APN in der Geriatrie: Chancen und Möglichkeiten
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Franziska Zúñiga, RN, MSN
APN in der Geriatrie: Chancen und Möglichkeiten Beaulieu, Lausanne, 3. Dezember 2015
Ältere Menschen im Schweizer Gesundheitswesen
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Mehr ältere Menschen – neue Anforderungen an Gesundheitsversorgung
3 Colombo et al. 2011, IOM 2008
0%
5%
10%
15%
20% OECD EU27 Japan USA Welt
Schweiz
CH: von 5% in 2010 zu 12% in 2050
Anteil der über 80jährigen Menschen, Projektion bis 2050:
Schweiz: 20% der über 65jährigen erhalten formale Langzeitpflege (Durchschnitt OECD Länder: 13%)
Komplexe Versorgung von älteren, chronisch kranken Menschen
• Bedarf älterer Menschen nach Unabhängigkeit und Kontrolle über Versorgung
• Vielfalt an Leistungserbringern, Lücken in den Versorgungspfaden
• Wichtig, Versorgungsbedarf von älteren Menschen zu identifizieren und koordinieren http://interlinks.euro.centre.org/de
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Stationäre Spitalaufenthalte oder Notfallbesuche in letzten 2 Jahren (55-jährige und ältere Personen, %)
Camenzind et al. 2014 5
Mängel im Anschluss an stationäre Hospitalisierungen
Camenzind et al. 2014 6
Übergänge zwischen Spital und zu Hause / Spitex / Pflegeinstitutionen: Hohes Fehlerrisiko
Silostrukturen dominieren die Gesundheitsversorgung:
Kontinuität in Information, Gesundheitsmanagement und
Beziehungen ist gefährdet Belastung von Angehörigen
Medikationsfehler
Wiedereintritte ins Spital
Fehlende Adhärenz für Behandlungen Kosten
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Es braucht Innovationen um die bestehenden Probleme im Schweizer Gesundheitswesen anzugehen
Spitex / Grund-
versorgung
Pflege-instituti
onen
Spitäler
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Personalmangel
Alternde Bevölkerung, bio-psycho-soziale Bedürfnisse
Chronische Erkrankungen, Multimorbidität, Geriatrische Syndrome Häufige Inanspruchnahme von Dienstleistungen, reduzierte Aufenthaltsdauer
Neue Versorgungsmodelle
• interdisziplinäre Teams • Der Skill mix adressiert
spezifische Gesundheits-bedürfnisse
• Gestaltung von Übergängen
APN spielt zentrale Rolle
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Advanced Practice Nurses (APN): Definition, Aufgaben, Kompetenzen
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ANP Modell nach Hamric et al. (2013)
Quelle Modell: Positionspapier ANP in der Schweiz, IG Swiss ANP, 2012
ICN APN Definition: “An advanced practice nurse is a registered nurse who has acquired the expert knowledge base, complex decision-making skills and clinical competencies for expanded practice, the characteristics of which are shaped by the context and / or country in which s/he is credentialed to practice. A Masters degree is recommended for entry level.” http://icn-http://icn-apnetwork.org/apnetwork.org/
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− Fähigkeit Krankheit von normalem Altern zu unterscheiden − Assessment von geriatrischen Syndromen − Erkennen von Veränderungen im mentalen Status − Unterstützung und Schulung von Patient/innen und Familien in
der Prävention und end-of-life care − Assessment von kulturellen und spirituellen Bedürfnissen − Zusammenarbeit mit anderen professionellen
Gesundheitsberufen IOM 2008
• Das gesamte Gesundheitspersonal braucht geriatrische Kenntnisse
• Minimal Anforderungen bezüglich Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltungen für professionelle Gesundheitsberufe
• Z. B. minimale Anforderungen an APN gemäss IOM:
Geriatrische Kompetenzen
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Neue Versorgungsmodelle mit Advanced Practice Nurses (APN) in der Geriatrie
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Versorgungsmodelle mit APN: Einsatzmöglichkeiten
• In spezifischen Settings (z.B. Spital, Spitex, Pflegeinstitutionen, Grundversorgung)
• An Übergängen (Spital – zu Hause, Pflegeinstitution – Spital)
• In multiprofessionellen Teams, in Pflegeteams, als einzelne Leistungserbringer
http://interlinks.euro.centre.org/de
In der Grund-
versorgung
In Pflege- institutionen
An Übergängen
Zu Hause
Im Spital
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APN in der Grundversorgung - Evidenzlage
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APN in der Grundversorgung
Modelle: Ergänzung / Ersatz von Hausärzten bei chronisch kranken, multimorbiden Patient/innen
Teambasierte Modelle (Ärzt/innen, APN, andere
Gesundheitsberufe) eher erfolgsversprechend! Ergebnisse: APN mindestens gleichwertige Pflege wie Ärzt/innen
(klinische Parameter, Guidelines einhalten)
höhere Patientenzufriedenheit, tiefere Hospitalisationsrate, tiefere Mortalität
Mehr Informationen über Erkrankung, Umgang mit Symptomen, Selbstmanagement – längere Konsultationen
Leventhal et al. 2011, Mártinez-González et al. 2014,2015 16
APN an Übergängen: Transitional Care Model (TCM)
• Pflege am Übergang Spital – zu Hause University of Pennsylvania (M. Naylor)
• Zielpublikum: ältere Hochrisikopatient/innen mit Spitalaufenthalt
• Multiprofessionelles, von APN geführtes Team mit Patient/in und Angehörigen
• Inhalt: Koordination und Kontinuität der Pflege, Prävention und Vermeidung von Komplikationen nach Akut-Episode. Enge klinische Begleitung mit Start im Spital, Hausbesuche mit Unterstützung und Anleitung im Selbstmanagement, 7d/Woche Telefonsupport, begleitete Arztbesuche
Naylor et al., 2013 17
Transitional Care Model (TCM) – Ergebnisse
• Reduktion von Wiedereintritten nach Hospitalisationen • Reduktion der totalen Gesundheitskosten pro Teilnehmende • Verbesserung des Gesundheitszustandes, Symptommanagements (z. B.
