Arbeitsmarktregulierungen am Beispiel des Kündigungsschutzes von Irene Rosenbrock Christina...

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Arbeitsmarktregulierungen am Beispiel des Kündigungsschutzes von Irene Rosenbrock Christina Trimpop

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Arbeitsmarktregulierungen am Beispiel des Kündigungsschutzes

vonIrene RosenbrockChristina Trimpop

Gliederung

Das Kündigungsschutzgesetz- Grundlagen

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Neoklassik

Grundannahmen institutionalistischer Arbeitsmarkttheorien

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Reformvorhaben

Diskussion

Das Kündigungsschutzgesetz- Grundlagen

Seit 1951; zuletzt überarbeitet im Januar 2004

Arbeitnehmer als „Betriebsbürger mit Freiheiten und Rechten im Betrieb“

Schutz vor willkürlichen Kündigungen Sicherheit und Stabilität im Beschäftigungsverhältnis

Gesetz und Regelungen im Zeitverlauf immer komplexer und engmaschiger in Deutschland relativ streng (OECD-Studie) und undurchsichtig; hohe Rechtsunsicherheit

Folge: Kündigungsschutz ist Gegenstand kontroverser, öffentlicher Diskussionen

Das Kündigungsschutzgesetz- Grundlagen

4 Rechtsquellen: BGB, KSchG, tarifvertragliche Regelungen, Richterrecht

Grundkündigungsfrist: 4 Wochen bis zum 15. eines Monats; bei mehrjähriger Beschäftigung seit dem 25. Lebensjahr: Verlängerung auf bis zu 7 Monate

Seit 1.1.2004: Neuregelung Mindestgrenze für Wirksamkeit des Ksch 10 Arbeitnehmer, wobei befristete Beschäftigte, Leih- und Zeitarbeitnehmer nicht angerechnet werden; Teilzeitkräfte werden anteilig angerechnet

Beschäftigungsdauer: min. 6 Monate

Das Kündigungsschutzgesetz- Grundlagen

Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers muss binnen 3 Wochen nach Kündigung eingereicht werden

Ordentliche Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein (Nachweis des Arbeitgebers)

Sozial gerechtfertigt wenn: Gründe in der Person, Verhalten oder betriebsbedingt vorliegen

“Ultima- Ratio- Prinzip”: Prüfung ob Kündigung durch Maßnahmen wie Umschulung, Versetzung, etc. verhindert werden kann

Das Kündigungsschutzgesetz- Grundlagen

Sozialauswahl: Kriterien, wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, finanzielle Situation,etc. des Beschäftigten in Betracht ziehen

Kann Arbeitnehmer nachweisen, dass ein anderer „sozial stärker“ ist Kündigung ungerechtfertigt

Möglichkeit auf Klage: Entweder Weiterbeschäftigung oder Abfindung

Gerichtsprozess: oft langwierig und teuer

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Neoklassik

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Neoklassik

Ksch. als arbeitsmarktregulierendes Instrument führt zu:

großen Flexibilitätsdefiziten

Verhinderung markträumender Löhne

erhöhte Arbeitskosten, weil: Entlassungskosten + hohe Rechtsunsicherheit

sinkende Einstellungsbereitschaft

Also: negative Beschäftigungswirkung

Höheres Arbeitsvolumen in D. Überstunden, Rationalisierung

Ksch. erschwert Einführung technologischer Innovation

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Neoklassik

Ksch. hemmt Anpassung der Beschäftigung an konjunkturelle Auslastungsschwankungen und erforderliche Strukturwandlungen

Folge: Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen; sinkende gesamtwirtschaftliche Beschäftigung

Selektives Einstellungsverhalten Veränderung der Struktur der Arbeitskräftenachfrage (Verschlechterung der Situation geringqualifizierter Arbeitnehmer)

Hoher Bestandschutz Verbesserung der Situation der Insider; Verschlechterung der Situation der Outsider

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Neoklassik

Folge: Anstieg der Dauer der Arbeitslosigkeit

Ksch. benachteiligt außerdem gerade die Gruppen, die eigentlich besonders schützenswert sind: Frauen, Jugendliche, Behinderte

Negative Verteilungswirkung, da aus Angst vor möglichen Entlassungskosten hauptsächlich junge männliche Arbeitnehmer eingestellt werden

Weitere Folge: Trend zu atypischen Beschäftigungsformen, die nicht unter den Ksch. fallen (Leiharbeit, Subkontrakte, etc.)

Grundannahmen institutionalistischer Arbeitsmarkttheorien

Grundannahmen institutionalistischer Arbeitsmarkttheorien

Arbeitsmarkt ist „soziale Institution“

Einwirken von Tradition, Macht, Verhandlungen, Vertrauen, Solidarität und Bürgerrechte

Grundannahmen institutionalistischer Arbeitsmarkttheorien

„Institutional man“ verfügt über begrenzt kognitive Fähigkeiten; keine vollständige Markttransparenz; unvollständige Planung

Opportunistisches Verhalten der Vertragsparteien; Durchsetzen von Eigeninteressen durch Fehlinformation

Erzeugung von gegenseitiger Abhängigkeit der Vertragsparteien durch beziehungsspezifische Investitionen

Wegfall dieses investiven Nutzens bei Partnerwechsel

Grundannahmen institutionalistischer Arbeitsmarkttheorien

Unterschied zum Gütermarkt

Arbeitskraft ist nicht von der Person des Arbeitnehmers trennbar

Arbeitsverträge sind zumeist asymmetrisch spezifizierte „offene Zukunftsverträge“

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Institutionalistische Sicht rechtfertigt aufgrund von Verteilungs- und Effizienzaspekten den rechtlich verankerten

Kündigungsschutz

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Verteilungsorientierte Rechtfertigung:

1. Einflussasymmetrie zu Ungunsten des Arbeitnehmers

2. Dispositionsasymmetrie zu Ungunsten „nur“ Humankapital Besitzender

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Effizienzorientierte Rechtfertigung:

Scheitern von kooperativen Verhalten der Vertragsparteien aufgrund von Marktunvollständigkeiten

Produktionssteigerungen nicht nur durch Anstieg der Beschäftigungsdauer

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Was ist sinnvoller?

