ARC Berlin 1900

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BERLINER ARCHITEKTURWELT

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An unsere Leser!

Ein Jahr voll schöner Erfolge liegt hinter uns, und mit freudiger

Zuversicht auf das fernere Gedeihen unseres Unternehmens treten

wir in den zweiten Jahrgang. Die Erwartungen, die wir bei Begründung

der ?,Berliner Architekturweltu gehegt haben, sind weit übertroffen worden.

Es war, als ob wir damit ein befreiendes Wort gesprochen, als ob wir den

Bann gelöst hätten, der Jahre lang auf dem Berliner Kunstschaffen gelastet

hatte, dem weder im Deutschen Reich noch im Auslande die gebührende

Anerkennung gezollt wurde! Die reiche Fülle des von uns gebotenen

Stoffs hat denen, die nicht sehen wollten oder konnten, die Augen

geöffnet, und die grosse Teilnahme, die uns auch vom Auslande ent-

gegengebracht worden ist, bietet uns die Gewähr, dass die gesamte

Kunstwelt mit regem Interesse dem künstlerischen Schaffen in der

deutschen Reichshauptstadt folgt.

Unsere Zeitschrift hat gezeigt, dass dieses Schaffen mit Kraft und

Eigenart dem Strome des modernen Lebens folgt, dass daneben aber

auch mit edlem Eifer die ewigen Ideale der klassischen Kunst in Ehren

gehalten werden. Wie im ersten Jahre ihres Bestehens wird die ,,Berliner

Architekturwelt" auch fernerhin ein treues Spiegelbild dieser ungemein

vielseitigen Thätigkeit sein, ohne sich in den Dienst irgend einer be-

sonderen Richtung zu stellen. Mit voller Unabhängigkeit gegenüberB. A . W . II. i . i

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allen Erzeugnissen der Kunst wird sie bestrebt sein, aus der wechsel-

vollen Flucht der Erscheinungen immer das künstlerisch Wertvolle und

Anregende herauszuheben und festzuhalten, und wir haben die Freude,

unseren Lesern mitteilen zu dürfen, dass alle hervorragenden Künstler

und Kunsthandwerker Berlins uns auch für die Zukunft ihre Mitwirkung

zugesagt haben und dass uns schon jetzt ein überaus reicher Stoff zur

Verfügung steht, aus dem alle durch die „Berliner Architekturwelt"

vertretenen künstlerischen Interessen gleichmässige Befriedigung finden

werden.

Wir hoffen, dass der „Berliner Architekturwelt'', die sich für den

zweiten Jahrgang mit einem neuen, den modernen Kunstgeist wider

spiegelnden Gewände geschmückt hat, auch auf ihrem weiteren Lebens-

wege die Gunst der Leser treu bleiben werde.

BERLIN, i. April 1899.

Herausgeber und Verlagsbuchhandlung.

HANNS ANKKR.

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Abbildung i.

Brüstung; an der Orgelempore in der Herz Jesu-Kirche, Architekt CHR. HEHL, Charlottenburg.

DIE HERZ JESU-KIRCHE IN BERLIN.m vorigen Jahre ist die Zahl der kirch-lichen Neubauten, mit denen das letzteJahrzehnt Berlin in reicher Fülle be-dacht hat, um einen vermehrt worden,

dem ein bedeutsamer künstlerischer Ge-danke unter ungünstigen äusseren Verhält-nissen mit voller Konsequenz durchgeführtund zu reinem, fast eingeschmälertem Aus-druck gekommen ist. Die im Norden Berlins,an der Fehrbelliner Strasse nach den Plänendes Professors CHRISTOPH HEHL erbaute,

Abbildung 2.

katholische Herz Jesu-Kirche, die am 25. Ok-tober 1S98 geweiht worden ist, folgt zwarinsoweit dem Wege, den Schwechten mitder Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche undvSpitta mit der Gnadenkirche eingeschlagen,als auch Professor Hehl romanische Stil-formen angewandt hat; aber im übrigenbesteht zwischen der Herz Jesu-Kirche undjenen beiden Monumentalbauten keine Ver-wandtschaft. Während Schwechten undSpitta sich in ihren Kompositionen an die

Abbildung 3.

Abbildung 2 u. 3,Kapitale von den Pfeilern der Orgelempore in der Herz Jesu-Kirche. Architekt CHR. HEHL, Charlotten bürg:.

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Abbildung 4.

Herz Jesu-Kirche und Pfarrhaus. Fassade nach der Fehrbellinenstrasse.Architekt CHR. HttHL, Charlottenlnir*>\

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Abbildung1 5.

Altarprospekt der Herz Jesu-Kirche.Architekt CHR. HEHL, Charlottenburg-.

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reichen Anlagen rheinischer Kirchenbautendes vollentwickelten romanischen Stils derSpätzeit gehalten haben, ist Hehl, wie erschon in seiner evangelischen Garnison-kirche inHannover gezeigt hat, einAnhängerdes früh romanischen Stils, den er mit grosserStrenge und Reinheit behandelt. Ihn hater auch für die Herz Jesu-Kirche bevorzugt,und er konnte sich um so eher den Ver-lockungen einer lebhaft malerischen Grup-pierung entziehen, als der zur Verfügung*gestellte Bauplatz keine von allen Seiten freieBauanlage gestattete.

Der vordere Teil des Platzes, auf demsich die Kirche jetzt erhebt, liegt an derStrassenfront, zwischen gewöhnlichen Miets-häusern eingezwängt. Der Architekt musstealso den Schwerpunkt auf eine würdigeGestaltung der Strassenfront legen. SeineAufgabe wurde aber noch dadurch er-schwert, dass an die Kirchenfront noch einNebengebäude anzuschliessen war, das ausRentabiUtätsrücksichtcn zum grössten Teilzu Miets Wohnungen eingerichtet werdenmusste, ausser diesen aber auch die Wohnungdes Pfarrers enthält, die mit der Kircheunmittelbar in Verbindung gesetzt wordenist. Unsere Abbildung 4 zeigt, mit welchemGeschick sich der Architekt aus der Ver-legenheit gezogen hat, die ihm das kompli-zierte Bauprogramm bereitet hat. Er hatdie Kirchenfassade durch grosse monumen-tale Linien von dem Nebengebäude ge-sondert, dieses aber, wenn auch in dergebotenen, bescheidenen Unterordnung,stilistisch mit den leitenden Motiven derKirche in Zusammenhang gebracht, so dassman wohl von einem künstlerischen Organis-mus von einheitlicher Wirkung reden kann.Der westliche, das Geläut enthaltende Haupt-turm, der die ganze Baugruppe beherrscht,ist etwa 55 Meter, der östliche Nebenturm,dem eine etwa 6 Meter hohe Apsis mitEingang vorgelegt ist, etwa 25 Meter hoch.Durch die verschiedenartige Höhe derTürme hat der Architekt ein Motiv ge-funden, durch das die nächste Umgebungder Strasse ungemein wirkungsvoll be-

herrscht wird. Für die Bekleidung derFassade ist, zum ersten Mal in Berlin,rohbehauener grauer Kalkstein aus Hildes-heim, für die einzelnen Architekturgliederund für die ornamentalen Teile weisservSandstein verwendet worden.

Durch das von Säulen getragene Haupt-portal gelangt man zunächst In eine Vor-halle, von der rechts eine Thür zur Tauf-kapelle, links eine Thür in den kleinerenTurm zur Orgelempore und geradezu diebesonders reich ausgestattete Hauptthür inden Kirchenraum führt. Die Bogenfelderüber den Thüren sind mit Reliefs vonProfessor F. HARTZER geschmückt, aufdenen man Christus als guten Hirten,Johannes den Täufer, die hl. Hedwig, denhl. Bonifacius und den englischen Gruss sieht.

Das Tnnere der Kirche (Abb. 5) stelltsich als eine dreischiffige Basilika dar,deren Mittelschiff 12 Meter breit ist, währenddie Seitenschiffe nur eine Breite von 4 Meternbei 7,5 Metern Höhe haben. Durch dieseEinteilung" ist das Mittelschiff, das miteinem Tonnengewölbe überdeckt ist, dasin der Vierung von einer hochaufsteigendenKuppel unterbrochen wird, zu einer starkenmonumentalen Wirkung- gebracht worden.Die Kuppelwölbung ist von 16 Fensterndurchbrochen, die dem Inneren reiches Lichtzuführen. Wenn das Licht jetzt noch etwasgrell und hart wirkt, so liegt es an den weiss-getünchten Wänden, die zur Zeit noch desvon dem Erbauer geplanten malerischenSchmucks entbehren. Professor Hehl hat da-für bereits einen detaillierten Entwurf ausge-arbeitet, dessen Gesamtwirkung' er in einemAquarell tiargestellt hat, das unsere Leserdurch eine Reproduktion in Heft III desersten Jahrgangs unserer Zeitschrift kennengelernt haben. Mit der Ausmalung der Kirchewird begonnen werden, wenn sie völligausgetrocknet ist. Die Arbeit wird etwa zweiJahre in Anspruch nehmen. Der Chor desMittelschiffs und die Chöre der Seitenschiffesind halbkreisförmig abgeschlossen.

Eine originelle Neuerung" ist die in derNische des Hauptchors in einer Höhe von

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Abbildung: 6.

Kanzel der Herz Jesu-Kirche. Architekt CHR. HEHL, Charlottenburg.

etwa 5 Metern über dem Fussboden an-gebrachte Galerie, die durch die Anlageeines verdeckten, zur Sakristei führendenGanges entstanden und dadurch erreichtworden ist, dass der untere Teil derChornische einen anderen Radius (halbenDurchmesser eines Kreises) hat als derobere. Diese Galerie kann bei hohenkirchlichen Festen zur Ausstellung- desAllerheiligsten benutzt werden oder auchzur Aufnahme eines Sängerchors dienen.Die Kapitale der wSäulen, welche die Wändedes Mittelschiffs und der Vierung tragen,sind sämtlich verschieden gebildet. Inihr Blattwerk sind Symbole eingefügt, diesich bei den dem Hauptaltar zunächst

stehenden auf das Leiden Christi, bei denanderen auf die sieben Sakramente undandere Glaubenssätze der katholischenKirche beziehen (Abb. 2 u. 3). Für dieseKapitale wie für alle übrigen Schmuckteileder Kirche, für den zur Zeit noch nichtvollendeten Hochaltar, für die Kanzel u. s.w.sind alle Zeichnungen nach den Entwürfendes Erbauers in dessen Atelier in natür-licher Grosse angefertigt worden. — DieKanzel (Abb. 6) zeigt an der Brüstung inHochrelief die Halbfiguren Christi und derbeiden Apostelfürsten, die Professor GEYER

ausgeführt hat. Unter der Kanzel befindetsich eine durch einen Bogen abgeschlosseneNische, die ein Relief enthält, das den

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zwölfjährigen Jesusknaben im Tempeldarstellt.

Unter dem ganzen Hau zieht sich eineebenfalls zu gottesdienstlichen Zwecken ein-gerichtete Krypta hin, die mit dem oberenKirchenraum durch eine Treppe in Ver-bindung steht und Raum für 500 Personenbietet. Das Gestühl in der oberen Kirchehat 367 Sitzplätze; im Ganzen kann dieKirche jedoch etwa 2000 Personen fassen.

Die Sandsteinarbeiten für Kirche und

Pfarrhaus sind sämtlich von Hofstein-metzmeister CARL SCHILLING, die schmiede-eisernen Beschläge der Thüren, deren eigen-artige Ornamentik sich ebenfalls eng andie vStrengen Formen des frühromanischenStils anschliesst (Abb. 26-28), von denSchlossermeistern GOLDE in Charlottenburgund VON DER MARWITZ in Rerlin ausgeführtworden.

Die Baukosten beliefen sich auf etwa500 000 Mark.

Abbildung 7.

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Situationsplan und Grundriss der Herz Jesu-Kirche. Architekt CHR. HRHL, Charlottenburg.

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Abbildung- 8.

Uudersportliche Vereinigung „Wiking", Nieder-Schönweide. Wandmalerei im Vestibül.Entworfen und ausgeführt von Prof. ECKMANN und seinen Schülern.

OTTO ECKMANN.

Es sind erst sechs bis sieben Jahre ver-gangen, seit die Selbstgenügsamkeitder deutschen Kunstgewerbler zumersten Mal durch die Kunde von der

Arbeit und den Erfolgen der dekorativenKünstler Englands erschüttert wurde. DieFreunde des deutschen Kunsthandwerks, diees damals wagten, auf die dort erprobtenMethoden hinzuweisen, haben manchen Vor-wurf hören müssen. Sie mochten hundert-mal betonen, dass sie nicht die Aeusserlich-keiten, nicht die zufälligen Modeformen derEngländer empföhlen, sondern die gesundenGrundsätze und die künstlerisch freiereArbeitsweise, dass es nicht auf das Was,sondern auf das Wie ankomme; sie musstenes sich doch gefallen lassen, als blinde Lob-redner alles Ausländischen verhöhnt und alsSchädiger der heimischen Arbeit verklagtzu werden. Auch waren die ersten Wir-kungen, wenn auch vorauszusehen und beidem heutigen Betriebe unseres Kunst-gewerbes unabänderlich, doch nicht ebenerfreulich. Unsere Handwerker in ihremtüchtigen, aber etwas engen Wesen und dieIndustrie mit ihren behenden Atelierkräftengriffen das Englische als Tagesparole auf,

so wie sie eben den Schlüterstil, das Rococound das Empire vernutzt hatten, voran alleAeusserlichkeiten und Zufälligkeiten. DieMöbelabteilung der Berliner Gewerbe-Aus-stellung 1896 mit ihren Sheraton-Mobiliarenu. A. gab einen traurigen Regriff von derUnselbständigkeit gewisser Kreise. Ueber-dies sorgte der geschäftige Zwischenhandel,bei dem das Wort „Deutsch" erst da anzu-fangen pflegt, wo es etwas daran zu ver-dienen giebt, für einen übertriebenen undüberflüssigen Import englischen Mittelguts.

Und doch hat die Kur gewirkt, schneller,als man hatte hoffen können. Gerade diewachsende Einfuhr kunstindustrieller Warehat manchen Beteiligten aufgerüttelt, derfür Geschmacksfragen nur ein Achselzuckenübrig hat. Xur sieht man in diesen Kreisennoch selten ein, worauf es bei der so-genannten neuen Bewegung im Kunst-gewerbe wirklich ankommt. Es ist un-bequem, sich einzugestehen, dass es nichtmit der Verwendung einiger neuen Motivegethan ist, sondern dass es eine Frage derOrganisation und besonders der Personen ist.

Im Verlaufe der letzten dreissig Jahrehatte das Kunstgewerbe sich eine Fülle

B. A.w. u. 1.

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Abbildung 9,

Rudersportliche Vereinigung „Wiking", Nieder-Schönweide. Wandmalerei im VestibülEntworfen und ausgeführt von Prof. ECKMANN und seinen Schülern.

eigener Organe geschaffen, die Museen, dieSchulen, die Zeitschriften, die Vereine; eswar ein besonderer Beruf geworden, hattesich selbst eine grosse Zahl von Kräftengeschult und bildete sich allmählich ein,seinen ganzen künstlerischen Bedarf ausdiesem eigenen Bereich decken zu können.Man vergass gern, dass in den sechzigerund siebziger Jahren die verschiedenenHandwerkszweige nur durch die thatkräftigeMitarbeit und Führung der Künstler, mass-gebender Architekten und umfassend ver-anlagter Maler und Bildhauer, zur Kunst er-zogen worden waren; ja selbst der Ueber-gang von den Formen der deutschenRenaissance zu dem wuchtigeren Barockstil,wie er sich in den achtziger Jahren vollzog,knüpft sich an ganz bestimmte Künstler an,die in der freien Luft der monumentalenKünste gross geworden waren. Wenn jetztunsere Fabrikanten glaubten, alle ihre Auf-gaben mit den Zöglingen der Kunstgewerbe-schulen, den Möbel- und Musterzeichnern,lösen zu können, so war es kein Wunder,dass sie bei dem Wettbewerb mit den vonKünstlern geleiteten Industrien des Aus-landes den Kürzeren zogen. Unser Hand-werk war in besserer Lage, weil es meistnoch unter der Zucht der Architekten stand,mit denen es am Bau und bei der Deko-ration zusammen arbeitete.

Wer mit den besseren kunstgewerblichenKräften Fühlung hält, mit den vielen thätigenund tüchtigen Jünglingen und Männern, dienach meist arbeitsschwerer Jugend einigekurze Jahre mittelst mühsamer Ersparnisseoder kärglicher Stipendien die Fachklasseeiner Kunstgewerbeschule haben besuchenkönnen, der kann es aus ihrem eigenenMunde hören, wie wenig ihnen oft die dortgefundene Bildung genügt. Ihre Vorbe-reitung war unzulänglich, die Schulzeit zukurz, die Belehrung vorwiegend auf dasengere Fach und das Spezialstudium be-schränkt; haben sie nun noch das Unglück,veralteten Methoden und schwächlichenLehrkräften anheimzufallen, so reicht dasGelernte allerdings nicht hin, um unsermKunstgewerbe einen wirklich neuen, frischenNachwuchs zu geben.

Im Gegensatz dazu hatte in England ge-rade die Industrie es verstanden, freierekünstlerische Kräfte in ihren Dienst zuziehen, Männer, die an den Aufgaben dergrossen Kunst herangebildet waren undsich an ihnen täglich frisch erhielten; ge-schlossene Persönlichkeiten, die mit denbesser situierten Gesellschaftsklassen ver-wachsen waren und die Ansprüche desHauses und des täglichen Lebens kannten,ohne sie in falschem Prunk zu suchen; fein-sinnige Kenner der Natur, die diesen Jung-

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Abbildung 11.

Rudersportliche Vereinigung „Wiking-", .Niedcr-Schönweide. Fries im Klubzimmer.Entworfen und ausgeführt von Prof. ECKMANN und seinen Schülern.

brunnen selbständig auffassen und zu neuenFonnenbildungen verwerten konnten. Unterder Leitung solcher Persönlichkeiten hatdie englische Kunstindustrie ihren Sieges-zug über alle kunstübenden Länder Europasgehalten.

Diese Sachlage zu erkennen und ihrRechnung zu tragen, ist heute die wichtigstePflicht unseres Kunstgewerbes. Es gilt,dekorative Künstler von starker Eigenartund sicherer Begabung zu finden und zurdauernden Mitarbeit zu gewinnen. Nursolche Persönlichkeiten können die schwie-rigen Aufgaben unserer Zeit in langsamer,nachhaltiger Arbeit fördern und sie viel-leicht nach Jahren der endgiltigen Lösungentgegenführen. Es liegt ja auf der Hand,wie ernst die Ansprüche unserer Tage ge-worden sind gegenüber dem, was noch dervorigen Generation genügen durfte. Vordreissig Jahren war es ein hohes Verdienst,einen schönen Renaissanceschrank getreu-lich zu kopieren; vor fünfzehn Jahren galtals Meister, wer ein altes Rococo-Orna-ment nach einer guten Photographie wiederlebendig zu machen wusste. Heute wissenwir, dass es nicht mit der Nachbildung deralten Vorbilder, weder der ganzen Geräte,noch der einzelnen Ornamente, gethan ist;wir verlangen, dass der Gegenstand ausunseren Lebensgewohnheiten heraus ge-staltet sei, den heute verfügbaren Mate-rialien und den oft komplizierten modernen

Zierformen aus neuem Geiste geboren seien.Nur als Anregung, als Wegweiser könnenuns die alten Vorbilder dienen; im Einzel-nen müssen wir uns unsere Wege selberbahnen.

Wie vielseitig also sind die Ansprüche,die sich heute dem wirklichen Erfinder auf-drängen; wie vieles muss sich in einerPersönlichkeit zusammenfinden, ehe auchnur die eine oder andere der heutigenAufgaben einigermassen abgerundet zurLösung kommt. Wer unter Künstlern lebt,weiss ja, wie verschieden die Begabungensind: bei dem Einen die Tiefe und Fülleder Phantasie, bei dem Andern der durch-dringende Blick für die Erscheinungswelt;bei diesem wiegt die Kraft der Zeichnung,bei jenem die Glut des Kolorits oder dieEmpfindung für Ton und .Stimmung derFarben vor; auch bei den Architekten oderOrnamentisten hier der nüchterne Sinn fürdas Praktische, das strenge, tektonischcRewusstsein, dort die sprudelnde Laune undder geistsprühende Uebermut. Wir sind esgewohnt, diesen Wesenseigenheiten bei demMaler und Bildhauer, seltener schon beidem Baukünstler nachzugehen; wir werdenuns erst allmählich daran gewöhnen, auchdie dekorativen Erfinder auf ihre angeboreneBegabung anzusehen, sie danach schaltenzu lassen und uns gerade an der Verschieden-heit der Charaktere zu erbauen. Heutewird solche teilnehmende, auf wahrer Ach-

Techniken entspreche, __u.n.cL class. .auch..die. tung beruhende Schätzung den Bemühungen

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Rudersportliche Vereinigung- „Wiking", Nieder-Schönweide. Fries im Wasserpavillon.Entworfen und ausgeführt von Prof. ECKMANN" und seinen Schülern.

der dekorativen Künstler noch selten zuTeil. Hier fühlt sich ein jeder zum Kritikerberufen, auch wer künstlerische Bildunggenug besitzt, um den Werken der Malerund Bildhauer gegenüber sich vorsichtigzurückzuhalten; ein Beweis, wie niedrig diezierende Kunst und die Arbeit an ihr heutenoch eingeschätzt zu werden pflegen, Weres heute für seine Pflicht hält, die neu auf-tretenden Kräfte zu beobachten und derIndustrie oder dem Publikum zu gemein-samem Wirken bekannt zu machen, findetnicht überall Dank; bald fühlen sich dieälteren kunstgewerblichen Kreise gekränktoder glauben gar in ihrem Verdienst be-einträchtigt zu werden, während doch dieVertiefung und Gesundung unserer deutschenKunst allen Mitarbeitern zu Gute kommenmuss; bald sind es selbst Genossen vonder sogenannten hohen Kunst, die sich nochnicht daran gewöhnen können, dass nunauch der dekorative Künstler das Rechtseiner Persönlichkeit beansprucht. Danebenhat freilich auch der Uebereifer, mit demsich manche künstlerisch unberufenen undurteilslosen Literaten als Propheten jeg-liches Neuen aufgedrängt haben, der gutenSache schlecht gedient.

Und doch kann man auf die Fortschritte,die die Arbeit frischer Künstler im deutschenKunstgewerbe in drei oder vier kurzen Jahrenbewirkt hat, auf das rege Leben, das jetztan den vielen deutschen Kunstcentren er-blüht, nur mit Genugthuung blicken. Ausder papierenen Welt der Zeitschriften, inder die ersten Ansätze sich regten, habendie jungen Triebe sich überraschendschnell emporgereckt auch in das Bereichdes Handwerks, dank der eigenen Initiative

mutiger Künstler; schon hat hie und daein über die I hirchsehnittseinsicht hinaus-ragender Fabrikant sich auch die tiefereKraft dieser neuen Bewegung, das Künstler-turn, zu Nutze1 gemacht, während die breiteIndustrie sich mit gewohnter Behendigkeitauf die billige Nachahmung der Aeusser-lichkeiten stürzt. Wir hoffen, dass die Zahlder Kräfte rüstig weiter wachse und dassvon möglichst vielen Seiten brauchbarerZuzug komme. Es ist so wünschenswertwie möglich, dass aus dem Handwerk selbstund seiner sicheren Tradition uns Persön-lichkeiten zuwachsen, die die ererbte1 oderfrüh erlernte Grundlage mit freier Ge-staltungskraft bebauen können ; vor alleindie Industrie wird solcher Mitarbeitermehr und mehr benötigen. Die Mehrzahlder neuesten Frfinder ist von derakademischen Bildung ausgegangen; siehaben als Maler oder Bildhauer Auge undSinn am Studium der Natur o-eübt. sind freigeblieben von dem Ballast kunstgewerb-licher Ueberlieferung und stehen deshalbden heutigen Aufgaben unbefangen undsicherer gegenüber; gerade der Maler be-dürfen wir heute, damit endlich die Farbeals ein Grundelemcnt dekorativer Erfindungwieder in ihre Rechte eingesetzt werde;.Die Architekten, die vor dreissig Jahrendem deutschen Kunstgewerbe die thätigstenFührer waren, sind, wie es scheint, zur Zeitdurch die vielerlei Aufgaben der Monu-mentalkunst mehr als damals in Anspruchgenommen; vielleicht ist auch die wesent-lich formalistische Schulung auf den Bau-akademien, die ja den Methoden der Kunst-gewerbeschulen ähnelt, der richtigen Ent-faltung praktischer Anlagen nicht günstig.

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Abbildung 16.

RudersportJiche Vereinigung" „Wiking", Nieder-Schönweide. Thürbekrönung im I. Stock.Entworfen und ausgeführt von Prof. ECKMANN und seinen Schülern.

Unser junges Kunstgewerbe bedürftedringend der tektonisch — nicht architek-tonisch — geschulten Kräfte. Im Ganzenfreilich kommt es auf die Vorschule wenigan, sondern auf das angeborene Talent.Der sicherste Möbel- und Gerätzeichner inDeutschland scheint zur Zeit ein MünchenerMaler, der nichts von Architektur gelernthat. Es kommt darauf an, dass man solcheAnlagen pflege und nutze, wo man siefindet. Wer den Einzelnen näher nachgeht,wird sich auch durch den Genuss belohntfinden, in gewissen Persönlichkeiten selbstdie künstlerisch so kostbare Verschieden-heit der deutschen Stämme zu beobachten.Er wird dem phantasiereichen Süddeutschen,dem graziös tändelnden Wiener, dem herbenWestfalen, dem energischen, bewusstenNiedersachsen begegnen.

In solcher Gesinnung sollten dieFreunde des deutschen Kunstgewerbes auchdie Arbeit des Künstlers verfolgen, vondem das vorliegende Heft eine Reihe vonProben bringt. Nach alle dem, was dievielerlei Fachzeitschriften über Otto Eck-mann's Wirken gebracht haben, ist eskaum nötig, viel im Einzelnen zu sagen.An dem frischen Zuge, den das deutscheKunstgewerbe jetzt durchweht, hat er vonAnfang an den grössten Anteil; wie rüstig

wir vorwärts schreiten, stellt man sich ambesten vor Augen, wenn man sich erinnert,dass erst im Jahre 1895 der damals dreissig-j ährige Hamburger seine frühesten über-raschenden Pflanzengestaltungen im Panans Licht brachte, dass er 1896 die erstenArbeiten für die Praxis, zunächst, die Textil-kunst, schuf, dass er erst im Herbst 1897als Lehrer in die Berliner Kunstgewerbe-schule eingetreten ist, und dass seine Thätig-keit sich heute auf einen Umkreis festerAufgaben und kunstsuchender Technikenerstreckt, wie sie im deutschen Kunstgewerbesich bisher kaum in einem Atelier zu-sammengefunden haben. Dieses Vertrauenso vieler Kreise hat er sich nicht von heuteauf morgen, sondern in schrittweiser Arbeiterobert. Als er von der Malerei, die erein Jahrzehnt lang lernend und gestaltendgeübt hatte, zu den angewandten Künstenüberging, wählte er zunächst den Farben-holzschnitt nach Art der Japaner, bei demnicht nur die Kunst, sondern alles Tech-nische, das Schneiden der Stöcke und dieHerstellung der Abdrücke, in seiner Handlag. Wie er vom Technischen ausgeht, umneue Kunst darauf zu pflanzen, zeigten dieBuntpapiere, die er sich eigenhändig her-gestellt und mit originellsten Mitteln ge-mustert hatte. Als der Pan und die Jugend

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seine ornamentalen Schöpfungen brachten,war es allen Einsichtigen klar, dass hieraus sicherster Anschauung und gründlichstemStudium der Natur heraus das natürlicheWachstum und das persönliche Wesen derPflanze zu grosszügigem, launigem Zierratverarbeitet war, und dass hier eine starkePersönlichkeit auftrat, die wir getrost denselbständigsten dekorativen Kräften des Aus-lands an die Seite stellen konnten. Dannkamen die Entwürfe für die Wirkereien vonScherrebek und für die Knüpfteppiche vonKneusels, überraschend durch den kühnenMut der Massstäbe, überzeugend durch diekraftvolle Harmonie der Farben, lehrreichauch durch die Art, wie sie aus sicheremVerständnis für die Technik und aus ge-nauer Anschauung der Materialien entstan-den. Nach derselben Methode sind auchdie Tapeten für die Firma H. Engelhard inMannheim bearbeitet worden; jede einzelneFarbenstimmung in allen Stücken von derHand des Künstlers hergerichtet, Teils imZusammenhang mit der Dekoration ganzerRäume, teils auf Wunsch der betreffendenIndustriellen oder privater Besteller hat derKünstler seither auch eine ganze Reihe vonAufgaben mehr tektonischer Art — Möbel,Metallgeräte, Keramik, Glas u. a. — inAngriff genommen,

Wer ECKMANNS Treffsicherheit in derFlächendekoration auch anMalereien grösseren Mass-stabes kennen lernen will, wirdan den vielerlei Motiven in demanziehenden Ruderklubhaus„Wiking11 in Nieder - Schön-weide bei Berlin, der frischenSchöpfung des OberbauratsRETTIG, Freude haben (Abb.8—16). Hier hat der Künstlergezeigt, dass er mit Fug andie Spitze einer Klasse vonDekorationsmalern gestelltworden ist. Ich glaube,dass auch der Weg, dener dort als Lehrer einschlägt,

der Verwaltung der Unterrichtsanstalt,die als erste den Mut hatte, einen„Modernen" als kunstgewerblichen Lehrerzu berufen, Recht geben wird. Er gehtvon dem Einfachsten aus, was der Dekorations-maler beherrschen muss, dem Flächen-ornament; nachdem dieses an Friesen undgrösseren Flächen geübt worden ist, wirddas Ganze der Wand und der Decke alskoloristische Einheit bearbeitet. Alleinwer heute Räume dekorieren will, der darfsich nicht auf die Malarbeit beschränken;er muss im Stande sein, auch den Raumim Ganzen mit allem seinem Inhalt aufzu-fassen und zu gestalten; er muss die tech-nischen und formalen Bedingungen auchder Tapeten, der Stoffe, der Holzarbeitverstehen. In diesem Sinne den Maler alsmassgebenden Dekorator wieder in seineRechte einzusetzen, die ihm bislang derTapezierer vorenthielt, ist eines der Ziele,die sich der Lehrer Eckmann gesetzt hat.Dass er von jedem seiner Schüler täglicheUebung im Aktzeichnen verlangt, scheintuns heute fast schon selbstverständlich, ob-wohl diese Grundbedingung aller Künstler-zucht erst seit seinem Lehrbeginn im rich-tigen Umfang erfüllt worden ist.

Möge es dem Rastlosen gelingen, seinenSchülern möglichst viel von den Anlagenzu übermitteln, deren seltene Vereinigung

heute dem kunstgewerblichenErfinder nötig ist, die prak-tische Einsicht, die sich vorallem bei dem Entwurf vonMöbeln und Geräten zu • be-thätigen hat, die Liebe für dasMaterial, das Verständnis fürdie Technik und endlich dieseltene Gabe, die Natur treuzu erforschen und doch frei zugestalten. Es wird die Sacheder Architekten sein, diesenTendenzen auch im Zusammen-hang der Baukunst immerfreieren Raum zu schaffen.

Peter Jessen.

B. A.W. II. I.

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Abbildung" 17*

Fassadendetail

von*

Wohnhaus

Markgrafenstr. 101.

Architekt

A. LIEBEHERR,

Berlin,

erbaut

1897 bis 1898.

Im

2. Quergebäude

ist eine 10 klassige

Mädchenschule

nebst

Turnhalle

und

Zeichensaal

(zugleich Aula)

eingebaut.

Grundriss^zu Abbildung 17.

Page 23: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 19.

19

Wohnhaus Gitschinerstrasse, Ecke Alcxandrinenstrasse. Architekt PAUL HOIMM-:, Berlin.Putzhau. Baukosten 360000 Mark.

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3O Berliner Architekiurweli

Abbildung 22.

Fassadendetail vom Kaufhaus Börse, Neue Promenade 4. Architekt A. HAUPT, Berlin.

ZU UNSEREN BILDERN.

Unter den Künstlern, die seit demEnde der siebenziger Jahre denHorizont der Berliner Malereidurch Studienreisen nach den Mit-

telpunkten der modernen Kunstbewegung,nach Paris, Belgien und Holland zu er-weitern begannen und die dort erworbenentechnischen Fertigkeiten in die Heimat über-führten, steht FRANZ SKARBINA in ersterReihe. Dem einstigen Schüler Julius Schra-ders waren die künstlerischen Ausdrucks-mittel der älteren Berliner Schule schonfrühzeitig zu eng und karg geworden. Erhatte zwar später in Adolf Menzel ein Vor-bild gefunden, das ihn auf die Bedeutungdes Individuellen für die Kunst, auf die ge-waltige Macht hinwies, die dem Künstleraus Mannigfaltigkeit, Tiefe und Energie derCharakteristik erwachsen kann. Wer abereinen Menzel übertrumpfen will — unddiese Sucht schlummert wohl insgeheim inallen jungen Künstlern, die den Bahnen

jenes grossen Mannes folgen •—, der ent-geht selten der Gefahr, in die Uebertreibungdes Charakteristischen zu verfallen. AuchSkarbina ist an dieser Gefahr nicht vorüber-gekommen; er hat sie aber noch frühzeitiggenug erkannt, um sich auf ein anderesGebiet zu retten. Er fand es, indem erdie einzelne Erscheinung einer malerischenGesamtwirkung unterordnete, und in derBetonung des rein malerischen Elementshat er allgemach den Schwerpunkt .seinesSchaffens erkannt. Ihn reizt nur dasMalerische, gleichviel wo er es findet,und alle Ausdrucksmittel sind ihm gleich,wenn er nur dem Eindruck gerecht wer-den kann, den sein für die feinstenkoloristischen Stimmungen empfindlichesAuge aufgenommen hat. Er war einer derersten, der das Körnchen Wahrheit, das inden Bestrebungen der französischen Impres-sionisten und Hellmaler steckt, erkannthatte, und als die neue Weisheit mit lautem

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Berliner Architekt urweit 2 \

Geschrei auf allen Gassen verkündet wurde,hatte er längst das Gute, das sie mit sichbrachte, verarbeitet und in sich aufgenom-men. Er hat das Leben auf den PariserBoulevards mit gleicher Lebendigkeit undFarbenfrische wie die Impressionisten, abermit grösserer Wahrheit geschildert undohne die finstere Pedanterie, die sich inein bestimmtes System verbissen hat undweder rechts noch links sieht. Er hat dann

Rüder aus dem bunten Treiben auf denBerliner Strassen und Plätzen gemalt, dieuns erst die Augen über die reichen male-rischen Schätze geöffnet haben, die in un-serem anscheinend so prosaischen Alltags-leben zu allen Tages- und Jahreszeiten ver-borgen sind. Auch dabei war ihm derGegenstand gleichgiltig, der malerische Reizdie Hauptsache. Er hat das genussfroheLeben der oberen Gesellschaftskreise, der

Abbildung 23,

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2 2 Berliner Archztekturtveli

Abbildung- 24.

wohlhabenden Nichtsthuer, das geschäftigeTreiben der arbeitenden Klassen in Stadtund Land, der Fabrikarbeiter und der Feld-arbeiter, aber auch das Elend des Prole-tariats , der Enterbten, Verlassenen undBettler geschildert, und bisweilen ist ihmbei seiner Arbeit das Herz so übergegan-gen , dass manche seiner Bilder stummeVorwürfe, auch harte Anklagen enthalten.Er hat dadurch manchen Widerspruch, auchmanche dauernde Abneigung hervorgerufen,mehr aber noch durch die Form seinerDarstellungen, bei denen er der modernenFreiheit in der malerischen Bewegung bis-weilen mehr nachgegeben hat, als sich miteinem Kunstwerk zu vertragen scheint, dasdoch immer mehr oder weniger mit demBegriff des Vollendeten, Fertigen zu rech-nen hat.

Man wird sich aber mit der Zeit darangewöhnen müssen, an einen modernenKünstler einen ganz anderen Maassstab zulegen, als ihn uns das Studium der Kunst-

Fassadendetail vom Hause

Unter den T.inden 45.

Architekt H.JASSOY, Berlin,

Die Dekoration sollte speziell

auf die Erzeugnisse

der Hcller'schen Firma

(Beleuchtungskörper)

hinweisen.

Im Rankenwerk

sintl ca. 200 Glühlampen,

ausserdem an der Fassade

noch 5 Bogenlampen angebracht

worden,

Schmiedeeisen,

polychrom behandelt,

ausgeführt von PAUL MARCUS,

Berlin.

geschiente der Vergangenheit, namentlichauch der Kunst der letzten Jahrzehnte bis1880 an die Hand gegeben hat. Je mehrdas moderne Leben in die Breite gegangenist, je mehr es die Standesunterschiede ver-schoben und verwischt, den geistigen undphysischen Gesichtskreis erweitert hat, destomehr ist auch die Kunst des Malers, diediese vielgestaltige Welt von Gesamtbildernund Einzelerscheinungen umspannen will, ge-zwungenworden, die Fülle der auf ihn eindrin-genden Bilder mit raschem Griff festzuhaltenund sich dabei oft mit dem Ungefähr desmalerischen Gesamteindrucks zu begnügen.Aus dieser herben Notwendigkeit schnellenSchaffens erklärt sich die Skizzenhaftigkeitvieler modernen Bilder, die bisweilen auchder gewissenhafteste Künstler nicht ver-meiden kann. Auf der anderen Seite er-wächst daraus aber auch der Vorzug einerFrische, Lebendigkeit und Wahrheit, diedie ältere Kunst in ihrer pedantischen Be-dächtigkeit selten oder . niemals erreicht

Page 27: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 23

hat, und dieser Vorzug gehört zuden schätzbarsten Eigenschaften der„Augenblicksbilder" Skarbinas, wieman seine stets mit der grössten Vir-tuosität des Pinsels auf Leinwand oderPapier fixierten Ausschnitte aus demmodernen Leben nennen darf.

Skarbina, der erste seines Zieles be-wusste Bahnbrecher der modernenKunst in Berlin, ist zugleich, ihr viel-seitigster Vertreter. Aber nicht blossdurch seine Vielseitigkeit unterscheideter sich von der grossen Zahl seinergleichstrebenden Genossen, sondernauch durch grössere Tiefe der Em-pfindung, durch einen stärkeren Stim-mungsgehalt und durch einen feinenpoetischen Zug, der besonders in sei-nen landschaftlichen Schöpfungen mehrund mehr zum Ausdruck gelangt ist.Damit tritt er in Gegensatz zu der kal-ten, schroffen Einseitigkeit eines Lie-bermann, während ihn sein kräftigentwickeltes Naturgefühl davor schützt,in die Manieriertheit eines Leistikowzu verfallen. Am stärksten ist dieseEigenart seiner Kunst neuerdings inder von zartestem Stimmungszauberumwobcnen Landschaft „Am Mühl-wasser" (Abb. 31) zum Ausdruck ge-kommen, mit der Skarbina auf der letztenAusstellung der „Vereinigung der XI" ver-treten war: eine wundersame Elegie aufden Abendfrieden, bei der die träumerischeStimmung der Natur ihren Widerklang inder Seele der einsamen Frauengestalt aufdem Steg zu finden scheint. In solchenBildern zeigt Skarbina, der sich sonst willigauf den Wogen der internationalen Kunst-bewegung treiben last, dass es seiner Kunstauch an einem national-germanischen Zugenicht fehlt, an der Fähigkeit, in der Seeleder Natur zu lesen.

Zu den „Elfern", die die Kunstwelt oftdurch ihre kühnen Neuerungen und Ver-wegenheiten überrascht und verblüfft haben,gehört auch JACOB ALBERTS, Er hat aberkeineswegs einen revolutionären Zug, wie

Abbildung 25.

Portal an der Gnadenkirche. Architekt M. SPITTA, Berlin.

die meisten seiner Genossen. Davor schütztihn schon seine Herkunft aus dem deutschenNorden, dessen Bewohnern man kaltes Blut,Bedächtigkeit und langsames, aber scharfesund klares Denken nachrühmt. Obwohl ererst vor acht Jahren in die Oeffentlichkeitgetreten ist, hat er sich schon in weitenKreisen einen Namen gemacht, weil er einwenig bekanntes Eckchen unseres Vater-lands der Kunst erschlossen hat. Er ist„der Maler der Halligen", der uns zuerstdie Natur und die Menschen jener meer-umbrausten, von der Welt abgeschlossenenEilande geschildert hat, nach denen dieSee ihre gierigen Arme immer drohenderausstreckt. Er darf nach dem französischenSprichworte von sich sagen: „Mein Glas istzwar klein, aber ich trinke doch aus meinem

Page 28: ARC Berlin 1900

H Berliner Archücktitnvelt

eigenen Glase." Am 30. Juni 1860 inWesterhever bei Garding an der WestküsteSchleswigs geboren, hat Alberts, dessenkünstlerischer Trieb sich schon frühzeitig inder Nachbildung von Tieren regte, seineersten Studien von 1880 bis 1882 in Düssel-dorf und später in München gemacht, um

den Elementen bereiten, von Arbeit undWetter gestählten Bewohner wenig ent-sprochen. Für den herben Ernst, der aufLand und Leuten lastet, fand Alberts dierichtige koloristische Ausdrucksform, indemer die Lokalfarben hart und trocken nebeneinander stellte. Was seine Kilder dadurch

Abbildung1 26.

Schmiedeeiserne Beschläge des Hauptportals der Herz Jesu-Kirche.Architekt CHR. HEHL, Charlottenburg.

s i e dann, nach längeren Studienreisen,von 1886 vier Jahre lang in Paris, be-sonders bei Jules Lefebvre und BenjaminCoristant fortzusetzen. Er hat davon aberin seine Kunst weder die geschmeidige,fläche Eleganz des Einen, noch das glühendeleidenschaftliche Kolorit des Anderen über-nommen. Beides hätte dem Charakter derHalligen und ihrer immer zum Kampf mit

vielleicht an Reizen auf das Auge einbüssen,gewinnen sie an Wahrheit und Schärfe derCharakteristik, und als ein Charakterdar-steller von ungewöhnlicher Kraft in der Er-fassung auch der feinsten physiognomischenEinzelheiten, die er aber mit echt künst-lerischer Abwägung dem Gesamteindruckunterzuordnen weiss, bewährt er sich auchin seinen grossen Xaturstudien nach Re-

Page 29: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwclt 25

Abbildung- 27.

wohnern der Halligen, von denen unsere Ab-bildungen 33—35 einige Proben bieten.Wie wenig von dieser starken Lebensfülleverloren geht, wenn er diese Studien fürseine Gemälde verwertet, zeigt die Frauen-gcstalt in der unter dem Namen „Königs-pesel" bekannten „guten Stube" eines Hausesauf der Hallig Hooge, die Alberts auf einemGemälde dargestellt hat, das auf Kosten derProvinz für das Museum in Kiel angekauftworden ist (Abb. 32). Zur Erklärung desNamens sei bemerkt, dass dieser Raum —„Pesel" heisst im Friesischen „gute Stube"— nach König Christian VIII. von Däne-mark benannt worden ist, der, als er nacheiner hohen Sturmflut die Halligen besuchte,drei Tage in diesem Zimmer gewohnt hat.Es ist ein wahres Wunderwerk der Fein-malerei, zugleich ein kulturgeschichtlichesDenkmal, das uns mit grösster Treue diekünstlerischen Erzeugnisse von Alters hergeübten Hausfleisses in reich mit Bildwerk

verzierten Geweben, in bemalten Wand-fliesen, Möbeln und Hausgeräten vor Augenführt. Mit gleicher Liebe, mit gleich feinemVerständnis ist Alberts auch in die Naturdieser Eilande, in ihre kargen Reize ein-gedrungen. Wo das gewöhnliche Auge nurgelbgrauen, eintönigen Dünensand sieht,findet sein scharfer Blick eine Fülle vonTonnüancen heraus, die sein Pinsel mit er-staunlicher Virtuosität wiederzugeben weiss,und wenn die Hallig blüht,- wenn sich diesandigen Flächen mit einem Teppich vonGras und zartfarbigen Blumen bedecken,dann gewinnt auch das Kolorit des Künstlerseinen festlichen, heiteren Glanz, der gewöhn-lich seinen Schilderungen ernsten Menschen-daseins und ernster Natur fremd ist. —

Abbildung 28.

Abbildung 27 u. 28. 'Schmiedeeiserne Beschläge von Nebenportalen der

Herz Jesu-Kirche. Architekt CHR.HEHL, Charlottenburg,

B, A.W. II. i.

Page 30: ARC Berlin 1900

26 Berliner Architekturwelt

FRITZ HRIXKMAXN, der

Schöpfer der von höchsterLebensfülle durchdrunge-nen Halbfigur des MalersA. Xormann und der an-mutig bewegten Gestalteiner Tänzerin, die unsereAbbildungen 36 und 37wiedergeben, hat sich un-ter den jüngeren Bild-hauern Herlins durch seinfrisches Naturgefühl unddie Entschlossenheit, mitder er, unabhängig vonder Ueberlieferung, Stoffeaus dem modernen Lebenbehandelt, schnell eine ge-richtete Stellung errungen.Am r. Januar 1864 in Al-tena in Westfalen geboren,hat er seine erste Aus-bildung in einem kunst-gewerblichen Atelier inNürnberg und auf der dor-tigen Kunstschule erhaltenund hat dann die BerlinerAkademie besucht, wo ereine Zeit lang Schüler Fritz

AlibilHun'

Kellerfenster nach dem Entwürfedes Architekten ARNO KÖRNIG, Hcrlin,

modelliert in der .Schlossermodellierklasseder Abteilung

Ravenestrassc des Cewerbcsaals.

Abbildung 30*

Schapers war. Schon inseinen ersten selbständi-gen Arbeiten sprach sicheine starke Neigung fürdas Individuelle aus, unddiese wurde durch eineitalienische Reise(i89i/92)noch gefördert. Von Romsandte er eine Gruppe„Mutter mit Kind" nachBerlin, die durch ihre ein-fach-natürliche Auffassungund durch den Ausdruckschlichter Empfindung ihmauf der Ausstellung von1892 eine erste Auszeich-nung, eine „ehrenvolleErwähnung" einbrachte.Seitdem hat er sich schnellzu voller Freiheit in derAuffassung des modernenLebens entwickelt, ohnejedoch dabei in naturalisti-sche Ausschreitungen zuverfallen. In der lebens-grossen Gruppe „Heim-kehr vom Felde", einernoch jugendlichen Mutter,

Gartenzaun für die Villa Lessing;, Villenkolonie Grunewald, Wangenheimstrasse.Architekten J. VOLLMER und H. JASSOY, Berlin.

Page 31: ARC Berlin 1900

Berliner Architcklurwclt ndie, von der Feldarbeit heimkehrend, ihrkleines Bübchen auf dem rechten Armeträgt, während ein älteres Mädchen, nebenihr einherschreitend, sich an ihre linkeSeite schmiegt, hat er vielmehr gezeigt,dass die naturalistisch treue Wiedergabedes wirklichen Lebens sich mit einem Hauch

Ideal is-vonmus, von tie-fer, edler Em-pfindung, die

hier demGlücksgefühlder Mutter

entspringt, inglücklicher

Harmonie ver-binden kann.Die nackte

Gestalt derTänzerin, die,in Bronzegussausgeführt, indem Foyer desTheaters desWestens auf-gestellt ist,lässt erken-nen , dassHeinemann

sich auch mitVerständnis indas Studiumder Antike

versenkt undbesonders derspätrömischenKunst die

Grazie des Formenspiels rhythmisch be-wegter Körper abgelauscht hat. - Heine-mann, der sich ausser mit der Büste Nor-manns noch vielfach als Porträtbildnerbewährt und auch dekorative Arbeiten fürBauten geschaffen hat (Abb. 38), ist seiteiniger Zeit als Lehrer im figürlichenModellieren an der Unterrichtsanstalt desKunstgewerbemuseums thätig. —

In den letzten Wochen ist der .Bildhauer

Abbildung 31

Am Mühlwasser1*. Von FRANZ SKARBINA, Berlin

HAKKO MAGNTSSKX in den Mittelpunktdes künstlerischen Interesses durch eineSchöpfung getreten, bei der das Publikumsowohl durch den Gegenstand als durchdie ungewöhnliche Kraft der künstlerischenDarstellung und durch die Tiefe derseelischen Charakteristik gefesselt wurde.

Es war die mitgrosser tech-nischer Vir-tuosität be-

handelte Mar-morausfüh-

rung eines vorsechs JahrengeschaffenenGipsmodells,das den Philo-sophen vonSanssouci inseinen letztenLebenstagen,im Kranken-stuhle sitzend,in Gesellschaftseiner Wind-spiele, dar-

stellt. Mit er-greifenderWahrheit

hatte derKünstler in

dem Antlitzdes Königs

alle Empfin-dungen wider-

gespiegelt,die den Geist

des Sterbenden beim Rückblick auf seinLebenswerk erfüllt und erschüttert habenmögen, die grauenvolle Erkenntnis, dassalles Menschenwerk nur eitel ist, dassdieses Leben nicht der Mühe verlohnt,gelebt zu werden, weil es gerade für denHochstrebenden eine Kette bitterer Ent-täuschungen ist. In der Charakteristik be-deutender und interessanter Menschen hatteMagnussen bald nach dem Beginn seines

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28 Berliner Archttekturwelt

Abbildung- 32.

Königspesel auf der Hallig Hooge. Von JACOB ALBERTS.

selbständigen künstlerischen Schaffens sei-nen Schwerpunkt gefunden und zunächstseine Begabung für die Erfassung des indi-viduellen , geistigen Lebens in einer An-zahl von Büsten kundgethan, die sich durcheinen stark malerischen Zug auszeichneten,der bisweilen noch durch Polychromie ge-steigert wurde. Sein Bildungsgang hatteihn darauf geführt. Im Jahre 1861 alsSohn eines Bildnismalers in Hamburg ge-boren, hatte er von, diesem seinen erstenUnterricht erhalten- und. war 1882 nachMünchen gegangen, um Maler zu werden.Erst 1888 entschied er sich für die Bild-hauerkunst, und in Berlin fand er in Rein-hold Begas den ihm zusagenden Lehrer,der ihn in der nächsten Zeit in seinerNeigung für das Malerische In der Plastik

noch mehr bestärkte. Nachdem er 1893selbständig geworden, kam seine Kunst-anschauung mehr und mehr zur Reife, undals ihm das Glück zu Teil wurde, auchmit monumentalen Arbeiten beauftragt zuwerden, fand er bald das Gleichgewichtzwischen der Strenge der plastischen Ge-setze und der zulässigen malerischen Frei-heit. Dies hat er besonders in seinen Denk-mälern für den Fürsten Bismarck in Kiel,Jever und anderen Orten und für den sieben-bürglschen Reformator Honterus in Kron-stadt bewährt. Aber auch Im Leben . deserfolgreichsten Porträtbildners treten nichtselten Momente ein, wo er das unbezwing-liche Bedürfnis fühlt, sich im schrankenlosenReiche der Phantasie zu ergehen oder seineAugen an der Schönheit des nackten

Page 33: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 29

Menschenkörpers zuerfreuen. Aus dieserSehnsucht, der sichauch Magnussen nichtentziehen konnte, sindzwei nackte Figurenentsprungen, die aufden erhobenen Hän-den Kugeln balancie-ren. Es sind Trägerfür elektrisches Licht,die für eine Villa beiMagdeburg bestimmtsind (Abb. 39 u. 40).In ihrer, Körperbil-dung' und in ihrerBewegung verbindensich Kraft und An-mut zu gefälligerHarmonie,

MAX "BAUMBACH'S

Kaiser Friedrich Bar-barossa (Abb. 41) ge-hört zu den acht ko-lossalen Bronzesta-tuen, die zumSch muckder südlichen Ein-

Abbildung 34.

Abbildung 33, gangshalle desReichstagsgebäudes

bestimmt sind. Derernste architektoni-sche Rah men ver-langte eine entspre-chende Haltung. DerKünstler musste alsodas Hauptgewicht aufdie Charakteristik desAngesichts legen,undes ist ihm auch ge-lungen, die unbeug-same Energie destapferen Kaisers zumvollen Ausdruck zubringen. Auch diesesBildwerk ist von demherben Ernst, demGrundzug deutschenWesens, durchdrun-gen, der für dasgrosse Werk Wallotsbezeichnend ist undallen seinen Mitar-beitern als Leitmotivgedient hat. A, R„

Abbildung 35.

Abbildung

33—35-

Studienköpfe

von

JACOB

ALBERTS.

Page 34: ARC Berlin 1900

3° Berliner Architektztrwelt

Abbildung 36.

Halbfigur des Malers A. Normann, Von BildhauerFRITZ HEINEMANN, Berlin.

CHRONIK AUS ALLENLÄNDERN.

. Konkurrenz für einen Umschlag derBerliner Architektur-Welt, Der Verfasserdes Entwurfes mit dem Kennwort „Feuer"wird gebeten, seinen Namen und Adressede r Verlagshandlung ERNST WASMUTH,

Berlin W. 8, zu nennen.

$• In der Sitzung des Deutschen Reichstags vom1. März hat der Abgeordnete Dr. LIEBER die Forde-rung einer neuen Rate von 100000 M. zur weiterenAusschmückung des Reichstagsgebäudes zum Anlafsgenommen, um heftige Angriffe gegen die Arbeitenvon £wei zur Ausschmückung herangezogenen Künst-lern, dem Maler Professor FRANZ STUCK in Münchenund dem Bildhauer Professor ADOLF HILDEBRAND zurichten, die nicht nur wegen ihrer beleidigendenForm, sondern auch darum in der gesamten deutschenKünstlerschaft eine starke Erregung hervorgerufenhaben, weil die Spitze dieser Angriffe unverkennbarauf den Erbauer des Reichstagsgebäudes, GeheimenBaurat Dr. WALLOT, zielte. Der Abgeordnete Dr.

.Lieber hat denn auch, ohne den Widerspruch desHauses zu finden, gefordert, dafs man mit der ausgeschichtlicher Dankbarkeit innegehaltenen Ucbcr-Ueferung brechen und den Baumeister nicht mehrals Leiter der Ausschmückung mit einem jährlichenGehalt von 10000 Mk. beibehalten solle. Der He-gierungsvertreter, der zu der Angelegenheit das Wortnahm, hat nur bemerkt, dass Wallot von Jahr zuJahr neu angenommen werde und dass seine letzteAnnahmefrist am 31, März ablaufe. Es scheint alsowirklich die Absicht vorzuliegen, dem Schöpfer desReichstagshauses die weitere Leitung der künst-lerischen Ausschmückung zu nehmen, die er in allenTeilen wohl erwogen und mit dem baulichen Organis-mus in engsten Zusammenhang gebracht hat. Dieberufenen. Vertreter der Münchener Künstlerschaft,die durch die ohne jede sachliche Begründung vor-gebrachten Verunglimpfungen der Arbeit Franz Stucks,eines Deckengemäldes in der Wandelhalle, am nächstenbeteiligt ist, haben in einem Rriefe an Wallot diesemeine grossariige Kundgebung ihrer Sympathie undWertschätzung bereitet und zugleich die feste Zuver-sicht ausgesprochen, dass die Mehrzahl der Mitgliederdes Reichstages einem Antrage auf EntsetzungWal lots von seinem Amt als Leiter der künstleri-

Abbildung 37.

Tänzerin, Von Bildhauer FRITZ HEINEMANN, Berlin.

Page 35: ARC Berlin 1900

Berliner Arckitckturwelt

Abbildung 33.

31

Wasserspeier. Von Bildhauer

sehen Ausschmückung des Gebäudes niemals zu-

stimmen und dass im anderen Falle kein deutscher

Künstler sich bereit finden lassen werde, die Stellung;

einzunehmen, von der Wallot verdrängt worden. Auch

der Berliner Architektenverein, die „Vereinigung Ber-

liner Architekten" und die Berliner Sezession haben

eine gleiche Kundgebung ihres Mitgefühls und ihres

Vertrauens an Wallot gerichtet

Die Entrüstung der Künstler, die übrigens jeder

Unbefangene teilen wird, ist umso begreiflicher, als

kein Mitglied des Reichstages es für nötig gehalten,

sich der angegriffenen Künstler anzunehmen, die sich

nach Lage der Sache im Reichstage nicht selbst ver-

teidigen können. Der Abgeordnete Dr. Lieber hat

bei Besprechung des Gemäldes von Stuck Worte wie

„Schmierereien" und „Spottgeburten von Dreck und

Feuer" gebraucht, und auch über die Arbeiten Hilde-

brands, zwei Stimniurnen, (]ic von je drei nackten

männlichen Gestalten getragen werden, hat er sich in

höhnischer Weise geäussert. Während das Gemälde

Stucks von der Ausschmückungskommission abgelehnt

worden ist, hat die Kommission die Urnen Hildebrands

angenommen. In beiden Fällen wäre es dringend zu

•wünschen, dass die Arbeiten öffentlich ausgestellt

und so dem allgemeine 1 Urteil unterbreitet wür-

den. Jedenfalls hat aber die deutsche Künstler-

schaft das Hecht und die Pflicht, mit voller Energie

gegen die wenig würdige Art zu protestieren, in

der eine künstlerische Angelegenheit von solcher

Bedeutung von einem Laien unter dem Schütze der

Immunität, tue ihm sein Mandat verleiht, behandelt

worden ist.

FRITZ 1IEINEMANN, Berlin,

Der Verband Deutscher Illustratoren, der im

vorigen Frühjahr eine erste Ausstellung" in den Räu-

men der Kgl. Akademie der Künste unternommen

hat, wird, durch ihren Erfolg ermutigt, in diesem Jahre

eine zweite Ausstellung .veranstalten, und zwar im

Anschluss an die Grosse Berliner Kunstausstellung,

Die Ausstellungskommission der letzteren hat dem

Verbände einen Hauptsaal zur Verfügung gestellt.

Jedem Mitgliede wird mindestens I /2 Quadratmeter

Ausstellungsfläche gewährt; das Gesamtergebnis der

Einsendungen muss der Jury der grossen Kunstaus-

stellung unterbreitet werden.

^ Einen Ideenweilbewerb für den Gesamipla7i der

Industrie- und Gewerbe -Ausstellung für Rheinland,Westfalen und benachbarte Bezirke in DüsseldorfIQ02 hat das provisorische Ausstellung-s-Komitee mit

Termin zum 15. Juni erlassen. Es gelangen ein

I. Preis von 3500, ein II. Preis von 2500 und ein

III. Preis von 1500 M. zur Verteilung; es ist vorbe-

halten, nicht preisgekrönte Entwürfe für je 500 M. zu

erwerben. Das Preisgericht besteht aus den Hrn.

Stadtbaurat Frings, Geh. Kommerzienrat Lueg und

Prof. E. Roeber in Düsseldorf, Ob.-Ing. F. Andr.

Meyer in Hamburg, Geh. Brt. Müller in Koblenz,

Prof. Friedr. v, Thiersch in München und Geh. Brt.

Prof. Dr. P. Wallot in Dresden. Unterlagen sind

gegen 5 M. durch den Central-Gewerbeverein in

Düsseldorf zu erhalten.

Page 36: ARC Berlin 1900

32 Berliner Architektiinoelt

Abbildung 39. Abbildung 40.

Abbildung; 39—40.

Träger für elektrisches Licht.

Von

Bildhauer HARRO MAGNl'SSRN,

Berlin,

© Ein Wettbewerb zur Erlangung7 von Entwürfenfür ein Kaiserin Augusta-Denkmal in Köln- ist von

dem Ausschusse zur Errichtung dieses Denkmals mitTermin zum T, Juli Abends 6 Uhr ausgeschriebenworden. Der Kostenbetrag ist auf 58 000 M. an-genommen. Zur Beteiligung an dem Wettbewerb sindnur Angehörige des Deutschen Reiches zugelassen.Drei Preise von 1500 M., 1000 M. und 500 M. werdenvon einem Preisgerichte verteilt, dem die HerrenProf. Siemering in Berlin, Prof. Moest in Karlsruhe,die Geh. Bauräte Pflaume und Stubben, sowie Stadt-baurat Heimann in Köln angehören. Die Bedingungensind durch das städtische Hochbauamt in Köln zuerfahren.

kommen ist, „da der im Programm genannte Geh.Baurat Stubben in Köln nicht an der Beratung undder Abstimmung des Preisgerichts Teil genommen hat."

y In dem Wettbewerb für die Bebattung des Kaiser*filatzes in Kassel sind die beiden ersten Preise Ber-liner Architekten zugefallen, und zwar der erste Preisim Betrage von 4000 M. den Herren EMMINGMANNund HOPPE, der zweite Preis (3000 M.) Herrn TH. REI-MANN jun. Dritte Preise (je IOCO M.) erhielten dieHerren A. KARST in Kassel und F. HER.GER undA. LOWITZKI in Stettin.

* Bei dem Wettbewerb um ein Kaiser Friedrich-Denkmal \n Köln hat der dortige Bildhauer W, ALBER-MANN den ersten Preis erhalten. Der zweite Preiswurde dem Entwürfe der Bildhauer F. DüRRENBACHund H. STOCKMANN und des Architekten KIRSCH in

Köln, der dritte Preis dem Entwürfe des BildhauersProf. PETER BREUER und des Architekten Prof. BRUNOSCHMITZ in Berlin zuerkannt. Gegen diese Ent-scheidung1 ist übrigens von Teilnehmern an derKonkurrenz Einspruch erhoben worden, weil dasUrteil der Jury nicht programmässig zu Stande ge-

? Die im Januar begründete Berliner Sezessionhat beschlossen j eine eigene Ausstellung zu ver-anstalten, die von Anfang Mai bis Oktober dauernwird. Sie lässt zu diesem Zwecke ein eigenes Aus-stellungsgebäude auf der Gartenterrasse des Theatersdes Westens in Charlottenburg1 durch den ArchitektenH. GRISEBACH in Verbindung mit B. SEHRTNG er-richten. Die Ausstellung wird nur etwa 250 Bilderumfassen. Ein Kabinet bleibt der Skulptur vor-behalten. An der Ausstellung werden sich auch dieKünstlergruppen in München, Dresden, Karlsruhe und

Page 37: ARC Berlin 1900

Berliner 'Architekturwelt 33

Worpswede beteiligen, die sich gleichder Berliner Sezession entschlossen ha-ben, der Grossen Kunstausstellung; fernzu bhüben.

^ Iu Berlin haben am 24.. Februar imgrossen Saale des KultusministeriumsVorbesprechungen zur Bildung einer Ver-einigung zur Erhaltung der deutschenBurgen in einer Versammlung stattge-funden, zu der die Einladungen von demFörder ungsausschuss für das Werk„Deutsche Burgen" von BODO EBHARDTergangen waren. Im Namen des Förde-rungsausschusses begrüsste Freiherr vonBuddenbrock zunächst die Anwesendenund berichtete dann, wie beim Sammelnund Sichten der zahllosen Bilder undAufnahmen von Burgen am Rhein, inFranken, in Sachsen u. s. w. der Planeines mehr systematischen Schutzes die-ser alten Zeugen deutscher Wehrkraftentstanden sei. Die Burgen, deren Trüm-mer an die Ohnmacht Deutschlandsgegen auswärtige Feiode erinnern, sollenuns zu treuem Zusammenhalten mahnen;ihre Erhaltung, Pflege", und. Wiederher-stellung sei von grossen Gesichtsplinktenaus im nationalen Sinne ins Auge zufassen. Wie ungemein gross die Zahlder jetzt noch erhaltenen Burgen undSchlösser von mittelalterlicher Anlageist, geht daraus hervnr, dass nach derAngabe des Architekten Ebhardt ihmüber 2000 derartige Bauten aus Abbil-dungen oder photographischen Auf-nahmen bekannt sind. Herr Ebhardtsprach alsdann ausführlich über die Bur-gen auf Kelskegeln oder Bergnasen, überStadt- und Wasserburgen und verwandteAnlagen. Die deutschen Burgen, dievielfach irrtümlich auf Römerwerkezurückgeführt werden, sind eine Eigen-tümlichkeit unseres Volkes, was sich, Bronzestatuezum Unterschied von Frankreich, derSchweiz und anderen Ländern schondarin ausspricht, dass sie nicht blos Schutzanlagenfür den Kriegsfall, sondern thatsächlich befestigteFamiliensitze sind. Ihre Bedeutung für das Kriegs-wesen beruhte aber darin, dass sie ihrer trefflichenAnlage nach mit einer Besatzung von nur dreissigbis vierzig Mann oft jahrelang einer hundertfach'überlegenen Belagerungsmannschaft widerstehen konn-item Nach Vorführung einer Reihe besondersschöner Anlagen, wie der Marksburg, der BurgStetten, der Marienburg bei "Würzburg, Burg Breu-•berg im Odenwald, Lichtenstein in Bayern u. s. w.

Abbild uns 4 L

Kaiser Friedrich Barbarossa.für die südliche Eingangshalle des Reichstagsgebäudes.Von Bildhauer MAX BAUMBACH, Berlin.

erwähnte der Vortragende merkwürdige und traurigeBeispiele der Vernachlässigung recht bedeutsamerBauten. Interessante Vergleiche heutiger Aufnahmenmit den Darstellungen Merians aus der Mitte des17, Jahrhunderts lassen erkennen, dass eine Reihetypischer Burgen sehr wohl wieder /.ur vollen Er-scheinung gebracht werden könne. An den Vortragschloss sich eine lebhafte Erörterung an, in welcherProf. Dr. SETBT die praktische Bedeutung und dieAufgaben einer etwaigen Vereinigung zum Schutz derBurgen neben den vorhandenen Einrichtungen für die

B. A.W. II. 1.

Page 38: ARC Berlin 1900

34 Berliner Architektitrwelt

Abbildung; 4.2.

Weinstube von Steinert & Hansen, Kurfürstendamm 22.Architekt HEINRICH SEELING, Berlin.

Abbildung 43.

Restaurationszimmer im „Deutschen Hof", Luckaucrstrasse 15,Architekt HEINRICH SEHXING, Berlin.

Page 39: ARC Berlin 1900

Denkmalpflege beleuch-tete. Nach weiteren Ik>merkungen des Frei-herrn v. Buddenbrocküber die Bildung" vonVereinen und Zweig-vereinen t sowie einerZentralstelle in Berlinzur Begutachtung- der inVorschlag- kommenden

Schutzmaa.ssn ahmensprachen die Anwesen-den sich einstimmig fürdie Bildung einer sol-chen Vereinigung aus,deren Satzungen dem-nächst vorgelegt werdensollen.

f Der Thronsaal imPafasso Caffaretii inRom, dem Sitze derdeutschen Botschaft, inwelchem der Botschafterseine Empfänge undFeste veranstaltet, warbisher ohne künstleri-

Berliner Architektunvelt

Abbildung 44. ,

Abbildung 45,

35

sehen Schmuck ge-wesen. Bei der Er-bauung des aus derZeit der Hochrenais-sance stammenden Pa-lastes war die Dekora-tion dieses Raumes beieiner prächtigen hölzer-nen Kassettendecke undeinem Marmorfussbodenstehen geblichen. DieWände waren dagegenkahl gelassen worden.Wie bekannt, hatte derKaiser beschlossen, die-sem Mangel durch einevollständige Dekorationabzuhelfen. Mit demmalerischen Teil derAufgabe wurde Prof.HERMANN PRELL be-

auftragt, der im. vorigenfahre mit seiner Arbeit,einem Cyklus der Jah-reszeiten nach der nor-dischen Sage, fertig ge-worden ist, während

Prof. ALFRED MESSET.

Abb. 44—45. Modernes Herrenzimmer. Entworfen von Arch. W.O.DRESSLER, Berlin(Vergl. die Möbel-Abbildungen.)

Page 40: ARC Berlin 1900

36 Berliner Architekturwelt

Abbildung- 46. Abbildung 47.

Abbildung 46/47. Bücherschrank.Möbel für em Herrenzimmer im^modernen Stil.

Entworfen von Architekt W. O. DRESSLER, Berlin

Abbildung 48,

t Abbildung; 50. Abbildung 51. Abbildung 49.

Abbildung 50/51. Hoher Lchn.stuhl. Abbild. 48/49. Etagere,

Page 41: ARC Berlin 1900

Berliner Architektlirwelt 37

Abbildung 52. Abbildung 53,

Abbildung 52/53. Sofa.Abbildung 55.

Abbildung1 54.

Abbildung1 54/56. Schreibtisch.

Abbildung; 57, Abbildung 58, Abbildung 56.

Abbildung- 57/58/ Tisch.Möbel für ein Herrenzimmer in modernem Stil. Entworfen von Architekt W.O.DRESSLER, Berlin.

Page 42: ARC Berlin 1900

3§ Berliner Architektuvivell

zur architektonischen Gestaltung des Raumes und zu

seiner weiteren künstlerischen Ausstattung1 herangezo-

gen wurde. Unter den Gemälden ist ein in Stuckmarmor

rnit Einlagen aus echtem Marmor ausgeführtes Paneel

angebracht worden und als Ausstattungsstück sind ein

Abbildung $9.

- n - ^ 1 - • ' • • :

•,.;4f:. .Wandmalerei lür ein Badezimmer.

Ausgeführt von GATHEMANN und KELLNER, Charlottenburg.

Thronsessel mit Baldachin und zwei grosse Kandelaber

angefertigt worden, die vor ihrer Ucberführung nach

Rom einige Zeit im kgl. Kunstgewerbemuseum in

Berlin ausgestellt waren. Der Kaiser hatte bestimmt,

dass auch in der Gestaltung

des Thrones und der beiden

Kandelaber das nordische

Element zur Geltung kommen

sollte. Der Thron ist in Holz

geschnitzt und vergoldet, die

Armlehnen sind ruhende Lö-

wen, die Pfosten der Lehne

enden in streng stilisirte Adler,

dazwischen erhebt sich das

ovale Schild mit der Kaiser-

krone. Die Pfosten sind mit

Mosaik eingelegt, die Polster

in grüner Seide gestickt. Der

Baldachin ist in Stickerei aus-

geführt, mit Aufnäharbeit von

monumentaler Breite, das ganze

Rückenfeld nimmt ein heral-

discher Adler ein, durch dessen

Flügel sich ein Spruchband

zieht: Sub umbra alarum

tuarum protege nos. (Im

Schatten deiner Flügel schütze

uns). An dem vorspringenden

Oberteil sind die Sinnsprüche

derHohenzolIern: Suum cuique.

Vom Fels zum Meer, Gott mit

uns, angebracht. Die beiden Kandelaber erinnern

an Obelisken mit breitem ausladenden Sockel. Diese

der Renaissance angehörige Grundform ist reich mit

nordischen Elementen versetzt, im Sockel enden die

schweren Voluten des Barockstils in gewundene

Drachen, welche menschliche Fi-

guren gepackt haben, der hohe

Schaft erweitert sich an der

Vorderseite nach oben zu und

trägt das behelmte Haupt eines

Kriegers, um das sich Schlangen

winden, deren Leiber eine weite

Krone bilden. Der Körper ist

auch hier in Holz geschnitzt, die

Schlangen, welche elektrische

Lichter ausspeien, sind in Alumi-

niumbronze ausgeführt. Die Stücke

sind in allen Teilen nach persön-

lichen Angaben des Kaisers von

Professor Alfred Messel kompo-

niert worden. An der Ausführung

waren beteiligt für die Modell-

arbeiten Professor Behrens von

der Kunstschule in Breslau, Holz-

schnitzereien Bildhauer Taubert,

Stickerei Ida Seliger und Maler

Max Seliger, beide am Königlichen Kunstgewerbe-

Museum in Berlin, Vergoldung Hilpe, Schmiedearbeit

Schulz und Iloldeflciss, beide in Berlin.

Malerei für ein gothisches Gewölbe.

Ausgeführt von GATHEMAXN und KliLLNER, Charlottenburg,

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Abbildung 61.

Oberlichtgitter im Rokokostil,

NEUE ERWERBUNGENDES

KÖNIGL. KUNSTGEWERBE-MUSEUMS IN BERLIN.

in Kunstgewerbemuseum sind zur Zeitdie Erwerbungen des letzten Jahresim Schlüterzimmer hinter dem Gold-saal ausgestellt. Sie füllen den ganzen

Raum voll aus, so reich ist diesmal dieAusbeute gewesen. Besonders die Keramikist recht stattlich vertreten, ihr gegenübertreten die übrigen kunstgewerblichen Ge-biete auf der Ausstellung bedeutend in denHintergrund.

Unter den neuerworbenen Möbeln undHolzarbeite7i fehlt es an solchen Prunk-stücken, wie etwa das vor drei Jahren er-worbene Mobiliar der Marie Antoinette.Die ausgestellten Möbel sind Durchschnitts-arbeiten, aber darum nicht minder schätzens-wert, da diese in ihrer Einfachheit oft lehr-reicher sind, als der aufs höchste gesteigerteLuxus eines Prachtmöbels, der doch nurin den seltensten Fällen in ähnlicher Weisewieder verwirklicht werden kann. So zeich-net sich g'erade durch ihre vornehme Be-scheidenheit im Dekor die aus Gubbiostammende Doppelthür (Abb. 64) aus, beider das dunkelbraune Nussholz durch Ein-

B. A.W. II. 2.

lagen aus hellbraunen und schwarzen Höl-zern belebt ist. Diese Intarsien, die zumTeil als schmale Säume auf den Rahmenund die übereck gestellten Quadrate in denFüllungen, zum Teil als Rosetten auf dieKreuzpunkte des Rahmenwerks gesetzt sind,geben dem breit und kräftig gezimmertenWerk ein leichtes, gefälliges Ansehen.Durch die Verwendung von schwarzenLinien für die Schatten und von hellenfür die Lichter ist sogar mit einfachstenMitteln eine scheinbare Vertiefung der Mittendes ungegliederten Rahmens erreicht wor-den. Ueberaus reizvoll sind die zierlichenOrnamente der Säume, Zickzackbänder,Flechtbänder, aufgereihte Würfel, Perlen,Scheiben u. s. w. Die in den Rosettendargestellten Tiere, Symbole und Buch-staben haben wohl zumeist eine heraldischeBedeutung* Der Hosenbandorden im oberenFelde links weist auf Federigo von Monte-feltro, den Herzog von Urbino, hin, demEduard IV., König von England, dieses im14. Jahrhundert gestiftete Ordenszeichen ver-liehen hatte. Federigo besass in Gubbio einen

Page 47: ARC Berlin 1900

40 Berliner Architekturwelt

Palast, zu dem also Abbildung 62.wohl die Thür ge-hört haben wird.Ihre Entstehungs-zeit dürfte in diesechziger Jahre des15. Jahrhunderts zusetzen sein. Deritalienischen Früh-renaissance gehö-ren auch zwei aus

Nussholz ge-schnitzte Rosettenan, die wahrschein-lich als Mittelstückedie vertieften Fel-der einer Thür oder

Kassettendeckeeinst geziert haben.Bei beiden sind an-

tike Ornament-motive, der Akan-thus und die Pal-

mette, verwandt

worden, aber in neuer, lebendiger Um-bildung. Den Akanthusblättern ist durchihre Anordnung, die den Schein einerschnell rotierenden Bewegung erweckt,

Empirelehnstuhl.Grünes Leder mit goldgcpressten Ornamenten,

eine frische Beweg-lichkeit gegeben,bei den Palmettenist dadurch eine rei-chere Mannigfaltig-keit hervorgerufen,dass abwechselnddie Blätter jederzweiten Palmettenach Art der Scho-tenfrüchte eine wel-lige Oberfläche be-kommen haben.

Eine aussergewöhn-liche Form besitztder in Fig. 63 dar-

gestellte italieni-sche Tisch des 16.Jahrhunderts. Diebeiden Fusspaarean den Schmalsei-ten des Tisches sindwie gewöhnlich beiden Tischen der

italienischen Renaissance zu einem breitenGebilde zusammengewachsen. Hier habensie die Gestalt von lyraförmigen ausge-sägten Brettern bekommen, von denen sich

Abbildung1 63.

Tisch. Italien, 16. Jahrhundert.

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Berliner Jlrchitektifmvclt 41

Abbildung 64.

Doppelthür aus Gubbio. Nussholz mit Intarsien.

nach der Mitte der Tischplatte hin mitSchnitzwerk geschmückte Voluten schwin-gen. Durch Vergoldung einzelner Ornament-teile ist der schwarz polierte Tisch einwenig belebt worden. Von den Sitzmöbelnverdient ein bequemer Empirelehnstuhl(Abb. 62) näheres Interesse, Er ist mitgrünem Leder bezogen, welches nach Artder Bucheinbände mit goldgepressten Orna-menten verziert ist. Als einziger plastischer

Schmuck sind vor die Armlehnenzwei Sphinxe getreten. Diese Ueber-tragung der Buchbinderarbeit auf dasMobiliar kommt auch sonst noch zu-weilen in der französischen Möbel-kunst vor, nicht nur da, wo das Lederwie hier als Polster seine Berechti-gung hat, sondern auch als Verklei-dung von Füllungen bei Schrank-möbeln u. ä. Zwei grosse Panneauxmit vergoldeter Schnitzerei sindschon im Louis - Seize - Zimmer ein-gebaut, um den prachtvollen Möbelnder Marie Antoinette einen würdigenHintergrund zu geben. Sie zeigenals Schmuckmotiv zwei gegenüber-gestellte Sphinxe, ganz ähnlich wiebei den Wandfüllungen des salon dela reine in Versailles, wo wahrschein-lich die Möbel ursprünglich gestan-den haben.

Unter den schmiedeeisernen Ar-beiten ist besonders ein Kaminbock,eine italienische Arbeit des 15, Jahr-hunderts, hervorzuheben. Durch dieHinzufügung des geflügelten Tier-leibes ist dem Gerät das Ausseheneiner phantastischen Tiergestalt ge-geben und dadurch die Funktion desStutzens und Tragens in lebendige Be-wegung umgesetzt worden. Der Kopfdes Tieres, sowie einzelne Glieder dessich über ihn erhebenden Schaftes be-stehen aus Messing, durch dessen helleFarbe das dunkele Eisen wirksam auf-gelichtet wird. Bei dem Oberlicht-gitter im Rokokostil (Abb. 61) ist die

an sich tote Farbe des Eisens vollständigunter einer Bemalung verborgen worden.Es haben sich noch reichliche Spurenvon Farbe erhalten, woran man sehenkann, dass die Rokokoschnörkel braun, diePflanzenschösslinge grün, die Blumen rotu. s. w. waren. Die leichte und flotte Linien-führung zeigt, wie sehr die Rokokoformender Technik des Schmiedeeisens entgegen-kamen. A, Brüning.

Page 49: ARC Berlin 1900

4 2 Berliner Archüekiurwelt

NEUE MUSIKPAVILLONS IM ZOOLOGISCHEN GARTEN

IN BERLIN.Hierzu die Abbildungen 65 — 72.

N " ach dem der Vorstand des Zoolo-gischen Gartens beschlossen hatte,auf dem Platze vor der Haupt-restauration in der Nähe der Adler-

Voliere an Stelle des alten einen neuenMusikpavillon erbauen zu lassen, wurde im

schrieben. In dem Programm war zu-nächst die Bedingung gestellt worden, dassder Pavillon mit einem Bier-Buffet im unterenGcschoss verbunden sein sollte. Zur näherenErläuterung dieser Bedingung waren unterBeifügung einer Proiilskizze folgende An-

Abbildung" 6$,

ZAAR & VAHL, Architekten in Berlin. Motto : Schallwerfer. I. Preis. (Ausgeführt.)

Herbst vorigen Jahres zur Erlangung einesgeeigneten Entwurfs ein Wettbewerb unterden Mitgliedern des Architektenvereins undder Vereinigung Berliner Architekten mitTermin zum 30. November 1S98 ausge-

gaben gemacht worden: Es ist bei derAnlage darauf zu achten, dass das mit demBierausschank verbundene Geräusch mög-lichst von dem Publikum abgehalten werde.Zu diesem Zweck war in der ProfUskizze,

Page 50: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 43

die jedoch nicht der definitiven Lösung*vorgreifen wollte, ein nacli aussen ver-kleideter Umgang* gedachtworden, in dem sich die be-dienenden Kellner bewegensollten. Daneben war eine Zonevorgesehen, in der das Ge-schäft des Bierzapfens, desSpiilens der Gläser u. s. w.betrieben werden soll. In derMitte war der Raum für dieFässer gedacht, der durcheinen an der Decke befind-lichen Einschnitt Kühlung er-halten wird. Der Pavillon sollein Orchester von durchschnitt-lich 45 Mann fassen. ZumSchutz der Musiker ist bei dernach allen Seiten freien Lagedes Pavillons ein weit über-stehendes Dach oder auch einbewegliches Sonnenzelt erfor-derlich. Die Anlage soll zwarstattlich und malerisch wirken,jedoch nicht mit grossemLuxus ausgestattet werden,damit sie mit der einfachenUmgebung in Ueberein-stimmung bleibe. Japani-scher Stil war durch das

Programm ausdrücklichausgeschlossen worden,

wohl mit Rücksicht darauf,dass der japanische Stildurch das Stelzvogelhausund das neue Eingangs-und Verwaltungsgebäudeam Kurfürstendamm nun-mehr im Garten ausrei-chend vertreten ist. DieAusführung war, mit Aus-nahme der entsprechendenTeile des Untergeschosses,in Holz gedacht und solltedie Gesamtsumme von30 000 Mark nicht über-schreiten. An Zeichnungenwaren die zur Klarstellung"

des Entwurfs erforderlichen Grundrisse, eineAnsicht und ein Durchschnitt im Maass-

Abbildung 66.