Müdigkeit), Lebensqualität, Reduktion der Anzahl depressiver Symptome • hohe Akzeptanz und Zufriedenheit bei Teilnehmenden
Naylor et al.1999, Naylor et al. 2004, Naylor et al. 2013
Wiedereintritt ins Spital nach Spitalaufenthalt
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Transitional Care – Beispiele aus der Schweiz mit Case management durch APN
Hohe Zufriedenheit bei Patient/innen und Pflegenden, bessere Austrittsinformationen für Hausarzt
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APN in Pflegeinstitutionen
Zwei Hauptfunktionen: Ersetzen / Ergänzen von ärztlichen Dienstleistungen oder Qualitätsverbesserung
Aufgaben: klinisches Assessment, Management von chron.
Erkrankungen, Unterstützung und Anleitung von Bewohner/innen, Angehörigen und Pflegenden, Pflegekoordination (Schnittstelle zu Hausarzt, Spital), Beratung zu und Durchführung von Qualitätsverbesserungsprogrammen
Anstellungsmodelle: In HMO-Modellen / Hausarzt, Versicherungen,
Pflegeheim, selbständige Leistungserbringer Mezey et al. 2005 20
APN in Pflegeinstitutionen
Ergebnisse: Besseres Management von chron. Erkrankungen (Bluthochdruck, Diabetes, Depression, Herzkrankheiten)
Verbesserung der funktionalen Fähigkeiten Besseres Schmerzmanagement, weniger
Dekubitus, Aggression, bewegungseinschränkende Massnahmen, Stürze, Urininkontinenz
weniger Hospitalisationen und Notfallbesuche Verbesserung der Zufriedenheit von
Bewohner/innen, Angehörigen und Pflegenden Bakerjian 2008, Donald et al 2009, Kaasalainen et al 2010 21
APN in Pflegeinstitutionen – Beispiele aus der Schweiz
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Pflege zu Hause: Community Aging in Place – Advancing Better Living for Elders (CAPABLE)
Programm an der John Hopkins University (S. Szanton) Ziel: Selbständigkeit und Gesundheit von älteren Menschen zu
Hause verbessern / erhalten, Leben zu Hause für längere Zeit ermöglichen
Intervention: Identifizieren von Massnahmen, die Mobilität und Selbstpflege verbessern (Steuerung durch TN!):
10 Hausbesuche (60-90min) über 5 Monate durch Pflegende (4 Besuche), Ergotherapeutin (6 Besuche)
Handwerker (Budget von $1300) macht Anpassungen in der Wohnung (z. B. Geländer)
Pho et al 2012, Szanton et al. 2015 23
Pflege zu Hause: Community Aging in Place – Advancing Better Living for Elders (CAPABLE) - Ergebnisse
• Verbesserung des ADL-Status bei der Mehrheit der Teilnehmenden (79%)
• Halbierung der Selbstpflegetätigkeiten, mit denen Teilnehmende Schwierigkeiten haben
• Reduktion von depressiven Symptomen (Effekt gleich gross wie bei Einnahme von Antidepressiva)
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APN Einsatz zu Hause – Beispiel aus der Schweiz
JAGS, 2012, 60: 2223-2231
Durchführung: ZHAW (L. Imhof) Zielsetzung: Erhöhung der Lebensqualität, Reduktion von
Akutereignissen und Hospitalisationen Intervention: 4 Hausbesuche und 3 Telefonate durch APN vs. usual
care Ergebnisse: Kein Unterschied bezüglich Lebensqualität Weniger Akutereignisse, Stürze, Sturzfolgen und
Hospitalisationen (gemäss Aussage von TN) 25
APN in der Geriatrie: Chancen und Möglichkeiten in der Schweiz
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Vorbereitungsarbeiten • Klärung von Aufgaben, Kompetenzen, Rollen und erwarteten
Ergebnissen von APN in verschiedenen Settings (Stakeholders) Deutliche Unterscheidung, welches Ausbildungsniveau für welche Rolle erforderlich ist
• Klärung des gesetzlichen Rahmens, Zertifizierung, Finanzierung, Karrieremöglichkeiten
• Multiprofessionelle Entwicklung von neuen Modellen, die konkrete Bedürfnisse in der Bevölkerung abdecken, Implementation und Evaluation mit Begleitforschung Nachhaltigkeit sicherstellen (Anpassung an Kontext, Wirksamkeit, Finanzierung, Akzeptanz, u.a.)
