The organizers of the Ludwigsburger Schlossfestspiele, where our latest musical effort is to be premiered, want us to write a text to be printed in their program and keep reminding us of the deadline. But when are we supposed to find time for writing a text? Markus Kraler says: You could use a quote from Schönberg’s lecture on Mahler, that would easily fill half a page and tell the readers a lot about how we work. (Whenever we hear somebody praise our “arrangements” after a concert we cast down our eyes in dignified silence to hide the disgruntled mood that comes over us like a sudden downpour.)

Japanese cultural traditions, the act of emulating works of great predecessors is called honka-dori, ‘taking up the melody.’ Not scathed as mere copying, it is regarded as a praiseworthy effort.”

The composer Dieter Schnebel noted down an essential observation about Gus-tav Mahler: Whenever Mahler took up well-known musical motifs and used them in his own work some of the less well-meaning commentators declared that this was plagiarism, while others, more well-disposed towards the com-poser, retorted: “No, you’ve got it wrong, it’s a quote!” According to Schnebel, both have got it wrong. Mahler neither plagiarized nor quoted the melodies he used – he created a musical memory. (At least that’s how I remember the story.)

The scene is set at Gasthof Grüner, an inn in Vienna. Thomas Wördehoff, who is the director of the Ludwigsburger Schlossfestspiele and commissioned the pre-miere of our Mahlerlieder program, is eating Szeged pork goulash and begins to philosophize: Whenever he listens to Mahler’s music, he says, his thoughts start drifting away in all directions, until all of a sudden he finds himself in the distant future or back inside his mother’s womb or even further back in the past. And then he makes the kind of remark that only Thomas Wördehoff could come up with while eating Szeged pork goulash: “Memories of Eternity … why don’t we call the Mahlerlieder program Memories of Eternity!” Well, these shoes do seem a bit large for us. Later we decide that the subtitle for our Mahlerlieder program will be, “Lieder

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the Black Sea. Mahler, too, had to embark on a long journey from Toblach: In the crisis triggered by the discovery that his wife had a love affair he sought help from a doctor who was on vacation at the Dutch spa Leyden at the time. The doctor’s name was Sigmund Freud. A detail of the story related by Alma Mahler is also noteworthy: Some two or three years after Gustav Mahler’s death Freud apparently sent the grieving widow a steep bill for his treatment of Mahler at Leyden … But that is all beside the point. What I really wanted to tell you is this: Extensive research has led us to strongly suspect that one day Gustav Mahler took a hike across the Toblacher Pfannhorn to Innervillgraten, paid a visit to the instruments manager of our local brass band (with whom he was close friends), borrowed the key to our rehearsal room from him – and then went and stole some notes there.

And now we’re stealing them back! Andreas Schett

Alas, I am unable to find the right quote in all this rush.

Toblach became a fashionable holiday resort after the Southbound Railway Line from Vienna had been completed in 1871. Viennese high society was delighted about the new direct connection to Merano. Toblach is situated along the route, right where the road to Cortina d’Ampezzo and on to Venice branches off from the Hochpustertal valley. (Even when I was little the road sign “Venezia 200 km” made a huge impression on me.) After the tragedy that had happened at Maiernigg on the shores of Lake Wörthersee Gustav Mahler did not wish to return there for his vacation; he chose Toblach instead. He rented the upper floor of a house at Altschluderbach, entrenched himself in his composing hut a stone’s throw away in the forest, and had the whole area within a radius of one kilometer fenced in, lest the animals of the woods upset the master’s musi-cal genius. Also here in Toblach a letter arrived one day which was addressed to the “Musical Director Mahler” but was in fact a love letter to Alma. It was signed by Walter Gropius. (Alma had met him some time before at a spa but had forbidden him to forward any communication to her summer residence.) Later Gropius himself came to Toblach, and the story goes that the esteemed musical director and the esteemed architect were wandering across the fields of Toblach screaming and gesticulating wildly, yet keeping an appropriate dis-tance from each other. Quite possibly they also passed the so-called “Toblach Field,” which is a watershed: Both the river Drau and the river Rienz have their source here. While the latter finds its way down to the Po Valley and into the Mediterranean, the first flows into the river Danube and thus, eventually, into

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I walked with joy … incl. a visit to the unfortunate mr moszkowski

I walked joyfully through a green wood,I heard the little birds sing.Their songs so young, their songs so old,the little birds in the green wood!How I loved listening to them sing!