ADOLF HÄRTUNG, Architekt, Berlin. Motto: Frau Musika. 1. Preis,

Abbildung 67,

GEORG ROENSCH, Architekt, Berlin. Motto: Von der Nordlandreise.Zum Ankauf empfohlen.

Page 51: ARC Berlin 1900

44 Berliner Arch ifektiirwelt

Abbildung 68.

Grundriss zu Abbildung 65,

Abbildung; 69.

Grundriss zu Abbildung 66.

Abbildung 70.X.

Grundriss zu Abbildung 67.

Stabe 1 : 5o"verlangt worden. Es war einGesamtpreis von 1200 Mark ausgesetztworden, dessen Verteilung" in mindestenszwei Preisen der Beurteilungskommissionüberlassen wurde. Das Preisgericht waraus folgenden Herren zusammengesetzt: Hau-rat vox GROSZHEIM, Stadtbaurat HOKKMANN,Haurat v. n. HUDR, Professor JACOBSTHAL,

Direktor Dr. HECK, Restaurateur ADLON,

Kgl. Musikdirigent BERC.TER, L. R.WENE,Vertreter der Haukommission, und \V. HÖCK-MANN, Vorsitzender des Vorstandes desZoologischen Gartens.

Es gingen zwölf Entwürfe ein, von denenin der Sitzung des Preisgerichts nach vor-aufgegangener Besprechung zunächst sechsausgeschlossen wurden. Von den übrigensechs gaben vier zu besonderenBemerkungenVeranlassung. Bei dem Entwürfe mit deinMotto „ Nordlandreise" wurde zwar dasAeusscre als originell anerkannt, aber be-mängelt, dass die Wirkung durch die vierGiebel beeinträchtigt würde. Die Detaillie-rung wäre vorzüglich, aber die Decke fürdie Schallwirkung nicht vorteilhaft und dieEinrichtung des Untergeschosses nichtgünstig. Zu dem Entwürfe mit dem Kenn-wort „ Frau Musika" wurde bemerkt:„Aeusscrcs originell, Detaillierung günstig;desgleichen die nach unten durchgeführtenStützen in baukonstruktiver Beziehung.Deckenbild für die Schallrichtung gut, des-gleichen die Beleuchtungsanlage. Grund-rissbildung1 des unteren Geschosses genügtim allgemeinen." lieber den Entwurf mitdem Kennwort „Musik und Durst'1 wurdegeurtcilt: „Oberer Teil erscheint zu schwerzu den schwachen Stützen; Krcitreppcn-anlage nicht günstig. Schall Wirkung* gutberücksichtigt. Grundriss weicht zwar vonden Programmbestimmungen ab, wird aberlobend anerkannt.4' An dem Entwurf mitdem Kennwort „Schallwerfer" wurde an-erkannt: „Aeusseres ist eigenartig, in kon-struktiver Beziehung gut. Lösung der Schall-decke sehr günstig. Grundriss gut."

Nachdem mit 6 gegen 2 Stimmen be-schlossen worden war, zwei erste Preise in

Page 52: ARC Berlin 1900

Berliner Architekttimvelt 45

Höhe von je 450 Mark und einen zweitenPreis von 300 Mark zu verteilen, wurdendurch einstimmigen Heschluss die Entwürfe„Schallwerfer'1 (Verfasser: ZAAR und VAHL,Abb. 65 u. 68) und „Frau Musika" (Ver-fasser: An, JTIAKTUNC, Abb. 66 u. 69) mitden beiden ersten Preisen ausgezeichnet.Der zweite Preis wurde dein Entwurf„Musik und Durst" (Verfasser; CARL TEI-

Abbildung" 71.

aus neu geschaffen worden ist, unmittelbarhinter der Fontaine lumineuse von K'AYSERund VON GROSZIEEIM in chinesischem Stilerbaut worden (Abb. 71). Von dem Garten-terrain aus führt eine Freitreppe nach derHöhe des Pavillons. Sein Unterbau ist, so-weit er sichtbar ist, mit Granitfindlmgengemauert und mit Granitplatten abgedeckt.Der Pavillon selbst ist vollständig in Holz

Musikpavillon im Zoologischen Garten in Berlin.KAYSER & VON GROSZHEIM, Architekten in Berlin.

CHEN) „mit Rücksicht auf die sehr guteGrundrissanlage11 zuerkannt. Der Entwurf„Nordlandreise" (Abb. 67 u. 70), als dessenVerfasser sich später der Architekt GEORGROENSCH in Charlottenburg bekannt hat,wurde dem Vorstand des ZoologischenGartens zum Ankauf empfohlen.

Ein zweiter neuer Musikpavillon ist zu-gleicher Zeit in der Axe der grossen Allee,welche vom Eingang am Kurfürstendamm

konstruiert und mit gelbglasierten Ziegeln(Mönchen und Nonnen) in Verbindung mitKupferverzierung eingedeckt. Das Holz-werk ist in einer zu den gelben Falzziegelndes Daches stimmenden Farbe (blau mitVerwendung von weiss, rot und gold) be-malt worden. —• Die Bauausführung warder Firma G. A. L, SCHULTZ & Co. über-tragen worden; die Holzschnitzereien unddie Modelle für die Kupferverzierungen hat

Page 53: ARC Berlin 1900

4 6 Berliner Architekhirwelt

Bildhauer RIEGELMANN geliefert; die Maler-arbeiten erfolgten durch M. J. BODEXSTEIN.

Nach Mitteilungen, die Baurat BÖCKMANN

in der „Vereinigung der Berliner Architekten"

A b b i l d u n g 72.

führung die Architekten ZAAR und VAHL

auf Grund des Wettbewerbs bereits beauf-tragt worden sind, sind folgende Bautengeplant: ein Straussenhaus in egyptischemStil von KAYSER und VON GROSZUEIM, einHirschhaus in Blockbau von Architekt

Entwurf zu einem Musikpavillon für den Zoologischen Garten in BerlinKAYSER & VON GK.OSZHEIM, Architekten in Berlin.

gemacht hat, beabsichtigt der • Vorstandübrigens, noch eine Anzahl anderer Bautenin möglichst verschiedenen Stilarten aus-führen zu lassen und ausserdem den ganzenGarten durch Anlage neuer Alleen undpraktischer Verbindungswege umzugestalten.Ausser der Waldschenke, mit deren Aus-

SCHULTZ!«:-Grunewald, ein Bärenzwinger innordischem Backsteinstil von GOTTLOB undein Aussichtsturm auf dem Hügel am Stadt-hahneingang von CARL TEICHEN. Danebenist am Kurfürstendamm die Anlage einesetwa 200 Meter langen Stadions mit an-steigenden Sitzen geplant, N.

Page 54: ARC Berlin 1900

Berliner Architekt urwelt

Abbildung; 73.

47

Bauverein Dortmund,

erbaut von den

Architekten KAYSER & VON GROSZHEIM

in Berlin.

Fassaden in Zeiler Sandstein

von der

Firma C. WINTERHELT in Miltenberg a. M.,

Modelle

vom

Bildhauer ERNST WESTPFAHL

in Berlin.

B. A.W. II, 3.

Page 55: ARC Berlin 1900

ZU UNSEREN BILDERN.

Schon seit länger als einem Jahrzehnthat sich die baukünstlerische Thätig-keit der Architekten KAYSER undVON GROSZHEIM über Berlins Grenzen

hinaus auf einen beträchtlichen Teil Deutsch-lands, namentlich des westlichen erstreckt.In weiteren Kreisen bekannt sind aber zu-meist nur die grossen Hauten monumentalenCharakters, die die Architekten m Köln,Frankfurt a. M., Strassburg i. E. und inanderen Städten errichtet haben: die Häuserder Versicherungsgesellschaft „Germania",einige Hotels und Bierpaläste grossen Stilsu. dgl. m. Weniger bekannt sind die zahl-reichen Privathäuscr und Villen, die sie inden letzten Jahren ausserhalb Berlins aus-geführt haben oder die noch in der Aus-führung begriffen sind. Unsere Abbildungen73—84 führen einige der charaktervollstenund durch malerische Anlage reizvollstenunter ihnen vor, die zugleich den Vorzughaben, dass sie, wo sich ein Anlass dazubot, in glückliche Uebereinstimmung mitder vorhandenen Umgebung oder der ört-

lichen Eigenart gebracht worden sind. Dastritt besonders deutlich bei dem WohnhausCharlier in Köln (Abb. 82) hervor, das zurZeit erst im Entwurf vorliegt. Hier ist derwohlgelungene Versuch gemacht worden,das moderne Wohnhaus dem von der be-nachbarten St. Kunibert-Kirche beherrschtenArchitekturbilde harmonisch einzuordnen,einerseits ohne den Anspruch, mit der wuchti-gen Monumentalität des mittelalterlichenBauwerks wetteifern zu wollen, andererseitsaber auch unter voller Wahrung der selbst-ständig - individuellen Erscheinung der mo-dernen Schöpfung.

Durch malerische Gruppierung, durchreiche Belebung des Baukörpers mit Tür-men, Erkern und Dachaufbauten, wozu nochdie Wirkung des Materials kommt, hat auchdas Landhaus Berg nebst Stallgebäudenund Pförtnerhaus auf Gut Hackhausen beiOhligs (Abb. 77 und 78) seinen individuellenReiz erhalten. Die Facaden sind in Tuffsteinmit Architekturteilen aus Sandstein, dieDachgeschosse in Fachwerkbau ausgeführt.

Page 56: ARC Berlin 1900

Abbildung- 75.

Abbildung' 76.

Abbildung j$ u. 76, Restaurationsräume im Bauverein Dortmund.Architekten KAYSER & VON GROSZHEIM in Berlin.

B . A . WT. IT, 2 .

Page 57: ARC Berlin 1900

Berliner Architckturwclt 5 1

Abbildung 77.

Landhaus Berg

auf Gut

Hackhausen bei Ohligs.

Erbaut von den Architekten

KAYSER & VON GROSZHEIM

in Berlin.

Page 58: ARC Berlin 1900

52 Berliner Architekt urtvelt

Abbildung 7<).

Abbildung 8n.

Wohnhaus Dieterich

in Wiesbaden,

erbaut von den Architekten

KAYSER

und VON GROSZHEIM

in Berlin.

Fassaden aus Tuffstein,

Architekturteile

aus Lautcrcckenerstein,

Modelle von Rildhauer

G. RlKGFXMANN

in Berlin.

Page 59: ARC Berlin 1900

Abbildung 81.

Landhaus von Wätjen auf Rittergut Altenrode b. Börssum, erbaut von den ArchitektenKAYSER und VON GkOSZHETM in Berlin.

Abbildung 82,

Wohnhaus Charlier in Köln a. Rh. Architekten KAYSER und VON GROSZHEIM in Berlin.

B.A.W. II 2.

Page 60: ARC Berlin 1900

Berliner Archüekttirwclt 55

Die Nebengebäude zeigen geputzte Facaden.Die Dächer aller Gebäude sind mit rotenFalzziegeln von IATDOVICI in Jockgrim(Pfalz) gedeckt. — Zu den Facaden desWohnhauses Dieterich irrWiesbaden (Abb.79 und 80) ist ebenfalls Tuffstein verwendet,

Die umfangreiche Hauanlage, die KAYSER

und VON GROSZHF.IM für den Bauverein inDortmund ausgeführt haben (Abb. 73—76),enthält im Keller, dem Erdgeschoss unddem ersten Obergeschoss des Flügels Re-staurationslokalitäten, bei denen die Archi-

Abbildung 83.

^±±±±±±±14' - i x r—. Grundriss 7x\ Abbildung 82.

zu den Architekturteilen Sandstein ausLauterecken von der Firma PH. HOLZMANN

& Co. in Frankfurt a. M. Die Giebel sindreicher Holzarchi-m

tektur ausgebildet, dieDächer mit Ludovici-sehen Falzziegeln ge-deckt. Die Modelle zuden Hildhauerarbeitenhat G. RIEGELMANN In

Herlin geliefert. DieKunstschmiedearbei-

ten sind von GEBR.ARMBRÜSTER inFrank-furt a. M. ausgeführtworden. — Die vierFacaden des Land-hauses von Wätjen aufRittergut Altenrode bei Börssum (Abb. 81und 84) sind in hellem Sandstein herge-stellt, der in der Nähe von Lutter am Raren-berge gebrochen wird. Das Dach ist mithellroten Pfannen gedeckt.

Abbildung 84.

Grundriss zu Abbildung 81*

tekten wieder ihren fein ausgebildeten Sinnfür. die Gestaltung und die angemessenekünstlerische Ausstattung behaglicher Kneip-

räume bewährt haben.Die dekorativen Ma-lereien in diesen Räu-men hat M. J. BODEN-

STEIN in Berlin ausge-führt, die Holzarbeitenhat die Firma H. PAL-LENBERG in Köln ge-liefert. Die drei Ober-geschosse enthaltenMietwohnungen. DieFacaden sind in Zei-ler Sandstein von derFirma C. WlNTER-HELT in Miltenberg

am Main hergestellt worden.Das in unseren Abbildungen 102—104 dar-

gestellte Geschäftslokal jägerstr, 54 in Berlinwurde für die Zwecke eines Konfektions-geschäftes nach den Plänen und Zeichnungen

B. A.W. II. 2.

Page 61: ARC Berlin 1900

jtf Berliner Archilcktunvell

der Architekten ERDMANN & Srixnr.rcw,Hcrlin, umgebaut. Da das eigentliche Ge-schäftslokal im ersten Obergeschosse liegt,so handelte es sich darum, im ErdgeschosseEingangs- und Repräsent ationsräume zuschaffen, in welche man von der Strasseaus, über einen niedrigen Schaufenster-einbau, zur Aufnahme von Modellkostümen,hineinsieht. Durch die in goldig braunenTönen gehaltene Eingangshalle gelangt manüber eine fünfstufige, breite Freitreppe indas zur Erhöhung der Wirkung gegen früherhöher gelegte Treppenhaus, welches alsDielenraum intim und reizvoll durchgebildetwurde. Das Treppenhaus und die in derersten Etage unmittelbar - anschliessendenRäume erhielten helle, intensiv grüne Wändeund weisse gezogene Stuckdecken. AllesHolzwerk ist hier in saftig roter Earbc ge-halten. Aus Gründen der Sparsamkeitkonnte nur Kiefernholz zur Anwendungkommen, dem durch Behandlung mit Ripolin-Lack eine treffliche Wirkung gegeben wurde.Der im ersten Obergeschosse strassenwärtsgelegene Verkaufssaal hat nur teilweise eineUmgestaltung erfahren und mussten die vor-handenen Stuckdecken erhalten bleiben. Ander Ausführung waren beteiligt: die HerrenNEUHAUS & KÜPERS mit den Malerarbeiten,die in vortrefflicher Weise gemacht sind,Herr Ratszimmermeister WINKELMANN mitdem Treppenbau und die Herren PüOCK &SCHACHT mit den Tischlerarbeiten.

Die Pflege der Monumentalmalerei, diedie preussische Kunstvcrwaltung bald nachBeendigung* des Krieges von 1870/71 alseine ihrer vornehmsten Aufgaben erklärthatte, ist, nachdem sie eine Zeitlang insStocken geraten zu sein schien, in neuererZeit wieder mit erhöhtem Eifer aufgenommenworden. Wahrend früher Berlin, wo aller-dings eine Reihe von monumentalen Neu-bauten eine würdige Ausschmückung drin-gend verlangte, bei der Erteilung von Auf-trägen besonders bevorzugt wurde, bis-weilen so stark, dass das Missfallen der

Volksvertreter dadurch erregt, wurde, wen-det sich die Fürsorge der Staatsregulierungjetzt mehr den Provinzen zu. In denletzten Jahren sind umfangreiche Monu-mentalmalcreien in Breslau und Düssel-dorf ausgeführt worden, zu anderen sindAufträge bereits erteilt, und in einemFalle, der Ausschmückung des Rathausesin Altona, ist der Weg eines allgemeinenWettbewerbes eingeschlagen worden, derzunachst zu einer engeren Konkurrenz ge-führt hat, die noch nicht entschieden ist.Von den zuletzt erteilten Aufträgen ist amweitesten vorgeschritten die Ausschmückungdes Sitzungssaales im neuen Ständehausezu Merseburg, die dem Berliner Maler Pro-fessor HUGO VOGEL übertragen worden ist.Bevor der Künstler an seine? Arbeit gehenkonnte - - er führt die Gemälde in seinerWerkstatt auf Leinewand in Temperafarbenaus — , war eine durchgreifende architekto-nische Neugestaltung des Saales notwendig,die nach dem Entwürfe des Baurats FRANZ

SCHWÄCHTEN in Berlin erfolgte. UnsereAbb. 8$ zeigt die architektonische Gliede-rung der südlichen Wand, die zugleich denreichsten malerischen Schmuck durch dreiligurenreiche Darstellungen erhalten hat,deren Motive der engeren Geschichte derProvinz Sachsen entlehnt sind. Obwohl dieDarstellungen durch Pilaster getrennt sind,— deren plastischer Schmuck ebenso wie dersich über den Bildern hinziehende Friesvon Professor OTTO LESSTNG entworfen- hat der Künstler die Bilder doch durch

die durchgehenden Linien und Horizonteder Landschaft und durch die koloristischeHaltung als ein Ganzes zusammengefasst,so dass durch alle drei Darstellungen ge-wissermaassen ein einheitlicher Klang hin-durchgeht. VOGEL ist einer der ersten inBerlin gewresen, die den gesunden Kern derHellmalerei erkannt haben, und ihre Grund-sätze hat er auch, soweit sie für die Malereigrossen Stils brauchbar sind, auf die Wand-malerei angewendet. Deshalb hat er auchder Landschaft auf seinen Bildern einenbreiten Raum gewährt, und diese ist be-

Page 62: ARC Berlin 1900

Abb

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Berliner Architekturzaeli 59

Abbildung 86.

Studie zu Abb. 85 von HUGO VOGEL in Berlin.

sonders auf dem mittleren Bilde in solichten Tönen gehalten, dass in demBeschauer die Illusion erweckt wird,als öffnete sich die Wand und alsblickte er in die freie Natur. In derErweckung dieser Raumillusion, dieserRaumweite liegt das höchste Ziel dermodernen dekorativen Malerei.

Das Mittclbüd stellt die Ankunftdes Kaisers Otto T. und seiner angel-sächsischen Gemahlin Editha auf derElbe bei Magdeburg dar. Der Kaiserist, begleitet von den Bischöfen vonMainz und Trier, ans Land getretenund nimmt die Begrüssung der Bürger-schaft entgegen, zu der er gekommenist, um sich von dem Gedeihen desvon ihm zur Befestigung des Christen-tums gegründeten Moritzklosters zuüberzeugen (s. die Studie zu einigenFiguren im Vordergrunde Abb. 86).Die landschaftliche Scenerie schliefstsich an ein Motiv vom Elbufcr bei

Herrnkrug an. Auf dem linken Seitenbilde ist einMoment aus dem Leben von Otto's Vater, KönigHeinrich L, dargestellt: die Ueberbringung derKönigskrone durch Eberhard den Greiner undein Gefolge sachsischer und fränkischer Edleran den sächischen Herzog, den die Abgesandtenim Walde beim Vogelstellen finden. Das nächsteBild zeigt den König an der Spitze seiner Reiter,wie er der weiteren Entwickelung gewärtig aufein Schlachtgetümmel im Hintergrunde blickt.Der Künstler hat es mit Absicht vermieden, dieSchlacht selbst — es ist die grosse Hunnenschlachtbei Merseburg gemeint — darzustellen, er hat,der grossen einheitlichen Wirkung zu Liebe, denköniglichen Helden als die bewegende geistigeKraft des Ganzen monumental hervorgehoben.

Die gegenüberliegende Nordwand, die durcheine Thür durchbrochen wird, sollte nach demursprünglichen Entwurf ebenfalls drei Darstellun-gen enthalten; später hat man sich aber ent-schieden, das mittlere Bild durch eine plastische,Krieg und Frieden darstellende Gruppe zu ersetzen,die durch den Berliner Bildhauer WILHELM HAVKR-

Abbildung- 87.

Studie von HUGO VOGEL in Berlin.

Page 64: ARC Berlin 1900

6o Berliner Archilcklzirwctt

KAMP in wohlabgerundeter Komposition aus-geführt worden ist (Abb. 89). Trotz dieserUnterbrechung hat VOGEL aber die beidenzur Zeit erst im Entwurf vorhandenen Bilderdirekt durch die Linien der Landschaft, diesich auch hinter den beiden Figuren fort-setzen werden, zusammengefasst. Links blicktman in das Dunkel eines altgermanischenUrwaldes, aus dem eine germanische Seherindem römischen Feldherrn Drusus, der derSage nach bis in die Gegend von Merseburgvorgedrungen seinsoll, ihr drohendes: Zu-rück! zuruft. Auf der rechten Seite bildetdazu die hoch zuRoss aus siegreichem Kriegeheimkehrende Germania mit ihrem Geleitden Gegensatz, der un.s in die stolze Zeitdes neuen deutschen Reiches führt.

Die beiden übrigen Wände bieten dermalerischen Ausschmückung nur wenigRaum. An der Westwand, der Tribünen-wand, werden rechts und links die Gestaltender Theologie und der Wissenschaft im Hin-blick auf die Universitäten Halle und Witten-

berg angebracht werden, und an der Ost-wand, der Fensterwand, werden die Zwickel-felder zwischen den rundbogigen Fensternmit Darstellungen aus deutschen Märchengeschmückt werden.

Obwohl VOGFX auf dem Gebiete dermonumentalen und dekorativen Malerei keinNeuling mehr ist, hat er vor und währendseiner Arbeit wieder gründliche Studien anden Werken der italienischen Meister dermonumentalen Malerei, besonders an denenPinturicchios gemacht. Was er von denAlten gelernt, hat er aber mit durchausmodernem Geiste und mit echt nationalerEmpfindung- durchdrungen.

In seinem bisherigen Schaffen hat VOGEi,,der mit seiner vielseitigen Begabung fastjedes Stoffgebiet der Malerei umfasst, fastalle Wandlungen wiederg-espicgclt, die diemoderne Malerei während der beiden letztenJahrzehnte durchgemacht hat. Am 15. Fe-bruar 1855 in Magdeburg- geboren, machteer seine Studien auf der Düsseldorfer Kunst-

Abbiklung- 88.

Orgelspieler.

Nach dem Gemäkle

von HUGO VOGEL

in Berlin.

Page 65: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturweit

Abbildung1 89.

6 l

Gruppe für das Ständehaus in Merseburg-. Von W. HAVERKAMP.

akademie, besonders unter EDUARD VONGRHHARDT und WILHELM SOHN, und als

des ersteren Schüler und Gehilfe war er heider Ausführung- der Wandmalereien aus demNeuen Testament im Kloster Loccum thätig.Nachdem er seine eigene Thätigkeit mitGenrebildern begonnen, entschied er sichseit 1883, wo sein erstes grösseres Bild:Luther predigt, auf der Wartburg, entstand,für die profane Geschichtsmalerei. Er kul-tivirte sie anfangs ganz im Stile der älterenDüsseldorfer Schule, aber mit entschiedenerHinneigung zur Hellmalerei, die schon indem 1885 gemalten Hilde: Der grosse Kur-fürst empfängt französische Refugies in Pots-dam, 10. November 1685, hervortrat. Nach-dem VOGEL nach Berlinübergesiedelt war, malte ernoch eine Zeit lang in seinerDüsseldorfer Art weiter.Ein Zeugnis dafür war dasfigurenreiche Bild: HerzogErnst der Bekenner em-pfängt zum ersten Mal dasAbendmahl in beiderlei Ge-stalt in Gelle 1530. Danngewann aber die moderne

lieh durch Studienreisen nach Belgien undFrankreich gefördert, von Jahr zu Jahrstärker wurde und ihn schliesslich dazutrieb, selbst die verwegensten Sprünge dermodernen Koloristen und Beleuchtungs-künstler mitzumachen. Er schreckte vorden kühnsten Farbenverbindungen nicht zu-rück und bot alle technischen Mittel auf, umalle die tausend Reflexe des Sonnenlichtsauf menschlichen Figuren und auf Gegen-ständen der unbelebten Natur malerischwiederzugeben. Oft ist er an der Schwierig-keit, das Sonnenlicht auf der Leinwandeinzufangen, gescheitert, bisweilen hat erauch durch grelle Farbendisharmonieenunsere Augen mehr verletzt als erfreut, aber

es ist ihm auch nicht seltenAbbildung- 90. gelungen, sein Ziel zu er-

reichen und die neu ge-wonnenen , unendlich er-weiterten technischen Fer-tigkeiten in ausgereiftenSchöpfungen wie z. B. dergemütvollen Scene „Nachder Taufe in der Kirche Ste.Gudule in Brüssel", zugleicheinem glänzenden Stück

Kunstbewegung Einfluss auf FÜI Iung in Holz geschnitzt von Bildhauer meisterhafter Architektur-seine Kunst, die, nament- G, RIEGELMANN in Berlin. maierei, in der „Messe im

Page 66: ARC Berlin 1900

62 Berliner Architekturwelt

Abbildung 91.

Pfeilerdecoration

zur Ausführung" in Mosaik

bestimmt.

Entwurf

von KTCHAUH GUTIR, Maler

in Berlin.

Abbildung 92.

Friesentwurf von RICHARD GUHR, Maler in Berlin.

Page 67: ARC Berlin 1900

Berliner Architektnrweh 63

Marienmonat in St. Gudule", in einigen köst-lichen Idyllen voll Sonnenschein und Som-merlust wie z. B. der „Mutter mit Kind inder Laube" und namentlich in einer Reihevon Bildnissen zu bewähren, in denen sichVornehmheit der Auffassung- mit intimerFeinheit der Charakteristik und erlesenemkoloristischen Geschmack paart.

oder dekorativen Charakters gestattet. Da-für zeugen besonders eine 1894 gemalteallegorische Verherrlichung1 der Industrieund die Wandgemälde, die VOGEL in derVorhalle zum Sitzungssaal des Magistratsim Berliner Rathause ausgeführt hat: dieRäte von Berlin und , Köln nehmen dasAbendmahl in beiderlei Gestalt, der Empfang

Abbildung; 93.

Wand im Rittersaal im Neuen Kgl. Opern-Theater (Kroll).M. J. BODENSTEIN, Maler, WM. WALTHER, Architekt, in Berlin.

Wenn er in seinem Bestreben, sich allekoloristischen Errungenschaften der Neuzeitzu eigen zu machen, eine Zeit lang allzusehr den Launen der modischen Kunst nach-gegeben hat — er war sogar in früherenJahren als der Modernsten einer Mitgliedder Vereinigung der XI gewesen! —, sohat er doch diesen Launen niemals einenEinfluss auf ernste Werke monumentalen

französischer Flüchtlinge durch den GrossenKurfürsten und drei auf die bauliche Ent-wicklung Berlins bezügliche Supraporten:eine Verherrlichung vSchlüters, die bürger-liche Bauthätigkeit unter Friedrich WilhelmLund die Krönung Schinkcls mit einem Lorbeer-kranz durch die Ruhmesgöttin. Eine Studiezu der ersten Supraporte giebt unsere Ab-bildung S7 wieder, eine in Gel gemalte Akt-

H. A . W . II. 2 .

Page 68: ARC Berlin 1900

64 Berliner ArchitektHimvelt

Abbildung- 04.

Küchenfries, entworfen von GEBR. DRABIG in Berlin.

Studie, die in der flotten, meisterhaften Breiteder Behandlung" zeigt, mit welcher .Sicher-heit VOGEL die Formen des menschlichenKörpers beherrscht, was man leider nichtvon allzu vielen Künstlern rühmen kann,die sich der modernen Bewegung ange-schlossen haben.

In den letzten Jahren hat sich die KunstVOGELs völlig geklärt und alle Schlackenabgestreift, die an ihr aus der nunmehrüberwundenen Sturm- und Drangperiodehaften geblieben waren. Mit der .souveränenFreiheit des seiner Mittel sicheren Meisters

findet er für jeden Stoff die ihm ent-sprechende Ausdmcksform. Er macht dabeikeinen Unterschied zwischen alten und neuenDarstellungsmitteln. Wenn es ihm daraufankommt, einen völlig" in sich versunkenenoder in eine geistige Arbeit vertieftenMenschen in seinem ganzen Wesen zu er-Jassen, so erinnert er sich an die tief inalle Einzelheiten eindringende Charakteristikeines Holbein, mit der sich zugleich diehöchste Ehrfurcht vor der Natur verbundenhat. Sein junger „Orgelspieler" (Abb. 88)zeigt, bis zu welcher Reinheit uud Strenge

Abbildung 95,

Schlafzimmerdecke, entworfen von GEBR. DRABIG in Berlin.

Page 69: ARC Berlin 1900

Berliner ArchitekLitrwelt 6s

Abbildung- 96.

Küchenfries, entworfen von GEBR. DRABIG in Berlin,

des Stils er seine künstlerische Ausdrucks-weise dabei steigern kann. Will er dasmuntere Spiel der Sonnenstrahlen in demBlätterdach einer Gartenlaube zur An-schauung; bringen oder die leuchtende Prachteines im Frühlingsschmucke und Sonnen-glanze prangenden italienischen Landschafts-

bildes, so bedient er sich der unendlichenkoloristischen Mannigfaltigkeit, die der Im-pressionismus der modernen Malerei zuge-führt hat. Er macht keinen Unterschiedzwischen alter und moderner Kunst, er-kennt nur, wie er selbst zu sagen pflegt,eine, die gute Kunst! A* R.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.Abildung- 07. Abbildung 98.

Füllung in Holz geschnitzt vonBildhauer G. RIEGELMANN

in Berlin.

# Die Kundgebung, die die Vereinigung BerlinerArchitekten an Geh, Baurat Prof. Dr. WALLOT ausAnlass der bekannten, im Reichstage gegen ihn ge-richteten Angriffe abgesandt hat, hat folgenden Wort-laut: „Hochverehrter Meister! Einmütig und mit Be-geisterung hat die gesamte deutsche Künätlerschaftbei Gelegenheit der Einweihung des Reichstags-Gebäudes im Jahre 1894 den hohen künstlerischenWert Ihrer Schöpfung anerkannt. Nachdem in letzterZeit sowohl im preussischen Abgeordnetenhause wieim deutschen Reichstage absprechende Urteile überdasselbe gefallen sind, nimmt die Vereinigung BerlinerArchitekten Anlass, jener Anerkennung aufs neueWorte zu leihen. Ohne zu der Kritik Stellung zunehmen, welche an einzelnen zum Schmuck desHauses bestimmten Kunstwerken geübt worden ist,spricht die Vereinigung die Ueberzeugung aus, dassfür das Gelingen der noch auszuführenden Aus-schmückungs-Arbeiten und deren Zusammenwirken zueinem harmonischen Ganzen keine bessere Gewährgefunden werden kann, als wenn die obere Leitungderselben auch ferner in ihren Händen bleibt. Mitkollegialischem Gruss Die Vereinigung1 BerlinerArchitekten."

Zur Erläuterung der Fassung, die für die Kund-gebung gewählt worden ist, ist zu bemerken, dass Füllung in Holz geschnitztbei der Erörterung der Vorgänge innerhalb der Ver- von Bildhauer G. RIEGEL-einigung von einzelnen Miiglicdcrn, die die besonders MANN in Berlin.

Page 70: ARC Berlin 1900

66 Berliner Architekturwett

Abbildung 90.

Moderner Stuhl, :

Entworfen und ausgeführt von LlON KTESSLING,

Möbelfabrik in. Berlin.

heftig: angegriffenen Deckenmalereien STUCKs im Vor-

saale von den Räumen des Reichstagspräsidium.s be-

sichtigt hatten, davor gewarnt worden war, auch die an

den Malereien geübte Kritik in die Kundgebung ein-

zubegreifen. Wenn die Kritik in der Form auch zu

weit gegangen sei, so sei sie doch berechtigt, da

die Malereien in der That angreifbar sind.

Inzwischen hat die ganze Angelegenheit insofern

einen Abschluss gefunden, als Geheimer Baurat WAL-

LOT, nachdem in der Sitzung des Reichstags am

20. März die Ausschmückung- des Gebäudes abermals

zur Sprache gekommen war und neue, nicht minder

lebhafte Meinungsäusserungen hervorgerufen hatte,

freiwillig von der Leitung der weiteren Ausschmückung

zurückgetreten ist. Es muss zwar anerkannt werden,

dass in dieser Sitzung mehrere Mitglieder des Reichs-

tags mit Wärme für den Meister des Rcichstagshauses

eintraten. Aber es Hess sich nicht verkennen, dass

die Stimmung der Mehrheit kühl blieb, und WALLOT

konnte demnach nicht anders handeln, wenn er sich

nicht der Demütigung aussetzen wollte, seinen am

31. März ablaufenden Vertrag nicht erneuert zu sehen.

Der Streit, der die Veranlassung zu diesem im Inter-

esse einer grossen Sache tief beklagenswerten Aus-

gange gegeben hat, ist damit noch nicht beendigt.

Professor FRANZ STUCK hat sich geweigert, sowohl

seine Gemälde umzuändern, als auch gegen Rück-

gabe der Gemälde die ihm bereits gezahlte Summe

(23000 M.) zurückzuerstatten. Andererseits scheint der

Reichstag Willens zu sein, wenn STUCK in seiner

Weigerung; beharrt, den Rechtsweg zu betreten.

>< Die Berliner Sezession hat ihren geschäftlichen

Stützpunkt durch die Begründung einer Gesellschaft

mit beschränkter Haftung unter dem Namen „Aus-

stellungshaus der Berliner Sezession" erhalten. Das

Stammkapital der Gesellschaft beträgt 20000 Mark.

Gegenstand des Unternehmens ist die Erbauung oder

der anderweitige Erwerb eines Ausstellungshauses in

Berlin, Charlottenburg oder einem anderen Vorort

von Berlin zum Zweck der Veranstaltung von Kunst-

ausstellungen und der Betrieb sämtlicher hiermit

zusammenhängender Geschäfte. Zu Geschäftsführern

sind die Maler Prof. MAX LIEHERMANN und WALTER.

I.EISTIKOW bestellt worden. Im Laufe des April ist

der Bau des Ausstellungsgebäudes nach, den Plänen

der Architekten GRISEUACH und DlNKLAGE auf der

Gartenterasse des Theaters des Westens soweit vor-

geschritten, dass die Eröffnung der Ausstellung noch

im Mai erfolgen wird.

Abbildung IOo,

Moderner Stuhl.

Entworfen und ausgeführt von LlON KlESSLING,

Möbelfabrik in Berlin,

Page 71: ARC Berlin 1900

Berliner Archüekturwclt 67

• Die Vereinigung zur Erhaltung deutscherBurgen hat am 21. März ihre konstituierende Sitzungabgehalten. Es wurde ein Arbeitsausschuss gewählt^bestellend aus den Herren Hofmarschall Freiherr VONBUDDENBROOK, Vorsitzender, Architekt BODO EB-1IARDT, Schriftführer, Geheimer Regierungsrat VONBREMEN und Regierungsrat PLATZ. Zum Schatz-meister wurde Herr CARL VON DER HEYDT gewählt,

Abbildung- 101.

in Elberfeld und J. KRÖGER in Wilmersdorf beiBerlin, zwei zweite Preise von je 1000 Mk* BauratProf. H. STIER in Hannover und A. KÄPPLER inLeipzig.

6 Die Vereinigung Berliner Architekten hat be-schlossen, demnächst einen Antrag zum Schutz desgeistigen Eigentums der Architekten, der von einem

Hauptetablissement

eines

Empire - Salons,

Ausführung in dunkel

Mahagoni mit feuer-

vergoldeten Bronzen.

Entworfen

und ausgeführt

von

FRIED, THIIUUCHKNS

Holmübelfabrik

in Berlin.

der alle iür die Vereinigung bestimmten Geldbeträgeentgegennimmt. Der Arbeitsausschuss wird zunächstdie Satzungen der Vereinigung entwerfen, um dieseder dann einzuberufenden Generalversammlung vor-zulegen. % ^

*

ö" In dem Wettbewerb für den Bau einer neuenKirche in Allenburg^ zu dem 46 Entwürfe eingegangenwaren, erhielten die beiden ersten Preise von je1500 Mk. die Architekten CORNEHLS und FRITSCHE

zu diesem Zweck eingesetzten Ausschüsse unter Mit-wirkung des Dr. jur. OSTERRIETH, einer anerkanntenAutorität auf dem Gebiete des Urheberrechts, aus-gearbeitet worden ist, beim Vorstande des VerbandesDeutscher Architekten- und Ingenieurvereinc einzu-reichen. Der Antrag lautet:

Tn Erwägung, dass das Wesen des baukünst-lerischen Schaffens in der baukünstlerischen undder bautechnischen Konzeption des Werkes liegt,

In Erwägung, dass das baukünstlerische Schaffen

Page 72: ARC Berlin 1900

68 Berliner Arckiiektttrwelt

in seinen individuellen Erzeugnissen ebenso schutz-würdig ist wie das Schaffen des Schriftstellers oderdes anderen bildenden Künstlers,

In Erwägung, dass die baukünstlcrische Kon-zeption durch graphische und plastische Darstellung;und durch die bauliche Ausführung wirtschaftlichverwertet wird und dem Schöpfer dieser Konzeptiondie wirtschaftliche Verwertung- seines Werkes aus-schliesslich vorbehalten werden soll,

In weiterer Erwägung, dass die graphische undplastische Nachbildung, sowie die bauliche Aus-führung ein wesentlich technisches Können erfordertund infolgedessen der künstlerischen Konzeptionnachsteht,

wird vorgeschlagen, dahin zu wirken:dass bei der Revision des künstlerischen Urheber-rechts die Haukunst den übrigen bildenden Künstengleichgestellt und § 3 des Gesetzes von 9. Januar 1876durch eine Bestimmung folgenden Inhalts ersetzt wird:

1. Der Schöpfer eines Werkes der Baukunst hatdas ausschlicssliche Recht der Nachbildung, sowieder baulichen Ausführung des Werkes.

2. Unter einem Werk der Baukunst wird jedeindividuelle künstlerische oder technische Kon-zeption verstanden, gleichviel, ob dieselbe in

graphischer Darstellung (Skizzen, Pläne, Entwürfe)oder in einem Modelle oder in der baulichen Aus-führung zum Ausdruck gelangt ist.

3. Wer ein Werk ohne Genehmigung des Urhebersganz oder teilweise nachbildet oder ausführt, kannwegen Verletzung des Urheberrechts straf- undzivilrechtlich verfolgt werden."

^ Die Ausführung des Kaiser Wilhelm-Denkmalsfür Hildeshehn ist durch einstimmigen Beschluß desgrossen Komites dem Professor OTTO LESSING inBerlin übertragen worden. Auf Grund des Ergebnissesder ersten Konkurrenz war ein engerer Wettbewerbzwischen O. LESSING, F. HttlNEMANN in Charlottenburgund den Bildhauern STEFFENS und GEILTNG in Düssel-dorf ausgeschrieben worden.

A In dem Wettbewerb um den Entwurf für einRathaus in Rültenschcidt bei Essen, zu dein dieausscrgcwöhnlich hohe, aber für den gegenwärtigenStand des Konkurrenzwesens charakteristische Zahlvon 322 Entwürfen eingegangen war, haben dieArchitekten OTTO KUHLMANN und Regierungsbau-

Abbildung 102.

•'* '•,: Schaufenster -Einbau Jägerstrasse 54. Architekten ERDMANN & SIJINDI,ER in Berlin-

Page 73: ARC Berlin 1900

Berliner Arch itckiunvclt 6c,

meister HliNNO KÜHN in Charlottcnbury den erstenPreis (1500 Mark) davongetragen. Den /.weiten Preis( ICK,o Mark) erhielt Architekt KURT DISTEL in Dresden,den dritten (51,0 Mark) Architekt ARTHl'K KRI'UJTZSCHin Zittau. ^ ^

::; Zur Ausführung von Wandgemälden im ^rossen

SactI des neuen Rathauses t?i Hamburg ist ein Wett-

Schmalseiten des Raumes ihren Platz finden sollen,während die kleineren für die nördliche Wand be-stimmt sind. Als (Gegenstand der Darstellung sindzu wählen: 1. Für die Westwand das Mittelalter mitspecieliem Hinblick auf die Gründung Hamburgs \2. für die Nord wand die Zeit der Hansa, mit be-sonderer Betonung der Begründung- und Entwicklungdes llainbursrischen Handels, das Zeitalter der Ke-

Abbildung 103.

Treppenhaus im Geschäfts-

lokale jägerstrasse 5".

Architekten

EK.DMANN & Sl'INDLKR.

in Berlin.

bewerb mit Termin zum 1. |uli unter deutschen oderin Deutschland ansässigen Künstlern ausgeschriebenworden. Ein engerer Wettbewerb hatte schon früherzwischen den Malern Prof. F. GRSET.SCHAP In Berlinund Prof. C. GE:HRTS in Düsseldorf stattgefunden, hataber zu keinem Ergebnis geführt, da beide Künstler1898 gestorben sind. Es handelt sich um zwei firossc.rcund drei kleinere Wandgemälde, von denen diegrösseren auf den ostlich und westlich gelegenen

formation und die Befreiungskriege 1813/14; 3. fürdie Ostwand eine allegorische Darstellung der Harn-monia und zwar unter besonderer Hervorhebung derVerbindung- Hamburgs mit dem Deutschen Reicheund seines Welthandels. Von den Bewerbern wirdeine Farbenskizze zu dem Bilde der Ostwand in 1/1°der wirklichen Grösse*(i58 cm lang, 54 cm hoch)sowie eine beliebig zu behandelnde Skizze des Bildesder Westwand in der Grüsse von 58 cm Länge und

Page 74: ARC Berlin 1900

Berliner Architektuvwelt

Abbildung 104.

Treppenhaus im Gcschäftslokale Jägerstrasse 54. Architekten ERDMANN & SplNDLER in Berlin.

20 cm Höhe verlangt, Ks kommen Preise von 10000,3000 und 2000 M. zur Verteilung. Dem Preisgerichtgehören ausser 3 Mitgliedern der Rathaus-Baukom-mission und Architekt M. HALLER als Vertreter derRathaus-Baumeister an die Maler Prof. A. Lu ITEROTH-Hamburg, A. FlTGER - Bremen, Prof. KAULKACH-München und Prof. P. JANSSEN-Düsseldorf, die Archi-tekten Ober-Baudir. Prof. Dr. DURM-Karlsruhe, Geh.Reg.-Rat Prof. ENDE-Berlin und Baudir. ZIMMERMANNHamburg, sowie die Kunstgelehrten Prof. Dr, LlCHT-WARK-Hamburg und Geh. Hofrat Prof. Dr. WOER-MANN-Dresden. Ein Anspruch auf Ausführung derGemälde wird durch Erlangung der Preise nicht ge-wonnen. % ^

A Um mit der für 1900 geplanten Deutschen Bau-aussfelhmg in Dresden, die ein vorwiegend fach-wissenschaftliches und technisches Interesse haben

wird, auch eine Anziehuug auf das grosse Publikumzu verbinden, hat die AusstellungsJeitung beschlossen,ein „Vergnügungseck" einzurichten, das mit der Aus-stellung; in Zusammenhang gebracht werden soll.Zur Erlangung geeigneter Ideen für eine solche An-lage hat die Leitung einen Wettbewerb ausgeschrieben»worin sie die deutschen Architekten zu zahlreicherBeteiligung einladet. Die aus Holz mit Stuckver-blcndung und Malerei auszuführenden Baulichkeitensollen der heiteren Kunst eine Stätte bieten undausser einem Konzert- oder kleinen Theaterraumallerhand Räumlichkeiten für frohe Geselligkeit, Ver-kaufsstände, einen Musikpavillon u. dergl. m. enthalten.Den Künstlern, die sich am Wettbewerb beteiligenwollen, ist die Wahl der Formen völlig freigestellt.Es wird ihnen sogar überlassen, den Baulichkeitenein humoristisches Gepräge ?A\ geben, etwa Vor-schläge zu einem Zukunftsstil zu machen oder eine

Page 75: ARC Berlin 1900

Berliner Arch itekturzoeU 71

Satire auf die modernen Bestrebungen zu versuchen.

Der für dag Vergnügungseck verfügbare Platz ist ein

Teil des Grossen Gartens mit herrlichem Baum-

bestand. Er soll mit dem eigentlichen Ausstellung^ -

park durch eine elektrische Untergrundbahn und

einen Fussweg verbunden werden. Als Bausumme

sind 2oo 000 Mark ausgesetzt worden, worin die

Kosten für Wasser-- und Erd an lagen nicht einbegriffen

sind. Für den Wettbewerb werden verlangt: ein

allgemeiner Uebersichtsplan im Massstab 1 : aco.

Skizzen eines oder mehrerer Teile dieses Planes,

soweit sie zur Klarstellung- des Planes nötig .sind,

und ein kurzer Erläuterungsbericht. Es sind drei

Preise von 500, 300 und 200 Mark ausgesetzt, Andere

Entwürfe für je 150 Mark auzukaufen, behält sich die

Ausstellungsleitung vor, von der die Unterlagen zu

beziehen sind. Die Entwürfe sind bis zum 5. Juni

an Herrn Architekt C. SCHÜMICHEN" in Dresden ein-

zusenden, — Ein zweiter Wettbewerb für die Dresdner

Bauausstellung hat der Ausschuss der Gruppe „Land-

wirtschaftliche Baukunde" für deutsche Architekten

ausgeschrieben. Es handelt sich um die Erlangung

von Entwürfen für ein Muslergehöft für eine Land-

wirtschaft von ij Hektar Landy das auf der Aus-

stellung" errichtet werden soll. Es gelangen 2 Preise

von 300 und 200 Mark zur Verteilung; ein Ankauf

nichtpreisgekröater Entwürfe für je 100 Mark ist in

Aussicht genommen. Die Zeichnungen sind im Mass-

stab von 1 : 100 verlangt. Preisrichter sind Oekonomie-

Kat Andrä-Braunsdorf, Architekt Grothe-Dresden, Bau-

rat Prof. Knoihe-Sccck-Zitt.au, Geh. Oekonomie-Rat

von LangsdorfF- Dresden, Landbaumeister Schmidt-

Meissen und Oekonomic - Rat Steyer - Plauen. Das

Gehöft soll aus einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude,

einem Stallgebäude, einer Scheune, einem Seiten-

gebäude mit Schuppen usw. bestehen. Die Entwürfe,

die bis zum 1. Juni einzuliefern sind, sollen unter

Berücksichtigung der neuesten Erfahrungen und er-

probten Einzelheiten auf dem Gebiete des landwirt-

schaftlichen Bauwesens bei gefälliger ländlich-ein,

facher Ausgestaltung eine dauerhafte, zweckmässige

und billige Ausführungsweise gestatten.

0 Einen Wettbezverb 11m Entwurfsskizzm für ein

Kreishaus in Düsseldorf hat der dortige Fandrat

an alle deutschen Architekten ausgeschrieben. Die

Entwürfe sind bis zum i, Juli an das Landratsamt in

Düsseldorf (Klosterstr. 23) einzureichen, von dem auch

die Unterlagen des Wettbewerbs bezogen werden

können. Drei Preise (1500, 1000 und 500 Mark) sind

ausgesetzt. Zum Preisgericht gehören ausser dem

Landrat der Kreis- und Regierungs-Baumeister KöHL-

HAGEN", Maler Prof. OEDER,.Stadtbaurath PEIFFHOVEN,

und Architekt Prof. STILLEK, sämtlich in Düssel-

dorf.

= Die Vollendung der netten Hofburg in Wien

soll dem Professor FRIEDRICH ÜHMANN übertragen

werden, der durch eine grosse Zahl geistvoller Ent-

würfe und Bauausführungen während der letzten

Jahren in die Reihen der ersten Architekten Ocster-

reichs getreten ist. Nach dem Tode Hasenauers war

die Leitung; der Arbeiten den Bauräten Hofer und

Niedzielski übertragen worden, die kürzlich ihre

Entlassung eingereicht haben.

tf• Bei einem Wettbewerb um Pläne für ein 10

Budapest zu errichtendes Museum für bildende Kunst^an dem sich neun Architekten beteiligt hatten, ist

der erste Preis den Architekten S, PECZ, der zweite

den Architekten SCHICKEDANZ und HERZOG, der

dritte dem Architekten ANKAY zuerkannt worden Die

Preise betrugen 3000, 2000 und rooo Gulden. Der

Plan des Architekten A. MEINIG wurde für 750 Gulden

angekauft. Da keiner der ausgezeichneten Plane der

Jury zur Ausführung1 geeignet erschien, hat die Jury

Abbildung 105.

Geschäftshaus Jägerstrasse 54,

Maler GUSTAV NEUHAUS in Berlin.

B. A.W. 11. 2. I O

Page 76: ARC Berlin 1900

/-' Berliner Arckitckturzvelt

Abbildung; 106.

Thorweg am sogen. „Romanischen Haus" Auguste Victoria-Platz,Architekt FRANZ SCHWECHTEN in Berlin. Von Kunstschlosser HAMMERAN ausgeführt.

eine neue Konkurrenz zwischen den Gewinnern desersten und /.weiten Preises vorgeschlagen, denen eineUmarbeitung ihrer Projekte aufgetragen werden soll.

Q Einen Wettbewerb zur Erlangung eines Entwurfsfür ein dauerndesKunstaussteliungsgtbäude in Düssel-dorf hat der Auäschuss für die Kunstausstellung aufder Düsseldorfer Industrie- und Gewerheausstellungdes Jahres 1902 unter deutschen und deutsch-öster-reichischen Architekten ausgeschrieben. Es sind dreiPreise von 3000, 2000 und 1500 Mark ausgesetzt;der Ankauf weiterer Entwürfe für je 800 Mark bleibtvorbehalten. Preisrichter sind Architekt ProfessorHOFFACKER in Charlottenburg, Baurat SCHWECHTENin Berlin, Ober-Ingenieur LAUTER in Frankfurt a< M.,Architekt Prof. KLEESATTEL, Geh, KommerzienratLUEG, Maler Prof. FR. ROBBER und Architekt Prof.SCHILL in Düsseldorf. Bis zum 15. Juli sind dieEntwürfe an den Central-Gewerbe-Verein in Düssel-dorfeinzureichen, von dem auch die Unterlagen gegen2 Mark bezogen werden können. Die Kosten desGebäudes, dessen Stilfassung den Bewerbern über-lassen wird, sollen die Summe von 650000 M. nichtüberschreiten. Als Bauplatz ist ein in der unmittel-baren Nähe des Hofgartens gelegenes Gelände von13600 qm Fläche bestimmt, welches einen Teil desAusstellungs-Geländes des Jahres 1902 bilde». DieFront des Gebäudes kehrt sich dein Rhein bew. den

Anlagen zwischen Rhein und Gebäude zu. Es wirdin dem Programm bemerkt, dass für diese eine Stein-architektur nicht wohl entbehrt werden kann. Derzur Ausstellung von Kunstwerken aller Art dienendeKaum soll eine Flächenausdehnung von 6800 bisj'ooo qm erhalten; dazu kommen eine Anzahl Neben-räume und Rcstaurationsrjume, letsterc im Ausmassvon 4—500 qm Fläche. Verlangt werden ein Lage-plan 1 1500, Grundrisse, Ansichten und Schnitte 1:200ein Schaubild der Rheinseite, ein Erläuterungsberichtnebst Kostenüberschlag nach der quadratischen undkubischen Einheit. Die Preise können auch in anderenAbstufungen verteilt werden. Bezüglich der weiterenBearbeitung der Pläne behält sich der Ausstellungs-Vorstand freie Hand vor.

•X* Zum Wettbewerb „Rathaus in Cöpenicki{. Voruns liegen die „Bedingungen, unter denen die An-fettigung von Entwürfen su einem neuen Rathausein- Cöpenick vergeben (suhmiüiert) werden so//."Sie sind der Art, dass man sie am besten sofort demPapierkorbe anvertraute, wenn nicht das allgemeineInteresse es nötig machte, sie in einer öffentlichenBesprechung festzunageln. Diese „Bedingungen"leisten wohl an Nichtachtung und Unterschätzungarchitektonischer Arbeiten das Meiste, was bis jetztin dieser Hinsicht der Fachgenossenschaft gebotenwurde; sie sind augenscheinlicht ohne Mitwirkung

Page 77: ARC Berlin 1900

Berliner Avchücktiirivelt 73

von Fachgenossen, vom grünen Tisch aus mit demsogenannten „weiten Blicku aufgestellt. Jeder Be-werber hat ausser den über das übliche Maass weithinausgehenden Zeichnungen in i : 100 auch nocheinen spezialisierten Kostenanschlag sowie einestatische Berechnung der zur Verwendung kommen-den Eis enteile und Maasivdecken zu liefern. Dabeientspricht die Höhe des i. Preises knapp den Honorar-normen. „Die Auswahl unier den Entwürfen tinddie Verleihung der ausgesetzten- Prämien erfolgtdurch die von der Stadt eingesetzte Kommission unter/Zusiehung eines königlichen Batibeamien^ und bleibtes der städtischen Kommission ausschliesslich über-lassen, ob dieselbe -überhaupt einen der Entwürfe,und welche derselben^ prämiieren will," Der Will-kür ist also hiermit Thür und Thor geöffnet; es istkeine Sicherheit geboten, dass die Prämien den bestenProjekten zufallen, denn die Kommission kann be-liebig „auswählen"'. Wer dieser Kommission angehört

und wer der königliche Baubeamte ist, das wird nichtverraten. Zudem haben sich die Bewerber durchschriftliche Anerkennung dieser Bedingungen zu ver-pflichten, im Falle eines Erfolges für die ausgesetztenPrämien auch etwa gewünschte Abänderungen an ihremEntwürfe vorzunehmen. Und schliesslich hat man, umin den Besitz dieser „Bedingungen" zu gelangen, derStadtkasse 3 Mark einzuzahlen. Es wird aber nichtangegeben, ob die Bewerber sie bei Einlieferung einesEntwurfes zurückerhalten.

Wir sehen es als selbstverständlich an, dass jederArchitekt, der sich selbst achtet, diesem Wettbewerbfern bleibt. Wenn die Stadt Cöpenick an ihremPreisausschreiben Freude erleben will, so mag siesich in allererster Linie den Vom Verbände deutscherArchitekten- und Ingenieurvereine aufgestellten Grund-sätzen für das Verfahren bei Wettbewerben anschliesscnund ihre geradezu unglaublichen Bedingungen ändern.

B. S.

Abbildung 107 -109,

Y^' " \

Schlüssclschilder.Entworfen von Architekt F. SAUVAGE.

Page 78: ARC Berlin 1900

74 Berliner Architekt unvelt

BÜCHERSCHAU.Motive der mittelalterlichen Baukunst in Deutschland.

In photographischen Originalaufnahmen herausge-

geben von HUGO HÄRTUNG, königl. Regierungs-

baumeister und Dozent an der königl. technischen

Hochschule in Berlin. Berlin, Ernst Wasmuth.

Mit der kürzlich erfolgten Ausgabe der Doppel-

lieferung' 4/5 hat dieses vor drei Jahren von neuen

Gesichtspunkten unternommene Werk einen weiteren

Schritt vorwärts gethan. Es liegen jetzt 125 Tafeln

vor, so dass an der Vollendung des ganzen "Werkes

nur noch drei Lieferungen mit 75 Tafeln fehlen. Der

Herausgeber hat sich die Aufgabe gestellt, der

grossen Zahl der Architekten, denen es leider nicht

vergönnt ist, an Ort und Stelle Studien zu machen,

ein neues und bequemes Hilfsmittel zur Erweiterung

und Vertiefung ihrer Kenntnisse zu bieten, nachdem

allseitig- anerkannt worden ist, dass das Studium der

mittelalterlichen Baudenkmäler den Architekten eine

Schule ist, deren Bedeutung immer tiefer in das

moderne Schaffen eingreift. Um sein Ziel zu er-

reichen, wollte er möglichst mustergiltige und ein-

heitliche Bilder geben und darum musste er bedeutende,

aber durch fehlerhafte Wiederherstellung oder andere

Verstümmelungen verdorbene Bauwerke ausschliessen.

Da der grössere, die kirchliche Architektur um-

fassende Teil des Werkes bereits zum grössten

Teil vorliegt, las st sich schon jetzt anerkennen,

dass dem Herausgeber die Lösung seiner Haupt-

aufgabe im hohen Grade gelungen ist. Wenn

in dem reichen Material auch allgemein bekannte

Kirchenb.iuten vertreten sein mussten, weil der Heraus-

geber die wichtigsten typischen Bauwerke der

romanischen und gothischen Kunstweisen vorführen

wollte, so befindet sich doch die Zahl der weniger

bekannten oder doch in ihrer Bedeutung noch nicht

genügend gewürdigten und durch Publikation nicht

allgemein zugänglich gemachten Bauwerken in der

Mehrheit, Aus der vierten Lieferung heben wir nur

die Sa. Fides- Kirche in Schlettstadt hervor, einen

Werksteinbau aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts,

ein Muster einheitlicher .spätromanischer Bauweise. —

In der vierten Lieferung wird mit der Vorführung'

von charakteristischen Baudenkmälern der Profan-

architektur begonnen, die auch die ganze fünfte Liefe-

rung einnimmt. Wir finden hier u. a. das Rathaus, und

ein Privathaus in Aisfeld, zwei spätgotische Fachwerks-

bauten, ein Kaufhaus aus dem 15. Jahrhundert in

Koblenz, die Rathäuser in Duderstadt und Forchheim,

das romanische Haus und die kaiserliche Pfalz in Geln-

hausen, das Rathaus in Michelstadt und eine Gruppe

ungemein malerisch wirkender, spätgotischer Fach

werkhäuscr in Miltenberg am Main. — Der grosse

Massstab der Aufnahmen, die eigens für dieses Werk

gemacht worden sind, erleichtert ein genaues Studium

aller für die Architekten wichtiger Details. Die Klar-

heit der Wiedergabe durch den Lichtdruck bringt

jede Einzelheit zur besten Geltung. —

Auch von einigen anderen Lieferungswerken des

Wasmuthschen Verlages sind in den letzten Monaten

Fortsetzungen erschienen. Von den Aufnahmen

ftiilteialter liehe r Wand- und Deckenmalereien in

Deutschtand, die Reg.-Baumeister Prof. RICHARD

BORRMANN unter Mitwirkung von Prof. H. KOLB und

Maler O. VORLAENDER herausgiebt, sind Lieferung

4 und 5 erschienen. Sie enthalten in reichem Farben-

druck ornamentale und figürliche Malereien aus der

Kirche Maria zur Höhe in Soest, aus der Liebfrauen-

kirche zu Halberstadt, den Dom zu Braun schweig,

aus der Klosterkirche zu Wienhausen, aus der Marien-

kirche in Terlan bei Bozen, aus der Martinskirche

in Campill in Tirol, aus Schi oss Hohensalzburg', aus

Schlots Karlstein in Böhmen, aus den Domen in Brixen,

Schleswig und Brandenburg, aus der Burg Tirol bei

Meran u. a. m. In diesem Werke erschliesst sich ein

reicher Schatz neuer Motive für alle Künstler, die auf

dem Gebiete der dekorativen Malerei thätig sind. —

Von dem dritten Venedig behandelnden Teile des

grossen Sammelwerkes Palast-Architektur von Oher-

italien und Toscana ist die dritte Lieferung aus-

gegeben worden (herausgegeben von Professor OTTO

RASCHDORFF). Sie enthält ausser vortrefflichen

Naturaufnahmen, die sich sowohl durch ihre Grosse

wie durch ihre Klarheit vorteilhaft von den meisten

Photographien italienischen Ursprungs auszeichnen,

Aufrisse und zahlreiche, unter der Leitung von Prof.

Raschdorff gezeichnete , für Architekten besonders

wertvolle Details. Ein nach einer Aufnahme von

E. DüEPLER d. ]. ausgeführter Farbdruck, der einen

Theil einer Wand in der Anticamera des Dogen-

palastes darstellt, ist ein prächtiges, wahrhalt klassi-

sches Beispiel venezianischer Renaissancedekoration,

Von Wasmuths Neuen Malereien erscheint eine

neue Folge in zehn Lieferungen, von denen zwei

vorliegen. Vielfachen Wünschen entsprechend hat

die Verlagshandlung ein kleines, handlicheres Format

gewählt, ohne dass jedoch der Reichtum des Ge-

botenen dadurch beeinträchtigt wird. Es ist vielmehr

ein noch grösseres Gewicht auf die Vielseitigkeit des

Inhalts gelegt worden, was sich u. a. auch darin zeigt,

dass der moderne Stil eine entsprechende Vertretung

und besonders beachtenswerte Leistungen findet.

Plastisch-Anatomischer Handatlas für Ak ademicen,

Kunstschulen und zum Selbstunterricht von Dr. FRITZ

SCHIDER, Maler und Lehrer 11 n der allgemeinen

Page 79: ARC Berlin 1900

Berliner An/t tickt urzvelt 75

Gewerbeschule und oberen Realschule in Hasel,Leipzig, SEEMANN und Co.Anatomische Lehrbücher zu studieren oder auch

nur für einen bestimmten Zweck i\x Rate zu ziehen,bereitet Künstlern bekanntlich eine schwere Pein,besonders solchen, die den Unterricht auf einer Hoch-schule nicht gemessen konnten. Es sind darum auchschon viele Versuche gemacht worden, Künstlerndieses Studium zu erleichtern und auf das unumgäng-lich notwendige Maass zu beschränken. Noch niemalsaber ist diese schwierige Aufgabe so gründlich gelostworden wie in dem Schiderschen Handatlas, worinein Künstler und Lehrer zugleich auf Grund seinerpädagogischen Praxis alles zusammengefasst hat,was wissenswert und notwendig ist und somit demKünstler die Grundlage gewährt, auf der er mitvoller Sicherheit schaffen kann. Der Herausgeber hatmit Recht den Schwerpunkt auf ein möglichst reichesAnschauungsmaterial gelegt und den erläuternden Textauf die notwendigsten Angaben beschränkt, wobei erimmer die Bedürfnisse und Zwecke der zeichnendenund plastischen Kunst mit feinem Verständnis berück-sichtigt und namentlich allen, die den. Atlas zumSelbstunterricht benutzen wollen, wertvolle Winkegegeben hat. Die zumeist nach eigenen Zeichnungenund Naturstudien des Verfassers angefertigten Ab-bildungen sind in ausreichend grossem Maassstabegehalten, um das Verständnis aller Einzelnheiten zuermöglichen. Sehr wesentlich trägt es zur Erhöhungder Anschaulichkeit bei, dass die Muskeltafeln inFarben angelegt sind. Der Anfänger darf sich mitruhiger Zuversicht diesem Führer anvertrauen, undauch der fertige Künstler darf gewiss sein, in zweifel-haften Fällen hier eine rasche und zuverlässige Aus-kunft zu finden. J, R

* * *ReiSßskissen von KRANZ BRANTZKY, Architekt, ioo

Tafeln. Berlin, KANTER und MOHR.

Mit der Herausgabe dieser Skizzen, die der Ver-fasser, ein in Köln thätiger Architekt, in den Jahren1895 —1897 auf Studienreisen durch die Rhcjnlandedas Lahnthal, die Moselgegenden, Westfalen undSüddeutschland gesammelt hat, verfolgt er, wie erin einem Geleits wort näher auseinandersetzt, einenbesonderen Zweck. Weit entfernt, mit den bekann-ten Veröffentlichungen von Ort wein, Ewerbeck,Dollinger u.a. wetteifern zu wollen, bietet er dieseBlätter so, wie er sie seinem Skizzenbuche entnommenhat, ohne sie für die Veröffentlichung umgezeichnetund wirkungsvoll in Scene gesetzt zu haben. Er willdamit die „Intimität der jeweiligen persönlichen Em-pfindung, Auffassung und Aufzeichnung'1' unverfälschtwiederspiegeln und jedoch, wie er hofft, seinenKollegen „Freude und Nutzen" bereiten. In der Thatwird jeder, der das Skizzenbuch durchblättert, seineaufrichtige Freude an der Frische und Unbefangenheitder Auffassung haben, der auch das Kleinste undUnscheinbarste nicht zu gering erscheint, und anNutzen wird es auch nicht fehlen, da diese Blätter,obwohl die oben genannten Studienfelder schon sehrstark ausgebeutet sind, doch manches neue undinterressante Detail enthalten, das dem Spürsinnwanderlustiger Künstler entgangen oder doch nochnicht veröffentlicht worden ist.

Für Brantzky haben diese Blätter aber noch einebesondere persönliche Bedeutung. Da es ihm nichtmöglich war, eine Hochschule zu besuchen, hat er anden Bauwerken der alten Zeit gelernt. Seine Skizzen-büchcr haben ihm Schule und Bibliothek ersetzt, under bekennt offen, dass er diesen Studien seine bis-herigen künstlerischen Erfolge verdankt. Durch dieHerausgabe seiner Skizzen will er diejenigen, diesich in gleicher Lage befinden wie ert anregen,denselben Weg zu wandeln und aus den „Werkender lebendigen Kunst" den Mut zu eigenem Schaffenzu gewinnen.

Abbildung 110.

Füllung in Holz geschnitzt. Von Bildhauer G, RlEGIlLMANNin Berlin.

Verantwortlich für die Redaktion: Dr. ADOLF ROSENBERG, Berlin. — Verlag; von ERNST WASMUTH, Berlin W., Markgrafenstr. 33.Gedruckt bei JULrus SinENFKLD, Berlin W. — Clich^s von CARL SCHÜTTE, Berlin W.

Page 80: ARC Berlin 1900

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Page 81: ARC Berlin 1900

Abbildung: m -

Die Verspottung Christi. Von HERMANN KOKOLSKY in Charlottenburg.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

B. A.W. II. 3.

Page 82: ARC Berlin 1900

HANNS ANKER.

DIE GROSSE

BERLINER KUNSTAUSSTELLUNO.I.

n dem seit länger als einem Jahr-zehnt bewährten Grundsatz, jederKunstausstellung durch eine neue,möglichst umfassende Dekoration

einzelner Räume schon in ihrer äusserenErscheinung einen besonderen Reiz zugeben, ist auch in diesem Jahre festgehaltenworden. Es sind sogar nach dieser Rich-tung hin grössere Anstrengungen als in denletzten Jahren gemacht worden, weil dieAusstellungsleitung mit einem Wettbewerbzu rechnen hatte, der bisher nicht in Fragegekommen war. Aus den Streitigkeiten,die schon seit Jahren die KünstlerschaftBerlins erregt und zerklüftet haben, ist zuAnfang dieses Jahres die lange angekün-digte „Berliner Sezession" hervorgegangen,die mit der Veranstaltung einer eigenenAusstellung gegen das alte, ihrer Mei-nung nach verrottete Ausstellungswesenprotestieren und dem Publikum eine idealeAusstellung bieten will. Obwohl die „Se-zession'4 bis jetzt nur etwa 70 Künstler um-

fasst, befinden sich nicht wenige darunter,deren Namen aus verschiedenen Gründenhäufig genannt werden, und es mag der Lei-tung der grossen Ausstellung nicht angenehmgewesen sein, dass sie auf die Beteiligungder Träger dieser Namen verzichten muss,Um so mehr hat sie alles aufgeboten, umden Verlust, der ihr durch jene im Gesamt-interesse der Berliner Künstlerschaft immer-hin bedauernswerte Trennung erwachsen ist,quantitativ und qualitativ auszugleichen. InBezug auf die Menge des Gebotenen ist esihr jedenfalls gelungen. Der Katalog führteschon bei der Eröffnung mehr Nummernauf als der vorjährige, obwohl der letztegrosse Saal der Mittelaxe des Gebäudesdiesmal nicht zur eigentlichen Ausstellung"benutzt, sondern der Separat-Ausstellungdes „Verbandes deutscher Illustratoren'1

überlassen worden ist und zwei zur Zeitleerstehende Säle für die Aufnahme vonWerken österreichischer Künstler reserviertsind, die erst im Juni in Berlin eintreffen

Page 83: ARC Berlin 1900

So Berliner Architekt irwvclt

werden. Wie sich die beeiden Konkurrenz-

Ausstellungen der Qualität nach unter-

scheiden werden, lässt sich zur Zeit nicht

beurteilen, weil die Ausstellung- der Sezession

erst am 21. Mai eröffnet werden kann.

In einem weiteren Umfange als je zu-

vor hat sich die gärtnerische Kunst an der

Ausstellung beteiligt. Die Kuppelhalle und

die beiden rechts und links an sie grenzenden

Vorsäle haben dein deutschen Palmenzüchter

LUDWK'x WINTER in Bordighera den Rahmen

zu einer Ausstellung von Palmen und anderen

tropischen Gewächsen gegeben, wie sie bis-

her in Deutschland noch nicht in gleicher

Schönheit, Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit

geboten worden ist. In geschmackvoller

Anordnung sind Palmen jeglicher Gattung-,

I )racaenen, Plectogynen, Agaven, Clivien

und andere Blatt- und Zierpflanzen so grup-

piert , dass sie eine zusammen hängende

Dekoration und zugleich einen ungemein

wirkungsvollen Hintergrund für die in der

Vorhalle aufgestellten plastischen Werke

bilden, der namentlich den gipsernen sehr

zum Vorteil gereicht. Fast alle diese Ge-

wächse sind in mächtige Kübel, Vasen,

Kasten und Kästchen aus gebranntem roten

Thon gestellt, die, Erzeugnisse einer florcn-

tinischen Manufaktur, nach antiken Vor-

bildern oder in antikisierendem Geschmack

mit prächtiger dekorativer Wirkung aus-

geführt worden sind.

Dieser reiche Pflanzenschmuck kommt

uns in diesem Jahre; besonders gelegen,

weil er einen auffälligen Mangel in der

Vertretung unsererBildhauerkunst angenehm

verdeckt. Seit langer Zeit hat es nicht

so sehr wie in diesem Jahre an monumen-

talen, an überhaupt grossen Werken zur

Füllung der riesigen Vorhalle gefehlt. Jeder

Kenner der Berliner Kunstverhältnisse ist

über den Grund dieses Mangels unterrichtet.

Eine nicht geringe Zahl unserer Bildhauer

ist mit grossen Aufgaben beschäftigt, die

ihre Kraft so völlig in Anspruch nehmen,

dass sie für die Ausstellung wenig oder gar

nichts übrig gehabt haben. Sie können selbst

nicht einmal die Gipsmodelle für Marmor-

ausführung oder Bronzcguss zur Ausstellung

einsenden, weil die Besteller meist auf

rasche Vollendung drängen. So konnte

z. B. bis jetzt noch nicht eines der Modelle

für die Herrscher-Denkmäler in der Sieges-

allee auf die Ausstellung gebracht werden.

R. SIEMEHIXC, F. SCHAPER und R. BEC.AS

fehlen gänzlich, und KUNST HRRTKR und

F. HARTZER haben nur Porträtbüsten ein-

gesandt, letzterer die sehr geistvoll und leben-

dig charakterisierten des Staatsministers von

Miquel und des Ministerialrats de la Croix.

Die monumentale Kunst ist nur durch die

Modelle zum Reiterstandbild des Kaisers

Wilhelm I. für Liegnitz von JOHANNES

BOESE, zum Standbild Kaiser Friedrichs

für Hagen i. W. von EMIL CAUEK, ZU einem

Denkmal Bismarcks für Mannheim von EMIL

HUNORIESEU und zu einer 4 i '2 Meter hohen,

für einen uns unbekannten Zweck bestimmten

Figur des I .andgrafen Philipp von I lessen

von HANS EVKRHINC; in Kassel vertreten.

Es sind durchweg sehr fleissig durchge-

führte Arbeiten; aber es wäre ungerecht,

sie nach ihrer Wirkung in dem engen

Rahmen der Kunstausstellung beurteilen zu

wollen. Dicht aneinander gedrängt, ohne

angemessenen architektonischen Unterbau

machen sie einen nur wenig befriedigenden

Eindruck, der aber sicherlich nicht ihren

Urhebern, sondern der ungünstigen und

unzw eck massigen Art der Aufstellung zur

Last zu legen ist. Auf diesem Gebiete

hat die /Yusstellungskoinniission noch eine

dankbare Aufgabe vor sich, deren I Ä\-

sung ihr iür die nächste Zukunft dringend

ans Her/, zu legen ist. Für die Aufstellung

solcher Denkmäler grossen Stils sollten,

mehr als es bisher geschehen ist, geeignete

Plätze im Garten geschaffen werden, wobei

wohl auch Gipsmodelle durch zweckmässigen

Anstrich gegen die Unbilden der Witterung

geschützt werden könnten. Wie sehr die

vereinzelte Aufstellung von Überlebens-

grossen Werken im Freien ihre Wirkung

steigern kann, zeigt jetzt wieder das vor

dem Eingang zum Gebäude aufgestellte

Reiterbild des „Siegers" von dem in Rom

Page 84: ARC Berlin 1900

Berliner Arckitekturivelt 8r

lebenden LoniS TuAlLLON, der damit, einwürdiges, in manchen Einzelheiten sogarnoch, vollendeteres Seitenstück zu seinerAmazone geschaffen hat. Völlig frei vondem altertümlichen Zuge, der der Amazonenoch eine gewisse Gebundenheit und Un-freiheit verliehen hatte, sitzt ein nackterJüngling in lässiger Haltung auf demmittelgrossen, {"eingliedrigen Rosse eng-lischer Zucht, mit dem er soeben im Wett-rennen den Preis errungen hat, den Oli-venzweig, den er in der erhobenen Rechtenhalt. Obwohl aus dem eindringlichstenStudium der Antike erwachsen, sind Rossund Reiter doch von einem durchausmodernen Geiste erfüllt. Mit einem voll-kommenen Ebenmass der Glieder ver-bindet sich eine nicht minder vollkommeneNatur Wahrheit, die sich gleiclunässlg aufalle Einzelheiten der beiden Körper er-streckt.

Die Plastik grossen Stils oder dochgrossen Umfangs ist ausserdem noch durchdie kolossale Gruppe einer VerspottungChristi von HERMANN KOKOLSKY (Abb. 111),die wir an einer andern Stelle dieses Heftesnäher würdigen, und durch eine ungewöhn-lich grosse Anzahl von Figuren für Grab-denkmäler vertreten. Wir sehen darin einerfreuliches Anzeichen dafür, dass die Kirch-hofsplastik immer mehr handwerksmässigemBetrieb entzogen wird und dass sich dieWohlhabenden in unserm Volk mehr undmehr der Ehrenpflicht erinnern, auch diewirkliche Kunst an dem Schmuck der Grab-stätten ihrer Lieben zu beteiligen. Es lässtsich aber nicht verkennen, dass der Kreisder Gestalten, die zu diesem Schmuckherangezogen werden, sehr beschränkt istund dass man zumeist mit stark verbrauch-ten Typen in oft sehr konventioneller Auf-fassung, mit Todes- und Auferstehungs-engeln, mit nichtssagenden weiblichen Ge-stalten arbeitet, die Kranze oder Palmenniederlegen oder Blumen streuen oder sichgar zu einer pathetischen Trauerkundgebungversteigen. Oft mag in diesen Fällen dieNeigung oder der bestimmte Wille der

Auftraggeber die Phantasie des Künstlersbinden, so dass man am besten thut, eineKritik im Einzelnen zu unterlassen, weilman damit den Künstler ohne sein Ver-schulden treffen würde. Im allgemeinenmüssen diese Uebelstände aber um so nach-drücklicher hervorgehoben werden, als diedeutsche Bildhauerkunst gerade auf diesemGebiete in früheren Jahren zum Teil vor-zügliche Leistungen bei uns zur Schau ge-stellt hat. Ganz fehlt es daran auch indiesem Jahre nicht. Durch originelle Kom-position fällt besonders das Grabmal vonHANS DAMMANN auf, der eine weiblicheGestalt in langen Gewändern, die Personi-fikation des Schlafs, vor einen Sarkophagstreng antiker Form gestellt hat, auf densie vStengel mit Mohnblumen niederlegt,und ein Friedensengel von MARTIN SCHAUSShat wenigstens den Vorzug seelenvollerSchönheit und ergreifenden Ausdrucks, dernoch durch glänzende Technik in der Be-handlung des Marmors gesteigert wird.

Das Beste hat die Berliner Bildhauer-kunst in diesem Jahre in der Genre- undKleinplastik geboten. In der Schule derItaliener haben die Berliner Künstler schnellgelernt, in Werken der Kleinkunst diehöchste Lebensfülle zu erreichen und zu-gleich eine Kühnheit und Freiheit der Kom-position, eine Vielseitigkeit der Erfindungzu entwickeln, die sie in grösseren Arbeitenunter dem Druck ungünstiger äusserer Ver-hältnisse meist nicht zu zeigen wagen. EineProbe davon bietet dieses Heft in dreianmutigen Bildwerken von OTTO RiKSCH,der die ideale Richtung innerhalb derKleinplastik vertritt (Abb. 137—139).

Von einer Betonung des ersten der Mittel-säle als „Ehrensaal" hat man in diesemJahre mit Recht Abstand genommen. Manhat wohl eingesehen, dass die Kunstwerke,die früher meist nur mit Rücksicht auf ihrenGegenstand zur Füllung dieses Saales aus-gesucht worden waren, sich dieser Ehi'eoft nicht würdig gezeigt hatten, und so hatman sich in diesem Jahre darauf beschränkt,eine möglichst starke Wirkung mit möglichst

Page 85: ARC Berlin 1900

82 Berliner Architckiurtvcli

Abbildung"^ 12.

Haus Prof. Baumbach in Wilmersdorf, Vorderansicht. Von OTTO Si'ALDiNG & ALKRED

GRENANDER, Architekten in Berlin. Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Abbildung- 113.

Haus Prof. Baumbach in Wilmersdorf, C'.ai irnansirin. Von OTTO SPALDIM; & ALKRED

GRENANDER, Architekten in Berlin. Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Page 86: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 114.

83

Privatklinik des Dr. Pernice in Krankfurt a. O. Von OTTO SPALDING & ALFREDGRENANDER, Architekten in Berlin. Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Abbildung- 115.

Ateliergebende für Bildhauer Professor O. Lessing", Villen-Kolonie Grunewald. VonVOLLMER & JASSOY, Architekten in Berlin. Grosse Berliner Kunstausstellung" von 1899.

Page 87: ARC Berlin 1900

8 4 Berliner Arch itckitimvcä

Kunstwerken zu erzielen. Unter den Ge-mälden zieht zuerst ein umfangreichesBild von RUDOLF EICHSTAHDT „Jesusund die Jünger von Emmaus" die Auf-merksamkeit auf sich, sowohl durch sei-nen ungewöhnlichen koloristischen Reiz,als durch die eigenartige Behandlung desMotivs. Die Scene geht inmitten üppigersüdlicher Vegetation, in einer Gartenverandaam Meeresufer — man wird an eine Ge-gend am Golf von Neapel erinnert — vorsich. In dem Augenblicke, wo Jesus dasBrod bricht und die Jünger, ihn daran er-kennend, ihr Staunen und ihre Bestürzungkundgeben, verflüchtigt sich die in weisseGewänder gekleidete Gestalt des Heilandszu einer wie im Nebel verschwimmendenVision, So wird allein durch die kolo-ristische Wirkung die erhabene überirdischeErscheinung Christi in scharfen Gegensatzzu der niedrigen Realität der beiden, amvStaube klebenden Erdensöhne gebracht.Ausserdem ist die Malerei in diesem .Saalenoch besonders würdig durch ein Genre-bild „Heimwärts", eine fröhliche Kahnfahrtvon Feldarbeitern, von dem trefflichenSchildercr märkischen Landlebens ERNST

HKNSKLKR, durch ein figurenreiches Kostüm-bild „Aus Venedigs Blütezeit" von CARL

BECKER» durch mehrere Landschaften undSeestücke von JULIUS WENTSCHKK, H. W.JANSEN (Amsterdam), ANDREAS DIRKS

(Düsseldorf), H. W. MESDAG U. a. und eindreiteiliges Votivbüd, die Verehrung derMadonna durch die Familie des verstorbe-nen Freiherrn von Schorlemer-Alst von demTiroler A, DELUG vertreten. Von den hierausgestellten Werken der Plastik machensich die mit schlichter Naturwahrheit inmonumentalem Stile durchgeführte bronzeneGrabstatue des Kardinals Fürst Schwarzen-berg von JOSEF MYSLBEK in Prag unddie bronzirten Gipsmodelle zu zwei Bronze-statuen deutscher Kaiser für die Südhalledes Reichstagsgebäudes, dem Karls desGrossen von P. BREUER und Heinrichs III.von L. MANZEL besonders geltend, vondenen die des Letzteren an Lebendigkeit

der Auffassung und Knergie der Charakte-ristik ihr Seitenstück vielleicht übertrifft.Bei d^.n plastischen Arbeiten für das Reichs-tagsgebäude ist aber immer in Betrachtzu ziehen, dass der Architekt in den meistenFällen auf die Konzeption und Anlage imallgemeinen eingewirkt hat und dass da-nach das Urteil über die einzelnen Leistungenmit Vorsicht abzumessen ist.

Die Dekoration dieses Saales und dermeisten übrigen Räume ist im Grossen undGanzen unverändert geblieben. Nur einigeRäume in der östlichen Hälfte, die vor-zugsweise kunstgewerbliche Arbeiten undWerke der Kleinplastik aufgenommenhaben, sind unter der Leitung des BauratsTIEDE neu dekoriert worden, einer vonihnen mit Tapeten in verschiedener Muste-rung, die zugleich Ausstellungsgegenständevon LIECK & HEIDER sind. Zwei Räume,die die Sonderausstellung von Studien desitalienischen Malers J. M. MTCHETTI unddie von starker poetischer Kraft erfüllten,aber durchweg auf einen Schwermut igenTon gestimmten Landschaften aus Italien,Versailles und Fontaineblcau von FR. VONScriENNTS enthalten, sind ebenfalls neu aus-gestattet worden. Die Wände des ersterenRaums sind mit grünem Stoff bespannt,der Fussboden mit purpurrot gefärbtemLäuferstoff belegt worden, und in demzweiten Raum hat man dun roten Stoff fürdie Wandbekleidung, den grünen für denFussteppich gewählt. Die Wirkung ist un-gemein kräftig und lebhaft und kommt be-sonders den Landschaften von Schennissehr zu gute. Diese Versuche sind aner-kennenswert, wenn sie auch zunächst nurdas negative Resultat ergeben, dass eineUniformierung der Ausstattung von < ic-mälde- und Skulpturensälen schwerlich je-mals in befriedigender Weise erreicht wer-den wird.

