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© archiv-forstwesen-landschaſtsökologie.de Fachbeitrag 05/2013 1 Archiv für Forstwesen und Landschaftsökologie Herausgeber: Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) und Hochschule für nachhalge Entwicklung Eberswalde (FH) Die Wild-Birne (Pyrus pyraster) in Deutschland Ergebnisse einer bundesweiten Inventur Datum der Veröffentlichung: 25.09.2013 Tim Schulze 1 , Ralf Kätzel 1 , Jens Schröder 2 1 Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde 2 Humboldt-Universität Berlin, Fachgebiet Urbane Pflanzenökophysiologie Wild Pear (Pyrus pyraster) in Germany - Results of a Naonwide Inventory

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Archiv für Forstwesen und Landschaftsökologie

Herausgeber: Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) und Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)

Die Wild-Birne (Pyrus pyraster) in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Inventur

Datum der Veröffentlichung: 25.09.2013

Tim Schulze 1, Ralf Kätzel 1, Jens Schröder 2

1 Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde 2 Humboldt-Universität Berlin, Fachgebiet Urbane Pflanzenökophysiologie

Wild Pear (Pyrus pyraster) in Germany - Results of a Nationwide Inventory

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Schulze , Kätzel , Schröder  ▪ Die Wild-Birne (Pyrus pyraster) in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Inventur

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ZusammenfassungDie Wild-Birne (Pyrus pyraster (L.) Burgsd.) zählt in Deutschland zu den seltenen und ge-fährdeten Baumarten. Gründe dafür sind der Verlust geeigneter Lebensräume, die oft gerin-ge Größe und Isolation der Vorkommen und ihre Konkurrenzschwäche gegenüber ande-ren Baumarten. Viele der erfassten Vorkom-men weisen keine natürliche Verjüngung auf. Neben den ökologischen Ursachen besteht ein wesentlicher Gefährdungsgrund in der genetischen Hybridisierung mit Kulturbirnen. Bisher fehlte jedoch ein bundesweiter Über-blick über die tatsächlich vorhandenen Po-pulationen, ihre Gefährdungssituation und ihre genetischen Differenzierung innerhalb Deutschlands. Diese Lücken wurden durch ein dreijähriges Projekt zur bundesweiten Er-fassung und Charakterisierung von Vorkom-men der Wild-Birne weitgehend geschlossen. Vorort erfasst, dokumentiert und analysiert wurden in allen Bundesländern 14.136 Birnen in 221 natürlichen Vorkommen. Neben den standörtlichen Bedingungen wurden aus po-pulationsbiologischer Sicht vor allem Daten zur Populationsgröße, zum Vitalitätszustand, zur Altersstruktur sowie zur genetischen Diversität erfasst. Regionale Verbreitungs-schwerpunkte sind die mittlere Elbe in Sach-sen-Anhalt, der Nordosten Brandenburgs, Heilbronn-Unterfranken sowie Mecklenburg-Vorpommern. Rund 70 % der Vorkommen weisen keine natürliche Verjüngung auf. Die In-situ-Erhaltungsfähigkeit ist bei rund 80 % aller Vorkommen als „bedroht“ und nur bei 15 Vorkommen als „gut“ bis „sehr gut“ klassi-fiziert. Langfristig sollten die Verbreitungszen-tren mit ihren Hauptpopulationen gesichert und regelmäßig überwacht werden, mittelfris-tig müssen die Lücken über Biotop- und Popu-lationsverbünde so geschlossen werden, dass ein Genaustausch möglich ist.

Stichworte: Wild-Birne, seltene Baumarten, Populationsgenetik, forstgenetische Ressourcen, in-situ-Erhaltungsfähigkeit

Abstract Wild Pear (Pyrus pyraster (L.) Burgsd.) is a rare and endangered tree species in Germany. The reasons for this include its weak competitive potential against other tree species, loss of suitable habitats, and frequent cross-breeding with the cultivated variant Pyrus communis. This study presents the results of a project that surveyed and evaluated the current status of the species in Germany on a nationwide scale to assess needs and opportunities for conser-vation of its genetic resources.The survey identified 14,136 Wild Pear trees in 221 natural populations distributed over all German states except for Schleswig-Holstein and the city states. Dbh data indicate a low le-vel of natural regeneration and a tendency of senescence for most populations. Only 25 % of all trees had dbh values of less than 7 cm, more than two thirds of the populations did not show any regeneration. Mean vitality was quite high with 71 % of all trees falling into the best vitality class.Overall suitability for preservation is relatively poor with almost 80 % of all populations clas-sified as “threatened” and only 7 % as “very good” or “good”. Most populations suffer from a lack of natural regeneration due to competi-tion by other trees and browsing by game and livestock. Focus regions for conservation mea-sures comprise the Elbe River area in Saxony-Anhalt, the northeast of Brandenburg, Meck-lenburg-West Pomerania, and the north of Baden-Württemberg and Bavaria. Preservation measures should (a) protect existing populati-ons by reducing competition and (b) enhance habitat connection by establishing "stepping-stone" populations with plants from certified sources.

