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d1g1tal AGENDA / 1-2018 / 43 „Ohne geht es nicht!“ Simufact gehört zu den Pionieren auf dem spannenden Gebiet der Fertigungssimulation für die metallische additive Fertigung. Hendrik Schafstall, General Manager & CTO beim Systemanbieter, erklärt den Stand der Technik. Dr. Schafstall, welche Wege haben Ihr Unternehmen zu additiven Fertigungsverfahren mit Metallen ge- führt? Bei Simufact haben wir uns allgemein zum Ziel gesetzt, Produktionsverfahren numerisch abzubilden. Hierzu zählt auch die additive Fertigung. Unser erstes Produkt in die- ser Hinsicht konzentriert sich auf das weit verbreitete Pulverbettschmelzen, was allerdings nur in einem be- schränkten Bauraum möglich ist – die Maschinen haben SIMULATION Hendrik Schafstall macht sich für Software stark, die auch vom Fertigungstechniker angewendet werden kann FERTIGUNGSSIMULATION

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„Ohne

geht esnicht!“Simufact gehört zu den Pionierenauf dem spannenden Gebiet derFertigungssimulation für diemetallische additive Fertigung.Hendrik Schafstall,General Manager & CTO beimSystemanbieter, erklärt denStand der Technik.

Dr. Schafstall, welche Wege haben Ihr Unternehmenzu additiven Fertigungsverfahren mit Metallen ge-führt?Bei Simufact haben wir uns allgemein zum Ziel gesetzt,Produktionsverfahren numerisch abzubilden. Hierzu zähltauch die additive Fertigung. Unser erstes Produkt in die-ser Hinsicht konzentriert sich auf das weit verbreitetePulverbettschmelzen, was allerdings nur in einem be-schränkten Bauraum möglich ist – die Maschinen haben

SIMULATION

Hendrik Schafstall macht sich fürSoftware stark, die auch vomFertigungstechniker angewendetwerden kann

FERTIGUNGSSIMULATION

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3D-DRUCK

eine typische Baufläche von maximal 800 x 400 mm. Diesspiegelt sich in der Simulation wider, denn derartige Bau-volumen sind numerisch gut handhabbar. Hierbei konzen-trieren wir uns auf die Modellierung von Fertigungs-parametern, die Einfluss auf das finale Bauteil haben.

Was verstehen Sie unter „Endergebnis“?Ein wichtiges Ergebnis der Simulation sind präzise Aussa-gen über die Endgeometrie der Bauteile. Bei diesem Her-stellungsprozess wird mit sehr hohen Temperaturengearbeitet, was zu Eigenspannungen und als Folge davonzu Verzügen führt. Diese machen wir mit unserer Softwaresichtbar.Des Weiteren untersuchen wir auch die Nachfolgeopera-tionen: Nach dem Schichtaufbau wird das Teil von der Bau-platte getrennt, und die Stützstrukturen werden entfernt.Durch das Separieren können sich interne Spannungen inVerzüge auswirken.Im Anschluss daran kann das Bauteil wärmebehandeltwerden, um Spannungen abzubauen und ein gleichmäßi-ges Gefüge zu erzielen.Durch den Schweißprozess im Pulverbett kann das Bau-teilmaterial porös und damit rissanfällig werden. Das istsehr gefährlich bei Anwendungen in der Luft- und Raum-fahrt, die deshalb in der Regel ein heißisostatisches Press-verfahren nachschaltet. In diesem sogenannten HIP-Prozess wird das Material von außen nochmals unterDruck erwärmt, um so eventuelle Poren zu schließen. Un-sere Software Simufact Additive berücksichtigt auch die-sen Prozessschritt, um ableiten zu können, wie das finaleBauteil tatsächlich aussieht.Außerdem: Wenn gedruckt wird, kommt es bekannterma-ßen zu rauen Oberflächen, die im Nachgang durch Zer-spanung geglättet beziehungsweise poliert werdenmüssen. Wir sind der Meinung, dass auch diese Folge-schritte in die Analyse einbezogen werden müssen, ummöglichst alle Effekte, die Kosten verursachen, zu be-rücksichtigen und den Fertigungsprozess in seiner Ge-samtheit optimieren zu können.

Welchen idealen Anwender haben Sie mit SimufactAdditive im Sinn?