Auch an der Lösung einer noch wich-tigeren Frage, der Verbesserung der He*leuchtung, ist in diesem Jahre mit Eiferweitergearbeitet worden. Die gewaltigenSchirme, welche die Oberlichter in den

Page 88: ARC Berlin 1900

Berliner Arch ilekturweit

Abbildung i i6t

«5

Kaufhaus A. Tidemann Nachf. (Inh. R. Lutz & W. Wildt) Kroneustrasse 28,erbaut von ÜTTü RlKTH in Herlin.

b. A.W. II. 3. 1 3 .

Page 89: ARC Berlin 1900

86 Berliner Architekturweit

grossen Sälen abblenden, sind noch tiefer

herabgelassen worden, wodurch einerseits

eine stärkere' Lichtfülle auf die Gemälde

an den Wänden konzentriert, andrerseits

den Augen der Reschauer ein grösscrer

Schutz gegen die von oben einfallenden,

grellen Lichtströme gewährt worden ist-

Endlich hat auch die „Vereinigung Ber-

liner Architekten1' den Saal, der ihr im

vorigen Jahre zur Verfügung gestellt worden

war und in dem sie mit einer imponierenden

Sammelausstellung ihrer Mitglieder debütiert

hat, unter der Leitung von SCHAEDE und

Abbildung 117.

Detail vom Kaufhaus A. Tidemann Nachf.OTTO KJPTH, Architekt in Berlin.

H. KßFTARDT neu dekoriert. Die Wände

sind mit braunrot gestrichener, goldge-

sprenkelter Leinwand überzogen und durch

Gewinde von teilweise vergoldeten Lorbeer-

blättern gegliedert worden, die sich von

dem mit weissem Stoff überzogenen Zelt-

dach bis zu dem Paneel herabziehen, das

vom Maler RiCIITKR-Rheinsberg auf wasser-

blauem Grunde mit stilisierten Lilien, See-

rosen Ü. dgl. m. dekoriert ist. .Schmetter-

linge, Grashüpfer, Schlangen, Molche,

Wasservögel und anderes Getier winden

sich zwischen den Blumen und Pflanzen

hindurch. Lorbeergewinde ziehen sich auch

an den Stützen des Dachs und unter ihnen

in leichten Bögen hin, wodurch die fest-

liche Stimmung des ganzen Raumes noch

gesteigert wird. Dass die Vereinigung in

diesem Jahre nicht so reich und mannig-

faltig1 vertreten ist, wie im vorigen, ist zum

Teil durch die kurz bemessene Zeit ver-

ursacht worden, die zur Verfügung stand,

nachdem der Beschluss einer Beteiligung

gefasst worden war, zumeist aber durch

die Erwägung, dass die Weltausstellung von

1900 auch eine grosso Zahl von Ausländern

nach Berlin führen werde und dass die

Vereinigung darum alles aufbieten müsse,

um eine würdige Ausstellung im nächsten

Jahre zu veranstalten. Trotz dieser Zu-

rückhaltung bietet die diesjährige Ausstel-

lung immer noch ein reizvolles Bild, um

dessen Gestaltung1 sich besonders W. MAR-

TENS, H. GUTH, OTTO MARCII, SPÄTH und

USBECK, FRITZ GOTTLOB, BRUNO MÖIIRIXC,

VOLLMER und JASSOY (Abb. 115), SI'ALDINC

und GRKNANDKR (Abb. 112- 114), B. En-

HARDT, GEORG RÖNSCH und MAX SELICER

verdient gemacht haben.

Ausserhalb der Ausstellung der Vereini-

gung, die etwa 80 Nummern umfasst, ist

die Baukunst nur noch durch neun Namen

vertreten. Besondere Beachtung darunter

verdienen MEIER und WERLE mit ihren

eigenartigen Entwürfen zu modernen Villen

und FELIX WOLFF, der mit Plänen und

Modellen einen ganzen Saal gefüllt hat.

Einer dieser Pläne, der eine Verbindung

Page 90: ARC Berlin 1900

Berliner ArchÜckturwelt 87

Abbildung 118.

Kaufhaus N. Israel, Ecke Spandauer- und Königsstrasse.Erbaut von LUDWIG ENGKL in Rerlin.

Page 91: ARC Berlin 1900

88 Berliner Architckturwdt

des Orangeriegebäudes bei Potsdam mitdem Park von Sanssouci durch Fortsetzungder Terrassenanlagen bezweckt, hat bereitsdie Billigung des kaiserlichen Bauherrngefunden. Die beabsichtigte neue Gestal-tung der Terrassenanlage vor dem Oran-geriegebäude wird durch ein umfang-reiches Modell veranschaulicht. In ihrerjetzigen Erscheinung ist sie nur ein Stück-werk, das allerdings einen weiteren Aus-bau und Abschluss sehr wünschenswertmacht. Jetzt führt die Chaussee so dichtan der Terrasse vorüber, dass die vorderenHauteile die hinteren für den unten stehen-den Beschauer verdecken. Bei der Fort-

setzuno- der Terrasse bis zum Park von.Sanssouci hat der Architekt in seinem Ent-wurf die vorhandene Höhendifferenz so be-nutzt, dass die Strasse unterhalb der Terrassedurchgeführt wird. Das Modell zeigt, dasstrotz der für die Ueberführung der Terrassenötigen Stützmauern u. s. w. noch so vielPlatz übrig bleibt, dass zwei Wagen bequeman einander vorüberfahren können. Durchdiese Ableitung des Verkehrs wird die ganzeAnlage einheitlich mit dem Park von Sans-souci verbunden. Als Abschluss an derParkseite ist ein viereckiges Bassin gedacht.

In einer Vogelperspektive führt FELIX

WOLFF uns einen Versuch vor, die Um-

Abbildung 119.

Kaufhaus N. Israel. Grumlriss des Umbaues von i8g8'o(>. Von Ll'BWIG ENGEL, Architekt in Berlin.

Page 92: ARC Berlin 1900

Berliner Arcliilcktunvelt

Abbildung 120,

89

Kaufhaus N. Israel. Grundriss der projektierten Ge?amtanlage. Von LUDWIG ENGEL, Architekt in Berlin.

Page 93: ARC Berlin 1900

9° Berliner Architckturwelt

Abbildung1 131.

Wohnhaus

Rauchstrasse 13.

BODO ERHARDT,

Architekt

in

Berlin - Grunewald.

gebung des Berliner Schlosses im Zusammen-hang mit dem Kaiser Wilhelm-Denkmalneu zu gestalten. Für diese Frage sind jaschon des Oeftern von verschiedenen Seitenmehr oder minder gifte Vorschläge ge-macht worden. Der Gedanke, die Bau-akademie abzubrechen und den Wagen-verkehr aus der unmittelbaren Nähe desSchlosses auf diese Seite zu verlegen, istnicht neu'... .Neu ist, wie aus dem Erläute-

rungsbericht hervorgeht, dass „die Nieder-legung des Roten Schlosses durch opfer-willige Bürger, die auch ihren Anteil ander Verschönerung Berlins haben wollen, inAussicht genommen worden ist" und dassvorgeschlagen wird, die jetzige Komman-dantur abzubrechen und diese in ein neues,an der Stelle des Roten Schlosses zu er-richtendes Gebäude zu verlegen.

Adolf Rosenherg*

Page 94: ARC Berlin 1900

Abb

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122.

Abb

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123.

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Page 95: ARC Berlin 1900

9 2 Berliner Arckitekturweli

Abbildung i 2 I.

Wintergarten Rauchstr. 13. BODO EßHARDT, Architekt in Berlin-Grunewald.

Abbildung 125. Abbildung 126.

Grundrisse

Abbildung1 12 r.

Erdgeschoss

M [ I 1 I I 1 I l-h-H

Obcrfrcschoss.

Page 96: ARC Berlin 1900

Berliner Afchilekturwelt 93

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

Das von BODO EBHARDT in den Jahren

1895 uncl '$96 für den Ritterguts-

besitzer Dr. Schröder-Poggclow er-

baute Wohnhaus Rauchstrasse 13

(Abb. 121), das nur von

dem Besitzer benutzt wird,

ist in seiner architektoni-

schen Gestaltung wesentlich

durch das benachbarte, vier-

geschossige Gebäude be-

stimmt worden, das der bei

schmaler Front unverhält-

nismässig tiefen Baustelle

eine 45 in lange und 23 m

hohe Brandmauer zukehrt.

Da das neue Haus ausser

dem mit dem Fussboden

2,80 m über dem Strassen-

niveau gelegenen Erdge-

schoss nur ein Stockwerk

erhalten sollte, suchte der

Architekt durch Anlage

eines steil ansteigenden, das

ganze etwa 23 in tiefe Vor-

derhaus überdeckenden Sat-

teldaches ein Gegengewicht,

gegen die Brandmauer des

Nachbarhauses zu schaffen.

Der Rest der Brandmauer,

der zwischen dem Vorder-

hause und dem die hintere

Schmalseite des Hofes ein-

nehmenden Stallgebäude

(Abb. 122) verblieben ist,

ist mit einer Scheinarchi-

tektur bekleidet worden

(Abb. 123). Durch eine vor-

gelagerte Terrasse hat ihr

der Architekt einen beson-

deren Reiz verliehen, und

da diese Architektur auch

an der niedrigen, die un-

bebaute Seite des Hofes

abschliessenden Gartenmauer fortgesetzt

worden ist, bietet der Hof ein malerisches

Gesamtbild von geschlossener Einheitlich-

keit, Da es sowohl in der Absicht des

Bauherrn wie des Architekten lag, die

Abbildung- 127.

Wohnhaus Molzstr. 14. GUSTAV GEBHARDT, Architekt, z. Z. Budapest.

B.A.W. II. 3. *3

Page 97: ARC Berlin 1900

94 Berliner Architektunueti

Abbildung 128,

Villa Marie Lehmann. Villen-Kolonie Grunewald, Herthastrasse, Von Ll'DWir, UTTE in Grosslichterfclde.

Abbildung 129. Abbildung- 130.

Grundrisse

zu Abbildung 1 28.

ganze äussere und innere Ausschmückung-des Hauses unabhängig- von der Tagesmodein deutschem Charakter zu halten, nahmder Künstler für die äusscren Architcktur-formen die deutsch-romanische Kunst desfrühen Mittelalters zum Vorbild, was so-wohl in der Bildung der architektonischen1 )etails als ganz besonders in der eigen-artigen, strengen Ornamentik des Friesesder Strassenfront, der Kapitale der die bei-den Geschosse zusammenfassenden Pilasterund der Verzierungen des abgetrepptenGiebels zur Geltung kommt. Sowohl die

Strassenfacade als die Hofseiten und dasStallgebäude sind in roten .RathenowerHandstrichsteinen unter reicher Verwendungvon Warthauer Sandstein für die Gliede-rungen und Zierteile ausgeführt. Die Dächersind mit Silbacher Schiefer eingedeckt.

Von der Ausstattung der Innenräume,die besonders im Erdgeschoss künstlerischdurchgeführt worden sind, und zwar ein jederin einer seiner Bestimmung entsprechendenIndividualisierung, ist die eigenartige Anlage,und Dekoration des Wintergartens (Abb. 124)besonders bemerkenswert. Der /wischen

Page 98: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 131.

95

Weinstube von Gustav Schicke, Friedrich.strasse 203,HRÜNO MÖHRING, Architekt in Hcrlin.

Abbildung 132.

Grundriss zu Abbildung 131 und 133.

Page 99: ARC Berlin 1900

96 Berliner Architekt urweit

Abbildung" 133.

Weinstube von Gustav Schicke, Friedrichstrasse 203.

BRUNO MÖHRiNG, Architekt in Berlin.

und auf massiven Pfeilern mit Glas über-deckte, resp. abgeschlossene Raum soll „diekünstlerische Darstellung einer Unterwasser-Scenerie" bieten. „Die Wände bilden teilsFelspartieen von geringer Erhebung, andenen sich unter Wasser lebende Tiere allerArt, nach der Natur modelliert,, tummeln,teils zeigen sie schwimmende Fische, welcheunzählige Wasserstrahlen in gewaltige in-dische Muscheln und Pelsbecken speien. DieFenster zeigen gleichfalls allerhand Wasser-

tiere und verleihen demKaum ein grüngelbes, demWassertone entsprechendesLicht. Hei der ganzen An-lage, die noch durch kost-bare Pflanzen ein eigenarti-ges Gepräge erhält, iststreng vermieden worden,die bekannten kleinlichen,künstlichen Tropfsteine zuverwenden. Alle Felsensind vielmehr frei aus derHand von dem BildhauerKRETZSCHMAR in Cement-mörtel angetragen. Unterdem Wasser befinden sichelektrische Beleuchtungs-körper , gleichfalls unterVermeidung der gewöhn-lichen theatralischen Mittel,der roten, blauen und son-stigen Lichter. Natürlicheindische Muscheln in grosserZahl, sowie Korallen u. a. m.beleben wiederum die Fel-sen." (Nach Mitteilungendes Architekten.) — Derbilderreiche Schmuck amAeussern und im Innern istvon den Bildhauern ALBERT

KRETZSCHMAR und AUGUST

MACHER, die reichenschmiedeeisernen Arbeitensind von der Firma PLATT-

NER NACHF. geliefert wor-den.

Zu dem Hause Motz-strasse 14 (Abb. 127) ist die Facade nacheiner Skizze des Besitzers, des KentiersALBERT DIEDRICH, von dem ArchitektenGUSTAV GEHHARDT entworfen worden. Sieist teils mit Rathenower Handdrucksteinenverblendet, teils mit hydraulischem Cement-mörtel verputzt; für das Portal und ein-zelne Architekturteile ist Cottaischer undPirnaischer Sandstein zur Verwendung ge-langt, und ausserdem ist noch bunte orna-mentale Bemalung hinzugezogen worden,

Page 100: ARC Berlin 1900

Berliner Architckturweli

Abbildung; 134.

97

Siegfried-Idyll, Von HERMANN HENDRICH in Berlin.

Rahmen von HAKOX ADLER, Architekt in Wilmersdorf.

um einen reichen farbigen Gesamteindruckzu erzielen. Die drei an der Parade ange-brachten Wappen von Berlin, Charlotten-bürg und Schöneberg haben nach der Ab-sicht des Hauherrn eine tiefe symbolischeBedeutung;. Er wollte damit auf das Un-gemach hinweisen, das den Grundbesitzerndieser Gegend seit 1871 aus den kommu-nalen Grenzverhältnissen und den dadurchhervorgerufenen Streitigkeiten erwachsenist. Im ErdgeschoSvS ist dadurch, dass derEingang für ?Ierrschaften unmittelbar nebendie Durchfahrt zum Quergebäude und Gar-tenhaus gelegt worden ist, die Anlageeines geräumigen Vestibüls ermöglicht wor-den, das nach dem Entwürfe des Archi-tekten WALTHER HAENSCHEL ausgestaltetworden ist. Die Bildhauerarbeiten an derFaeade hat ALBERT KOCH in Friedenau,die dekorativen Malereien LOTHAR MUELLER

ausgeführt.

Die in der Kolonie Grunewald an derHerthastrasse gelegene Villa, die unsereAbbildung 128 wiedergiebt, ist im Auftrageder Kammersängerin Frau Lilli Lehmann-Kalisch für deren Schwester Fräulein MarieLehmann von LUDWIG OTTE von Maibis Dezember 1897 erbaut worden. DenWünschen der Auftraggeberin wie der Be-wohnerin entsprechend, sind die Räumenicht gross, haben dafür aber so weiteThüröffnungen erhalten, dass sie in Ver-bindung mit der Diele im Erdgeschoss wieein einziger Raum wirken. Die Ausstattungdes Aeusseren wie des Inneren musste sehreinfach sein, da eine bestimmte, sehr niedrigeBausumme nicht überschritten werden durfte.Eine charakteristische Erscheinung desAeusseren, namentlich auch der Hinter-front, war dennoch zur Bedingung gemachtworden, und es ist dem Architekten auchtrotz der bescheidenen Mittel gelungen, dem

Page 101: ARC Berlin 1900

9 8 Berliner Architektunvelt

Abbildung 135.

Ein Frühlingslied. Von HERMANN HENDRICH in Berlin

kleinen Landhause eine individuelle, seineBestimmung klar und scharf ausdrückendeFärbung zu geben.

Den Umbau und die innere Ausschmückungder Weinhandlung und Weinstube vonGustav Schicke, Friedrichstrasse 203 (Abb.131 —133) hat Architekt BRUNO MÖHRING

im August vorigen Jahres während dreierWochen ausgeführt. Es war nichts vor-handen, was für den Betrieb eines derarti-gen Geschäftes notwendig ist. Der Ladenwurde für sich behandelt, so dass auchDamen, ohne durch Gäste geniert zu sein,ihre Einkäufe und Bestellungen machenkönnen. An den Laden schliesst sich ein

Zimmer, in welchem ein Raumfür den Inhaber und seine Fa-milie, eine Treppe, die zu Kücheund Keller führt, Aufzug, Eis-kasten , Kleiderablage u. a. m.angelegt sind.

In der Weinstube, die durchWandausbrüche interessant ge-staltet werden konnte, ist für ge-mütliche Plätze Sorge getragenworden. Den besten Platz nimmteine Vereinigung ein, die sichtäglich an dem grossen Stamm-tisch, Avohl dem grössten Berlins,versammelt. Die Auschmückungdes Raums hat mancherlei Be-ziehung auf Sitten und Personendieser Vereinigung genommen.Die schnelle und dabei guteAusführung wäre dem Archi-tekten nicht gelungen, wenn ernicht dabei in der besten Weisevon den beteiligten Handwerkernunterstützt worden wäre. DieZimmer- und Maurerarbeiten sindvon MAX RICHTER, die Gas- und

Wasseranlagen von LUDWIGGRÜN , die Malerarbeiten nachAngaben des Architekten vonWILHELM LEHMANN ausgeführtworden. Am schwersten hattenes die Tischler, die ihrer Auf-gabe aber durchaus gewachsen

waren. Die vorderen Räume sind von H.EMMELUTH, die hinteren von ANDREAS KOTTAausgestattet. Die Möbel hat H. RICHT an-gefertigt.

MALEREI.Die Berliner Landschaftsmalerei hat schon

seit dem Beginn ihrer Entwicklung einenso stark realistischen Zag angenommen, dassdie andere Richtung der deutschen Land-schaftsmalerei, die poetisch-phantastische,die die Natur veredelt und zu einem Ideal-gebilde gestaltet, in Berlin immer nur einkümmerliches Dasein geführt hat und mitdem WachvStum der realistisch-naturalisti-

Page 102: ARC Berlin 1900

Berliner Architeküirweli

Abbildung 136.

99

Entwurf zu einer Taufplakette, Von EDMUND GOMANSKY, Bildhauer in Berlin.

(Mit einem dritten Preise ausgezeichnet).

Abbildung; 137.

Mädchen und

Pfau.

Von OTTO RIESCH,

Bildhauer in

Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Page 103: ARC Berlin 1900

IOO Berliner Architekturtvelt

Abbildung 138.

Lesendes Mädchen,

Von OTTO RIESCH, Bildhauer in Berlin.

Grosse Rerliner Kunstausstellung von 1899.

sehen Richtung zuletzt völlig verschwand.Um so auffälliger wirkte vor etwa zwölfJahren das Erscheinen eines in Berlin bisdahin völlig unbekannten, aus München ge-kommenen, noch jungen Malers, der sich ver-maass, die schon halb vergessene Land-schaft des sogenannten historischen Stilswieder zu neuem Leben zu erwecken. Erdebütierte mit einer Reihe von Landschaften,Strand- und Seebildern verschiedenen Cha-rakters, die den Schauplatz von Scenen ausder Beowulfssage bildeten. Durch ein starkespoetisches Gefühl, durch die eigentümlicheEnergie seiner hauptsächlich in zauberischenBeleuchtungseffekten schwelgenden, kolo-ristischen Behandlung gelang es dem jungenKünstler, nachdem sich die erste Ueber-raschung über das Fremdartige der neuenErscheinung gelegt hatte, bald das Vor-urteil, das bis dahin in Berlin gegen diephantastische Landschaft mit mythischer

und heroischer Staffage geherrscht hatte,bald zu überwinden, und schon nach weni-gen Jahren wurde HERMANN HENDRICH unterden charaktervollsten und eigenartigstenVertretern der Berliner Landschaftsmalereigenannt. Diese Stellung hat er sich seit-dem durch zahlreiche Werke erhalten, wo-bei ihm neben seiner unerschöpflichen poeti-schen Gestaltungskraft der Umschwung zuGute gekommen ist, der sich während desletzten Jahrzehnts in der künstlerischenStimmung Berlins vollzogen hat. Zunächsthatten die Musikdramen Richard Wagners,insbesondere der Ring des Nibelungen, derin Berlin eine begeisterte Aufnahme fand,dem Publikum das Verständnis und denSinn für die altgermanische Götter- und

Abbildung 1 39.

Pygmalion.

Von OTTO RIESCH, Bildhauer in Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung; von 1899,

Page 104: ARC Berlin 1900

BERLINER ARCHITEKTURWELT

Kur.sta.nst von ILrnst Wasnmth

Plakat-Entwurf

Fritz Becker, Berlin

Verlag VOR ErnstWs.smuth. Berlin

Page 105: ARC Berlin 1900

Berliner Architektiirwelt I Ö I

Heldensage wieder erschlossen, und noch stärker be- Abbildung 140.lebte sich das Interesse für die nordische Sage undDichtung, nachdem Kaiser Wilhelm II. seine warmenSympathien mit dem altgermanischen und altnordischenWesen kundgegeben und die Blicke weiterer Kreise aufdie erhabenen Naturschönheiten des skandinavischenNordens gelenkt hatte. In dem Gestalten- und Ideen-kreis Richard Wagners hat auch Hermann Hendrich seinekünstlerische Heimat gefunden. Aber weit entfernt, inseinen Bildern etwa Illustrationen zu Wagnerschen Opern-scenen zu bieten, sucht er dieselben Motive, die Wagnerbehandelt hat, völlig selbständig, aus dem Wesen derMalerei heraus, zu gestalten. Er wählt deshalb auchmeist Momente, die sich der Darstellung durch scenischeBilder entziehen. Ihm steht in erster Linie die Stim-mung der Landschaft, die er mit dem dargestellten Vor-gang in innigsten Einklang bringt, so dass Figuren undlandschaftliche Umgebung immer als ein einheitlichesGanzes wirken, dass der Akkord, der durch das darge-stellte Ereignis angeschlagen wird, gleichsam in derLandschaft widerhallt. Und nicht in der Landschaft allein!Auch das felsige, klippenreiche Meeresufer mit den vonwilden Stürmen herangepeitschten Wogen oder das hoheMeer selbst macht er gern zum Schauplatz irgend einergeheimnisvollen Erscheinung, die er wie eine Vision oderwie ein seltsames, traumhaftes Abenteuer vor den Augendes Beschauers vorübergleiten lässt. Ereignisse, wie derTod oder das Begräbnis Siegfrieds, ziehen auch die Naturin Mitleidenschaft, und wenn Tristan stirbt, so muss auchdas Meer sein Klagelied ertönen lassen. Wie Böcklindie südlichen, so belebt Hendrich die nordischen Meeremit Göttern und Elementargeistcrn, die in Seine künstlerische Ausbildung hat Hcn-Felsgrotten oder auf Klippen ihr melancho- drich, der 1856 in Heringen am Kyffhäuserlisches Dasein führen. Böcklin hat neben geboren ist, zuerst in München erhalten,Richard Wagner den stärksten Einfluss auf nachdem er anfangs in Nordhausen alsihn geübt, aber mehr in seiner ganzen Lithograph thätig gewesen und dann aufgeistigen Richtung, als im Kolorit, das eigene Hand Landschaften nach thüringi-Hendrich allmählich zu einer selbständigen, sehen und nordischen Motiven gemalt hatte,für ihn allein charakteristischen Ausdrucks- die Käufer fanden. In München schloss erform ausgebildet hat. Im Gegensatz zu sich an Wenglein an, dessen geschmeidigeBöcklin schöpft er die Motive zu seinen Technik, dessen feiner, malerischer SchmelzLandschaften und Mecrcsbildern auch aus- noch heute in seinen Bildern erkennbarschliesslich aus dem Norden, und der Be- sind, und nachdem er nach Berlin überge-vorzugung dieses Studienfeldes verdankt er siedelt, genoss er noch eine Zeitlang denauch das herbe, männliche Element, das Unterricht Eugen Brachts. Obwohl er inalle seine Bilder an sich tragen, auch dann dieser Schulung den Wert landschaftlichernoch, wenn sie elegische Stimmungen wider- Detailstudien nach der Natur vollauf kennen

Der Komödiant. Von FRANZ ROSSE,Bildhauer In Charlottenburg.

spiegeln. und schätzen gelernt hat, sind ihm diese

B, A W. II. 3. H

Page 106: ARC Berlin 1900

Abbildung;

141

Abbildung

T 4.2.

Plakatentw

urf von

GE

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lPPEL

in

Berlin.

Buchdeckel

von C

. MlK

ELAIT

in

Berlin.

Page 107: ARC Berlin 1900

Berliner Architcktttrwelt 103

Abbildung1 143.Abbildung- 144.

Kastanie.

Stuhl

für die

Nationalgalerie.

Tapeten-

muster,

entworfenvon

O. ECKMANN

in Berlin,

ausgeführt

von

Ron. ENGEL-

HARD in

Mannheim.

Abbildung1 145, Löwenzahn,

Entworfen von

OTTO ECKMANN

in Berlin. l

Page 108: ARC Berlin 1900

iO4 Berliner Architekhtnvelt

Abbildung M 6 .

Skizze zum St. Georg, Fresko am Passagegebäude zuDanzig- (Naturgrösse 11,5X4 ni).

.Studien, die er in grosser Zahl angefertigthat, gleichsam nur rohe Bausteine, die erkraft seiner Phantasie in seinen poetischenSchöpfungen völlig" umgestaltet. Er giebt dieNatur, aber in einer heroischen Steigerung",die sich nur wenigen begnadeten Augenkundthut.

Wie Richard Wagner in seinen Musik-dramen die tönenden, bildenden und dar-stellenden Künste zu einer Einheit, zumwahrhaft idealen Kunstwerk zusammenfassenwollte, so sucht auch Hendrich auf seinemviel beschränkteren Gebiet eine solche har-monische Einheit zu erreichen. Der Rahmen,der sein Bild umschliesst, darf die Illusion,die er durch seine phantastischen Gebildein dem Beschauer hervorgerufen hat, nichtzerstören; er soll sie vielmehr steigern undbannen, er soll in die Stimmung" des Bildeshinübergreifen, diese aufnehmen und aus-klingen lassen. Solche harmonischen Ge-bilde sind die beiden Gemälde „Siegfried-Idyll" und „Frühlingslied", zwei der neuestenund zugleich durch zarte poetische Auf-fassung und durch feine koloristische Be-handlung vollendetsten Schöpfungen desKünstlers, die unsere Abbildungen 134 u. 135wiedergeben. Der Rahmen für das Sieg-friedbild, dessen ernste Ornamentik nordi-sche Motive in moderner Freiheit behandeltzeigt, ist nach Angaben Hendrichs undeinem früheren EntwTurf des ArchitektenHAKON ADLER vom Holzbildhauer AL-

BRECHT ausgeführt worden. Den Rahmendes andern Bildes hat HERMANN WiDMERnach einem Entwürfe des Künstlers ange-fertigt.

Von ALB, MAENNCHEN, Maler in Südende. Abbildung 147.

Schlafzimroerdecke von ALB. MARNNCHEN, Maler in Südende bei Berlin.

Page 109: ARC Berlin 1900

Berliner Architckiiirwcll 105

PLASTIK.Obwohl unsere Zeit der Pflege der religiösen Plastik

durch Privatleute wenig günstig gesinnt ist, hat sichdoch in den letzten Jahren unter den jüngeren deut-schen Bildhauei-n, die sich nach idealen Aufgabensehnen» ein reger Eifer auf diesem Gebiete bemerkbargemacht. Lässt doch wenigstens die lebhafte Thätig-keit im Hau neuer Kirchen mehr und mehr die Hoff-nung auf die Ausführung eines kühn gewagten Ent-wurfs aufkommen. Es muss anerkannt werden, dassdie Architekten und die Kirchenbauvereine, die überdie Ausschmückung neuer protestantischer Kirchen zuentscheiden haben, neuerdings auch die plastischeKunst herangezogen haben und dass aus dieser Auf-munterung manch' achtbares Kunstwerk hervor-gegangen ist. Selten sind aber Aufträge dieser Artüber einen bestimmten dekorativen Zweck hinaus-gegangen, Um so rühmlicher ist es unter diesen Um-ständen, wenn ein Künstler einmal das Wagnis unter-nimmt, ein religiöses Bildwerk in kolossalem Maass-stabe zu schaffen, dessen Ausführung in echtem Ma-terial er kaum erhoffen kann. HERMANN KOKOLSKYfolgte offenbar nur einem idealen Zuge, als er denPlan fasste, den Heiland zum Mittelpunkte einerGruppe zu machen, die ihn in seiner tiefsten Er-niedrigung und doch zugleich im sieghaften Glänzeseiner himmlischen Majestät, darstellt (Abb. 111). Die„Verspottung Christi" soll zu seiner Glorie werden.Wie er zum Hohn mit einem Königsmantel angethanund mit einer Dornenkrone auf dem edlen Haupte vorden römischen Landpfleg-er geführt wird, überkommtselbst diesen das Gefühl der Ehrfurcht vor der hoheits-vollen Ruhe des edlen Dulders, und zwei- daten alsfelnd richtet er an ihn die Frage: „Sobist Du dennoch ein König?'1 Diese Stelleaus dem Johannesevangelium hat demKünstler das Motiv zu seiner Darstellunggeboten, und in freier Auslegung desbiblischen Worts giebt er die Antwort:„Dennoch ein König!" Diese Worte drückenden Grundgedanken der Gruppe aus,Trotz der tiefsten Erniedrigung ein König,der erhaben über seinen Peinigern undMördern steht! Aus der tobenden Menge,die das „Kreuzige ihn!u rief und dienachher das Urteil vollstrecken Hess, hatder Künstler zwei charakteristische Figurenherausgehoben: links einen römischen Sol-

Abbildung 148.

Studie zu Abbildung; 146,Von ALB. MAENNCHEN, Maler

in Südende bei Berlin.

den Vertreter der heidnischenWelt und rechts als Vertreter des fana-tischen Judentums einen Pharisäer, der inboshafter Verhöhnung des Heilands einenStab schwingt, der dem Verspotteten alsScepter dienen soll. Aber aus seinerSchmach erhebt der göttliche Dulder dasHaupt nach oben, in festem Vertrauen aufseine erhabene Sendung, die Erlösung dersündigen Menschheit. In meisterlicherCharakteristik hat der Künstler den Gegen-satz zwischen der göttlichen Liebe uncjdem menschlichen Hass und damit zugleicheinen der Grundzüge der Evangelien zuergreifendem Ausdruck gebracht. Obwohlin den beiden unteren Figuren leidenschaft-

Page 110: ARC Berlin 1900

i o6 Berliner Archücktuvjjcli

Abbildung

Lichuräger im Licht-hofe des K aufhausesN. Israel, entworfen von

• ARNOKÖRNIG, Architekt

in Wilmersdorf, aus-geführt von SCHULZ &

HOLDEFLEISS, Kunst-schmieden in Berlin.

lieh bewegt, haut sich die Gruppedoch in durchaus harmonisch - edlenLinien auf. Jede einzelne Figur, jedesDetail ist in strengem Anschluss andie Natur durchgebildet; aber dieserRealismus in den Einzelheiten wirddurch den grossen idealen Zug, derdie ganze Gruppe durchdringt, ge-bändigt und gewissermaassen verklärt.Mit diesem ersten Versuch auf einemneuen Gebiet hat der Künstler, dersich bisher in weiteren Kreisen vor-nehmlich durch seine feinsinnigenFrauenbüsten in getontem Marmor be-kannt gemacht hat, einen grossen Wurfgethan! —

In weiterer Verfolgung seines löb-lichen Ziels, die lange vernachlässigteMedaillenkunst zu fördern, hat daspreussische Kultusministerium im vori-gen Herbst ein zweites Preisaus-schreiben zur Erlangung einer Tauf-medaille oder -piakette erlassen. Esist bekannt, dass das erste Preisaus-schreiben, das Modelle zu einer Hoch-zeitsmedaille verlangte, trotz zahl-reicher Beteiligung kein befriedigen-des Ergebnis gehabt hat. Man darfjedoch hoffen, dass jener erste Wett-bewerb insofern nicht ganz seinenZweck verfehlt hat, als er den deut-schen Künstlern die Augen über dasWesen und den Zweck der Medaillegeöffnet hat, und dass die Lehren, diemanche Bewerber zu ihrem Schmerzeerhalten haben, nicht auf unfruchtbarenBoden gefallen sind. Ein tröstlichesAnzeichen dafür scheint uns der Ent-wurf von EöMt'XI) GOMANSKY zu sein,den wir unseren Lesern schon jetzt,unmittelbar nach Eröffnung der Aus-stellung der eingegangenen Entwürfe,über die am 17. und 18. Mai ent-schieden worden ist, vorführen können(Abb. 136)* Mit richtigem Takt hatder Künstler in seiner Kompositionbeide Seiten der deutschen Volksseeleberücksichtigt: durch die beiden Engel

Abbildung 150.

Treppenkandelaber im KaufhausN. Israel,

entworfen von ARNO KÖRNIG,Architekt in Wilmersdorf,

ausgeführtvon SCHULZ & IIOLDEFLEISS,

Kunststhrnieden in Berlin.

Page 111: ARC Berlin 1900

Berliner Arckitekturzvett 107

das weihevolle, jeder heiligen Handlung-innewohnende Moment, das die Herzen er-hebt und aufwärts trägt, und in dem Mittel-bilde den schlichten Wirklichkeitssinn unse-res Volkes, der in den einfachen Gebräuchendes protestantischen Kultus seinen ammeisten charakteristischen Niederschlag* —wenigstens für das nördliche und mittlereDeutschland - gefunden hat. Mit feinemVerständnis hat der Künstler auch dasGrundgesetz des Medaillen- resp. Plaketten-stils erfasst: grösste Klarheit und Einfach-heit des Motivs, wirksamste Darstellung aufkleinster Fläche und eine richtige Abwägungdes Verhältnisses zwischen dem Hinter-grund, der möglichst frei zu lassen undnicht mit kleinlichen Details zu überfüllenist, und dem Vordergrund, aus dem dieHauptfiguren in kräftiger Geschlossenheithervortreten müssen. Besonders musterhaft

ist das Flachrelief in der Darstellung derTaufhandlung behandelt. Diese Vorzügesind auch von dem Preisgericht, der Landes-kunstkommission, durch Verleihung einesdritten Preises anerkannt worden. — EdmundGomansky, der aus Stettin stammt, wo er1854 geboren wurde, ist von 1870 bis1873 Schüler der Akademie gewesen undhat sich dann besonders an Siemering an-geschlossen, in dessen Atelier er von 1874bis 1896 thätig gewesen ist und an allengrossen Arbeiten des Meisters mitgewirkthat. Von seinen selbständigen Arbeitenhat die lebensvolle Gruppe einer Muttermit ihrem Kinde auf dem Andreasplatze inRerlin, ein glücklicher Griff aus demmodernen Leben, besonderen Beifall ge-funden. —

Auch OTTO RiESCH, der Schöpfer derdrei Bildwerke „Pygmalion", „Mädchen und

Abbildung 157.

Bronzekrone

mit

Iluntglas Verzierung.

Entworfen von

ARNO KÖRNIG, Architekt

in Wilmersdorf.

Page 112: ARC Berlin 1900

i o 8 Berliner Architekturweit

Abbildung 152.

- M T O I H U F EWIG!

Abbildung 153.

Konkurrenz - Entwürfe

eines geschmiedeten

Widmungskranzes

der Berliner Schlosser-

Jnnung- für das Grab

ihres Ehrenmeisters,

des Fürsten Otto von

BLsmarck.

Für die Firma SCHULZ

& HOLDEFLFJSS in

Berlin entworfen von

ARNO KÖRNIG, Archi-

tekt in Wilmersdorf.

Entworfen im

Atelier der

Kunstschmiede

SCHULZ

& HOLDEKLEISS

in Berlin

von WILLIAM

DLNSCH.

Page 113: ARC Berlin 1900

Abb

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T I O Berliner Architc kiitrwclt

Pfau" und „Lesendes Mädchen41 (Abb. 137bis 139), die den Künstler auf der dies-jährigen Kunstausstellung vertreten, ist einSchüler Siemerings, bei dem er nachvollendeten Studien auf der Berliner Aka-demie — er ist 1851 in Berlin geboren —etwa sieben Jahre thätig gewesen ist. Nacheinem einjährigen Aufenthalt in Italiengründete er sich eine eigene Werkstatt,aus der neben mehreren umfangreichendekorativen und monumentalen Schöpfungenviele Werke der Kleinplastik hervorge-gangen sind, die den Namen des Künstlersbesonders bekannt und beliebt gemachthaben. Davon sind namentlich die Marmor-statuette einer Aspasia mit einer Sieges-göttin in der Hand, eine Leda und dieBronzestatuetten einer Tänzerin und einerMandolinespielerin hervorzuheben. Das feineFormengefühl, das diese Bildwerke aus derMenge emporhob, zeichnet auch die neuestenSchöpfungen des Künstlers aus, die wirunseren Lesern vorführen. Obwohl sie nurin Gyps ausgeführt sind, hat der Künstlerden anmutigen, jugendlichen Gestaltendoch durch Tönung den Schein warmenLebens verliehen. Allen ist ein starkerpoetischer Zug gemeinsam, ein träumerischesSinnen, das sie der gemeinen Wirklichkeitentrückt. Wenn Riesch auch in dieser Ent-faltung zarter poetischer Reize seine höchsteBefriedigung findet, so hat er doch auchin grossen Arbeiten, so besonders in einerSandsteinstatue Luthers für die Schlosskirchein Wittenberg, und in zwei allegorischenFiguren der Schiffahrt und des Maschinen-baues für den Lichthof des Postmuseums Be-gabung für die Plastik grossen Stils gezeigt.

Als feinfühligen, geistvollen Spezialistender Kleinplastik führen wir unsern Lesernauch FRANZ ROSSE vor. Sein „Komödiant"(Abb. 140), ein charakterischer Typus deswandernden Schauspielertums, der soge-nannten „Schmieren", in höchster Voll-endung, ist eine meisterliche Schöpfungsatirischen Humors, überaus lebendig inder detaillierten Modellierung, die allen

Feinheiten des Bronzegusses entgegenge-kommen ist. Rosse versteht sich auch wienur wenige ausser ihm auf alle Wirkungen,die dem Metall abzugewinnen sind, da er,bevor er sich seiner Kunst widmen konnte,als Giesser und Ciseleur thätig gewesen ist.Im Jahre 18^8 in Berlin geboren, mussteer nach Absolvierung der -Schule auf denWunsch des Vaters, der zuert auf eine realeGrundlage sah, in die Werkstatt Gladen-becks eintreten, und erst nachdem er hierzweiundcinhalbes Jahr lang gearbeitet hatte,durfte er seit 1877 das Atelier des Bild-hauers Max Wiese, des späteren Direktorsder Zeichenakademie in Hanau, und von1880 bis 1885 die Berliner Kunstakademiebesuchen. Den stärksten Einfluss auf seinekünstlerische Entwicklung gewann aber dasStudium der antiken Kleinplastik, insbeson-dere der Tanagräischen Terrakotten, die erfleissig kopiert hat. In seinen selbständi-gen Werken gefiel er sich jedoch keineswegsin blosser Nachahmung der äusseren Ele-ganz und Anmut jener Figürchcn. Er legtevielmehr den Schwerpunkt auf Tiefe undInnigkeit des Ausdrucks, und diese Eigen-schaften hat er einer Reihe von kleinenFiguren und Büsten, die alle mit dem Zauberzarter, sinnvoller Poesie umflosscn sind,mitgegeben. Wie weit er sich allmählichvon der Antike entfernt und mit welcherFeinheit und Wahrheit er Gestalten desmodernen Lebens zu behandeln weiss, zeigtam glänzendsten die Figur des „Komödian-ten" , die vom Scheitel bis zur Sohle vonprickelnder Lebendigkeit erfüllt ist.

Rosse hat sich nicht auf das Gebietder Kleinplastik allein beschränkt. SeineÜberlebensgrosse Statue König FriedrichWilhelm L, die die Facade des vonSchwechten erbauten Ständehauses in Ra-thenow schmückt, und mehrere Grabdenk-mäler sprechen für seine Fähigkeit, auchin grossem Stile wirkungsvoll zu schaffen,und seine lebensprühenden Büsten, sindZeugnisse seiner Kunst, in den Seelen derMenschen zu lesen. A. R.

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Berliner Architckturweit II i

Abbildung 156.

Büffet im „Münchener Augustinerbräu" in Berlin, KAYSER & VON GROSZHEIM, Architekten in Berlin.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.

Breslau, Im hiesigen Kunstgewerbe-Museum warenvom 23. April bis 7. Mai die Konkitrrensfirojekte fürdas Breslatier Vereinsh&us ausgestellt. Eingegangensind 89 Entwürfe. Man staunt über die Summe vonkünstlerischer Kraft, Arbeit und schliesslich materiellerKosten, die da in einem Saale und drei Zimmern zurSchau gestellt ist, besonders wenn man bedenkt, dassjeder beteiligte Künstler alles auf nur drei Kartengesetzt hat. Die drei Haupttreffer sind an bisherweniger bekannte Architekten nach Berlin und Leipziggefallen. Den ersten Preis (3000 M.) erhielten die

Architekten KARL BÖRNSTEIN (Berlin) und EMILKOPP (Friedenau) für ihren Entwurf mit dem Motto„Frohsinn", das übrigens zweimal vertreten ist, denzweiten (2000 M.) die Architekten JOHANNES REICHELund KARL MÜLLER, beide aus Leipzig, für den Ent-wurf mit dem Motto „Für Scherz und Ernst1* und dendritten (1000 M.) die Architekten EMMINGMANN undHOPPE aus Berlin für den Entwurf mit dem Motto„Höchste Eisenbahn".

Dem Entwurf von BÖRNSTEIN und KOPP gebührtmit Recht der Kranz nicht nur wegen des einfach

Page 116: ARC Berlin 1900

112 Berliner Archiiektttnvelt

Abbildung 157.

Moderner Stuhl, Entworfen von Architekt A. KUHNOin Friedenau, ausgeführt von LlON KiESSLING,

Möbelfabrik in Berlin.

und klar disponierten, verständigen Grundrisses, son-dern auch wegen seiner originellen malerischen Auf-fassung;, die sich für den Laien besonders in derFassade offenbart, deren perspektivisches Bild auchin der zeichnerischen Technik höchst eigenartig undbestechend wirkt. Es ist jener lustige Kneipenstil,wie er für ein Haus, das zu dem Aufenthalt vonMenschen, die Frohsinn und Geselligkeit für wenigeStunden suchen, vorzüglich geeignet ist, weil er dengewissermaassen ephemeren Charakter des Gebäudesschon von aussen zum anschaulichen Ausdruck bringt.Die Fassade ist glatt und schlicht. Als einzigerSchmuck dient ihr ein durch zwei Geschosse gehenderrunder turmbedachter Erker in der Mitte des Ge-bäudes und ein Figurenfries in halber Höhe des-selben, der symbolisch die Bestimmung des Hausesanzeigen soll.

Sollte dieser Entwurf zur Ausführung kommen, sowürde das Vereinshaus dem Zuge der Gartenstrasseneben der prachtvollen und mächtigen Fassade desLandeshauses ein anregendes und erfrischendes Mo-ment auch äusserlich in glücklichster Weise einfügen.

' # ^ ßuchzvald.*

Ä In dem Wettbewerb um Entwürfe für den Neu-bau der fürstlichen Sparkasse in Gera (s. Jahr-gang I, S. 447) ist der erste Preis von 2000 M. einem

Berliner Architekten, Herrn ERNST I1<)FFMAN>T inHaiensee, zuerkannt worden. Den zweiten Preis(15C0M.) erhielt Architekt FRANZ THYRIOT in Köln,den dritten (tooo M.) Architekt J. GROTJAN in Ham-burg. Die Entwürfe mit den Kennworten „Reussjüngere Linie", „Ernste Arbeit'1 untl „Einfach undedel" wurden von dem Preisgericht als besonderslobenswerte Arbeiten bezeichnet.

^ Das für den Vorraum zu den Präsidentenzim-mern im Reichstagsgebäude bestimmte Deckengemäldevon KRANZ STUCK „Die Jagd nach dem Glück", dasden Anlass zu dem Rücktritt Wallots von der weite-ren Leitung; der inneren Ausschmückung gegebenhat, ist nunmehr von der Ausschmückungskommissionendgilüg abgelehnt worden. Zu Weiterungen wirddiese Ablehnung jedoch nicht führen, da das Reichs-amt des Innern die Angelegenheit mit dem Künstlerin loyaler Weise abgewickelt hat.

G Dem Bildhauer JOHANNES GÖTZ in Charlotten-burg ist die Ausführung eines Denkmals der KöniginLuise für Magdeburg- übertragen worden. Als Mate-rial ist karrarischer Marmor gewählt- Die Enthüllung

Abbildung 158.

Moderner Stuhl. Entworfen von Architekt A. KüHNOin Friedenau, ausgeführt von LlON KlKSSLING,

Möbelfabrik in Berlin.

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Berliner Architekturwelt " 3

Abbildung; \ S9

Friesdetails. Von G. RlECELMANX, Bildhauer in Berlin.

des Denkmals, das im Luisenpark aufgestellt wird,soll im Herbst 1900 erfolgen.

rf Bei dem Wettbewerb, den der Architektenverein inBerlin zur Erlangung von Entwürfen zu einem Arbeiter-Speisehaus für Wilhelmshaven ausgeschrieben hatte,

erhielten einen ersten Preis von 1000 M. die Archi-tekten HÖNIGER und SEDELMEIER in Berlin, einenzweiten Preis von 600 M. Professor HERMANN GUTHin Charlottenburg, je einen dritten Preis von 300 M,K eg\ - Baumeister HANS HAUSMANN und Reg. - Bau-meister ADOLF HÄRTUNG in Berlin.

[J Die vom Geh. Baurat WALLOT entworfenen beidenPlane für das neue Ständehaus in Dresden, das hinterder Brühischen Terrasse erbaut werden soll, habenin den Kreisen der Bürgerschaft und der Stadt Ver-tretung vielfachen Widerspruch erfahren, weil dieAusführung eines jeden Plans eine nicht unbeträcht-liche Verschmälerung oder Verkürzung der Terrassezur Voraussetzung hat. Es ist begreiflich, dass sichdie Dresdener diese monumentale Anlage, auf diesie mit Recht stolz sind, nicht verkümmern lassenwollen. Der Rat der Stadt Dresden hatte deshalbdie Herren Geh.-Rat ENDE aus Berlin, Professorv. TH1ERSCH aus München, Stadtbaurat LICHT undBaurat ROSSBACH aus Leipzig nach Dresden zur "Be-gutachtung der zugleich durch zwei Modelle ver-anschaulichten Pläne eingeladen. Die Herren habensich in einer am 1. Mai abgehaltenen Konferenz fürvolle Erhaltung der Terrasse ausgesprochen und da-nach eine Aenderung der Wallotschen Pläne, dieauch wegen der Höhenabmessungen Bedenken hervor-riefen, empfohlen.

+

9 Zu dem Weltbewerbe um die Bistnarcksäulen,die die deutsche Studentenschaft errichten will, sind320 Entwürfe mit etwa 1000 Blatt eingegangen. Die

ersten drei Preise erhielt Architekt WILHELM KREISin Dresden; die sieben weiteren Preise wurden denHerren WILLY FRÄNKEL in Dresden, F. MÖLLER inBerlin, R. RISSE in Dresden, G. RÜCKGAUER in ßerlin,R. HICKISCH in Dresden. T. MÖBIUS in^Leipzig undW. BRUREIN in Chirlottenburg zugesprochen. ZurAusführung bestimmt wurde der Entwurf von W. Kreismit dem Kennwort „Götterdämmerung-1. Kreis, derzuletzt auf der technischen Hochschule in Charlotten-burg studiert hat, arbeitet jetzt in Wallots Atelier inDresden. Als er noch in Charlottenburg .studierte, hater sich dadurch bekannt gemacht, dass er bei demersten Wettbewerb um das Völkerschlachtsdenkmal beiLeipzig den ersten Preis von 6000 M. errang. Von denübrigen mit Preisen ausgezeichneten Bewerbern istF. Möller durch seinen charaktervollen Entwurf fürden Turmbau bekannt geworden, den die ProvinzSchleswig-Holstein zum Gedächtnis Bismarcks auf demKnivsberge errichten wird Die Preise bestanden ineisernen Eichenzweigen.

& Die Angelegenheit der Errichtung eines Denk'ma/s für Richard Wagner in Berlin hat die künst-

lerischen Kreise in den letzten Wochen lebhaft be-schäftigt. Nachdem schon eine Kundgebung desKomites, durch die die kaum begonnenen Sammlungenplötzlich geschlossen wurden, weil ein ungenannterMäcen die zur Ausführung eines würdigen Denkmalserforderliche Summe in ebenfalls ungenannter Höhezur Verfügung gestellt hätte, unter den VerehrernWagners Befremden und Verdruss erregt hatte, wurdedie Missstimmung durch den Besrhluss des Komites,von einem allgemeinen Wettbewerbe ab/.usehen undeine, engere Konkurrenz zwischen sieben Künstlernzu veranstalten, noch erhöht. Die „Bildhauer-Ver-einigung des Vereins Berliner Künstler" hat gewissim Sinne aller deutschen Künstler gehandelt, indemsie die Sache in ihre Hände nahm und sie in einer

Page 118: ARC Berlin 1900

i i 4 Berliner Architekturweit

unter dem Vorsitz von C. von Uechtritz abgehaltenen

Versammlung; gründlich erörterte. Es wurde darauf

hingewiesen, dass hier eine Aufgabe vorläge, auf deren

Lösung die ganze Könstlcrwelt mit gespanntem Inter-

esse blicke, und dass alle deutschen Künstler es als

ihr Recht fordern dürften, an der Lösung dieser Auf-

gabe aus allen Kräften mitzuwirken. Die Vereinigung;

besehloss, ein Schreiben an das Dcnkmal-Komite zu

richten, worin dieses ersucht wurde, an alle deutschen

Künstler eine Skizzen Vorkonkurrenz auszuschreiben,

nach deren Ausfall eine beschränkte Anzahl von

Künstlern zu einem engeren Wettbewerb eingeladen

werden sollte. Diesem Vorgehen hat sich mit ähn-

licher Begründung auch die „Vereinigung Berliner

Architekten" angeschlossen, indem sie ebenfalls ein

Schreiben an das Komite gerichtet hat, worin sie

eine allgemeine Vorkonkurrenz mit Skizzen in plasti-

scher oder zeichnerischer Darstellung und die Prä-

miierung' von zehn der besten Entwürfe vorschlägt.

Aus ihren Verfassern sollen die Künstler für den

engeren Wettbewerb um den der Ausführung zu

Grunde zu legenden Entwurf ausgewählt werden.

Inzwischen ist auch über die Platzfrage bestimmt

worden. Das Komite hatte die Entscheidung in die

Hände Sr. Majestät des Kaisers gelegt, und dieser

hat einen Platz im Thiergarten in der Umgebung- des

Goldfischteiches ausgewählt, wobei in Betracht ge-

zogen werden soll, dass in der Nähe auch noch Denk-

mäler anderer Komponisten errichtet werden können.

R. Die Ausstellung der Berliner Sezession ist am21. Mai in einem eigenen Gebäude eröffnet worden,

das auf der Terrasse im Garten des Theaters des

Westens mit geschickter Ausnutzung des beschränkten

Raumes von den Architekten GRISEBACH und DlNK-

LAGE in etwa acht Wochen errichtet worden ist. Da

es sich anscheinend nur um eine provisorische Bau-

anlage handelt, ist auf eine reiche Gestaltung des

Aeusseren kein Wert gelegt worden. Nur die der

südlichen Seitenfront der Theatergebäude zugekehrte

Facade ist durch einen stark heraustretenden Rund-

bau mit niedrigem Kuppeldach und einen barockge-

schweiften Giebelaufbau über dem Eingang aus-

gezeichnet worden. Das Gebäude enthält ausser dem

in dem Rundbau untergebrachten Sekretariat und den

zu beiden Seiten des Eingangs angeordneten Kassen-

und Garderobenräumen fünf Säle, von denen vier

durch Oberlicht gleichmässig erhellt sind, während

der fünfte, der für die „Schwarz-Weiss-Ausstellung"

bestimmt ist, sein Licht durch seitliche Fenster

empfängt. Die Wände der Säle sind mit grober Sack-

leinewand überzogen worden, die in dem ersten

dunkelblau gestrichen ist. Hier ist die Mehrzahl der

eingesendeten Bildwerke aufgestellt worden, während

die obere Zone der Wände mit grossen, dekorativ

wirkenden Gemälden von dem Dresdener Symbolisten

SASCHA SCHNEIDER,dem Genfer FERDINANDHODLER,

dem Berliner MARTIN BRANDENBURG U, a. behängt

worden ist. Unter den Skulpturen erregen die Marmor-

büsten des wahnsinnigen Phi!oso]>hen Friedrich

Nietzsche von MAX KRUSE-Lietzenburg durch ihre

unheimliche, grauenerregende Naturwahrheit, die poly-

chromirte Büste des Malers v. Gleichen-Kusswurm

von demselben Künstler und die meisterhafte Marmor-

büste von Helrnholtz von ADOLF HlLDEBRAND be-

sondere Aufmerksamkeit In derselben Achse mit

dem Skulpturensaale liegt ein etwa gleich grosser

Gemäldes aal, an den sich links zwei kleinere, und

rechts ein grosser langgestreckter Saal, der Haupt-

raum der Ausstellung, anschliessen. Die Wände des

mittleren und die des grossen Saales sind mattgrün

gestrichen, und einer der Säle an der Ostseite hat

einen tiefroten Anstrich erhalten. Man hat wohl ver-

sucht , jedem Gemälde einen seinem koloristischen

Charakter entsprechenden Hintergrund zu geben. Es

ist aber nur verhältnismässig selten so gelungen,

dass der Hintergrund das Gemälde vorteilhaft becin-

flusst. Die Ausstellung, die sich nur auf deutsche

Künstler beschränkt hat, umfasst etwa 200 Oel-

gemälde, 60 Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen,

60 Werke der Plastik und 30 graphische Arbeiten.

Neben den Mitgliedern der Berliner Sezession mit

Liebermann, Leistikow, Dettmann, Skarbina, L. von

Hofmann, O. Frenzel, O, H. Engel an der Spitze,

haben sich die der Münchener Sezession, freilich

meist mit älteren Arbeiten, an der Ausstellung am

regsten beteiligt, besonders F. von Uhde, Stuck,

M. Slevogt, H. von Habermann, L, Corinth und

L. Samberger. Röcklin ist mit sechs Bildern vertreten,

von denen ihn freilich keins, am wenigsten das

neueste, „Ncssus und Dejanira", von einer besonders

vorteilhaften Seite zeigt. Charakteristischer sind Thoma

und Trübnert letzterer durch ein Selbstbildnis in

Eisenrüstuüg, vertreten. Den Glanzpunkt der Aus-

stellung bilden aber die dreizehn Gemälde von Wil-

helm Leibl, die das imponierende koloristische Können

dieses Künstlers in seinen verschiedenen Wandlungen

zeigen. % *

)-( In Folge des Preisausschreibens zur Gewinnung

von Entwürfen zu einer Tauf'Medaille oder Plakette^

das vom preussischen Kultusministerium am 28, Sep-

tember v. J. erlassen ist, sind 100 Entwürfe ein-

gegangen. Die als Preisgericht eingesetzte Landes-

kun.stkommission hat den für die beste Lösung der

Aufgabe ausgesetzten Preis von 2000 Mark dem Ent-

wurf des Bildhauers RUDOLF BOSSELT in Frankfurt

am Main zuerkannt. Zwei Preise von je 800 Mark

erhielten GEORG MORIN in Berlin und ADOLF AM-

BERG in Charlottenburg, drei Preise von je 500 Mark

REINHARD JACOBY in Kolonie Grunewald bei Berlin,

EDMUND GOMANSKY und EMIL T O R F F in Berlin,

Den Entwurf Gomanskys giebt unsere Abbildung 136

wieder.

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Page 122: ARC Berlin 1900

Abbildung" 160;

Haus der Berliner Secession Charlottenburg, Kantstrasse 12.Erbaut nach dem Plan der Architekten GRISEBACH & DlNCKLAGE in Berlin

von AUG, KRAUSS in Berlin. Vollendet am 19, Mai 1899*

DIE AUSSTELLUNG

DER „BERLINER SECESSION".

Was lange Zeit durch die Beredsam-keit und die Friedfertigkeit diplo-matisch begabter Männer in derKünstlerrepublik Berlins nieder-

gehalten worden war, ist in diesem Jahrezum Ausbruch gekommen: jenes Häufleinvon Malern und Bildhauern, die in denSatzungen der grossen Ausstellungen imMoabiter Glaspalast, in dem teils allzu nach-sichtigen, teils wieder allzustrengen Waltender Jury eine Schädigung der wahrenkünstlerischen Interessen zu sehen glauben,hat sich nach dem Muster der Pariser,Münchener, Dresdener und Wiener Künstlerzu einer „Secession*4 entschlossen und dieGrundsätze, von denen sie sich eine ge-deihliche Entwicklung des Kunstausstellungs-wesens versprechen, in einer ausgewähltenAusstellung in einem eigenen, schnell im-provisierten Gebäude zur Anschauung ge-bracht.

Es ist bekannt, dass nicht allein künst-lerische, sondern — vielleicht noch in höhe-rem Grade — persönliche Gegensätze dieseSpaltung in der Berliner Künstlerschaftherbeigeführt haben. Denn die Ausstellungder „Secession" enthält keineswegs aus^schliesslich Werke jener Künstler, die diesogenannte „moderne Richtung'1 vertreten.Nachdem aber einmal der Bruch erfolgt ist,wäre es müssig, der Personenfrage nach-zugehen und dabei etwa abwägen zu wollen,auf welcher Seite das grössere Maass vonRecht oder Unrecht in diesem Zwist zusuchen ist. Wir müssen uns mit der voll-endeten Thatsache abfinden, und es scheintauch, dass das grosse Publikum mit derjetzigen Sachlage nicht unzufrieden ist, daman von dem Wettbewerb um die Gunst desPublikums eine noch grössere Steigerungim Pulschlag des Berliner Kunstlebens er-wartet.

B. A.W. II. 4.

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u 6 Berliner Architekttirwelt

Jedenfalls hat es die Secession verstanden,mit ihrer ersten Ausstellung einen starkenReiz auf die Schaulust, die Neugier unddas Sensationsbedürfnis des kunstfreund-lichen Publikums zu üben, wobei manallerdings nicht sagen kann, dass sie in derWahl ihrer Mittel allzu skrupulös verfahrensei. Es ist ihr gelungen, eine beträchtlicheAnzahl von Kunstwerken heranzuziehen,deren Wert hoch über jeder der Mode-strömungen, um die sich heute der Streitdreht, steht und die darum keineswegs alscharakteristisch für die moderne Richtung an-gesehen werden können. Man darf sogarbehaupten, dass gerade diese Werke derersten Ausstellung der Berliner Secessionihr Gepräge gegeben und einen grossenTeil ihres Erfolges gemacht haben. Fürdie Vertretung der spezifisch modernenKunst in ihrem vielgestaltigen Wesen, dassich mit wenigen Schlagworten nicht mehrkennzeichnen lässt, hat man sodann allejene Namen herangezogen, die man ammeisten in den Kämpfen um die neue Kunstnennen hört: FRITZ VON UHDE, FRANZSTUCK, HANS THOMA, WILHELM TRÜBNER,

H. ZÜGEL, L. DILL, G. KUEHL, H. VON

HAHERMANN, und für die Befriedigung desBedürfnisses nach Erregung, die je nach derästhetischen Veranlagung des Einzelnen alsprickelnder Nervenreiz empfunden wird odersich in Aeusserungen der Entrüstung unddes Abscheus umsetzt, ist namentlich durchVorführung einiger verwegener Schöpfungenaus München gesorgt worden. Hier stehenLouis CORINTH mit einer Gruppe von einemGelage heimkehrender Bacchanten mit demfeisten Silen in der Mitte und einem „EinDämon" genannten weiblichenBrustbilde undMAX SLEVOGT mit einem „Totentanz", einervScenevon einem modernenFaschingsball,undeinemTriptychon mit der Geschichte des ver-lorenen Sohns, einer orgiastischen Farben-studie, obenan, bei der man es unentschiedenlassen muss, ob es sich um ein ernsthaftesKunstwerk von „aufrichtiger Empfindung",die in der Vorrede des Katalogs als dasMerkmal eines echten Kunstwerks bezeichnet

wird, oder um eine beabsichtigte Karrikaturauf gewisseModeströmungeninder biblischenMalerei handelt.

Die Mitglieder der „Berliner Secession14

sind wohl vollzählig vertreten; aber geradeüber ihren Einsendungen hat insofern einUnstern gewaltet, als die Mehrzahl nichtmit Werken erschienen ist, die ihr künst-lerisches Vermögen zu voller, kräftiger An-schauung bringen. Immerhin fehlt es aberauch unter ihren Beiträgen nicht an Treffern,und mit besonderer Anerkennung muss her-vorgehoben werden, dass sie sich fastsämtlich von jenen Ausschreitungen in derDarstellung wie in der Wahl der Stoffe ferngehalten haben, die die moderne Bewegungbei einem grossen Teile des Publikums inMisskredit gebracht haben. Wohl denstärksten Erfo lgunter seinen BerlinerKollegenhat LUDWIG DETTMANN mit seiner Abend-mahlsfeicr in einer ostfriesischen oder hol-steinischen Kirche erzielt, wobei er dieEnergie und die leuchtende Kraft seinesKolorits zu • einer ungemein ruhigen har-monischen Wirkung gebracht hat undzugleich in der Charakteristik der zahl-reichen Figuren ein gründliches Studiumder Stammesart zeigt. Auch seine Kryptain einer tirolischen Kirche, mit demimLichter-glanz strahlenden, festlich geschmücktenAltar in der Mitte, ist eine anziehendeFarbenstudie, die auch insofern bemerkens-wert ist, als sie eine Umkehr von dernachgerade zum Ueberdruss gewordenenFreilicht- und Sonnenlichtmalerei zu be-deuten scheint. FRANZ SKARBTNA bietet indem einen scinerBilder „Auf dem Lande" eineAbendlandschaft von feinstem poetischenStimmungsreiz, während das zweite Bild,Fischerbote in einem normannischen Hafenvor der Abfahrt, ein anderes Gebiet seinervielseitigen Kunst, die Schilderung nor-dischen Seemanns- und Fischerlebens, würdigvertritt. Von den beiden Bildern OSKARFRENZELs verdient die norddeutsche Land-schaft mit lagernder Rindviehherde bei Abend-stimmung durch die Grosse der Auffassungund den feierlichen Ernst der koloristischen

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Berliner Architekturwelt 117

Haltung vor der andern den Vorzug, wenn-gleich den am Himmel vorüberziehendenWolken eine glaubhaftere Gestaltung oderdoch wenigstens eine minder skizzenhafteBehandlung zu wünschen wäre. Glaubhafterund auch koloristisch wirksamer und fesseln-der ist das phantastische Wolkengebilde, das,einen Gewittersturm in sich bergend, aufeinem Bilde CARL LANGIIAMMRRS nach einemMotiv aus der römischen Campagna drohendüber die Ebene zieht und diese mit selt-samen Lichtwirkungen überfluthet. MAXLiKIiKRMANNs „Waisenmädchen aus Amster-dam", die im Garten vor dem Hause imSonnenschein lustwandeln oder sich mitNäh-arbeit beschäftigen, gehört zu seinen bestenBildern aus jener Zeit, wo er noch auffeste Zeichnung und plastische Modellierunghielt und diese noch nicht seinen kolo-ristischen Experimenten geopfert hatte.Nur in den Licht Wirkungen, im übrigenaber ganz und gar nicht sind mit diesenälteren Hildern zwei seiner neuesten ver-wandt: der Kirchgang und der Schulgang.Auf beiden sucht der Künstler dasselbekoloristische Problem zu lösen, die Dar-stellung des flimmernden, durch die Gipfelder Bäume von Wäldchen und Alleen herab-fallenden Sonnenlichts in seinem Spiel aufdem Erdboden und den Figuren der Frauen,Mädchen und Kinder. Eine reiche farbigeWirkung hat er jedenfalls erzielt; aber dieFiguren haben nichts körperliches mehr.vSie wirken nur wie Farbenflecke, die dasGrün angenehm unterbrechen.

Eines der eigenartigsten Talente unterden Mitgliedern der Berliner Secession istMARTIN BRANDENBURG, der seit Jahren be-müht ist, den Berlinern das Interesse ansymbolistisch - mystischer Malerei beizu-bringen, gelegentlich aber auch den Ernstseiner Bestrebungen durch Ausflüge in dasGebiet des grotesken Humors in Zweifelstellt. Die eine Richtung seiner Kunst ver-tritt das „Phantom" genannte Bild, eine neueAbwandlung des Themas von der Jagd nachdem Glück, das hier durch eine sich imAethcr über dem Meere wiegende weibliche

Gestalt versinnlicht wird, zu der ein nackterJüngling einen Luftsprung gewagt hat, dener mit einem Sturz kopfüber ins Meerbüssen muss. Es steckt jedenfalls vielKönnen in diesem Bilde, und dass BRANDEN-BURG trotz seiner phantastisch-barocken Ein-fälle seine Kompositionen auf gründlichenund ehrlichen Naturstudien aufbaut, beweistdie Aktstudie eines noch unentwickelten, inseiner Erscheinung freilich nichts wenigerals anziehenden Mädchens, das auf einemBette sitzt. BRANDENBURGS humoristischeAder sprudelt in dem Bilde „Kirchgang imSpreewald", das, aus einem tiefen Augen-punkt gesehen, eine Reihe von rundlichenSpreewäldlerinnen in ihrer Rückenansichtzeigt, die zu einer auf einem Hügel ge-legenen Kirche emporstreben. Ohne dieseHumoreske würde die Ausstellung der Se-cession einen etwas morosen Eindruckmachen und den Anschein erwecken, als obsich Humor mit d^n secessionistischen Be-strebungen überhaupt nicht vertrüge. Nurin der Abteilung der Pastelle, Aquarelleund Zeichnungen blüht noch das PflänzchenHumor, vornehmlich durch die Vertreterder älteren Richtung in der humoristischenZeichnung, durch WILHELM BUSCH, von demdie Zeichnungen zu dem grotesken Bilder-cyklus „Die Haarbeutel" zu sehen sind, unddurch OBERLÄNDER. Die jüngeren habenin den deutschen Humor, zumeist unterfranzösichem Einfluss, ein fremdes Elementhineingebracht, einen galüg-bitteren Bei-geschmack, der besonders den herben Karri-katuren der Zeichner für die Münchener„Jugend" und den „Simplidssimus" anhaftet,von dem aber auch die satirischen Feder-zeichnungen für die „Fliegenden Blätter"von HERMANN SCHLITTGEN nicht frei sind,der sein schönes Talent in eine affektirteManieriertheit versinken lässt, Sie ist nichtmehr weit von der „gewerbsmässigen Macheund oberflächlichen Routine" entfernt, gegendie das Vorwort zum Katalog in gerechterEntrüstung sein Anathema schleudert. Wasund wie viel SCHLITTGEN wirklich kann,hat er in der vortrefflichen Pastellzeichnung

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n S Berliner Archiickturwcit

einer vom Rücken gesehenen, fast lebens-grossen weiblichen Aktfigur gezeigt.

Von den übrigen Mitgliedern der „Ber-liner Secession" haben sich noch besondersJACOB ALBERTS mit einem Birkenwald imVorfrühling, OTTO HEINRICH ENGEL mitder ausgezeichneten Charakterstudie nachzwei am Meeresstrande spazierenden, katho-lischen Geistlichen, von denen der eine mitsich, den schönen Dingen des Lebens undseinen geistlichen Pflichten bereits völlig" insReine gekommen ist, während der jüngereneben ihm gesenkten Hauptes noch mittenim Kampfe zwischen Pflicht und Neigungsteht, OTTO FELD mit einer feinen Abend-landschaft, VICTOR FREUDEMANN mit einemmeisterhaften Architekturstück, dem Blickauf die roten Ziegeldächer einer kleinen Stadtbei einbrechender Nacht, FELIX KRAUSE

mit dem Bildnis eines jungen Mädchens imGarten, G. L, MEYN mit dem ungemeinlebensvollen Brustbilde eines graubärtigen,von Kraft und Gesundheit strotzenden Herrn,FRANZ STASSEN mit einer im Stile derFlorentiner des 15. Jahrhunderts gemaltenSchilderung der elysischen Gefilde mit ihrenglücklichen Bewohnern, und PAUL HORNIGER

mit einem abendlichen Strassenbilde vonAlt-Berlin hervorgethan, auf dem dieschlichte Architektur der stillen, abgelege-nen Strasse mit gleicher Virtuosität wie dieBeleuchtung durch die Gaslaternen und denaus dem Innern der Häuser dringendenLichtschein zu malerischer Anschauung ge-bracht worden ist. Minder gut und charak-teristisch sind L. VON HOFMANN, WALTERLEISTIKOW und A. NORMANN vertreten, amwenigsten der erstgenannte, von dem nurältere Bilder vorhanden sind, die er durchseine neuesten Schöpfungen tief in denSchatten gestellt hat. LElSTlKOWs Ansichtvon Wisby ist wenigstens bezeichnend fürseine neueste Art, die Natur so zu stilisieren,class das Landschaftsbild nur noch als lineareFlächendekoration wirkt. Enger an dieNatur scheint sich das Waldbild mit denkahlen Stämmen ohne Kronen anzuschliessen,das wenigstens eine gewisse poetische Stim-

mung hervorruft, wenn auch gerade keingeläuterter Geschmack den Künstler bei derWahl des Motivs beeinflusst hat.

Jene Kunstwerke, die, wie wir oben schonbemerkt haben, vornehmlich der Ausstellungihren Erfolg bereitet haben, werden ADOLF

VON MENZEL, A. BÖCKLIN und WILHELM

LEIBE verdankt. Obwohl MENZEL nicht zurvSecession gehört und sich auch ausdrücklichdagegen verwahrt hat, hat die Ausstellungs-leitung1 doch nicht geglaubt, auf seine Mit-wirkung verzichten zu dürfen, wenn sie, wieim Vorworte des Katalogs verheissen wird,einen „Ueberblick über den gegenwärtigenvStand der deutschen Kunst gebenu wollte.In anderen Augen spiegelt sich dieser Standwohl noch etwas anders wieder, als er sichaus der zum mindesten doch einseitigenAusstellung der Secession wahrnehmen lässt.Aber wenn man auch einem A. von Wernerdie Aufnahme unter diese Walhallagenossender deutschen Kunst strengstens verweigernwürde, so durfte doch ein MENZEL nichtfehlen. Wir sehen von ihm die mit dermeisterlichen Freiheit eines Rembrandthingeworfene Oelstudie nach einem altenJuden im braunen Kaftan, ein 1848 gemaltes,wenig bekanntes Gouachebild, das uns einenEinblick in die Gipssammlung des BerlinerMuseums während des damaligen Um- undErweiterungsbaus thun lässt, ein zweites,höchst farbiges Gouachebild des Innern einerBarockkirche, ein Meisterwerk der Fein-malcrci, und einige Zeichnungen, von deneneine Ansicht von Königshütte (1872), woMenzel Studien zu seinem „Eisenwalzwerk14

gemacht hat, von besonders grossem Inter-esse ist. In allen Arbeiten von MenzelsHand, aus welcher Zeit sie auch stammenmögen, waltet immer derselbe Geist strengerSelbstzucht und höchster Achtung vor derNatur, der sich der ewig junge Meisterimmer in scheuer Bescheidenheit unter-ordnet. BÖCKLIN, den man jetzt mit Menzelimmer in einem Atem nennt, wenn mandie Spitzen der deutschen Kunst neuerer Zeitbezeichnen will, steht der Natur ganz andersgegenüber. Kraft des Rechts, das ihm seine

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Berliner Avchitckturwell 119

Phantasie giebt, zwingt er die Natur unterseinen Willen, unbekümmert um das, wasdabei gegen die Bildungen der Natur ge-sündigt wird. Wenn er nur eine be-rauschende farbige Wirkung erzielt, wiez. B. auf dem wirksamsten der sieben beider Secession ausgestellten Bilder „Nessusund Dejanira", so ist ihm alles Uebrige,namentlich die Zeichnung und Modellierungder Körper, Nebensache. Er ist ein Dithy-rambendichter, dem die rein formale Seiteseiner Kunst wenig Sorge macht. Ist „Nessusund Dejanira'1 wenigstens noch ein kolo-ristisches Bravourstück, das sich den bestenseiner Schöpfungen würdig anreiht, sostehen die andern Bilder durchaus nicht aufder Höhe seiner Kunst, am wenigsten clieitalienische Landschaft, ein Jugendbild ausseiner ersten römischen Zeit, die schatten-hafte Quellnymphe und das unbeschreiblichhölzerne und leblose Damenportät.

Einen völlig reinen, ungetrübten Genussgewähren dagegen die Oelgemälde undStudien von WILHELM LEIBL, etwa fünfzehnan der Zahl, deren früheste bis in die Zeitseines Pariser Aufenthalts 1869 und 1870zurückreichen, wo er sich besonders vonden französischen Naturalisten wie Courbet,daneben aber wohl auch von Velazquezund Ribera beeinflussen Hess. Davon zeugenbesonders die Studien nach einer Pariserinmit dem Rosenkranz in der Hand und dieeines französischen Revolutionshelden, dessenaufgeblasenes Maulheldentum trefflich durchclie kecke, skizzenhafte Behandlung charak-terisiert wird. In späteren Jahren ist Leiblden Spuren Hans Holbeins d. J. gefolgt,und aus dieser Zeit sehen wir hier nebenzwei kleineren Bildern, Bauernstuben mitFiguren („Die neue Zeitung" und „Der Spar-pfennig") eine seiner reifsten Schöpfungen,„Die Dorfpolitiker", die unzweifelhaft denGlanzpunkt der Ausstellung bilden und inihrer peinlichen Gewissenhaftigkeit undSauberkeit der Durchführung einen stillenProtest gegen die Art und Unart nichtweniger Bilder in ihrer Umgebung er-heben. Eine jede der fünf auf einer

Bank an einander gereihten Gestalten, diebedächtig ihre Meinung über eine Zeitungs-nachricht abgeben, ist das Spiegelbild einerscharf ausgeprägten Persönlichkeit. Einerjeden hat der Künstler tief in den Grund derSeele geschaut und das, was er gesehen, mitfeinem Pinsel in ihre Physiognomieen ein-gezeichnet. Eine Künstlernatur, die zurBegeisterung hinreisst, ist Leibl nicht. Ersteht seinen Modellen innerlich kalt gegen-über, und es fehlt ihm auch an der Genialität,mit der Menzel seine Modelle durchdringtund bemeistert. Aber in dem Ernst unddem gediegenen Fleiss der Darstellungkommt er ihm so nahe wie kein andererdeutscher Künstler.

Die engen Räume haben nur eine ge-ringe Beteiligung der Bildhauerkunst ge-stattet, die sich zudem meist auf Werkeder Kleinplastik und der Porträtbildnereibeschränken musste. Aus beiden Gebietenist trotzdem eine Reihe hervorragenderLeistungen zu verzeichnen. ADOLF HILDE-

I3RAND hat in der Büste von Heimholteein Meisterwerk tief eindringender Charak-teristik bei überaus schlichter und einfacherAuffassung geschaffen, während er inder Büste Joachims der geistigen Be-deutung des berühmten Virtuosen nichtvöllig gerecht geworden ist. Durch er-greifende Naturwahrheit fast unheimlichund grauenerregend wirkt die Marmor-büste des in die Nacht des Wahnsinnsversunkenen Philosophen Fr. Nietzschevon MAX KRUSE-Lietzenburg, der danebenmit einer polychromen Büste des Malersvon Gleichen - Russwurm ein anziehendesBild intimer, liebevoller Charakteristik ge-geben hat. Mit guten Büsten und Porträt-reliefs sind ausserdem noch J. FLOSSMANNin München, H. LEDERER, MAX LEVI, A.KRAUS und FRITZ KLIMSCH vertreten, derauch das künstlerische Aushängeschild derSecession, das in antikisirendem Stil ge-haltene, neben dem Eingang angebrachteHochrelief mit den Gestalten der Malereiund der Plastik geschaffen und in der un-gemein geistvoll behandelten Porträt-

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I 2 O Berliner Architckiurwell

Statuette einer Dame wieder ein Zeugnisseiner grossen Begabung für die Klein-plastik abgelegt hat. In dieser glänzenneben ihm noch besonders L. DASIO inMünchen mit der nackten Figur einesMädchens, einem Sinnbilde der Koketterie,EMIL DITTLRR in München mit der Bronze-statuette eines Bogenschützen, EMIL HOESKL

in Dresden mit einer Verkleinerung seinesbekannten hunnischen Reiters, -HUGO KAUFF-

MANN in München mit der Bronzestatuetteeiner einen Spiegel emporhaltenden Venus,IGNAZ TASCHNER in München mit der Bronze-statuette einer blinden Katakombenführerin,CONSTANTIN STARCK mit vier kleinen, über-aus zart und fein modellierten Flachreliefsmit den Halbfiguren der drei Künste und

der Kunstindustrie und die Tierbildner A.GAUL und A. KRAUS. FRANZ STUCK, der

sich auch zum Bildner berufen glaubt, istmit zwei bekannten Kleinbronzen, einerTänzerin und einem verwundeten Centaurenvertreten, die aber ebensowenig wie dievon ihm ausgestellten, noch ganz unter demEinfluss Köcklins gemalten Bildern älterenUrsprungs, der Bacchantenzug und diescherzenden Faune, für das eigentlicheWcsenseiner Kunst charakteristisch sind.

Mit gTÖsscrem Recht als die Abteilungder Gemälde und Zeichnungen kann dieplastische trotz oder vielleicht auch wegenihres bescheidenen Umfangs Anspruch aufdie Bezeichnung als Elite-Ausstellung er-heben. Adolf Rosenberg.

Abbildung; 16 i.

Skizze für die Treppe zum Stadtverordneten-Sitzungssaal im Kathaus Charlottenburg.Von REINHARDT & SÜSSENGUTH, Architekten in Charlottenburg-.

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Berliner Architckturwelt 1 2 1

FR. AD. BECKER.

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

n der grossen Berliner Kunstausstellungist die Architektur ausser durch die Kol-lektivausstellung der Vereinigung* Ber-linerArchitekten noch durch eine kleine

Zahl von Entwürfen vertreten, die in einementlegenen Winkel des Gebäudes, in einerEcke des Saales 10, Unterkommen gefundenhaben. Unter ihnen nimmt das vornehmsteInteresse eine Reihe von Entwürfen zu „mo-dernen Villen" von MEIER & WERLE inBerlin in Anspruch, die sich sowohl durchihre wirksame zeichnerische Darstellung, alsganz besonders durch geistvolle, eigenartigeKonzeption auszeichnen. Im Gegensatz zudem Missbrauch, der jetzt mit dem Worte„modern" getrieben wird, zeigen sich hierwirklich die Aeusserungen eines modernenGeistes, an dem jeder, der sich die Empfäng-lichkeit für eine frische, aus dem Vollenschöpfende Erfindung bewahrt hat, seineFreude haben wird. Bei ihren Entwürfen,von denen unsere Abb. 162 und 165 zweivorführen, haben die Architekten versucht,besonders zwei aus künstlerischen und prak-tischen Gesichtspunkten hervorgegangeneForderungen zu erfüllen, und zwar einerseitsjedes Gebäude aus dem Gelände nach male-rischen Bedürfnissen herauswachsen zu lassenund andererseits die Zimmer nach Grund-sätzen der Wohnlichkeit d. h. der Einrichtung

und der bequemen Möblierung nach zu ge-stalten und zu gruppieren. Die eine Villa(Abb. 165) Ist an einem steilen Abhänge,die andere in leicht hügeligem Terrain ge-dacht. Beide Villen sind in Backstein mitPutz oder in Backsteinverblendung sowiemit teilweiser Verwendung von Holzwerkangenommen. Wenn das Baugeld nicht be-schränkt wird, würde für die erstere Villa,wie in der Zeichnung angedeutet ist, Flau-stein zu wählen sein. Die gesamten Bau-kosten würden bei vollendet künstlerischerAusstattung für die erste Villa 30—40000Mark, für die zweite 25—30000 Mark, dieKosten für die gesamte Möblierung (nachden Beispielen Abb. 168 und Abb. 169)\2-—14000 Mark bezw. 10- 12000 Markbetragen.