Keywords: Wild pear; rare tree species; population genetics; genetic resources; in-situ protection

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Einführung

Die Wild-Birne (Pyrus pyraster (L.) Burgsd.) ge-hört zu den seltenen und gefährdeten Baumarten in Deutschland (Kleinschmit 1998, Rittershofer 1998, Behm 2001, Wagner 1996, 2009; Abb. 1). Sie wächst als sommergrüner Strauch oder Baum und erreicht dabei Höhen von bis zu 20 m, als Solitär auf guten Standorten auch darüber. Bei einer Alterserwartung von zum Teil mehr als 200 Jahren kann sie Brusthöhendurchmesser von mehr als 80 cm erreichen. Als Licht- bis Halb-schattenbaumart hat die Wild-Birne einen hohen Lichtbedarf, sie gilt als wärmeliebend und be-sitzt eine hohe Trockentoleranz (Wagner 2009). Aufgrund ihrer Lichtbedürftigkeit und der Kon-kurrenzschwäche gegenüber wüchsigeren Arten wird sie häufig aus ihrem ökologischen Optimum im mittleren Bereich auf extreme Standorte wie Auwälder, sonnige und trockene Hänge, wech-seltrockene Tonböden, lichte Wälder und Wald-ränder verdrängt. Auch in Feldgehölzen und an alten Verkehrswegen ist die Wild-Birne noch ver-einzelt anzutreffen.Vergleichbar mit anderen seltenen Baumarten steht die Wild-Birne seit mehr als zwei Jahr-zehnten im Fokus der forstlichen Generhaltung. Für die langfristige Erhaltung forstgenetischer Ressourcen werden bevorzugt in-situ-Maßnah-men an den natürlichen Standorten der Gehölz-populationen empfohlen (Paul et al. 2000). Bei Gehölzarten in kleinen Populationsgrößen ist dies jedoch nur sinnvoll, wenn eine hohe in-situ-Überlebensfähigkeit am Standort gewähr-leistet werden kann. Als Alternative müssen die wertvollsten Vorkommen über aufwendige ex-situ-Maßnahmen (künstliche Vermehrung, Klon-archive etc.) erhalten werden (Kätzel 2010).Für die Entwicklung effizienter Maßnahmen zur Erhaltung der wertvollsten genetischen Ressour-cen der Baumart fehlte bislang ein bundesweiter Überblick zu Vorkommen und Gefährdung auf der Grundlage einheitlicher Erfassungs- und Aus-wertungsmethoden. Diese Lücke wurde durch das von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Auftrag des Bundesmi-nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderte Verbundprojekt "Erfassung und Dokumentation genetischer Res-sourcen seltener und gefährdeter Baumarten in

Deutschland" (2010 bis 2013) für zehn Baumar-ten, darunter die Wild-Birne, geschlossen (Kätzel et al. 2011, Schröder et al. 2013). Auf Grundlage der erhobenen Informationen, zum Beispiel zur Populationsgröße, zur Vitalität, zur demografi-schen und genetischen Populationsstruktur, zur Bastardierung und zu den standörtlichen Bedin-gungen, sollten Empfehlungen für künftige Maß-nahmen zum langfristigen Erhalt der genetischen Ressourcen der Arten und Populationen erarbei-tet werden. Zur Darstellung von Regionen und Vorkommen mit besonderem Erhaltungsbedarf waren zusätzlich die Verbreitungsschwerpunkte der im Projekt erfassten Baumarten und damit auch der Wild-Birne in Deutschland mit Hilfe GIS-gestützter Dichteanalysen herauszuarbeiten.Im Unterschied zu vielen floristischen und vegeta-tionskundlichen Erhebungen, wie der Rasterkar-tierung (Bergmeier 1992) und der Biotopkartie-rung (z. B. MLUV 2007) setzen Kartierungen zur Generhaltung andere Schwerpunkte. Da nicht jedes Vorkommen einer Art die Anforderungen an die Kategorie einer genetischen Ressource erfüllt, müssen vor allem jene natürlichen Popu-lationen gefunden werden, die sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit im Evolutionsprozess auszeichnen. Dazu gehört, dass unter in-situ-Be-dingungen die Weitergabe genetischer Informa-tionen über Generationen hinaus gesichert sein soll, was ausreichend vitale und auf Grund ihrer

Abb. 1: Laub und Früchte der Wild-Birne (Foto: T. Schulze)Fig. 1: Foliage and fruits of Pyrus pyraster (T. Schulze)

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Größe und Dichte vermehrungsfähige Popula-tionen voraussetzt. Im Sinne des Projektzieles wurde ein Generhaltungsobjekt deshalb als eine potenziell überlebensfähige Population einer Art mit mindestens fünf Individuen definiert, die sich durch einen Abstand von mindestens einem Ki-lometer zur nächsten artgleichen Population ab-grenzt. Die zusammenfassende Beurteilung der spezifischen "in-situ-Erhaltungsfähigkeit" wur de aus der Aggregation von Daten zu Populations-größe, Vitalität und Altersstruktur abgeleitet (sie-he unten und Abb. 2).