O nightingale let me hear your sweet sounds! Sing your old songs, rejoice once more!Good wishes and a thousand kisses carry on your tender wings and flutter gently away!

Day was gone, night had spread its wingwhen he to his beloved came!He knocked so softly on the ring!“Are you asleep or awake my child?I’ve been standing here so long, so long.”

The moon gazed through the little windowupon the sleeping beloved.The nightingale she sang all night.“Hark, o pretty maid, take heed!Where could your beloved be?”

Lyrics: Des Knaben Wunderhorn / The Youth’s Magic Horn & Nany Intrator, edited and compiled by Kraler/Schett

9Ich ging mit lust … ein Ausflug zu dem bedauernswerten herrn moszkowski inkl.

Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald, ich hört’ die Vöglein singen.Sie sangen so jung, sie sangen so alt, die kleinen Waldvögelein im grünen Wald!Wie gern hört’ ich sie singen, ja singen!

Liebe kleine Nachtigall, spende deinen süßen Schall! Singe, jubel noch einmal, deine alten Lieder! Grüße und tausend Küsse, nimm sie behutsam und fein auf dein zart Flügelein und dann flatt’re langsam fort!

Der Tag verging, die Nacht brach an, er kam zu Feinsliebchen, Feinsliebchen gegangen!Er klopft so leis’ wohl an den Ring, ei, schläfst du oder wachst, mein Kind?Ich hab’ so lang’ gestanden, ich hab’ so lang’ gestanden!

Es schaut der Mond durch’s Fensterlein zur holden, süßen Lieben,die Nachtigall sang die ganze Nacht.Du schlafselig’ Mägdelein nimm dich in Acht!Wo ist dein Herzallerliebster geblieben?

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Primal light

O little red rose!Man is in direst need!Man is in direst pain!I would much rather be in God’s domain!

I came upon a wide path.There stood an angel who wanted to turn me away.But no! I would not be turned away!But no! I would not be turned away!I am a hound, and will remain a hound!Oh God, zounds, dear Lord,the loving God will give me a little lightto shine my way to eternal, blessed life!

Lyrics: Des Knaben Wunderhorn / The Youth’s Magic Horn, modified by Kraler/Schett

11Urlicht

O Röschen rot!Der Mensch liegt in größter Not!Der Mensch liegt in größter Pein!Je lieber möcht ich, möcht’ ich im Himmel sein!

Da kam ich auf einen breiten Weg.Da kam ein Engelein und wollt mich abweisen.Ach nein! Ich ließ mich nicht abweisen!Ach nein! Ich ließ mich nicht abweisen:Ich bin ein Falott* und ich bleib ein Falott!Ach Gott, sapperlot**, der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben, wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben!

* österreichisch, umgangssprachlich: Betrüger, Halunke, Lump** [1] Ausdruck der Überraschung, Begeisterung [2] Ausruf der Verwünschung, Entrüstung

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At midnight

At midnight I stood watch and gazed up to the skies;not a single star in the clusterssmiled down upon meat midnight.

At midnight I paid close heed to the beating of my heart;a single pulse of agony sparked upat midnight.

At midnightI fought the battleo Mankind of your plight;but I could not win itwith my strengthat midnight.

Lyrics: Friedrich Rückert (1788–1866), edited by Kraler/Schett

12Um mitternacht

Um Mitternacht hab’ ich gewacht und aufgeblickt zum Himmel; kein Stern vom Sterngewimmel hat mir gelacht um Mitternacht.

Um Mitternacht nahm ich in acht die Schläge meines Herzens; ein einz’ger Puls des Schmerzens war angefacht um Mitternacht.