Mit der Strassenseite des nach dem Ent-würfe des Architekten WILHELM LÜBKE

1897 —1898 erbauten Hauses Grolmann-strasse 36 in Charlottenburg (Abb. 171)hat der Architekt gezeigt, in welch' hohemGrade der reizvolle altmärkische Backstein-baustil auch den Anforderungen des heutigenstädtischen Wohnhauses gerecht werdenkann und welche reichen Mittel er bietet,um in unsere immer noch sehr eintönigenStrassenzüge eine willkommene, malerischungemein wirksame Abwechselung zu brin-gen. Mit grossem Geschick ist dabei einedem norddeutschen Backsteinbau des Mittel-

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122 Berliner Archiiekturwelt

Abbildung i 62.

Moderne Villa. Entworfen von MRIRR & WKRLE, Architekten in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Abbildung 164.

Grundrisse zu Abbildung 162.

Abbildung 163.

Page 130: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 123

Abbildung" 165.

Moderne Villa. Entworfen von MEIER & WEKLE, Architekten in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung1 von 1899.

Abbildung- 166. Abbildung 167,

Grundrisse zu Abbildung 165.

B. A.W. U. 4. »7

Page 131: ARC Berlin 1900

124 Berliner Architc ktitnocit

alters geläufige Giebelforni als effekt-

volles Hauptmotiv für die Komposition der

Fassade benutzt worden. Um eine lebhaftere

Farbenwirkung zu erzielen, als sie die aus-

schliesslichc Verwendung' des Backsteins

ermöglicht hätte, wurde eine Verbindung

des roten Ziegel Werks mit weissen Putz-

flächen gewählt und die Abdeckungen der

Fensterbrüstungen und anderer Wasser-

schläge aus grün glasierten Dachziegeln

hergestellt. Zur .Steigerung der Verhält-

nisse wurde der Mittelbau möglichst breit

angeordnet, und zu diesem Zwecke die

Erker nicht in die Achsen ihrer Zimmer,

sondern an deren äussere Seiten gelegt. Im

vierten Stockwerk ist die Wirkung des Mittel-

baus dadurch besonders gesteigert worden,

dass die Vorderwand der unteren Hallen

fortgefallen und somit die Strassenwand um

die Hallentiefe hinter die Bauflucht zurück-

getreten ist, die beiden Rcktürmchen des

Mittelbaues aber seitlich frei geworden sind.

Wie uns der Architekt mitteilt, soll ein

derartiges Zurückspringen im obersten Ge-

schoss, nach einer neuen Verfügung des

Kgl. Polizeipräsidiums in Berlin, in Zukunft

nicht mehr gestattet werden. Es ist be-

greiflich, dass diese Verfügung bei den

Architekten keine günstige Aufnahme findet,

da ihnen dadurch das Streben nach maleri-

scher Gruppierung noch mehr als bisher er-

schwert werden wird.

Für die Grundrissbildung war die Ab-

sicht maassgebend gewesen, auf dem sehr

tiefen Grundstück im Vorderhause herr-

schaftliche Wohnungen von 6 bis 7, im

Gartenhause (Quergebäude) solche von

3 bis 4 Zimmern anzuordnen. Da von den

letzteren einige grössere am Hofe liegen

mussten, wurde auch auf dessen archi-

tektonische Ausbildung Gewicht gelegt. —

Die Verblend- und Formsteine der F'assade

hat die Fabrik von C. G. MATTHES & SOHN

in Rathenow geliefert. Die Maurerarbeiten

sind von A. KNAPK, die Bildhauer- und Stuck-

arbeiten von J. JL'NKRRSDORK in Wilmers-

dorf, die Malerarbeiten von GKBKÜDKR

DRABIG, die Kunstschlosserarbeitcn von

MORITZ kkAUSK und die Dachdecker-

arbeiten von W. NlCUMP.lSTKR, sämtlich in

Berlin, ausgeführt worden.

MALEREI.Mehr als ein Menschen alter ist dahin-

gegangen, seit PAUL MRYKRHEIM seinen

ersten grossen Erfolg errungen hat; trotz des

reichen, rastlosen Schaffens, das diese drei

Jahrzehnte erfüllt und sich auf alle Gebiete

der Malerei erstreckt hat, bereiten uns aber

seine staunenswerte Energie der Charakte-

ristik und sein eminentes malerisches Können,

die eigentlich nur durch die gleichen Eigen-

schaften Menzel's überboten werden, immer

neue Ueberraschungen und Freuden. Er war

schon vor dreissig Jahren das, was heute

von den Reformatoren der modernen Malerei

als das edelste und höchste Ziel erklärt

wird: ein Realist oder, wie man heute sagen

würde, ein Naturalist, der jedoch mit der

damals als revolutionär verschrieenen Frei-

heit der malerischen Darstellung die höchste

Achtung vor der Natur verband. Als

Schüler seines Vaters, des gemütvollen

Genremalers, der in das deutsche Volkstum

ebenso tief eingedrungen ist wie Ludwig

Richter, diesem aber an malerischem

Empfinden und Können weit überlegen ist,

hat Paul Meyerheim in seiner Jugend Akte

und Bildnisse gezeichnet, die sich in der

Gewissenhaftigkeit der Zeichnung und der

plastischen Schärfe der Modellierung mit

den Studien eines I lolbein messen können.

Diese Studien waren ihm aber nur die sichere

Grundlage, von der er, der Sohn einer

neuen Zeit, ausging, um der modernen kolo-

ristischen Anschauung zum Siege zu ver-

helfen. Seine ersten Erfolge erzielte er

mit Tierbildern und mit Darstellungen aus

dem Innern der wandernden Tierbuden, und

damit war in den Augen des grossen Publi-

kums seinem späteren Schaffen das Etikett

aufgeklebt. Er konnte malen, was er wollte:

er blieb für weitere Kreise immer der Maler

der Löwen und Affen, und er hat sich mit

dem guten Humor des geborenen Berliners,

der auch in vielen seiner Tier- und Genre-

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Abbildung 16H,

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iWohnzimmer mit Durchblick zum Speisezimmer in der Villa Abbildung 165.

Entworfen von MEIER & WRRLE, Architekten in Ferlin, Grosse Berliner Kunstausstellung" von 1899.

Abbildung- 169.

Sitzarrangement im Wohnzimmer in der Villa Abbildung 162.

Entworfen von METEli & WERLE, Architekten in Berlin. Grosse Berliner Kunstausstellung von 1S99.

Page 133: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 127

Abbildung; 170.

Architekturskizze. Von E. SCHAUDT in Berlin.

büder zum glücklichen Ausdruck kommt,in diese Situation, die ihr Missliches, aberauch ihr Erfreuliches hat, hineingefunden.

Wer aber sein Schaffen verfolgt hat, derkennt auch seine Vielseitigkeit. Paul Meyer-heim hat sich als Meister der dekorativen

Malerei in mehreren grossen Aufgaben be-währt — wir erinnern nur an seine Geschichteder Lokomotive in der Borslgschen Villaund an seine vier Jahreszeiten in der National-galerie —, und in dem Bildnis seines Vatershat er ein Meisterwerk der Porträtmalereigeschaffen, dem man nur wenige aus unsererZeit an die Seite stellen kann. Auf Grundseiner Studien in Nordafrika und Aegyptenhat er uns Scenen aus dem orientalischenVolksleben von hoher Lebendigkeit undWahrheit gemalt, und seine Landschaftenaus dem Harz, aus Oberbayern, Tirol undder Schweiz sind Zeugnisse einer künst-lerischen Kraft, die alle charakteristischenAeusserlichkeiten scharf erfasst hat unddabei tief in die Naturseele eingedrungen ist.

Von einem Teile dieses vielseitigenSchaffens gewährt die diesjährige GrosseKunstausstellung eine Anschauung in fünfdem Inhalt nach sehr verschiedenen, in derkoloristischen Behandlung aber gleich wirk-samen Bildern. In dem „Umzug der Kunst-reiter" vor der gaffenden Menge einerkleinen Stadt hat der Künstler einmalwieder den Quell seines unerschöpflichenHumors springen lassen und zugleich inder Wiedergabe der sommerlichen Abend-stimmung seine koloristische Virtuosität alsLandschaftsmaler bewährt, und noch stärkertritt der Landschaftsmaler in den Bildern„Heufuhre im Unterengadin" und „Kühe imHarz" in den Vordergrund, die den Ein-druck eigenartiger Natur in frischesterUrsprünglichkeit festhalten und dabei eineSicherheit und Breite der malerischen Be-handlung zeigen, die auch dem keckstenNaturalisten die höchste Achtung vor derBeweglichkeit und Jugendfrische des Künst-lers einflössen. Ein viertes und fünftesBild, eine Löwengruppe und ein Pudel, derdiensteifrig einen Lawntennisschläger appor*tiert (Abb. 180 u. 181) zeigen uns den Gross-meister der Tiermalerei auf der Höhegeistvoller, tiefeindringender Beobachtungs-und Charakterisierungskunst.

Auch MAX KONER, wohl der hervor-ragendste, jedenfalls aber der vielseitigste

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28 Berliner Architekturwelt

Abbildung- 171.

Wohnhaus Grolmannstrasse $6. Von WILHELM LÜBKE, Architekt in Charlottcnburg.

Abbildung 172.

Grundrisszu Abbildung 171,

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Berliner Architekturwelt 129

Abbildung1 173.

Wohnhaus Lützowplatz 3. Von S, ZADttK, Architekt in Charlottenburg.

unter den Berliner Bildnismalern, ist indiesem Jahre auf der Kunstausstellungmit einer aussergewöhnlich grossen Zahlvon Bildnissen vertreten, die Herren undDamen aus verschiedenartigen Berufs- undLebenskreisen darstellen und darum geradegeeignet sind, von der sich immer reicherentwickelnden Fähigkeit des Künstlers, jedegeistige Individualität, wo solche vorhandenist, zu prägnantem Ausdruck zu bringen,eine ungemein vorteilhafte Vorstellung

zu gewähren. Nachdem KONER Jahre hin-durch der bevorzugte Bildnismaler desKaisers gewesen und als solcher eineReihe von Bildnissen geschaffen hatte, diedie Erscheinung Wilhelms II. während desersten Jahrzehnts seiner Regierung am cha-rakteristischsten wiedergeben] und spätereinmal als historische Urkunden von ob-jektiver Treue gelten werden, hat er sich.später vorzugsweise den Rittern des Geistes,Künstlern und Gelehrten, zugewendet, deren

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130 Berliner Archiickhirwelt

Abbildung 174.

Villa Weise in Hasserode. Von G. DlNKLAGE i. t\ GRISEBACH & DlNKLAGE,Architekt in Charlottenburg;.

Erbaut 1899. Sockel Granit, darüber Putz aus angetragenem Stuck.Baukosten 100 000 M. ohne Stallgebäude.

Abbildung 175.

Grundrisse zu Abbildung 174.

Porträts schon eine ganz stattliche Galerieberühmter und bekannter Zeitgenossenbilden. Ihnen hat er jetzt das Bildnis desBaurats Kayser angereiht, den er auf demFelde der Arbeit, den Zirkel in der Linken,prüfend und sinnend, dargestellt, neben sichauf dem Sockelteil eines Bauwerks dieFigur einer Viktoria, die hier als Sinnbild

der vielen Siege am rech-ten Platze ist, die dasSchaffen der Firma Kay-ser & von Groszheimschon ein Vierteljahr-hundert hindurch beglei-tet haben (Abb. 183).Tritt uns hier eine ener-gische , charaktervollePersönlichkeit in derSicherheit und Festigkeitihrer körperlichen Fr-scheinung gegenüber, soblickt uns aus dem Ant-litz des Geheimrats vonMendelssohn - Bartholdymit dem feinen, den Mundumspielenden Lächeln dieSeele eines klugen, zu-rückhaltenden Mannes an,der das Gewerbe einesDiplomaten mit der fürdie Leitung eines grossenBankhauses notwendigenEnergie verbindet.

Für feierliche Inscenie-rung, für effektvolle Pose

hat KONER wenig Sinn,und wohl am wenigstenscheint er für dieEntfaltung pomphafterSchneiderkünste aufseinen Bildern Inter-esse zu haben. Um sohöher ist die Wahr-heits- und Einfach-heitsliebe der Damenzu rühmen, die sichtrotzdem von KONERmalen lassen. Was für

den Beschauer an vergänglichem Modekramverloren geht, ersetzt er reichlich durch dieInnerlichkeit und die Tiefe seiner Charakte-ristik und durch die feine koloristischeStimmung, durch die in diesem Jahre be-sonders das Bildnis der Frau St. (Abb. 184)ausgezeichnet ist, auf dem die rote Busen-schleife einen ungemein wirksamen Kontrast

Abbildung 176.

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Berliner Architektlirwelt l33

Abbildung 178.

Innere Ansicht eines Einganges,Von MORITZ & WELZ, Architekten in Berlin.

zu dem tiefen Schwarz des Kleides und dergrauen, den Hals umschliesscndenHoa bildet.

Von dem Landschaftsmaler CARL HOLZ-

APFEL haben wir schon im vorigen Jahreeine Probe seiner Kunst geboten, die ihnals einen ernst strebenden, von jeder Made-strömung unabhängigen, nur auf die schlichteWiedergabe der Natur zielenden Künstlerzeigte. Auf diesem Wege schreitet er mitstarken Schritten vorwärts. Ein Schülervon Dücker in Düsseldorf, hat er sich dorteine sehr flüssige, gewandte Technik an-geeignet, die ihn zur Wiedergabe derfeinsten, dem gewöhnlichen Auge kaumwahrnehmbaren Stimmungen befähigt. DieseFähigkeit hat er in reichem Maasse auchin der holsteinischen Landschaft entfaltet,die unsere Abb. 182 vviedergiebt.

PLASTIKWie wir schon in unserem ersten Berichte

über die Grosse Kunstausstellung hervorge-hoben haben, zeichnet sich unter den zur Schaugestellten Grabdenkmälern besonders einesvon HANS DAMMANN durch die eigenartige,von dem landläufigen Schema abweichendeAuffassung aus. Zu den strengen Linien desSarkophags bildet die davor stehende Ge-stalt in ihrer feierlichen Haltung einenschneidenden, den scharfen Riss zwischenTod und Leben jedoch treffend charakte-

Abtnldung1 ^ 79.

Portal Sommerstrasse 5.Von A. BRESLAUES Architekt in Berlin,

Page 139: ARC Berlin 1900

1134 Berliner Architekturwell

Ahbilrlurig 180

Löwen. Von PAUL MEYERHEIM in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung' von 7899.

einem unserer nächstenHefte reproduzieren wer-den, ist 1S67 zu Proskauin Schlesien geboren wor-den, hat aber den grösstenTeil seiner Jugend in Han-nover verlebt, wo seinVater, Prof. Dr. Dammann,als Direktor der kgl. tier-ärztlichen Hochschule wirkt.Auf der dortigen techni-schen Hochschule hat erauch seine ersten Studiengemacht. Den ersten Unter-richt im Aktzeichnen gabihm der Maler Prof. Fried-rich Kaulbach, und unterder Leitung der ProfessorenStier und Köhler machteer gründliche architektoni-sche Studien, die ihm beiseinen späteren Arbeitenvon wesentlichem Nutzengeworden sind. Von 1888bis T894 besuchte er dicakademische Hochschulefür die bildenden Künste inBerlin und dort hat er auchseinen Wohnsitz genommen,

Abbildung 181.

irisierenden Gegensatz. AberdieBewegung, dieHandlungder Gestalt bringt ein diestatuarische Strenge mil-derndes, gewissermaassenversöhnendes Element in dieGruppe hinein: nicht derdüstere Todesengel, son-dern dasSinnbild desSchlafssteht vor uns, der Blüten undSamcnkopfe des Mohns vonseiner Brust nimmt und aufden Sarkophag niederlegt(Abb. 185). Dammann, derauf der Ausstellung nochmit einer Gestalt der Wahr-heit vertreten ist, die wir in

Sidi. Von FAUL MEYERHEIM in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1891).

Page 140: ARC Berlin 1900

Berliner Architektitrwclt 35

Abbildung 182-

Holsteinische Landschaft. Von CARL HOLZAPFEL in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung: von 1899.

nachdem er sich nach der Rückkehr voneiner italienischen Studienreise eine eigeneWerkstatt gegründet hatte. In reger Thätig-keit hat er bereits eine stattliche Anzahlvon monumentalen und dekorativen Werken,namentlich aber von Bildnisbüsten undFlachreliefs geschaffen, von denen besondersder durch seine treffliche gotische Archi-tektur ausgezeichnete Türnierbrunnen fürLinden bei Hannover, eine Herme KaiserWilhelms IT. für das Offizierkorps des I.hannöv. Inf.-Regt. Nr. 74 und eine HermeFriedrich Wilhelms IIT. für das Offizierkorpsdes Landwehrdienstgebäudes, die Gestaltender Poesie und Musik auf den Türmendes Theaters des Westens in Berlin und dieReliefs mit dem Bildnis der Kaiserin undeinem „Haideröschen" hervorzuheben sind.Im Flachrelief hat Dammann eine besondereVirtuosität in der Feinheit der Ausführungund der zarten malerischen Wirkung entfaltet.

Aus der grossen Zahl der trefflichen Werkeder Kleinplastik, mit denen die BerlinerBildhauer auf der diesjährigen Kunstaus-

stellung besondere Ehre eingelegt haben,haben wir für dieses Heft zwei fürverschiedene Richtungen charakteristischeSchöpfungen ausgewählt. HUGORHEINHOLDS

Statuette der fröhlich mit ihren durch Aus-verkauf geleerten Körben vom Markte heim-wärts eilenden Dirne ist eine jener mit glück-licher Hand ans dem modernen Lebengegriffenen Figuren, in deren Bildung undlebensvoller Charakteristik die Italiener vieleJahre die Künstler aller anderen Nationenübertroüfen haben (Abb. 188). Nicht blossdiese Figur, sondern auch viele anderezeigen uns, dass die Berliner sie sehr schnelleingeholt und sie an Vielseitigkeit und vor-nehmlich an Ernst der Auffassung nochübertroffen haben. Letzteres hat auch Rhein-hold noch mit der Figur einer von derArbeit ausruhenden Bäuerin bewiesen, dieetwas von dem Adel und der Grosse desStils an sich hat, die die Gruppe der an derLandstrasse vor einem Muttergottesbilde zu-sammengebrochenen Mutter mit ihremkranken Kinde auszeichnete, die vor fünf

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i 3 6 Berliner Architeklurwelt

Abbildung 183.

Bildnis des Herrn Baurats KAYSER.Von MAX KONER in Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 189g,

Jahren den Xamen des Künstlers zuerst be-kannt machte. Rheinhuld, der 1853 inOberlahnstcin geboren worden ist, ist vieleJahre Kaufmann gewesen, bevor er sich, schonin den Dreissigern stehend, der Kunst widmenkonnte. Nachdem er eine Zeitlang imAtelier Max Kruses gearbeitet, hat er von1888 —1892 auf der Berliner Hochschulestudiert, durch Eifer und Energie aber ver-hältnismässig schnell alle Hindernisse über-wunden, die ihm die Versäumnis seinerJugend in den Weg gelegt. Unsere Figurzeigt am besten, welche Leichtigkeit undLebendigkeit der Darstellung er sich zu eigengemacht hat.

Die ideale Richtung der Kleinplastik, dieihre Freude an der Darstellung der Schön-heit nackter Körperformen hat, vertrittFERDINAND LEPCKE mit der Gruppe „Ueber-rascht", einer jugendlichen Wasserträgerin,die auf ihrem Wege von hinterrücks einen

Uebcrfatl erfährt, der ihr nicht unlieb zusein scheint (Abb. 189). In beiden Körpernhat der Künstler wiederum jenes impo-nierende Können in der Behandlung desNackten bewährt, das schon seinem erstengrÖsseren Werke, der nackten Figur einesbärtigen, sich auf eine kolossale Zeus-büste lehnenden Bildhauers allgemeine An-erkennung und von Seiten des Staates denehrenvollen Auftrag der Ausführung inStein eingetragen hat. Ein zweiter umfang-reicherer Auftrag ist dem Künstler erstkürzlich zu Teil geworden, indem ihm aufGrund der Konkurrenz, in der ihm der erstePreis zufiel, auch die Ausführung des monu-mentalen Brunnens für Bromberg übertragenworden ist. Wie sich dieser Entwurf be-sonders durch eigenartige Erfindung derGruppen und ihren wirksamen Aufbauwie durch ihre formale Behandlung aus-zeichnete, so fesselt auch die Gruppe„Ueberrascht" durch die ungewöhnlicheSchönheit der Komposition, die, von welcher

Abbildung1 184.

Bildnis der Frau ST. Von MAX KONER in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung" von 1899.

Page 142: ARC Berlin 1900

Berliner Architckfitmüclt

Abbildung 185.

137

Der Schlaf. Grabdenkmal von HANS DAMMANN in Charlottenburg.Grosse Berliner Kunstausstellung1 von 1899.

Sehe man sie auch betrachten mag", überalldurch die weiche, anmutsvolle Harmonieder Umrisse, durch den Wohllaut desLinienspiels in gleichem Maasse erfreut.

Die beiden Bildnisgruppen von dem alsLehrer an der Kunstschule des StädelschenInstituts in Frankfurt a. M. thätigen FRITZ

HAUSMANN und von STEPHAN WALTHER in

Berlin (Abb. 186 u. 187) sind beides gleichglücklich gelungene Versuche, die Bildnissevon Geschwistern in einer genrehaften Dar-stellung von lebensvoller Natürlichkeit zu-sammenzufassen, und beide gleich an-ziehend durch das feine Studium derkindlichen Natur und die ihr entsprechendenaiv-heitere Auffassung, A. R.

Page 143: ARC Berlin 1900

i 3 8 Berliner Architekturwelt

Abbildung1 186.

Bildnisgruppe.

Von FRITZ HAUSMANN

in Frankfurt a. M.

Grosse

Berliner Kunstausstellung

von 1899.

Abbildung 187.

Kinder des Herrn Reg.-Rats Kieschke. Marmorgruppe von STEPHAN WALTHER in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Page 144: ARC Berlin 1900

Berliner Archiiekturwelt *39

Abbildung TS8.

Ausverkauft.Gypsstatuettc von HUGO RHEINHOLD in Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

ZUM WETTBEWERB UM DIEBISMARCKSÄULEN.

(Eingesandt.)

Die Entwürfe zu den Rismarcksäulcni der Deutschen Studentenschaft sindr seit dem 15. Mai in der sogenannten

Wcsthallc der Grossen BerlinerKunstausstellung" weiteren Kreisen zur Be-sichtigung zugänglich gemacht worden. Be-kanntlich war, etwa gleichzeitig mit demPreisausschreiben, eine Kundgebung derDeutschen Studentenschaft „An das deutscheVolk" ergangen, welche zur Beteiligung andem Bau von Bismarcksäulen aufforderte,und die maassgebende Idee mit folgendenmarkigen Worten erläuterte:

„Wie vor Zeiten die alten Sachsen und„Nonnannen über den Leibern ihrer gefalle-nen Recken schmucklose Felsensäulen auf-

türmten, deren Spitzen Feuerfanale trugen,so wollen wir unserem Bismarck zu Ehrenauf allen Höhen unserer Heimat, von woder Blick über die herrlichen deutschenLande schweift, gewaltige granitene Feuer-träger errichten. Ueberall soll, ein Sinnbildder Einheit Deutschlands, das gleiche Zeichenerstehen, in ragender Grosse, aber einfachund prunklos, auf massivem Unterbau eineschlichte Säule, nur mit dem Wappen undWahlspruch des eisernen Kanzlers ge-schmückt. Keinen Namen soll der gfewal-

Abbildung 189.

Ueberrascht.Von FERDINAND LEPCKE, Bildhauer in Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

B. A. W. 19

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H6 Berliner Architekturweit

Abbildung 190.

Wandfries im Ausstellungsraumder Vereinigung Berliner Architekten in der Grossen Berliner Kunstausstellung.

Von Maler WICH. RTCHTER-RHEINSBERG in Berlin.

„tilge Stein tragen, aber jedes Kind wird ihn„dem Fremden deuten können;

„Eine Bismarck-Säule"Obwohl nun das eigentliche Preisaus-

schreiben neben der Form der Säule auchAufbauten andrer Gestalt zuliess, so wirdman doch überrascht sein, in der Reihe dererfolgreichen Entwürfe nicht einen einzigenzu finden, welcher, an das Stichwort desWettbewerbs anknüpfend, wirklich sich desMotivs der Säule oder des kühn aufstreben-den Pfeilers für die Lösung der Aufgabebedient hat.

Alle diese Arbeiten stellen sich vielmehrals Aufbauten von vorwiegend massiger Er-scheinung dar, deren Breite von der Höhemeist nur unwesentlich übertroffen wird, undsie weisen sich in der Mehrzahl durcheinen regelrechten Granit-Quaderverbandüber einem Kern von weniger kostbaremMaterial, der seinerseits wieder einen mehroder minder umfänglichen Hohlraum um-schliesst, als ausgesprochene Bauwerke aus.Wo diese Hohlräume noch durch einen wohl-charakterisierten Eingang zugänglich ge-macht worden sind, wird dann leider ineinigen Fällen d'*e gewiss nicht beabsich-

tigte, aber durch zahlreiche Beispiele derKunstgeschichte uns geläufige Vorstellungvon der durch mächtigen Quaderüberbauvor Entweihung geschützten Grabkammererweckt. Aber die Idee, allerorten derselbenPersönlichkeit symbolisch ein Grabmal zuerrichten, ist nicht einleuchtend und der Hin-weis auf die an der Spitze anzuzündendenFeuer macht sie nicht annehmbarer; dennbei der gegebenen Form stellt sich der Ge-danke an einen Ort der Feuerbestattung,also wenn man will, an das Krematorium,allzuleicht ein.

Unter diesen Gesichtspunkten will unsdaher jener unter den erfolgreichen Ent-würfen, welcher den Unterbau für seineFeuerschale als offene Konstruktion ausriesigen Steinbalken in der Art altnordischerWerke gestaltet, mehr zusagen.

Es ist nun unbestreitbar, dass allen diesenMotiven die Fähigkeit, auf weite Entfer-nungen hin sichtbar zu bleiben, vermögeihrer Massenhaftigkeit unbedingt innewohnt!Versteht man jedoch unter der gefordertenF^ernwirkung in künstlerischem Sinne mehreine solche, welche auch auf weite Streckenhin keinen Zweifel darüber aufkommen lässt,

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Berliner Architekturwelt 141

dass es sich hier nicht etwa um ein zulandschaftlichem Genüsse von erhöhtemStandpunkt einladendes Bauwerk, auch umkein Grabmal und auch nicht (im Hinblickauf die Gestaltungen allcreinfachster Art)

grössere Beachtung gebührt hätte, als esnach dem Ausgange des Wettbewerbs derFall zu sein scheint. Und auch die Rück-sicht auf die Ausführbarkeit ist geeignet,diese Meinung zu stützen! Denn ein Werk,

Abbildung 191.

Hausthor Lindenstrasse 112. Architekt A. LIEBEHERR, Erbauer,Nach dem Entwürfe des Architekten HEINR, SCHLUMPP ausgeführt von R. BLUME,

Kunstschlosser in Charlottenburg;.

um eine in regelmässige Form gebrachteAnhäufung von Rohmaterial handeln könne,sondern einzig um ein ideales Gedenkzeichen,das schon durch seine Abmessungen jedenGedanken an Unterkunft und Besteigbarkeitfernhält, so will es uns bedünken, dassdem Motiv des hochragenden Pfeilers eine

dessen Errichtung auch den weniger kapital-kräftigen Gemeinwesen möglich wäre,scheint eher geeignet, den charakteristischenGedanken jenes Aufrufs zu verwirklichenund ^überall das gleiche Zeichen" erstehenzu lassen, als ein Bauwerk, dessen Massen-haftigkeit von vornherein den Kampf mit

Page 147: ARC Berlin 1900

142 Berliner Architcktztnvelf

Fenstergitter an einer Villa in Lichterfei de.Ausgeführt von GOLDE &RAEBEL, Kunstschmiede

in Berlin-Halensee.

der Bausumme und für viele Fälleschliessliches Verzichten in Aussichtstellt.

Aber von allen Entwürfen, welchedie Höhenentwicklung entschieden vorder nach der Breite bevorzugten, undsie sind in nicht geringer Zahl vertreten,ist es keinem einzigen gelungen, sichzu einer Anerkennung durchzuringen.Nicht Einer hat es dazu gebracht, auchnur in die engere Wahl zu kommen.

Die Annahme, dass sich etwa nur ge-ringere Kräfte an der Lösung der Auf-

gabe in dieser Richtung versucht hätten,wird durch den Augenschein widerlegt.

Dem Protokoll des Preisgerichtsentnehmen wir Folgendes: Nachdemaus der Zahl der rechtzeitig eingegan-genen 317 Entwürfe 222 Arbeiten alsminderwertig und dann noch weitere6$ Entwürfe ans Gründen, über welchedas Protokoll nichts weiter angiebt,ausgeschieden waren, wurden, am2. Sitzungstage, aus der Reihe der nunnoch vorhandenen 3oEnt\vürfe 10 durchbesondere eigenartige Vorzüge sichauszeichnende Arbeiten unter dem Ge-sichtspunkt ausgewählt, „dass dieeigenartige Aufgabe durchaus denVerzicht auf jede reichere Detaillierungund auf jede allzu individualisierteForm verlangt, dass es vielmehr daraufankommt, eine einfache aber charakte-ristische Idee mit den einfachstenMitteln darzustellen."

Ebenso einstimmig, wie die Wahldieser 10 Entwürfe, erfolgte dann ausihrer Zahl die des zur Ausführung zuempfehlenden Projekts.

Die zum Schluss noch erfolgendePrüfung der bereits gewählten Arbeitauf Erfüllung der sehr wesentlichen

Abbildung1 193.

Treppengeländer im Kaufhaus Bischofstrasse, Ecke Klosterstrasse.Ausgeführt von

GOLDE & RAEBEL, Kunstschmiede in Bcrliü-Halensee.

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Berliner Archüekturwelt

Abbildung 194.

143

Schaufenstergitter am Hause Friedrichstrasse 12.Ausgeführt von GOLDE & RAEBEL, Kunstschmiede in Berlin-Halensee.

Bestimmung" des Programms, dass die Her-stellungskosten keinesfalls den Retrag; von20000 M. überschreiten dürften, ergab danndie Ausführbarkeit für diese Summe, aller-dings mit 2 erheblichen Einschränkungen,nämlich unter der Voraussetzung, dass

1. in Gegenden, wo das Granitmaterialzu kostspielig" ist, ein sonstiger wetter-beständiger Baustein als Ersatz ge-wählt wird,

2, die Höhe der Säule auf 10 m (also aufdas vom Programm von vornhereinals Mindestmaass bezeichnete) festge-stellt wird.

Damit tritt dann allerdings eine Reduktionder vom Autor anfänglich in Aussicht ge-nommenen Abmessungen ein, welche für

den kubischen Inhalt eine Herabsetzung aufetwa ein Fünftel bedeutet!

Immerhin ist zu hoffen, dass trotz der ver-minderten Maasse, das Werk, wofern es aufunbewaldeten Höhenpunkten zur Ausführungkommt, der erforderlichen Fernwirkung, imSinne eines Sichtbarseins auf grössere Ent-fernungen, nicht entbehren wird.

Dringend zu wünschen aber ist, dassüberall, wo man an eine Erbauung diesesBismarcksteines denkt, sich so reichlicheMittel finden mögen, dass eine weitere Ver-kleinerung nirgend mehr in Frage zukommen braucht. Denn solche würde fürdieses Motiv, dessen Vorzüge in der Wuchtder Erscheinung gesucht werden müssen,die schwerste Schädigung bedeuten, A

Abbildung 195.

Schaufenstergitter. Ausgeführt von GOLDE & RAEBEL, Kunstschmiede in Berlin-Halensee.

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i44 Berliner Architekturwelt

HANNS ANCKER.

MODERNE LEDER ARBEITEN.(Hierzu die Abbildungen 196—200).

In einer Sonderausstellung- im Königl-lichen Kunstgewerbe-Museum und gleich-zeitig in der Grossen Kunst-Ausstellungam Lehrter Bahnhofe hat die Firma

W. COLLIN in Berlin eine Gruppe von Leder-arbeiten vorgeführt, die ein in dieser Artzum ersten Male erprobtes Verfahren in derkünstlerischen Behandlung1 des Materialseingeschlagen und jenem erst in unsererZeit wieder nach langer Vernachlässigunghervorgezogenen Kunstzweige ein neues Feldgewonnen haben. Das Verfahren beruht,um das Wesentliche kurz voranzustellen, aufAnwendung der alten Technik des Leder-schnitts für die Zeichnung in Verbindungmit einer eigentümlichen koloristischen Be-handlung durch farbige Beizen* Die aus-gestellten Gegenstände umfassen ausschliess-lich Lederarbeiten für den praktischenGebrauch, als Schreibmappen, Brieftaschen,Albums, Aufhängetaschen, Papierkörbe;ferner Photographie- und Bildrahmen, kleineKasten, Köfferchen u. a. m. Für die Ent-würfe hat sich die Firma die Mitwirkungeines jüngeren, grade auf dem Gebiete desmodernen Flachmusters thätigen Künstlers,L. SÜTTERLIN, zu sichern gewusst- Dies istvon vornherein entscheidend für die künst-

lerische Qualität jener Arbeiten geworden.vSie verdienen volle Anerkennung, um somehr, als sie zum überwiegenden Teilenicht schwer erschwingbare Luxusgegen-stände, sondern gerade bestimmt sind, inHaus und Studierstubc Eingang zu finden.

Die älteren Lederarbeiten gingen bei derAufgabe das Material zu schmücken vor-

von der Schaffung ornamentalerwiegend

Abbildung 1 96.

Manschettenkasten (Höhe 15 cm)Nach dem Entwürfe von L. SÜTTERLIN

ausgeführt von W. COLLIN in Berlin,

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Berliner Architekturwelt 145

Papierkorb. (Höhe 22 cm).Nach dem Entwürfe von L, SÜTTERLTN

ausgeführt von W, COLLIN in Berlin.

Verzierungen aus. Das Leder wurde bemalt,bis die in Italien zuerst angewendete Ver-goldung das Feld gewann. Bemalung1 undVergoldung wurde auch für den farbigenSchmuck der Ledertapeten herangezogen.Im 18. Jahrhundert griff man in Prankreich— bei Bucheinbänden - zu den Auflagenaus verschiedenfarbigem Leder, ein Ver-fahren, das, in Anlehnung an alte Musterund Technik, auch in neuerer Zeit mit Er-folg wieder in Aufnahme gekommen ist.Daneben blieb freilich immer die Bemalung,zum Teil mit Lasurfarben, zum Teil mitDeckfarben und Lackfarben die Hauptsache.

Demgegenüber gehen die ausgestelltenArbeiten darauf aus, das Material gewisser-maassen in der Masse zu färben und ihm durchdas Beizen einen unverwüstlichen, durchAlter und Gebrauch nicht leidenden, sonderneher erhöhten farbigen Reiz zu verleihen.Tiefe farbige Fonds, wie z. B. ein sattesBlau, werden seltener verwendet, meist da,wo sie als Grund für die Zeichnung zu dienenhaben. In der Hauptsache aber beruht dieWirkung darauf, dass die natürliche warm-gelbe Farbe des Materials oder ihr nahe-stehende, ins Grau- und Rotbraune spielende

Tone vorherrschen und durch Abtönenund allmähliche Uebergänge von dunkelnzu hellen Schattierungen reizvoll belebtwerden. Eine weitere Belebung der Ober-fläche wird mittels eines eigentümlichenSpritzverfahrens erzielt, indem die an-gespritzten Stellen die farbigen Beizennicht annehmen, wodurch sich flockige,marmorierte Töne in verschiedenen Ab-stufungen ergeben. In keinem Falle wirddie natürliche narbige Haut des Materialsverdeckt, die Textur bleibt überall sichtbar.Auf Vergoldung ist daher durchgehendsverzichtet worden. Das Leder erhält mehreine Art von farbiger Patina als eine künst-liche Färbung, und in dieser Behandlungdes Materials berührt sich das Verfahrenin manchem Betracht mit der sowohl in der

Abbildung 198.

Papierkorb, (Höhe 51 cm).Nach dem Entwürfe von L, SÜTTERLIN

ausgeführt von W. COLLIN in Berlin,

Page 151: ARC Berlin 1900

146 Berliner Archiiekiwnuelt

modernen Keramik wie auch in den modernenKunstgläsern herrschenden ausgesprochenkoloristischen Richtung. — Im Einklang- hier-mit ist ferner versucht worden den Beschlägendes Leders durch Anlaufverfahren und künst-liches Patiniren eine Abtönung zu geben,welche den kalten Glanz und Schimmer desMetalls mildert. Dieser Teil der Arbeitwird Dr. ELKAN verdankt, der seinerzeit inJapan eingehende wissenschaftliche und prak-tische Studien in der farbigen Behandlungund Patinierung der Metalle gemacht hat.

Die Zeichnung; der Muster hält sich mitsicherem Takt völlig in den Grenzen reinerFlächenwirkung, Figürliches ist nur sparsamverwendet; zumeist handelt es sich um ver-schlungene Linienmotive moderner Zeich-nung und einfassende Streifen, oder umeinfaches natürliches Blattwerk, Früchte undBlumen. Gelegentlich kommt Landschaft-liches zur Verwendung. Ein Pinienzweig

Abbildung 199.

Abbildung- 200.

Schreibmappe. (Höhe 38 cm).

Nach dem Entwürfe von L. SÜTTERLIN

ausgeführt von W. COLLIN in Berlin.

Bilderrahnien. (Höhe 30 cm).

Nach dem Entwürfe von L. SÜTTERLIN

ausgeführt von W. COLLIN in Berlin,

mit der Mondscheibe gibt ein anspruchs-loses, an Japan erinnerndes Motiv. Von derbei den mittelalterlichen Lederarbeiten undauch neuerdings wieder mit Erfolg" ange-wendeten Technik des Auftreibens derFlächen in Verbindung" mit der gerissenenund geschnittenen Zeichnung1, wodurch eine.Reliefwirkung" des Musters erzielt wird, istabgesehen worden, ebenso von dem Punzendes Grundes. — Bei der Zusammensetzungder einzelnen Teile ist nichts verdeckt, dieNähte sind gesteppt und die Verbindungs-stellen in voller Ausdehnung sichtbar, beiKästen der Verschluss durch Kiemenund Schnallen m einfacher und praktischerAusführung bewirkt. Als Material ist mitRücksicht auf die Schnittarbeit Rindlederverwendet worden, so sehr sich auch dasweichere Kalbleder für die farbige Be-handlung empfehlen mochte.

Wie wir vernehmen, hat die Firma esunternommen, ihren Versuchen weitere Aus-dehnung zu geben und namentlich auchLederbezüge für Möbel in der geschildertenTechnik herzustellen. R. ß.

Page 152: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt H7

Abbildung- 201 Abbildung 202,

Vier Glasfenster für die Villa C. Knorr in Heilbronn a. N.Entworfen und'gezeichnet von PAUL GATHEMANN & MARNO KELLNER, Dekorationsmaler in Charlottenburg.

Ausgeführt von J. C. SPINK & CO. in Berlin.

Abbildung 203. Abbildung 204.

B.A.W. II. 4.

Page 153: ARC Berlin 1900

148 Berliner Architekturwelt

Abbildung- 205.

Glasfenster für die Villa C. Knorr in Heilbronn a. N.Entworfen und gezeichnet von FAUL GATHEMANN & MARNO KELLNER, Dekorationsmaler in Charlottenburg.

Ausgeführt von J. C. SPINN & CO., Berlin.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.": In dem engeren Wettbewerb um die Aus-

schmückung des Rathaussaales in Altana mit Wand-gemälden, der zwischen den Schöpfern der im erstenWettbewerb ausgezeichneten Entwürfe veranstaltetworden war, hat Prof. LUDWIG DETTMANN in Char-lottenburg den ersten Preis erhalten. Kr besteht inder Uebertragung der Ausfuhrung". In dem erstenWettbewerb hatte Dettmann nur einen zweiten Preiserlangt.

A In der Westhalle der Grossen Berliner Kunstaus-stellung; sind die Entwürfe für die Bismarcksäutenausgestellt worden. Die Art und Weise, in welcherdies geschehen, kann nicht scharf genug" gerügtwerden.

Nur ein Teil der Arbeiten ist, wie bei dergleichenKonkurrenzen üblich, ausgehängt worden, die übrigenArbeiten liegen in unordentlichen Haufen zum Teilauf zwei Tischen, die in den Ecken Platz gefundenhaben, zum Teil auf dem Fussboden.

Page 154: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 149

Abbildung 206. Abbildung 207,

Schrank, Zierschränkchen.In Cedernholz ausgeführt von FRIED, THiERICHENS Hofmöbelfabrik in Berlin.

Die Architekten, die es ab eine Ehrensache an-sahen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen,haben alle das Recht, vor dem Publikum zu Wortezu kommen, und es müsste eine Pflicht des be-treffenden Ausschusses sein, die Arbeiten aller derer,die sich beteiligt haben, würdig unterzubringen

Wir bemerkten unter den umherliegenden Entwürfensehr tüchtige, künstlerische Arbeiten, während zumTeil schwächliche Leistungen an den Wänden prangen.

Wer ist für die Auswahl verantwortlich? Es istuns unbekannt, ob ein Architekt bei dieser Ausstellungmitgewirkt hat, wir hoffen, dass es nicht der Fall ist.

Hält man es nicht für nötig, Rücksicht auf dieKünstler zu nehmen, deren Arbeiten, nebenbei be-merkt, wenig1 schonend behandelt worden sind, wieviele beschmutzte und beschädigte Kartons bezeugen,so müsste es doch die Rücksicht auf unsere Stadtund die sie besuchenden Fremden gebieten, eineAusstellung von so allgemeinem Interesse in ange-messener Weise zu arrangieren. Müssen wir inKunstdingen denn immer Barbaren bleiben?

Diese Ausstellung ist für jeden Fachgenossen, derbei Konkurrenzen mitwirkt, eine dringende Mahnungdarauf zu achten, dass die Ausstellung aller einge-lieferten Arbeiten in würdiger und gerechter Weiseerfolgt. ^ %

*X Für den Neubau einer Kirche in Köln-Linden-

thal hat die dortige evangelische Gemeinde einePreisbewerbung ausgeschrieben. Die Entwürfe sindbis 1. August einzuliefern. Die ausgesetzten Preisebetragen 500, 350 und 150 Mark. Die Bedingungensind gegen Einsendung von 1,50 Mark durch denPfarrer Schmick in Köln-Lindenthal, Uhlandstrasse 31,zu beziehen. .,

* * ' - . . • : • . "

•£ Die Bildhauervereinigung des Vereins Ber-liner Künstler in der deutschen Kunstgenossenschafthat eine auf die Errichtung von öffentlichen Denk-mälern bezügliche Kundgebung erlassen, in der fol-gende beherzigenswerte Mahnungen ausgesprochenwurden: „Kultur und Kunst erblühen immer mehr im

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r5° Berliner Architekhirwelt

Reich, an allen Orten entsteht der Wunsch, sich mitder Formenschönheit der Kunst zu schmücken, Heroender That und der Wissenschaft durch Denkmäler zuverewigen. Unverständnis aber, Mangel an Erfahrungund Ermangelung; von Beziehungen zur Kunst habenoft arge Missgriffe bei der Auswahl und Herstellungvon Künstwerken hervorgebracht, In diesem Sinnehat sich auch der Kaiser ausgesprochen, indem eres als nicht wünschenswert bezeichnete, im Interesseder Kultur und der Kunst, dass so oft Wiederholungenvon Kunstwerken und fabriktnässigen Abgüssen ent-stehen. Alle diejenigen, die im Begriff sind, einplastisches Kunstwerk entstehen lassen zu wollen,Komites, Behörden, Privatleute, haben unzweifelhaftimmer die beste Absicht, nur zu oft fehlt ihnen derrichtige Weg" zur Erreichung von Besserem. Deshalbhat die Büdbauervereinigung die Vermittlerrollezwischen Auftraggeber und Künstler übernommenund die Erteilung von Rat an diejenigen, welche einKunstwerk errichten wollen. Wünschenswert wärees daher, wenn die des Rats Bedürftigen sich an dieLeitung der Bildhauervereinigung wendeten mit ihrenWünschen, woraufhin die Vereinigung ihnen aus derReihe der Künstler mit Entwürfen und Katschlägenzur Erreichung ihres Zweckes behilflich sein würde.

Abbildung 208.

Abbildung 209.

Stuhl in Cedernholz, ausgeführtvon FRIED. THIERICHENS, Hofmöbelfabrik in Berlin.

Stuhl in Cedernholz, ausgeführtvon FRIED. THIKRICHENS, Hofmöbelfabrik in Berlin.

Alle derartigen Anfragen sind an das Künstlerhaus,Berlin, Bellevuestr. 3, zu Händen der Bildhauerver-einigung" zu richten/'

^ Mit der Ausführung des Kaiser Friedrich-Denkmals für Berlin^ das auf der Spitze der Mu-seumsinsel vor dem im Bau begriffenen Renaissance-museum errichtet werden soll, ist der MünchenerBildhauer Professor RUDOLF MAIBON definitiv be-auftragt worden, nachdem er mehrere Skizzen an-gefertigt hatte, aus denen die Kaiserin Friedrich einezur Ausführung gewählt hat.

# In Chemnitz soll ein König- Albert-Museumerbaut werden, dessen Entwurf durch einen Wett-bewerb unter den deutschen Architekten erlangtwerden soll. Es sind drei Preise von 4000, 2000und 1000 Mark ausgesetzt; die Summe von 7000 Markkann jedoch auch in anderer Form verteilt werden.Preisrichter sind Geh. Hofrat Prof. Giese in Dresden,Baurat Prof. Gottschaldt und Stadtbaurat Hechler inChemnitz, Stadtbaurat Prof. Licht in Leipzig, Prof.Gabriel Seidl in München und zwei Nichttechniker.Die Entwürfe sind bis zum 1. Oktober d, J. einzu-reichen, die Wettbewerb-Unterlagen können gegenEinsendung von 3 Mark von dem Rate der StadtChemnitz bezogen werden. Die Bausumme darf ohne

Page 156: ARC Berlin 1900

Berliner Architekiurzvelt 151

Abbildung- 210. * In dem unter den Mitgliedern des Architekten-vereins zu Berlin ausgeschriebenen Wettbewerb zurErlangung eines Entwurfes zu einem Dicnstgebäudefür das Fürstiich Schwarzburgische Ministerium inRudolstadi, sowie zu einer Minister - Dienstwohnungin Verbindung; mit Räumen für den Landtag erhieltenden ersten Preis Regierungsbaumeister AD. HÄRTUNG,je einen zweiten Preis die RegierungsbaumeisterF. KLINGHOLZ und A. BRESLAUER.

= Die Ausführung des schlesischen Bismarck-Denkmals, das in Breslau errichtet werden soll, istdem Bildhauer Professor PETER BREUER in Berlin aufGrund einer enteren Konkurrenz übertragen worden.

0 Der Aliaraufsats für die katholische Hers-Jesu-Kirche in Berlin, der bei der Einweihung derKirche, über die wir im ersten Hefte des zweitenJahrgangs unserer Zeitschrift (s. II S. 3—8) ausführlichberichtet haben, noch in Arbeit war, ist kürzlichnach dem Entwürfe des Erbauers der Kirche, ProfessorCHR. HEHL, in der Werkstatt des Ciseleurs O. ROHLOFFvollendet worden. Der Aufsatz ist wie die Kirche in

Abbildung- 21 i.

Stuhl in modernem englischen Stil.Entworfen und ausgeführt von W, RASCHKY & Co.

in Berlin.

die vorzusehenden späteren Vergrößerungen 700000Mark nicht übersteigen; auf die Einhaltung dieserSumme wird Wert gelegt.Auf dem vor der Petrikirchesich ausdehnenden NeustädterMarkte soll das Gebäude soerrichtet werden, dass es beider ersten Ausführung einfür sich abgeschlossenes fer-tiges Bild gewährt, dem mandie Möglichkeit der späterenErweiterung nicht ansehendarf, und dass es die Petri-kirche für den Blick von derKönigstrasse her nicht ver-deckt. Vorschläge, welchedem Museum eine andereStellung geben, als in derletztangeiührten Bestimmungvorgeschrieben, sollen jetlochvom Wettbewerbe nicht aus-geschlossen erden.

M Dem Bildhauer WIL-HELM HAVERKAMI' in Frie-denau ist nach voraufge-gangenem Wettbewerb untervier Bildhauern die Ausfüh-rung eines Denkmals desgrossen Kurfürsten für Min-den in Westfalen übertragen Modernes Sofa in polirtem Mahagoniholz mit bronzefarbenem Velvet und Applikation.worden. Nach dem Entwürfe des Architekten M. HIRSCHLER

ausgeführt von FLATOW & PRIEMER. In Berlin.

Page 157: ARC Berlin 1900

152 Berliner Architekt nrivelt

den Stilformen des XU. Jahrhunderts und auch in einerTechnik ausgeführt, die der der kirchlichen Pracht-bauten jener Zeit sich eng anschliesst. Er hat eineBreite von 2,75 m, eine Höhe von 3,5 m und stellteinen zweigeschossigen, unten durch einfache Felder-teilungj oben durch eineBogensteüung gegliedertenAufbau dar. Die unterenund oberen Felder ent-halten Reliefs. Die Be-krönung1 bildet ein Bogen-aufsatz, in dessen Mittezwischen den Evangelisten -Sinnbildern der thronendeErlöser dargestellt ist;darüber erhebt sich einKreuz. Der Altar ist inKupfer getrieben, im Feuervergoldet und mit Orna-mentstücken in Gruben-schmelz geschmückt. Dieumrahmenden Leisten unddas Kreuz sind mit Filigran-ranken und Halbedelsteinenin Kapselfassung verziert.Die bildhauerischen Mo-delle rühren von ProfessorO. GEYER her. In denReliefs, Darstellungen ausder Heilsgeschichte mitihren alttestamentlichenTypen, verbindet sich mo-dernes Empfinden mit derStrenge des mittelalter-lichen Reliefstiis. Die Ma-lereien auf Kupfer an denInnenseiten der Taber-nakehhüren sind von A.KLEINERTZ in Köln gc^fertigt.

gesollschaft Witzleben,

Abbildung 212.

A Zur Erlangung vonEntwürfen für eine neueBibliothek der Stadt Ha-genau i, E. ist ein öffent-licher Wettbewerb mit 3Preisen von 1500, 1000 und500 M. und mit Termin zum15. August ausgeschriebenworden. Unter den Preisrichtern befinden sich neben3 Vertretern der Stadt die Herren Min.-Rt. BEEMEL-MANS in Strassburg, Professor LEVY in Karlsruheund Professor FRIEDR. VON THIERSCH in München.Unterlagen sind gegen 3 M. durch das Bürgermeister-amt zu erhalten.

Vitrine in poliertem Mahagoniholzmit Elfenbeinadern und Knöpfen, Messingstangen

unVl geschliffenen Gläsern.Nach dem Entwürfe des Architekten M. HlRSCHLEK.

ausgeführt von FLATOW & PRIEMER in Berlin.

•$• Der seit vielen Jahren verödete, um den Liet/enseebei Charlottenburg gelegene Park Witslebett soll,zum Teil mit Landhäusern, bebaut werden. Zur Er-langung eines Bebauungsplanes hat die Terrain-Aktien-

die Eigentümerin des Ge-ländes, einen Wettbewerbunter den Mitgliedern desArchitekten Vereins und derVereinigung Berliner Ar-chitekten mit Termin zum20. Juni ausgeschrieben.Für die drei besten Plänesind ein erster Preis von1000 M. und zwei zweitePreise von je 500 M. ausge-setzt worden. Das Preis-gericht besteht aus den Her-ren W, BOOKMAN N,DirektorW.ElCHMANN und ProfessorF.WOLFFin Berlin, Garten*direktor GEITNER, Prof.BRUNO SCHMITZ und Stadt-rat TÖBELMANN in Char-lottenburg, Stadtbaurat a.D.BRIX in Wiesbaden undStadtbaurat GENZMER inHalle a. d. S.

• Für den Bau einesWaisenhauses in Altendorfin der Rheinprovinz, wel-ches zur Aufnahme von125 Waisenkindern dienenund nach dem Pavillon-system eingerichtet werdensoll, ist ein Wettbewerbunter den deutschen Archi-tekten veranstaltet worden.Ausgesetzt sind drei Preisevon 1500, ioco und 500 M.Die Unterlagen sind vondem Gemeindc-Bauamte inAltendorf zu beziehen. DasPreisrichter.imt werden dieHerren Regierungs- undBaurat ENDELL in Düssel-dorf, Geheimer BauratSTUBBEN in Köln, BauratGUCKUCK und BauratSCHMOHL in Essen, Korn-

munal-Baumeister RINGS in Altendorf und der Bürger-meister der Stadt ausüben, an den auch die Entwürfebis jsura 15. August einzusenden sind.

& Der Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlinhat auf Veranlassung der Parfümeriefabrik von JÜNGERund GEBIIARDT einen Wettbewerb zur Erlangung von

Page 158: ARC Berlin 1900

Berliner Architekt'urweli 153

Abbildung1 213, Abbildung1 214.

Heimkehr des Kosaken,Nach den Modellen von MORITZ WOLFF, Bildhauer in Berlin,

Abschied des Kosaken,von Tv. C, BUSCH in Berlin in echter Bronze ausgeführt.

Entwürfen zu zwei Plakaten ausgeschrieben und zwarzu einem Plakat für das Parfüm „Veilchenduft" undzu einem für Lanolin-Creme-Erzeugnisse. Die Ent-würfe müssen in natürlicher Grosse, farbig und zurReproduktion fertig ausgeführt sein. Die Firma hatfür jede dieser Aufgaben ausgesetzt: einen ersten Preisvon 500 M., einen zweiten Preis von 300 M., einendritten Preis von 200 M. Das Preisgericht haben

übernommen die Herren Professor LUDWIG DETT-MANN, ERNST FLKMM1NG, Professor MAX KOCH, MalerMELCHIOR LECHTER, Architekt BRUNO MÖHRTNG

und die beiden Inhaber der ausschreibenden FirmaEDUARD GEBHARDT und Dr. phil. OTTO VOLZ. Die

Wettarbeiten müssen spätestens bis zum 15. Septemberbei der Geschäftsstelle des Vereins, W., Bellevuestr. 3,Künstlerhaus, ungerollt eingeliefert werden.

BRUNO MÖHRING.

Verantwortlich für die Redaktjon; Dr. ADOLF ROSENBERG, Berlin. — Verlag von EKNST WASMUTH, Berlin W., Markgrafenstr. 35.Gedruckt bei JULIUS SITTENFELD, Berlin W. — Cüches von CARL SCHÜTTE, Berlin C.

Page 159: ARC Berlin 1900

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^x= BERLIN S.O., Mariannenplatz 12. — ~

LION KIESSLINGHERSTELLUNG

VORNEHMER WOHNRAEUMEMOEBEL * DHCORATION • HOLZARCHITEKTUR

F A B R I K : BERLtNSOWALDEMARSTR, 59

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DIE GROSSE

BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG.II.

^ ^ " ^ u den Veranstaltungen, die die Leitung^Jv-v getroffen hat, um der diesjährigen

J z ) Ausstellung eine besondere An-P^^W ziehungskraft zu geben, gehörenauch wieder einige Sammelausstellungen.Die Ehre, die damit einzelnen bevorzugtenKünstlern zu teil wird, ist freilich etwaszweifelhaft geworden, seitdem die Besitzerder privaten Kunstsalons mit der Aufnahmevon Sammelausstellungen einzelner Künstler,unter denen sich mehr unberufene als be-rufene befanden, äusserst verschwenderischverfahren sind. Die Leitung der GrossenKunstausstellung hat jedoch bis jetzt beider Zulassung von Sammelausstellungensolchen Takt bewiesen, dass ihr auch diestrengste Kritik keinen Missbrauch ihrerAmtsbefugnisse vorwerfen kann. Auch in'diesem Jahre bietet uns jede der Sammel-ausstellungen ein geschlossenes Bild einerkünstlerischen Individualität, die entweder

etwas Gutes oder doch etwas stofflich Neueszu sagen hat. Für den Besucher sind dieseSammelausstellungen in der langen Reiheder Säle auch angenehme Ruhepunkte, beidenen er gerne verweilt, zumal wenn, wiejetzt, die Gelegenheit gewährt wird, dieEntwicklung eines Talents in seinen einzelnenStadien oder die von einem Künstler aufeiner gewissen Höhe der Entwicklung er-reichte Virtuosität in möglichst vielseitigerEntfaltung kennen zu lernen.

Zwei von den Sammelausstellungen sinddem Gedächtnis Verstorbener gewidmet.Die eine ruft unserer Zeit die Erinnerungan den Tier- und Landschaftsmaler TEUT-

WART SCHMITSON wach, der 1863 in Wien,erst dreiunddreissig Jahre alt, starb, nach-dem er die wenigen guten Jahre seines aus-gereiften Schaffens in Berlin zugebrachthatte. Seine Zeit soll ihn, von einigenweitblickenden Kunstkritikern und Kunst-

B. A . W . II. 5

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^ Berliner ArchJtcktnrwcU

Abbildung 215.

Bismarcksäule. Entwurf von WILHELM KREIS, Architekt in DresdenEin erster Preis. Zur Ausführung" bestimmt,

freunden abgesehen, nicht verstanden haben,und es ist glaublich, da er, ohne Rücksichtauf sogenannte „schöne Komposition" nurauf starke koloristische Wirkungen ausging,die dem ästhetischen Gefühl der fünfzigerund sechziger Jahre nicht als das Höchstein der Kunst galten. Uns erscheint er da-gegen bereits als ein Idealist, der mit seinemwarmen goldigen Ton, mit seiner leuchten-den, aber zu wundervoller Harmonie zu-sammengestimmten Farbe, mit seinen oftsehr dramatisch bewegten Schilderungenaus dem Leben der ungarischen Puszta inschroffem Gegensatz zu dem öden, trockenenNaturalismus steht, der einen grossenTeil der

Tier- und Landschaftsmalereiunserer Zeit beherrscht.

Tn der zweiten dem Ge-dächtnis eines Todten gewid-meten Sammetausstellung, derdes im vorigen Jahre ver-storbenen Düsseldorfers CARL

GEHRTS, tritt uns nicht wie beiSchmitson die ursprünglicheKraft eines Genies, die denBeschauer unwiderstehlich ansich reisst und überzeugt,sondern nur ein gefälliges undanmutiges, nicht in die Tiefedringendes, aber ungemein viel-seitiges, leicht gestaltendesTalent entgegen. Gehrts hatmit seinem kaum überseh-baren Schaffen, mit seiner rast-losen Betriebsamkeit, die auchzu seinem frühzeitigen Endein geistiger Erschöpfung ge-führt hat, so ziemlich dasganze Gebiet der Malerei um-spannt — von der zierlichenVignette für die Buchverzie-rung bis zum monumentalenSchmuck grosser Wandflächen.Er hat es verstanden, allenStimmungen der menschlichenSeele Gestalt zu verleihen, inErnst und Scherz, in Lust undSchmerz, und die Ausstellung

gewährt uns in einer langen Reihe von aus-geführten Aquarellen, von Skizzen, Studienund Vorarbeiten für seine grossen monumen-talen und dekorativen Schöpfungen, unterdenen die Wandgemälde in der Kunsthalle inDüsseldorf und die Kartons zu den gemaltenFenstern im Hamburger Rathaus obenanstehen, einen Ueberblick über die erstaun-liche Vielseitigkeit seines Schaffens. DieGabe, gefällig und anmutig zu gestalten,und die ausserordentliche Lebhaftigkeitseiner Phantasie machen auch seine Arbeitengrossen Stils zu erfreulichen Schöpfungen;aber nicht in ihnen wurzelte, entgegen seinereigenen Meinung über sich selbst, seine Be-

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Berliner Architekturwell

Abbildung 216,

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Bismarcksäule. Entwurf von WILLY FRÄNKEL, Architekt in Dresden. Preisgekrönt.

gabung, sondern in seinenArbeiten kleineren UmfangsAdressen, Diplomen, Ehren-bürgerbriefen u. dgl. m., inseinen Aquarellen märchen-haften oder phantastischen In-halts und in seinen Illustra-tionen, aus denen uns ein stetsliebenswürdiger und urwüch-siger Humor in nie versiegen-der Frische der Erfindungs-kraft entgegenquillt.

Eine ungleich tiefer ange-legte, immer ernst und schwer-mütig gestimmte und aufgrosse Auffassung der Naturgerichtete künstlerische Per-sönlichkeit lernen wir ausder Sammelausstellung desjetzt in Berlin lebenden Land-schaftsmalers und -radierersFRIEDRICH VON SCHENNIS

kennen, der früher lange

dekorativenin seinen

Abbildung 217

Geometrische Ansicht und Grund-riss zu Abb. 216.

Jahre in Düsseldorf thätig gewesen ist.Mit seiner Ajtt, die Natur anzusehen oder

sie nur in ihren feierlichstenStimmungen, in ihren er-habensten Augenblicken zuschildern, vertritt er eineRichtung der Landschafts-malerei , die geraume Zeitunter dem Uebergewicht desrealistischen Landschaftspor-traits in geringer Achtunggestanden hatte, jetzt aber,wo die Phantasie in derdeutschen Kunst wieder ihrlange verkümmertes Rechtfordert, einem tieferen undwärmeren Verständnis be-gegnet. Die Motive zu seinenlandschaftlichen Schilderun-gen ' und freien Dichtungenhat F. von Schennis teilsdem Park von Versailles,teils der Umgebung Roms

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entnommen. Während dieBilder aus Versailles, dievon Bäumen und Gebüschumrahmten Wasserbeckender Fontänen mit ihrenmarmornen Göttern und

Göttinnen, mit ihrenNymphen, Tritonen undSeetieren, das dort Ge-sehene , die schweigendeMelancholie der stillen

Wasserspiegel bei herbst-licher Stimmung, in ziemlichtreuem Anschluss an dieNatur wiedergeben, hat derKünstler die römische Land-schaft mit echt dichteri-scher Freiheit behandelt, siegewissermaassen zum Echoseiner persönlichen Stim-mungen gemacht und dieNatur korrigiert, wo sieihm Unvollkommenes zubieten schien. BekannteBaudenkmäler, wie dieTriumphbögen des Titus

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Bismarcksäulen.

Entwürfe

von

BRUNO MÖHRING,

Architekt in Berlin.

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i 6 o Berliner Archiiekiurwelt

Abbildung 222.

Bismarcksäule.Entwurf von A. HARTMANN, Architekt in Berlin-Grunewald.

und des Konstantin, hat er in landschaft-liche Umgebungen versetzt, in denen ihrestolze Grosse ganz anders zur Geltungkommt als auf ihrem jetzigen Standort, undwo ein herrliches Landschaftsbild ganz derMitwirkung der Kunst entbehrte, hat eres durch einen frei erfundenen altrömischenTempel, durch eine Villa oder ein anderesBauwerk in seiner Pracht gesteigert.

Alle diese Landschaften zeigen ein nahezugleichmässig entwickeltes Können. Siezeigen ihren Schöpfer auf einer Stufe derVollendung, die er schon,vor etwa andert-halb Jahrzehnten erreicht hat und mit derer sein Schaffen abgeschlossen zu habenscheint. Andere Sammelausstellungen, wiedie von HANS BOHRDT und CARL BREIT-

BACH führen uns diese Künstler dagegenauf der gegenwärtigen Höhe ihres Schaffensvor. Bohrdt ist nicht bloss ein Meister in

der Schilderung grosser Haupt-und Staatsaktionen, die auf demMeere vor sich gehen, und beidenen der äusserliche Apparatoft das rein künstlerische Elementüberwuchert. Er hat wie nurwenige vor ihm die mit Blitzes-schnelle wechselnden Luft- undLichtstimmungen der nördlichenMeere, die den Landratten meistsehr unwahrscheinlich oder dochzum mindesten gesucht vorkom-men, mit echt deutscher Gründ-lichkeit und Geduld studiert undmit flottem Pinsel in einer grossenZahl von Gouachestudien festge-halten, die ein ebenso kräftigwie fein entwickeltes koloristi-sches Gefühl offenbaren. Im Ge-gensatz zu diesen Ausblicken aufdie See, die meist von trübenDunst- und Nebelgebilden verhülltsind, führt uns die Sammelausstel-lung BRETTBACHS in die bunte,unter warmer Sonne hell auf-leuchtende Welt von Südtirol.Die Natur und die Menschen fesselnden Künstler in gleichem Maasse.

Seine Landschaften, seine Architekturbilderund seine Innenräume sind mit Figuren be-lebt, die aber keineswegs blos kostümierteStaffage, sondern aus eingehenden Studienerwachsen sind. Einige grosse Kopfstudienin Aquarell dürfen sich sogar an Kraft undLebendigkeit der Charakteristik mit denTiroler Charakterköpfen Defreggers messen.Aber reizvoller als diese sind doch dieLandschaften mit ihrer sonnigen Heiterkeitund Frische, aus denen eine warme Be-geisterung für die idyllischen Reize Süd-Tirols spricht, die von den nur für diegrossartige Romantik der HochgebirgswettEmpfänglichen meist übersehen oder dochunterschätzt werden.

Was ERNST HAUSMANN in seiner Sammel-ausstellung bietet, die sich um ein Bildnisdes Landschaftsmalers Ernst Körner vonsprechender Aehnlichkeit und Lebendigkeit

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162 Berliner Architekturwell

gruppiert, ist offenbar die Ausbeute mehr-jähriger Studienreisen, deren künstlerischeZiele andere als diejenigen waren, denensich Hausmann in neuester Zeit zugewandthat. Aus den Studien aus Italien, besondersaus Sizilien, die sich auf Landschaft, Figuren,Interieurs, Architekturen, Strassenbikleru. dgl. m., also auf die ganze bunte Er-scheinungswelt des Südens erstreckt haben,lernen wir einen Koloristen von ernster,kräftiger Stimmung und von schöner Wärmedes Tons kennen, einen Künstler, der sichnicht, wie es jetzt leider die Mehrzahl derItalienfahrer thut, damit begnügt hat, seineMappe mit flüchtigen „Impressionen" zufüllen, sondern der jeder Einzelheit mit liebe-vollem Fleisse nachgegangen ist. Um somehr ist es zu bedauern, dass von demernsten Streben und Können, das sich indiesen Studien offenbart, in die neuestenteils symbolistisch -mystischen, teils derb-naturalistischen Schöpfungen Hausmannsso wenig übergegangen ist.

Einen Ueberblick über ihre ganze oderdoch über den grössten Teil ihrer künst-lerischen Entwicklung gewähren JOSEF

SCHEURENBERG und HANS MEYER in ihrenSammelausstellungen. Den ersteren begleitenwir von seiner Düsseldorfer Zeit, wo 1879das ernste, von feierlicher Stimmung durch-drungene Bild: „Die erste Kommunion" undeinige Jahre später das anmutige Rokoko-bild: „Die Werbung" erstanden sind, bis zuden neuesten Wandlungen seines malerischenStils, die durch die Bildnisse des Präsidentender Kunstakademie Hermann Ende und desDombaumeisters Raschdorff in ihren purpur-roten Senatorentalaren und durch eine „Licht-studie", einen Bauernhof mit einer Schweineund Hühner fütternden Magd, vertretenwerden. Die letztere ist wohl nur ein ko-loristisches Experiment, mit dem der Künstlerzeigen wollte, dass die impressionistischeMalweise beim Festhalten flüchtiger Licht-erscheinungen von Nutzen sein kann. Aberauch in der malerischen Behandlung derBildnisse der beiden Baukünstler, in demkreidigen, flauen Ton zeigt sich eine Neigung

zu der modernen Richtung, die diese Werkenicht gerade zu ihrem Vorteil von denälteren Bildnissen Scheurenbergs aus denachtziger Jahren unterscheidet. Von letzte-ren sehen wir in dieser Sammelausstellungzwei der köstlichsten, die in der Wärmedes Tons und in der plastischen Kraft derModellierung neben jenen fast wie Gemäldeeines alten niederländischen Meisters wirken:das des Philosophen Zeller und des Ham-burgischen vStaatsmannes Dr. Krüger. Die-selbe Eestigkeit der Modellierung und dengleichen Schmelz der malerischen Behand-lung" bewundern wir auch an dem Genre-bilde „Treues Geleit'4, an der Maria mitdem Kinde und den Engeln und der herr-lichen Mädchengestalt, einem wirklichenIdealbilde der „Virginitas". Zwei Entwürfezu den Wandgemälden im Berliner Rat-hause erinnern an Scheurenbergs Thätig-kek auf dem Gebiete der monumentalenMalerei.

Hans Meyer hat zwar die Kupferstecher-kunst zu seinem Hauptberuf erwählt; abersein künstlerisches Schaffen findet in derreproduzierenden Thätigkeit nicht die volleBefriedigung. Die Kraft seiner schöpferischenPhantasie hat er in einer Reihe von Zeich-nungen und Originalradierungen bewährt,in denen er das alte Thema des Totentanzes,des grausamen Ueberfalls fröhlicher Lebens-fülle durch den Knochenmann, in modernemGeiste mit durchaus eigenartiger Erfindungabgewandelt hat, und in einer langen Reihevon aquarellierten Landschaften und Archi-tekturstücken in feiner, zarter, wohl absicht-lich matt gestimmter Färbung tritt er voruns als inbrünstiger Freund schöner Naturund edlen Menschenwerks, der sich mitgleicher Liebe und Innigkeit in die Prachtitalienischer Villen und Gärten wie in dielauschigen Winkel süddeutscher Städtevertieft.

Die alte Sucht der berlinischen Maler,nach dem Orient zu ziehen und daheim vondessen Wundern in ihrer berauschendenFarbenpracht zu erzählen, veranschaulichtin diesem Jahre am stärksten MAX RABES

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Berliner Architekturwelt 167

mit einer Sammelausstellung, deren Mittel-punkt die im Herbst vorigen Jahres wäh-rend der Palästinafahrt des Kaisers ge-machten Studien bilden. Sie sind in grosserHast, oft unter den schwierigsten Umständenentstanden und danach zu beurteilen. Zu-meist kam es dem Künstler darauf an, ineiner mit flüchtigem Pinsel rasch hinge-worfenen Skizze die jeweilige Licht- undLuftstimmung, die den aufgewirbelten Staubdurchdringende Sonnenglut und die ausdiesem Gemisch von Staub und Hitze nochherausleuchtenden Lokalfarben mit mög-lichster Wahrhaftigkeit festzuhalten, unddiese Absicht hat er nach dem Zeugnis vonAugenzeugen in hohem Grade erreicht, ammeisten in der Truppen-revue des Kaisers in Da-maskus und dem Einzugder Majestäten in Jerusa-lem, Bei der Ausführungdieser und anderer dermitgebrachten Skizzen

wird er unzweifelhaft auchjene Sorgfalt in der Be-handlung der Einzelheitenund jene Schärfe in derCharakteristik der ver-

Abbildung; 228.

Plan des Verwaltungsgebäudesdes Zoologischen Gartens.

schiedenen Volkstypen erreichen, die mancheder ausgestellten Studien von früheren Reisenund die grossen Genrebilder, mit denen derKünstler seinen Ruf begründet hat, denSchwerthandel, die Stempelschneider inDamaskus und die Klagemauer in Jerusalemauszeichnen.

Ebenso willkommene Ruhepunkte wiediese Sammelausstellungen gewähren demBesucher auf seiner Wanderung durch dielange Flucht der Säle Bilder grossen Um-fangs, die zugleich durch ihren Inhalt Anlasszu längerem Verweilen geben. Aber dieZahl dieser Bilder steht auch in diesemJahre, trotzdem dass ein erfreulicher Auf-schwung gegen die früheren Jahre, un-geachtet der geringen Aufmunterung derMalerei grossen Stils durch Staatsankäufe,wahrzunehmen ist, noch in keinem richtigenVerhältnis zu dem riesigen Aufgebot von

mehr oder weniger gleichgültigen Bildnissenund Landschaften, namentlich von jener Artvon Landschaften, deren Hauptreiz in derkoloristischen Stimmung liegt. Die religiöseMalerei ist eigentlich nur durch ein einzigesBild von wahrhaft künstlerischem Gepräge,durch das schon erwähnte Gastmahl inKmmaus von RUDOLF EiCHSTAEDT vertreten,der freilich hier, ebenso wie bei seinemBeethoven, den die durch das Fenster herein-brechende Morgendämmerung noch bei derLampe nach durchwachter Nacht überrascht,hauptsächlich koloristische Ziele, die Lösungkomplizierter Licht- und Farbenproblemeangestrebt und mit schönem Erfolge erreichthat. Das Triptychon des Müncheners JULIUS

EXTRR, die Geschichte desersten Menschenpaares biszur Vertreibung aus demParadiese, ist kein eigent-lich biblisches Bild, son-dern dem Künstler nur ein

Vorwand gewesen, aufeinermöglichst weiten Flächealle Verwegenheiten desmünchener Naturalismus inseiner widerwärtigen Auf-dringlichkeit zur Schau zu

stellen. Ein inbrünstiges, religiöses Gefühlspricht dagegen aus dem dreiteiligen Bildedes Tirolers ALDIS DELUG, das auf dembreiten Mittelteil die Verehrung der Ma-donna durch die Kinder eines Ehepaarsdarstellt, dessen Bildnisse die schmalenFlügelseiten einnehmen. Auch mit derprofanen Geschichtsmalerei ist es schwachbestellt. Von künstlerischer Bedeutung isteigentlich nur ein figurenreiches Bild vonHERMANN GRIMM in Düsseldorf, das eineEpisode aus den Verfolgungen der Pro-testanten in den spanischen Niederlandenin echt historischem Geiste schildert: dieStatthalterin Margarethe von Parma be-gegnet, an der Spitze eines glänzenden Ge-folges von der Jagd zurückkehrend, einemZuge vertriebener Calvinisten, die mit ihrerärmlichen Habe ins Elend ziehen. In derernsten, tiefeindringenden Charakteristik der

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Abbildung- 22g.

Abbildung 230.

Katholische

Kirche

und Pfarrhaus in N

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von 1899.

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Berliner ArchitektttrweU 169

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Männer und Frauen, die mit finsteren Mienenihrer Bedrückerin nachblicken, erkennt manebenso wie in der liebevollen Behandlungder Landschaft den Schüler E. von Geb-hardts, der mit Peter Janssen in Düsseldorfdurch Lehre und Beispiel auf die Pflegeernster Geschichtsmalerei bedacht ist. InDüsseldorf hat sich auch der Berliner ERICH

MATTSCHASS ZU grosser dramatischer Energieder Darstellung und zu einem Reichtum undeiner Kraft des Kolorits emporgeschwungen,die seine früheren Schlachtenbilder ver-missen Hessen. Ein schönes Zeugnis dafürist das dreiteilige Bild, das uns mit staunens-werter Lebendigkeit und Wahrheit dreiHauptmomente aus den Kämpfen umBeaune la Rolande veranschaulicht. Nochzwei andere Kriegsbilder, in denen daskünstlerische Interesse neben dem stofflichennicht zu kurz gekommen ist, hat die Aus-stellung in der Darstellung des die Ent-scheidung der Schlacht herbeiführenden An-griffs des Gardes du Corps-Regiments aufdie russische Garde bei Zorndorf von demin Berlin lebenden Polen ADALBERT VON

KOSSAK und in der Erstürmung des Kirchhofsin Leuthen durch das dritte Bataillon Gardevon CARL RÖCHLING aufzuweisen. Währendauf ersterem Bilde der Zusammenprall derbeiden kämpfenden Massen mit starkerdramatischer Kraft geschildert ist, hat esRöchling verstanden, die langen Linien derheranstürmenden Garden trotz feiner Detail-arbeit mit der Winterlandschaft und demschweren Grau des Dezemberhimmels zueiner kräftigen koloristischen Gesamtwirkungzusammenzustimmen. ADALBERT VON RÖSS-LER hat in seiner Episode aus der Schlachtan der Lisaine die heroische Entschlossen-heit der preussischen Landwehr im todes-mutigen Draufgehen wahr und lebendigcharakterisiert und ebenfalls die winterlicheStimmung mit Geschick benutzt, dem furcht-baren Ernst des Moments eine wirksameSteigerung zu geben.

Von Werken der idealen Malerei grossenStils verdient eigentlich nur eines Er-wähnung und Anerkennung: eine figuren-

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i7o Berliner Archil ektit rzvelt

Abbildung 234.

Jagdhof auf der Herrschaft Witaszyce des Herrn von Dulong.Von LUDWIG OXTE, Architekt in Gross-Lichterfelde.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

Abbi ldung 2*5.

Grundriss zu Abbildung 234. \V *•

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Berliner Architekturweit 171

Abbildung1 236.

Wohnhaus Cauerstrasse 2 in Charlottenburg.Von ERICH WALTER, Architekt in Charlottenburg".

reiche, „ Vanitas" (Nichtigkeit) betitelteKomposition von der hochbegabten FrauCORNELIA PACZKA, die ihr grosses Könnenin der Zeichnung und Modellierung" nackterFiguren leider an einem mystisch-symbo-listischen Motiv verschwendet hat, das ohneeine eingehende Erläuterung, die uns derKatalog jedoch schuldig geblieben ist,schlechterdings unverständlich ist. DasGanze mit seinem tollen Wirbeltanz zahl-loser nackter Gestalten macht den Ein-

druck einer apokalyptischen Vision,eines jener grauenvoller Nacht-bilder, in denen uns der Götzendienstin der Verehrung eines riesigengoldenen Kalbes und die Strafenfür dieses und andere Laster dersündigen Menschheit in grellen Far-ben geschildert werden.

Einen erfreulichen Zuwachs hatdie Malerei grossen Stils durch dieerst Ende Juni eröffnete Ausstellungder oesterreichischen Künstler er-halten, namentlich durch das ge-waltige Bild des in Wien lebendenSerben PAUL JOANOWITS „Furorteutonicus", das mit urwüchsiger,wahrhaft genialer Kraft den Ueber-fall einer durch eine finstere Wald-schlucht marschierenden römischenLegion durch einen aus dem Waldes-dickicht von der Höhe herab-stünnenden germanischen Heer-haufen schildert. Es ist beachtens-wert, dass hier ein Slave ein nichtgeringes künstlerisches Vermögenaufgewendet hat, um der im Kampf

unwiderstehlichen germanischenVolkskraft eineEhrung darzu- Abbildung: 237-

bringen,Die Oesterrei-

eher haben essich natürlich an-gelegen sein las-sen , für Berlindas Beste auszu-wählen, was dieund die Plastik

in den letztenhervorgebracht

Malereiin WienJahrenhat, und es ist ihnen ge-lungen, ein ungemein an-ziehendes Bild zusammen-zustellen und zugleich einehöchst vornehme Wir-kung hervorzubringen.Neben meisterlichen Bild-nissen von LEOPOLD

Grundrisszu

Abbildung 336.

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T72 Berliner Architekturwelt

Wohnhaus Scharrenstrussc, Ecke Kirchplatz, in Charlottenburg,Von GUSTAV GERHARDT, Architekt, z, Z. in Budapest.

HOROWTCZ, JULIUS SCHMID und CARL

FRÖSCHL finden wir Landschaften vonAUGUST SCHÄFFER, EDUARD V. LICHTEN-

FELS, TINA BLAU, H. DARNAUT, A. DITT-

SCHEINER und ALFRED ZOFF, wScenen ausdem Volksleben, Genrebilder und Innen-räume mit Figuren von HANS TEMPLE,

L. BURGER, J, N. GELLER, G. A. HESSL,

CARL VON MERODE und FRANZ THIELI-;, in

denen sich eine glänzende koloristischeVirtuosität mit scharfer Beobachtung undjener gemütvollen, poetischen Anschauungverbindet, in der wir das beste Teil wiene-

rischer Kunst sehen-Wenn die deutschen,insbesondere die Ber-liner und DüsseldorferLandschaftsmaler imGrossen und Ganzenhinter ihren ösi er-rcichischen Kollegenauch nicht zurückste-hen, so sollten diedeutschen Maler dochvon den österreichi-schen Genrcmalernlernen, die, unbeirrtdurch die künstlichvon den Modernengenährte Abneigunggegen das Gegenständ-liche, den Inhalt einesKunstwerks, im Volks-tum wurzeln und anden Schilderungen ur-wüchsigen Volkslebensihre vielseitigen Kräfteerproben. Unzweifel-haft überlegen sind unsaber die Wiener Künst-ler in der Medaillen-und Plakettenplastik,was uns durch eineFülle der köstlichsten,in der Erfindung wiein der Ausführunggleich ausgezeichnetenArbeiten von ANTON

SCHARFE, FRANZ PAWLIK und STEFAN

SCHWARTZ zur Anschauung gebracht wird.Auf den Berlinischen Anteil an der

grossen Kunstausstellung noch näher ein-zugehen, können wir uns um so eher ver-sagen, als wir bereits eine Anzahl hervor-ragender Kunstwerke unsern Lesern vorAugen geführt haben und damit in dennächsten Heften fortfahren werden, wobeisich auch im Texte Gelegenheit zu einerWürdigung einzelner Werke bieten wird.Wer ohne Voreingenommenheit die Aus-stellung besichtigt und wer sich vor allen

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Berliner ArchilektnrweH 173

Dingen die Mühe genommen hat, sie gründ-lich zu durchmustern, der wird ihr dasZeugnis ausstellen müssen, dass die Aus-stellung von 1899 keineswegs hinter ihrenletzten Vorgängerinnen zurückgeblieben istund dass namentlich die Berlinische Kunstnicht die geringste Ursache hat, die ewigwiederholten, noch keiner Ausstellung er-spart gebliebenen Vorwürfe wegen Still-

Abbildung 239.