Wir haben eine Lösung geschaffen, die die gesamte Band-breite der genannten Prozessschritte abbildet. Die Soft-ware richtet sich in erster Linie aber nicht an denBerechnungsingenieur, sondern an den Anwender ausdem Fertigungsumfeld. Er bringt das notwendige Ver-ständnis über die relevanten Freiheitsgrade in der Pro-duktion mit, und kann über das Durchspielen vonmöglichen Varianten eine sinnvolle Optimierung des Pro-zesse erzielen.Das Produkt Simufact Additive ist neu, es ist erst seit No-vember 2016 auf dem Markt. Im ersten Schritt haben wiruns darauf konzentriert, eine sehr hohe Ergebnisqualitätsicherzustellen: Die berechneten Geometrien, der Verzug,die Eigenspannungen sind für alle möglichen, teilweise äu-ßerst detailreichen Strukturen sehr realitätsnah.

Auf welche nächsten Schritte kann der Anwenderhoffen?Wir sind dabei, Optimierungsalgorithmen zu implementie-ren, um über automatisierte Variationsrechnungen demAnwender Vorschläge für eine bessere Lösung zu unter-breiten – optimal hinsichtlich der Genauigkeit der Geo-metrie, aber auch hinsichtlich der Kostenstruktur. Diesenkonsequenten nächsten Schritt werden wir mit unseremnächsten Release Mitte dieses Jahres auf den Markt brin-gen.

Haben Sie auch das Laserauftragsschweißen imVisier?Wenn wir vom Laserauftragsschweißen sprechen, spre-chen wir von sehr großen Strukturen in der Luft- undRaumfahrt, die deutlich größer als 10 m sein können, wasgroße Herausforderungen für die Modellierung mit sichbringt.

Donnerwetter! Wie gehen Sie damit um?Im Rahmen von öffentlich geförderten Projekten arbeitenwir gemeinsam mit der Industrie an geeigneten Technolo-gien. Unsere Arbeiten haben wir in der Arbeitsgruppe„Schweißen“ angesiedelt, weil dieses Verfahren als Mehr-lagenschweißen aufgefasst werden kann. Es erforderteinen hohen Modellierungsaufwand, dem wir mit einer Au-

Simufact Additive simuliertden kompletten Prozessdes Pulverbettschmelzens

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FERTIGUNGSSIMULATION

tomatisierung begegnen wollen. Ziel ist es, die bereits be-kannten Kenngrößen der Fertigungsplanung direkt einflie-ßen zu lassen und damit den Aufwand deutlich zuminimieren.

Lassen sich Ihre Untersuchungen auch für andereVerfahren nutzen?Grundsätzlich ja. Schließlich geht es allgemein gesprochenum die Frage, in welchen Fällen wir als Simulationsanbie-ter einen Mehrwert bieten können. Wir beobachten hierdie Entwicklungen in allen Richtungen.

Wo liegen konkret die Herausforderungen bei der Mo-dellierung?Die Modelle sind allein von den Dimensionen her be-trachtet riesig. Es muss eine enorme Anzahl von Lagen ef-fizient abgebildet werden, um innerhalb von kurzer Zeiteinen Trend zu erkennen, damit gezielt optimierend ein-gegriffen werden kann. Derzeit benötigen wir dafür Re-chenzeiten im Bereich von Monaten oder gar Jahren, wasvöllig inakzeptabel und praxisfremd ist. Es sind also inno-vative Konzepte der Vereinfachung gefragt, die ohne zugroßen Genauigkeitsverlust zufriedenstellende Resultateliefern. Daran arbeiten wir derzeit. Allerdings: Jede neueIdee für einen Algorithmus muss sorgfältig validiert wer-den, weil es sich dabei insbesondere um Anwendungen inder Luft- und Raumfahrt handelt, für die sehr verlässlicheAussagen gefordert sind.