Um Mitternacht kämpft’ ich die Schlacht, o Menschheit, deiner Leiden; nicht konnt’ ich sie entscheiden mit meiner Macht um Mitternacht.

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Des Morgens stehen da die Gebeine in Reih’ und Glied, sie steh’n wie Leichensteine in Reih’, in Reih’ und Glied.Die Brüder, dick gesät, die Brüder, dick gesät, sie liegen wie gemäht.Trallali, trallaley, trallali, trallaley, trallalera, sie liegen wie gemäht.

Gute Nacht!Gute Nacht ihr Offizier!Korporal’ und Grenadier’!Gute Nacht, gute Nacht!

Lyrics: Des Knaben Wunderhorn / The Youth’s Magic Horn, edited and compiled by Kraler/Schett

13Revelge (For a drummerboy)

Des Morgens zwischen drei’n und vieren, da müssen wir Soldaten marschieren das Gässlein auf und ab, trallali, trallaley, trallalera, mein Schätzel sieht herab!

Ach Bruder, jetzt bin ich geschossen, die Kugel hat mich schwere, schwer getroffen, trag’ mich in mein Quartier, trallali, trallaley, trallalera, es ist nicht weit von hier!

Ach Bruder, ach Bruder, ich kann dich nicht tragen, die Feinde haben uns geschlagen!Helf ’ dir der liebe Gott, helf ’ dir der liebe Gott!Trallali, trallaley, tralali, trallaley, trallalera!Ich muss, ich muss marschieren bis in’ Tod!

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In the morning the bones lie therelike tombstones in rank and filein rank, in rank and file.The brothers are so densely sown,the brothers are so densely sown,they lie as though mown.Trallali, trallaley, tralali, tralleley, trallalera! They lie as though mown.

Good night!Good night to you officers!Corporals and grenadiers!Good night, good night!

Reveille (For a drummerboy)

In the morning between three and fourwe soldiers have to marchthe alley up and the alley down,trallali, trallaley, trallalera,while my darling looks on.

O brother, I have been shot,the bullet’s hit me hard, oh very hard!Carry me to my quarters,trallali, trallaley, trallalera,they are not far from here.

O brother, o brother I cannot carry you,the enemy has defeated us!May God be with you, be he with you!Trallali, trallaley, tralali, tralleley, trallalera! I have to march on until I die!

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I have lost touch with the world

I have lost touch with the worldwith which I wasted so much time.It has heard nothing from me for so longthat it may well believe that I am dead!

I couldn’t care less if it should holdme for dead and gone, dead to the world.I cannot deny that at all for in truth I am dead, dead to the world.

I am dead to the world’s turmoiland rest in a peaceful realm.I live alone in my heaven,in my love, in my love, and in my song.

Lyrics: Friedrich Rückert (1788–1866)

14Ich bin der welt abhanden gekommen

Ich bin der Welt abhanden gekommen, mit der ich sonst viele Zeit verdorben; sie hat so lange nichts von mir vernommen, sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, ob sie mich für gestorben hält.Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, denn wirklich bin ich gestorben, gestorben der Welt.

Ich bin gestorben dem Weltgetümmel und ruh’ in einem stillen Gebiet.Ich leb’ allein in meinem Himmel, in meinem Lieben, in meinem Lieben, in meinem Lied.

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bei den Bregenzer Festspielen Premiere; dabei entstanden die »Schubertlieder«. 2008 war das szenische Konzert »Nur ein Gesicht« ebenfalls bei den Bregenzer Festspielen zu sehen – eine musikalische Auseinandersetzung mit den Deut-schen Volksliedern von Johannes Brahms. Im Juni 2010 fand die Uraufführung der »Mahlerlieder« bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen statt.

Die CDs von Franui (u. a. »Mahlerlieder«, »Brahms Volkslieder« und »Schu-bertlieder«) erscheinen beim Label col legno und wurden mit mehreren Prei-sen ausgezeichnet (Preis der deutschen Schallplattenkritik, Pasticcio-Preis von Radio Ö1, Toblacher Komponierhäuschen).