Stands, Marasmus und Rückschritts irgend-wie ernsthaft zu nehmen oder gar mitSorge in die Zukunft zu blicken. Welch'ein reger Geist das Berliner Kunstschaffendurchdringt, hat sich in diesem Jahre be-sonders auf dem Gebiete der Plastik gezeigt,auf dem eine Anzahl verheissungsvollerTalente zum ersten Male hervorgetretensind. Adolf Ro$enbergt

Kirchgang. Von MAX LIEBERMANN in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von 1899.

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

Im Juni dieses Jahres ist in dem VorortWeissensee bei Berlin eine katholischeKirche eingeweiht worden, die nach denPlänen der Architekten MORITZ und

WRLZ in Berlin im Laufe von zehn Monatenerbaut worden ist. Unsere Abbildung 229giebt nach der Zeichnung der Architektenauf der Grossen Berliner Kunstausstellungeine perspektivische Ansicht der Kirche,

die mit dem angrenzenden Pfarr- und Schul-haus (s. den Grundriss rechts oben) einezusammenhängende Baugruppe bildet, überder der mächtige, oben ins Viereck über-geführte Turm, dessen Mauern Aussen-maasse von 11 zu 8 m haben, bis zu einerHöhe von 70 m emporsteigt. Die Kirchestellt sich als eine dreischiffige Anlage mitQuerschifT und Emporen dar, die um dasganze Mittelschiff herumgeführt sind. Im

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i74 Berliner Architektit-rwelt

Turm sind zwei Emporen über einanderangebracht -worden. Die Orgel hat ihrenPlatz auf der Empore hinter dem Altarerhalten, und links von ihr befindet sichdie Empore für die Sänger. -— Der Schubder Gewölbe ist in der üblichen Weisedurch Strebepfeiler und Anker abgefangen.— Von den nötigen Treppen liegt die eineder Emporentreppen auf der einen Seiteim Pfarrhaus, eine zweite in dem sich an-

Abbildung 240.

ist in Putz ausgeführt, und auch die Kapitaleund sonstigen Schmuckteile sind in Putzangetragen. Nur für die Brüstungen undden Chorumgang ist Kunstsandstein ver-wendet worden. Der Fussboden ist mitMettlacher Fliesen belegt. — Die Baukostenbetrugen 270000 M., wozu noch 30 000 M.für die innere Einrichtung (Orgel, Altar,Kanzel, Bänke u. s. w.) kommen.

Von den Mitarbeitern sind besonders

Auf dem Lande. Von FRANZ SKARBINA in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von lügt).

schliessenden Schulhause. Beide Treppendienen zugleich zur Benutzung für dieseNebengebäude. Die Kirche bietet Raumfür 1000 Sitz- und 800 Stehplätze.

Da den Architekten nur verhältnismässigbescheidene Mittel zur Verfügung standen,mussten sie bei der Wahl der BaumaterialienSparsamkeit walten lassen. Für das Aeussere,dessen Architekturformen frühgotischenStilcharakter zeigen, haben rote Handstrich-steine mit Verwendung von äusserst wenigenGlasur- und Profilsteinen gedient. Das Innere

ROBERT SCHIRMER in Berlin (Bildhauer-arbeiten), A. MARWITZ, AUGUST STIMMING

und P. GOLDE (Schlosserarbeiten), DIODEN

und BUSCH in Schöneberg und die MAYER-sche Kunstanstalt in München (Vcrglasungen)und Tischlermeister WlTZICK in Berlin (Kom-munionbank) hervorzuheben. Die Maurer-arbeiten sind von Maurermeister SCHÖLTZin Charlottenburg, die Zimmerarbeiten vonRatszimmermeister A. TETZLAFF in Berlinausgeführt worden, —

Die schlesische Stadt Jauer hat vor kurzem

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Berliner Architckturwclt l7S

Abbildung 241.

Dämmerung. Von VICTOR FREUDEMANN in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von 1899.

durch den Neubau ihres Rat-hauses eine monumentaleZier erhalten, die einemBerliner Architekten, demProfessor an der König-lichen Kunstschule, HER-MANN GUTH, verdankt wird.Nachdem er 1895 a^s Siegeraus einem Wettbewerb her-vorgegangen > wurde ihmauch die künstlerische Ober-leitung- der Bauausführungübertragen, die in der kurzenZeit von i3/* Jahren (vonAnfang 1896 bis Ende Sep-tember 1897) erfolgt ist.Der Neubau, der die Mittedes „Rintrs", des Markt-

platzes , einnimmt, ist aufder Stätte des alten Rat-hauses errichtet worden, dasim März 1895 durch Brandzerstört worden ist — bisauf den hochragendenTurm.Als Wahrzeichen der Stadtsollte dieser erhalten unddem Neubau einverleibtwerden. Er wurde gewisser-maassen der Angelpunkt fürdie Grundrissbildung und istauch für die Aussenarchi-tektur maassgebend gewor-den, die sich — der Turmist 1537 vollendet worden— in den Formen der deut-schen Renaissance, anklin-gend an die örtliche Fär-,bung dieses Stils in Schle-sien, darstellt (Abb. 230).Mit grossem Geschick hates der Architekt verstanden,den alten Turm mit derneuen Baugruppe, insbeson-dere mit dem Dach zueinem völlig einheitlich wir-kenden Organismus zu Ver-

Abbildung; 242.

Herrenbildnis. Von GEORG LUDWIG MEYN in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von 1899.

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iy6 Berliner Architekturwelt

binden. Besonders glücklich ist das Motivder Turmbckrönung in der des Eckerkersder Hauptfront in verjüngten Maasstabcwiederholt worden.

Der Unterbau ist in Granit, die Struktur-teile vsind aus Sandstein hergestellt, dieFlächen unter Anwendung einer Glassand-mischung verputzt worden. Die ornamentaleMalerei der Fronten hat Professor KÜPERS,Lehrer an der Kgl. Kunstschule in Berlin,

Neubau des Rathauses einbegriffen werden,sind aber von den Rathausräumen durchBrandmauern geschieden worden.

Die Anordnung" der einzelnen Räume imErdgeschoss und den oberen Stockwerken istaus den Grundrissen (Abb. 231—233) er-sichtlich. Im ersten Stockwerk befindet sichan der Ecke des Gebäudes das Magistrats-sitzungszimmer, an das sich an der Markt-seite die Zimmer des Bürgermeisters und

Abbildung 243.

Abend in der Marsch. Von OSKAR FRENZEL in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von 18yy.

in Silicatfarben ausgeführt, und aus derKgl, Kunstschule sind auch die Modelle zuden Zierteilen der Facaden hervorgegangen.

Da das alte Rathaus mit mehreren an-deren Gebäuden, die bei dem Brande ver-schont geblieben sind, zusammenhing undbei dem Neubau darauf Rücksicht genommenwerden musste, boten sich dem Architektennur zwei Fronten zu baukünstlerischer Ge-staltung: die an der Liegnitzerstrasse unddie dem Markte zugekehrte Hauptfront, andie sich rechts das Stadttheater anschliesst.Einige zu diesem gehörige Räume (beson-ders Ankleidezimmer) mussten noch in den

der Beigeordneten und ein Deputations-zimmer, an der Seite nach der LiegnitzerStrassc das Magistratsbureau, das Standes-amt und das Bureau für die Alters- undInvaliditätsversicherung anschlicssen. Dengrössten Teil des Kellergeschosses nimmtder Ratskeller nebst der Wohnung desWirts ein. Ausserdem sind darin die Central-heizung und einige Gefangenenzellen unter-gebracht, die zu den Räumen des Polizei-amts im Erdgeschoss gehören.

Die Kosten des in allen Teilen feuer-sicher hergestellten Gebäudes betragen170000 M., wozu noch 25000 M. für das

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Berliner Archiiekturwelt "77

Tnventar und die sonstige Ausstattung desInnern kommen. —

Ueber die Entstehung des Entwurfs zudem Jagdhof für Witaszyce (Abb. 234 u. 233),der zu dem in der Pro-vinz Posen gelegenenSchlosse des Herrn vonDulong gehört, dessenUmbau LUDWIG OTTE

in Gross - Lichterfeldeausgeführt hat (s. Jahr-gang I. dieser ZeitschriftS. 90), verdanken wirdem Architekten fol-gende Mitteilungen. Dadas Jagdgebiet derHerrschaft Witaschützetwa eine halbe StundeFahrzeit von dem

Schlosse entfernt liegt,erwies es sich ats not-wendig, in diesem Ge-biete eine Försterwoh-nung zu schaffen, undausserdem schien esbequem, hier zugleichRäume zu gewinnen, indenen die Jagdessenabgehalten werden undin denen auch der Be-

sitzer übernachtenkonnte, wenn es sichdarum handelte, amandern Morgen rechtfrüh zur Jagd aufzu-brechen. Das Geländeist hügelig und starkbewaldet; auf der höch-sten Erhebung findensich Reste einer altenBurg. Zunächst war inAussicht genommen

worden, an dieser Stelle die alte Burg wie-der aufzubauen; aber Rücksichten auf denFörster und dessen Familie besiegten diesehistorische Anwandlung, und so wurde alsBaustelle das von einem sehr schnell fliessen-den Bach durchströmte Thal zu Füssen des

Abbildung; 244.

Porträtstatuette.

Von FRITZ KLIMSCH in Charloltenburg.

Ausstellung der Berliner Sccession von 189c

Burgbergs gewählt. Das im Geiste bereitsfertig gewordene Bild der Niederlassungauf dem Berge wollte sich aber nicht mehraus der Phantasie des Künstlers verdrän-

gen lassen, und darauserwuchs der gegenwär-tige Plan, dem folgen-

der Gedankengang,natürlich als poetischeFiktion,zu Grunde liegt.Den Kernpunkt derneuen Anlage bildet ein

anscheinend uralter,trotziger Rundturm mitstarken Quadermauern.An diesen hat man dann— an der Wende des16. Jahrhunderts — einWohnhaus angebaut,

das später, so gut esging, als Försterwoh-

nung hergerichtetwurde. Im 18. Jahrhun-dert baute dann derlebens- und jagdlustigeBesitzer das kleine Jagd-schloss für sich undseine Gäste, richtete or-dentliche Stallungen einund rundete das Ganzezu einem Jagdhofe ab.

Für die Aussenarchi-tektur hat Ottc wiederjene Barockformen ge-wählt, die er mit feinemGefühl für rein male-rische Wirkungen beiVermeidung jedes Auf-wandes an plastischerOrnamentik besondersbei den LandhäusernGriebenow und Imel-

Kolonie Grunewald ange-Er hat sie aber nicht vonmann in der

wendet hat.französischen Vorbildern der Barockzeit ab-geleitet, sondern vornehmlich von länd-lichen Edelsitzen in Mecklenburg, die, voneinheimischen Architekten erbaut, bereits

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i ; 8 Berliner Architekitirwelt

Abbildung 245. eine dem Geschmack und den Lebensgewohnheiten derBewohner entsprechende Vereinfachung- des französi-schen Barockstils zeigen. —

Die am Kurfürstendamm gegenüber der Einmün-dung der Kurfürstenstrasse gelegene Bautengruppe fürden Zoologischen Garten, die verschiedenartigenZwecken dient, ist im Juli nach elfmonatiger Bauzeitder Benutzung" und dem Verkehr übergeben worden.vSie ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, über d^n wirim ersten Jahrgang dieser Zeitschrift (S. 35—53) ein-gehend berichtet haben. Das mit dem ersten Preiseausgezeichnete Projekt der Architekten ZAAR und VAHL

ist unter deren Leitung zur Ausführung gelangt, miteinigen nicht unwesentlichen Aenderungen. Die Höhen-verhältnisse des Verwaltungsgebäudes sind durch Hinzu-fügung des Kellergeschosses gesteigert worden, unddas Dach hat durch die dem japanischen Stil mehr ent-sprechende Ausschweifung und durch Zuthaten vonSchornsteinen und Fensteröffnungen eine lebendigereGestaltung erhalten.

Die Gruppe umfasst ausser dem Verwaltungsgebäude(Abb. 225 und die Details davon Abb. 226 und 227)ein linksseitiges Pförtnerhaus, ein Thor für den Wirt-schaftshof, den Haupteingang für das Publikum (dassog. japanische Thor) und ein rechtsseitiges Pförtner-haus mit Unfallstation und einer Fahrradhalle. — Fürdie äussere Erscheinung der Gebäude ist eine reicheWirkung durch Verwendung von farbigem Ccment-stuck, Vergoldung, japanischen Malereien, Holzbildhauer-arbeiten und rot- und grünglasiertcn Ziegeln für die Dächerangestrebt worden. Die Architekturteile sind ausschlesischem Sandstein hergestellt, die Flächen weissverputzt. Das Dach ist nach japanischer Art mit reicherHolzarchitektur konstruiert. Wände und Decken sindmassiv, die Treppe ist nach Moniersystem hergestellt.Für die plastischen Arbeiten hat RlEGELMANN dieModelle geliefert. Die Steinmetzarbeiten haben Ge-brüder ZEIDLER, die Malerarbeiten M. J. BODENSTEIN,

die" Bronzebeschläge der Hauptthore METHLING und GLEICHAUF in Charlottenburg unddie Dachdeckerarbeiten NEUMEISTER in Berlin ausgeführt. Die Baukosten für die ganzeAnlage betrugen 288 500 M., wovon 150 000 M. auf das Verwaltungsgebäude, 65 000 M.auf das japanische Thor, 27000 M. auf die Fahrradhalle, 22000 M. auf das rechts-seitige, 20 000 M. auf das linksseitige Pförtnerhaus und 4500 M. auf das Wirtschafts-thor kamen.

Die in einfachen Barockformen komponierte Facade des W'ohnhauses Cauerstrasse 2in Charlottenburg (Abb. 236), das von ERICH WALTER in Charlottenburg unter Mitwirkungdes Architekten J. HART erbaut worden ist, ist mit hydraulischem Kalk auf Mauerwerkvon Rathenower Steinen verputzt. Die Ornamente der Fassade sind in frischem Mörtel

Die Wahrheit.Von HANS DAMMANN in Charlottenburg.

Grosse Berliner Kunstausstellungvon 1S99,

Page 182: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 179

Abbildung1 246.

Nymphe. Von PAUL AlCHELE in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

angetragen (Bildhauer WAR-MINSKY und SCHINDLER). An

dem inneren Ausbau ist bemer-kenswert, dass die Fussbödender Küchen und Badezimmer inTerrazzo auf massiven Deckenhergestellt worden sind. —- DieHaukosten betrugen 100 000 M.

MALEREI.Die in diesem Hefte reprodu-

zierten Gemälde sind sämtlichder Ausstellung der „ BerlinerSecession" entnommen, deren ver-schiedene, zum Teil völlig ent-gegengesetzte Richtungen sie ancharakteristischen Beispielen zei-gen. Der Führer der Secession,MAX LIEBERMANN , hat in der

neuesten Zeit seine künstlerischenBestrebungen fast ausschliesslichauf die Lösung des Haupt-

problems, das die moderne Koloristikbeschäftigt y auf eine Wiedergabealler Wirkungen des Sonnenlichts ge-richtet, die dem Eindruck, den wir inder wirklichen Natur empfangen, mög-lichst nahe kommen will. WelcheFortschritte er bei diesen heissen Be-mühungen gemacht hat, lehrt ein Ver-gleich zwischen einem auf der Aus-stellung befindlichen älteren Bilde, den„Amsterdamer Waisenmädchen", diesich im Garten des Waisenhauses imSonnenschein ergehen oder sich mitWäschenähen beschäftigen, und zweiBildern neuesten Datums, dem „Schul-gang" und dem „Kirchgang" (Abb.239).Hat jenes den Vorzug stärkerer plasti-scher Wirkung, so sind die neuen Bil-der dafür von lebhafterer und reichererkoloristischer Stimmung, und die sichauf dem Erdboden wiederspiegelndenSonnenstrahlen haben an Leben undBewegung gewonnen. Ob es aberder Malerei mit den materiellen Mitteln

Abbildung 247.

Weiblicher Studienkopf. Von LUDWIG MANZEL in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899,

B. A.W. II. 5. n

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i8o Berliner Architekturwelt

Abbildung 248.

Der Gartenbau. Zinnreiief. Von LUDWIG MAN7.K1, in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung; von 181.Q.

der Farbe jemals gelingen wird, dieflüchtigste aller sinnlichen Erscheinungen,das Glitzern und Flimmern, das immerwechselnde Bewegungspiel der Sonnen-strahlen, glaubwürdig auf der Leinewandfestzubannen, scheint uns nach dem gegen-wärtigen Maasse menschlicher Erkenntnisunwahrscheinlich.

Das wissen die Maler ebenso gut wiewir, Diese Erkenntnis hält sie aber nichtdavon ab, in frohem Bewusstsein eines reichentwickelten Könnens immer nach denhöchsten Zielen zu streben. Ein solches

scheint uns VICTOR FREUOEMANN in seinem„Dämmerung" genannten Stadtbilde erreichtzu haben, einem Blick auf die roten Ziegel-dächer und den Kirchturm einer altenvStadt, über die steh die Schatten desAbends her abgelenkt haben, mit dentnaber die aus den Fenstern der Häuserdringenden Lichtstrahlen von Lampen undKerzen einen Kampf aufnehmen, den derMaler mit grossem Geschick zu einemStimmungsbilde von feinem poetischen Ge-halt gestaltet hat (Abb. 241). Noch zarter undfeiner hat FRANZ SKARBIXA die poetischen

Abbildung 249.

Die Lithographie. Zinnreiief. Von LUDWIG MANZEL In Berlin.Grosse Berliner Kui^tau Stellung von 1H99.

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Reize der Abenddämmerung" in seinem Idyll„Auf dem Lande" (Abb. 240) ausgesponnen,wo die junge, am Ufer eines sanft dahin-gleitenden Flüsschens einherwandelndeDame mit voller Empfänglichkeit diese Reizeauf sich einwirken lässt, während das kleineMädchen neben ihr nach Kinderart mit sicht-licher UnempfindUchkeit gegen den stillenZauber eines friedlichen Abends einher-trottet. Den Abendfrieden der Natur spie-gelt auch die Marschlandschaft mit weiden-den Rindern (Abb. 243) von OSKAR FRENZEL

wieder, der auch den einfachsten Motivendes norddeutschen Flachlands eine feierliche,über das Alltägliche gesteigerte Stimmungabzugewinnen weiss. In der Art, wie erTiere und Landschaften zu geschlossenerWirkung" zusammenstimmt, kann er sich mitden besten niederländischen Meistern des17. Jahrhunderts messen, von denen er sichsonst freilich durch seine völlig freie male-rische Behandlung unterscheidet.

Der Bildnismaler GEORG LUDWIG MEYN

vertritt in der „Berliner Secession" daskonservative Element. Sein Bildnis einesmit liebevollem Wohlwollen auf die Dingedieser krausen Welt blickenden, grauhaari-gen Herrn (Abb. 242) hat vorzügliche zeich-nerische und malerische Eigenschaften, vondenen aber wohl keine zu denen gehört,die für die künstlerische Eigenart der„Secession" als charakteristisch gelten.

PLASTIK.In der Ausstellung der „Berliner Seces-

sion1* befindet sich auch die Porträtstatuetteeiner Dame von FRITZ KLIMSCH, die unsereAbbildung 244 wiedergiebt. In seinerskizzenhaften, aber ungemein geistvollenBehandlung ist dieses kleine Bildwerkhöchst charakteristisch für jene moderneRichtung in der Plastik, die in ihrer nervö-sen Beweglichkeit und Lebhaftigkeit ihrHauptinteresse auf den Ausdruck geistigenLebens konzentriert. Während der Kopfmit äusserster Feinheit modelliert ist, istdas Kostüm der Dame nur flüchtig angelegt.Aber gerade durch diese scharf kontrastie-

rende Behandlung des Stofflichen und derFleischteile des Kopfes hat der Künstlereine feine malerische Wirkung" erzielt, dieden Schein des Lebens aufs Höchste steigert.

Die übrigen Bildwerke dieses Heftes ge-hören der grossen Kunstausstellung an.Sowohl in dem weiblichen Studienkopf,der fast völlig frei aus einem Stück griechi-schen Marmors mit ungewöhnlicher plasti-scher Kraft herausgemeisselt worden ist(Abb. 247), wie in den beiden für einendekorativen Zweck bestimmten Zinnreliefs,die den Gartenbau und die Lithographiesymbolisieren (Abb. 248 u. 249), hat LUD-"WIG MANZEL eine Feinheit und Tiefe derEmpfindung offenbart, die er bisher in seinengrossen monumentalen und dekorativen Ar-beiten nur selten zeigen konnte. Aus denZügen des aufwärts blickenden Mädchensspricht innige, demutsvolle Hingebung aneinen höheren Willen. Dieses Antlitz istder Spiegel einer reinen Seele, die sich ausdem Staube emporringen will. Mit gleichertechnischer Meisterschaft wie hier die volleRundung blühenden Lebens hat der Künstlerin den beiden allegorischen Darstellungendas Flachrelief in seinen zartesten Ab-stufungen behandelt. Danach wäre er derrichtige Mann, um der Berliner Medaillen-plastik neben der französischen und öster-reichischen eine ehrenvolle Stellung zu er-ringen.

Unter den Bildhauern, die auf der grossenKunstausstellung zum ersten Male die all-gemeine Aufmerksamkeit durch reifeSchöpfungen auf sich gelenkt haben, stehenHANS DAMMANN und PAUL AICHELE in

erster Reihe. Obwohl Dammann, dessenkünstlerischen Entwicklungsgang wir schonim vorigen Heft (S. 133 — 135) skizzierthaben, in seinem Empfinden und Denkenvöllig der modernen Schule angehört, suchter in der Natur niemals das Hässliche,sondern stets das Schöne und Erfreulicheauf, und diese warme, begeisterte Liebe zuedler Schönheit giebt sich auch in seinerGestalt der Wahrheit kund, die im Dunklengethront, aber jetzt ihr Gewand abgelegt

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Berliner Architekturweit

Abbildung 252.

Architekt Bauinspektor SCHRÖDER,

Studio zu einer Diele für Schloss Diepensecvom WILHELM KIMBEL i. Fa. KlMBEL & FRIEDERICHSEN in Berlin.

hat und in stolzer, hüllenloser Nacktheit da-steht, alles um sich herum erhellend undbeleuchtend (Abb. 245).

Paul Aichele ist kein Jüngling mehr.Aber er hat sich bisher nur selten auf dergrossen Kunstausstellung zeigen können,weil seine Thätigkeit vornehmlich für dieKunstindustrie, für die Kleinplastik für denRronzeguss in Anspruch genommen war.1859 in Markdorf in Baden geboren, hater nach praktischer Vorbildung im bildne-rischen Handwerk seit 1875 zwei Jahrelang die Kunstschule in Stuttgart besucht,wo er besonders den Unterricht Donndorfsgenoss, und 1879 ging er nach Berlin, woer seine Studien in der Aktklasse desKunstgewerbemuseums fortsetzte. Obwohler bald genötigt war, durch dekorative undkunstgewerbliche Arbeiten dem Erwerbe

nachzugehen, hat er doch in seinen kurzenLehrjahren den Grund zu einer gediegenenKenntnis des menschlichen Körpers gelegt.Das hat er in diesem Jahre auch zum erstenMal an einer grossen Arbeit bewiesen: derlebensgrossen, für Bronzeguss bestimmtenGipsgruppe „Neckerei", die das harmlosunschuldige Spiel eines Knaben und einesMädchens in idyllischer Nacktheit dar-stellt, die an jener Grenze stehen, wo sich,ihnen noch unbewusst, der Uebergang vomKnaben zum Jüngling, vom Mädchen zurJungfrau vollzieht. Dieselbe Sicherheit inder Formenbehandlung, die diese Gruppeerkennen lässt, zeichnet auch die anmuts-volle Halbfigur einer Nymphe aus, die inihrer weichen Schönheitsfülle auf Ausfüh-rung in Marmor berechnet ist (Abb. 246).

A. R

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Berliner Architekturwelt 185

Abbildung; 253,

Grabkreuz aus Schmiedeeisen und schmiedbarerBronze, nach Angaben des Architekten WILHELMSCHMIDT in Berlin entworfen und gezeichnet vonSCHULZ & HOLDEFLEISS, Kunstschmiede in Berlin.

DEKORATION UND KUNST-GEWERBE.

Im dritten Hefte des laufenden Jahrgangshaben wir unseren Lesern einige Probenvon dem vielseitigen und umfangreichenSchaffen des Malers ALBERT MAENNCHEN

(Abb. 146—148) geboten, denen wir jetzteine grössere Anzahl folgen lassen, die dieVielseitigkeit seines Könnens noch deut-licher und reicher veranschaulichen. Ob-wohl seine Thätigkeit sich auf alle Gebieteder Malerei erstreckt, hat er in neuerer Zeitseinen Schwerpunkt in der dekorativenKunst und in Entwürfen für das Kunst-gewerbe gefunden. Neben Plakaten undZeichnungen für den Buchschmuck hat erdabei die dekorative Wandmalerei, die figür-liche wie die rein ornamentale, bevorzugtund eine Reihe von Entwürfen für Innen-dekorationen, die zum Teil auch ausgeführtworden sind, geschaffen, in denen sich einmit reicher Phantasie und feinem Farben-sinn begabtes Talent offenbart, das zwaraus dem Boden der modernen Richtung er-wachsen ist, aber im übrigen seine eigenenWege geht und das gute Erbteil klassischerEpochen mit den freien Regungen des mo-dernen Kunstgeistes mit Geschick und Ge-schmack zu verschmelzen weiss.

Abbildung 254,

Thorweg für den Neubau der L. C. Wütich'schenHofbuchdruckerei in Darmstadt,

Nach dem Entwürfe des Architekten KRITZLERgezeichnet von SCHULZ & HQLDEFLEISS,

Kunstschmiede in Berlin.2 m hoch, 3,30 m breit.

Page 189: ARC Berlin 1900

iS6 Berliner Architekturwelt

Abbildung1 255.

Thür im Kaufhaus N. Israel, Ecke Spandauer- und Königstr.Nach Angaben von LUDWIG ENGEL, Architekt in Berlin,entworfen und ausgeführt von SCHULZ & HOLDEFLEISS,

Kunstschmiede in Berlin.

In Albert Maennchen hat sich schon früh-zeitig der Künstler geregt. Am 30. Mai1873 in Rudolstadt geboren, hat er bereitsmit dreizehn Jahren, noch als Schüler, seineersten Kunststudien unter der Leitung seinesälteren Bruders Adolf Maennchen, des treff-lichen Landschafts- und Genremalers, be-gonnen, als dieser noch Akademiker war.Später durfte er an grossen dekorativen Ar-beiten des Bruders mitwirken, und dadurchgewohnte er sich früh daran, in grossemMaassstabe zu arbeiten. Nachdem er nocheine Lehrzeit bei einem Malermeister durch-gemacht, besuchte er seit 1890 die Schule

zeigt

des Berliner Kunstgewerbemuseums,wo ihn , besonders der UnterrichtMax Kochs sehr förderte. Aber dieNotwendigkeit, für seinen Lebens-unterhalt selbst sorgen zu müssen,Hess ihn den Unterricht nur mitUnterbrechungen geniessen. Wenner am Tage studierte, musste erdes Nachts Muster für Geschäftezeichnen oder er arbeitete den Tagüber bei Malermeistern und studiertein den Abendstunden. Danebenstrebte er unermüdlich nach weitererAusbildung, und noch von 1897 bis1898 war er längere Zeit Schülerdes Professors Scheurenberg <m derBerliner Hochschule für die bilden-den Künste.

Grössere dekorative Malereienhat er sowohl in Berlin als auch be-sonders in Danzig ausgeführt, wo eru. a. die Vorhalle und das Vestibüldes Hauptpostamtes mit figürlichenund ornamentalen Fresken ge-schmückt hat. —

Die Abbildungen 250 bis 252 sindEntwürfe aus dem Atelier der Kunst-tischler KIMBEL und FRTEDERICHSEN,

die noch nicht oder nur in ver-änderter Gestalt ausgeführt wordensind. Die Kamin wand (Abb. 250)ist ein Teil eines Entwurfs, der fürden Ausbau einer grossen Dielegemacht worden war. Der Entwurf

romanischen Stilcharakter in freier

Erneuerung-. Zur Ausführuno; sollte Eichen-holz dienen, mit sparsamer Verwendung vonFarbe im Grund der Ornamente. War dieserEntwurf für ein grosses Schloss gedacht, sosoll die Studie zu einem Speisezimmer (Abb.251) mehr den Bedürfnissen eines Landhausesentsprechen, durch vollständige Bekleidungder Decke und Wände mit Holz, das ineinem warmen, vielleicht gelb-rötlichen Tongebeizt sein kann, den Eindruck höchsterBehaglichkeit erzielen. Die Schränke zubeiden Seiten der Buffetnische sollen zurAufbewahrung von Tischgerät, Leinenu.s. w.

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BERLINER ARCH ITEKT "URWELT

Alb.Maennchen enLw Kunstanstvon Ernst Wasmuth, Berlin

Malereien für ein Empfangszimmer

ausgeführt von G.u. Alb.Maennchen, Berlin-Steglitz

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iS8 Berliner Architekturwelt

dienen. Als Holzart würde Eiche oder zu einer Diele im Schlosse DIepenseeKiefer in Betracht kommen. — Ebenfalls (Abb. 252). Sie ist aber nicht nach diesemfür einen Landsitz, allerdings von bedeutend Entwurf, sondern in einer wesentlich anderengrösserem Umfang- gedacht, war die Studie Fassung ausgeführt worden.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.

-K- Eine deutsche Bauattsstellung wird unter demProtektorat des Königs Albert von Sachsen inDresden- im Jahre 1900 im städtischen Ausstellungs-Palast und -Park vom T. Juli bis 15. Oktober statt-finden. Die Ausstellung soll ein Bild des gegen-wärtigen Standes des deutschen Hochbau Wesens unddes deutschen Staatsbauwesens geben und enthalten:

Abteilung T: Staatsbauwesen (Hochbau-, Strassen-,Wasser-und Brückenbau); Abteilung 2: Privat-Archi-tektur (dekorativer Eisenbau, Perspektiven oderModelle mit Grundrissbeilagen und Durchschnitten)!Abteilung 3: Bau-Litteratur; Abteilung 4, 5 und 6:Bau-Industrie, Technik im engeren Sinne, Kunst- undBau-Handwerk (Haus-Wasseranlagen, Lüftungsanlagen,

Abbildung 258.

Wand- und Deckenmalerei.Nach dem Entwurf von ALB. MAENNCHEN ausgeführt von G, und ALB. MAENNCHEN, Maler in Berlin.

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Berliner Architekturweit

Abbildung 25g.

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Fries für ein Schlafzimmer. Von ALB. MAENNCHEN, Maler in Berlin.

Klosetts, Heizungen, Haus-Telegraphen, Gas- undelektrische Leitungen, Aufzüge, Kühlanlagen, Bade-Einrichtungen, kleinere Konstruktionsarbeiten; Ar-beiten, welche von den Gewerken selbst oder fabrik-mässig hergestellt werden, soweit der Arbeiter sieam Bau anbringt; Gegenstände, die in vom Ausstellerselbst zu errichtenden Gebäuden oder im Freien zurAusstellung gelangen; Materialbearbeitungs-Maschinenim Betriebe u. s. w.)j Abteilung 7: LandwirtschaftlicheBaukunst (insbesondere die für die landwirtschaftlichenBetriebe nötigen Bauteile). Die Verteilung der fürdie Abteilungen 4, 5 und 6 zur Anmeldung kommen-den Gegenstände in die einzelnen Abteilungen behältsich die Ausstellungskommission vor. Alle, welchezur Erreichung des obengenannten Zweckes beizu-tragen vermögen, werden zur Beteiligung eingeladen,Die Anmeldung hat möglichst bald, spätestens biszum 15. September 1899 zu erfolgen. Ausstellungs-bedingungen und Anmeldebogen versendet auf An-frage kostenlos die Direktion der Deutschen Bauaus-stellung Dresden 1900, Dresden-A., Sachsen-Allee 4,2. Etage.

= Zu dem Wettbewerb um einen Bebauungs-plan für den Park WUzleben in Charloiien-burg waren 16 Entwürfe eingegangen. Den erstenPreis von 1000 Mark erhielt Regierungs-BaumeisterEMANUEL HEIMANN in Neubabelsberg, den zweitenPreis von 800 Mark Bauinspektor ENGELBRECHT inGenthin und den dritten Preis von 500 Mark Stadt-Bauinspektor FROBENIUS in Charlottenburg.

C Gegen die übertriebene Anwendung dergrünen Farbe in der Innendekoration wendet sichL. EYSELL in einem beachtenswerten Artikel inder „Deutschen Bauhütte". Nachdem er zunächst andas vor einigen Jahren in Deutschland in die Modegekommene „englische Musterzimmer" erinnert, dessenMöbel meist aus poliertem Mahagoniholz mit stumpf-

grünen Bezügen gefertigt waren, entwirft er von derneuen Richtung, die er die „grüne" nennt, folgendetreffende Charakteristik; „Sie ist radikaler als dieerste; was jene leise anstrebte, setzt diese konsequentdurch. Sie verzichtet auf das Mahagoniholz, das inseinem warmen, rotbraunen Ton immerhin noch etwasWohnliches hatte, und ersetzt es durch grün gebeiztes,Eiche oder Tanne, dessen Maserung durch die Beizedeutlich erkennbar bleibt. Der Ton ist ein gedämpftesOliv, und da er an sich nicht fertig ist, sondern sicherst durch das Uebereinanderstreichen verschiedenerBeizen bildet, auch durch die Maserung beeinflusstwird, so ist nicht dafür gut zu sagen, dass ein Möbel-stück genau wie das andere ausfällt — vielleichtzum Vorteil des Ganzen, da dadurch allzugrosse Ein-förmigkeit vermieden bleibt.

Die grüne Farbe bemächtigt sich in verschiedenenTönen der ganzen Innen - Architektur; Thüren undFensterkreuze sind blassgrün gestrichen, die Bilder-rahmen zeigen sich wie mit uralter grüner Patinabedeckt, kleine Stehrahmen mit verblichenem grünenDamast bezogen. Die Tischplatten setzen sich ausgrün glasierten Kacheln zusammen. Grün, mit wunder-baren, grossen stilisierten Blumen, aber auch stetsnur im Tone gemustert erscheinen die Möbelbezüge,in gleicher Art, nur mit unendlich viel grösserenFormen ist der Teppich gehalten. Natürlich herrschtgrün im Kaminaufbau vor, und die Tapete ist grünund barock in der Zeichnung, die Deckenmalerei istgrün auf weissem Grunde, die Fenstervorhänge be-stehen aus grün em Mull und die Gardinchen anWandschirmen und Zierschränken aus grüner Liberty-Seide. Ebenso selbstverständlich ist es, dass sämt-liche Poterien grün sind, entweder stumpf und mattwie alte Patina, oder stark glasiert, und dass ihreFormen mehr absonderlich als edel wirken. DieBilder in einem solchen Zimmer können nurRadierungen oder Stiche sein, jeder gesunde, natür-liche Farbenton würde aus dem Ganzen heraus-fallen — es ist deshalb auch kaum möglich, einselbständiges Kunstwerk, sondern stets nur einDekorationsstück dort anzubringen, das sich derGesamtwirkung unterordnet Ein solches echtes

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190 Berliner Arckitekturwclt

Abbildung- 260,

Entwurf ÄU einem Deckengemälde.Von ALB. MAßNNCHEN, Maler in Berlin.

grünes Zimmer ist so tyrannisch in seinem Effekt,dass man sich selbst ganz stilwidrig und ungehörig1

darin fühlt, falls man nicht gerade mit englisch -grünem Hängerkleidchen angethan einhergeht.

Diese „grüne" Richtung- ist eine Nachahmung desFremdländischen, aber in übertriebener, unverstandener

Form; wenn man sie als „echt englisch" be-zeichnet, so ist man sehr im Irrtum. Dieses„grüne Zimmerchen", wie es jetzt der Stolzmancher deutschen Frau ist, steht mit demenglischen Komfort im argen Widerspruch,und die englische Lady würde sich sehr be-danken , wollte man ihr zumuten, in diesemRäume wirklich zu wohnen. Wohl giebt es inden englischen Häusern derartig ausgestatteteZimmer, aber sie dienen nicht als Wohnstuben,sondern als Durchgangsräume. Wenn manaus dem Park, der die englischen Land-häuser umgiebt, über das herrliche bowling-green in das Haus eintritt, so kann es nichtsAnmutenderes geben, als solch grünes Zimmer.Es erscheint wie die stilisierte Fortsetzung derNatur da draussen, als der natürlichste U eber-gang zu der warmen Wohnlichkeit innen. Hierist es durchaus berechtigt, weil natürlich -—in einer deutschen Grossstadtwohnung-, nochdazu einige Treppen über dem Erdboden, wirdes immer etwas Angekünsteltes, Fremdesbleiben.

So enthusiastisch die Neuerung des Grünbegrüsst wurde, so schnell wird man ihrermüde werden und wahrscheinlich noch wenigerals bei anderen Bizarrerien der Mode wirdman dann begreifen können, dass man dasvor Kurzem noch schön gefunden. „Unsereschönen grünen Zimmer", jetzt noch unserStolz und die Wonne unserer Augen, wie baldwerden sie als Ausstattung von Kinderstubenund Logierzimmern ein würdeloses Daseinführen, oder zum Trödler wandern — voraus-gesetzt, dass er sie nimmt!"

* ••••

*

0 Auf der Pariser Weltausstellung soll amQuai d'Orsay eine Reihe von Häusern frem-der Völker errichtet werden, in denen dienationalen Eigentümlichkeiten und Vorzüge dereinzelnen Völker zur Geltung kommen sollen.Die Pariser Kommission hatte die ausdrück-liche Bestimmung erlassen, dass für diese Ge-bäude ein geschichtlicher, für das betreffendeLand besonders charakteristischer Stil gewähltwerden sollte. Ueber eines der Häuser, dasenglische, hat jetzt das „Centralblatt der Bau-verwaltung" einige Mitteilungen gebracht, denenwir das folgende entnehmen: Als Vorbild fürdie Aussenarchitektur hat das unter der Re-gierung Jakob I. (1604) errichtete, bei Strat-

ford - on - Avon gelegene Kingston - Haus gedient.Dieses Gebäude ist eines der besten der da-maligen Zeit, die man, als unmittelbar auf dieelisabethische Zeit folgend, in welcher sich mit demnationalen Wohlstand des Landes auch die Grundformdes heutigen anglichen Landsitzes entwickelt hat, als

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Berliner Arckitekturwclt 191

die. klassische Zeit des englischen Wohnhausbaues be-zeichnen kann. Das Haus hat die doppelte Bestim-mung, einmal dem Prinzen von Wales bei dessenBesuchen in Paris als Unterkunftsstätte zu dienen,dann aber auch "während der übrigen Zeit selbst und

Morris, nach Zeichnungen Burne-Jones' für McCullochgefertigt, enthalten wird; auch die Verglasung derFenster wird von dem Hause Morris geliefert. Fernerliegen im Erdgeschoss ein Bücherzimmer, ein Speise-zimmer und zwei Wohnzimmer. Nach deren Durch-

mit seinem Inhalte Ausstellungsgegenstand zu sein. Zuletzterem Zwecke sind die Zimmer in beiden Haupt-geschossen so angeordnet, dass sie eine geschlosseneRaumfolge für die Besichtigung geben. Das Erd-geschoss enthält eine 6 zu 12 m grosse Eintrittshalle,welche Wandteppiche aus der Weberei von William

schreitung gelangen die Besucher vermittelst dergrossen Haupttreppe in das erste Stockwerk, welchesden Hauptraum des Hauses, die grosse Galerie ent-hält. Dieser 5,60 zu 24,70 m grosse Raum liegt .zurHälfte über der Halle und nimmt die ganze Frontdes Hauses ein. Er ist eine Nachbildung der Bilder-

Page 196: ARC Berlin 1900

192 Berliner Architekturwelt

galerie in dem Landsitze Knole-Haus bei Scvenoaks

und wird den kostbarsten Schatz des Hauses bergen:

eine Ausstellung von Gemälden englischer Meister

des 18. Jahrhunderts, die man aus Einzelsammlungen,

vorwiegend aus königlichen und aus solchen von

Mitgliedern des Königlichen Hause zusammenzubringen

gedenkt. Zur Seite dieser Galerie ist ein Raum für

eine Sammelausstellung wertvoller englischer kerami-

scher Erzeugnisse vorgesehen. Im übrigen birgt

das Geschoss Schlafzimmer. Für die Herstellung des

Gebäudes wurde die Forderung aufgestellt, in Anbe-

tracht des grossen Wertes der Ausstellungsgegen-

stände eine feuersichere Bauweise zu wählen, und

zwar aus ästhetischen Gründen mit Beibehaltung der

dicken Wände des Urbaues. Dies führte zur Aus-

führung einer doppelten, aus Eisen und Cement ge-

bildeten Wand, bei der die alte Wandstärke als Hohl-

raum auftritt. Die wegen der schwierigen Gründungs-

verhältnisse — es zieht sich ein Eisenbahntunnel

unter dem Hause entlang — ungemein verwickelte

Berechnung und Konstruktion dieses Eisenbaues hat

der in London ansässige deutsche Ingenieur MAX AM

ENDE besorgt. Der Architekt des Hauses ist Herr

EDWIN L. LUTYENS in London. Für das Haus Oes te r -

r e i chs ist die Bauweise Fischers von Erlach, für das

Haus D e u t s c h l a n d s , das Regierungsbaumeister

J, RADKE entworfen hat, der Stil der deutschen Re-

naissance gewählt worden.

A, Zu der Preisbewerbung um das „ Vergnüg ungs eck"

der Deutschen Bauausstellung in Dresden iyoo sind17 Entwürfe eingegangen. Den ersten- Preis erhielt

Architekt DRECHSLER in Leipzig, den zweiten LEH-

NERT und VON MAYNBURG, den dritten MlCHEL und

SCHÜMICHEN, sämtlich in Dresden.

*& Ueber die Kosten der Arbeiten zur Vollendung

des Kölner Doms hat der Dombaumeister Geh» Re-

gierungsrat VOIGTEL in der diesjährigen Wahlver-

sammlung des Central- Dombau-Vereins interessante

Mitteilungen gemacht, denen wir das folgende ent-

nehmen : Die Arbeiten zur Vollendung des Domes

haben bekanntlich i. J. 1824 unter der Leitung des

damaligen Bauinspektors AHLERT begonnen, der sie

bis zu seinem 1832 erfolgten Tode fortgeführt hat.

Es sind in diesem ersten 9jährigen Abschnitte die

Strebewande des Chores hergestellt worden; die Aus'

gaben dafür bezifferten sich auf 485918 M. Von 1832

bis 1861, also durch 29 Jahre hat Baurat ZWIRNER

als Dombaumeister an der Spitze der Kölner Bau-

hütte gestanden. Die unter seiner Leitung ausgeführ-

ten Arbeiten erstreckten sich in den ersten 9 Jahren

(bis Ende 1841) auf die weitere Herstellung des Chor-

baues, welche an Kosten noch 564077 M. erforderte.

1842 begann dann der Fortbau des Domes, der bei

Zwirners Tode bis zur Vollendung der Umfassungs-

wände einschliesslich der Portale und bis zur Er-

richtung der Eisenkonstruktionen des Daches und des

Dachreiters über der Vierung vorgeschritten war.

Der Kostenaufwand während dieser 20 Jahre stellte

sich auf 6046878 M. Der letzte Abschnitt des Baues

von 1862 bis heute umfasst einen Zeitraum von 371 4

Jahren. Es sind während dieser Zeit unter Leitung

des gegenwärtigen Dombaumeisters, Herrn Geh. Re-

gierungsrats Voigtel tue Strebesysteme des Langhauses

und des Querschiffes, sowie die beiden Haupttürme,

die Eindeckung der Dächer mit Bleiplatten, der neue

Kussbodenbelag des Domchores und die Fenster des

Hochschiffes zur Ausführung gelangt. Die Kosten

dieser Arbeiten, zu denen sich andere von geringerer

Wichtigkeit gesellten, haben insgesamt 14 853 513 M.

betragen. Die Gesamtkosten des Baues während der

nunmehr verflossenen 7574 Jahre belaufen sich dem-

nach auf 21950386 M. — gewiss eine bescheidene

Summe, wenn man die Grosse des Werkes ermisst

und es mit Bauten, wie der Pariser Grossen Oper,

dem Brüsseler Ju.stizpalast und dem Berliner Reichs

tagsgebäude vergleicht. Noch bescheidener freilich

ist im Verhältnis zu anderen Bauausführungen unserer

Zeit die Besoldung, welche die leitenden Baubeamten

für ihre Thätigkcit empfangen haben. Mach den

Feststellungen Voigteis hat das an die 3 Dombau-

meister gezahlte Honorar bezw. Gehalt im ganzen

nur 381 144 M, mithin nicht mehr als etwa 1,73%

der Gesamt-Bausumme betragen. Der Jahres-Durch-

schnitt stellt sich auf 5065 M.

G. BARLOESJUS.

Verantwortlich für die Redaktion: Dr, ADOLF ROSENBERG, Berlin. — Verlag; von EKNST WASMUTH, Berlin W.f Markgrafenstr. 35.Gedruckt bei JULIUS SITTENFELD, Berlin Y\\ — Cüches von CARL, SCHÜTTE, Berlin W.

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HugoHarrunq Ar eh. ..Kun staust von Ernst Wasmuth, Berln

Villencolonie GrunewaldVilla Härtung Beymestrasse 28-30

A. a Decke im Speisezimmer B.Wandim Speisezimmer

C. Decke im Fremdenzimmer B.Decke im Treppenhaus

Entw. u ausgef.von Ch.GaiSS Maler in Berlin.

Page 200: ARC Berlin 1900

Abbildung 262.

Villenkolonie Grunewald, Villa Härtung, Beymestrasse 28—30.Erbaut von HUGO HÄRTUNG, Architekt, Villenkolonie Grunewald.

Page 201: ARC Berlin 1900

AD. HÄRTUNG.

ZU UNSEREN BILDERN.

©ARCHITEKTUR.

ie von HUGO HÄRTUNG erbaute VillaBeymestrasse 28/30 in KolonieGrunewald, die durch unsere Ab-bildungen 262 bis 268 von ver-

schiedenen Seiten veranschaulicht wird,wird von dem Architekten selbst bewohnt.Demnach war für die Anordnung desGrundrisses die Anlage eines geräumigenZeichensaales bestimmend, der mit derWohnung in Verbindung steht. Ueberdem Zeichensaal liegt die Wohnung desHausmeisters, da im Kellergeschoss aushumanitären Rücksichten keine Wohn-räume untergebracht werden sollten. DerKeller ist für Zwecke der Beheizung, diedurch eine Niederdruckdampfheizung vonGebr. Körting in Hannover erfolgt; undder maschinellen Einrichtung für die elek-trische Lichtanlage ausgenutzt worden undenthält ausserdem noch Vorratsräume und

ein Bad für das Gesinde. Dieser Kellerist zum Teil wieder unterkellert, wodurchsehr tief gelegene und zur Erhaltung vonVorräten sehr geeignete Räume gewonnenwurden. Da das Grundwasser erst bei5 m Tiefe auftritt, konnte diese Anordnungermöglicht werden. Die Wohnräume nehmendas Erdgeschoss und das erste Stockwerkein. Sie gruppieren sich um eine ge-räumige Halle mit breiter Treppe undliegen nach Osten und Süden, eine An-ordnung, die am meisten den sanitärenBedingungen entspricht und sich für unserKlima am besten eignet. Die Lage derZimmer um die Halle herum hat denArchitekten der Notwendigkeit überhoben,die Zimmer unmittelbar untereinander zuverbinden; nur Salon und Wohnzimmermachen davon eine Ausnähme. Durchdiese Anordnung und die Vermeidung vonFlügelthüren sind in den Zimmern grosseWandflächen gewonnen worden. Auch die

Page 202: ARC Berlin 1900

196 Berliner Architekturwelt

Küche und die sonstigen Wirtschaftsräumeliegen im Erdgeschoss an besonderem Flurmit Eingang. Dieser Flur ist mit der Halleund durch eine Anrichte mit dem Speise-zimmer in Verbindung gebracht worden.Dadurch konnte ein vollkommener Abschlussgegen Speisegerüche erzielt werden.

Das Aeussere stellt sich als eine Kom-position im Geiste des 16. Jahrhundertsdar. Das Erdgeschoss, Teile des Ober-geschosses (z. B. Badezimmer und Treppen-haus) und die Schornsteine sind in ver-putztem Backsteinbau (mit sog, Kellenputzohne Reibeputz) mit Werksteinecken, Ge-simsen u. dgl. m. aus rotem Mainsandstein

Fachwerks im Geiste der Renaissance, diegeschieferten Wände des Obergeschossesund das Dach — alle diese Elementewirken zusammen, um dem Bau ein unge-mein frisches Aussehen zu geben, das be-wusst als deutsche Art auftritt und sich inbeabsichtigten Gegensatz zu der immermehrüberhandnehmenden Nachahmung englischerBauten stellt. Es ist in der That für unsDeutsche ungleich empfehlenswerter, ausdem ungeheuren Formenreichtum unsererheimischen Kunst zu schöpfen als bei einemim Vergleich zu uns in dieser Beziehungärmlichen Volke Anleihen zu machen.

Im Innern sind viele Decken und Wände

Abbildung 263. Abbildung 264.

Grundrisse zu Abbildung 262,

ausgeführt. Der nicht geschliffene, sonderngeflächte Sandstein ist ganz unregelmässigversetzt; die Steine sind verwendet worden,wie sie der Bruch geliefert hat. Demmalerischen Kontrast zu Liebe sind Ober-geschoss und Dach in verputztem, rot-gestrichenem Fachwerk konstruiert, dasnur auf der Wetterseite geschiefert wurde.Der dafür und für die Dächer verwendeteSchiefer ist aus Thüringen bezogen worden.

Die Farbe der Materialien, der reichePutz, das unregelmässige Gefüge des Stein-werks , dessen spätgotische, breite, ansächsische Denkmäler erinnernde Profilirung,die den Holzbauten der Rhein- und Mosel-gegenden nachgeahmte Behandlung des

verbrettert und deckend gestrichen. Diedekorativen Malereien der Decken, vondenen die farbige Tafel dieses Hefts einigeProben bietet, sind von CHR. GAISS mitgrossem Geschick ausgeführt worden. AufAnregung des Architekten hat er sichdabei an die feinen OrnamentschöpfungenPeter Flötners, eines der hervorragendstenKünstler der deutschen Frührenaissancegehalten. Sonst sind die Wände weiss,Thüren u. s. w. in grüner Umbra ge-strichen worden. — Die Baukosten be-trugen 100 000 Mark.

Bei der Villa Hecht in Kolonie Grune-wald bei Berlin (Abb. 271 — Abb. 280),die nach den Plänen von KARL EDUARD

Page 203: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 265.

197

Villenkolonie Grunewald, Villa Härtung, Beymestrasse 28—30.Erbaut von HUGO HÄRTUNG, Architekt, Villenkolonie Grunewald.

Page 204: ARC Berlin 1900

198 Berliner Architekticrweli

Abbildung1 266.

Villenkolonie Grunewald, Villa Härtung;, Beymestrasse 28—30,HUGO HÄRTUNG, Architekt, V.-K. Grunewald. Haupteingang und Fa<;adendetail.

BANGERT in dreizehn Monaten, vom15. Februar 1898 bis 15. März 1899,erbaut worden ist, wurde der Grundrissnach einem vom Bauherrn aufgestelltenProgramm gestaltet, welches den diago-nalen Aufgang mit vorgelegter Loggiaund den drei Hauseingängen forderte.Gleichsam die Seele der ganzen Raum-disposition bildet eine zweigeschossigeOberlicht - Mittelhalle, um die sich alleanderen Räume gruppieren. Die äussereArchitektur wurde durch den von derKönigsallee zum Diana - See stark ab-

fallenden Bauplatz bedingt. Der Erd-geschossfussboden wurde 1 Meter über derStrassen-Oberkante angenommen, und da-durch kam es, dass die Fundamente zumTeil über 5 Meter „heraufgeholt" werdenmussten. Um zu verhindern, dass der Be-schauer den Eindruck gewinne, als ob dasGebäude „versinke", wurde der vor demHause liegende Teil des Gartens gleichhinter der Strasse versenkt und wagerechtbis hinter das Haus geführt und dann dieetwa 7 Meter betragende Höhendifferenzin zwei Terrassen ausgeglichen. Die ener-

Page 205: ARC Berlin 1900

Berliner ArchitekturweltAbbildung 267.

199

Abbildung 267.

Seitenansicht

Abbildung 268.

Hofansicht

der

Villa Härtung,

Villenkolonie

Grunewald,

Beymestr. 28—30.

Erbaut

von

HUGO HÄRTUNG,

Architekt,

Villenkolonie

Grunewald,

Abbildung 26S.

Page 206: ARC Berlin 1900

2OO Berliner Architekturwelt

gische Höhenentwickelung, die dem Baugegeben worden ist, wird durch die beidenFernblicke von der Königsbrücke über denKönigssee und von der Fontanestrasse ausüber den Diana-See begründet.

Der Sockel ist in Sandstein ausgeführt,das Kellergeschoss ist mit roten Steinen,die teilweise bis zum ersten Stockwerkhinaufgezogen sind, die übrigen Flächenmit grauweissen Ullersdorfer Steinen ver-blendet. Der Turm hat eine Verblendungmit 3 cm starkem Bohlenfachwerk undgelblich - weissen Steinen erhalten. DieArchitekturteile sind in Sandstein herge-stellt, das Dach ist mit rotbraun glasiertenFalzziegeln gedeckt. Für die Gestaltungder Innenarchitektur war die Abneigungdes Bauherrn gegen „Prunk und Eleganz"bestimmend gewesen. Daher wurde überallversucht, mit den einfachsten Mitteln einefrische Behaglichkeit zu erzielen. GrossenWert legte der Besitzer auf hygienischeEinrichtungen. So hat das Haus mehrereBadezimmer, eine isolierte Krankenstation,einen Turn- und Fechtsaal, eine Kegelbahnu. dgl. m. aufzuweisen. Ferner befindensich im Hause eine Zentral -Warmwasser-heizung mit Warmwasserbereitungsanlageund eine eigene Dynamoanlage mit Akku-mulatoren und im Garten eine Gewächs-hausanlage. Die Bauausführung erfolgtedurch Maurermeister CARL MITTAG. DieBaukosten betrugen einschliesslich derGartenanlagen, des Gewächshauses u. s. w.etwa 350000 Mark.

Gleich den im 4. Heft des laufendenJahrgangs veröffentlichten Villenentwürfenvon MEIER und WERLE (Abb. 162 und 165)

sind auch die beiden Idealprojekte zuLandhäusern am Meer, die unsere Abbil-dungen 281 und 282 wiedergeben, aus demStreben der Architekten hervorgegangen,jeden Bau gleichsam aus seiner landschaft-lichen Umgebung herauswachsen zu lassenund mit dieser harmonisch zusammenzu-stimmen. Diese Villen sollen weitere Be-weise dafür liefern, dass eine solche Forde-rung eine ästhetische Notwendigkeit ist und

dass ihre Erfüllung aus einem künstlerischenEmpfinden heraus ermöglicht werden kann.Der eine Bau (Abb. 282) müsste auf demsturmumbrausten Strande eines nordischenMeeres erstehen, der andere unter lachendemHimmel am Gestade eines südlichen Binnen-sees, Auch bei dem bereits ausgeführtenLandhause in Gross-Lichterfelde (Abb. 285)hat die Architektur jene Forderung zu er-füllen gesucht. Auf dem flachen Bodender köstlichen Gartenstadt lagert es sichin breiten Massen und gemütlichen heimi-schen Formen. Es ist eine Mietsvilla, inder gezeigt werden soll, dass eine künst-lerische Ausstattung, wie sie in den be-kannten Werle'schen Werken „Das vor-nehme deutsche Haus" und „Ein male-risches Bürgerheim" gezeigt wird, sichauch in Mietshäusern bei massigen Mietenermöglichen lässt und dadurch auch Miets-wohnungen ein individueller Charaktergegeben werden kann. Bei Ausführungder Fassaden in Putzbau und RathenoverVerblendsteinen erforderte das Landhauseinen Aufwand von 60 000 Mark.

Das in Coburg von denselben Archi-tekten für Herrn Bildhauer Stellmacher indiesem Sommer erbaute Wohn- und Atelier-gebäude (Abb. 283) ist ebenfalls mit seinerlandschaftlichen Umgebung glücklich inEinklang gebracht worden. Von steilemAbhang strebt es oberhalb der StadtCoburg empor und grüsst zu der hoch-ragenden Veste hinüber. Da für das Erd-geschoss ein Atelier mit Oberlicht ge-fordert war, tritt das Obergeschoss um2 Meter zurück. Die Ausführung ist inPutzbau und Ziegelverblendung, die innereAusstattung im Sinne der oben citiertenVeröffentlichungen Werle's erfolgt. Denbildnerischen Schmuck hat JOSEPH JUNKERS-

DORF in Wilmersdorf, die Malerarbeitenhaben Gebrüder DRABIG in Berlin und dieKunstschlosserarbeiten R. BLUME in Char-lottenburg ausgeführt. Die Baukosten be-trugen 22 000 Mark.

Von den sorgfältig ausgearbeitetenPlänen zu umfangreichen Umgestaltungs-

Page 207: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturweil

Abbildung 269.

2Ot

%

•2ft>.*'

l!|,Ä!f '51P?.

Abbildung" 270.

Abb. 269/270. Stallgebäude der Villa Mendelssohn, V.-K. Granewald, Bismarck-Allee. ,Erbaut von ERNST IHNE, Architekt in Berlin. ,. ; ; . . .

B.A.W. II. 6, »7

Page 208: ARC Berlin 1900

202 Bertiner Architektztrwelt

Abbildung1 271.

Villenkolonie Grunewald, Villa Hecht. Königs-Alice 35. Erbaut von KARL ED. BANGERT,Architekt In Berlin.

vorschlagen und Neuanlagen von FELIX

WOLFF, die einen ganzen Raum in dergrossen Kunstausstellung füllen, hat keinerso sehr allgemeine Billigung gefunden wieder in einer Perspektive mit Grundriss undeinem grossen Modell veranschaulichte,der eine Fortführung der malerischenTerrassenanlage vor dem Orangeriehause

bei Sanssouci bis zum Park von Sanssoucidarstellt (Abb. 288 u. 289). Bekanntlich istdiese Schöpfung Friedrich Wilhelms IV. nichtweiter als bis zu einem halbrunden Wasser-becken gediehen, das mit Hermenpfeilernbesetzt ist. In der Nähe führt eine Chausseevorüber, vor der die Anlage in ihrerweiteren Entwickelung stehen geblieben

Page 209: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 2O3

ist. In ihrer jetzigen Gestalt ist sie vonkeinem Standpunkte aus zu übersehen, auchvon der Chaussee nicht, da, von hier ausgesehen, die vorderen Bauteile die hinterenverdecken. In seinem Entwurf der Fort-führung der Terrasse überbrückt Wolff dieStrasse, die etwas tiefer gelegt wird, undgewinnt dadurch eine Verbindung miteiner unteren Terrasse die sich zum Parkvon Sanssouci senkt und dort in einemviereckigen Bassin endigt. Trotz der fürdie Ueberführung der Terrasse notwendigenStützmauern u. s. w, bleibt für die Strassenoch soviel Breite, dass zwei Wagenbequem an einander vorüberfahren können.Durch die Ausführung dieses Planes, die,soweit sich nach dem Modell übersehen lässt,keine erheblichen technischen Schwierig-keiten bietet, würde der Park von Sans-souci um ein Bild von grossartiger bau-und gartenkünstlerischer Wirkung bereichertwerden.

Das von den Architekten VOLLMER

und JASSOY in der Zeit vom Dezember 1898bis zum April 1899 für den Bildhauer Pro-fessor Otto Lessing erbaute Ateliergebäudein der Kolonie Grunewald, von dem wirin Heft 3 dieses Jahrgangs eine Gesamt-ansicht geboten haben (Abb. 115), ist durchseine eigenartige Ausführung in Gipsdielen-bau von besonderem Interesse. Die Aussen-wände sind als Holzfachwerkwände kon-struirt, auf die die Gipsestrichdielen auf-geschraubt worden sind, die sich durcheine grosse Tragkraft und Widerstands-fähigkeit auszeichnen. Sie beruhen aufder Verwendung von Estrichgips an Stellevon Stuckgips. Die Dielen, die aus derFabrik von ALBRECHT MEIER & CO. inWalkenried am Harz stammen, werden indrei Stärken von 70, 100 und 140 mm undin Längen von 1 m und 1,25 in geliefert.Für das Lessingsche Ateliergebäude wurdenDielen von 70 mm Stärke verwendet. DerQuadratmeter kostete einschliesslich desAnsetzens und Nachputzens 5 Mark. DieDächer sind mit Leinwand von grünerFärbung eingedeckt. Die umfangreichen

Abbildung; 272.

Abbildung 273.

Abbildung" 274.

Abb, 272 — 274. Grundrisse zu Abbildung 271,

Page 210: ARC Berlin 1900

204 Berliner Architokturxvclt

Kisenkonstruktionen derOberlichter, Fahrbühnenund Gleisanlagen sind vonder Firma BRETSCHNEIDER& KRÜGNER geliefert wor-den. Die Modelle für dieOrnamente am Aeusserndes Baues sind aus demAtelier des Professors Les-sing' selbst hervorgegangen.Die Baukosten betrugenetwa 90 000 Mark.

MALEREI.

Von den fünf Gemälden,die wir für dieses Heft zurReproduktion ausgewählthaben, befinden sich dreiauf der Ausstellung derSecession. Ihre Schöpfersind sämtlich Berliner Kin-der, und aus diesem Um-stände mag der Schluss ge-stattet sein, dass neben an^deren Faktoren sie auchdie allgemeine, tief im Ber-liner Blute steckende Op-positionslust in die Reihender vSecession geführt hat,obwohl sich ihre künst-lerische Richtung, wenig-stens soweit sie sich inden hier wiedergegebenenBildern offenbart, keines-wegs den extremen Tenden-zen nähert, die für „seces-sionistisch" gelten. Alle drei sind auch Schü-ler der Berliner Akademie. FETJX KRAUSE,der jüngste von ihnen, — er ist erst 26 Jahrealt -— hat die Akademie vom Sommer 1892bis zum Winter 1895 besucht. Er hat seineAusbildung also in einer Zeit erhalten, wodas Malen in freier Natur bereits zu all-gemeiner Uebung gelangt war. Sein ge-sunder Berliner Sinn scheint ihn aber vorden Verirrungen der Münchener Hellmalereibewahrt zu haben. Sein Bildnis seinerSchwester (Abb. 300) ist eine durch und

Abbildung1 275,

Villenkolonic Grunewald, Villa Hecht, Königs-Allee 35.Detail der Halle.

KARL ED. BANGFitT, Architekt in Berlin.

durch gesunde Freilichtmalerei, die dieWirklichkeit schlicht und wahr in soliderMalweise ohne technisches Raffinement undüberflüssige Palettenwitze wiedersieht.

PAUL HOENIGER (geb. 1865), der von1882 — 1888 auf der Berliner Akademiestudiert hat, dann eine Zeit lang Schülervon F. Skarbina gewesen ist und späterdurch Studienreisen, namentlich durch einenlängeren Aufenthalt in Paris, seine Aus-bildung beendigt hat, hat sich die Schil-derung des Strassenlebens der modernen

Page 211: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 276,

205

Abbildung 277.

Abbildung1 276.

Herrenzimmer

Abbildung 277.

Bücherschrank in der

Villa Hecht

Villenkolonie Grunewald,

Königs-Allee 35.

KARL ED. BANGERT, Architekt

in Berlin.

Page 212: ARC Berlin 1900

2O6 Berliner Architekturwell

Abbildung 278.

Kegelbahn in der Villa Hecht, Villenkolonic Grunewald, Königs-AUee 35.KARL ED. BANGERT, Architekt in Berlin.

Abbildung 279.Abbildung- 280.

Weinkellerthür Schrank im Ankleidezimmerin der Villa Hecht, Villenkolonie Grunewald, Königs-Allee $$.

KARL ED. BAGGERT, Architekt in Berlin.

Page 213: ARC Berlin 1900

Berliner Arckitekturwelt

Abbildung- 28T.

2O7

Villa am Meere. Idealprojekt von MEIER & WERLE, Architekten in Berlin.

Grossstädte zu seiner Spezialität erkoren, wimmel in einem architektonisch-landschaft-Er hat einen scharfen Blick für die be- liehen Rahmen festzuhalten. Das könntesonders auffälligen Erscheinungen wie für gelegentlich auch einem geschicktenMoment-die allgemein charakteristischen Typen der photographen, einem der vielen Liebhaber-Grossstadt und weis mit geschickter Hand Photographen, gelingen, die in neuesterdas unablässig vor den Augen des Zeit ihre Fertigkeit zu einer VirtuositätZuschauers vorüberziehende Menschenge- ausgebildet haben, die für manche „Kunst-

Abbildung 282.

Villa am Meere. Idealproject von MEIER & WERLE, Architekten in Berlin.

Page 214: ARC Berlin 1900

2O8 Berliner Architekttirwelt

Abbildung- 283.

Wohn- und Ateliergebäude für Herrn Bildhauer Stellmacher in Koburg,Erbaut von MEIER & WERLE, Architekten in Berlin.

maier" unheimlich und vielleichtauch schreckenerregend seinmag. ! Die echten Künstler frei-lich sehen diesem Wettbewerbder Dilettanten mit Gelassenheitzu. Sie wissen, dass der mecha-nische Apparat, auch wenn ermit noch so grossem Raffinementgeleitet wird, niemals das erzeu-gen wird, was man die künst-

Abbildung 284. üchts eindringt, ohne eine Stei-gerung des Lebens hervorzurufen.Nur ein Berliner mit seiner star-ken Heimatsliebe vermag solchenunscheinbaren Idyllen, an denendie wilde Jagd grossstädtischerErneuerungssucht bis jetzt nochvorübergezogen ist, malerischeReize abzugewinnen.

Ein nicht weniger stark ent-lerische Handschrift nennt, die den Geist undCharakter eines Künstlers widerspiegelt. Siezeigt sich sowohl in der Farbe wie in derWärme, Tiefe und Selbständigkeit der Auf-fassung. Geist und prickelnde Lebendig-keit haben wir oft an den bunten, in allenLichtwirkungen glitzernden und schwimmen-den Strassenbildern Hoenigers bewundert.Aber selten hat er soviel Gefühlswärme,soviel Liebe in ein Bild hineingelegt, wiein diesen stillen Winkel von „Alt-Berlin"(Abb. 296) mit seinem Abendfrieden, in dendas Spiel altmodischen Gas- und Lampen-

wickeltes Heimatsgefühl hat CARL LANG-

HAMMER. Aber er teilt seine Liebe zwischender Mark Brandenburg und Italien, und da-mit folgt er nur dem grossen Zuge, der dieBerliner Landschaftsmalerei seit dem Anfangder siebziger Jahre beherrscht* Das Ziel,das er seinem Schaffen gesteckt hat,heisst, wie er selbst bekennt, „Einfachheitund Grosse der künstlerischen Auffassung",und dazu bietet ihm unsere Mark ebensogut Motive wie die römische Campagna. ImJahre 1868 geboren hat Langhammer von1S85 bis 1893 die Berliner Akademie be-

Grundriss zu Abb. 283.

Page 215: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 285.

209

Landhaus Brandt in Gross-Lichterfelde, Zehlendorferstrasse.Erbaut von MEIER & M'ERLE, Architekten in Berlin,

sucht. Aber mehr als dietechnische Ausbildung, dieer hier erwarb, förderte ihnder Atelierunterricht EugenBrachts, der durch die geist-volle Art, wie er seineSchüler zu selbständigemNachdenken über ihre Kunstführt, einen starken Einflussauf die jüngere Generationder Berliner Landschafts-maler geübt hat und nochübt. Umsomehr einfand Langhammer dieLücken in seinem technischen Können, undzu ihrer Ausfüllung ging er nach Paris, woer in den Ateliers von J. Lefebvre undT. Robert Fleury die Mittel kennen lernte,um das Maass handwerklicher Geschick-lichkeit zu erreichen, das ihm zum Aus-druck des innerlich Empfundenen unentbehr-lich erscheint. Wenn die ungeheure Massevon alter und neuer Kunst, die er in Paris zusehen bekommen hatte, auch in ihrer Nach-wirkung nach der Rückkehr in die Heimatseine ästhetische Anschauung in Verwirrungbrachte und dies auch in seinen erstenArbeiten offenbar wurde, so gab ihmspäter ein längerer Aufenthalt in Italien

Abbildung 286.

Grundriss zu Abb. 287.

das künstlerische Gleich-gewicht wieder zurück.Hier lernte er, wie er selbstsagt, erst begreifen, „wasgrosse Kunst eigentlich ist,dass sie niemals im Gehor-sam oder aus Protest gegenTagesströmungen entsteht,"Hier trat er auch in ein in-niges Verhältnis zur Naturund hier gewann er dieUeberzeugung, dass nur der,

der durch eine Naturstimmung bis ins Markerschüttert wird, auch die Kraft besitzt, siekünstlerisch zu gestalten und anderen mitzu-teilen. In einem solchen Momente seelischerErschütterung hat Langhammer auch dasgrandiose Naturphänomen geschaut, dasihm das Motiv zu seinem Bilde „Auf-ziehendes Wetter in der Campagna deRoma1' (Abb. 295) geboten hat. Leidervermag unsere Abbildung die wahrhaftgrossartige Wirkung, die die mit hohertechnischer Virtuosität durchgeführte Schil-derung einer unaufhaltsam nahenden Kata-strophe auf den Beschauer übt, nur sehrunvollkommen zu veranschaulichen, Zeich-nung und Farbe wirken hier zu einem so

B. A. w. 11. 6, *8

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2 I Q Berliner Jirchifekturwe.lt

Abbildung 287.

Atelierneubau Otto Lessing, ViUenkolonie Grunewald, Wangenheimstrasse.Erbaut von J. VOLLMER und H. JASSOY, Architekten in Berlin.

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Berliner Arck 'itekturwelt 2 1 1

mächtigen Akkord zusammen, dass die re-produzierende Technik mit ihrem Schwarzund Weiss dieser Schöpfung hilflos gegen-übersteht. Was dem Künstler vorgeschwebthat, die römische Campagna in ihrer ganzenWeite und Grosse zu geben, hat er aufdiesem Bilde In hohem Maasse erreicht.

In die noch lange nicht nach Gebührgewürdigte Romantik des nordwestlichenDeutschlands, das dem Landschafts- undArchitekturmaler eine fast unerschöpflicheFülle der dankbarsten Motive bietet, führtuns FRANZ HOFFMANN- FALLERSLEBÜN mit

seinem epheuumsponnenen „alten Schloss"(Abb. 297). Hart an der Weser gelegen,gehört es, wie seine eigenartigen Formenerkennen lassen, zu jener Gruppe vonRenaissancebauten, die man besonders inHameln, Lemgo und Barntrup antrifft undderen enge stilistische Verwandtschaft eswahrscheinlich macht, dass sie auch einengemeinschaftlichen Ursprung haben undvon demselben Werkmeister oder mehrerengleicher Schulung erbaut worden sind. Inden Wesergegenden, namentlich in derUmgebung von Corvey, wo sein Vater,der berühmte Dichter," 1874 als Bibliothekardes Herzogs von Ratibor starb, hat derKünstler seine ersten Studien gemacht,und wieviel er auch seitdem auf seinenWanderungen gesehen und kennen gelernt— immer wieder kehrt er zu den Weser-gegenden mit ihren alten Renaissance-schlössern zurück. Bis zum Tode seinesVaters hatte Hoffmann - Fallersieben, der1855 in Weimar geboren worden ist, aufder Akademie in Düsseldorf studiert. 1875ging er sodann zum Besuch der Kunstschulein Weimar, wo er in Theodor Hagen einenausgezeichneten Lehrer fand, der namentlichseine koloristische Ausbildung förderte,aber auch auf die Grosse und den Ernstseiner Naturauffassung von Einfluss wurde.Eine Zeit lang malte HofTmann fast aus-schliesslich Heide- und Waldbilder, zu denener die Motive aus der Umgegend vonHannover schöpfte. Später entwickelte sichin ihm eine Neigung zur Strandlandschaft,

und Jahre lang suchte er von der Buchtvon Apenrade bis Danzig alle malerischenPunkte der Ostsee auf. Von 1879 bis 1882war er wieder in Düsseldorf thätig", wo ersich im Verkehr mit Kröner, Irmer, Dückerund Alfred Böhm jenen schönen Schmelzdes Kolorits angeeignet zu haben scheint,der seinen Landschaftsbildern neben derKraft der Stimmung stets einen poetischenReiz verleiht. Er ist in gleichem Maassedem „alten Schloss" wie den beiden anderenBildern des Künstlers auf der grossenKunstausstellung, dem „Oktobertag imWalde" und dem „Parkeingang zur Winters-zeit'1, eigen.

Nach einem nochmaligen sechsjährigenAufenthalt in Weimar siedelte Hoffmann vorzehn Jahren nach Berlin über, wo er seitdemeine sehr fruchtbare Thätigkeit als Maler,Illustrator und Radierer entfaltet hat. Stärkeund Wahrheit der Empfindung, die alleseine Arbeiten, auch die unscheinbarsten,durchdringen, haben ihn aber davor ge-schützt, dass seine Produktion, je mehr siein die Breite ging, an Tiefe verlor. Auchaus dem einfachsten Vorwurf weiss er einefeine, poesievolle Stimmung zu entwickelnund das Gesehene mit köstlichen kolo-ristischen Reizen zu umkleiden.

Das winterliche Strassenbild aus Breslau(Abb. 298) von GRETE WÄLDAU ist ein

Teil einer Bilderreihe, die zum Schmuckeines Saales in dem alten Patrizierhausebestimmt ist, das auf unserem Bilde an derlinken Ecke des Strassenzuges sichtbar ist.Von diesen Bildern hat die Künstlerin imLaufe dieses Jahres fünf vollendet, derenMotive sämtlich Breslau und seiner Um-gebung entnommen sind. Zwei dieserBilder gewähren uns einen Blick auf denim Vordergrunde vorüberfliessenden, vonDampfschiffen und anderen Fahrzeugen be-lebten Oderstrom, einmal von der Lessing-brücke, das andere Mal von der Universitäts-brücke aus. Auf einem dritten Bilde istdie Villa des Bestellers, des Kommerzien-rats Heimann, mit ihrer reichen gärtnerischenUmgebung, auf einem vierten Bilde ein

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2 1 2 Berliner Archiiekttirwelt

Abbildung 288.

Projekt für die Umgestaltung und Fortführung der Terrassenanlage vor dem Orangeriehausebei Sanssouci. Von FELIX WOLFF, Architekt in Berlin.

von ihm gestiftetes Hospital, das weit vorder Stadt auf freiem Felde liegt, dargestellt.Im Gegensatz zu jenem düstren Winter-bilde zeigen uns alle übrigen Bilder dielachende Pracht des Sommers bei heiteremoder nur leicht bewölktem Himmel, Dabeikonnte die Künstlerin, besonders auf denStrombildern, die nicht geringe Kraft ihresreichen koloristischen Könnens entfalten.Aber ebenso grosse Sorgfalt hat sie aufdie Wiedergabe der architektonischen Einzel-heiten, soweit es für die dekorative Wirkungerforderlich war, verwendet. Es kommt

in unseren Tagen selten vor, dass derArchitcktenmalerei Aufgaben solchen Um-fangs gestellt werden. Um so höher ist"Hie Energie zu schätzen, mit der die Künst-lerin diese Aufgabe gelöst hat. GreteWaldau ist eine Schülerin des Grossmeistersder Berliner Architekturmalerei, KarlGraebs, und seines Sohnes Paul, gewesen,und sie darf sich rühmen, dass sie diealten Ueberlieferungen mit Fleiss und Eiferfortsetzt. Wie innig sie sich mit derFormensprache und dem Geist der altenArchitektur vertraut gemacht, hat sie schon

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Berliner ArchitektnrwcU 2'3

in zahlreichen Staffelei-bildern gezeigt, in denensie in der Feinheit der Be-handlung- bisweilen ihremMeister Karl Graeb nahegekommen ist.

PLASTIK.Die bis jetzt enthüllten

und die durch Modelle undAbbildungen danach be-k annt gewordenen Herr-sch erstandbilder in derSiegesallee scheinen mehrund mehr denen Recht zugeben, die bei dem Be-kanntwerden des Plansdie Befürchtung aus-sprachen, es würde dieGefahr der Einförmigkeitund Eintönigkeit bei 32gleichartigen Gruppennicht vermieden werdenkönnen. Wenn man aberdie bis jetzt aufgestelltenGruppen unbefangen prüft,wird man zu der Ueber-zeugung gelangen, dassnicht der Plan an sich andem grösseren oder kleine-ren Gelingen der einenoder der anderen GruppeAnteil hat, sondern dasMaass künstlerischer Kraftund künstlerischer Selbst-ständigkeit, das jeder Bild-hauer für die ihm gestellteAufgabe mitbringt. Aufdie Selbständigkeit legenwir dabei das Haupt-gewicht. Es ist bekannt,dass mit der Oberleitungder Ausführung ein Bildhauer betraut ist,dem sich schwächere Naturen willig fügen,wahrend sich stärkere dadurch in der Ent-faltung ihres eigentlichen Wesens bedrücktfühlen. Daraus erklärt sich zum Teil manchesUnzulängliche und Lahme. Als drittes Mo-

Abbildung 28g.

Grundriss zu Abb. 288,

ment tritt dann die darzustellende Persön-lichkeit hinzu, die je nach ihrem geschicht-lichen Verdienst den Künstler begeistertoder kalt lässt. In der glücklichen Lage,mit der Darstellung eines Herrschers betrautzu werden, dessen Name allein das Herz jedes

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2 I 4 Berliner Architektunvelt

Brandenburgers, jedes Preussen höher schla-gen lässt, hat sich Professor FRITZ SCHAPER

befunden, als ihm der Auftrag zu teil wurde,die auf den grossen Kurfürsten bezüglicheGruppe auszuführen. Ein Künstler seines Rufsund seines Verdienstes hatte natürlich in deineinmal festgestellten Rahmen volle Selbst-ständigkeit des Schaffens. Dafür hatte eraber auch grosse Schwierigkeiten zu über-winden, da er sich nicht bloss mit Vorbildernvon zum Teil klassischer Geltung abzufin-den, sondern auch der in diesem Falle be-sonders sachverständigen und strengenKritik seines kaiserlichen Auftraggebers zubegegnen hatte, der sich, wie bekannt, mitdem ganzen geistigen Wesen und der kör-perlichen Erscheinung seines grossen Ahn-herrn , den er sich in der Ausübungseines Herrscherberufs als Vorbild er-wählt, aufs innigste vertraut gemacht hat.Um so grösser war die Genugthuung desKünstlers, als er mit seiner Auffassungund bildnerischen Gestaltung des grossenKurfürsten die rückhaltlose Zustimmung undnach der Vollendung des Gipsmodells denvollen, freudigen Reifall des Kaisers fand,dem dieses Abbild so vollkommen erschienenist, dass er eine Wiederholung in Bronze-guss befahl, die als kaiserliches Geschenkvor der Sparenburg in Bielefeld aufgestelltwerden soll. SCHAPER hat den Herrscherin der Vollkraft seiner Jahre, auf der Höheseiner Erfolge, etwa um die Zeit bald nachdem Fehrbelliner Siege, dargestellt. SeinerKraft bewusst, sicher auf sich selbst ge-stellt, steht er da, die rechte Seite auf denStock gestützt, furchtlos in die Ferneblickend (Abb. 290). Von allen Seiten zeigtdie Figur edle, charakteristische Linien;für die graphische Darstellung ist aber dievon uns gewählte rechte Seitenansicht dievorteilhafteste, weil dabei sowohl das Ge-sichtsprofil wie die monumentale Wuchtder ganzen Erscheinung zu voller Geltungkommt. Wie einst mit seinem Goethe hatSchaper jetzt mit seinem grossen Kurfürstenein Werk geschaffen, das das Ideal, dassich das Volk von diesem Herrscher ge-

bildet hat, in wahrhaft klassischer Weiseverkörpert. Die beiden Halbfiguren, dieihm beigesellt sind, stellen seinen treuenBerater, den Minister Freiherrn Otto vonSchwerin, und seinen tapferen Feldmarschallvon Derfflinger dar (Abb. 291 und 292).