Methoden

Allgemeines VorgehenDie Erfassung der Wild-Birnen-Vorkommen erfolg-te in vier Phasen. In der ersten Bearbeitungspha-se wurde nach bereits bekannten Vorkommen im Wald genauso wie im Offenland in verschiedenen Quellen recherchiert, zum Beispiel bei forstlichen Versuchsanstalten, Forstbetrieben, Naturschutz-behörden, Forstsaatgutstellen, Botanischen Ver-einen und Privatwaldbesitzern. Zur Datengewin-nung wurden zusätzlich Betriebsinventuren, die Bundeswaldinventur und die Biotopkartierungen der Länder ausgewertet. Floristische Rasterkar-ten wie "Floraweb" wurden zwar ebenfalls heran-gezogen, konnten jedoch auf Grund ihrer relativ groben Auflösung nicht die zum Aufsuchen der häufig kleinen Vorkommen erforderlichen Lage-informationen liefern. Am ergiebigsten waren da-bei die Rückmeldungen aus den Forstbetrieben und den Forstlichen Versuchsanstalten sowie die Biotopkartierungen.In der zweiten Projektphase erfolgte nach ein-heitlichen Kartiervorgaben in den Vegetations-

perioden 2010 und 2011 die bundesweite Kar-tierung im Gelände, u. a. unter Berücksichtigung von Ortsangaben aus den vorhergehenden Re-cherchen. Beteiligt waren die Versuchsanstal-ten der Länder, das Forstbüro Ostbayern und eine Reihe weiterer privater Kartierbüros. Zur Qualitätssicherung erfolgten zu Beginn der Auf-nahmen und nach dem ersten Projektjahr aus-führliche Schulungen, um konsistente Standards bei der taxonomischen Ansprache und bei der Erhebung der Vorkommensparameter zu gewähr-leisten. Neben der Artansprache (Fellenberger 1998 und schr. Mitt., Häner et al. 2005, Ritters-hofen 1998, Wagner et al. 2009) und den räum-lichen Lagedaten wurden durch die Kartiertrupps auch die Populationsgrößen, die Durchmesser-struktur, die Begründungsart und die Vitalität der Bäume getrennt nach Durchmessergruppen so-wie die Verjüngung erfasst und in eine einheitliche Datenbank übertragen (Tab. 1). Dazu wurde ein in Vorprojekten bewährter Erfassungsbogen gering-fügig modifiziert und für alle Arten, Bundesländer und Eigentumsformen einheitlich angewandt. Pro Vorkommen wurde ein Koordinatenpunkt aufge-nommen, der den Punkt der größten Individuen-dichte innerhalb seiner Gesamtfläche markiert. Zusätzlich wurde eine Lageskizze des potenziel-len Genobjektes in analoger Form abgelegt. Zur Qualitätskontrolle wurden die Kartierergebnisse durch die Projektkoordination stichprobenartig kontrolliert und mehreren Plausibilitätsroutinen unterzogen.Die dritte Phase widmete sich der genetischen Charakterisierung von insgesamt 904 Einzelbäu-men in 39 Wild-Birnen-Vorkommen, verteilt über alle 13 Bundesländer, in denen Wild-Birnen vorka-men, auf der Basis von sechs Kern-Mikro satelliten. Dazu wurden je drei bis vier Blatt proben von

Abb 2: Parameter für die Bewertung von Erhaltungsfähigkeit und ErhaltungsdringlichkeitFig 2: Parameters for assessing „suitability for preservation“ and „urgency to establish support measures“