FRANUIMusicbanda

Franui ist der Name einer ganz bestimmten Almwiese im kleinen, 1402 Meter über dem Meer gelegenen Osttiroler Dorf Innervillgraten/Österreich, in dem die Musiker von Franui großteils aufgewachsen sind. Das Wort ist rätoromani-schen Ursprungs und verweist auf die geografische Nähe Innervillgratens zum ladinischen Sprachraum in den Dolomiten. Die Musicbanda spielt seit 1993 in nahezu unveränderter Besetzung und verfügt durch ihre besondere Mischung aus Holz- und Blechbläsern, Saiteninstrumenten und Streichern über einen sofort wiedererkennbaren Klang.

Franui ist bei vielen Festivals und Konzertveranstaltern zu Gast, u. a.: Wiener Festwochen, Burgtheater Wien, Salzburger Festspiele, Bregenzer Festspiele, Ruhrtriennale, Radialsystem V Berlin, Philharmonie und Grand Théatre Lu-xemburg, Les Nuits de Fourvière Lyon, Tiroler Festspiele Erl, KunstFestSpiele Herrenhausen, Schauspielhaus Hamburg, Kunstfest Pélerinages Weimar, Flan-dern Festival Kortrijk, Ludwigsburger Schlossfestspiele oder dem Theater Basel.

2005 begann eine intensive Zusammenarbeit mit dem Schauspieler und Regis-seur Sven-Eric Bechtolf, der mit Franui regelmäßig als Rezitator auftritt. Neben der Konzerttätigkeit realisieren die Musiker immer wieder auch Musiktheater-produktionen. In Zusammenarbeit mit der Berliner Theaterformation »Nico and the Navigators« hatte 2006 das Musik- und Bildertheater »wo du nicht bist«

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2008 the Bregenzer Festspiele hosted the premiere of the scenic concert »Nur ein Gesicht«, a musical reflection on Johannes Brahms’ Deutsche Volkslieder. The »Mahlerlieder« program premiered at the Ludwigsburger Schlossfestspiele in 2010.

Franui’s CDs (e. g. »Mahlerlieder«, »Brahms Volkslieder« and »Schubertlied-er«) are released with the label col legno and have won several prizes (German Record Critics’ Award, Ö1 Pasticcio Award, Toblacher Komponierhäuschen).

FRANUIMusicbanda

Franui is the name of a mountain pasture in Innervillgraten/Austria, a small East Tyrolean village located 1,402 meters above sea level where most of the Franui musicians grew up. The word is of Rhaeto-Romanic origin and refers to the proximity of Innervillgraten to the Ladin-speaking region in the Dolomite Alps. The Musicbanda, who have been playing together in nearly the same line-up since 1993, produce an immediately recognizable sound due to the special blend of woodwind and brass, bowed and other string instruments.

Franui are frequently invited to perform at major festivals and venues, e. g. Wiener Festwochen, Burgtheater Wien, Salzburger Festspiele, Bregenzer Fest-spiele, Ruhrtriennale, Radialsystem V Berlin, Philharmonie and Grand Théatre Luxembourg, Les Nuits de Fourvière Lyon, Tiroler Festspiele Erl, KunstFest-Spiele Herrenhausen, Schauspielhaus Hamburg, Kunstfest Pélerinages Weimar, Flanders Festival Kortrijk, Ludwigsburger Schlossfestspiele or Theater Basel.

The year 2005 marked the beginning of an intense collaboration with the ac-tor and director Sven-Eric Bechtolf, who regularly performs with Franui as a reciter. In addition to their concerts the musicians have also realized a number of music theater productions over the years. In 2006 the music and image theater project »wo du nicht bist« was realized in collaboration with the Ber-lin theater group »Nico and the Navigators« and premiered at the Bregenzer Festspiele; this was when the »Schubertlieder« first saw the light of day. In

