Arbeitsprobe sl001 digital-heritage

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Arbeitsprobe Sebastian Lentz Glosse zum Thema Digitales Erbe Digital Hertiage Was wird aus dem digitalen Erbe von Künstlern und Wissenschaftlern? Seit 2002 beobachte ich die verschiedenen Aktivitäten der Welt, der Verantwortung der Konservierung unseres digitalen Erbes nach zu kommen. Ich war dabei, wie meine Mutter zwischen 1980 und 85 den Nachlass meines Grossvaters Ernst Penzoldt sichtete, sortierte, auflistete und einordnete. Alles auf Papier, fast ein ganzer Keller voll. Ernst Penzoldt war nicht nur Schriftsteller sondern auch Maler, Illustrator, Texter, Bildhauer und Dichter. Seine sprühende Kreativität machte das Aufräumen und Zuordnen des bildnerischen und schriftstellerischen Nachlasses nicht einfach. Der Kontext von Projekten zog sich durch Briefe, Texte, Bilder und Illustrationen. Meine Mutter sortierte und strukturierte alles offline. Tausende von Briefen, Skizzen, Entwürfen, Bildern, Fotos, Manuskripten und Büchern stapelten sich in Mappen und Kisten. Ohne Computer, Datenbank oder Scanner wurde jahrelang an der Archvierung und Datierung dieses Nachlasses gearbeitet. Das bildnerische Werk ging schliesslich ans Stadtmuseum Erlangen. Die Manuskripte, also das schriftstellerische Werk, ging ins Deutsche Literaturarchiv Marbach, bewahrt für die Nachwelt, Dank unseres Familienanwalts, der das alles verhandelte und des Fleisses und des Durchhaltevermögens meiner Mutter. Dort in Marbach fanden die Manuskripte einen endgültigen Platz, in kleinen grünen Kartons, säuberlich beschriftet. Meine Mutter verbrachte weitere Tage, Wochen im Museum, um die Materialien dort noch einmmal zu beschreiben und zu datieren, Briefe und Handschriften zu transkribieren etc. Wir waren froh, wie alles endlich vorbei war. Soweit die Geschichte eines aus heutiger Sicht überschaubaren Nachlasses eines kreativen Künstlers, der mit den Köpfen seiner Zeit sehr gut vernetzt war. Springen wir mal weiter und stellen uns vor, ein Schriftsteller von heute stirbt. Sein Werkzeug ist der Computer. Jetzt stehen seine Erben mit drei PCs, MacBooks, iPADs etc. und 3TB an Festplatten vor dem zuständigen Archivar eines Museeums und übergeben ihm den Nachlass. Wieviele Jahrzehnte muss man jetzt einrechnen bis alles sortiert, archiviert, erschlossen ist und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann? Verschwinden

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Arbeitsprobe Sebastian Lentz

Glosse zum Thema Digitales Erbe

Digital Hertiage – Was wird aus dem digitalen Erbe

von Künstlern und Wissenschaftlern?

Seit 2002 beobachte ich die verschiedenen Aktivitäten der

Welt, der Verantwortung der Konservierung unseres digitalen

Erbes nach zu kommen.

Ich war dabei, wie meine Mutter zwischen 1980 und 85 den

Nachlass meines Grossvaters Ernst Penzoldt sichtete, sortierte, auflistete und

einordnete. Alles auf Papier, fast ein ganzer Keller voll. Ernst Penzoldt war nicht nur

Schriftsteller sondern auch Maler, Illustrator, Texter, Bildhauer und Dichter. Seine

sprühende Kreativität machte das Aufräumen und Zuordnen des bildnerischen und

schriftstellerischen Nachlasses nicht einfach. Der Kontext von Projekten zog sich durch

Briefe, Texte, Bilder und Illustrationen. Meine Mutter sortierte und strukturierte alles

offline. Tausende von Briefen, Skizzen, Entwürfen, Bildern, Fotos, Manuskripten und

Büchern stapelten sich in Mappen und Kisten. Ohne Computer, Datenbank oder Scanner

wurde jahrelang an der Archvierung und Datierung dieses Nachlasses gearbeitet.

Das bildnerische Werk ging schliesslich ans Stadtmuseum Erlangen. Die Manuskripte,

also das schriftstellerische Werk, ging ins Deutsche Literaturarchiv Marbach, bewahrt für

die Nachwelt, Dank unseres Familienanwalts, der das alles verhandelte und des Fleisses

und des Durchhaltevermögens meiner Mutter.

Dort in Marbach fanden die Manuskripte einen endgültigen Platz, in kleinen grünen

Kartons, säuberlich beschriftet. Meine Mutter verbrachte weitere Tage, Wochen im

Museum, um die Materialien dort noch einmmal zu beschreiben und zu datieren, Briefe

und Handschriften zu transkribieren etc. Wir waren froh, wie alles endlich vorbei war.

Soweit die Geschichte eines aus heutiger Sicht überschaubaren Nachlasses eines

kreativen Künstlers, der mit den Köpfen seiner Zeit sehr gut vernetzt war. Springen wir

mal weiter und stellen uns vor, ein Schriftsteller von heute stirbt. Sein Werkzeug ist der

Computer. Jetzt stehen seine Erben mit drei PCs, MacBooks, iPADs etc. und 3TB an

Festplatten vor dem zuständigen Archivar eines Museeums und übergeben ihm den

Nachlass. Wieviele Jahrzehnte muss man jetzt einrechnen bis alles sortiert, archiviert,

erschlossen ist und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann? Verschwinden

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diese Daten vielleicht für immer, weil Unveröffentlichtes einfach nicht gefunden wird oder

Inhalte so sicher passwortgeschützt sind? Sind die Archivare darauf vorbereitet? Was ist

wichig? Was ist mit Emails, Chats, Threats, Bildern, Videos, Tweets und Facebook-

Chroniken (- ach ja, glückliche Fügung - die werden auf jeden Fall nicht gelöscht)? Aber

ist Facebook darauf vorbereitet, dass wir den Zugang zum Account eines Verstorbenen

brauchen?

An die Wissenschaftler, die das gleiche Problem haben, möchte ich heute gar nicht

denken. Wie wir sehen sind wir schlecht auf die Zukunft vorbereitet. Ich unterstelle mal

technisch könnten wir das in den Griff bekommen - Copy-Paste. Inhaltlich sicher nicht.

Was empfiehlt der Berater für digitale Medien?

Gebt Künstlern und Wissenschaftlern über die Plattformen der Universitäten

ausreichend Speicherplatz in einem geschützten Bereich und ernennt einen

digitalen Paten, der im Notfall/Sterbefall an alles dran kommt.

Ich mache mir immer noch Sorgen.

Sebastian Lentz, im Januar 2013