OTTO MARKERT, der Schöpfer der kleinenFigur eines nach beendeter Schicht heim-kehrenden Grubenarbeiters, die unsere Ab-bildung 294 wiedergiebt, gehört zu denzahlreichenBildhauern, die ihre Zeit zwischenKunst und Handwerk teilen müssen. AlsVorsteher des bekannten Ateliers vonRobert Schirmer ist er vorzugsweise aufdekorativem Gebiete für die äussere undinnere Ausschmückung von Bauten thätig.So hat er z. B. einen wesentlichen Anteilan der Ausführung der viel bewundertenplastischen Arbeiten in der Kuppel derBerliner GeWerbeausstellung von 1896 nachEntwürfen und Modellen von Bruno Schmitzund Vogel gehabt. Nur in seinen Muse-stunden kann er sich selbstschöpferischerThätigkeit, namentlich in Entwürfen undModellen für das Kunstgewerbe, in Holz-schnitzereien u. dgl. m. widmen und dabeiseine künstlerische Persönlichkeit zur Gel-tung bringen, die sich unter dem Einflussder modernen, unmittelbar auf die Naturweisenden Richtung entwickelt hat. ImJahre 1867 als Sohn eines kleinen Hand-werkers in Schneeberg im sächsischenErzgebirge geboren, wurde ihm durch einStipendium ein dreijähriges Studium aufder Kunstgewerbeschule in Dresden er-möglicht, nachdem er sich zuvor in drei-jähriger Lehrzeit die notwendigsten Begriffein der Technik für Holz, Stein und Model-lieren angeeignet hatte. 1887 ging er nachBerlin, um hier sein Glück zu versuchen.Er brachte weiter nichts mit als Gewandt-heit in der Anwendung der Barockformen;aber dies genügte damals für sein Vorwärts-kommen, In jener Zeit hat er u, a. dieBühnenbekrönung im Apollo-Theater ge-schaffen. Unter dem Wandel der Geschmacks-richtung sah er sich aber bald genötigt,die auswendig gelernten Formen abzu-

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Berliner Architektur well 2 1 5

Abbildung 290

Standbild des grossen Kurfürsten für die Sieges-Aüee,Von FRITZ SCHAPER in Berlin.

werfen und, wenigstens In seinen eigenenWerken, nach unbefangener Natürlichkeitund Individualität zu streben. In wie hohemGrade ihm dies geglückt ist, beweist seinBergmann, den er nach Erinnerungen ausseiner Jugend geschaffen hat. Vor einersolchen Figur lässt sich ein Vergleich mitden Gruben- und Hüttenarbeitern des Bel-

giers Meunier nicht abweisen.Der Deutsche braucht sich diesesVergleiches nicht zu schämen.Wer sich trotz der ungeheurenReklame, die in Deutschlandfür den finsteren, verbittertenSchilderer wirklichen und ver-meintlichen sozialen Elends ge-macht worden ist, noch ein un-befangenes Urteil bewahrt hat,der wird anerkennen müssen,dass die schlichte Gestalt Mar-kerts, die nichts übertreibt undnichts beschönigt, der Wirklich-keit viel näher kommt, als dieGestalten Meuniers, die ein selt-sames Gemisch von Anklageund Verherrlichung bilden, vielTendenz, aber wenig nüchternenWirklichkeitssinn verraten.

Aus der herben, rauhen Luftharter Tagesarbeit führt uns dieliebliche, sich auf einem Baum-ast wiegende Mädchengestalt, dieihr Schöpfer, GUSTAV SCHMIDT-

Cassel „Waldreinheit" getauft hat(Abb. 293), in das romantischeLand, in das Dunkel einesdeutschen Waldes, das der Volks-glaube mit Nixen, Elfen und an-deren geheimnisvollen Wesenbelebt. Die Gestalt soll dievon keines Menschen Fuss ge-störte Einsamkeit eines ent-legenen Waldes verkörpern, undman kann sich die jungfräulicheStille deutscher Waldeinsamkeitschwerlich besser versinnlichtdenken als durch dieses holdeMädchenbild. Es gleicht dem

Sonnenstrahl, der von Ast zu Ast huscht,und soll zugleich das Geheimnis desWerdens im Frühling verkörpern. GustavSchmidt hat sich das Unterscheidungs-merkmal seines Namens von seiner Vater-stadt beigelegt, wo er 1867 geboren wurde.Seiner Ausbildung nach gehört er aberBerlin an, wo er zuerst die Lehranstalt des

Page 222: ARC Berlin 1900

2 l 6 Berliner ArchiicklurwcltAbbildung 291.

Minister Freiherr Otto von Schwerin.Halbfigur für das Standbild des grossen Kurfürsten.

Von FRITZ SCHAPER in Berlin,

Kunstgewerbemuseums und dann dieKunst-Akademie von 1890 -1895 be-sucht hat.

DEKORATIONUND KUNSTGEWERBE

Der Altar für die katholische Herz-Jesu-Kirche in Berlin, der bei der Ein-weihung der Kirche im vorigen Jahrenoch nicht fertig- war, ist nach monate-langer mühevoller Arbeit kürzlich voll-endet und in der Chornische aufgestelltworden. Unsere Abbildung 305 zeigt,mit welch1 feinem künstlerischen Ge-schmack und Geschick der Erbauer derKirche, Professor CHR. HEHL, der wiezu allen übrigen Schmuckstücken derKirche auch zu diesem vornehmstenden detaillierten Entwurf geschaffen,den Altar in seinen architektonischenRahmen hineinkomponiert hat. Abernicht bloss in seiner Erfindung und Kom-position, sondern auch in seiner tech-

nischen Ausführung, die in der Werk-statt des Ciseleurs O. ROHLOFK erfolgtist, ist der Altar ein Meisterwerk, dasunserem Kunstgewerbe zu hoher Ehregereicht. Wie für den Entwurf dieallgemeine Stilfassung der Kirche,strengromanische Formen aus demAnfang des XII. Jahrhunderts, maass-gebend war, so entspricht auch diebei der Ausführung des Altars ange-wendete Technik dieser Zeit. DerAltaraufsatz ist in Kupfer getrieben,im Feuer vergoldet und mit ornamen-talen Details in Grubenschmelz ge-schmückt. Die umrahmenden Leistenund das Kreuz sind mit Filigranrankenund Halbedelsteinen in Kapselfassungverziert. Die Reliefs in den unterenund oberen Feldern enthalten Dar-stellungen aus der Heilsgeschichte mitihren al testamentlichen Vorbildern,und in dem die Kekrönung bildendenBogenaufsatz sieht man den thronen-

Abbildung- 292.

Feldmarschall von Derftlinger.Halbfigur für das Standbild des grossen Kurfürsten.

Von FRITZ SCHÄFER in Berlin.

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Berliner Architekturwelt 217

den Heiland zwischen den Symbolen derEvangelisten. Die Modelle für die bildne-rischen Darstellungen hat Professor OTTOGEYER, die Malereien auf Kupfer an denInnenseiten der Tabernakelthüren A. KLEIN-

ERTZ in Köln angefertigt.Der von Professor MAX SELIGER ent-

worfene und gezeichnete Karton für eineGrabdenkmaldekoration (Abb. 299) ist zurAusführung in Mosaik durch die Glas-mosaikanstalt von POHL & WAGNER inRixdorf für ein Grabmal bestimmt, das aufdem Friedhof in Haiensee für die Familie

Abbildung 293.

Abbildung1 204,

Waldreinheit. Von GUSTAV SCHMIDT-Kassel.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899,

B. A. W. II. 6,

Heimkehr. Von OTTO MARKERT in Berlin.Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

des Bankdirektors B. Dernburg nach demEntwürfe von SPALDING und GRENANDERin einfacher, aber vornehmer Architekturmit schlichten Profilen errichtet wird.Die Architektur war für die Aufnahme desMosaiks direkt komponiert. Zu beidenSeiten sind zwei kleine Nischen zur Auf-nahme von Aschenurnen angebracht, unddarnach hat Seliger das Motiv für seineDarstellung — Engel, die trauernd einenSarkophag umgeben — gewählt. In denweichen, schwebenden Linien erkennt mandie Muster, denen Seliger am liebstenfolgt: die zarten Gebilde der italienischenFrührenaissance. Obwohl erst 34 Jahre alt,

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2 1 8 Berliner Arckitekturwelt

Abbildung 295.

Aufziehendes Wetter in der Campagna de Roma. Von CARL LANGHAMMER in Berlin.Ausstellung der Berliner Secession von 1899,

Abbildung 296.

Alt-Eerlin. Von PAUI. HOENIGRR in Berlin, Ausstellung der Berliner Secession von 1893,

Page 225: ARC Berlin 1900

Berliner Architekt urweit 2 1 9

Abbildung 297.

Das alte Schloss.

Von

FRANZ HOFFMANN-

Fallersleben

in Berlin,

Grosse

Berliner KunstaussteUun

von 1899.

Abbildung 2yH.

Alte Patrizierhäuser

in Breslau,

Von GRETE WALDAU.

Page 226: ARC Berlin 1900

22O Berliner Architekturwelt

Abbildung 299,

Karton für eine Grabdenkmal-Dekoration. (Zur Ausführung in Glasmosaik bestimmt.Von MAX SELIGER in Berlin. Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

Abbildung 300.

Porträt meiner Schwester.

Von FELIX KRAUSE

1 in Steglitz.

Ausstellung

der

Berliner Secession

von 1899.

Page 227: ARC Berlin 1900

Berliner Architektlirwelt 22 t

Abbildung 301. Abbildung 302.

hat Seliger in der kurzen Zeit seiner selb-ständigen Thätigkeit durch ein fein ent-wickeltes Gefühl für Flächendekorationund durch die anmutige Leichtigkeit seinesSchaffens bereits schöne Erfolge erzielt.Am 12. Mai 1865 in Posen geboren, hat ervon 1886 bis 1889 die Kunstschule undspäter die Schule des Kunstgewerbe-museums in Berlin besucht, auf der er be-sonders durch den Unterricht Max Kochsgefördert wurde. Nach einer italienischen

Abbildung 303.

Studienreise und nach einer praktischenThätigkeit auf dem Gebiete der dekorativenMalerei am deutschen Repräsentationshauseauf der Weltausstellung in Chicago hatteer sich durch seine Arbeiten soviel Ver-trauen in seine Tüchtigkeit erworben, dasser 1894 als Nachfolger Kochs als Lehrerfür figürliche dekorative Malerei am Ber-liner Kunstgewerbemuseum angestellt wurde.Auf allen Gebieten der dekorativen Malereithätig, hat er sich in weiteren Kreisen

Abbildung1 304,

Abbildung 301—304. Das Werden und die Verwendung der Brodfrucht. Medaillon« als Einsätze für dieFenster im Speisesaal der Villa Knorr in Heilbronn a. N. (Architekten J. VOLLMER und H. JASSOV.)Entworfen und gezeichnet von PAUL GATHEMANN und MARNO KELLNER, Dekorationsmaler in Charlottenburg-,

ausgeführt von J. C. SPTNtf & CO. in Berlin.

Page 228: ARC Berlin 1900

2 2 2 Berliner Architekturwelt

Abbildung 305.

Altar für die Herz Jesu-Kirche in Berlin. Von CHR. HEHL, Architekt in Berlin

amvornehmlich durch seine MalereienHauptportal der Berliner Gewerbeausstellungvon 1896 und durch seine Entwürfe zu denStickereien für den Thron im Palazzo Caf-farelli in Rom bekannt gemacht.

Zur einheitlichen Ausschmückung- desAuguste Victoria-Platzes im Charakter derauf diesem Platze erbauten Kaiser Wilhelms-Gedächtniskirche sind auch die beiden zurStrassen- und Bürgersteigbeleuchtung vorder Kirche bestimmten Kandelaber von demErbauer der Kirche, FRANZ SCHWECHTEN, in

romanischem Stil entworfenworden (Abb. 312-314). DieAusführung in Schmiede-eisen erfolgte auf Kosten derStadt Charlottenburg durchden Kunstschlosser PAULFERD. KRÜGER in Berlin inreiner Handarbeit. DieKosten eines jeden Kande-labers, der 6,10 m hoch istund in der Ausladung derArme mit Laternen eineBreite von 2 m erreicht, be-trugen 3000 Mark.

Die nach einem Entwürfedes Architekten FROHNE-

BERG in der Kunstschmiedevon A. M. KRAUSE in Berlinausgeführte Fahrstuhlthür,die Abbildung 315 wieder-giebt, ist für ein Hotel inDortmund angefertigt wor-den. Ihre Höhe bis zumKämpfer beträgt 2 m, ihreBreite ebensoviel. Sie istaus Winkel - Quadrat- undMannstaedt - Ziereisen kon-struiert; Füllungen und Auf-satz sind aus Quadrateisenund aus flachschilfblattartigausgeschmiedeten Gebildenhergestellt. Die Kosten be-liefen sich ohne Draht-gewebe auf 250 M., wozunoch etwa 25 M. für die Be-spannung mitDraht kommen.

für die vier von den Malernund MARNO KELLNER

Als MotivPAUL GATHEMANN

in Charlottenburg entworfenen und gezeich-neten Medaillons (Abb. 301—304) hat dasWerden der Brotfrucht im Wechsel derJahreszeiten und seine Verwendung gedient.Sie sind von der Glasmalereianstalt vonJ. C. SPINN & Co. in Berlin als Einsätze fürdie Fenster im Esszimmer der von VOLLMERund JASSOY in Berlin erbauten Villa desKommerzienrats Karl Knorr ausgeführtworden.

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Berliner Archiiektttrzvelt 223

NEUE ERWERBUNGEN

DES KÖNIGL. KUNSTGEWERBE-MUSEUMS IN BERLIN.

Die Erfolge der modernen Sturm-und Dranggeister > die in kühnemAnlauf die Mauern der altenDekorationsformen niedergerissen

und von Grund auf neu die Hochburgder Kunst aufzubauen versuchen, haben

Abbildung 306.

Anhänger. Französische Arbeit.16. Jahrhundert.

der pietätvollen Verehrung der Meister-werke alter Kunst starken Abbruch gethan.So anerkennenswert nun auch die Bestre-bungen der „Jungen41 sind, so ungerecht istdoch andererseits eine Missachtung der„Alten", wie sie heute dem ewigen Gesetzdes Kontrastes zufolge an die Stelle derfrüheren Ueberschätzung getreten ist. Wielehrreich und vorbildlich auch für unseremodernsten Kunstbedürfnisse noch immerdie besten Arbeiten früherer Jahrhundertebleiben, zeigen zahlreiche Neuerwerbungendes Kunstgewerbemuseums, in denen das,wonach unsere modernen Künstler sich nochvergeblich abmühen, in schöner Vollendungerscheint.

So stellt sich z. B. der abgebildete wol-lene Wirkteppich als ein Muster texulerFlächendekoration dar, die auch schonwegen ihrer naturalistischen Motive mit derneuzeitigen Zierkunst manche Berührungs-punkte hat. Den Grund füllen dicht nebeneinander gesetzte Pflanzen, Rosen, Iris,Glockenblume, Löwenzahn u. a., nur soweitstilisiert, als der grobe Faden zu einerderberen, breiten Wiedergabe ihrer Er-scheinungsform nötigte. In diesem duftendenGarten tummelt sich allerlei Getier. Einlangbeiniger Reiher schreitet durch dasKraut und schaut nach Nahrung aus, einFasan bückt sich nieder, um sich an einervollen Aehre gütlich zu thun. Hier hocktein spitzschnäbeliger Specht, dort sitzt ein

Deckelbecher. Danzig.Mitte des 17, Jahrhunderts.

Abbildung 307»

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224 Berliner Architekturwelt

Abbildung 308.

Wollener Wirkteppich. Niederland. Um 1520.

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Berliner Architekturwclt 225

Häschen mit emporgereckten Ohren, wäh-rend neben ihm ein Storch einen zappeln-den Frosch ergriffen hat. Dicke Blatt-guirlanden, von Obst und Blumen umwunden,füllen die Borte aus. Der Teppich ist um1520 in den Niederlanden gefertigt worden.Die Viktorkirche in Xanten besitzt datierteTeppiche aus jenem Jahre, bei denen aufähnlichem Blumengrunde prächtige, dieganze Höhe der Bildfläche einnehmendeHeilige stehen. Der neue Wirkteppichbildet eine wertvolle Bereicherung der einzigin der Welt dastehenden Stoffsammlung desMuseums.

Auch die unvergleichliche Gold- undSilberabteilung hat einen beträchtlichen Zu-wachs interessanter Arbeiten erfahren. Ausder Auktion der Sammlung Martin Heck-scher, welche, nachdem sie fast 2 Jahre, imMuseum ausgestellt gewesen, im vorigenJahre zu London zu übermässig hohenPreisen versteigert worden ist, ist für dasMuseum neben anderen Stücken auch einkostbarer Anhänger, französische Arbeitdes 15. Jahrhunderts, gerettet worden. Deraus vergoldetem Silber bestehende Rahmensetzt sich aus Zweigen zusammen, die mitgotischem Blattwerk umschlungen sind;die Ecken zieren Distelköpfe. Die Vorder-seite zeigt unter Kristall ein zierliches, inElfenbein geschnitzes und bemaltes Relief:die Krönung Maria. Auf der silberfarbenenRückseite sind in Niellomasse Pflanzen aus-

geführt , welche, aus einer kleinen Vaseherauswachsend, den ganzen Grund ge-fällig bedecken: neben stilisiertem BlattwerkErdbeeren und Blüten mit langen Staub-gefässen.

Einen interessanten Beitrag zu der vorzwei Jahren so wenig erfolgreichen künst-lerischen Konkurrenz um eine Ehemedaillebietet eine runde silbervergoldete Kapselaus der Zeit des dreissigjährigen Krieges.Auf der einen Seite ist ein jugendlichesPaar in vornehmer Tracht dargestellt, derenHerzen sich gefunden. Amor in ihrer Mittesegnet den Liebesbund ein. Die Scene aufder andern Seite möchte man als Fort-setzung der ersten betrachten. Dem Bunde,den die Liebe geschlossen, giebt die Kirchein der Person Christi selbst ihren Segen.Gesenkten Blickes lauscht das schon etwasältere Paar den ernsten Worten des Herrn.Wie schlicht und ungesucht, wie sinnig1 undzugleich in Komposition und Maassstab gutgetroffen!

Etwas später als diese Kapsel, etwa indie Mitte des 17. Jahrhunderts, ist der ab-gebildete Deckelbecher zu setzen. Die ein-geschlagene Marke weist auf Danzig alsHerstellungsort hin. In leichtem Reliefheben sich golden vom Silbergrunde grosseTulpen, Rosen und kleinere Blumen ab,in lebendiger Bewegung emporwachsend,jedesmal eine grössere Blume mit einerkleineren wechselnd. Während die kleineren

Abbildung 309.

Kapsel aus der Zeit des dreissigjährigen Krieges,

B. A.W. II. 6. 3°

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22Ö Berliner Architekturwelt

Abbildung 310, Abbildung 311.

Abbildungen 310 u. 311 Entwürfe für schmiedeeiserne Thüren. Von ARNO KÖRNIG, Architekt in Wilmersdorf.

auf volutenartigenSockeln aufstehen,wachsen die grösse-ren direkt aus derFläche heraus, in-dem das untereEnde ihrer Stielevon mehreren all-mählich im Grundeverlaufenden klei-nen Kreisbogen um-schrieben ist, einMotiv, das derKünstler vielleichtaus der Beobach-tung1 gewonnen hat,dass um den imWasser stehendenPflanzenstiel dieFlüssigkeit eine

kreisförmige Rinnezu bilden scheint.

Abbildung 312.

Detail zu Abbildung 313.

Die von der oberenKante des Bechers

stalaktitenartigherabhängenden

Zapfen gleichen inihrer Bildung

Schmuckformen,wie sie uns etwain den Stichen desAmsterdamer Orna-mentstechers JANLUTMA, der in der

Mitte des 17. Jahr-hunderts lebte, be-gegnen,

Ausser diesenStücken sind nochmehrere andere in-teressante und kost-bare Silberschmie-dearbeiten erwor-ben worden: aus der

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Berliner Architekturwelt 227

Abbildung 313.Sammlung Heckscher ein nürnberger Haufe-becher vom Jahre 1532 mit überaus feineneingravierten Darstellungen, weltlichen undbiblischen Liebesscenen und spielendenAmoretten, und ein Gewürzbüchschen ausdem siebzehnten Jahrhundert mit silbernenBlumen auf schwarzem Niellogrunde, fernerein Wärmuntersatz in durchbrochener Silber-arbeit (Paris 1724—5), sowie ein ober-italienischer silberner Knäuelkorb aus demEnde des vorigen Jahrhunderts. Von be-sonders kulturhistorischem Interesse sind

Abbildung; 314.

Kandelaber vor der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirchein Berlin. Entworfen vqrt FRANZ SCHWECHTEN inBerlin, ausgeführt von FERD. PAUL KRÜGER, Kunst-

schlosser in Berlin. Detail zu Abbildung1 313.

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228 Berliner Architckiurzvelt

endlich 7,\vei Embleme aus ver-goldetem Kupfer in Gestalt einesAckleybechers und eines grossenRinges, der Meisterstücke des Nürn-berger Goldschmiedes, welche beiLeichenfeiern der dortigen Gold-schmiedezunft benutzt wurden. Sietragen das Datum 1606.

A. Brüning.

Abbildung 3^5-

Fahrstuhlthür für ein Hotelin Dortmund.

Nach dem Entwürfedes Architekten FROHMP;,

von A. M. KRAUSE, Kunst-schmiede Werkstatt ausgeführt.

Abbildung" 316.

Modern er

Salon.

Entworfen

und

ausgeführt

in den Werk-

stätten von

KELLER und

REINER

in Berlin.

Krone von

R. LEVY.

Page 235: ARC Berlin 1900

Berliner ArchitekturwgH 2 2 9

Abbildung 317.

Modernes Büffet.

Entworfen und ausgeführt

in den

Werkstätten • . ; .

von

KELLER und REINER in Berlin.

Abbildung 318.

Modernes

Schlafzimmer.

Entworfenund

ausgeführtin den

Werkstättenvon

KELLER und

REINER

in Berlin,

Page 236: ARC Berlin 1900

23° Berliner Architekiurwelt

BERICHTIGUNG.Die Unterschriften zu den Abbildungen 236 und 238, Heft 5, sind dahin richtig

zu stellen, dass die Fassaden nebst den Hofansichten, Durchfahrten, Details etc. alleinvon dem Architekten G. HART in Berlin entworfen und gezeichnet worden sind.

Abbildung- 2^4 stellt einen Portierenhalter dar. rtt _ T ,ö ^ Die Redaktion.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.• In dem "Wettbewerb für Entwürfe su Wand-

gemälden im grossen Saale des Hamburger Rat-hauses ist die Mehrzahl der Preise — fünf von acht— Berliner Künstlern zugefallen. Da das Preisgerichtsich nicht entschliessen konnte, einem der 68 einge-gangenen Entwürfe den ersten Preis zuzuerkennen,wurde die Gesamtsumme von 20000 M. in vier zweitePreise von je 3000 M. und vier dritte Preise von je2000 M. geteilt. Zweite Preise erhielten Prof. FER-DINAND KELLER in Karlsruhe, G. A. CLQSS in Stutt-gart, Prof. W. FRIEDRICH in Berlin und A. ZICK inBerlin, dritte Preise Prof. DUYFFCKE in Hamburg,J. VOSS in Berlin, Prof. L, DETTMANN in Berlin undOTTO MARCUS in Berlin.

* *

A Zu dem Ideen - Wettbewerb für einen Gesamt-plan der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung fürRheinland^ Westfalen und benachbarte Bezirke waren13 Kntwürfe eingegangen. Das Preisgericht erteilteden ersten Preis dem Architekten GEORG THIELENzu Hamburg, den zweiten Preis dem ArchitektenAUGUST LACHEMEYER ZU Düsseldorf und den drittenPreis den Architekten SCHULZ und SCHLICHTING zuBerlin. Zwei weitere Entwürfe des Architekten JULIUSWENDLER ZU Berlin und der Architekten HOPPE undEMMINGMANN ZU Berlin wurden dem Ausstellungs-Vorstande zum Ankauf empfohlen.

* *

<Ts Einen Wettbewerb für den Bau einer evange-lischen Kirche in Poppeisdorf bei Bonn schreibt dasPresbyterium der evangelischen Gemeinde in Bonnaus. Die Kirche soll Raum für 600 Sitzplätze bieten,die Baukosten dürfen den Betrag von 150000 M. nichtüberschreiten. Es sind drei Preise von 1500, 1000und 500 M. ausgesetzt. Preisrichter sind StadtbauratSCHULTZE und Kreisbauinspektor SCHULZE in Bonn,Baurat FREYSE in Köln a. Rh., Baurat MARCH inCharlottenburg und ausserdem drei Nichttechniker.Die Entwürfe sind bis zum 1. November an das Pres-byterium einzusenden.

*

d In dem Wettbewerb für Entwürfe zu einemDenkmal der Kaiserin Augusta in Köln sind die

beiden ersten Preise (1500 und 1000 M.) den Ent-würfen der Bildhauer STOCKMANN und DORNENBACHund des Architekten KIRSCH, sämtlich in Köln, zu teilgeworden. Der dritte Preis (500 M.) ist dem Bild-hauer Prof. ERNST HERTER in Berlin zugefallen.

9 Ein „Künstlerverband für Illustration in Re-klame" soll, wie kürzlich in einer Versammlung" vonetwa 40 Künstlern und Künstlerinnen beschlossenworden ist, in Berlin als eingetragene Genossenschaftmit beschränkter Haftung begründet werden. DieGenossenschaft will, wie aus einem Aufrufe hervor-geht, der die schriftliche Zustimmung der ProfessorenR, Begas, E. Doepler d. J., Lessing u. a« gefundenhat, die deutsche Plakatausstellung fortsetzen, um soeine Sammelstelle für künstlerische Plakatentwürfe zuschaffen, Wanderausstellungen veranstalten u. dgl. m.

G Die Ausführung eines Neubaus für die Ver-sicherungsgesellschaft „Nordstern" in Berlin ist nacheiner engeren Konkurrenz zwischen den ArchitektenKAYSER und VON GROSZHE1M, REIMER und KÖRTEund W. MARTENS den erstgenannten übertragen wor-den,

*•% In einem für die Deutsche Bauausstellnng tn

Dresden ipoo ausgeschriebenen Wettbewerbe zur Ge-winnung von Entwürfen für „Mwitergehöße zu einerWirtschaft von 15 Hektar Land" hat der Architekt

ERNST KÜHN in Dresden die beiden ausgesetztenPreise gewonnen.

::: In dem Wettbewerb für Entwürfe zu einemKunstausstellungsgebäude in Düsseldorf bat dasPreisgericht einstimmig den ersten Preis dem Archi-tekten A, BENDER in Düsseldorf, den zweiten Preisdem Professor S. NECKELMANN in Stuttgart, den drittenPreis den Architekten KARL BÖRNSTEIN und EMILKOPP in Berlin zuerkannt.

$• Die Dresdener Bauauslellung im fahre ipoosoll bekanntlich durch die Anlage eines „Vergnügungs-

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Berliner Architekturwelt 231

ecks" einen Reiz für das grosse Publikum erhalten,und dieser wird voraussichtlich in vollem Maassedurch die Ausführung des mit dem ersten Preise ge-krönten Entwurfes des Leipziger Architekten DRECHS-LER erreicht werden. Nach einer Beschreibung im„Centralblatt der Bauverwaltung" läuft der VorschlagDrechslers darauf hinaus, eine römisch-germanischeGrenzansiedlung zur Zeit des Tacitus zu veranschau-lichen, um so einmal die vollendete römische Kunstden Voranfängen germanischer Kunstbethätigunggegenüberzustellen. „Der für das Vergnügungseckin Aussicht genommene Bauplatz hat dreieckige Ge-stalt und ist nach dem Grossen Garten 2U von einemschönen Eichenwalde, an der Schmalseite von derStübel Allee und nach dem Botanischen Garten zuvon einem neu angelegten Garten mit modernen Ge-bäuden begrenzt. Um letztere zu verdecken, demganzen Vergnügungseck eine in sich abgeschlosseneErscheinung zu geben und damit der Einbildungs-kraft der Besucher zu Hülfe zu kommen, sind dieHauptgebäude an diese Seite gelegt. Der waldigeTeil ist, um den Besucher beim Verweilen in dieserbehaglichen Ecke auch die Schönheit der Natur invollen Zügen gemessen zu lassen, thunlichst frei ge-halten und nur mit eingestreuten Baulichkeiten durch-setzt, welche ihrer Art nach geeignet sind, den land-schaftlichen Reiz noch zu erhöhen. Von der eigent-lichen Ausstellung soll das Vergnügungseck mit Um-gehung des Botanischen Gartens durch eine elektrischeBahn zugänglich gemacht werden. Ausserdem sollenunmittelbare Zugänge an der Hercules- und Stiibel-Allee geschaffen werden. Von der Hercules - Alleegelangt der Besucher zunächst zum römischen Provinz-castell. Die „Porta romana", ein grosser Thorbogenmit mächtigem seitlichen Rundturm bildet den Zu-gang; hat man sie durchschritten, so Öffnet sich demBlicke eine antike Strasse, die sich hinter dem Thorezu einem Platz erweitert, auf welchem sich ein kreis-

runder, von einer Säulenhalle umgebener Vestatempel,das „Orakel", erhebt. Längs der Strasse sind ver-schiedene römische Wohnhäuser errichtet, so das„Haus des Pansa", Häuser für Handwerker u. s. w,,alle in der Weise der Alten nach der Strasse zu mitVerkaufsläden versehen. Rechter Hand, an den Waldgelehnt, eine Villa mit Säulenporticus und seitlichenhermengeschmückten Laubengängen; weiterhin einePoststation, Von dieser gelangt man nach dem offenenAmphitheater für Gladiatorenkämpfe und andere zurRömerzeit übliche Vorführungen. Den Abschluss desCastells nach dieser Seite bildet die turmbewehrte„Porta germanica", und hinter ihr zieht sich der Grenz-wall (Limes) hin, vor welchem sich die germanischeAnsiedlung ausbreitet. Dem Beschauer zunächst er-hebt sich links das Hauptgebäude, die Königshalle,ein gewaltiger in Holz gefügter Baut dessen mittlerenTeil die weitgespannte Halle einnimmt;an sie schliessensich rechts und links in stumpfen Winkeln Seiten-hallen und Wirtschaftsräume an. Der stolze Bau, umden sich die übrigen germanischen Baulichkeiten inhübscher Gruppe scharen, ist urwüchsig geschmücktmit Kieferngehängen, Stierschädeln, Waffentrophäenu. dgl. m. Der Königshalle gegenüber ist, umgebenvon einem Weiher, die Musikhalle angeordnet. ImWalde versteckt liegt die sagenhafte „Hundinghütte"mit dem durchs Dach ragenden Eschenstamme. Amhinteren Ende der Ansiedelung erhebt sich die „Nibe-lungenhalle" mit hohem Wartturme. Der Eingangvon der Stübel-Allee ist durch einen grossen Thor-bau betont, an den sich rechts und links Wall-mauern mit Warttürmen anschliessen. Der hütten-artige Ueberbau ist mit Trophäen, Fahnen und Laub-gewinden reich geschmückt und kann durch zweiseitliche Treppenanlagen erstiegen werden; von ihmaus würde man das ganze Vergnügungseck über-blicken können. Auch eine „Drachenhöhle" mit er-leuchtetem Wasserfall ist in Aussicht genommen/'

BÜCHERSCHAU.Handbuch der Kunstgeschichte von ANTON SPRINGER.

Fünfte vermehrte Auflage. Vier Bände. Leipzig,E. A. SEEMANN.

Mit dem kürzlich erschienenen dritten und viertenBande Hegt die fünfte Auflage dieses vortrefflichenHandbuchs, das sich durch seine knappe und dochgeistvolle Behandlung des gewaltigen Stoffs allge-meine Anerkennung erworben hat, jetzt vollendetvor. Es ist bekannt, dass Springer besonders darineine grosse Meisterschaft besessen und geübt hat,den geistigen Zusammenhang der Kunstentwicklungklarzulegen und daneben doch das individuelleElement zu gebührender Geltung kommen zu lassen.Diese Vorzüge zeigen sich in diesem Handbuch inbesonders glänzendem Lichte. Das lehrhafte Element

stört nirgends den Fluss der Erzählung. Mit grossemGeschick sind vielmehr die Personen-, Ortsnamenund Jahreszahlen in die lebendige, stellenweiseschwungvolle Darstellung verwoben worden. Sindfür die fünfte Auflage auch an dem Texte nurwenige Veränderungen notwendig gewesen, so hatdoch das Werk durch eine vornehme Ausstattungauf Kunstdruckpapier, durch Ersatz der alten Chromo-lithographieen durch Dreifarbendrucke und Hinzu-fügung neuer farbiger Tafeln sowie durch eine be-trächtliche Verbesserung vieler Illustrationen ein ganzneues Aussehen erhalten. Das in vier Bände ge-bundene Werk umfasst 1286 Seiten mit 1588 Ab-bildungen und 14 Farbentafeln.

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RICH. GRIMM.

STADTBAUFRAGENVon HANS SCHMIDKUNZ.

'M/^fcor kurzem war eine öffentliche Mit-W**j teilung zu lesen, nach der nun auch^Lf das sonst so wenig* beachtete Ge-

biet des künstlerischen Städtebausseinen Kongress und seine Ausstellung" er-halten soll. Im Jahre 1898 war zu Brüsselein erster „internationaler Kongress füröffentliche Kunst" abgehalten worden; derzweite derartige Kongress soll im Jahre1900 zu Paris bei Gelegenheit der Welt-ausstellung stattfinden. Das Organisations-Komitee in Paris hat das Programm diesesKongresses bereits festgestellt. Alle dieFragen sollen behandelt werden, die sichmit der Schaffung und Erhaltung eineskünstlerisch befriedigenden Bildes der Plätzeund Strassen in den Städten und mit derSchönheit ihrer Umgebung befassen. Diesekünstlerischen Fragen sollen nun in dreiGruppen behandelt werden, einer tech-nischen, einer administrativen und einer imengsten Sinn künstlerischen; in dieser sindbeabsichtigt Vorträge über Aesthetik derStädte, über die Elemente und Bedingungeneines künstlerischen Bildes von Strassenund Plätzen, über die Aesthetik der Land-schaft, über verschiedene einzelne Anlagenu. s. w. Zugleich soll eine Ausstellung füröffentliche Kunst stattfinden, die in analoger

Weise angeordnet sein wird, abgesehen vonder Sonderung nach den Ländern. DieAusstellung will in verschiedentlichen Bil-dern die erläuternden Beispiele geben, willkünstlerischen Vereinigungen Gelegenheitbieten, die Ergebnisse ihrer Propaganda zuveranschaulichen, will Baugesetze zeigen,Plakate, g e g e n die (üe Baupolizei ein-geschritten war, ausstellen, u. dgl. m.

Mit dieser Veranstaltung ist nun dieFrage der „Stadtbaukunst*' neuerdings auf-gerollt. Sie war bis vor etwa einem Jahr-zehnt kaum mehr gewesen als eines dervielen Kapitel der Lehre vom Bauwesen,wurde aber dann durch mehrere Vorkämpfer,unter denen C. SlTTE (Wien) und K. HEN-RICI (Aachen) hervortraten, zu einem be-sonderen Punkt der Modernitätsbestrebungenin der Kunst gemacht. Allerdings gelanges ihr nicht, die öffentliche Aufmerksam-keit für sich so zu gewinnen, wie es in-zwischen anderen dieser Punkte gelang, ins-besondere dem „Secessionismus" in derMalerei und dem Aufschwung der „deko-rativen" oder „angewandten" Kunst. Unddoch steht sie diesen beiden Punkten ganznahe. Von einem „Secessionismus im Städte-bau" konnte bereits mit Recht gesprochenwerden; nur dass dieser Secessionismus

B. A.W. II. 7. 31

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34 berliner Archilektitrweii

mehr oder noch mehr als der in der Malereiauf Vorbilder zurückverweist, die hinter dervon beiden am stärksten befehdeten jüngstenVergangenheit zurückliegen. Dem „deko-rativen" Zug der Moderne, natürlich imweitesten Sinn des Dekorativen, gehört dieModerne im Städtebau schon deswegen an,weil ja die Strassen und Plätze unsererStadt neben der Wohnung unsere nächstealltägliche Umgebung bilden, ganz ab-gesehen davon, dass die eine nicht ohnedie andere im Stande ist, zu einer wahrhaftnaturgemässen künstlerischen Erscheinungzu gelangen. Nun nur noch eines! Diekünstlerische Durchbildung des Städtebausim engeren Sinne ist zwar eine der schwie-rigsten Reformaufgaben des Augenblicks,weil ihre Objekte nicht so ohne weiteresauf- und umgestellt werden können; alleinsie ist, kurz gesagt, vielleicht die wenigstteuere künstlerische Aufgabe, weil es sichbei ihr nicht um die Herstellung mehr oderminder kostspieliger Objekte handelt (dasist Sache der Architektur, der Plastik, desKunstgewerbes u. s. w.), sondern nur umdie richtige Aufstellung von Okjekten, dieohnedies hergestellt werden; zu dieser Auf-stellung bedarf es nur der nötigen Einsichtund Willenshandlung im richtigen Augen-blick, in dem Augenblick nämlich, in wel-chem eben die Anlage der Baublöcke, derStrassen, der Plätze, der Denkmäler statt-findet. Wie weit sie mehr Raum, also mehrKosten für Grund und Boden verlangt,müsste jeweils eigens erörtert werden; hiernur so viel, dass sie dort, wo sie derartigehöhere Ansprüche stellt, zugleich im Namender Hygiene spricht, und im übrigen geradeeiner speziellen Raumverschwendung —• imUebermaass der Strassenbreite und Platz-grösse —- Opposition macht.

In unseren Zeilen soll weder die Gesamt-heit der Forderungen der Stadtbau-Moderneentfaltet werden — denn das ist bereitsmehrfach geschehen; noch auch soll eineGeschichte dieser Reformbewegung odereine Uebersicht über ihre Litteratur ge-geben werden — denn das würde hier zu

weit führen. Unsere Frage sei vielmehrdie: „Welches Interesse kann die Oeffent-lichkeit dem gegenwärtigen Stand derFrage und jenem Pariser Kongress ent-gegenbringen?kt

Für die Reformbewegung im Städtebauist die Oeffentlichkeit noch lange nicht ge-wonnen. Diese steht im Durchschnitt lastganz auf dem Standpunkt der gegenwärtigüblichen Bauweise, deren Hauptmerkmalesind: möglichst breite und gerade Strasson,möglichst grosse Plätze, schematische, un-individuelle Anlage beider, Zusammenlegenvon „Bauflucht* und „Strassenflucht", In-einanderführung des Verkehrs durch ge-häufte Strassenkreuzungen, insbesondereauf den „Sternplätzen'1, Zerreissung stattAbschliessung der Platz- und Strasscn-prospekte, Verstellung der Verkehrsliniendurch architektonische undplastische Werke,und schliesslich der „ Freilegungswahn".Die Reformbewegung im Städtebau willauf Grund praktischer, d. h. Verkehrs- undGesundheitsrücksichten, und auf Grundkünstlerischer Ansprüche auf wohlgefälligeStrassen- und Platzbilder die ausschliess-liche Herrschaft jener Hauptmerkmale be-kämpfen, ohne jedoch gerade die jenen For-men entgegengesetzten als alleinselig-machend zu verkünden. Sie verweist aufbessere Zeiten eines künstlerisch wertvollenStädtebaus zurück. Sie bringt besondersdie Schönheit der süddeutschen und west-deutschen Städte älterer Anlage in Er-innerung. Wo es gilt, diese vorhandenenSchönheiten zu erhalten, hat unsere Reform-bewegung auch die durchschnittliche öffent-liche Meinung auf ihrer Seite, allerdingsmeistens mit dem Bedauern, dass den An-sprüchen unserer Zeit nun doch vieles blossHistorische geopfert werden müsse.

Berichte über diese Konflikte bilden dennauch den grössten Teil dessen, was in derOeffentlichkeit über unser Gebiet zu hörenist. So war jüngst die Rede von denBaudenkmälern von Oberlahnstein, einerjener mittelrheinischen Städte wie St. Goaru. a., deren Bedeutung und Zugkraft in

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Berliner Architcktttrwelt ^35

ihrem altertümlichen Hilde liegen. Auchhier hiess es: erhalten, was möglich ist,und preisgeben, was nicht mehr zu haltenist. Angesichts dieser Schwierigkeitennimmt die Stadthaufrage die bestimmtereForm des Problems an: die historisch ge-gebenen Schönheiten der Stadthaukttnsi mitden Anforderungen des heutigen Thebens221 vereinigen. Nur scheinbar entsprichtdiesen Anforderungen die heute üblicheHauweise. Diesen Schein zu zerstören unddie Formen herauszufinden, die sowohldem heutigen Leben als auch den historischgereiften Anforderungen der Kunst ent-sprechen, wird namentlich die Aufgabedes augenblicklichen öffentlichen Interessesan den Stadtbaufragen sein, wie es durchjene Pariser Kongressankündigung angeregtwerden kann. Und das vielleicht besteMittel zur Durchführung jener Aufgabewird ein Ueberblick über die bisherigengeschichtlichen Typen des Städtebaus sein.Er wird zeigen, wie die verschiedenenNatur- und Kulturfaktoren auf die Ent-stehung bestimmter Stadttypen eingewirkthaben, aber wahrscheinlich auch, dasskeineswegs jede Stadtbauform ein völligentsprechender Ausdruck der jeweiligenVerhältnisse war, dass vielmehr oft ganzspezielle Faktoren, einschliesslich derereines individuellen Geschmacks, in ungefährden nämlichen allgemeineren Verhältnissenverschiedene und in verschiedenen allge-meineren Verhältnissen ähnliche Stadtbau-formen erzeugt haben, und dass kaumirgendwo soviel künstliche Verbildungdas umzwinot, was sich aus der Natur derSache ergiebt, wie im Städtebau, zumal imgegenwärtigen.

Wir bedürfen dazu vor allem eines,noch kaum existirenden Kapitels derKunstgeschichte: der Geschichte des künst-lerischen Städtebaus. Einige Haupttypen,wie sie in diesem Kapitel näher beschriebenund erklärt werden müssten, seien hiermarkirt. Den geschichtlichen Reigen magdie assyrische Herrscherstadt eröffnen, mitihrer konzentrischen Lagerung um die

selbst wieder vorwiegend konzentrische,terrassenförmige Königsburg und ihren denmilitärischen Herrscher willen verratendenbreiten Strassen; Ausgrabungen der jüngstenZeit wie die von Sendschirli brachten unsdiesen Typus zum Teil wieder in Erinnerung.

Der uns vertrauteren Periode des grie-chischen und italienischen Altertums ge-hört die kurz so zu nennende graccoitalischeHügelstadt an, vertreten durch die altenHauptstädte der Griechen und Römer undvielleicht noch bis in die jetzigen italischenFelsenstädte zu verfolgen; ein Stadtbau-typus, in welchem anscheinend der Rau-block und die Stadtstrasse, zwei einanderbedingende Gebilde, erst langsam anfingensich zu entfalten. In welchem Sinn Spartadie „wekstrassige" genannt wurde, wärewohl erst noch festzustellen. Fast mit einerplötzlichen Wendung wird dieser Typusbereits im 5. Jahrhundert v. Chr. abgelöstdurch die hellenistische Stadt, die Vorläuferinder modernen amerikanischen Stadt, jaschon der ostelbischen Stadt; sie bildet mitihren schachbrettartigen Strassen, von deneneinige breitere in einen mittleren, schema-tisch ausgesparten Platz münden, den bis-her wohl bezeichnendsten Kolonisations-typus. Will man sich zum Verständnis mitstilgeschichtlichen Analogien helfen, so magman von einem „antiken Barocco" sprechen.Auch dieser Typus wurde uns in jüngerenAusgrabungen, z. B. von Alexandria, vonPriene und von anderen solchen Städtenvorgeführt. Ein Seitenstück zu ihm, etwaeinem „antiken Empire" zuzurechnen, istdie römische Lagerstadt, d. h. das zu einerStadt verfestigte Lager der römischenHeere, mit seiner offiziell vorgeschriebenenquadratischen und rechtwinklig ausgebautenGrundform, die noch im Kern zahlreichergegenwärtiger Städte von solchem Ur-sprung zu erkennen ist (Wien, Strass-bürg u. s. w.).

Hatte so schon das Altertum die zweiHauptklassen von Stadtbautypen gekannt;die ohne Willkür naturgemäss gewordene»individuell variable Stadt einerseits, das

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2 j 6 Berliner Architekturwelt

Willkürprodukt, die bewusst angelegte,gegründete, unindividuelle Stadt anderer-seits, so wiederholt das Mittelalter dieseZweiheit, niit höherer Ausbildung der infreier Weise gewordenen Stadt, die zu-gleich auf die relative individuelle Freiheitdes Mittelalters, wenigstens des späteren,ein günstiges Licht fallen lässt. Wir könnendiesen Typus kurz die gotische Stadtnennen; wir kennen ihn zumeist in derForm, die er im Süden und Westen Deutsch-lands als die „malerische", „altdeutsche"Stadt angenommen hat, unbeschadet einesoft andersartigen, z. H. römischen Kernes.Allein er ist nicht der einzige Vertreterjener alten Zeit. Neben ihm steht der ost-elbische Kolonisationstypus, wie er erst injüngster Zeit, besonders von dem HistorikerJ. FRITZ, ZU unserer Kenntnis gebrachtworden ist. Er hat das „rostfÖrmige" Schemaund die Formen der Mitte mit der hellenisti-schen Stadt gemein, besitzt aber die Rund-form wohl für sich allein. Letztere magslavischen Ursprunges, ersteres italienischen(nach FRITZ) oder holländischen Ursprunges(nach dem Verfasser dieser Zeilen) sein;jedenfalls besitzen Holland, Nord- und Ost-deutschland eine Klasse von Stadtbautypen,die jener „gotischen" Stadt Frankreichs,Belgiens und Süd Westdeutschlands scharfentgegengesetzt ist.

Als die Fortsetzung dieser gotischenStadt kann die Stadt der Barockzeit gelten,mit ihrem Drang nach offeneren, perspek-tivisch weiteren und geradlinigeren Räumen,Aus diesem spezifisch neuzeitlichen Drangund aus sonstigen Faktoren der Neuzeitsind nun weiterhin zwei einander ähnlicheErscheinungen des Städtebaus entstanden;einerseits die geometrischen Künsteleienvon Duodezfürsten des 18. Jahrhunderts,andererseits die moderne „Stadterweite-rung", Diese, eine „innere" und eine„äussere", hat mit ihrer Nüchternheit desFreimachens, Abiinierens und schnellenFertigseins (darin an die Kolonisationsstadtdes Hellenismus und der ostdeutschenKultur erinnernd) zu dem gegenwärtigen

Stadtbautypus geführt. Seine Endform istder „Amerikanismus" im Städtebau, jeneUnterwerfung aller Verschiedenheiten despraktischen Bedürfnisses und aller künst-lerischen Ansprüche unter einen bequemenSchematismus. Er kehrt, nachdem er inStacken wie New York sich ganz rein aus-geprägt hat, auch auf anderem englischenKolonisationsboden in schnell aufblühendenStädten wie den südafrikanischen, z. B.Buluwayo, wieder. Sein Verbreitungsbezirkfindet schon in den südlichen Gegendender Vereinigten Staaten von Nordamerikaeine Grenze an dem Verbreitungsbezirk derspanischen Stadt, die dem „gotischen"Typus näher steht, aber auch noch orien-talische Elemente aufweist (St. Augustinein Florida, dann l lavanna und Santiagoauf Cuba u. s, w.). Die „orientalische1' Stadtselber ist ebenfalls der gotischen Stadtähnlicher als der Kolonisationsstadt. Einenähere Betrachtung wird auch in demengen Strassengewirr und Winkelwerk derecht asiatischen Städte, ganz abgesehenvon ihren andersartigen „europäischenVierteln" und von den „gemischten" Städten,verschiedene Formel emente herausfinden,wird weiterhin den imperialistischen Cha-rakter der quadratischen und sonst nochrechtwinkligen Linienzüge Pekings alstypisch zu deuten wissen, wird die „Zwiebel-form" der altrussischen Stadt vielleicht mitdem assyrischen Typus, vielleicht auch mitmanchen „Zwiebelschalen" deutscher Stadt-formen (Aachen, Münster) in Verbindungbringen können,

Tst so dieUebersicht hergestellt, so werdenwir daraus folgende Lehren ziehen. DasWertvolle des Wildwachsens einerseits unddes bewussten Gründungsplanes anderer-seits in allen Ehren! Heute müssen wir unsjedenfalls klar sein, was wir wollen, undwas wir ausführen können. Vorbei mit dermalerischen Wildheit, vorbei aber auch mitdem unkünstlerischen Zwang eines Schemas,mag dieser Zwang nun asiatisch-imperia-listisch oder amerikanisch-demokratisch sein!Weder ungebundene Natur noch auch

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Berliner Architekturwelt mKünstelei, weder orientalische und mittel-alterliche Enge noch auch moderne Zer-dehnung! Wir müssen vor allem die Anlageund Umformung von Stadtbau-Objektensolchen Architekten anvertrauen, die denBedarf moderner Verkehrswelt und Gesund-heitspflege mit den historisch gegebenenkünstlerischen Mitteln zu decken wissen, diedas Gleiche thun, was jede sich neubildendeKunst zu thun hat: bewusst besser undschöner machen, was in natürlichein Werdenvon selber, nur erdrückt durch das Zu-sammenstossen verschiedener, einander ent-gegenwirkenderFaktoren und mit beklagens-werter Kraftverschwendung entsteht. Das„Neo-Empire" der gegenwärtigen Stadt-anlage und Stadterweiterung wird dannkeine verlorene Episode sein, so wenig wiedie „gotische" Stadt nur etwa „historisch"bleiben soll; es wird beispielsweise die

„Avenue", jene junge, noch ungefüge, aberin uralten Wallfahrtswegen vorgebildeteEntwickelungsform des modernen Städte-baus, den kommenden Geschlechtern vonStadtbaukünstlern als ein ganz besondersdankbares Problem hinterlassen.

Wir besitzen heute eine noch erst kleine,aber bedeutungsvolle Reaktion gegen dieUebermacht und unabsehbare Anschwellungder Grossstädte. Wird zu den diese Reaktionbildenden Faktoren, unter denen der natio-nale eigens erwähnt werden mag, auchnoch der Drang nach einer selbständigenStadtbaukunst hinzutreten, so ist wenigstensdas Eine zu erhoffen, dass die Städte ihrer-seits beitragen werden zu der heissersehntenErfüllung auch unseres Alltagslebens mitkünstlerischen und — als echt künst-lerische — zugleich den praktischen Be-dürfnissen angemessenen Eindrücken,

AD. HÄRTUNG.

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2ß Berliner Architekftinvcff

Abbildung 319.

Künstlerhaus Bellevuestrasse 3. Erbaut von KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg.

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

Als das zweigeschossige, palastartige

Wohnhaus an der Nordseite derBellevuestrasse 1897 vom VereinBerliner Künstler für den lang er-

sehnten und geplanten Bau eines eigenenHeims erworben wurde, ging man von derHoffnung aus, dass das vorhandene Haus,das in den siebenziger Jahren erbaut wordenist, im wesentlichen erhalten bleiben undohne erhebliche Schwierigkeiten im Innerenfür die Zwecke des Vereins ausgestaltetwerden könnte. Je mehr aber die Entwürfeund Pläne des vom Verein mit der Bauaus-führung betrauten Architekten KART,

HOFFACKER zur Reifegelangten, destostärkertrat die Notwendigkeit eines vollständigenUmbaues in den Vordergrund. Als dann

der Bau in Angriff genommen wurde, stelltees sich heraus, dass wenig mehr als dieäusseren Umfassungsmauern benutzt werdenkonnten, und selbst die schöne Sandstein-facadc, auf die man besonderen Wert ge-legt hatte, musste starken Veränderungenunterzogen werden, wenn die Bedeutungund Bestimmung des Hauses wenigstenseinigermaassen nach aussen zum Ausdruckkommen sollten. Der Haupteingang wurdein dieMitte des Hauses verlegt, und das obereGeschoss wurde bis auf die seitlichenFensteröffnungen geschlossen. Die dadurchgewonnene Wandfläche des Mittelbaues er-hielt einen bedeutsamen Schmuck, der dieBestimmung des Gebäudes angemessenverkündet: ein von flachen, auf Konsolenruhenden Pilastern eingerahmtes Bild in

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Berliner Architekturwelt 2Z9

Glasmosaik, das, nach dem Karton von HANSKOBERSTEIN in der deutschen Glasmosaik-anstalt von WILHELM WlEGMANN in Rixdorfausgeführt, unter dem MedaillonbildnisAlbrecht Dürers die drei Künste darstellt.Zur Linken des Be-schauers steht die Ma-lerei, zur Rechten dieBildhauerkunst, und inder Mitte wird die Ar-chitektur durch einenromanischen Dom ver-

anschaulicht. DasKünstlerwappen zwi-schen zwei weiblichenMasken bildet den obe-

ren Abschluss derarchitektonischen Ein-fassung des Bildes.Diese und die anderenplastischen Verzierun-gen der Fassade hatBildhauer VOLCKE nachden Modellen von OTTOLESSING ausgeführt.

War dem Architek-ten unter den obwalten-den Verhältnissen einemonumentale oder auchnur stark individuellausgeprägte Gestaltungder Facade erschwert,so hat er seine künst-lerische Eigenart in derPlandisposition und inder Detaillierung desInneren desto ungehin-derter zum Ausdruckbringen können und ineinzelnen bevorzugtenRäumen auch Gelegen-heit gehabt, monumen-tale Wirkungen zu erzielen. In den Ent-würfen und Detailzeichnungen, die Hoff-acker auch für den ganzen inneren Ausbauangefertigt hat, kommt der nordisch-germa-nische Stilcharakter mit romanischen Grund-formen zu entschiedenem Ausdruck, und in

Abbildung 320.IT - 1 J I j | | J J ] J | j j jf j^ i IIM111 tJJJ 11M J-l llltH

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Grundriss zu Abbildung 319,

der durchgehenden Betonung dieser Stil-formen liegt der eigenartige künstlerischeReiz, der die gesamte, mit grösster Liebeund Sorgfalt durchgeführte, innere Aus-schmückung des Künstlerhauses so überaus

anziehend macht. Inunseren Abbildungensind deshalb vorzugs-weise Details der Innen-dekoration berücksich-tigt worden.

Durch das von einemflachen Korbbogen

überspannte Hauptpor-tal gelangt man in einenEingangsflur, der un-mittelbar auf das Trep-penhaus führt, mit demder neue, 615,5 Quadrat-meter grosse Anbau be-ginnt (s. die GrundrisseAbb. 320—322). Zubeiden Seiten des Ein-gangsflures, dessen et-was gedrückte Verhält-nisse übrigens nicht demArchitekten zur Last zulegen, sondern die durchdie Beibehaltung derFacade hervorgerufenworden sind, sind nachder Strasse zu Ausstel-lungsräume angeordnet,die besonders derKlexn-plastik und dem Kunst-gewerbe dienen sollen.An den westlichen Aus-stellungsraum schliesstsich, links vom Ein-gang , ein etwa 120Quadratmeter grosserErfrischungsraum an,

der für die Besucher der Ausstellung unddie Familienmitglieder der Künstler be-stimmt ist, und rechts befinden sich dieGarderobe, eine Nebentreppe, die Geschäfts-stelle des Vereins für deutsches Kunst-gewerbe und die Toiletten. Eine Marmor-

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2 4 O Berliner Architekturwelt

treppe am Ende des Eingangsflures ver-bindet Vorder- und Hinterhaus und führtauf halber Höhe der ersten Etage desVorderhauses zu den eigentlichen Aus-stellungsräumen, die aus drei Oberlicht-und zwei Seitenlichtsälen bestehen, wozunoch das Verkaufsbureau kommt. Den Zu-gang" zu den Ausstellungsräumen vermitteltein von G. RIEGELMANN in Holz geschnitztesPortal, an dessen Pfosten sich rechts undlinks zwei zur Ausführung in Bronzegussbestimmte Reliefs von HERMANN HIDDING

anschliessen, die das Werden und Wachsendes Künstlers von seinen ersten mühsamenSchritten bis zur Sonnenhöhe des Ruhmsschildern. Die Füllungen der Thürpfosten

Abbildung 321.

zeigen symbolisches Bildwerk: über denoberen Feldern zwei weibliche Köpfe, diedie Phantasie und die Schönheit versinn-lichen, in den unteren Feldern einen Adlermit ausgebreiteten Schwingen, der derSchlange der Zwietracht mit seinem Schnabelden Kopf zerhackt, und darunter zwei ver-schlungene Hände unter einem Apfelbaum.Auf der linken Seite ist das Datum derBegründung des Vereins (19. Mai 1841),auf der rechten Seite das Datum der Ein-weihung des neuen Hauses (15. Oktober 1898)verzeichnet (Abb. 326). — Die Decke desTreppenhauses, von dessen feiner plastischerOrnamentik Abbildung 327 eine Probegiebt, hat Professor MAX KOCH mit Ge-mälden aus der deutschen Göttersage ge-schmückt.

Vom Treppenhause gelangt man durcheinen Vorraum in den in dem ersten Stock-

Abbildung 322,

Abbildung 321 u. 322 Grundrisse zu Abbildung" 319,

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Berliner Architekturwelt

Abbildung 323,

241

Grosscr Festsaal im Künstlerhaus Bellevuestrasse 3. Ansicht nach der Buhne.Von KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg-.

werk des Vorderhauses gelegenen grossenFestsaal, der eine besonders reiche Aus-stattung erfahren hat, freilich mit einer ge^wissen Zurückhaltung, die durch die Forde-rung des Ausstellungsprogramms bedingtworden ist, dass die Wände nötigenfallszur Aufhängung von Bildern benutzt werdenkönnen. Der Saal, der von einem drei-geteilten, in der Mitte durch ein Oberlichtdurchbrochenen, hölzernen Tonnengewölbeüberspannt ist, hat eine Grundfläche von300 Quadratmetern, wozu noch an der West-seite eine 35 Quadratmeter grosse Bühnehinzukommt, der rechts und links je dreiüber einander liegende Ankleideräume bei-gesellt sind. An der Ostseite erhebt sich,von zwei in Holz geschnitzten Säulen ge-tragen (Abb. 325), eine 50 Quadratmetergrosse Empore, deren Rückwand ein vonProfessor MAX KOCH gemaltes, geschickt

in die Kleeblatt form des Bogens hinein-komponiertes Bild schmückt (Abb. 324). Esstellt das Erscheinen des nordischen Apollo,Baidur, unter den Menschen dar, denen erLicht und Wärme und damit zugleich diemusischen und bildenden Künste bringt. Auchdas Bogenfeld über der Bühne hat MaxKoch mit einem Bilde in sgraffitoartiger Be-handlung geschmückt, einer Darstellung desden Drachen der Zwietracht niederwerfen-den Ritters St. Georg in nordisch-germani-scher Auffassung (Abb. 323).

Ausser dem Festsaal mit seinem Vorraumenthält das Vorderhaus noch einen Speise-saal, Buffeträume und an der Rückfront,eine Etage höher, vier grössere Klubzimmermit den zugehörigen Toiletten, darüber dieKüchenräume. ImKellergeschoss des Vorder-hauses liegen die Packräume für die Bilderund die Wirtschaftskeller, in dem Keller-

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Abbildung

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Berliner Arckitekturwelt "243

geschoss des Hinterhauses dieKistenlagerkeller für die Ausstellungund die Centralheizung1 (Nieder-druckheizung und speziell für dieAusstellungsräume Warmwasser-heizung) , sowie die Betriebsräumefür die künstliche Ventilation.

Die eigentlichen Gesellschafts-räume des Vereins: Kneipe, Billard-zimmer, Bibliothek, zwei Kegel-bahnen u. s. w. liegen im Hinter-haus, unter den Ausstellungsräumenzu ebener Erde. Unsere Abbildun-gen 330, 331 u, 333 geben mehrereAnsichten des Kneipzimmers unddes angrenzenden Bibliothekraums(vgl. das Detail dazu Abb. 332). Dieornamentale Bemalung der Kneipehat der Maler BÖHLAND ausgeführt.Aus der Bibliothek gelangt manin einen kleinen Garten, der da-durch freundlicher gestaltet ist, dassdie ihm zugewendete Architektureinen künstlerischen Schmuck er-halten hat, u. a. durch eine vonG. BARLÖSIUS gemalte Wappendar-stellung , die das Künstlerwappenzwischen den Wappen des Reichsund der Stadt Berlin mit demSpruch „Ohn Gunst all Kunst um-sunst" zeigt (Abb. 328).

Der rechte hintere Seitenflügeldes Gebäudes enthält in vier Etagendie Geschäftsräume des Vereins,Vorstandszimmer und Sitzungszim-mer, die Kostümkammer und dieWohnung des Hauswarts. — DieAusführung des gesamten Um- undNeubaus hat nur wenig mehr alsein Jahr in Anspruch genommen.

Von künstlerischen Mitarbeiternsind ausser den genannten nochProfessor E. DOEPLER D, J., der dasBild des hl. Lucas über dem Ein-gang zur Vereinskneipe gemalt hat, undBildhauer SCHIRMER (Stuckverzierungen)zu erwähnen. G. RIEGELMANN hat ausser denHolzbildhauerarbeiten auch die Steinbild-

Abbildung; 325.

Künstlerhaus Bellevuestrasse 3. Säule und Detail von der Emporeim grossen FestsaaL

1 Von KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg. '••

hauerarbeiten im Innern ausgeführt. DieMaurerarbeiten führten HELD & FRANCKE,

die Zimmerarbeiten H. GöRTSCH, die Klemp-nerarbeiten C.TllOM, die Dachdeckerarbeiten

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244 Berliner Architekt itrwelt

NEUMEISTER, die Tischlerar-beiten STIEHL, HEIDEKLANG &BiLECKI, ST1EBITZ & KÖPCHEN

und J. C. PFAFF aus. Die Stein-metzarbeiten sind von HOLZ-MANN & Co., die Schlosser-arbeiten von ROTT, die Bronze-thürbeschläge von S. LöWY,das Treppengeländer derHaupttreppe und das Front-gitter von METHLIXG &GLEICHAUF, die Malerarbeitenvon Gebr. ElLERS, die Kunst-verglasungen und alle übrigenGlaserarbeiten von J. SCHMIDT,die Treibarbeiten der Bronze-kapitäle der Marmorpfeiler imFestsaal von GUSTAV LIND,

die Drahtputz- und Zugarbei-ten von BoSWAN & KNAUER,

die Marmorarbeiten vom Mar-morwerk Kiefersfelden, dieGas- und Wasseranlagen vonDAVID GROVE, die Heizungs-und Ventilationsanlagen vonRIETSCHEL & HENNEBERG. Die

elektrischen Beleuchtungskör-per für den Festsaal und dieKneipe hat PAUL STOTZ inStuttgart, alle übrigen C.KRAMME in Berlin geliefert. —

ALFRED MESSEL, der Archi-tekt der im Grunewald aufeinem der Seegelände liegen-den Villa Dotti, von der unsereAbbildungen 336 —- 348 eineGesamtansicht und eine Reihevon Details bieten, hat beidem Entwurf und der De-taillierung die ausgesprocheneAbsicht verfolgt, sich thun-lichst in Form und Charakteran die altväterliche Bauweiseanzuschliessen, was in unserer,baukünstlerisch von aller Tra-dition losgelösten Zeit ein be-sonderes Interesse beanspru-chen darf. Einstmals bestand

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für derartige Familienhäuser,wenn auch jeweilig durch Zeitund Ort verschiedenartig ge-staltet, ein fast feststehenderTypus. Man baute von Innenheraus, legte die Räume zu-sammen, wie sie den Bedürf-nissen des Hauswesens ent-sprachen , und die äussereForm fand sich so fast vonselbst. Das Schmuckwerk warauf wenige Teile konzentriert.Oft war es nur ein Erker oderetwa eine Halle; das Ganzewirkte aber in seiner Einfach-heit und in seiner Selbstver-ständlichkeit überaus wohl-thuend. Eine gewisse Behäbig-keit und Behaglichkeit schienvon dem Innern auf dasAeussere übergegangen zusein. Nie drängte sich ein Zu-viel von Formen hervor! Nie,wurden Motive angeschlagen,deren man nicht Meister ge-wesen wäre!

Das hatte seinen natürlichenGrund; denn die ausführendeHand war auch die entwer-fende. Die Formen warenüberliefert, aus dem Hand-werk entwickelt und unterdem Eisen der bildenden Handentstanden. Wer aber selbstan Stein und Holz formt, derbleibt sachlich und frei vonUebertreibung!

Langsam nur modelten einstdie veränderten Verhältnissedas Ueberkommene um, wieauch das bürgerliche Lebenlange festhielt an Brauch undHerkommen des Hauses unddie überlieferte Sitte nur un-gern aufgab. Wie ganz anders

Künstierimus Beiievuestrasse 3. heute! Wer heute entwirftDetail vom Eingangsportal zu HenAusstellungsräumen. KARLHOFF- und baut, fühlt sich frei vonACKER Architekt in Charlotten- j e d e r p e s s e l der Göttlichkeitbürg. G. RIEGRLMANN, Bildhauer J

in Berlin.

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Berliner Arckitckturwclt 245

und der Ueberlieferung. Unend-lich sind die Motive, die uns ausallen Zeiten und Teilen der Weltumgeben! Aber die hastende,drängende Zeit gestattet der aus-führenden Hand nicht mehr, auchzu entwerfen. Eine Trennung ineinen Entwerfenden und einen me-chanisch Ausführenden ist einge-treten. Ihr verdanken wir dieVergröberungen und Uebertrei-bungen, die unsere Zeit charak-terisiert, der Herrschaft des Papiersund der oft übermässig gesteiger-ten Individualität der Künstler undHauherren die Unstetigkeit derEntwicklung. Die Erfahrung derJahrhunderte, dass nur langsamesAufbauen fördert, ist vergessen.Wenn man aber neuen Idealennachjagt, ohne das Alte zu be-herrschen , werden alle neuenWerke dieser Art einen dilettan-tischen Charakter haben. Je we-niger die Baukünstler in unserenTagen sich Zeit und Ruhe gönnenkönnen, die Eormen selbst durch-zubilden, um so mehr sollten siedie Notwendigkeit empfinden, sicheinem ernsten Studium des Ueberliefertenzuzuwenden.

Dass es möglich ist, im Anschluss an dieüberlieferten Formen die modernen Bedürf-nisse zu befriedigen, dafür bietet die vonA. Messel entworfene Villa Dotü ein voll-gültiges Beispiel. So viele moderne Auf-gaben uns vorliegen, die eine selbständige,von der Ueberlieferung unabhängige Lösungverlangen, so wenig scheint das bürgerlicheHaus ungestüme Neuerungen zu fordern.

Bei dem ersten Blick auf das Haus, dessenGrundrisse der Bauherr selbst, Regierungs-baumeister A. DOTTI, nach den Wünschenund Bedürfnissen seiner Familie aufgestellthat, fallen uns zunächst die gelagerten Ver-hältnisse auf, die der gesamten Erscheinungeine gewisse beschauliche Ruhe verleihen.Die meist überhängenden Dächer schleppen

Abbildung 327.

Künstlerhaus Rellevuestrasse 3. Detail der Decke im Treppenhaus.KARL ÜOFFACKER, Architekt in Charlottenburg.

nach unten, soweit es anging. In der Haupt-sache ist das Gebäude in Putzbau ausge-führt. Nur der Sockel und einzelne vor-springende Teile sind in Sandstein herge-stellt; einzelnes Eachwerk ist sichtbar. Aufdie Mitwirkung der Farbe ist ein beson-deres Gewicht gelegt worden. Das Ganzeist aus einem zarten Grau heraus gestimmt.Das Holzwerk und die „geschmookten"Ziegel variieren in diesen Tönen und bildeneinen feinen Kontrast zu dem gelblich ge-haltenen Putz. Wo es das Innere verlangte,sind den Räumen Erker und Hallen ange-fügt worden, die dem Aeusseren seinenbesonderen Charakter geben.

Durch einen kleinen Vorraum gelangtman in einen zentralen Wohnraum, eineArt Diele, um die sich im Erdgeschoss dieübrigen Räume gruppieren: Esszimmer,

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Abbildung 32H

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9.

Architektur

des Hofes.

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Künstlerhaus Bellevuestrasse 3. Kneipe mit dem Blick nach der Bibliothek.K.\KT, HOKFACKER, Architekt in Charlottenburcr.

Abbildung ^3 1,

Kneipe im Künstlerhaus Bellevuestras.se 3. KARL HoFFACKKR, Architekt in Charlottenburg.

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248 Bertiner Architekturwelt

Abbildung 332.

Kün.stleihaus Bellevuestrasse 1. Säule in der KneipeKARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenbur£.

Herrenzimmer und das „gute Zimmer", wieman es nannte, ehe fremdländische Sittedie heimische überwucherte. Auch dieKüche liegt in demselben Geschoss. Imoberen Stockwerk sind hauptsächlich dieSchlafräume, im Dachgeschoss Fremden-und Dienstbotenzimmer untergebracht. Das

Untergeschoss birgt eine Remise, zuder die Zufahrt hinabgeführt ist.

Die Ausstattung des Innern hält sichin einfachen Grenzen. Einige Kamine,;LUS altem 1 lolzwerk aufgebaut, etwasTäfelung an Decke und Wänden derDiele und auch altes Zierwerk um Türenund Fenster sind herangezogen worden,um den Räumen ein trauliches Aussehenzu geben. Ueberall hat sich der Archi-tekt bestrebt, jeden Raum eigenartig inseiner Farbe zusammenzuhalten.

Die Bauleitung lag in den Händendes Bauherrn, dem A. Messel als Archi-tekt zur Seite stand. Die Ausführungdes Rohbaus besorgte die Firma MESSEL£k ALTGELT. Die kunstgewerblichenTischlerarbeiten sind von GOSSOW, dieMalerarbeiten von J. M. BODENSTEJN

ausgeführt worden.In der Villa Braun (Abb. 349—352)

hat derselbe Architekt gezeigt, dasssich die oben entwickelten bau künst-lerischen Absichten auch in kleinerenVerhältnissen durchführen lassen. —

Bei der Konkurrenz um eine Garten-halle bei der sog. Waldschänke imZoologischen Garten waren 13 Projektezur engeren Wahl gestellt, unter denensich an vierter Stelle der mit demMotto „Ein goldner Apfel war seinSchild41 versehene Entwurf von GeorgRÖNSCII befand, den unsere Abbildung353 wiedergiebt. In dem Protokoll derPreisrichter war zwar „der zu grosseAufwand von Dachflächen bemängelt11,im übrigen aber dem Projekt hoheAnerkennung gezollt worden. „DerCharakter des Naturholzes ist, so heisstes in dem Protokoll, sachlich durch-geführt. Der Grundriss zeigt eine grosse

Einfachheit ohne Störung durch ver-engende Einbauten und hat einen beson-deren Reiz durch die Anlage eines er-höhten Eckplatzes. Die Darstellung ist einevorzügliche.'1 Die Länge der Halle warauf 37 Meter, ihre Breite auf 7 Meter an-genommen. Als Baumaterial sollten nach

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Berliner Archüekttirwelt

Abbildung 333.

249

Kneipe im Künstlcrhaus Bcllevuestrasse 3. KARL HOFF ACKER, Architekt in Charlottenburg,

dem Programm Naturstämme mit Ziegeldachdienen.

PLASTIK.Der Schöpfer der beiden Büsten Sr.

Majestät des Kaisers und des verstorbenenbayrischen Generals Freiherrn von der Tann,die unsere Abbildungen 354 und 355 wieder-geben , FRIEDRICH PFANNSCHMIDT , ist einSohn des Meisters religiöser Malerei, CarlGottfried Pfannschmidt. In der frommenAtmosphäre des elterlichen Hauses, unterder liebevollen künstlerischen Erziehungdes Vaters war es selbstverständlich, dasssich sein Sinn ebenfalls auf die religiöseKunst als auf das höchste Ziel bildnerischerThätigkeit richtete, und in der Absicht, sichvornehmlich der religiösen Plastik zu wid-men , begann er, sechzehn Jahre alt, imOktober 1S80 seine Studien auf der BerlinerKunstakademie, deren Schüler er bis zumWinter 1884 auf 1885 blieb, worauf erlängere Zeit in den Ateliers der ProfessorenAlbert Wolff und Fr. Schaper und später

von Johannes Schilling in Dresden arbeitete.Nachdem er sich eine eigene Werkstatt ge-gründet, trat er zuerst mit religiösen Bild-werken in die Oefferitlichkeit, die ganz" vonder -streng idealen Auffassung der väter-lichen Kunst, aber auch von ihrer echtenund währen Empfindung erfüllt waren. Siebrachten ihm so hohe Anerkennung ein, dasser bald zur Ausschmückung zahlreicherKirchenbauten herangezogen wurde. So hater den ganzen plastischen Schmuck für dieGnadenkirchc geschaffen, und auch für dieKaiser Wilhelm-Gedächtniskirche und denneuen Dom hat er einige grössere Arbeitengeliefert. Neben der religiösen Kunst reizteihn jedoch schon frühzeitig die Porträtbild-nerei, und diese ist in den letzten Jahrenmehr und mehr in den Vordergrund seinesSchaffens getreten. Als Porträtbildner be-wegt er sich mit voller künstlerischer Frei-heit. Wie unsere beiden Büsten zeigen,weiss er auch malerische Wirkungen ge-schickt zur Erhöhung der Lebenswahrheitheranzuziehen. Aber die malerische Auf-

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2 5° Berliner Architekturwelt

Abbildung 334.

Künstlethaus Bellevuestr. 3. Thür in der Kneipe.KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg.

fassung ist für ihn kein Deckmantel, unter dem sichNachlässigkeit in der Einzelbildung verbirgt. BeideBüsten sind vielmehr in allen Einzelheiten mitgrosser Sorgfalt durchgeführt, aber ohne dassirgendwo etwas Kleinliches und Peinliches denvollen Gesamteindruck beeinträchtigt. In einem imApril dieses Jahres enthüllten Moltkedenkmal fürZerbst hat. sich der Künstler auch in der Porträt-plastik grossen Stils bewährt, und jetzt beschäftigtihn ein Denkmal für den General von der Tann,das ihm in seiner Vaterstadt Tann i. d. Rhön er-richtet werden soll und zu dem die Büste alsVorstudie gedient hat. Die Büste Sr. Majestät istdie erste, die den Kaiser in Admiralsuniform dar-stellt. —

Wir haben schon mehrere Male betont, dassdie Genreplastik, insbesondere die Kleinplastik imGenre auf der diesjährigen grossen Kunstausstel-lung so gut und mannigfaltig vertreten war wienoch selten zuvor, und wir haben aus dem reichenvSchatze unseren Lesern bereits eine stattlicheReihe von Arbeiten vorgeführt, die durch die Er-findung wie durch die künstlerische Ausführunggleich hervorragend waren. Heute lassen wir dreiweitere Schöpfungen dieser Art folgen. Es sollund kann nicht geleugnet werden, dass die deut-schen Bildner das technische Raffinement in der

Abbildung 335*

JCÜnPtierhaus Bcllcvuestrasse 3. Brüstungsgitter. KARL HOFFACKER, Architekt in Charlott^nburg.

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253 Berliner ArchiteklurwcU

Abbildung 33*.

Villa Dotti, Villenkolonie Grunewald, Winklerstrasse 18. HaupteinganiALFRED MESSEL, Architekt in Berlin.

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Berliner Architekturwelt 2 53

Abbildung1 338,

Villa Dotti, Villenkolonie Grunewald, Winklerstrasse 18,ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin.

Abbildung 339. Abbildung 340.

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Abbildung 339 u. 340 Grundrisse zu Abbildung 336. Von A. DOTTI.

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Villa Dotti, Villenkolonie Grunewald,Winklerstrasse 18.

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' Abbildung 344.^

Villa Dotti, Villenkolonie Grunewald, Winklerstrasse 18. Garderobenspind.ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin. . . • -

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256 Berliner Architekturwelt

Abbildung 345.

Villa Uotti, Villenkolonie Grunewald, WinklerstrasseSitzgelegenheit im Herrenzimmer.

ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin.

Kleinplastik, die hohe Lebendigkeit im Aus-druck, in der Bewegung und in der Geberden-sprache, die Kühnheit in der Kompositionund in der Erfindung von den Italienern undFranzosen gelernt haben. Die reiche formaleBegabung und die starke und vielseitigeAusdrucksfähigkeit durch Geberden undBewegungen sind ein natürliches Erbteilder romanischen Race. Unsere deutschenBildhauer haben aber in den letzten Jahrenbewiesen, dass sie sich durch Fleiss undEnergie anzueignen vermögen, was ihnendie Natur versagt, und nachdem sie einmaldie Virtuosität ihrer romanischen Vorbildererreicht, kamen auch die eigentümlichenVorzüge des germanischen Geistes, diegrössere Wärme,1 Tiefe und Wahrheit der

18.

Empfindung und vor allem sein köst-lichstes Besitztum, der Humor, zu unge-schmälerter Geltung. Die naive Frischedes deutschen Humors wird niemalsvon einem Bildner romanischer Race,mag er noch so witzig und geistreichsein, zur Anschauung gebracht werden,und dass dieser Humor unter unserenKünstlern noch manche schöne Früchtezeitigt, ist eine Beobachtung, die unsüber viele unerquickliche Erscheinun-gen im modernen Kunstleben hinweg-tröstet.

Eine der besten plastischen Humo-resken auf der grossen Kunstausstellungverdanken wir VICTOR SEIFERT, einemnoch jungen, aus Oesterreich stammen-den Künstler, der in Berlin eine zweiteHeimat gefunden hat. Am 19. Mai1870 in Wien geboren, fand er schonfrühzeitig im elterlichen Hause künst-lerische Anregungen und Anleitungzum Zeichnen. Er sah sich aber baldauf sich selbst angewiesen, kam mitsiebenzehn Jahren nach München undvon da nach Berlin, wo er auf derAkademie Studien unter den Professo-ren Herter und Breuer machte. Erhatte das Glück, dauernde Aufträgezu erhalten, und in Folge dessen Hesser sich 1894 naturalisieren. In weiteren

Kreisen wurde er zuerst vor vier Jahrendurch die vom Deutschen Kunstverein an-gekaufte Gruppe eines Fauns mit Entenbekannt, und dasselbe Thema hat er jetztin der grösseren Figur des mit zwei ge-raubten jungen Gänsen lachend davoneilen-den Satyrknaben behandelt, den die ge-ängstigte Gänsemutter an dem zottigenBehang seines Bocksfusses festzuhalten sucht(Abb. 358). Die Bocksfüsse sind nur eineleere mythologische Maske; denn aus demGesicht des jugendlichen Räubers lacht unsder ganze ruchlose Uebermut eines echtenBerliner Strassenjungen entgegen.

Aus Berliner Boden erwachsen ist auchOTTO PETRIS schlanke Gestalt des jugend-lichen Ruderers, der mit der Rechten jubelnd

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258 Berliner Architektttrwelt

Abbildung" 347.

Abbildung 348,

Abb. 347 u. 348 Villa Dotti, Villenkolonie Grunewald, Winklerstrasse 18. Pförtnerhaus.ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin,

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Berliner Architekt? inv eil

Abbildung 34Q.

259

3»:

Villa Braun, Villenkolonie Grunewald, Wernerstrasse 16.Von ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin.

den Lorbeerzweig erhebt, den erals Siegespreis im Wettrudern —„Pro patria!" — errungen, eineschwungvolle Verherrlichung desRudersports, der in keiner derdeutschen Grossstädte mit so vielLeidenschaft und — wir dürfenhinzufügen •— mit so viel Sach-kenntnis betrieben wird wie inBerlin (Abb. 356). Die ausser-ordentliche Feinheit und Sicher-

Abbildung 350.

Grundrisszu Abbildung 349.

heit in der Durchbildung des nack-ten Jünglingskörpers lassen nichtvermuten, dass sein Schöpfer langeZeit gebraucht hat, ehe er sichvom Handwerk zur Kunst hindurch-ringen konnte. Im Jahre 1860 inBerlin geboren, kam Petri, nach-dem er der ihm besonders ver-hasst gewordenen Schule entron-nen, zu einem Holzbildhauer in dieLehre, und er blieb auch noch

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26o Berliner Architekturwelt

Abbildung; 351.

Villa Braun, Villenkolonie Grunewald, Wernerstr. 16. Diele. ALFRED MESSEL, Architekt in Berlin.

Abbildung; 352.

Villa Braun,

Villenkolonie Grunewald,

Wernerstrasse :6.

Hausthür.

ALFRED MESSET,, Architekt

in Berlin.

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Berliner Arch itckturwctt

Abbildung 351.

2 6 l

Waldschänke für den Zoologischen Garten. Konkurrenzprojekt von GEORG ROENSCH, Architekt in BerlinGrosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

längere Zeit bei diesem Handwerk, nachdem „Am Meeresgrund1' — ein Triton, der miter seiner Militärpflicht genügt. Wie wenig lüsternen Blicken den auf dem Meeresgrundeauch das ewige „Schnörkeldrehen" seinen ruhenden nackten Leichnam eines in jugend-Thatendrang befriedigte, so vermochte er licher Schönheitsfülle prangenden Mädchensdoch nicht, bei völligem Mangel an eigenen betrachtet — und diese durch den Gegen-Mitteln, das Joch abzuschütteln. Um trotz- satz zwischen dem schönen weiblichen Kör-dem vorwärts zu kommen, besuchte er eine per und dem des grotesken FischmenschenFortbildungsschule, an der Professor Manzel ungemein wirksame Schöpfung brachte demals Lehrer thätig war. Dieser wurde auf Künstler auf der Ausstellung jenes Jahresdie Begabung des jungen Künstlers auf- die erste Auszeichnung, die kleine goldenemerksam, und auf seinen dringenden Rat Medaille, ein. Seitdem hat die Not des•wagte es Petri, sich unter Manzels Leitung Lebens den Künstler wieder gezwungen,der Kunst zu widmen. Er machte auch so sich dekorativen Arbeiten zuzuwenden, undrasche Fortschritte, dass er bereits 1889 nur nebenbei konnte er von der reicheneine humoristische Gruppe „Ein Kultur- künstlerischen Kraft, die er in jener Gruppefeind" — ein Knäblein, das gegen seinen bewährt hatte, bescheidene Proben in Sta-Willen von der Grossmutter gewaschen tuetten und Büsten geben. : :

wird — auf die grosse Ausstellung bringen Auch JOSEPH DRISCHLER, der auf derkonnte, und von jetzt an trat er jährlich diesjährigen grossen Ausstellung durch einemit kleineren Arbeiten an die Oeffentlich- fein charakterisierte Statuette des Grafenkeit. Zu grösseren reichten seine Mittel Moltke und durch eine ungemein lebens-nicht. Einmal — es war im Jahre 1896 — volle Bronzestatuette eines in seiner Arbeitsetzte er aber doch sein Letztes dran, um rastenden Schmieds (Abb. 357) vertretenseine Kraft in einer grossen Aufgabe zu war. gehört zu den Künstlern, die äusserenzeigen. Er schuf eine lebensgrosse Gruppe Glücksumständen oder der Gunst des Schick-

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2Ö2 Berliner Architekturwelt

Abbildung 354.