Gesetzliche Regelung des Kündigungsschutzes?

Innerbetriebliche oder kollektive Regelungen?

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Pro-Argumente staatliche Regulierung

Leistungsbereitschaft steigt, z.B. durch gerechte Entlohnung

Senkung der Transaktionskosten

Weniger „Bummelanten“

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

In vielen Unternehmen fehlt ein Betriebsrat

Vorteile bei Massenentlassungen

Stärkung der Volkswirtschaft durch „Institution Kündigungsschutz“

Wirkungen des Kündigungsschutzes aus Sicht der Institutionalisten

Contra-Argumente staatliche Regulierung

Kündigungsregeln sollen nach Subsidiaritätsprinzip privater Initiative überlassen werden

Qualifizierte Arbeitnehmer genießen „natürlichen“ Kündigungsschutz

Empirische Evidenz

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Studien belegen:

Längere Dauer der ArbeitslosigkeitWahrscheinlichkeit arbeitslos zu werden:

1980: 12,7%2001: 12,4%

Durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit:1980: 15,5 Wochen2001: 34,7 Wochen

Folge: Langzeitarbeitslosigkeit steigt; Outsider finden schlechter in den Arbeitsmarkt zurück

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Studie von Edward Lazear:

Im internationalen Vergleich: höhere Abfindungszahlungen

niedrige Beschäftigungsquoten höhere Arbeitslosenquoten

Ebenfalls nachgewiesen:

Kündigungsschutz führt zu „adversen Verteilungswirkungen“ (benachteiligte Gruppen)

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Studie von Nickell u.a.:

Anstieg der realen Arbeitskosten stringenter Ksch. erhöht die „Matching-Effizienz“ These: (Personalauswahl bei strengem Ksch. sorgfältiger)

Befragungen über die These, dass Unternehmen aus Angst vor höheren Entlassungskosten nicht über die gesetzliche Schwelle von 10 Beschäftigte hinaus einstellen:

nicht eindeutig belegbar, aber: Rückgang des Einsatzes befristeter Arbeitsverträge

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Im neoklassischen Modell:Ksch. eindeutig negativ, aber:

Schettkat u.a. betonen: Arbeitsmarkt ist unvollkommen, deshalb sind komplexere Modelle notwendig

Akerlof/Spence/Stiglitz: selbst geringe Abweichungen vom Idealmodell (insbesondere Informationsasymmetrien) führen zu drastischen Effekten, daher: Institutionelle Regelungen unbedingt notwendig!

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Weitere Ergebnisse zeigen:

Strenger Ksch. erhöht die Beschäftigungs-schwelle(Wachstumsrate der Produktion die erreicht werden muss, damit die Beschäftigung steigt)

Flaig/Rottmann: Lockerung des Ksch. senkt Beschäftigungsschwelle Entspannung des Arbeitsmarktproblems

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Schettkat führt an: In den Niederlanden: noch strengerer Ksch.Aber: hohes Wachstum und vor allem reguläre

Vollzeitarbeitsplätze

Bonin:Wirtschaftswachstum in Deutschland beruht vor allem auf der Zunahme der Arbeitsproduktivität

Wachstum in D. weniger beschäftigungsintensiv bestehende Beschäftigungsschwellen bauen nicht unbedingt Arbeitslosigkeit ab, sondern:

Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Lohnflexibilität maßgeblich für Beschäftigungserfolg verantwortlich, deshalb:

Lockerung institutioneller Zugangsschranken führen nur dann zum Abbau struktureller AL, wenn andere Regulierungen (Tarifverträge, Mindestlöhne,...) die notwendige Lohnreaktion nicht verhindernaußerdem:

Wohlfahrtsstaatliche Institutionen schränken ebenfalls die Lohnflexibilität ein, deshalb Bonin:

Reformen nur in Verbindung mit weiteren Reformen des Sozialstaats!

Empirische Evidenz zu den Annahmen der neoklassischen und institutionalistischen Arbeitsmarkttheorie

Bauer/Bender/Bonin: Vom Ksch. ausgenommene Betriebe stellen nicht

häufiger ein als andere relativ homogene Qualifikationsstruktur der deutschen Arbeitnehmer ermöglichen: flexible Arbeitsorganisation

Folge: Auslastungsschwankungen werden durch Anpassung der Arbeitszeit anstatt der Beschäftigtenzahl

Reformvorhaben

Reformvorhaben der Bundesregierung

Korrektur der „Kleinbetriebsklausel“

Bei betriebsbedingter Kündigung Wahl

zwischen Abfindung oder Klage

Verbindliche Festlegung der

Kriterien für eine Sozialauswahl durch

Betriebsrat und Arbeitgeber

Befristete Verträge über 4 Jahre bei

Existenzgründung

Diskussion

Inwieweit berücksichtigen die Reformvorschläge die Interessen der Vertreter der Neoklassik und des Institutionalismus?

Welche Bedeutung haben/hätten die Reformen des Kündigungsschutzrechts für die Gesamtwohlfahrt?

VIELEN DANK