• Ausbildung von geriatrischen APN, deren erweiterte Kompetenzen dem Versorgungsauftrag entsprechen
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Das ANP plus Programm am Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel
Schwerpunkt: Unterstützung und Pflege von älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen
Inhalte: Erweiterung von Expertise und Kompetenzen im
Assessment von Gesundheitszuständen, analytisches Denken, klinische Entscheidungsbildung
Formales: Diploma of Advanced Studies nach Masterabschluss 30 ECTS (900 Stunden) 2d/Woche über mindestens 12 Monate 600 Stunden supervisierte klinische Praxis (3 Orte:
Bereich Geriatrie, chron. Krankheiten, Grundversorger / Hausarzt)
https://nursing.unibas.ch/veranstaltungen/fort-weiterbildung-am-ins/weiterbildung-anp/anp-plus-diplom
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Take Home Messages
• Neue Versorgungsmodelle notwendig zum Decken von spezifischen Lücken in der Versorgung älterer Menschen
• Spezifisch ausgerichtete Modelle mit APNs sind erfolgreiche
Möglichkeiten an verschiedenen Stellen der Versorgung mit folgenden Zielen:
− Besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung für ältere,
chronisch kranke Menschen − Höhere Qualität der Versorgung im Bereich chronischer
Krankheiten / Multimorbidität / Reduktion von Hospitalisationen − Kostenreduktion (z. B. transitional care model) − Verbesserung der Karrieremöglichkeiten von Pflegenden
Delamaire & Lafortune 2010 29
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Bibliografie (1) Bakerjian, D. (2008). Care of nursing home residents by advanced practice nurses: A review of
the literature. Research in Gerontological Nursing, 1(3), 177-185. DOI: 10.3928/00220124-20091301-01
Camenzind, P., & Petrini, L. (2014). Personen ab 55 Jahren im Gesundheitssystem: Schweiz und internationaler Vergleich 2014. Auswertung der Erhebung «The Commonwealth Fund’s 2014 International Survey of Older Adults» im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) (Obsan Dossier 43). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
Delamaire, M., & Lafortune, G. (2010). Nurses in advanced roles: A description and evaluation of experiences in 12 developed countries., OECD Health Working Papers, No. 54: OECD Publishing.
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IOM (Institute of Medicine). (2008). Retooling for an aging America: Building the health care workforce. Washington, DC: The National Academies Press.
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Bibliografie (2) Kaasalainen, S., Martin-Misener, R., Carter, N., DiCenso, A., Donald, F., & Baxter, P. (2010). The
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Martinez-Gonzalez, N. A., Rosemann, T., Tandjung, R., & Djalali, S. (2015). The effect of physician-nurse substitution in primary care in chronic diseases: a systematic review. Swiss Med Wkly, 145, w14031. DOI: 10.4414/smw.2015.14031
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Bibliografie (3) Naylor, M. D., Brooten, D. A., Campbell, R. L., Maislin, G., McCauley, K. M., & Schwartz, J. S.
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Pho, A. T., Tanner, E. K., Roth, J., Greeley, M. E., Dorsey, C. D., & Szanton, S. L. (2012). Nursing strategies for promoting and maintaining function among community-living older adults: the CAPABLE intervention. Geriatr Nurs, 33(6), 439-445. DOI: 10.1016/j.gerinurse.2012.04.002
Szanton, S. L., Wolff, J. L., Leff, B., Roberts, L., Thorpe, R. J., Tanner, E. K., . . . Gitlin, L. N. (2015). Preliminary data from community aging in place, advancing better living for elders, a patient-directed, team-based intervention to improve physical function and decrease nursing home utilization: the first 100 individuals to complete a centers for medicare and medicaid services innovation project. J Am Geriatr Soc, 63(2), 371-374. DOI: 10.1111/jgs.13245
Zúñiga, F., Jenni, G., Wiesli, U., & Schwendimann, R. (2010). Entwicklung der Rolle der Advanced Practice Nurse in der stationären Langzeitpflege älterer Menschen in der Schweiz. [Development of the role of an Advanced Practice Nurse in the long-term care of elderly people in Switzerland]. Pflege, 23(6), 375-383. DOI: 10.1024/1012-5302/a000076
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