Büste S. M. des Kaisers Wilhelm II.Von FR, PFANNSCHMIDT, Bildhauer in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

sals wenig, ihrer eigenen Thatkraft,ihrer Geduld und Entsagungsfähig-keit alles verdanken. Am n . Ok-tober 1838 in Rinteln an der Wesergeboren, erhielt er seine künstle-rische Ausbildung in Münster un-ter Professor Widnmann. NachVollendung seiner Studien war ervorzugsweise darauf angewiesen,grosse monumentale Modelle fürbekannte Künstler auszuführen.Nachdem er dann dieser unterge-ordneten Thätigkeit müde gewor-den, ging er nach New-York, inder Hoffnung, dort sein Glück zumachen. Nach siebenjährigem Schaf-fen kehrte er aber wieder in dieHeimat zurück, und hier nahm er,

im Atelier des Professors R. Sieme-ring in Berlin, seine frühere Thätig-keit wieder auf, indem er sich meh-rere Jahre lang an der Ausführungder grösseren Werke des Meistersbeteiligte. Erst, nachdem es ihmendlich gelungen, sich eine eigeneWerkstatt zu gründen, konnte eran eine selbständige Thätigkeitdenken. Bei seinen Arbeiten fürandere hatte er wenigstens denVorteil gehabt, seinem technischenKönnen eine solide Grundlage zugeben, und so konnte in rascherFolge eine stattliche Reihe grösse-rcr und kleinerer Werke entstehen,die den Namen des Künstlers schnellbekannt machten. Ein gesunder,schlichter Realismus ist der Grund-zug seiner Kunst, der ebensowohlseinen Porträtschöpfungen wie sei-nen Genrefiguren zum Vorteil ge-reicht. Besonders ist es ihm ge-glückt, das Wesen und den Charak-

AbbiU!ung;73 55.

Büste des Generals von der Tann. Von FR. PFANNSCHMIDT, Bild-hauer in Berlin. Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

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Berliner Architekturwelt 263

ter unserer Heroen Moltkc und Bismarck zuerfassen und zur Anschauung; zu bringen.Davon legen namentlich zwei Bismarck-denkmäler Zeugnis ab, die Drischler für diesächsischen Städte Zwickau und Treuen ge-schaffen hat. Doch ist seine Begabung reichund vielseitig genug, um auch Aufgabenidealen Stils gerecht zu werden, Davonzeugt u. a. ein Standbild des ErzengelsMichael an der Kaiser Friedrich-Gedächnis-kirche in Berlin. A. R.

CHRONIKAUS ALLEN LÄNDERN.

O Aus Anlass der Grossen Berliner Kunstaus-stellung hat der Kaiser die grosse goldene Medailledem Maler Professor JOSEPH SCHEURENBF.RG inCharlottenburg und dem Kupferstecher Professor

Abbildung 356.

Abbildung 357.

Pro Patria. Von OTTO PETRI, Bildhauer in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

Schmied. Von J, DRISCHLER, Bildhauer in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

HANS MEYER in Berlin, die kleine goldene Medailledem Maler FRIEDRICH VON SCHÜNNIS in Berlin, demBildhauer L. TUAILLON in Rom, den ArchitektenVOLLMER und JASSOY in Berlin, dem Maler JULIUSSCHMID in Wien, dem Maler GONZALO BILBAO inSevilla, dem Illustrator HERMANN VOGEL-FLAUENin Loschwitz, dem Maler ADALEERT RITTER VONKOSSAK in Berlin, dem Maler JULIUS WENTSCHERin Berlin und dem Maler ISIDOR KAUFMANN in Wienverliehen.

*

* Der Bildhauer JOHANNES PFUHL in Charlotten-burg ist mit der Ausführung eines Goethedenktnalsfür Görlitz beauftragt worden.

A Zur Erlangung von Entwürfen für den Neubaueines Gemeindeschulhauses in Schmargendorf beiBerlin ist ein Wettbewerb unter den ArchitektenDeutschlands ausgeschrieben worden. Es sind dreiPreise von 500, 300 und 200 Mark ausgesetzt, DieEntwürfe sind bis 15. Oktober, abends 7 Uhr, an den

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3Ö4 Beritner Architekturwell

Abbildung 358.

Der Dieb. Van VlCTOK. SEIFERT, Bildhauer in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

Gemeindevorstand in Schmargendorf einzureichen, vondem auch die Unterlagen kostenfrei zu beziehen sind.Unter den Preisrichtern befinden sich als bautech-nische Sachverständige Geh. Baurat FR. ScflULZE inBerlin, Stadtbauinspektor EGELING in Sc&oneberg,Gemeinde-Baurat KLEEMANN in Steglitz und IngenieurRAMMRATH in Wilmersdorf.

je 30 einfache Zeichnungen von Fassaden gefordertwerden. Es werden drei Preise von 1000, 750 und500 Mark ausgesetzt. Die auf diese Weise erlangtenZeichnungen sollen dann zu einem Werke vereinigtwerden. Die städtischen Kollegien von Hildesheimhaben bereits 3000 Mark zu dem Unternehmen be-willigt.

•$Z In Breslau soll auf dem Kaiser Wilhelmplatzein Reiterstandbild Kaiser Friedrichs errichtet werden.Zu diesem Zweck hat der Vorsitzende des geschäfts-führenden Ausschusses des Denkmalkomitees dieBildhauer R. MAISON und W. von RÜMANN in München,JOHANNES BÖSE, ADOLF BRÜTT und JOSEPH UPHLJES

in Berlin aufgefordert, bis zum März nächsten JahresEntwürfe einzureichen, von denen der zur Ausführunggeeignete ausgewählt werden soll.

fTp Der Magistrat von Hildesheim hat einen sehrdankenswerten Beschluss gefasst. Um die charakte-ristischen Eigentümlichkeiten der alten Bauweise derStadt nach Möglichkeit zu erhalten, sollen fortan inden älteren Stadtteilen nur solche Neubauten zuge-lassen werden, die sich der alten Bauart anpassen.Um nun den kleineren Meistern im Baugewerbe künst-lerische und stilgerechte Zeichnungen von Fassadenzugänglich zu machen, ist beschlossen worden, eineSammlung solcher Zeichnungen, besonders für denBau mittlerer und kleinerer Häuser, zu veranstalten.Zu diesem Zweck soll ein Preisausschreiben an diedeutschen Architekten erlassen werden, in welchen

X In dem Wettbewerb um. Pläne BU einer evange-lischen Kirche in Köln-Lindentkai, deren Baukostenauf 60000 Mark bemessen waren, waren 78 Entwürfeeingegangen. Den ersten Preis (500 Mark) erhieltendie Architekten ZlLLMANN und ADOLF SCHMIDT inBerlin, den zweiten (350 Mark) der Regierungs-Bau-meister E. KOTHE in Berlin, den dritten (150 Mark)der Regierungs-Bauführer HARTMANN in Hannover,

Q Ein Preisausschreiben für Entwürfe sur Er-neuerung des Inneren der St. Salvaiorkirche in Geraist von dem dazu eingesetzten Komitee mit Terminzum 30. November d. Js. für deutsche Architekten er-lassen worden. Es gelangen zwei Preise von 500und 300 Mark zur Verteilung. Dem Preisgerichtegehören ausser Herrn Pfarrer Lüders als Vorsitzendeman die Herren Baurat Dr. Mothes-Zwickau, Stadt-baurat Keil, Baumeister Fraulob und BaumeisterNitzsche, sämtlich in Gera. Unterlagen sind durchdas „Komitee zur Erneuerung des Inneren der St.Salvatorkirche" in Gera kostenfrei zu erhalten.

Page 271: ARC Berlin 1900

Berliner Architckturwelt

Abbildung1 359.

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265

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Lünette Im kleinen Konzertsaal des Zoologischen Gartens." W, BÖCKMANN, Architekt,.M. J. BODENSTEIN, Maler in Berlin.

Abbildung 360.

Wanddekoration für ein Trinkzimmer, ausgeführt im Wohnhaus Lützowplatz 3von M, J, BODENSTEIN, Maler in Berlin.

ö" In dem Vorweltbewerb um, Entwürfe zzi einerBibliothek ttiil Museum für Hagenau i. E. errangenden ersten Preis (1500 Mark) die Architekten KARLBÖRNSTEIN und EMIL KOPP in Berlin. Den zweitenPreis (1000 Mark) erhielten die Architekten KUDERund MÜLLER in Strassburg i.E., den dritten (500 Mark)der Architekt RlCH. ZlEGLER in Breslau.

V In dem engeren Wettbewerb um Entwürfe zueinem Amis- und Gemeindehause in Wannsee bei

Berlin* in welchem seinerzeit der erste Preis nichtverliehen worden war, haben diesen nunmehr dieRegierungs-Baumeister OTTO STAHN und A. METZINGin Berlin mit einem gemeinsamen Entwürfe davon-getragen. Das im märkischen Backsteinstil zur Aus-führung kommende Gebäude soll, wie das „Central-blatt der Bauverwaltung" mitteilt, an der Einmündungder alten Dorfstrasse des nunmehr in Wannsee ein-gemeindeten Ortes Stolpe in die Potsdamer Chaussee,drei Meilen von Berlin errichtet werden. . . J..'1.

* . * , -. .

B, A.W. II, 7. 3S

Page 272: ARC Berlin 1900

266 Berliner ArchitektiinveU

Abbildung 361.

Entwurf zu einem gemalten Fries in der offenen Gartenhalle der Villa Guthmann in Wannsee.KAYSER & VON GROSZHEIM, Architekten, M. J, BODENSTEIN, Maler in Berlin.

'" Einen Wettbewerb um Entwürfe für eine Sool-bad-Anlage in Bernburg hat der dortige; Magistratunter den in Deutschland ansässigen Architektenausgeschrieben. Für die besten Entwürfe stehen dreiPreise im Gesamtbeträge von 6000 Mark zur Ver-fügung". Das Preisgericht bilden neben dem Bürger-meister von Bernburg Hofbaurat Böttger in Dessauund die Bauräte Schmieden und Schwechten in Berlin,Einlieferungsfrist bis T. November d. ]s. Die Be-dingungen und Unterlagen des We tbewerbs könnengegen Einsendung von 3 Mark vom Magistrat inBernburg bezogen werden.

x Der Bau des neuen Rathauses in Leipzig wirddemnächst mit voller Kraft in Angriff genommen wer-den, nachdem die Vorarbeiten beendigt und alle Hinder-nisse beseitigt worden sind. Am 11. Juli haben dieStadtverordneten von Leipzig die Ausführungspläneund den Kostenanschlag sowie den mit StadtbauratLICHT vereinbarten Vertrag genehmigt. Die Kostendes Baues, der am 1. April 1902 im Rohbau und biszum 1. April 1904 vollständig vollendet sein muss,sind von der Stadtverordneten - Versammlung auf6778064,71 M. festgesetzt worden. Hierin einbe-griffen ist das auf 4,6 °/0 der Bausumme bemesseneHonorar des Architekten, während die bisher veraus-gabten Kosten der Vorarbeiten mit 63029,69 M. so-wie die mit 2020500M, bewerteten Kosten der Bau-stelle noch hinzutreten. Der Beschluss der Stadt-verordneten erfolgte mit Einstimmigkeit und stellte

sich demnach, wie die „Deutsche Bauzeitung" betont,als eine erneute, grossartige Vertrauens-Kundgebungsowohl für den Architekten, wie für das bisherigeHaupt der Stadt, Herrn Oberbürgermeister Dr. GEÜRGIdar, dem es nunmehr vor dem im Oktober d. J. bevor-stehenden Austritt aus seinem Amte noch beschiedenwar, am 19. September wenigstens den Grundstein zudiesem Bau zu legen, dessen glückliches Zustande-kommen in erster Linie ihm zu danken ist. EifrigeFörderer der Angelegenheit sind auch diesmal, wieschon im vorigen Jahre, die dem Leipziger Stadt-verordnetenkollegium an gehörigen Architekten ge-wesen. # #

£^ Zur Erlangung von Entwürfen für den Neu-bau der Kunstgewerbeschule und des Kunstgewerbe-museutns in Dresden hat das königl. sächa. Mini-sterium des Innern mit Termin zum 1. November einenWettbewerb für deutsche Architekten ausgeschrieben.Es gelangen drei Preise von ,1500, 2000 und 1500 M,zur Verteilung; das Preiürichteramt üben aus die HerrenGeh. Hofrat C GRAFF, Stadtbaurat Prot. H, LlCHT,Landbaumeister REICHELT, Geh, Baurat WALDOWund Gell. Hofrat Dr. WALLOT. Unterlagen sind un-entgeltlich durch die Kanzlei des Ministeriums desInnern (Seestr. 18 III.) in Dresden zu erhalten. AufGrund der letzteren macht die „Deutsche Bauzeitung'*folgende erläuternde und kritische Bemerkungen: „ZurErrichtung auf einem rings von Strassen umzogenenGelände an der Dürerstrasse sind angenommen einHauptgebäude mit den Räumen für die Kunstgewerbe-

Page 273: ARC Berlin 1900

Berliner Architektlirweh

Abbildung 362.

267

Entwurf zu einem gemalten Fries in der offenen Gartenhalle der Villa Guthmann in Wannsee.KAYSER & VOM GR.OSZHEIM, Architekten, M. J BODENSTEliST, Maler in Berlin.

schule und die zu dieser gehörige Vor- und Abend-schule, sowie ein Nebengebäude für den gesamtenplastischen Unterricht. Die Gebäude sind unter Ver-meidung alles architektonischen Prunkes durchauseinfach zu gestalten. Das Nebengebäude erhält nurSockel- und Erdgeschoss, das Hauptgebäude Sockel-geschoss, Erdgeschoss und drei Obergeschosse. DasRaumprogramm enthält genaue Angaben über dieT.age der Raumgruppen und ihre besonderen Eigen-schaften bezw. Anordnungen. Angesichts der Ver-schiedenartigkeit der Raumgruppen und ihrer Be-dürfnisse -wäre vielleicht doch die Frage der Zu-lassung gruppierter Bauten, welche das Bauprogrammauszuschliessen scheint, in Erwägung zu ziehen undzwar sowohl aus dem Grunde möglichst freier Ent-faltung der einzelnen Raumgruppen, wie auch ausGründen j die in der Rücksicht auf die Umgebungder einstigen Schule liegen. Der moderne Zug der

Baukunst drängt den Kastenbau mehr und mehr zu-gunsten- des gruppierten Baues zurück, und es ist inder That;jnicht zu leugnen, dass letzterem grosse Vor-züge beiwohnen, und dass bei ihm bei sorgfältigerAnordnung die einheitliche Verwaltung keineswegszu leiden braucht. Die Kosten freilich werden sichwohl etwas erhöhen, aber die sächsische Staats-regierung hat ja nie an Mitteln gespart, wo es galt,etwas Ganzes und Gutes zu schaffen. Im übrigen istdas Raumprogramm klar und übersichtlich, und es istdie Arbeitsleistung auf ein angemessenes Maass be-schränkt. Verlangt werden ein Lageplan 1 : 500,Grundrisse, Ansichten, Schnitte 1 : 200 und ein kurzerErläuterungsbericht. Die preisgekrönten Entwürfekönnen von dem Ministerium des Innern, dessenEigentum sie werden, ganz oder teilweise für die Aus-führung benutzt werden, auf welche die Preisträgersomit einen Anspruch nicht haben.1* :

BÜCHERSCHAU.Dachdeckungen: Verglaste Dächer und Dachlichter.

Massive Steindächer. Nebenanlagen der Dächer.Von H. KOCH, Professor in Berlin-Charlottenburg,L. SCHWERING, Geh. Oberbaurat in St. Johann undE. MARX, Geh. Baurat in Darmstadt. (^Handbuchder Architektur", IIL 2. Heft 5). Zweite Auflage.Mit 1404. Abbildungen im Text und 3 Tafeln.Stuttgart, ARNOLD BERGSTRÄSSER (A. KRÖNER).

Jeder Architekt weiss, dass Dachdeckungen einenso bedeutsamen, aber auch so schwierigen Teil einesjeden Gebäudes bilden, dass von ihrer richtigen Kon-struktion und Ausführung der längere oder kürzereBestand eines jeden Bauwerks zum nicht geringenTeile abhängt. Dieser Umstand einerseits, anderer-seits aber auch die Thatsache, dass die Däch-deckungen im weitesten Sinne des Worts und die

Page 274: ARC Berlin 1900

368 Berliner Architekturwell

Nebenanlagen der Dächer (Dachfenster, Aussteigeöffnungen und Laufstege, Entwässerung;, SchneefängeGiebelspitzen, Dachkämme, Windfahnen, Turmkreuze, Fahnenstangen) in obigem Bande zum ersten Male inumfassender Weise, die zugleich dem modernen Stande dieses Gebietes der Bautechnik entspricht, behandelt

worden sind, machten es erklärlich, dass die erste Auflagebereits nach vier Jahren vergriffen war. — Die jetzt er-schienene zweite Auflage umfasst dieselben Konstruktions-gebiete; doch sind ihr alle wichtigen Erfindungen undVerbesserungen der letzten Jahre einverleibt worden. Wirfinden die neueren Formen der Dachziegel und die neuerenKonstruktionen der Metalldächer verzeichnet, und ebenso

sind die Verbesserungen in der Anlageder ungemein wichtigen Glasdächer unddie neueren Dachrinnen - Anordnungenberücksichtigt worden. Die bewährtenHerausgeber haben dafür gesorgt, dassauch die zweite Auflage auf die Höhedes gegenwärtigen Standpunkts der Tech-nik gehoben worden ist.

Die von der „Gesellschaft für ver-vielfältigende Kunst1' in Wien heraus-gegebene Zeitschrift „Die GraphischenKünste" hat sich mit dem Beginn ihresXXII. Jahrgangs ein neues Programmgestellt. Während sie bisher das ge-samte Gebiet der bildenden Künste inihren Bereich gezogen hatte, wird sie

^ sich von jetzt an, ihrem Titel entspre-£r chend, auf das Gebiet der eigentlichen=L Graphik konzentrieren. Damit hat sie3 sich keineswegs eine Beschränkung auf-^ erlegt* Denn bei der umfassenden undt* sich unablässig erweiternden Bedeutung

der graphischen Künste im modernenKunstschaffen ist die Aufgabe, die sichdie Zeitschrift gestellt hat, sowohl inBezug auf den Reichtum des Stoffs alsauf die räumliche Ausbreitung der gra-phischen K ünste, so gewaltig, dass esnur den ausserordentlichen technischenHilfsmitteln, über die die Gesellschaftfür vervielfältigende Kunst verfügt, mög-lich ist, jener Aufgabe in befriedigenderWeise gerecht zu werden. In welchemMaasse ihr dies gelingt, davon legendie beiden ersten Hefte des laufendenJahrgangs ein glänzendes Zeugnis ab.Im ersten Heft wird uns eine umfassendeCharakteristik des geistvollen französi-schen Universalkünstlers Eugen Grasset

in Wort und Bild geboten, und im zweiten Hefte wird unsdie Thätigkeit des englischen Graphikers Alphonse Legrosund der von ihm beeinflussten Künstler unter Beigabe voncharakteristischen Proben ihres Schaffens geschildert. ZurAusführung der Einzelblätter wie der Textillustrationen sindalle technischen Verfahren: Heliogravüre, Aetzung, Lichtdrucku. s, w. herangezogen worden.

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Page 275: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 269

Thorweg für den 3\Tcubau der L. C. WHtich'schen Hofbuchdruckerei in Darmstadt,Nach dem Entwürfe des Architekten KRITZLER gezeichnet von SCHULZ &H0LOEFLEISS, Kunstschmieden in Berlin.

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Gewissermaasseh als Ergänzung; zu dieserZeitschrift,die uns einen Ueberblick über die Fortschritte aufallen Gebieten der graphischen Thätigkeit gewährenwill, dient eine neue Publikation der Gesellschaft:Die Jakresmapfie. Sie ist an die Stelle des früherenGalleriewerks der Gesellschaft getreten und will imGegensatz zu diesem, das besonders zur Pflege derreproduzierenden Kunst ins Leben gerufen war, wiees im Programm heisst, „unter dem Einflüsse ver-änderter Kunstanschauungen ihr Augenmerk be-sonders dem graphischen Originalschaffen zuwenden."Die Mappe wird jedoch ausser Arbeiten dieser Art„auch reproduzierende Werke der künstlerischenVervielfältigungsarten sowie photomechanische Nach-bildungen von Aquarellen, Handzeichnungen u. s. w.enthalten," Bis jetzt sind zwei solcher Jahresmappenausgegeben worden, die je sechs Blätter umfassen.Es sind meist Arbeiten solcher Künstler, die im

Vordergrunde der modernen Bewegung stehen, diesich ja der Pflege der graphischen Kunst, insbe-sondere der Radierung und der Lithographie, mitbesonderer Liebe angenommen hat. Wir findenBlätter von Hans Thoma, Hans von Volkmann,G. Lührig, Fritz Burger, Emil Orlik , H. Vogeler,daneben aber auch Radierungen von AltmeisterWilliam Unger, von Peter Halm, eine schöne Aigraphie..Mutter und Kind1* von Cornelia Paczka und einenprächtigen Farbendruck nach [einem Blumenstraussin Aquarell von Henriette Mankiewicz. Die technischeAusführung und der Druck sämtlicher Blätter sindvon einer Vollkommenheit, wie wir sie bisher nurselten bei ähnlichen Veröffentlichungen kennen gelernthaben. Die „Jahresmappe" verspricht nach ihrenersten Leistungen ein sehr wirksames Mittel zurFörderung aller graphischen Künste zu werden.

* v. * A. R.

Page 276: ARC Berlin 1900

270 Berliner Archiieklurwelt

Abbildung 365.

Grabgitter MAENNCHEN. Seitenteil.Nach dem Entwürfe von BRUNOMÖHRING, Architekt in Berlin

von ED. PULS, Kunstschmiedewerk-statt in Tempelhof, ausgeführt.

Als-vierzigster Band der bekann-ten Künstier-Monographieen^ die H.KNACKFUSS in Verbindung mit an-deren im Verlage von VELHAGENund KLASING in Bielefeld heraus-giebt, ist die von 121 Abbildungennach Gemälden und Zeichnungen be-gleitete Biographie des ungarischenMalers MICHAEL VON MUNKACSYvon F. WALTHER ILGES erschienen.Da der Künstler seit einem Jahreals unheilbar geisteskrank in einerHeilanstalt bei Bonn seinem Endeentgegensieht, darf sein Lebenswerkals abgeschlossen gelten. DiesesLebenswerk ist aber so gross undbedeutend gewesen, dass eine zu-sammenfassende Darstellung, wie sieuns hier geboten ist, jedem Kunst-freunde willkommen sein wird. DerVerfasser hat aus den besten undnächsten Quellen geschöpft: auslangjährigem Verkehr mit dem Künst-ler und aus den Mitteilungen seinerGattin, und da ihm auch die Studien-mappen des Künstlers zur Verfügung

standen, hat er eine beträchtliche Zahlvon Studien und Zeichnungen, die bis-her noch, nicht veröffentlicht waren,seinen Lesern bieten können. Vonden ausgeführten Gemälden des Meistersist die grosse Mehrzahl in Abbildungenvertreten, so dass ein vollkommen ab-gerundetes Bild geboten werden konnte.

A. R.

Ernst Wasmutt)

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Soeben erschienen;

Brüssel.Abbildung 366.

Grabgitter MAENNCHEN. Thür,Nach dem Entwürfe von BRUNO MÖHRING, Architekt in Berlin

von ED. PULS, Kunstscbmiedewerkstatt in Tempelhof, ausgeführt.

Verantwortlich für die Redaktion: Dr. ADOLF ROSENBKRG, Berlin. — Verlag von ERNST WASMUTH, Berlin W., Markgrafenstr. 35.Gedruckt bei JULIUS SITTENFBLD, Berlin W. — Clich£a von CARL SCHÜTTE, Berlin C

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Page 279: ARC Berlin 1900

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Page 280: ARC Berlin 1900

G. BAK.LÜSIUS.

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

n der Gemeinde Kerzendorf bei Ludwigs-felde, an der Anhalter Bahn unweit vonBerlin gelegen, hat KARL HOFFACKER

in der Zeit von Oktober i8o6bisAnfangNovember 1898 eine Kirche erbaut, die als einMusterbeispiel dafür gelten kann, dass auchmit bescheidenen Mitteln eine gleichmässigfeine und sorgsame Durchbildung desAeusseren und Inneren und damit zu-gleich ein künstlerisch ungemein befriedi-gender Gesamteindruck erzielt werden kann.Die Kirche ist an Stelle einer alten,aus Findlingsteinen und Ziegeln erbautenkleinen Dorfkirche, die nur mit einemniedrigen hölzernen Turm versehen war,im Auftrage und auf Kosten eines inKerzendorf begüterten bekannten BerlinerFinanzmannes errichtet worden, der sieals Patronatsherr der Gemeinde geschenkthat. Im Gegensatz zu dem in der Markmeist üblichen spätmittelalterlichen Typus

von Backsteinkirchen hat Hoffacker dieihm besonders sympathischen romanischenStilformen angewendet, aber in durchausfreier, selbständiger Behandlung, was sichbesonders in der eigenartigen, vom Her-kömmlichen abweichenden Gestaltung desInnern kundgiebt.

Das Aeussere der Kirche stellt sichziemlich schlicht dar; es ist aber an echtenBaumaterialien nicht gespart worden. Der.Sockel ist aus Niedermendiger Basaltlava,die Einfassungen der Fenster und Thüren,die Säulen und anderen Architekturteilesind in rheinischem Tuffstein ausgeführt.Die Wände sind aus Ziegelsteinen gemauert,die Flächen sind rauh geputzt, und das Dachist mit roten Falzziegeln von Ludovici ge-deckt (Abb. 374). Im Innern ist die Kirchemit einem hölzernen Tonnengewölbe über-spannt (Abb. 377). Das Holz ist dunkellasiert, nur einzelne Profile sind farbig ab-gesetzt. Der Chor (Abb. 376) ist farbig,aber nur rein ornamental ausgemalt und

B, A.W. Tl. 8. 36

Page 281: ARC Berlin 1900

274 Berliner Architekturwelt

hat einfache farbige Glasfenster unter Be-nutzung von amerikanischem opaken Glas.Altar und Kanzel (Abb. 378) sind ausEichenholz und mit Schnitzereien vom Bild-

wurden, wenn auch in einfacher, einer Dorf-kirche entsprechenden Weise. Die Kircheenthält 250 Sitzplätze, eine Sakristei, eineViertelsorgel und zwei Glocken, die von der

Abbildung 367.

Cavalierhaus in Kerzendorf. Erbaut von KARL IIOFFACKER, Architekt in Charlottenburg.

hauer RiEGELMANN geschmückt. Jedes alten Kirche übernommen worden sind.Kapital der Bogenstellungen der Fenster Neben dem Haupteingang zur Seite deshat eine andere ornamentale Ausbildung Chors befindet sich der Patronatseingang;erhalten; ebenso hat der Architekt daraufWert gelegt, dass die Emporenstützen

ist von der Sakristei direkt

(Abb. 379), die Umrahmung der Orgel und

die Kanzelzugänglich.

An der Ausführung waren folgende Firmendie Eingangsthür mit Schnitz werk versehen beteiligt. Die Maurerarbeiten lieferte Maurer-

Page 282: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwett

Abbildung; 368.

275

Cavalierhaüs in Kerzendorf. Gartenfront. Von KARL HOFFACKER,

Architekt in Charlottenburg".

Abbildung1 369.

Längsschnitt zu Abb. 367 u, 368.

Page 283: ARC Berlin 1900

276 Berliner Architekturwelt

Abbildung 370.

Cavalierhaus in Kerzendorf. Haupteingang.Von KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg.

Abbildung 371. Abbildung 372.

Grundrisse zu Abbildung 367 und 368,

Page 284: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 277

meister Loth in Wiet- Abbildung 373.stock, die Zimmer-arbeiten die FirmaAndres Witwe, dieKlempnerarbeiten Ha-gedorf, beide inTrebbin, die Kunst-schlosserarbeiten (dieTurmspitze und dieKrone für die Be-leuchtung des Kirchen-raums) Paul Marcus,die SteinmetzarbeitenPh. Holzmann & Co.,

die MalerarbeitenGebr.Eilers, dieTisch-lerarbeiten (Eingangs-thür und Kirchen-bänke) J. C. Pfaff, dieGlaserarbeiten J. C.Schmidt und die Dach-deckerarbeiten Neu-meister , sämtlich inBerlin. — Trotz derVerwendung von zumTeil echten Baumate-rialien gelang esdem Architekten, dieRaukosten verhältnis-mässig niedrig zuhalten. Sie betrugenausschliesslich des Ge-stühls und der Orgel$y 832 Mark.

Das ebenfalls vonKarl Hoffacker aufdem Landgut des Kirchenpatrons inKerzendorf erbaute Kavalierhaus (Abb. 367bis 373) sollte nach dem ursprünglichenBauprogramm im Parterregeschoss nur alsSommerwohnung für den jung vermähltenBesitzer dienen. Die Küche und die Neben-räume sollten daher nur zur Bereitung desFrühstücks und der kleineren Mahlzeitenbenutzbar sein, während die Hauptmahl-zeiten und grösseren Festlichkeiten beidem Vater des Besitzers, der das nurwenige Schritte vom Kavalierhaus be-

Diele im Cavalierhaus Kerzendorf. Von KARL HOFFACKER, Architektin Charlottenburg1,

legene, alte Schloss bewohnte, veranstaltetwurden. Die Zimmer im ersten Stocksollten für Besuch, vor allem aber fürdie öfter wiederkehrende Einquartierungvon Offizieren dienen. Deshalb war auchfür Dienerzimmer, grössere Garderoben-räume u. s. w. nichts vorgesehen. Währenddes Baues, der im November 1897 begonnenworden war, starb jedoch der Vater, unddas junge Ehepaar entschloss sich, trotzeiner gewissen Beschränktheit der Räume,das Kavalierhaus als Sommervilla für sich

Page 285: ARC Berlin 1900

278 Berliner Architekturwelt

•• •• A b b i l d u n g 374.

Kirche zu Kerzendorf.Erbaut von KARL HOFF ACKER,. Architekt in Charlottenburg.

1 Abbildung 375.

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" Grundriss zu Abbildung 374.

Page 286: ARC Berlin 1900

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Berliner Archiiekturweli 2 8 1

Abbildung 378.

Kanzel der Kirche zu Kerzendorf.Von KARL HOFFACKER, Architekt in Charlottenburg

allein in Benutzung zu nehmen. Daraufhinwurde in einem bereits ziemlich weit vor-gerückten Stadium des Baues die Bestimmungder einzelnen Räume verändert und eineetwas andere Innenausstattung gewählt.Das Erdgeschoss enthält Salon, Speise-und Herrenzimmer nach Norden, Damen-,Toilette- und Schlafzimmer nach Osten,Schrankzimmer, Bad, Garderobenräume undKüche nach Westen. Im oberen Geschossliegen an der Nordseite drei jetzt als Kinder-oder Fremdenzimmer benutzte Räume,ausserdem noch zwei Kammern, Boden-raum u. s. w.

Obwohl nur ein einfacher Ziegelbau mitglattgeputzten Flächen, macht das Haus

durch die geschickte Gruppierung derBauteile und die farbige Behandlungdoch einen sehr reizvollen, malerischenEindruck. Das Holzwerk, das teilweisean den Giebelstirnbrettern und am Ein-gang (Abb. 370) mit einfachen Kerb-schnitzereien verziert ist, ist dunkelbraunlasiert. Die Fenstersprossen, die Ab-fallrinnen, das Spalierwerk u, a. m, sindgrün gestrichen, und das Dach ist mitroten Biberschwänzen gedeckt. — Aulbesonderen Wunsch des Bauherrnwurden alle Räume im Erdgeschosseinschliesslich des Treppenhauses(Abb. 3J3) weiss gehalten. Die Wändeim Erdgeschoss erhielten durchwegniedrige Holzpaneele und Gliederungendurch Holzpilaster und -friese. Diestilistische Ausbildung des Holzwerksklingt etwas an den Stil Ludwigs XVI.,aber in freier, moderner Auffassungan. -— Die Maurer- und Zimmerarbeitenhaben Pumplun & Co., die Klempner-arbeiten F. Thom, die Bautischler-arbeiten C. Stiehl in Charlottenburg,die Paneele und WandverkleidungenJ. C. PfarT, die Glaserarbeiten J. C.Schmidt, die Heizungsanlage (Central-heizung im Keller) Rietschel und Henne-berg, die Malerarbeiten Gebr. Eilersund die Stuckarbeiten R. Schirmer inBerlin ausgeführt. —

Bei dem Neubau des Kaufhauses HofTmann(Abb. 380—388), der in der Zeit von drei-zehn Monaten, vom Juli 1898 bis anfangsSeptember 1899 von CREMER UNDWOLFFEN-STEIN aufgeführt worden ist, war denArchitekten die Aufgabe gestellt wor-den, Souterrain, Erdgeschoss und erstesStockwerk für den Geschäftsbetrieb desBesitzers, des Inhabers eines grossen Herren-garderobengeschäfts, einzurichten, währenddie drei obersten Stockwerke zu einemHotel garni ausgebaut werden sollten. Dieder Friedrichstrasse zugekehrte, von zweizierlichen Ecktürmchen eingefasste und inder Mitte durch einen reich mit Bildwerkverzierten Giebelaufbau ausgezeichnete

B. A.W. 11. 8. 37

Page 288: ARC Berlin 1900

2 8 2 Berliner Arch iiekturwclt

Faeade hat fünf Achsen, die Seitenfaeadein der Schützenstrasse ihrer vier* Hinterdem nördlichen Ecktürmchen setzt sich dieFacade, etwas zurücktretend, noch um eineAchse fort. Hier liegt der von den Ge-schäftsräumen isolierte Eingang zum Hotel,von dem eine Treppe .resp. ein Fahrlstuhlzu dem zweiten . ' '.S t o c k w e r k u n d , : • .' "., Abbild

weiter führt.Durch diese

seitliche Fort-setzung habendie Architektenden Vorteil ge-wonnen, die

Haupt - Facadevon der desNachbarhausesetwas abzuhe-ben. In derKomposition derFacade habendie Architektenden Versuch ge-macht, durchvom Sockel auf-wärts geführtePilaster, die amobersten Stock-werk in stili-sierten Bäumenendigen, derenbelaubtes Ast-werk sich nachobenhin fries-artig verbreitert,

die beiden untersten Geschosse mit denoberen zu einem einheitlich erscheinendenOrganismus zusammenzufassen. Die Formen-behandlung der Facaden bewegt sich in denvon Cremer und Wolffenstein mit besondererVirtuosität geübten Formen der Frühgothikin Verbindung- mit Renaissanceelementen.

Die in schlesischem Sandstein ausge-führten Facaden haben einen mannigfaltigenplastischen Schmuck erhalten, der in derreichen Ausgestaltung des Giebels gipfelt.

ung 379

Kirche zu Kerzendorf.Von KARL HOFFACKER,

Das Mittelfeld des Giebels füllt ein Wappen-schild mit den Anfangsbuchstaben desNamens des Besitzers, überhöht von einerKrone, die aus Schneiderscheeren gebildetist, und unter dem Schilde schlängelt sichein Spruchband mit der Inschrift: „Arbeitist des Bürgers Zierde". Die Fenster-

brüstungen deszweiten Stock-werks sind mitReliefs ge-

schmückt, diesich auf Jagd-und Reitsportbezichen, weildas Hoffmann-sche Geschäfteine besondereAbteilung fürJagd- und Reit-kleider enthält,und über denPfeilern rechtsund links vonder Eingangs-thiir treten die

Halbfigurenzweier vergnügt

lachenderSchneider her-vor, die sich umNadel und Zwirnbemühen. MitZwirnsfäden zu-sammen gewun-den sind auchdie Buchstaben

der Firma in der Wölbung unterhalbdes Krkers, der aus dem zweiten Ge-schoss heraustritt. Ein zweites Wappen-schild, das von zwei abwärts laufendenFüchsen flankiert ist, ist an der Ecke desGebäudes angebracht. Die Nischen überden Pilastern der unteren Geschosse sindsehr sinnreich zur Aufnahme der Halter derelektrischen Lampen verwendet worden.Den gesamten plastischen Schmuck hatBildhauer E. Westpfahl geschaffen.

Detail der Orgelempore.Architekt in Charlottenbuf£

Page 289: ARC Berlin 1900

Berliner Architckl' urweit

Abbildung 380.

283

Neubau Herrmann Hoffmann, Friedrichstrasse Ecke Schützenstrasse.Erbaut von CRKMKR & WOLFFENSTE1N, Architekten in Berlin.

Abbildung- 381 . A b b i l d u n g 3S2.

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Abbildungen 381, 382, 384, 385 Grundrisse zu Abbildung 380.

Page 290: ARC Berlin 1900

284 Berliner Architekturweit

Abbildung 383.

Neubau Herrmann Hoffmann, Mittelgiebel nach der Friedrichstrasse.Von CREMER & WOLFFENSTEIN, Architekten in Berlin.

Abbildung 385,

Abbildungen 381, 382, 384, 385 Grundrisse zu'Abbildung 380.

Abbildung 384-

Page 291: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 285

Abbildung 386.

Neubau Herrmann Hoffmann. Portal (Hoteleingang)an der Friedrichstrasse.

Von CREMER & WQLFFENSTK1\ (, Architekten in Berlin.

Das ganz in Eichenholz ausgeführteVerkaufslokal im Erdgeschoss ist sodisponiert worden, dass es als eineinziger Raum wirkt. Vier Pfeilertragen die kassettierte Decke, diesich zu den beiden äussersten,mit Spiegelglas bekleideten Pfeilernkelchartig herabsenkt, so dass einnach allen Seiten freier Ausblickmöglich ist. -— Von aussergewöhn-Hchen Konstruktionen ist die derHintertreppe zu erwähnen > die alseine sich durchkreuzende derartigangelegt ist, dass dadurch zweiTreppen entstehen, die völlig voneinander getrennt sind, was für denVerkehr sehr vorteilhaft ist. Dabeiist nur soviel Raum in Anspruchgenommen, wie ihn eine Treppeerfordert. Freilich beträgt die Höhezwischen den Treppenläufen nur dieHälfte einer Etagenhöhe. — DieSchaufensterverschlüsse werden nichtvon oben nach unten gezogen, son-dern aus dein Souterrain nach obenhinaufgeführt. — Die Ausführung derSteinmetzarbeiten erfolgte durchC SCHTTXING, die der Tischler-arbeiten durch KIMBRL & FRIEDRICH-

SEN, SlEBERT & ASCHENBACH undMAX SCHULZ, der Schlosserarbeitendurch SCHULZ & HGLDEFLEISS, DieBaukosten betrugen rund 400 000Mark. —

Für das stattliche Wohn- und Ge-schäftshaus an der Hauptstrasse inSchöneberg, Ecke der Maxstrasse(Abb. 389— 393), das mit seinemüber der stumpfen Ecke kühn auf-steigenden Dreieckgiebel die ganzeUmgebung beherrscht, hat ArchitektOSSRNBÜHL die Fac.aden mit freierVerwendung von Renaissancemotivenentworfen. Die Grundrisse hat derEigentümer, Ratsmaurermeister A,DANKEBERG aufgestellt, und die Aus-führung ist durch die Firma ECKERT& DANNEBERG erfolgt. Die reichen

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286 Berliner Architekturwelt

Stuckarbeiten an der Facade sind vonALFRED HEIDER. —

Aus dem ergebnisreichen Wettbewerbum eine Gartenhalle im Anschluss an diesogenannte Waldschänke für den zoolo-gischen Garten in Berlin teilen wir durchAbbildung 389 noch ein Projekt mit, dessenVerfasser, WALTHER FURTHMANN, die Genug-thuung hatte, dass sein Entwurf mit zwölfanderen auf die engere Wahl gesetzt wurde.Bei dem Urteil der Preisrichter war derUmstand entscheidend, dass der Verfassersich zu wenig an das Programm gehaltenhätte, da der Charakter des Baues alsNaturholzhaüs wenig zur Geltung gekommenwäre. Dagegen wurde anerkannt,dass „der japanische Charakter insehr interessanter Weise durch-geführt" wäre. •

MALEREL , ; '•';.,. Unter den Sonder- und Sammel-ausstellungen, die der grossen Kunst-ausstellung dieses Jahres einen eigen-artigen Reiz verliehen haben, wardie des Professors JOSEF SCHEUREN-BERG von besonderem Interesse, weilsie uns einerseits einen Ueberblicküber den grössten Teil seinesSchaffens von seiner letzten Düssel-dorfer Zeit bis auf die Gegenwartgewährte, andrerseits dafür zeugte,wie ernst und eifrig der Künstlerbestrebt ist, der modernen Kunst-bewegung zu folgen und sich vonder „neuen Kunst" anzueignen, wassie Gutes und Wertvolles zu Tagefördert. Das ist um so bemerkens-werter , als Scheurenherg, seinerkünstlerischen Erziehung nach, nochmit der alten Düsseldorfer Schule zu-sammenhängt. Am 7. September 1846zu Düsseldorf geboren, besuchte ervon 1862 bis, 1^.67,die dortige Aka-demie, wo er sich besonders anKarl Sohn anschloss, und wurdedann Privatschüler von Wilhelm

Zeit später als der beste Kolorist undTechniker der Düsseldorfer Schule galt.Scheurenberg fühlte sich anfangs be-sonders für die Genremalerei berufen,die er in der während der siebzigerJahre beliebten empfindsamen Art kulti-vierte, aber doch mit feinem poetischenGefühl, das ihn bisweilen auch einen zumHerzen dringenden Ton finden Hess. Da-neben war er auch von früh an als Bild-nismaler thätig; aber ist es ein Zufallgewesen oder war es ein Ausfluss seinerNeigung oder seines Temperaments — alsBildnismaler scheint er grösseres Tnteressean der Darstellung männlicher Kraft und

Abbildung 387.

Neubau Herrmann Hoffmann. Hausthür an der Schützenstrasse,Sohn, der damals und noch lange Von CREMER & WOLFFENSTEIN, Architekten in Berlin.

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Abb

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Berliner Arckitcktztrwelt 289

Abbildung- 389.

Wohnhaus in Schöneberg, Hauptstrasse 96, Ecke Maxstrasse.Nach dem Entwürfe des Architekten OSSENBÜHL

erbaut von ECKERT & DANNEBERG, Baugeschäft in Berlin.

B.A.W. II. 8. 3«

Page 295: ARC Berlin 1900

2 9 0 Berliner Architektur weit

Charakterstärke gefunden zu haben, unddas gab sich bald auch in seiner kolo-ristischen Ausdrucksweise zu erkennen, dieim Gegensatz zu der seiner Genrebildermehr und mehr an plastischer Kraft undFestigkeit zunahm. Mehrere Bildnisse ausden achtziger Jahren, die die Ausstellungenthielt, Hessen dieses Wachstum deutlicherkennen.

Im Jahre 1879 folgte Scheurenbergeinem Rufe als Lehrer an die Kunst-akademie in Kassel, wo er später auchGelegenheit fand, sich auf dem Gebieteder monumentalen Malerei zu bewähren,indem er im dortigen Justizpalast die vierweltlichen Kardinaltugenden darstellte. DerAufenthalt in Kassel scheint ihm aberso wenig behagt zu haben, dass er schonnach zwei Jahren nach Berlin übersiedelte,um sich ein Jahrzehnt lang in voller Frei-heit seinem künstlerischen Schaffen zuwidmen. Obwohl ihn die Bildnismalereivorzugsweise in Anspruch nahm, wurdeer auch in Berlin vor eine monumentaleAufgabe gestellt, indem ihm die Aus-führung zweier historischer Wandgemäldeund zweier allegorischer Kompositionen fürdas Rathaus übertragen wurde. In denhistorischen Gemälden entfaltete er einenkräftigen, gesunden, jedem falschen Pathosabholden Realismus, undschlichte Wahrheits-liebe bei einfacher, ungesuchter Anordnungist auch der Grundcharakter seiner zahlreichenBildnisse, von denen die im letzten Jahreentstandenen in der grösseren Freiheit dermalerischen Behandlung und in der Hellig-keit des Tons die Einwirkung der modernenRichtung erkennen lassen. Zu ihnen ge-hören auch die im Auftrage der Akademieder Künste gemalten Bildnisse ihresPräsidenten, des Geheimrats Ende und desDombaumeisters Geheimrat Raschdorff(Abb. 395), die die Porträtirten in den pur-purnen Amtstalaren der Senatoren derAkademie darstellen. Auch in einigenlandschaftlichen Studien Scheurenbergszeigte sich insofern der Einfluss dermodernen Richtung, als der Künstler darin

mit bestem Erfolge nach der koloristischenBewältigung der kompliziertesten Licht-erscheinungen gestrebt hat. In einigenGenrebildern und Einzeln guren aus neuesterZeit, namentlich inderherrlichen, „Virginitas"genannten Mädchengestalt, hat Scheuren-berg dagegen eine Sicherheit der Zeich-nung und eine Kraft der plastischen Model-lierung in hellem Licht gezeigt, die ihnals einen Zögling der guten alten Schulekennzeichnen. — Seit 1891 übt Scheuren-berg auch wieder eine Lehrthätigkeit alsLeiter einer Malklasse an der BerlinerHochschule aus. Die Gesamtheit seineskünstlerischen Schaffens, von dem seineAusstellung ein so glänzendes Bild entrollthat, wurde durch die Verleihung der grossengoldenen Medaille ausgezeichnet.

Mit einer Sammelausstellung war auchKARL BREITBACH vertreten. Sie gewährteaber nicht einen Rückblick auf das ge-samte Schaffen des überaus thätigen undvielseitigen Künstlers, sondern sie umfasstenur einen kleinen Teil der Studien, dieBreitbach in den letzten Jahren in Süd-tirol gemacht hat: landschaftliche Idyllenin sommerlicher Pracht und leuchtendemSonncnglanz, malerische Innenräume ausKlöstern und Bauernhäusern und die dreiprächtigen Charakterköpfe, die unsere Ab-bildungen 396—398 wiedergeben. In derCharakteristik dieser drei Köpfe hat Breit-bach eine Kraft entfaltet, die ausser ihmin der deutschen Malerei nur noch Knausund Defregger bei solchen Typen einesurwüchsigen Volkstums gezeigt haben.Wer mit der Geschichte der Berliner Maler-schule nicht vertraut ist, wer nicht weiss,dass Breitbach bereits auf eine vierzigjäh-rige künstlerische Thätigkeit zurückblickenkann, der würde geneigt sein, sowohl indiesen Studienköpfen wie in den durcheine ungewöhnliche Frische der malerischenBehandlung ausgezeichneten, meist inAquarell ausgeführten Landschaften undInterieurs Werke eines Künstlers zu sehen,der, in voller Jugendkraft stehend, mitfrischer Empfänglichkeit die Eindrücke

Page 296: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 390.

291

Giebel-Detail zu Abbildung 389.

Abbildung1 391. Abbildung1 ^u2.U5 0 I 1 1 * i $ ? fl g i s 10 15

Grundrisse zu Abbildung- 389. Von A. DANNEBERG in Berlin.

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5Q2 Berliner Architekturwelt

Abbildung 393-

Wohnhaus in Schöneberg, Hauptstrasse.Von OSSENBÜHL, Architekt in Berlin,

einer ersten Tiroler Studienreise wieder-gegeben hat. Breitbach hat aber bereitsdie Mitte der sechziger Jahre überschritten,und er scheint auf dem besten Wege zusein, sich jenen Berliner Meistern wieMenzel, Eschke und Knaus anzureihen, überdie das Alter keine Macht hat. Im Jahre1836 in Berlin geboren, hat Breitbach, einSchüler der Berliner Akademie, zu denzahlreichen Malern gehört, die in den

fünfziger und sechziger Jah-ren nach Paris zogen, weilsie ihre letzte und höchsteAusbildung nur in derdortigen hohen Schule derKunst erlangen zu könnenhofften. Er arbeitete dortim Atelier von Couture,der wegen seiner glänzen-den Technik vielen deut-schen Malern ein Leitsterngewesen ist, und nachseiner Rückkehr in dieHeimat erprobte er dieneuerrungene Technik so-wohl in Landschaften alsinBildnissen. Späterwandteer sich auch der Genre-malerei zu; aber derSchwerpunkt seiner Kunstlag doch in der Landschaft,die er aber immer mitFiguren belebt, in denensich die Stimmung- derLandschaft bedeutungsvollwiederspiegelt. Wie er mitden Jahren die französischeTechnik völlig abgestreiftund sich eine durchausselbständige koloristischeAusdrucksweise gebildethat, so haben auch seineLandschaften sowohl inder Wahl der Motive wiein der poetischen, feinempfundenen Stimmungeinen durchaus nationalenZug.

Noch stärker tritt der nationale Zug, dasecht deutsche Empfinden in den Land-schaften von JOHANNES HERMES hervor,der die Motive zu seinen Bildern, in denendas Stimmungselement fast immer starkbetont ist, mit Vorliebe aus der MarkBrandenburg schöpft. Auch die diesjährigegrosse Kunstausstellung hatte in einemdurch feine Beleuchtung ausgezeichneten„Abend an der Havel" ein derartiges Bild

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Berlinc r Arch itekiu rtveit

Abbildung 394-

293

Waldschänke für den Zoologischen Garten.Konkurrenzprojekt von WALTHER FüRTHMANN.

/»ny^TE,

aufzuweisen. KoloristivSch noch anziehenderund feiner war aber ein Motiv aus Misdroybehandelt, das unsere Abbildung 399wiedergiebt: eine einsame Fischerhütte amvStrande bei bewölktem Himmel, von dem.sich nur am Horizont ein fahler Schimmerauf die glatte Meeresfläche ergiesst. Mitgrosser koloristischer Virtuosität war dasGrau des Himmels in seinen verschieden-artigen Abstufungen im Gegensatz zu demglitzernden Wasserspiegel und dem gelblich-grauen Dünensande abgestimmt, und mitstarker Gewalt sprach die frostige Stimmungeines trüben Herbsttages, die unheim-liche Oede der einsamen Meeresküste zumBeschauer. Auch dieser Meister poetischerStimmungslandschaft ist ein Berliner. Am28. Mai 1842 geboren, hat er seine ersteAusbildung auf der Kunstakademie seinerVaterstadt und später im Atelier des jetztin Königsberg lebenden LandschaftsmalersMax Schmidt erhalten. 1865 ging er nachDüsseldorf, wo er bis 1870 die Akademiebesuchte und sich unter der besondern

Leitung Oswald Achenbachs weiterbildete.Von 1871 bis 1874 setzte er seine Studienin Weimar fort, und dann war er noch einJahr lang im Haag thätig, wo er sich mitder holländischen Landschaft vertrautmachte. Aber seine Kunst wurzelte dochin der Heimat, und so kehrte er 1875 zudauerndem Aufenthalt nach Berlin zurück,wo er sich bald durch die feinen indivi-duellen Reize seiner Landschaften, aufdenen er die geheimen Regungen derNaturseele mit zarter Hand zu enthüllenweiss, einen geachteten Namen erwarb.Er hat den Ruhm der märkischen Land-schaftsmalerei auch nach auswärts getragen;auf der internationalen Ausstellung inMelbourne 18 88189 wurde eine seiner Abend-landschaften von der Havel mit der goldnenMedaille erster Klasse ausgezeichnet. ;

PLASTIK. . ;Am 26. August sind in der Siegesallee

zwei neue Standbilder brandenburgisch-preussischer Herrscher in Gegenwart des

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294 Berliner Architekturwelt

Abbildung 395.

Kaisers enthüllt worden: das des KaisersKarls IV., des Luxemburgers, der auch dieMark Brandenburg von 1373—1378 regierthat, von LUDWIG CAUER und das Friedrichsdes Grossen von JOSEPH UPHUES. Währendder erstere der Natur seiner Aufgabe nachwenig mehr alseine Kostüm-figur geben

konnte, die imallgemeinen demCharakter derZeit entspricht,in die die Re-gierung des Kai-sers fiel, und ersich im übrigenmit einer rein

äusserlichenCharakteristik

begnügen muss-te, ist es Uphuesgelungen, durcheine durchaus

selbständigeAuffassung'einenneuen, vom Her-kömmlichen ab-weichenden unddoch durch stau-

nenswerteLebenswahrheitvon seiner histo-rischen Echtheitvöllig überzeu-genden Typusdes grossen Kö- ,. , TJ „ ,

& Geh. Rejr.-Rathnigs zu schaffen. in ß e r l i n

Nicht in de r Er- Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

scheinung, in derFriedrich der Grosse vorzugsweise im Ge-dächtnis seines Volkes weiterlebt, tritt er voruns, sondern als jugendlicher Fürst, der, elas-tischen Fusses vorwärts schreitend, eben sei-nen Gang unterbricht und nach rechts blickt,wo irgend etwas seine Aufmerksamkeit fesselt.So mag Friedrich II. in der Zeit unmittelbarnach den beiden ersten schlesischen Kriegen,

gen, seiGestalt

einen

wirk-Gegen-

im Glänze seines jungen Ruhmes, noch vonkeiner Sorge gebeugt, einhergeschrittensein, seine stets wachsamen Augen überall-hin richtend. Mit grossem Geschick hatder Künstler die nervöse Beweglichkeitim Wesen des jugendlichen Friedrich in

der feingliedri-hlanken

zumAusdruck ge-bracht. Zu die-ser Beweglich-keit bildet die

majestätischeRuhe, die kalt-blütige Energie,die aus den Zü-gen des Königsspricht,überaussamensatz. Weit ent-fernt, sich andie stark ideali-sierten Bildnissezu halten, dieuns Antoine

Pesne von demFriedrich dervierziger Jahrehinterlassen hat,hat der Künst-ler mit scharfemBlick für das

Charakteristi-sche aus späte-ren, wahrheits-getreueren Bil-dern und viel-leicht auch aus

der Totenmaske die Gesichtszüge desjugendlichen Friedrich gewissermaassen re-konstruiert (Abb. 403). Als Begleiter desKönigs erscheinen zur Linken des derGruppe gegenüberstehenden Beschauersder Generalfeldmarschall Graf von Schwerin,der Friedrichs Siege während der erstenschlesischen Kriege entscheiden half

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Berliner Architekttirtvelt 295

Abbildung ^g6.

Abbildung 397

Abbildung 396 und 397Studienköpfe. Von KARL BREITBACH in Berlin.

Grosse Berliner Kunstausstellung von 1899.

(Abb. 404), und zur Rechten JohannSebastian Räch, der grosse, von Friedrichhochgeschätzte Tondichter, der 1747 zudem Könige auch in persönliche Beziehungengetreten war (Abb. 405). Auch in diesenbeiden Nebenfiguren hat sich Uphues alsMeister feinsinniger Charakteristik erwiesen.

Von besonderem Interesse ist die Archi-tektur der drei Sockel und der Bank(Abb. 402), die sich, dem herrschendenStil der fridericianischen Zeit entsprechend,in den Zierformen des Rokoko bewegt,Mit voller Sicherheit sind die architek-tonischen und ornamentalen Formen be-handelt, was zum Teil der Mitwirkung desArchitekten Hermann A. Krause verdanktwird, und insbesondere ist die Ornamentikhöchst reizvoll und mannigfaltig ausge-bildet worden. Wenn auch nicht zu über-sehen ist, dass dem Künstler eine überausdankbare Aufgabe zugefallen ist, so ver-dankt er doch den grössten Teil seinesErfolges nicht der volkstümlichen Persön-lichkeit des Dargestellten, sondern den reinkünstlerischen Vorzügen seines Werkes, dereigenartigen Auffassung und Gestaltung,der intimen Charakteristik und der überausfeinen Durchbildung aller Einzelheiten, dieIn der ungemein liebevollen Marmoraus-führung zur besten Geltung gelangt sind.Diese Vorzüge haben auch den Kaiser be-wogen, dem Künstler eine Wiederholungder Königsstatue zu übertragen, die im Parkvon Sanssouci aufgestellt werden soll. —

Im Vorgarten der Universität ist am6, Juni ein Denkmal für Hermann vonHelmholtz enthüllt worden. Auf Grunddes Ergebnisses einer vor fünf Jahren ver-anstalteten beschränkten Konkurrenz hattesich das Denkmalkomite für einen Entwurfdes Professors ERNST HERTER entschieden,der aber erst nach mannigfachen Verände-rungen zur Ausführung gelangt ist. Da esdem Komitc vornehmlich darauf ankam,das Gedächtnis des grossen Forschers vorder Stätte seines langjährigen Wirkens

durch eine dem Leben möglichst voll-kommen entsprechende Bildnisstatue zu

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296 Berliner Architekiurwelt

verewigen, sah sichder Künstler genötigt,sich mit den durchdie moderne Trachtgebotenen Schwierig-keiten abzufinden, diein diesem Falle nochdadurch erhöht wur-den, dass der Künst-ler das moderne Fest-kleid, den Frack, zuwählen hatte. Er hatihn freilich durch denübergeworfenen Ta-lar der Universitäts-professoren mög-lichst zu verdeckengesucht und dadurchzugleich den Vorteilgewonnen, dass dieFigur gegenüber demHintergrunde, derFront des Universi-tätsgebäudes , dienötige Fülle erhalten

Abbildung 398.

Studienkopf. Von KARL BREITBACH in Berlin,Grosse Berliner Kunst-Ausstellung- von 1899.

Abbildung 399.

hat (Abb. 406). DasWichtigste bei einerschlichten Porträt-statue ist ihm jeden-falls trefflich gelun-gen : das geistigeWesen des Gelehrten,der vor seinen Zu-hörern dozirend dar-gestellt ist, ist indem edlen, charakter-vollen Kopf mit derhohen gewölbtenStirn zu vollem Aus-druck gelangt. DieFigur ist in weissemTiroler Marmor, derSockel in rötlichembayrischen Marmorausgeführt, der hierzum ersten Male inBerlin bei einemDenkmal zur Ver-wendung gekommenist. —

Fischerhütte in Misdroy. Von JOH. HERMES in Berlin.Nach einer Aufnahme von HERMANN BOLL, Verlagsanstalt in Berlin

Page 302: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 297

Abbildung 400.

Grabfigur. Von MARTIN SCHAUSS,Bildhauer in Berlin.

Grosse Berliner Kunst-Ausstellungvon 1899.

RUDOLF POHLR, der

Schöpfer der reizenden Hu-moreske „Ein kleiner Schä-ker" (Abb. 407), die auf derdiesjährigen grossen Kunst-ausstellung sowohl durchdie glückliche Erfindung alsdurch die überaus zarte Mo-dellierung der jugendlichenKörper und die meisterlicheBehandlung des Flachreliefsin verschiedenen Abstufun-gen auffiel, gehört der älte-ren Generation der BerlinerBildhauerschule an. Am19. März 1837 in Berlin ge-

boren, hat er die hiesige Akademie in denJahren 1855—1858 besucht und dann seine weitereAusbildung bei Fr. Drake erhalten, der ihm diegrossen Ueberlieferungen der Rauchschen Schuleaus erster Hand vermittelte. Wie aber Drakebereits die herbe Strenge des Rauchschen Stilsdurch ein feines Gefühl für heitere Anmut undmalerische Bewegung gemildert hatte, so wurdendiese Elemente noch stärker durch seine Schülerbetont. Auch Pohle folgte, ohne sich von derwürdevollen Monumentalität der RauchschenSchule zu trennen, dem modernen Geiste inder Bildhauerkunst, der nach dem Ausdruckvollen Lebens und starker und tiefer Empfindungstrebt. Beides, ernste Würde der äusseren Er-scheinung und Tiefe und Wahrheit der Empfin-dung, hat der Künstler besonders in Grabfigurenbewährt, die schon seit dem Anfang der sech-ziger Jahre die Aufmerksamkeit auf ihn lenkten.Die Grabmalplastik blieb dann lange Jahrehindurch seine Hauptbeschäftigung, bis ihm zuAnfang der achtziger Jahre der Auftrag zu Teilwurde, für Eberswalde ein Denkmal des Oberland-forstmeisters von Hagen zu schaffen. Bald nachdessen Vollendung nahm er ein Denkmal für denErfinder der Lithographie, Max Senefelder, in An-

Abbildung 401.

Siesta. Von MARTIN SCHAUSS, Bildhauer in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

B. A. W. II. 8. 39

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2g8 Berliner ^irchiiektiiriüclt

griff, das im Jahre 1892 im Norden Berlins,auf einem Platze zwischen der SchönhauserAllee und der Weissenburger Strasse, auf-gestellt wurde und sowohl durch die un-gemein lebendig und charakteristisch auf-gefasste Hauptfigur wie durch die Anmutder beiden an der Vorderseite des Sockelsbefindlichen Genien allgemeinen Beifall fand.In den beiden Kinderfiguren zeigt sichebenfalls jenes fein entwickelte Gefühl fürformale Schönheit, das auch unserem Reliefseinen höchsten Reiz verleiht. Noch eindrittes Werk Pohles wird demnächst aufeinem öffentlichen Platze Aufstellung finden,eine lebensgrosse, in Marmor ausgeführte,weibliche Figur in idealer Gewandung, dieunter der Last eines grossen Schmerzes zu-

Abbildung 402,

Bankwange am Denkmal Friedrichs des Grossen inVon JOSEPH UPHUF.S in Berlin.

sammengebrochen ist. Es ist BürgersLeonore, die die Nachricht vom Tode desGeliebten empfangen hat. Der Künstlerhat die Figur, die er im Jahre 1888 ge-schaffen , der Stadt Charlottenburg zumGeschenk gemacht, und der Magistrat hatbeschlossen, sie auf dem Schlossplatze auf-stellen zu lassen, —

Unter den zahlreichen Grabfiguren, diedie diesjährige grosse Ausstellung aufzu-weisen hatte, hat der Friedensengel vonMARTIN SCHÄUSS als Sinnbild stiller, inden Willen des Höchsten ergebener Trauerwohl den stärksten und tiefsten Eindruckgemacht (Abb. 400). Ohne die tragisch-pathetische Geberde, die man nur zu oftbei modernen Grabfiguren, namentlich bei

denen französischer unditalienischer Künstler fin-det , ohne Schaustellungeiner wohlstudierten Posesitzt die edle Gestalt, stillin sich gekehrt, auf einemSäulenkapitäl, inder Rech-ten einen Immortellen-kranz, den sie aber nichtniederzulegen wagt, alsfürchte sie, die zur Hüterindes Grabesfriedens bestelltist, diesen Frieden zustören. Die ergreifendeWirkung der Figur, dieinzwischen an ihrem Be-stimmungsorte, in der Re-gräbnishalle der Familiedes Baurats Scheck aufdem katholischen Kirchhofbei Südende aufgestelltworden ist, war durch diemeisterhafte Marmoraus-führung noch gesteigertworden. Unter des Bild-ners Hand hatte der Mar-mor Leben und Wärmeangenommen, ohne dasseine Tönung oder irgend

der Siegesallee. e*n anderes Hilfsmittelähnlicher Art angewendet

Page 304: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 299

worden war. Nurdurch die sichere Be-rechnung derWechsel-wirkung von Lichtund Schatten war die-ser Eindruck vollenLebens hervorgerufenund damit die Meinungwiderlegt worden,dass der reine weisseMarmor immer kaltund kreidig wirke.

Der schöne Erfolgwar das Ergebnismehrjähriger Studien,die der Künstler vor-nehmlich auf die Be-herrschung aller nurmöglichen bildsamenStoffe verwendet hat.Ein entschiedener

Gegner des toten,widerwärtigen Gipsesist er aufs eifrigstebestrebt, nach Ersatz-mitteln zu suchen,die, ohne erheblichkostspieliger zu sein,eine Wirkung ver-sprechen , die auchdas fein gebildeteAuge befriedigt. Erhat Figürchen inElfenbein geschnitzt,er hat Köpfe und Re-liefs in feingetöntemWachs geformt, erhat zarte Flachreliefsund Plaketten fürZinn- und Bronzegussausgeführt und jetztauch Majolikafigurenhergestellt, in denensich neben scharf aus-geprägtem Sinn fürdas Malerische einäusserst fein ausge-bildetes Formenge-

Abbildung: 403,

Standbild Friedrichs des Grossen in der Siegesallee.Von JOSEPH UFHUES in Berlin.

fühlkundgiebt. MartinSchauss, der am25. September 1867in Berlin geborenworden ist, hat seinetechnische Fertigkeitzumeist in kunstge-werblichen Werk-stätten erworben. Erwollte anfangs Gold-schmied werden, wardann eine Zeit langin der königlichenPorzellan-Manufakturthätig und besuchtevon 1888—1891 dieBerliner Kunstaka-demie, ohne sich je-doch an einen Lehrerenger anzuschliessen.Von 1892 bis 1895studierte und arbeiteteer in Paris, vonwo er seine erstenSchöpfungen, Büstenund Werke der Klein-plastik , nach Berlinschickte, die sowohldurch die eigenartigeAuffassung wie durchdie Lebendigkeit und^Sicherheit der Ausfüh-rung auffielen. Wennman nach seinemFriedensengel ein Ur-teil wagen darf, schei-nen aber die in Parisempfangenen Ein -drücke weniger starkauf ihn eingewirkt zuhaben als ein andert-halbjähriger Aufent-halt in Rom, der ihmdurch seinen Sieg imWettbewerb um dengrossen Staatspreisder Berliner Akademieermöglicht worden

Page 305: ARC Berlin 1900

3°° Berliner Architektu rzvclt

Abbildung; 404. Abbildung; 405.

Gral von Schwerin. Johann Sebastian Bach.

Halbfiguren am Denkmal Friedrichs des Grossen in der Siegesallee.• Von JOSEPH UPHUES in Berlin.

war. Mit heiligem Eifer versenkte er sichin die Schönheit der antiken Kunst, vonder auch ein Abglanz auf den Friedens-engel gefallen ist. Aus diesen klassischenStudien ist wohl auch das hübsche Bronze-

figürchen einer Römerin hervorgegangen,die nach dem Bade Siesta hält (Abb. 401).Sie charakterisiert vortrefflich die tech-nische Virtuosität, mit der sich Schaussin der Kleinplastik bewegt. A. R.

Page 306: ARC Berlin 1900

Helmholtz-

Denkmal

vor der

Universität.

Berliner Architekturwelt

Abbildung 406.

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Abbildung 407.

Von

ERNST HERTER

in

Berlin.

Ein kleiner Schäker. Relief von RUDOLF Poill.r. drosse licrliner Kunst-Ausstellung1 von 1899

Page 307: ARC Berlin 1900

302 Berliner Archiiekturwelt

Abbildung 408.

Zimmer auf der Grossen Berliner Kunst-Ausstellung von 1899. Von MARIE KIRSCHNER.

CHRONIK AUS ALLEN LÄNDERN.A, Für die deutsche Bauausstellung in Dresden ipoo

gehen die Anmeldungen so zahlreich ein, dass, wiedem „Centralblatt der Bauverwaltung" geschriebenwird, der grosse städtische Ausstellungspalast durchAnbauten erheblich vergrössert werden muss, um denRaumansprüchen zu genügen. Neben zahlreichen vongrossen Industriefirmen zu errichtenden Baulichkeiten,neben dem reizvollen Bahnhofe, von dem aus dieelektrische Untergrundbahn die Verbindung mit demienscit des Botanischen Gartens gelegenen „Ver-

gnügungseck" herstellt, wird der Ausstellungsparkdurch ein von der Dresdner Baumeister-Innung zuerrichtendes „Innungshaus", ein in vollem Betriebestehendes landwirtschaftliches Mustergehöft undmehrere Blumenhäuser belebt werden. Das Innungs-haus soll in seinen unteren Teilen eine Restaurationbergen, in den oberen Teilen allerhand Baugegen-stände aufnehmen, in sich. selbst aber durch An-wendung verschiedener vaterländischer Baustoffegleichfalls einen bemerkenswerten Ausstellungsgegen-

Page 308: ARC Berlin 1900

Berliner Architeklurwelt 3°3

Abbildung1 409.

Möbel

aus dem Zimmer

Abbildung 408.

Von

MARIK KIRSCHNER,

Abbildung 410.

"*<*mrM:.

Englisches Fauteuil.Von CARL MILLER Nfgr. B. BURCHARDT, Berlin

Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

stand bilden. Zu dem landwirtschaftlichen Muster-gehöfte war, wie bekannt, ein Wettbewerb unter dendeutschen Architekten ausgeschrieben. ArchitektKühn, der als Sieger aus dem Kampfe hervorging,wird Gelegenheit finden, seinen Plan in die Wirklich-keit umzusetzen, während die übrigen Wettbewerbs-pläne an geeigneter Stelle zur Ausstellung gelangensollen. Da der Verband deutscher Architekten- undIngenieur-Vereine auch einen Teil der für die vonihm geplante Veröffentlichung bestimmten Aufnahmendes alten deutschen Bauernhauses ausstellen wird,werden sich lehrreiche Vergleiche zwischen den An-schauungen von Vergangenheit und Gegenwart an-stellen lassen, Aus den verschiedenen königlichen,prinzlichen und städtischen Sammlungen, aus denMuseen, den Archiven der Ministerien usw. sind demAusschuss für Bauütteratur die Originalpläne be-rühmter Meister zur Verfügung gestellt worden. Dassauch die übrigen deutschen Regierungen einem be-züglichen Ersuchen freundlich gegenüberstehen werden,ist um so sicherer zu erwarten, als die meistendeutschen Staaten und, was mit besonderer Freudezu begrüssen ist, auch die verschiedenen Kriegs-ministerien ihre Beteiligung an der Ausstellung zu-gesagt haben Eine fast vollständige Vergleichungdes deutschen Staatsbauwesens wird damit ermög-licht, Dass eine gleichzeitige Uebersicht über dasso hoch entwickelte städtische Bauwesen ausge-schlossen bleibt, ist zu bedauern. In Rücksicht aufdie im Jahre 1903 von der Stadt Dresden geplante

Page 309: ARC Berlin 1900

3°4 Berliner Architekturwelt

Städte-Ausstellung mussie der Centfalausschuss aberausdrücklich auf eine Ausstellung von Plänenstädtischer Bauten verzichten. Auch die deutschenPrivatarchitekten, für deren Werke ein DresdnerBürger -— neben den Staatsauszeichnungen — be-sondere Denkmünzen stiften wird, rüsten sich, derunter Wallots besonderer Leitung stehenden Aus-

Künstlern, die ihren Entwurf bis zum i. Dezembereinzuliefern haben, ist eine Entschädigung von je2000 M. zugesichert worden.

d Die grosse Berliner Kunstausstellung hat einenReinertrag von etwa 70000 M, ergeben.

* *

Abbildung 41 T.

Büffet in Eichenholz für ein Herrenzimmer. Von WILHELM KlMBEL und A. FRIEDEIUCHSEN in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

Stellung der Baukunst ihre volle Unterstützung an>gedeihen zu lassen.

•fe Zu einem engeren Wettbewerb um ein KaiserWilhelm-Denkmal für Danzig, das die Provinz

Westpreussen errichten will,' sind die Berliner Bild-hauer BOESE, EBERLEIN, MANZEL, SCHOTT undVON UECHTR1T2 eingeladen worden. Für 100000 M.soll ein Reiterdenkmal ausgeführt werden. Den

Q In dem Wettbewerb um Plakate für Veilchen-parfüm, den die Firma Jünger und Gebhardt aus-geschrieben hatte, ist der erste Preis (400 M.) demKunstakademiker A. WEISSGERBER in München, derzweite (300 M.) dem Maler H. GROTH in Hamburgund der dritte (zco M.) dem Maler M. JACOBY inGrunewald-Berlin zuerkannt worden. —- In einemzweiten Wettbewerbe um Lanolin - Creme - Plakatefür dieselbe Firma erhielten den ersten PreisALBERT KLINGNER, den zweiten HANS LOOSCHEN

Page 310: ARC Berlin 1900

Berliner Architektttrwelt 305

und drei dritte Preise JULIUS VOSS, K. TUCH baug-cseUschaft Zöller, Wolfers, Droege in Berlin einund L. KUBA. Wettbewerb unter den Mitgliedern des Architekten-

* * * Vereins in Berlin und des Architekten- und Ingenieur-D Aus der internationalen Preisbewerbung für die Vereins in Potsdam ausgeschrieben worden, Es

Neubauten der Universität von Califoniieji ist derArchitekt K. BENARD in Paris als Sieger hervor-

handelt sich im allgemeinen um eine teils offene,teils geschlossene Bebauung mit Zweifamilien-Wohn-

Abbildung 412.

Schrank von ANNA ACKERMANN in Berlin.Grosse Berliner Kunst-Ausstellung von 1899.

gegangen. Er erhielt den ersten Preis von 10000 Doll.jdie übrigen Preise im Betrage von 1000 bis 4000 Doll.sind amerikanischen Architekten zugefallen. DieJury bestand aus den Architekten John Belcher inLondon, Walter Cook in New-York, J, L. Pascal inParis und Paul Wallot in Dresden.

rS Für die Aufteilung und Behauung des Wiese'n-geländts „ Witam" bei Potsdam ist von der Strassen-

häusern besserer Art, die vornehmlich von Offizierenund Beamten bewohnt werden sollen. Auf aus-reichende Gärten ist Rücksicht zu nehmen, bei derMehrzahl der Grundstücke auch auf Pferdeställe. Fürdie Preisverteilung sind 4000 M. ausgesetzt, die indrei Preisen von 1800, 1200 und 1000 M,, unter Um-ständen aber auch in anderer Weise verteilt werdensollen. Ankauf nichtpreisgekrönter Entwürfe zu je800 M. bleibt vorbehalten. Einlieferungstag ist der

B.A.W. II. 8. 40

Page 311: ARC Berlin 1900

306 Berliner Architekturwelt

Abbildung 414.

•Hausthürgitter. ' Füllung für eine Hausthür,Entwürfe für Schmiedeeisen von AD. HÄRTUNG, Architekt in Berlin.

Page 312: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 415.

3°7

Schmiedeeisernes Brüstungsgitter.Entwurf von AD. HÄRTUNG, Architekt in Berlin.

i. Dezember. Das Preisgericht besteht aus den Mit-gliedern des Landbaubeurteilungsausschusses desBerliner Vereins.

** ALBERT KRÜGER, der treffliebe Radierer, dem

wir schon viele ausgezeichnete Nachbildungen vonGemälden klassischer Meister, insbesondere derniederländischen Schule verdanken, hat sich seiteinigen Jahren auch der Pflege des Farbenkoiäschnittesgewidmet. Nach einigen tastenden Versuchen ist esihm jetzt gelungen, die Kunstfreunde durch eineüberaus reizvolle Schöpfung von hoher Vollendungzu überraschen. Dem Charakter des Farbenholz-schnittes entsprechend, der scharfe Konturen undmöglichst bestimmt ausgesprochene Lokaltöne ver-

langt, hat Krüger zur Wiedergabe ein Werk derilorentinischen Malerei aus der zweiten Hälfte des15. Jahrhunderts gewählt, die Halbfigur eines jungenanmutigen Mädchens in der Berliner Gemäldegalerie,die jetzt dem Lorenzo di Credi zugeschrieben wird.Nach der Inschrift am unteren Raride des Bildes(Noli me tangere — Rühr' mich nicht an) hat derKünstler die Absicht gehabt, ein Abbild unantast-barer Jungfräulichkeit zu geben, und diese ^Absichtspricht sich auch in der frühlingsfrischen Farben-gebung aus Diese Eigenschaften des Originals, dieherbe Jungfräulichkeit der Erscheinung und die zarterosige Färbung, hat Krüger in seiner Reproduktion,zu der zehn Stöcke nötig waren, zu vollkommenerAnschauung gebracht. Er hat denn auch die Genug-

Abbildung 416.

Brüstungsgitter in Schmiedeeisen.Entwurf von AD. HÄRTUNG, Architekt in Berlin.

Page 313: ARC Berlin 1900

3o8 Berliner Arch iteklunvclt

thuung gehabt, dass sein Werk auf der diesjährigen

nationalen Kunstausstellung1 in Dresden mit der

goldnen Plakette ausgezeichnet worden ist. Den Ver-

trieb des in der Rcichsdruckerei gedruckten Blattes,

das bei einer Bildgrösse von 3o7i :457s cm auch als

schlössen, die gewiss allgemeine Billigung finden

werden. Den Verunzierungen Dresdens, die durch

Vorrichtungen entstehen, welche infolge ihrer erheb-

lichen Grosse und der auffallenden Art ihrer Aus-

führung der Umgebung ihres Standortes zur Unzierdc

Abbildung1 417,

Malereien für die Diele im Hause Uhlandstrasse 175 in Charlottenburg.

Von GEBR. DRABIG, Dekorationsmaler in Berlin.

vornehmer Wandschmuck zu empfehlen ist, hat die

Kunsthandlung von AMSLER & R.UTHARDT in Berlin,

Behrenstr. 29a, zum Preise von 50 M. übernommen»*. *

** Gegen das Unwesen der Anbringung von In-

schriften , Reklameschildem und Piakaien hat der

Rat der Stadt Dresden neuerdings Maassregeln_ be-

gereichen, sei es, dass sie der landschaftlichen Schön-

heit der Gegend Eintrag- thun, sei es, dass sie die

architektonische Wirkung von einzelnen Bauwerken

u. s. w. in auffälliger Weise stören, soll in Zukunft

dadurch entgegengetreten werden, dass in geeigneten

Fällen den Betreffenden die Beseitigung aufgegeben

wird. Auch an anderen Orten Sachsens hat sich die

Page 314: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 3°9

gleiche Erkenntnis Bahn gebrochen, und man beginntdem Reklame-Unfuge zu steuern. So sprach sich derBezirksausschuss der Amtshauptmannschaft in Schwär-senberg dahin aus, dass vor Anbringung von Plakatenan landschaftlich schönen Punkten sich die jedesmaligeEinholung des Einverständnisses der Verwaltungs-behörde empfehlender das Recht zur Anordnung der

* Die Vedagsanstalt F. BRUCKMANN in München'hat kürzlich Folio-Pigmentdrucke nach den Gemäldendes Städelschen Kunstinsiiiuis veröffentlicht, die sichden vor zwei Jahren von derselben Firma heraus-gegebenen Pigmentdrucken nach Gemälden der AltenPinakothek in München würdig anreihen. Ebenso wiediese zeichnen sie sich durch hervorragende Güte der

Abbildung 418.

Malereien für eine Trinkstube.Von Gebr. DRABIG, Dekorationsmaler in Berlin.

Wiederbeseitigung zusteht. Das „Centralblatt derBau Verwaltung", dem wir diese Mitteilungen ent-nehmen, weist noch auf Meissen hin, wo sich zurSeite der vom Bahnhofe nach der Brücke führendenStrasse an* den Felsen aufdringliche Inschriften be-finden, die auf Bierkneipen u. dgl. aufmerksam machenund damit das malerische Stadtbild und die ganzeherrliche Landschaft schänden.

Ausführung und einen aussergewöhnlich billigen Preis— jedes Blatt im Format von ca 22 : 29 cm kostet eineMark — aus. Die Münchener Verlagsanstalt hat sichnicht, wie alle anderen Photographen, darauf be-schränkt, nur die allgemein beliebten Bilder zu re-produzieren , sondern sie hat nach Auswahl derGaleriedirektion alles aus dem Bestand der Sammlungpubliziert, was ein hinreichendes kunstgeschichtlichesInteresse bietet. Die BRUCKMANN'schen Pigment-drucke haben einen angenehmen bräunlichen Ton

Page 315: ARC Berlin 1900

3 i o Berliner Arckitekturwelt

und geben alle Einzelheiten der Originale mit voll-kommener Schärfe und Klarheit wieder. Gegenüberden gewöhnlichen Photographieen haben sie ferner denVorzug1 der Unveränderlichkeit; auch rollen siesich nichtund können bequem ohne Karton aufbewahrt werden»

* * *

:;: Die Deutsche Marmor-Industrie hat sich inden letzten Jahren technisch so vervollkommnet, dasssie die ausländische Konkurrenz, insbesondere dieitalienische nicht mehr zu scheuen braucht. Das hatsich besonders durch den Vergleich der Herrscher-denkmäler in der Sieges-Allee in Berlin gezeigt, dieteils in italienischen, teils in deutschen Werkstättenausgeführt worden sind. Dieser Aufschwung deutschenGewerbeileisses hat der Direktion der Aktiengesell-schaft für Marmor-Indusirie Kiefer in Berlin, Kiefers-felde und Oberalm Anlass zu einer Zuschrift an die„Vossische Zeitung" gegeben, der wir das Folgendeentnehmen: „Man betrachte nur die Gruppe Ottosdes Faulen von Herrn Professor Brütt und die desHerrn Professor Karl liegas, die beide in deutschenWerkstätten ausgeführt worden sind, und man wirderkennen, dass sie den Nachbargruppen, die vonItalienern ausgeführt worden sind, in nichts nach-stehen. Diese Erkenntnis hat sich denn auch schonkräftig Bahn gebrochen, denn eine ganze Reihe von

Künstlern, die von dem Kaiser mit der Lieferungvon Gruppen für die Siegesalice betraut wurden, habenihre Ausführungen nicht Italienern, sondern deutschenBildhauern übertragen. In den Bildhauer Werkstättenvon Bockhaus, Menrath, Lange, Tübbecke u. a. m.sieht man Gruppen für die Siegesallee in Ausführung,und nach allen Arbeiten, welche diese Bildhauerbereits geliefert haben, ist die volle Gewähr vor-handen, dass durch diese die Siegesallee mit weiterenjede Kritik aushaltcnden Kunstausführungen bereichertwerden wird. Was die Architekturarbeiten an denbis jetzt zur SiegesalLee gelieferten Gruppen anbelangt,so gestatten die beiden erst jüngst der Oeffentlichkeitübergebenen Denkmäler einen Vergleich zwischenitalienischer und deutscher Arbeitsleistung. Die Archi-tektur der Gruppe Friedrich der Grosse, die von derFirma M. L. Schleicher in Berlin, und die der GruppeKaiser Karl IV., die von der Aktien-Gesellschaft fürMarmorindustrie Kiefer in Kiefersfelden ausgeführtwurde, beweisen, dass unsere deutschen Werke inGeschmack und Sorgfalt in der Materialwahl wie inAusführung der Steinmetz- und Bildhauerarbeiten denitalienischen zum mindesten vollständig gewachsensind, ja sogar Vorzüge aufweisen, die letztere nichtbesitzen. In dieser Richtung ist speziell der Hinweisauf die Gruppe Kaiser Karl iV. berechtigt. Bei der

Abbildung 419.