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Franui areJohannes Eder, clarinet, bass clarinetAndreas Fuetsch, tubaRomed Hopfgartner, alto saxophone, clarinetMarkus Kraler, double bass, accordionAngelika Rainer, harp, zither, voiceBettina Rainer, dulcimer, voiceMarkus Rainer, trumpet, voiceAndreas Schett, trumpet, voiceMartin Senfter, valve trombone, voiceNikolai Tunkowitsch, violin

GuestsElisabeth Harringer, violin (Schubertlieder)Sven-Eric Bechtolf, voice (Schubertlieder, No. 17)Cornelia Rainer, bandoneon, voice (Brahms Volkslieder)Sylvia Rainer, voice (Brahms Volkslieder)Daniel Schmutzhard, baritone (Mahlerlieder, No. 11–14)

For further information visit:www.franui.atwww.col-legno.com

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MahlerliederRecording Date August 19–21, 2010Recording Location Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums, Innsbruck Recording Dieter Sailer, www.klangspur.at Editing Herbert Praxmarer Additional Recording and Editing Martin Klebahn, www.4tune.at Mixing and Mastering Studio Wolfgang Mitterer, www.wolfgangmitterer.com Commissioned by Ludwigsburger SchlossfestspieleCoproduced with Tiroler Festspiele Erl, Festspiele Südtirol / Alto Adige Festival and Wiener Konzerthaus

Photography Bernd UhligTexts Markus Kraler, Christian Seiler, Andreas SchettTranslations Walter Wurzer (Schuberlieder), Astrid Tautscher (text Christian Seiler, Brahms Volkslieder, Mahlerlieder), Nita Tandon (lyrics Brahms Volkslieder, Mahlerlieder)Design Concept Circus. Büro für Kommunikation und Gestaltung, Innsbruck, www.circus.at Typesetting & Layout Circus

© 2007/2008/2011 col legno Produktions- und VertriebsgmbH 2012 col legno, Franui

Distribution see our website www.col-legno.com Producer col legno Executive Producer Andreas Schett, Franui

SchubertliederRecording Date February 16–17, 2007 Recording Location Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums, Innsbruck Recording Reinhard BuchtaEditing Thomas BergantMixing Reinhard BuchtaAdditional recording and mixing Wolfgang MittererMastering Andreas Rathammer, www.visions.quinton.at Comissioned by Bregenzer Festspiele, Kunst aus der Zeit (KAZ ) and Nico and the Navigators

Brahms VolksliederRecording Date August 1–3, 2008Recording Location Veranstaltungszentrum Tulfes Recording Reinhard Buchta Editing Michael Mangweth Additional Recording and Editing Martin Klebahn, 4tuneMixing and Mastering Studio Wolfgang Mitterer, www.wolfgangmitterer.com Comissioned by Bregenzer Festspiele, Kunst aus der Zeit (KAZ)

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Egal welche CD Sie gerade in Händen halten, eines ist gewiss: bunt wird sie sein und außergewöhnlich, zwei Grundkonstanten bei col legno. Farbenprächtig, wie die Vielfalt der kulturellen Gegenwart, und unverwechselbar in der Prä-sentation musikalischer Visionen.col legno bedeutet »mit dem Holz«. Diese unkonventionelle Spieltechnik bei Streichinstrumenten hat die Klangvielfalt einst unerhört erweitert. Dieselbe spielerische Offenheit widmet col legno heute der Musik. Wir wollen mit Ih-nen Musik teilen, über die man redet und Geschichten erzählt, weil sie etwas Besonderes ist. col legno ist eine Familie – mit Ihnen sind wir komplett.

Whichever of our CDs you’re holding in your hands just now, two things are certain: it will be colorful on the outside, and the music it contains will be outstanding. These two qualities are fundamental constants in col legno’s pro-ductions. They come in colors as resplendent and varied as today’s cultural life, and are unique in the way musical visions are presented.col legno literally means “with the wood”. Once upon a time this unconventional technique enabled string players to expand the variety of sound produced by their instruments in unheard-of ways. Today we at col legno dedicate the same open-minded playfulness to music. What we want to share with you is music that people will talk and tell stories about, because it is so special. col legno is a family – we only need you to make it complete.

For further information visit: www.col-legno.com

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