Apropos Anwendung: Gibt es Unterschiede bezogenauf die Automobilindustrie und die Luft- und Raum-fahrt?Wir beschäftigen uns derzeit mit der Frage, welche Mög-lichkeiten aus Sicht der Fertigung bestehen, um Rück-schlüsse zu ziehen, wie ein funktionsintegriertes Designauszusehen hätte.Der 3D-Druck ist streng genommen ein sehr altes Verfah-ren. Es ist seit 25 Jahren auf dem Markt, zunächst über-wiegend für das Rapid Prototyping. Später ist insBewusstsein gedrungen, dass sich auf diese Weise auchLeichtbaustrukturen sehr gut herstellen lassen. Sie sindzwar teurer in der Herstellung, aber man spart Gewicht.Und in der Luft- und Raumfahrt bringt jedes gespartes Ki-logramm richtig Geld. Daher hat diese Branche diese Tech-nologie vorangetrieben, um bei Teilen, bei denensicherheitsrelevante Kriterien nur eine untergeordneteRolle spielen, möglichst viel Gewicht zu sparen.Im nächsten Schritt hat die Luft- und Raumfahrt komplexe,funktionsintegrierte Bauteile im Antriebsbereich mit addi-tiven Fertigungsverfahren hergestellt, etwa um Kühlkanäle,Einspritzdüsen und andere Dinge weiter zu optimieren.Auch bei diesen Anwendungen sind hohe Herstellungs-kosten sekundär, die Gewichtseinsparung ist von enor-mem Vorteil.Auf diese Erfolge ist die Automobilindustrie aufmerksamgeworden. Dort konzentrieren sich die Aktivitäten derzeitnoch auf den Prototypenbau. Parallel dazu werden aber

auch hier neue Anwendungsfelder erforscht: So werdenbestimmte Werkzeuge, Formen und Hilfsmittel für die Fer-tigung additiv hergestellt. Hier können zum Beispiel ober-flächennahe Kühlungskanäle in Spritzgusswerkzeugenrealisiert werden, die durch kürzere Abkühlzeiten eine hö-here Taktzahl in der Serienfertigung ermöglichen. Außer-dem wird untersucht, inwieweit es Sinn macht, kleinerekomplexe Bauteile, etwa für Nebenaggregate, zu drucken.Ein weiterer interessanter Anwendungsfall ist die Ersatz-teilversorgung. So werden bei Mercedes Benz Lkw spe-zielle Ersatzteile für Unimog einfach nach Bedarf gedruckt,sodass man sich deren Lagerhaltung spart.Die Großserienfertigung ist in der Automobilindustrie der-zeit kein Einsatzfeld für die additive Herstellung von Me-tallbauteilen; anders ist das bei Kleinserien: Bei hoch-wertigen Sportwagen, etwa Bugatti, Audi R8, auch beimA8, wird nach sinnvollen Einsatzmöglichkeiten der Tech-nologie gesucht – auch wenn bekannt ist, dass die so her-gestellten Teile teurer sind.

Wie bewerten Sie den Einstieg großer Industriekon-zerne wie GE oder BASF in den 3D-Druck?Schon allein die Herstellung eines Metallpulvers ist extremkostenintensiv. Es muss sichergestellt werden, dass dieKorngrößen möglichst homogen sind; das ist sehr auf-wendig. Derzeit sind neue Legierungen in der Entwicklung,die spezielle Eigenschaften für die additive Fertigung mit-bringen. Auf diese Ergebnisse wartet die Automobilindus-trie. Bisher sind überwiegend Titanlegierungen, Inconel(Ni-Basislegierungen), Al-Legierungen und eine über-schaubare Menge an Stahllegierungen verfügbar. Aber imBereich der Materialforschung bewegt sich sehr viel.

Das bedeutet aber auch, dass Simufact bei der Mo-dellbildung gut zu tun hat…Ohne Zweifel! Bei den neuesten Materialien sind nichtalle physikalischen Abhängigkeiten mathematisch ausrei-chend beschrieben. Wir müssen also am Ball bleiben unduntersuchen, wie wir diese Materialien charakterisierenkönnen, etwa in Hinblick auf die Modellierung der Pulver-körner oder auf Bauteilebene. Wir suchen nicht nur dieNähe zu den Materialherstellern, sondern auch zu den An-wenderfirmen…

…mit anderen Worten, ohne Simulation geht es dabeinicht.Bei den neuen Materialien definitiv nicht, weil hier kaumErfahrung vorliegt. Übrigens auch deswegen, weil die Ma-schinensteuerung ein sehr kurzlebiges Geschäft ist. DieGrundkenntnisse muss man sich mühsam erarbeiten,wobei weder Zeit noch Geld im Überfluss vorhanden ist.Deshalb ist die Simulation so extrem wichtig.

Vielen Dank für die Stellungnahme!

Interview: BERNHARD D. VALNION