Vestibüldecke für das Wohnhaus Rankestrasse 35 in Charlottenburg.Von GEBR. DRABIG, Dekorationsmaler in Berlin.

Page 316: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 3*1

bisherigen Ausführung der Bänke wurde ein Fugen-schnitt angewendet» der, ganz abgesehen von derwenig konstruktiven Anordnung, für unsere hiesigenklimatischen Verhältnisse nicht gesund erscheint. DieBänke der Gruppe Kaiser Karl IV. sind je aus einemStück gemeisselt, berücksichtigen somit in weit-gehendster Form die hiesigen klimatischen Verhält-nisse. Durch diese Art der Ausführung- ist nichtallein eine grössere Stabilität erreicht, sondern derganze Aufbau bekommt auch ein monumentales Aus-sehen. Es ergiebt sich aus dem Vorgesagten, dassin unseren deutschen Bildhauer- und Steinmetz-werkstätten für Marmorausführungen heute ebensotüchtige und geschulte Arbeitskräfte thätig sind wie

in Italien, ja, dass der Deutsche noch den Vorzugbesitzt, in konstruktiver Beziehung mit mehr Sach-kenntnis und Technik zu arbeiten als die Ausländer."

* Ein von Bildhauer WALTER SCHOTT in Berlingeschaffenes Denkmal für die Gefallenen des erstenGarderegiments 2. F. ist am 18, August in Gegenwartdes Kaisers auf dem Schtachtfelde von St. Privat ent-hüllt worden. Auf einem hohen Unterbau aus rohbehauenen Steinen steht die kolossale Bronzefigurdes gepanzerten und behelmten Erzengels Michael,der sich mit den Händen auf sein Schwert stützt.Der Schöpfer des Denkmals wurde durch die Ver-leihung des Professortitels ausgezeichnet.

BÜCHERSCHAU.Von dem grossen, vom Stadtbaurat HUGO LICHT

herausgegebenen, im Verlage von Ernst Wasmutherscheinenden Sammelwerk Architektur der Gegen-wart, das eine Uebersicht über hervorragende, fürdie Entwicklung der modernen Baukunst besonderscharakteristische Monumental- und Privatbauten inallen Hauptstädten des Kontinents gewähren will,ist vor kurzem die 19. Lieferung, die dritte desfünften Bandes, ausgegeben worden. Berlin ist darindurch Hoffackers Künstlerhaus und zwei Kaufhäuser(Israel und Tidemann), "Wien durch eine der Bahn-hofsanlagen der neuen Stadtbahn von Otto Wagner,das Haus der Secession von J. M. Olbrich und zweiWohn- und Geschäftshäuser, München durch diebeiden gewaltigen Monumentalbauten des Justiz-palastes von Thiersch und des bayerischen National-museunis von G. Seidl und durch einige eigenartigeWohn- und Geschäftshäuser von Dülfer, F. Rankund Heilmann & Littmann und Paris und Brüsselsind durch einige Wohnhäuser vertreten, die für diemoderne Richtung bezeichnend sind, die sich injüngster Zeit in der Architektur jener beiden Städtebemerkbar gemacht hat. Der begleitende Text istreich mit Abbildungen (Details, Grundrissen, Durch-schnitten u. dgl. m.) versehen, die die Lichtdruck-tafeln in willkommener Weise ergänzen. In einemAnhange sind einige interessante, ebenfalls für diemoderne Richtung in der Brüsseler Baukunst charak-teristische Interieurs aus der Kongoausstellung von1897 mitgeteilt.

Da ein Werk wie die „Architektur der Gegenwart1*gewisse Richtungen in der modernen Baukunst nichteinseitig bevorzugen kann, hat es die Verlagsbuch-handlung unternommen, die Schöpfungen desmodernen Stils in besonderen, für sich abgeschlossenenSammlungen, als „Städtebilder" vorzuführen. Alserstes dieser Städtebilder ist Brüssel erschienen, eineSammlung von 37 Tafeln in Lichtdruck, auf denen eine

Anzahl von Geschäfts- und Wohnhäusern dargestelltsind, in denen die Merkmale des neuen Stils be-sonders deutlich zum Ausdruck kommen.

Eine andere Veröffentlichung desselben Verlags,Stadt- und Landhäuser, eine Sammlung modernerWohngebäude, Villen und Einfamilienhäusern inStadt und Land, ist mit der kürzlich erfolgten Aus-gabe der 4. und 5. Lieferung zum Abschluss gelangt.Auf fünfzig Tafeln wird ein ungemein vielseitiges,gut gewähltes Material geboten, das die mannig-fachsten Bedürfnisse berücksichtigt und deshalb alsVorbildersammlung gute Dienste thun wird. In denletzten Lieferungen sind besonders die VillenvororteBerlins und Münchens herangezogen worden, in denender moderne Landhausbau seine schönsten Blütengezeitigt hat.

Ihrem baldigen Abschluss entgegen geht die Samm-lung Ausgeführte Grabdenkmäler und Grabsteine\von der jetzt die neunte Lieferung erschienen ist.Sie enthält auf zehn Lichtdrucktafeln nach wohl ge-lungenen Naturaufnahmen vierzehn architektonischund plastisch hervorragende Grabdenkmäler vonFriedhöfen in Berlin und Umgebung, Frankfurt a. M.,Hildesheim und Koblenz. Auch diese neue Lieferungist ein erfreuliches Zeugnis dafür, dass die Grab-denkmälerkunst, dankdemZusammenwirken von Archi-tekten und Bildhauern lind dem wachsenden Ver-ständnis des Publikums, in jüngster Zeit einen leb-haften Aufschwung genommen hat, der erhoffen lässt,dass der handwerksmässige Betrieb der Grabplastik,wie er länger als ein Jahrhundert in Deutschlandgeherrscht hat, in absehbarer Zeit ganz zurückge-drängt werden wird. Von überwiegend bildnerischenAusführungen sind aus dieser Lieferung des gehalt-vollen Werkes besonders die von E. Herter in Berlin,F. Hausmann In Frankfurt a, M, und F. Küsthardt inHildesheim, von architektonischen die von G. Hoch-gürtel, H.TietzundG. Gebhardt in Berlin hervorzuheben.

Verantwortlich für die Redaktion: Dr. ADOLF ROSENBERG, Berlin.Gedruckt bei JULIUS SITTENFELD, Berlin W.

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Page 317: ARC Berlin 1900

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Page 318: ARC Berlin 1900

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ARBEITERMIETHAEUSER IN BERLIN.(Hierzu die Abbildungen 420—427.)

~W^f% nter den Versuchen, einem der• (fvB Grundübel, die die auf die Lösung"\ ^ I der sozialen Frage gerichteten Be-

strebungen in erster Linie zu be-kämpfen haben, den misslichen Wohnungs-Verhältnissen der arbeitenden Bevölkerungund den daraus entspringenden sanitärenund moralischen Schäden an die Wurzel zugehen, verdienen die vom Berliner Spar-und Hauverein seit dem Anfang der neun-ziger Jahre errichteten, nach genossenschaft-lichen Grundsätzen verwalteten Arbeiter-miethäuser auch unter künstlerischen Ge-sichtspunkten eine hervorragende Beach-tung. Ohne Anlehnung an fremde Muster,am wenigsten an die Arbeiterwohnhäuserin England, deren Kasernensystem deut-schen Lebensgewohnheiten im höchstenGrade unsympatisch sein würde, sind dieMiethäuser des genannten Vereins aus denAnforderungen entwachsen, die in Berlinan kleine Wohnungen gestellt werden.

Während diese in der Regel aber nur —bei einem Durchschnittspreise von 200 bis240 M. — aus Stube und Küche bestehen,woraus der Uebelstand entspringt, dass dieKüche fast immer als Schlafraum benutztwird, hat sich der Spar- und Bauverein dieAufgabe gesetzt, für ähnliche MietpreiseWohnungen von zwei Stuben mit Küche,Speisekammer und Kloset herzustellen, alsoüber die gewöhnlichen Arbeiterwohnungenhinauszugehen und ausserdem noch eineReihe von Vorteilen zu gewähren, die zumTeil aus dem genossenschaftlichen Betrieb,zum Teil aus der Wahl geeigneter Grund-stücke erwachsen, die reichliche Zufuhr vonLicht und Luft durch die Anlage geräumi-ger Höfe ermöglichen. Durch gärtnerischeund sonstige Ausstattung dieser Höfe sollzugleich den Kindern Gelegenheit gegebenwerden, sich, ohne den Gefahren der Strasseausgesetzt zu sein, nach Herzenslust in freierLuft tummeln zu können.

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3 i 6 Berliner Architekturzvelt

Dass die ersten vom Berliner Bau- undSparverein errichteten Arbeitermiethäuserneben ihrer durchaus zweckmässigen undin der Folge auch als durchaus praktischbewährten Grundrissanlage auch eine denästhetisch gebildeten Sinn befriedigendekünstlerische Gestaltung" des Aeusseren er-halten haben, ist ein Verdienst ALKRED

MESSEL'S, der früher dem Vorstande desVereins angehörte und noch jetzt als Mit-glied des Aufsichtsrats fungiert. Schon vorzehn Jahren war er selbständig auf denGedanken gekommen, auf eigene HandMiethäuser für Arbeiter nach einheitlichemRaumprinzip zu erbauen; aber die Aus-führung seines Plans war an der Schwierig-keit gescheitert, ein geeignetes Bauterrainzu gewinnen, das die notwendige Rentabilitätverhiess, ohne dass die Grundsätze einerArbeiter - Normalwohnung, wie sie sichMessel gedacht hatte, beeinträchtigt würden.

Die Rentabilitätsfrage blieb auch ent-scheidend, als Messel den ersten Versuchim Auftrage des Vereins mit dem Doppel-hause in der Sickingenstrasse in Moabitmachte (Abb.424). Die Lage des Grundstückeswar weit davon entfernt, zwcckrnässig zusein. Aber es gelang dem Architektendoch wenigstens, eines seiner Ideale zu er-reichen, die Anlage eines geräumigen Hofes,der den Seitengebäuden und dem von diesenisolierten Quergebäude eine hinreichendeLuft- und Lichtzufuhr gewährt und zugleicheinen weiten Spiel- und Erholungsplatzbietet.

Bei der Anordnung der Räumlichkeitenwar Messel auf den Gedanken gekommen,ein „Normalhaus" zu konstruieren, das beieiner Höhe von vier Stockwerken achtvöllig getrennte, räumlich gleiche Wohnun-gen enthalten sollte, deren jede unmittelbarvon der Haupttreppe zugänglich sein sollte.Dieses Normalhaus bildet den Kern seinerAnlagen. In dem Gebäudekomplex an derSickingenstrasse konnte er es noch nichtmit voller Konsequenz durchführen. Vonanderen Faktoren, die bei der Beratungüber die Grundrissbildung ihren Einfluss

geltend machten, war bei den Eckwohnungendie Anlage sogenannter „Berliner /immer11

durchgesetzt worden, die sich als unzweck-mässig und ungesund erwiesen- haben.Ein anderer Uebelstand, der in der Un-möglichkeit liegt, in den Wohnungen inden Seitenflügeln und im Quergebäude einequere Durchlüftung der Räume herbeizu-führen, kann nur bei einem anderen Zuschnittdes Grundstücks gehoben werden, unddies Ziel ist erreicht worden, als es demVerein gelang, im Osten Berlins an derProskauer-Strasse ein über 3000 Quadrat-meter grosses Grundstück zu erwerben,das an drei Seiten von Strassen begrenztwird, während die vierte an ein als bebautzu denkendes Nachbargrundstück stösst.Auf einem Bauplatz von solchem Zuschnitt,der für die Zwecke des Vereins besondersausgewählt war, konnten die Ideale, die demArchitekten bei dem Entwurf seines Normal-hauses vorgeschwebt hatten, nahezu ver-wirklicht werden.

Obwohl der Hof noch durch die Anlageeines kleinen eingeschossigen Doppelhausesgeschmälert wird, das sich mit seinerRückwand an das Nachbargrundstück an-lehnt und in einem Obergeschosse je vieraus Stube, Küche und Zubehör bestehendeWohnungen enthält, nimmt der Hof, dessengrösste Ausdehnung 40 Meter beträgt, dochetwa die Hälfte des ganzen Gebäudes ein,so dass das Bauterrain bei weitem nichtin dem baupolizeilich zulässigen Maasse aus-genutzt worden ist. Das Hofgebäude steht inseinem Erdgeschoss mit den Vorder-häusern in Verbindung. An die Gast-Wirtschaft, die von der Schreinerstrassezugänglich ist, schliessen sich Räume an,die für gemeinnützige Zwecke der Mict-genossenschaft bestimmt sind, zur Unter-kunft für eine Bibliothek, zur Abhaltungeines Kindergartens und zur Veranstaltungvon Versammlungen zu Belehrung undUnterhaltung. Auf der anderen Seite desVerbindungsbaues ist eine Bäckerei ein-gerichtet, die ebenso wie das Wirtshausund eine in einem der Eckläden befindliche

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Berliner Ar-cMtekf,uniüelt

Abbildung" 421.

3l7

Arbeitermiethäuser in der Proskauerstrasse, Ecke Schreinerstrasse. Hofansicht.Nach dem Entwürfe von ALFRED MESSEL in Berlin,

Abbildung 422, Abbildung 423.

Abbildung 422 u. 423 Grundrisse zu Abbildung 420,

Page 322: ARC Berlin 1900

3'8 Berliner ArQkitekturweli

Abbildung 424,

Arbeitermiethäuser Sickingenstrasse 7 u. 8, erbaut nach dem Entwürfe von ALFRED MESSEL in Berlin.

Konsumanstalt von der Genossenschaft ineigener Regie betrieben wird.

Wie ein Blick auf den Grundriss erkennenlässtt besteht die Gebäudegruppe, abgesehenvon dem im Hofe gelegenen Doppelhause,aus zehn völlig getrennten Häusern mit jeeinem Treppenaufgang. Von diesen zehnHäusern entsprechen acht im Grossen undGanzen dem Typus des obenerwähntenNormalhauses; die Eckhäuser, die je dreiaus zwei grösseren Stuben mit Küche be-stehende Wohnungen enthalten, sind ausräumlichen Gründen abweichend ausgebildetworden. Durch die Anordnung der Treppen-häuser in den einspringenden Ecken istbei ihnen auch die Anlage von „BerlinerZimmern" glücklich vermieden worden.Von den acht Normalhäusern dienen zwei

dem geringsten Wohnungsbedürfnis, dassich auf Stube und Küche beschränkt.Aber auch in diesen beiden Häusern ist derfür alle übrigen geltende Grundsatz durch-geführt worden, dass jedes Geschoss nurzwei getrennte Wohnungen enthält. Diesechs übrigen Normalhäuser enthalten injedem Geschoss zwei aus Stube, Kammerund Küche bestehende Wohnungen. Es istdafür gesorgt worden, dass jede Wohnungihren Balkon erhalten hat; einzelne sindsogar mit Loggien ausgestattet. — DieWaschküche und die Baderäume sind imDachgeschoss untergebracht. — Bei ge-nauerer Betrachtung des Grundrisses wirdeine Verschiedenheit in den Grössen-verhältnissen der Wohnungen auf der rechtenund linken Hälfte des Grundstücks auffallen.

Page 323: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt

Abbildung 425.

319

Arbeitermiethäuser Sickingenstrasse 7 und 8. Detail der Fassaden.

Dieser Unterschied, der etwa einen halbenMeter ausmacht, ist darauf zurückzuführen,dass bei den Wohnungen auf der rechtenHälfte, die zuerst fertig und in Benutzunggenommen wurden, über die Kleinheit derKüchen Klage geführt worden war. Indemdiesem Uebelstande auf der linken Seiteabgeholfen wurde, musste zugleich derMietpreis der Wohnungen entsprechenderhöht werden. —

Wie Professor Dr. H. ALBRECHT, der der

Arbeiterwohnungsfrage ein besonders liebe-volles und fruchtbringendes Studium ge-widmet hat, in einer Besprechung der Miet-häuser des Berliner Spar- und Bauvereinsin der „Zeitschrift für Architektur und Inge-nieurwesen" hervorhebt, hat der Vorstandder Genossenschaft in seinen alljährlichherausgegebenen Geschäftsberichten immerwieder betont, „dass er nicht in erster LinieGewicht darauf legt, mit allen Mitteln eineVerbilligung der Wohnungen anzustreben.

Page 324: ARC Berlin 1900

32O Berliner Architekturwelt

Abbildung 426.

Arbeitermiethäuser Sickingenstrasse 7 u. 8. Hofansicht. Nach dem Entwürfe von ALFRED MESSEL in Berlin.

Viel bedeutsamer erscheint ihm die Aufgabe,das Wohnungsbedürfnis der arbeitendenKlassen zu heben, sie daran zu gewöhnen,dass sie ihre Wohnung nicht bloss als dieSchlafstelle betrachten, die sie nicht ent-behren können, sondern als ihr Heim, andem sie sich erfreuen, wenn sie von derArbeit in den Schooss ihrer Familie zurück-kehren. Dazu gehört aber in erster Linie,dass auch sein Aeusseres das Genossen-schaftshaus von den Mietkasernen abhebt,wie sie sich in trauriger Eintönigkeit in

den Arbeitervierteln der Grossstädte an-einanderreihen."

Neben dem Gefühl für die Segnungeneines eigenen Heims --denn das Genossen-schaftsmitglied ist, so lange es die Wohnunginne hat und seinen Verpflichtungen nach-kommt, zugleich Mitbesitzer des Hauses —soll also auch der Schönheitssinn erwecktund befriedigt werden, und dieser mehridealen Forderung hat Alfred Messel, so-weit es die immerhin beschränkten Mittelzuliessen, in hohem Maasse entsprochen.

Page 325: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 321

Abbildung 427.

Bei dem Hause in der Sickingenstrassemusste er sich freilich mit einer künst-lerischen Gestaltung der Strassenfront be-gnügen, die in ihren Einzelheiten an Motiveder Tiroler Renaissance anklingt. Bei derGebäudegruppe an der Proskauerstrassekonnte er sich dage-gen in voller Freiheitbewegen. Er fasstedie zehn innerlich fürsich bestehenden Häu-ser zu einem einheit-lichen künstlerischenGanzen zusammen undgab der Häuser-

gruppc,dic dem Augesomit als eine ge-schlossene Einheit er-scheint , durch Bele-bung der Fassadenmit thurmartig an-steigenden Dächernan den Ecken und mitGiebeln gewisser-

maassen ein monu-mentales Gepräge,

dessen ernste Hal-tung aber durch eineMenge reizvoller, ma-lerischer Einzelnhei-ten gemildert wird,namentlich durch die

in rhythmischemWechsel bald vortre-tenden, bald zurück-springenden Fassa-denteile. Mit gleicherLiebe sind auch dieHofseiten durchge-führt, die mit einer vierfachen Reihe vonlaubbekränzten Baikonen umzogen sind,von denen man auf die wohlgepflegteGartenanlage im Hofe mit dem grossen,mit Kies bestreuten Spielplatz in der Mitteherabblickt.

Trotz dieses engen Zusammenlebens vonweit über hundert Familien — der ge-samte Komplex enthält 125 Wohnungen

Grundriss zu Abbildung 424.

und 11 Läden — haben sich nicht dieMisshelligkeiten ergeben, die sonst in denBerliner Mietkasernen an der Tagesordnungsind. Im Gegenteil haben die gemeinsamenWohl fahrtseinrichtungen und gemeinnützigenZiele zu einem festen Zusammenschluss der

Hausbewohner, zueinem überaus harmo-nischen Zusammen-leben geführt, das inSommerfesten und an-deren gemeinschaft-lichen Vergnügungengipfelt.

Für diejenigen, diemit den Grundsätzendes Vereins nicht be-kannt sind, sei nochkurz bemerkt, dassauf die Wohnungennur die Mitglieder desVereins, deren Zahletwa 1200 beträgt,ein Anrecht haben.Jeder Mieter zahltausser dem Mietpreis,der je nach derGrosse und der Lageder Wohnungen von180 bis 350 M., beieinzelnen bevorzug-ten Wohnungen inder Sickingenstrasebis 500 M. steigt,wöchentlich 30 Pf.,bis eine Gesamt-summe von 300 M.erreicht ist, die auchsofort eingezahlt wer-

den kann. Durch diese Summe, die verzinstwird, wird er Miteigentümer des Hauses. Erkann aber auch vorher in seinem Mietrechtnicht verkümmert werden, solange er denBestimmungen seines Vertrags nachkommtund Mitglied des Vereins bleibt, also auchnicht gekündigt werden, während er dasRecht hat, seine Wohnung drei Monate vorAblauf des Vertrages in der üblichen Weise

B. A, W. II. 9. 42

Page 326: ARC Berlin 1900

3 2 2 Berliner Architekturwelt

Abbildung 428.

Katholische Ludwigskirche, erbaut von AUGUST MENKEN in Berlin.

kündigen zu können. Die Wohnungenwerden unter die Mitglieder verloost.

Nach dem Entwürfe Messeis ist von demBerliner Spar- und Bauverein noch eindrittes Arbeitermiethaus auf Westend, ander Ecke der Eschen- und Ulmen-Alleeerbaut worden, das sich aber von denbeiden besprochenen Wohnhausgruppen in

seiner Anlage von Grund aus unterscheidet.Da nach der Baupolizeiordnung für dieVororte von Berlin für Westend eine „land-hausmässige Bebauung" vorgeschrieben ist,war nur eine Bebauung von 4/IO der Gesamt-fläche und die Anlage von nur zwei vollausgebauten Geschossen gestattet. Um trotzdieser Beschränkung und trotz des hohen

Page 327: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwelt 323

Bodenpreises (350 M. für die Quadratruthe)noch eine Rentabilität, zumal bei niedrigenMietpreisen, zu ermöglichen, hat sich derArchitekt einige Bestimmungen der Bau-polizeiverordnung, nach denen das Dach-geschoss zur Hälfte, das Kellergeschoss zudrei Vierteln zu Wohnzwecken eingerichtetwerden kann, derart zu Nutze gemacht, dasser das Dachgeschoss in genügender Höheanlegte und das Kellergeschoss fast ganz ausdem Erdboden her-aushob. Dadurchwurden drei Wohn-geschosse gewon-nen, die zwei Lädenund zwanzig ausStube, Kammer undKüche bestehende

Wohnungen zueinem durchschnitt-lichen Mietpreisevon 260 M. ent-halten, von deneneine jede ihren ab-geschlossenen Flurund ihr eigenesKlosett besitzt. Beider Ausbildung derFassaden wurde

ebenfalls ein grossesGewicht auf eine

gefällige male-rische Wirkung imLandhauscharaktergelegt. Ein grosserGarten bildet einen besonderen Reiz dieserAnlage.

Im weiteren Verfolg seiner Bestrebungen,die sich, wie die bisherigen Erträge er-geben haben, auf einer durchaus sicherengeschäftlichen Grundlage bewegen, hat derBerliner Bau- und Sparverein inzwischenein grosses Terrain im Norden der Stadt,an der Stargarder- und Greifenhagener-Strasse, erworben, auf dem der Bau einerneuen Gruppe von Häusern nach demMesseischen Normaltypus, die wiederumetwa 125 Wohnungen enthalten werden, in

Abbildung; 429.

Grundriss zu Abbildung 428.

Angriff genommen worden ist. Man hofftden Bau so schnell fördern zu können, dassdie Wohnungen am 1. Oktober 1900 be-zogen werden können. Die drei bis jetztfertigen Anlagen des Vereins stellen einKapital von etwa i1/* Millionen Mark dar,das sich in Anbetracht der gemeinnützigenZwecke noch vorteilhaft genug verzinst.Bis jetzt hat die Jahresdividende auf dieAnteile der Genossenschaftsmitglieder

3T/2 Prozent betra-gen , während dieSpareinlagen derMitglieder sogar

mit 4 Prozent ver-zinst werden konn-ten.

Es muss hervor-gehoben werden,dass die erfolgrei-chen Bestrebungendes Vereins denBeifall aller politi-schen Parteien ge-funden haben.Selbstdie Sozialdemokra-tie hat sich, weildie Vorteile dieserWohnungen zu klaram Tage liegen, zu

stillschweigenderDuldung entschlos-sen, obwohl ihr da-durch eine Haupt-quelle ihres Zu-

flusses , die Unzufriedenheit mit der wirt-schaftlichen Lage, mit der Zeit verstopftwerden kann.

Nicht nur dass durch die Schaffung ge-sunder und geräumiger und doch billigerArbeiterwohnungen manches soziale Uebel— wir erinnern dabei auch an das in Berlinbesonders grassierende Schlafburschenun-wesen — gehoben werden kann, •— ein her-vorragender Rechtslehrer glaubt darin auchein wichtiges Mittel zur Eindämmung desVerbrechertums zu sehen, In der Vorlesungüber „ das Verbrechen als sozialpatholo-

Page 328: ARC Berlin 1900

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Page 329: ARC Berlin 1900

Berliner Arc/i iiekiurwelt 3*5

gischc Erscheinung", die der ausgezeichneteStrafrechtslehrer Professor von Liszt beiAntritt seines Lehramts an der BerlinerUniversität gehalten hat, hat er den Satzaufgestellt: „Ein Wohnungsgesetz, das denArbeitern ein erträgliches Heim verbürgtund ihnen einen schwachen Abglanz desFamilienlebens giebt, ist viel wirksamer zurBekämpfung der Kriminalität als ein DutzendStrafparagraphen." Damit wird ein neuer

Ausblick auf die Wichtigkeit der Arbeiter-wohnungsfrage eröffnet, die so gross er-scheint, dass Staatshilfe als nötig erachtetwird. Der Berliner Spar- und Bauvereinhat aber, freilich bisher nur in einem be-grenzten Kreise, den Beweis geliefert, dasseine Lösung der Frage auch auf dem Wegeder Selbsthilfe, auf genossenschaftlicherGrundlage, erreicht werden kann.

A. R.

ZU UNSEREN BILDERN.

ARCHITEKTUR.

Von den Neubauten, die dieses Heftvorführt, gehören zwei der grossenZahl von Kirchen an, die in denletzten Jahren in Berlin und seinen

Vororten errichtet worden sind. Da für diemeisten dieser Kirchen verhältnismässig ge-ringe Mittel zur Verfügung standen, sahensich die Architekten genötigt, mit demwohlfeilsten Material, dem Backstein, aus-zukommen, was jedoch auch die vielen er-wünschte Gelegenheit gab, an die heimischeBauweise anzuknüpfen. Einen echt märkischenCharakter trägt neben anderen auch diekatholische Ludwigskirche, die AUGUSTMENKEN 1S95—1897 auf einem von derTerraingesellschaft Wilmersdorf geschenk-ten, in diesem Vororte gelegenen Platzeerbaut hat, der seitdem den Namen„Ludwigskirchplatz" erhalten hat. (Abb. 428u. 429). Nach der Lage der Kirche aufdem sehr ungünstig zugeschnittenen Platzesah sich der Architekt genötigt, um einenwuchtigen monumentalen Eindruck zu ge-winnen und die Kirche zur Herrschaft überdie den Platz umgebenden vielstöckigenMiethäuser zu bringen, einen kräftigen Vie-rungsturm über der Masse der Kirche empor-steigen zu lassen. Während die Kirche sonstganz in Backstein ausgeführt ist, mussten dieden Turm tragenden Pfeiler in Anbetrachtseines schweren Gewichts in Sandstein her-

gestellt werden, und dadurch wurde derCharakter des Kircheninnern bestimmt.

Im besonderen halten sich die Stilformenan die um die Mitte des 13. Jahrhundertsin der Mark Brandenburg üblichen, undihnen ist auch der plastische Schmuck derKirche, namentlich die mit Laubwerk ge-schmückten, vom Bildhauer JUNKERSDORFgestalteten Kapitelle und die Figurenfürstlicher Heiligen auf den Vierungspfeilern,die nach den Modellen des Bildhauers FINK

von Zeyer und Drechsler ausgeführt wordensind, angepasst. Bemerkenswert sind auchdie Kunstschmiedearbeiten von GOLDE undRAEBEL, — Wie die Kirche jetzt dasteht,ist sie übrigens noch nicht ganz vollendet.Der Westgiebel bildet nur einen vorläufigenAbschluss, da das Schiff hier später umdrei Joche verlängert werden soll. Auchsoll die Kirche noch zwei kleine Türmeerhalten, — Die Baukosten der Kirche, diejetzt 2000 Besucher fassen kann, betrugen280 000 Mark. —

Von der Gemeinde Gross - Lichterfeldewar im Jahre 1896 ein Wettbewerb umden Bau einer auf der Dorfaue zu errich-tenden evangelischen Kirche veranstaltetworden, in welchem der Architekt FRITZ

GOTTLOB in Berlin den ersten Preis erhielt.Er wurde auch mit der Ausarbeitung desBauentwurfs und in der Folge mit derBauleitung beauftragt, und es gelang ihm,

Page 330: ARC Berlin 1900

3 2 6 Berliner Archifckturwctt

Abbildung" 432.

Wohnhaus Thurmstrasse 20, erbaut von PAUL HOPPE, Architekt in Berlin.

die Bauausführung, mit der im Frühjahr lieh im Mai 1900, wie festgesetzt worden1898 begonnen wurde, so rasch zu fördern, war, erfolgen kann. Gottlob hat nichtdass die etwa 900 Sitzplätze enthaltende nur die Entwürfe für die Architektur, son-Kirche bis auf die innere Ausstattung fast dem auch für die inneren Ausstattungs-fertig ist und die Einweihung voraussieht- stücke (Orgel, Kanzel, Altar, Gestühl, Be-

Page 331: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturweit 32/

leuchtungsgegenstände, schmiedeeiserne undHolzthüren, Altardecke, Chorteppich u.dgl. m.) angefertigt (Abb. 437--441).

Bei der Ausbildung der Architektur warer von dem Gedanken geleitet worden, dieganze Kirche, soweit es die Anforderungenunserer Zeit gestatteten, im Sinne der alten,mit einfachen

4 33-Mittein arbeiten-den norddeut-

vSchen Backstein-gotik zu gestal-ten. Unter Ver-zicht auf Glasur-ziegel verwen-dete er zur Be-lebung der Flä-chen lediglich

Putzblenden.Auch das Dachist einfarbig mitBiberschwänzenals Kronendacheingedeckt. Fürdun Sockel sindgesprengte, ham-merrecht bear-beitete, verschie-denfarbige Gra-nitfindlinge undfür die FlächenHandstrichsteinemittelalterlichenFormates (28 rAx 13 '/2 x 9 cm)verwendet wor-

den. Die Fugen

Abbilduns

ruhig teppichartig. Der Dachverband, inden die Gewölbe bis zu seiner halbenHöhe hineinragen, ist bis auf die Eisen-konstruktion über der Vierung aus Holzhergestellt. Der Entwurf dazu und dieganze statische Berechnung rühren vomIngenieur O. LEITHOLF in Berlin her, wäh-rend der Turmhelm nach der Werkzeich-nung des Architekten verbunden wurde.

Der Grundriss, der sich eng der sehrschmalen Baustelle anschmiegen musstc,zeigt ein 12 m im Lichten breites Mittel-

schiff, zweiAbbildung" 434.

Grundrfsse zusind T 5 mm stark.Die Steine sind nicht ängstlich sortiert,sondern sie zeigen reichliche Farbenunter-schiede, so dass weder der Sockel nochdas aufgehende Mauerwerk jene „moderneGeleckthcit" zeigt, die nicht selten beikirchlichen Neubauten mittelalterlichen Stilsunangenehm wirkt und die Illusion voll-kommen stört. Der Flächenverband, der

jeder Schicht abwechselnd je einen

schmale, mitSpitzbogenton-

nen überwölbteSeiten- nnd zwei

Kreuzschiffe.Nach den Em-poren führen

zwei gradlinigeTreppen, unterderen Podestenein Kloset, zweiStuhl kaminern

und ein Zugangnach dem unterdem Chor gele-genen Heizkellerangeordnet sind.Vor der heizbargemachtenTurm-halle ist einegedeckte Unter-fahrt angelegt

worden, die: beiTrauungen undähnlichen Anläs-

Die Kirche ist

in

Läufer und einen Strecker zeigt, wirkt

Abbildung 432.

sen willkommen sein wird,einschließlich des Treppenhauses, der Sa-kristei u. s. w. mit echten Gewölben versehenworden; für die Rippengewölbc wurden 9cmstarke Wölbsteine hergestellt, die in- eng-sten Verband mit den Gewölberippen, durchdie sie hindurch binden, gebracht werdenkonnten. Die Emporensäulen und die Unter-bauten für Taufstein, Altar und Kanzel sindin allen Teilen aus Backstein hergestellt.

Page 332: ARC Berlin 1900

Abbildung

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Page 333: ARC Berlin 1900

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Page 334: ARC Berlin 1900

Berliner Arch ilekturiveU 329

Abbildung- 436.

Entwurf zu einem Bärenzwinger von FRITZ GOTTLOB, Architekt in Berlin. <$*>*£#"Bei ihrer Einweihung wird die Kirche

vollständig1 mit farbigen, figürlichen undornamentalen Fenstern versehen, überhauptin allen Teilen fertig sein, wozu die reichenStiftungen wesentlich beitrugen. wSo stiftetedie Kaiserin, die hohe Protektorin derKirche, die grosse, 4,75 Meter im Durch-messer haltende, die Himmelfahrt Christidarstellende Fensterrose des Chors, derGemeindevorstand und die Loge je einMittelfenster der Kreuzschifffenstergruppe,die Gemeindekirchenvertretung die Kanzelu. s. w. — Im Chor ist das Leben Christiin vier Hauptmomenten — Geburt, Kreuzi-gung, Grablegung, Auferstehung undHimmelfahrt — dargestellt; den Schlussbildet die Darstellung des in den Wolkenthronenden, segnenden Heilands im Scheiteldes Triumphbogens.

Von den an der Ausführung beteiligtenFirmen und einzelnen Künstlern sind beson-ders zu nennen Maurer- und ZimmermeisterASSMANN, Tischlermeister STÄHR und Kunst-schmiede BECHLER -& :

PASCHE in Gross-

Lichterfelde, Hofsteinmetzmeister METZINGin Berlin, Bildhauer CARL HAUER (Modellefür ornamentierte Formziegel) in Berlin,Glasmaler JOSEF SCHERER in Wilmersdorfund Bildhauer SEELIG (Kanzel) in Berlin.Die Form- und Verblendsteine hat das Ver-blendsteinwerk von LouiS GJEN in Ludwigs-hof-Bohne bei Rathenow geliefert. Die Bau-kosten werden etwa 240 000 Mark betragen.

Aus den Bestrebungen des Architekten,das Interesse an der alten norddeutschenBacksteingotik wieder zu beleben, ist aucheine Reihe phantasievoller Entwürfe hervor-gegangen , von denen unsere Abbildun-gen 442 bis 445 einige charakteristischeProben bieten. Im Vorworte zu seinem, inden Jahren 1896 bis 1899 entstandenenWerke „Formenlehre der norddeutschenBacksteingotik" sagt Gottlob von dieserBauweise, die wegen ihrer konstruktivenFolgerichtigkeit auch dem Laien durchausverständlich ist, dass sie zwar „durch jahr-hundertelange Uebung bereits zu hoherVollendung gelangt, trotzdem sehr wohl

B. A W. II. 9. 41

Page 335: ARC Berlin 1900

oW Berliner ArckilekturweltAbbildung 437.

noch ent wickelungs-fähig1 (t sei. In welcherRichtung sich dieseEntwickelung etwa

bewegen könnte , sol-len seine im grossenStile erdachten unddurchgeführten Kom-positionen veranschau-lichen, die keinen be-stimmten baulichenZweck verfolgen, son-dern aus reiner Be-geisterung für unsereschöne norddeutscheBaukunst des Mittel-alters entstanden sind.

Dass dieser Stilauch ganz modernenBedürfnissen ohne

Zwang angepasst wer-den kann, beweist derEntwurf des Architek-ten für einen Bären-zwinger im zoologi-schen Garten zu Ber-lin (Abb. 436). Infolgeeiner beabsichtigtenUmänderung und Er-weiterung des Bau-programms wird derEntwurf jedoch nichtin dieser Gestalt zurAusführung gelangen,sondern mehrfache

Veränderungen erfah-ren. —

Eür die künstleri-sche Gestaltung desPlatzes Z an der West-grenze Schönebergshatte die Besitzerindes Terrains, die Ber-liner Bodengesell-

schaft einen Wett-bewerb ausgeschrie-ben, über dessen Er-gebnis wir im ersten

Evangelische Kirche für die Dorfaue in Gross-Lichterfelde,erbaut von FRITZ GOTTLOB, Architekt in Berlin.

Page 336: ARC Berlin 1900

Berliner Architektunoclt 33*

Abbildung 439.

Abbildung 438. Abbildung 440.

ÖuttlftllliftHHlSoäL^toyr* jKiVLraiBrtfnuJjrtrtlJicfVü

Abbildung" 441.

Abbildung 438—441. Schnitte und Grundrisse zu Abbildung 437.FRITZ GOTTLOB, Architekt in Berlin.

Page 337: ARC Berlin 1900

Abbildung 442.

Abbildung 443.

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Abbildung; 442 —

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Backsteingotik

von FRI.TZ

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in Berlin.

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Page 338: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturwell 333

Abbildung1 444.

Entwurf zu einer Brücke von FRITZ GOTTLOB, Architekt in Berlin.

Jahrgänge unserer Zeltschrift S. 425—431eingehend berichtet haben. Danach warder mit dem ersten Preis gekrönte Entwurfdes Königl. Garteninspektors ENCKE inWildpark bei Potsdam zur Ausführungbestimmt worden. Die gärtnerische Anlageist im Laufe des Frühjahrs erfolgt, und wäh-rend des Sommers sind auch die beidenHauwerke, die den Platz an der West- undOstseite schmücken sollten, in Sandsteinausgeführt worden: an der Westseite einein einfachen Formen gehaltene Pergola, ander Ostseite eine halbrunde Bank, derenvSeitenteile durch wasserspeiende Löwen-köpfe durchbrochen sind. Unsere Abbil-dung 435 giebt ein Schaubild des Platzes,der jetzt dem Verkehr übergeben wordenist und den Namen „Viktoria Luise-Platz"

erhalten hat. Im Hintergrunde ist der Turmder Ludwigskirche (Abb. 428) sichtbar.

MALEREI.An die Stelle des im April 1898 ver-

storbenen Professors Otto Knillc als Vor-steher eines der mit der Kgl. Akademieverbundenen,Meisterateliers für Malerei istEnde vorigen Jahres Professor ARTHUR

KAMPF aus Düsseldorf berufen worden, derin diesem Frühling- sein Amt angetretenhat. Kampf, der bereits seit einigen Jahrenan der Düsseldorfer Akademie eine erfolg-reiche Lehrthätigkeit als Leiter einer,Mal-klasse geübt hat, ist in Berlin kein FremdenVon Berlin aus, durch die Jubiläums-Aus-stellung des Jahres 1886, ist sein Nameerst in weitere Kreise gedrungen. Damals

Page 339: ARC Berlin 1900

334 Berliner Architektlirwelt

3

.__::. J

Page 340: ARC Berlin 1900

Berliner Archifekturwelt 335

erregte ein Bild des erst zweiundzwanzig-jährigen Künstlers, „die letzte Aussage",das in lehcnsgrossen Figuren die Ver-nehmung eines im Wirtshausstreit totlichverwundeten Arbeiters durch einen Poli-zisten schildert, sowohl durch die Wahldes Motivs wie durch die ungewöhnlicheKühnheit einer naturalistischen, von un-erschrockener Wahrheitsliebe erfüllten Dar-stellungsweise lebhaftes Aufsehen. Seitdemhat Kampf fleissig dafür gesorgt, dass seinName nicht in Vergessenheit geriet. Fastjedes [ahr erschien auf der Berliner Aus-stellung im Glaspalast oder in den privatenKunstsalons ein grösseres Werk von seinerHand, und eines der grössten, eine Episodeaus dem Befreiungskriege: Professor Steffensbegeistert zur Volkserhebung im Jahre 1S13zu Breslau, ist auch in Berlin, in der National-galerie, geblieben. Eine Zeit lang schien es,als hätte sich Kampf ausschliesslich derGeschichtsmalerei gewidmet, namentlich Dar-stellungen aus dem Leben und den KriegenFriedrichs des Grossen und aus der Franzosen-zeit 1812 bis 1813. Seit etwa sechs Jahrenist er aber auch wieder mit Schilderungenaus dem modernen Volksleben hervorge-treten, namentlich aus dem harten Schaffender Fabrikarbeiter und Landleute, und wieauf jenen Geschichtsbildern hat er auch indiesen Darstellungen Energie und Tiefe derCharakteristik mit grösster Wahrheit undLebendigkeit der Schilderung und bedeu-tender koloristischer Kraft gepaart, die,meist auf eine ernste Tonart gestimmt, allemalerischen Ausdrucksmittel, Oel- und Tem-peramalerei, Aquarell, Pastell, Radierungund Lithographie, mit voller Sicherheit be-herrscht. In diesen Schilderungen ist Kampfin seiner Wahrheitsliebe auch an demGrauenhaften, Abstossenden und Häss-lichen nicht vorübergegangen; aber derkünstlerische Ernst, der aus ihnen sprach,erzwang auch für solche Schöpfungen dieAnerkennung derer, die sich in ihrenästhetischen Empfindungen verletzt fühlten.Immer war auch die ausserordentliche Ge-wissenhaftigkeit der zeichnerischen und

malerischen Durchführung zu bewundern.Dass ein Künstler von solcher Vielseitig-keit, von so gründlicher technischer Bildungund so ernstem Streben der richtige Mannist, um in der hervorragenden Stellung desVorstehers eines Meisterateliers anregendund durch eigenes Schaffen fördernd aufdie der Hochschule entwachsenen Kunst-jünger zu wirken, bedarf nach den bisherigenkünstlerischen Leistungen Kampfs keinerweiteren Begründung, Nichtsdestowenigerhat sich der Künstler veranlagst gesehen,in einer Sammelausstellung, die im Oktoberbei Keller und Reiner stattgefunden hat,dem Berliner Publikum einen Ueberblicküber den Umfang seines Könnens und dieArt seiner Studien zu geben. Zu diesemGesamtbilde hatte er 26 Arbeiten ver-einigt, überwiegend Naturstudien, Skizzenund Blei- und Rotstiftzeichnungen, in denener von der ausserordentlichen Schärfe undFeinheit seiner Zeichnung und der Kraftseiner Modellierung ein glänzendes Zeugnisablegte (Abb. 446 u. 447)- Von ausgeführtenBildern waren nur zwei vorhanden: „Sonn-tag Nachmittag11, eine ländliche Idylle miteinem greisen, die Feien agsruhe geniessen-den Paar, dem ein an einem Baum lehnen-der Knabe etwas auf der Ziehharmonikavorspielt, und eine feine, in Pastell aus-geführte Beleuchtungsstudie, ein Blick in eineTheaterloge mit ihren eleganten Insassen.Wie die meisten modernen Maler geht auchKampf mit Vorliebe allen Wirkungen desnatürlichen und künstlichen Lichts nach, undeine ausserordentlich geschmeidige Technikermöglicht ihm auch, selbst die schwierig-sten Lichtprobleme koloristisch zu bewäl-tigen. Eine als Grisaille ausgeführte An-sicht aus einem Walzwerk mit Arbeiternbei dem Mittagsmahl (Abb. 44S) giebt eineProbe davon.

Arthur Kampf ist am 28. September 1864in Aachen geboren worden, steht also erstim 36. Lebensjahre. Er hat seine Studienauf der Akademie in Düsseldorf gemacht,wo besonders E. von Gebhardt und PeterJanssen seine Lehrer waren.

Page 341: ARC Berlin 1900

336 Berliner Architekturwelt

Abbildung 446.

Drei Studienköpie. Von A. KAMPF in Berlin.

In scharfem Gegensatz zu diesem realisti-schen Schilderer modernen Lebens stehtWilhem MÜLLER-ScHÖNEFELD, der zugleichmit Kampf ebenfalls eine Sammelausstellungbei Keller und Reiner veranstaltet hatte.Eine poetisch veranlagte Natur, hat er sicheine ideale Welt geschaffen, ein Land derTräume, in dem im Gegensatz zu unserem„Land der Leiden'1 ewiger Frühling herrschtund die Menschen ein Dasein voll heitererGlückseligkeit führen. Seine poetischeNeigung versteigt sich aber niemals zummaasslos Phantastischen. Seine Landschaftensind nach gründlichen Naturstudien, nament-lich in südlichen Gegenden, komponiert, unddie Figuren, die sich im Stande paradiesicherUnschuld in dieser Landschaft bewegen,lassen erkennen, dass der Künstler sichauch eifrig mit dem Studium des mensch-lichen Körpers befasst hat, den er mit ge-läutertem Schönheitsgefühl in harmonischenEinklang mit seinen landschaftlichen Ge-bilden zu bringen weiss. Wilhelm Müller,

der das Unterscheidungsmerkmal seinesNamens von seinem Geburtsort Schönefeldbei Leipzig angenommen hat, ist am2. Februar 1865 geboren worden. Er hattebereits die Lithographie erlernt, ehe er sich1885 auf der Berliner Hochschule derMalerei widmen konnte. Nach neunjährigenStudien erhielt er für ein durch poetischeAuffassung und zarte koloristische Behand-lung ausgezeichnetes Bild „Frühling11 —ein junges nacktes Paar im Vordergrundeeiner mit Baumgruppen bestandenen Wiesen-landschaft ™ das auch auf der grossenKunstausstellung des Jahres 1895 erschien,den grossen Staatspreis, der ihm einen ein-jährigen Aufenthalt in Rom ermöglichte.Nachdem er noch zwei Jahre auf Stadien-reisen in Italien und in Paris zugebracht,kehrte er wieder nach Berlin zurück. Waser in diesen Studienjahren und seitdemin Berlin geschaffen, hatte er zum grösse-ren Teil in jener SammelaussteUung zusam-mengefasst.

Page 342: ARC Berlin 1900

Berliner Architekturweit 337

Um ein grosses Triptychon, dasden gottbegeisterten Sänger Or-pheus in seiner Gewalt überGötter, Menschen und Tiere dar-stellt — selbst die jagdfrohenNymphen der Artemis werdendurch den Zauber des Saiten-spiels herbeigelockt (Abb. 449)— war eine Reihe von Idealland-schaften südlichen Charaktersgruppiert, die mit Figuren be-lebt sind, die gewissermassen dieStimmung deuten sollen.

Dass Müller-Schönefeld abernicht ausschliesslich in jeneridealen Welt lebt, die er sichmit starker poetischer Kraft selbstgeschaffen, bewiesen einige zu-gleich ausgestellte Damenbild-nissc, von denen unsere Abbil-dung 450 eines wiedergiebt. Der

Abbildung; 447.

Abbildung 448.

Sitzender weiblicher Akt. Von A. KAMPF in Berlin.

Wakwerk. Von A. KAMPF in Berlin.

Künstler, den wir auf seinem Orpheus-bilde als einen begeisterten Schildererder antiken Welt kennen gelernt haben,zeigt sich auf diesem Bildniss von einerganz anderen Seite. In der koloristischenBehandlung, in der Anordnung, in derSicherheit, mit der er den raffinierten Reizeiner Damenrobe von der neuesten Modebemeistert, kann er sich getrost mit denvorgeschrittensten unter den Vertreternder modernen Richtung messen. Er hul-digt auch der modernen Lehre, dass dasBild nicht bei dem Rahmen aufhören darf,sondern dass der Rahmen erst das Kunst-werk vervollständigt und abrundet. Erdarf sich aber nicht protzig vordrängen,sondern er muss sich dem Bilde bescheidenunterordnen: diese Absicht ist sowohl indem Rahmen, der das Triptychon um-schliesst, wie in dem Rahmen des Damen-bildnisses zum Ausdruck gelangt. Letzte-ren hat nach eigenem Entwurf der Bild-hauer OTTO STICHLING ausgeführt, derin diesem Hefte auch mit zwei eigenarti-gen Schränken vertreten ist, bei deren

ß. A w. [i 9. 44

Page 343: ARC Berlin 1900

33§ Berliner Archilekturwelt

Komposition und Ornamentik er gotischeFormen mit Geschick und Geschmack mo-dernen Bedürfnissen angepasst hat. Dereine Schrank (Abb. 451) soll zur Aufbe-wahrung von Gläsern, Tassen und Tellerndienen, der andere (Abb. 452) für Parfümund Seifen,

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PLASTIK,Den von der Berliner Kunstakademie

ausgeschriebenen Michael Beer-Preis, der,auf ein Jahr bemessen, zu einem acht-monatigen Aufenthalt in Rom verpflichtet,hat in diesem Jahre der ungarische Bild-hauer ALEXANDER JARAY davongetragen.

Das Werk, dem er dieseAuszeichnung verdankt,

geht weit über die Ar-beiten hinaus, die gewöhn-lich zu solchen Wettbewer-ben eingereicht werden.„Die Nachtwandlerin", einjunges Mädchen, das traum-verloren seinen Weg durchdas Dunkel und die Fähr-nisse der Nacht sucht (Abb.453), ist vielmehr das Werkeines in ernster Arbeit ge-reiften Künstlers. In allenEinzelheiten zeigt sich eingründliches Studium derKörperform, und mit feinemNachempfinden ist das

schlummernde, willenloseZ. Seelenleben der Träumen-£ den in dem Antlitz zum\ Widerschein gebracht. Jaray; ist 1870 in Temesvar ge-

boren. Er machte in Wiendie Akademie durch, beson-ders unter der Leitung desProfessors Helmcr, und be-suchte dann die Meister-schule des Professors vonZumbusch. Vor drei Jahrenkam er nach Berlin, wo ernach unablässigen fleissigenStudien den ersten verdien-ten Erfolg errungen hat.

Auf der diesjährigengrossen Kunstausstellung istdie Aufmerksamkeit derFreunde germanischer Sa-gen durch ein kleines Bild-werk erregt worden, dasin eigenartiger Verbindung

'-*

Page 344: ARC Berlin 1900

Berliner Jlrchitektitrwelt 339

von halberhabener Arbeit und Flachrelief demselben Kreise ist auch der Entwurf zudie Katastrophe des Nibelungenliedes, die einem Monumentalbrunnen „Gotterdämme-Rache Krimhildcs an den Burgunclen mit rungu erwachsen, an dem der begabtedem triumphirenden Tode in der Mitte und Autodidakt zwei Jahre gearbeitet hat.den Gestalten Hagens und Volkers im Hoffentlich gelingt es seinem ernsten Stre-Vordergruncle darstellte (Abb. 454). Der Ka- ben, sich aus den engen Verhältnissen seinestalog nannte als den Ur-heber des figurenreichen,mit peinlichstem Fleissedurchgeführten Bild-

werks PAUL MATZDORF

in Cöthen in der Mark.Als wTir, durch die ori-ginelle Komposition unddurch die selbständigeAuffassung des Motivsüberrascht, eine Repro-duktion des Werkes be-schlossen , erfuhren wirzu unserem Erstaunen,dass sein Schöpfer eineinfacher Dorfschullehrerist, der niemals Zeichen-oder Modellierunterrichterhalten hat, sondern das,was er erreicht hat, nurder eindringenden Beob-achtung der Natur ver-dankt. Obwohl sich schonin dem Knaben derKunsttrieb mächtig regte,musste er, da seine El-tern mittellos waren, denLehrerberuf erwählen.

Als er dann nach Absol-vierung des Seminars einLehramt erhalten, er-

Abbildung- 450. jetzigen Wirkungskreisesherausbringen und seinTalent unter günstigerenBedingungen des Lebensund Schaffens zur Reifezu bringen! A, R.

CHRONIKAUS ALLENLÄNDERN.

# Vo n dem Verein- surErhaltung der -Kunsidenk-mä/er Hildeskeims ist dasvon uns bereits erwähnte Preis-ausschreiben zur Erlangungvon Bauzeichnungen für Neu-bauten nunmehr erlassen wor-den. Das Preisausschreibenist durch eine Vorschrift desMagistrats veranlasst worden,nach welcher, vorbehaltlichbestimmter Ausnahmen, in denälteren Theilen der Stadt dievon der Strasse aus sichtbarenBauteile neu zu errichtenderBauwerke in Bauformen zurAusführung zu bringen sind,welche sich an die bis gegenMitte des 17. Jahrhunderts inDeutschland ?ur Verbreitung"gelangten Bauformen an-

Portrait der Frau St.Warb er sich durch Von MÜLLER-SCHOENEFELD in Charlottenburg. schliessen, und ausserdem die

schriftstellerische Arbei - Rahmen entworfen und ausgeführt neuen Hauwerke möglichst

ten die Mittel zum Stu-von OTTO STICHLING, Bildhauer in Berlin. dem Gepräge der näheren

Umgebung, namentlich derdhnn anatomischer und kunstgeschichtlicher e t w a ;n der Nähe befindlichen maassgebenden grösse-Werke. Aber erst nach zehnjährigem liar- ren Gebäude, anzupassen sind. Um namentlich auchten Ringen kam er soweit vorwärts, dasser es wagen konnte, mit einem ersten

den kleineren Bauunternehmern die Anwendung dieserneuen Vorschrift zu erleichtern, beabsichtigt derVerein, Zeichnungen von Vorderansichten von Häusern

plastischen Versuch in die Oeffentlichkeit a U e r ^ ( W o h n h ä u s e r . Geschäftshäuser mit und ohneZU treten. Seine Begeisterung für die ger- Läden, Nebengebäude), von Thorwegen, Einfriedi-manische Mythe hat ihn ZU einem Stoff gungen, Schildern u. s. w, herauszugeben, welche denaus der Nibelungensage geführt,., und aus *euen Vorschriften und dem Charakter der älteren

Page 345: ARC Berlin 1900

34° Berliner Architekturwelt

Stadt entsprechen und als Vorbilder für

richtende Bauwerke dienen können, Um

eignete Vorlagen zu gewinnen, schreibt

einen Wettbewerb für deutsche Künstler

Künstler hat 20 Ent-

wurfzeichnungen der

gedachten Art ein-

zureichen , welche

sich zur Aufnahme

in jenes Sammelwerk

und zur Benutzung

für darnach anzu-

fertigende Bauzeich-

nungen eignen. Die

Einreichung" hat bis

zum 15. April 1900

bei dem Stadtbau-

amte zu Hildesheim

zu geschehen, Es

sind drei Preise von

1500 Mk., 1000 Mk.

und 600 Mk. aus-

gesetzt. Die preis-

gekrönten je 20

Zeichnungen gehen

in freies Eigentum

des Vereins über

und können von ihm

einzeln oder in ihrer

Gesamtheit verviel-

fältigt, sowie von

jedermann frei zum

Zwecke von Bauaus-

führungen , welche

für Hildesheim be-

stimmt sind, benutzt

werden. Auch steht

dem Verein das Recht

zu, jede andere ein-

gelieferte Zeichnung

für je 30 Mk. anzu-

kaufen und damit be-

treffs ihrer die glei-

chen Rechte zu er-

werben, Uebrigens

bleibt es den Ur-

neu zu er- hebern unbenommen, auch ihrerseits die von dem

hierfür gc- Verein erworbenen Zeichnungen zu vervielfältigen

der Verein oder sonstigen Gebrauch davon zu machen. Das

aus, Jeder Preisrichteramt haben übernommen die Herren Pro-

fessor HEHL in Ber-

Abbildung 451. lin, Professor MüHR-

MANN in Hannover,

Stadtbaumeister

SCHWARTZ in Hil-

deshcim, Oberbür-

germeister STIiUCK-

MANN in Hildesheim.

Die näheren Bedin-

gungen, welche bei

der Einlieferung' der

Zeichnungen unter-

schrieben zurückzu-

geben sind, sowie

der Wortlaut der

maassgebenden Bau-

vorschriften können

vom Stadtbauamte in

Hildesheim bezogen

werden.

cf Eine „ Freie

Vereinigung der

Graphiker", der

Vertreter der gra-

phischen Kunst, ist

in Berlin begründet

worden. Die Ver-

einigung, deren Vor-

stand aus dem Kup-

ferstecher Prof. Hans

Meyer als Vorsitzen-

dem und dem Kupfer-

stecher Johannes

Plato als Schriftfüh-

rer besteht, zählt be-

reits 25 Mitglieder.

^ Professor LUD-

WIG MANZEL ist auf

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Geschirrschrank. Entwurf von OTTO STICHUNG, Bildhauer in Berlin.

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Berliner Architektur-weit 34*

Grund eines engeren Wettbewerbs mit der Ausfüh-rung- eines Reiterdenkmals Kaiser Wilhelms I. fürBernburg betraut worden.

• • : - . * * *

~; Die erste Ausstellung der Berliner Sezessionhat einen Reinertrag- von 33000 Mk. ergeben.

*\ Ueber das deutsche Haus auf der Pariser Welt-

ausstellung ^ das in der Reihe derRepräsentationsgebäude der Staatenam Quai d'Orsay zwischen der Alma,und der Invalidenbrücke errichtetworden ist, macht der Erbauer, Post-bauinspektor RADKE, im „Central-blatt der Bauverwaltung" jetzt nähereMitteilungen, denen wir das folgendeentnehmen. Der zur Verfügung- ge-stellte Platz hat eine Breite von 25 mund eine Tiefe von 28 m. Auf seinerOstseite befindet sich eine 15 mbreite Strasse, auf deren andererSeite Norwegen sein Gebäude er-richtet; auf der Westseite dagegen,wo sich das spanische Haus befindet,iät die Strasse nur 10 m breit. DieNordseite ist der Seine zugekehrt.Auf der Mittelpromenade des Quaid'Orsay endlich steht das finnlän-dische Gebäude, etwa 12 m von derSüdfront des deutschenHauses entfernt. DerBoden ist ziemlichschlecht; manche derDuclou-Pfeiler musstenbis auf 8 m Tiefe hinab-geführt werden. DieOertlichkeit war für dieStaatenbauten, die auidiesem Teile errichtetwerden mussten, diedenkbar ungünstigste.

Das G ebäud e wirdin seinem wesentlichenTeile aus Holz errichtet,und das hölzerne Ge-rippe ist aussen undinnen mit Drahtgipsputzbekleidet. Die Decken werden ebenfalls in Draht-gipsputz hergestellt. Der Fussboden besteht zumgrössten Teil aus Holz und erhält Linoleumbelag.Die nördliche Vorhalle mit dem dahinter liegendengrossen Räume, ebenso die Südvorhalle und dieneben ihr liegenden kleineren Räume haben gewöhn-liche Decken. Das Treppenhaus ist mit einer grossenTonne überdeckt, die übrigen Räume haben glatteVoutendecken erhalten. Der Empfangssaal, die Zim-

Abbildung A$~-

Zierschränkchen,Entwurf von OTTO STICHLI.NG, Bildhauer in Berlin.

mer des Reichskommissars und seines Stellvertreterssowie das kleine Vorzimmer werden nach Vorbildernaus Sanssouci und dem Stadtscbloss in Potsdam aus-gestattet. Zur Herstellung: der Decken dient ange-tragener Stuck. Die Dächer sind mit Ziegeln vonZinstag aus Kareth bei Regensburg, die Türme mitKupfer gedeckt. Die Gründung des Gebäudes istauf Pfählen erfolgt.

Die Fronten sollen farbigen Schmuck in HerzschenMineralfarben erhalten, der dem MalerBöhland in Schöneberg bei Berlinübertragen ist. Das Treppenhauswird durch ein von Lüthi in Frank-furt a. M. ausgestelltes grosses Fen-ster erhellt werden. Die Treppefertigt die Aktiengesellschaft Kiefers -fclde in zweifarbigem Marmor, ebensoden Fussbodenbelag im Treppen-hause.

Die Ausführung des ganzen Ge-bäudes ist in Gesamtunternehmungan die Firma Philipp Holzmann &Co. in Frankfurt a. M. übertragen,und diese, vertreten durch den Inge-nieur Herkner in Paris, lässt ihrer-seits den 68 m hohen, in Eisen her-gestellten Turm durch die FirmaBrettschneider & Krügner in Pankowbei Berlin, die Modellierarbeitendurch die Firma Zeycr & Drechsler,

die Dachdeckerarbeitendurc i die Firma Meyerin Berlin und dieKlempnerarbeiten durchdie Firma Hess inFrankfurt a. M. aus-führen.

Das Gebäude, das dieStilformen der deut-schen Renaissance inreicher Ausbildung

zeigt, ist ziemlich engeingebaut und tritt in-folgedessen nicht so indie Erscheinung, wieman gehofft hatte; nurder Turm ist von allenSeiten sichtbar und

rechtfertigt damit seine mehrfach angezweifelte Zweck-mässigkeit.

Der grösste Teil der Räume in den beiden Ober-geschossen des Gebäudes ist dem deutschen Buch-gewerbe, der photographischen Ausstellung und derAusstellung der Centralstelle für Arbeiterwohlfahrts-einrichtungen zugewiesen "worden.

Im untersten Geschosse befindet sich die Ausstel-lung der deutschen Weinprodu/.enten, und im Anschluss

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342 Berliner Archiiekturwelt

Abbildung 453

Die Nachtwandlerin.Von ALEXANDER JARAY, Bildhauer in Berlin.

daran wird ein Restaurant eingerichtet werden, dessenBetrieb der Besitzer des Palasthotels in Berlin Konsübernommen hat. Die architektonische Ausgestaltungbeider erfolgt auf Veranlassung des Erbauers durchden Architekten BRUNO MÖHRING in Berlin. DieCentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen hatdie Ausstattung ihrer Räume, die Anordnung ihrerAusstellung- u. s. w., ebenfalls auf den Vorschlag desErbauers, dein Architekten BERNHARD SCHADE inBerlin übertragen.

* . - * • - . , • -

* •

• In dem Wettbewerb um einen Entwurf jürdas König- Albert- Museum in Chemnitz, zu dem 45Entwürfe eingegangen waren, erhielten den erstenPreis FRITZ HESSEMHR und JüH, SCHMIDT in Mün-

chen, den zweiten Preis F. BERGER in Stettin, zweidritte Preise MAX LINDEMANN in Dresden und HEIN-RICH BEHRENS in Bremen.

X Ein Wettbewerb zur Erlangung von Plänen suWohnungen für osipreussische ländliche Arbeiter ist

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Berliner Archüekturwelt 343

unter den preussischen Staatsangehörigen mit Terminzum 10. Juni 1900 ausgeschrieben worden. Es sinddrei Preise von 500, 400 und 300 Mk. ausgesetzt.Unter den fünf Preisrichtern befindet sich nur einTechniker, der Stadtbauinspektor PAPENDtKK inKönigsberg. Die Unterlagen sind kostenlos von derLandwirtschaftskammer für die Provinz. Ostpreussen

in Königsberg,

Lange Reihe 3,beziehen.

Abbildung 454

•X- In scharfe Formgeprägte, für denDruck bestimmte

Aeusserungen vonbildenden Künstlern,

insbesondere vonArchitekten über

ihre Kunst dringenverhältnismässig sel-ten in die Oeffent-lichkeit. Es liegt inder Natur des künst-lerischen Schaffens,dass sich der Künst-ler nur selten' be-wegen lässt, vondem zu reden, wasseine Seele erfülltund bewegt, odergar durch den Aus-druck seiner Ueber-zeugung in den Streitder Meinungen ein-zugreifen. Um sowillkommener wer-den unseren Leserneinige solcher Mei-nungsäusserungen

und Urteile sein, diewir einem kürzlichim Verlage von }. j .Weber in Leipzig un-ter dcmTitel,, Das gol-dene Buch des deut-schen Volkes an der Jahrhundertwende« erschienenenPrachtwerk entnehmen, das sich die Aufgabe gestellthat, in Wort und Bild gleichsam die Quintessenz derErrungenschaften deutscher Kultur zu bieten, die dasscheidende neunzehnte Jahrhundert dem zwanzigstenvererbt. Zunächst lässt sich Oberbaudirektor Dr. DURMüber das Wesen und die Aufgaben seiner Kunst infolgenden Sätzen aus: „Ein fieberhaftes Suchen nachAuffallendem und Neuem in der bildenden Kunst be-herrscht zur Zeit die Geister, und doch war allesschon einmal! Joder will Schule machen, und die

Der Nibelungen Not.Von PAUL MATZDORF in Cöthen (Mark).

Grosse Berliner Kunst-Ausstellung1 von 1899.

Vertreter wie die Anhänger der einen lassen die deranderen nicht gelten und begegnen einander mitschlecht verhehlter Geringschätzung. Dabei will jederwahr sein und aus dem Innern oder dem Bedürfnisheraus schaffen, wobei der eine antiquarischen Lieb-habereien oder Spielereien nachgeht und dabei dasvergisst oder ignoriert, was der moderne Mensch als

eine Errungenschaftunserer Zeit in derArt %VL leben betrach-tet, der andere einembunten Eklektizis-mus huldigt oder

die Nachahmungmodernster anglo-

amerikanischerKunstweise für

deutsch-national er-klärt! Zeitungsloboder Fürstengunstsollen der Richtungden Erfolg bei derMenge sichern, wo-bei die Worte Mark

Aureis vergessenwerden, „dass dasLob einen Gegen-stand weder schlech-ter noch besser

macht. Alles Schöne,von welcher Art esauch sein mag, istan und für sichschön, es ist in sichselbst vollendet, unddas Lob bildet kei-nen Bestandteil sei-nes Wesens." DieKunst ist nach GrafTolstoi jene mensch-liche Thätigkeit,

durch welche einMensch kraft seineseigenartigen Kön-nens seine Gefühleanderen überträgt

und sie zwingt, sie mit ihm zu fühlen — alles beruhtauf Suggestion.11

Was Durm nur beiläufig berührt, hat Professor C,WALTHER in Nürnberg in eine bestimmte Form ge-fasst. „Ich wollte, schreibt er, jedes Volk bewahrteseine nationale Eigenart in der Kunst "wie in derSprache. Für mich ist jedes Volapük ungeniessbar,gleichviel ob es für die sprachliche oder für diekünstlerische Ausdrucksweise zusammengestellt ist.u

Als einen entschiedenen Vertreter der modernen,von der Ueberlieferung sich lossagenden Richtung

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344 Berliner Archiiekturwclt

Abbildung: 455.

Gewölbedecke. Von GEBR. DRABIG, Dekorationsmaler in Berlin,

Abbildung 456.

Decke einer Diele. Von GKBR. DRAIJIG, Dekorationsmaler in Berlin,

• v $

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Berliner Arcliiieküirzoclt

' Abbildung 457.

345

Wandfries. Von GEBR. DRABIG, Dekorationsmaler in Berlin,

giebt sich neben OTTO WAGNER in Wien auch BauratOTTO MARCII ZU erkennen. Der Berliner Architektschreibt: „Wir Deutsche suchen das Innerliche und'Persönliche in der Kunst. Gesinnung1 und Lebensfüh-rung" des einzelnen wie des ganzen Volkes bestimmendaher mehr als bei Völkern andern Stammes denWert unserer Kunstäusserungen. Besonders gilt diesvon der Baukunst, an deren Schöpfungen die Allge-meinheit durch die Gewährung der Baubedingungeninnig beteiligt ist. Die sichtbar erstarkende Neigungunseres Volkes, seine Heimstätten schlicht, verständigund schön zu gestalten, giebt uns die Hoffnung, das«wir auch wieder lernen werden, die monumentalen

Aufgaben einer höheren Kunst mit der „Einfalt ernsterLeute" in unserer Weise zu erfüllen und in derKunstblüte einer künftigen deutschen Kultur der pe-dantischen Uebung historischer Stile zu entraten,deren kunstgelehrte Formensprache dem Herzenunseres Volkes wenig zu sagen weiss.*'

Ober-Baurat OTTO WAGNER fasst sein bekannteskünstlerisches Glaubensbekenntnis kurz und bündigin den Satz zusammen: „Der Ausgangspunkt unsereskünstlerischen Schaffens kann nur das moderneLeben sein, nicht die Tradition." Dagegen berührtJOSEPH M, OLBRICH, der Erbauer des Hauses derWiener Sezession, die Gegensätze zwischen der alten

Abbildung 458.

Fauteuü in modernem •Stil.Ausgeführt von FRIED. THIERICHENS, Hofmöbelfabrik in Berlin.

B. A.W. II. 9. 45

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346 Berliner Architektunvelt

und neuen Richtung; auffallender Weise gar nicht,sondern er spricht sich nur über das innerste Wesender Baukunst dahin aus: ..Die Architektur wird wieder

Verständnis und Freude beim Volke finden, wennHerz und Gemüt bei der architektonischen Arbeit dasschöpferische Element werden. Mit Innigkeit undWärme werden dann auch solche Formen diearchitektonische Empfindung weiter sprechen lassen.Konstruierte Architektur, mag sie noch so neuzeitigerfunden sein, wird kalt und unverstanden bleiben;Koss eine Form, keine Seele!"

Auch die Frage des „neuen Stils", der nach derVersicherung Vieler bereits vorhanden sein soll, hateinige der Herren, die ihre Gedanken über die Kunstunserer Zeit mitgeteilt haben, beschäftigt. Sie ver-halten sich aber durchweg sehr skeptisch gegen denneuen Stil". So schreibt HERMANN GÖTZ, derDirektor der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe:„Unser scheidendes Jahrhundert tastet nach einemneuen Stile, doch nicht die Stilrichtung, sondern dasecht künstlerische Empfinden und Können ist für dieBedeutung eines Kunstwerkes maassgebend. Die Ge-setze des Schönen sind auch jetzt noch die gleichenwie vor Jahrtausenden, und sie werden dieselbenbleiben, solange noch eine Kultur auf dieserErde besteht." Ganz ähnlich spricht sich derbekannte österreichische Glaskunstwaren - FabrikantLUDWIG LOBMEYR aus: „Seit einem halben Jahr-hundert suchte ich auf bewährten Pfaden mein Kunst-handwerk mit Liebe und Freude zu üben, zu ent-wickein. Nun wirbelt eine neue Moderichtung heran,die seitherigen Gesetze der Schönheit hinwegzufegen;doch das seit Jahrtausenden als schön und edel Ge-würdigte kann dadurch nicht entthront werden." Selbstein so junger Mann wie der Architekt WILHELM KREIS,der Sieger in dem Wettbewerb um die Bismarcksäulen,von dem man doch annehmen sollte, dass er der neuenBewegung nahe steht, hat zu dem „neuen Stil" wenigZutrauen, „Stil in den Stein," sagt er, „heisst soviel,als Logik ins Leben! Manche Leichtgläubige lesenmit Andacht in den Kunstblättern, der neue Stil seida. Künstgelehrte wollen ihn in einigen ganz neuenSchnörkeln gefunden haben." Gegen das Schnörkel-wesen und die öde Nachahmung spricht sich übrigensauch OTTO ECKMANN aus, indem er schreibt: „So-lange intimes Studium der Natur die Kunst beherrscht,ist sie schöpferisch und blüht. Das Erstarren zumSchnörkel wie das Verarbeiten geprägter Form be*zeichnet Verfall."

Ganz besonders beherzigenswerte Mahnungen richtetauch einer der Hauptvertreter der neuen Richtung inMünchen, HERMANN OBRIST, an die jetzigen Stürmerund Dränger, denen die radikale Umwälzung nichtschnell genug vor sich geht. „Es ist möglich, sagter, dass den Deutschen es noch beschieden ist, dasHerrlichste in den architektonischen und dekorativenKünsten 2U erzeugen, was die europäischen Kultur-länder hervorbringen können. Es drohen jedochernste Gefahren, von denen wir nur zwei hervorhebenwollen: die eine ist das allzu rasche ßerühmtwcrclen

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Berliner Architekturwelt 347

junger Kräfte durch die Presse und das entspre-chende treibhausartige Produzierenmüssen undProduzierenwollen, sowie der Dünkel, dem reichbeanlagte Naturen bei uns leicht verfallen. Diezweite Gefahr droht uns von der beklagenswertenRührigkeit, mit der die Fabrikanten und diegrossen Unternehmerfirmen eine neue Richtung,die eingeschlagen hat, aufgreifen und durch ver-ständnislose Verwässerung der Motive so verbana-lisieren, dass sie in Misskredit kommt, noch ehesie zu Kredit gekommen ist. Mit einem Worte:lässt die moderne nervöse Hitze die neuen Keimeausreifen, so werden wir eine unerhörte Blüte er-leben ; kommt aber die Krankheit in das grüneKorn, so ist für Deutschland die Gelegenheitauf unabsehbare Zeit vorbei."

Zum Schluss die ser Blütenlese zitieren wireinen Ausspruch JULIUS LESSTNG's, der sich mitder bei snlrhen Fragen gebotenen Zurückhaltungüber die Zukunft unseres Kunstgewerbes mit fol-genden Worten äussert: „Das Kunstgewerbe hatdie zweite Hälfte des Jahrhunderts gebraucht, umden in der ersten Hälfte abgerissenen Faden derkünstlerischen TJeberlieferung wieder anzuknüpfen.Jetzt, am Ende des Jahrhunderts, strebt alles dahin,sich von diesem Faden wieder frei zu machen.Das kommende Jahrhundert wird es lehren, ob dieMenschheit lediglich aus sich heraus hinreichendeSchütze fördert, um des Erbes alter Kultur ent-sagen zu können."

*X Zur Erlangung von Entwürfen für den Nezi-

hau einer evangelischen Kirche in Biebrich a. Rh.ist ein Wettbewerb an die Architekten Deutsch-lands ausgeschrieben worden. Als Architektengehören dem Preisgerichte an Ob er-Baurat Prof.Schäfer-Karlsruhe, Baurat Fr. Schwechten Berlin,Regierungs- und Baurat Angelroth- Wiesbaden,Baurat Otto March-Charlottenburg1 und Stadtbau-meister Thiel-Biebrich, Einsendungstermin ist deri, April 1900, Das als evangelische Predigtkirchemit zentraler Anlage und für 750 Sitzplätze zuentwerfende Gotteshaus ist auf einem regelmässi-gen Gelände in der Nähe des Rheinbahnhofs ge-dacht. Der Baustil ist freigestellt, „doch erscheintnach Ansicht der Kirchengemeinde der frühgotischeStil als sehr geeignet." Als Baumaterial ist roterSandstein in Aussicht zu nehmen. Es steht eineBausumme von 240000 M. zur Verfügung. Eswerden verlangt ein Lageplan 1 : 500, Grundrisse,Ansichten, Schnitte 1 : 200, zwei Hauptansichten1 : TOO. Die Lieferung einer flüchtigen perspek-tivischen Skizze vom Rhein ist freigestellt, eineperspektivische Ansicht von einem näher be-zeichneten Tunkte gefordert. Hierzu treten Er-läuterungsbericht nebst Kostenanschlag. Für 3 - 4Preise stehen tfooo M. zur Verfügung.

Abbildung 4fi°-

Beleuihtungskörper am Hause Fasanenstrasse 97.Nach dem Entwürfe vöß PAUL LlNGISTER., Architekt in Berlin,

ausgeführt von ROB. BLUME, Kunstschlosser in Berlin.

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348 Berliner Architektitrwelt

Abbildung; 461.

Schmiedeeisernes Thor für die Bergschule in Bochum.Nach dem Entwürfe von CARL WEINHOLD ausgeführt von B. MlKSITS, Kunstschmiedewerkstatt in Berlin.

Blätter und Blumen gekehlt und geschmiedet. Die Drachen der Sockelfüllungen sind in 5 mm starkem Blechaus der Fläche herausgetrieben. 3,50 m breit, 4,40 m hoch.

Q In der Preishewerhting um, ein Gemeinde-Schut-haus in Schmargendorf ist der erste Preis demArchitekten HERMANN BUCHHOLTZ in Charlottenburg,der zweite Preis dem Architekten JOH. RINGELMANNdaselbst und der dritte Preis dem Baumeister OTTO

KASPER in Freienwalde a. O. zuerkannt worden. Trotz-dem war das Ergebnis für die Gemeinde insofernungünstig, als aus dem Wettbewerb kein zur Aus-führung geeigneter Entwurf gewonnen worden ist.

BUCHERSCHAU.Velasques. Ein Bilderatlas zur Geschichte seiner

Kunst, Mit Text von Dr. KARL VOLL. München,Verlagsanstalt F. BRUCKMANN, A.-G.Von den Klassikern der Malerei wird keiner von

den Künstlern unserer Zeit so hoch geschätzt wie derspanische Grossmeister Velazquez, und zwar sind die

Künstler aller Richtungen in seiner Wertschätzungeinig. Bei den „Modernen" steht er sogar in ganzbesonderer Gunst, weil sie in ihm einen Vorläuferihrer Bestrebungen, den ersten Bahnbrecher desNaturalismus zu erkennen glauben, der den Eindruckhöchster Natur Wahrheit durch die einfachsten künst-

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Berliner Architckiurzvclt 349

lerisehen Ausdrucksmittel zu erzielen verstand. Inder That ist kaum ein zweiter Meister der Naturgegenüber so ehrlich und zugleich so bescheidengewesen wie Velazquez, und darum sind seine Werkegerade für Künstler, die sich besonders für das tech-nische Verfahren eines Kunstgenossen interessieren,ungemein lehrreich. Es ist daher ein sehr dankens-wertes Unternehmen der Bruckmann'schen Verlags-anstalt, dass sie uns in guten Autotypien für einengeringen Preis (6 M,) 47 Werke des Künstlers, ineleganter Mappe vereinigt, bietet. Wenn man voneinigen schwer erreichbaren Bildern in englischenPrivatsammlungen absieht, findet man alle Hauptwerkedes Meisters, soweit sie in den öffentlichen SammlungenEuropas vorhanden sind, in erster Reihe die herrlichenSchöpfungen im Prado-Museum zu Madrid, Da guteOriginalphotographien immer noch verhältnismässigteuer sind, bieten diese Autotypien einen vollkommenenErsatz.

Der beigegebene Text enthält eine mit liebevollerWärme und feinem Verständnis geschriebene Charak-teristik des Künstlers, die seine Eigenschaften un-befangen und vorurteilsfrei klar legt und sich nament-lich vor Uebertreibungen und maassloser Lobrednereihütet. Der Verfasser hat sich auf Grund seinerKenntnis der Originale überall ein eigenes Urteilgebildet, und für Maler wird es besonders wertvollsein, dass er fast bei allen Bildern mehr oder wenigereingehend die malerischen Qualitäten analysiert.

* , A.R.

Zweige und Ranken. Herausgegeben von ALBERTWlNTHER, Maler, Lehrer an der Königl. Kunst-akademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig.Lieferung 1. Leipzig, WILHELM OPETZ.Der Herausgeber ist zu seinem dankenswerten

Unternehmen durch die Beobachtung angeregt worden,dass die zahlreichen, in letzter Zeit erschienenen Ver-öffentlichungen von Pflanzenbildern für künstlerischeZwecke an dem Mangel leiden, dass sie demOrnamentiker nicht von unmittelbarem praktischenNutzen sind, weil ihr Maassstab so klein genommenist, dass sie nur selten ein eingehendes Detailstudiumerlauben. Und dessen bedarf der Ornamentiker, derkeine Zeit und Gelegenheit hat, sich direkt an dieNatur zu wenden. Für den Künstler sind nur solcheNachbildungen brauchbar, die die pflanzlichen Motivein annähernd natürlicher Grosse wiedergeben, so dasser die, feinen Einzelheiten, die Struktur der Blätter,der Stengel, Zweige u. s. w. erkennen kann. DiesemUebelstand will der Herausgeber mit seiner Publikationabhelfen, deren Naturaufnahmen, vortrefflich in Licht-druck wiedergegeben, in solchem Maassstabe gehaltensind, dass sie die Natur vollkommen ersetzen unddass eine Verwendung der gebotenen Motive keineSchwierigkeiten bereitet. Mit grossem Geschick ist

Abbildung 4fi2.

Treppenpfosten in der Deutschen Bank, Mauerstrasse,Schmiedeeisen auf Marmorsockel.

Nach dem Entwürfe von W. MARXENS, Architekt inBerlin, ausgeführt von ED. PULS, Kunstschmiede^

Werkstatt in Tempelhof.

die Auswahl so getroffen worden, dass die ver*schiedensten künstlerischen Berufe aus dem WerkeNutzen ziehen werden.

BERICHTIGUNG,Die Unterschrift unter Abbildung 255 Heft 5 des

laufenden Jahrganges ist wie folgt richtig zu stellen:Thür im Kaufhaus N. Israel (Erbauer Arch. L. ENGEL),Entworfen von ARNO KÖRNIG, Arch., ausgeführt vonSCHULZ & HOLDEFLEISS, Kunstschmiede.

Die Redaktion.

Verantwortlich für din Redaktion: Ur, ÄDOLt' ROSENUERG, Berlin,Gedruckt bei JULIUS SITTENFELD, Berlin W,

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