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15-30 gleichmäßig verteilten, vitalen Probebäu-men je Genobjekt entnommen. Die Ziele der ge-netischen Analysen waren (1) die Absicherung der taxonomischen Zuordnung als Wild-Birne, (2) die Bewertung der genetischen Struktur der Po-pulationen und (3) die Ermittlung der genetischen Abstände zwischen den Vorkommen. Die Ergeb-nisse der genetischen Untersuchungen werden in einer gesonderten Veröffentlichung vorgestellt. Für die vorliegende Darstellung werden sie nur in dem Umfang berücksichtigt, wie sie die Kartie-rungsergebnisse hinsichtlich der Artzuordnung korrigieren. Es zeigte sich, dass 19 % (165 Bäume) der Proben als Kulturbirnen einzuordnen waren. Bei weiteren 28 Bäumen stimmte die taxonomi-sche Artzuordnung nicht, dabei handelte es sich zum größten Teil um Proben aus einem falsch klassifizierten Wild-Apfel-Vorkommen (Malus syl-vestris (L.) Mill.).In einem abschließenden vierten Schritt wurden die Daten hinsichtlich der räumlichen Konzentra-tion bzw. der Isolation von Vorkommen und ihres daraus resultierenden Gefährdungsgrades aus-gewertet. Dies erfolgte mit Hilfe von Modulen des Programms QGIS, die die Lagekoordinaten und die Populationsgrößen so verknüpfen, dass sich daraus Informationen zur räumlichen Dichte in Form von "Kerneldichtekarten" ableiten lassen (Abb. 4; Bornmann und Waltman 2011). Aus den Karten ergeben sich Hinweise zu geographi-schen Schwerpunkten und andererseits zu Regio-nen mit eher isolierten und kleinen Vorkommen.

DatenaufbereitungZur Vorbereitung politischer Entscheidungen und konkreter Maßnahmen zur Generhaltung erfolgte die Gesamtbewertung der Vorkommen anhand ihrer "in-situ-Erhaltungsfähigkeit". Zur Herleitung dieses Parameters wurden die Alters-strukturqualität, die Individuenzahl (Abundanz) sowie die durchschnittliche Vitalität der Gen-objekte kombiniert. Da das Alter der Einzel bäume nur schwer zu ermitteln war, wurde zur Klas-sifizierung der Altersstruktur der Brusthöhen-durchmesser (BHD) der Bäume gemessen und einer von drei Durchmesserstufen (BHD < 7 cm, BHD 7 cm - 20 cm, BHD > 20 cm) zugeordnet. Um die Altersstruktur der Vorkommen graphisch zu veranschaulichen, wurden Alterspyramiden an-hand der aufgenommenen BHD-Struktur mit Hilfe des Programms Microsoft® Office Excel 2003 erstellt. Mit dem Programm SPSS (IBM® SPSS® Statistics 19) erfolgte dazu eine Zuordnung der verschiedenen vorkommenden Altersver-teilungen über die Bildung von "hierarchischen Clustern". Mit dieser Funktion wurden die Vor-kommen mit ähnlichen Strukturen zusammen-gefasst und visualisiert. Anhand der Verteilung auf die drei BHD-Klassen ließen sich fünf Al-tersstrukturqualitätsklassen definieren. Fielen beispielsweise mindestens 10 % der Bäume in die BHD-Stufe < 7 cm und in die übrigen Stufen jeweils mindestens 20 %, so wurde die beste Klasse (1) vergeben, für die Klasse (3) ("befrie-digend") mussten in den beiden schwächeren

1 Gehölzart Art, bereits ausgewiesenes Genobjekt (in-situ, ex-situ)

2 Lage Bundesland, Landkreis, Gemeinde, Revier, Koordinaten, Bundeswuchsgebiet

3 Schutzstatus NSG, Biosphärenreservat, FFH-Gebiet, etc.

4 Eigentümer Eigentumsart

5 Anzahl der Individuen ggf. geschätzt

6 Fläche Größe in ha, Anteil der Zielbaumart an vorhandenen Mischbaumarten

7 Alter Durchmesserstruktur, Verjüngung, Altbäume

8 Begründungsart Pflanzung, Naturverjüngung, Stockausschlag, Wurzelbrut, etc.

9 Vitalität Stufe 0-4, Baumkronenansprache nach Roloff (2001)

10 Beschreibung Besonderheiten, Schäden, Gefährdungen

Tab. 1: Aufnahmeparameter bei der Kartierung im GeländeTable 1: Parameters of the field surveys

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BHD-Stufen jeweils wenigstens 5 % der Baum-zahl liegen. Die Abundanz wurde in zehn Stufen klassifiziert mit der geringsten Abundanzklasse bei 5-10 und der höchsten bei mehr als 400 In-dividuen (Tab. 4). Die mittlere Vitalität eines Vor-kommens wurde unter Einbeziehung der prozen-tualen Anteile der einzelnen Durchmesserstufen berechnet. Grundlage der Vitalitätseinstufung der Einzelbäume war ihre Beurteilung auf Grund-lage der Kronenstruktur in vier Stufen von 0 (sehr vital) bis 3 (absterbend) nach dem Ansprache-schlüssel von Roloff (2001). Entsprechend der Zielstellung des Projektes wurden tote Bäume nicht erfasst. Wie die Einzelbäume hat die BHD-gewichtete mittlere Vitalität somit einen Wer-tebereich zwischen 0 (vital) und 3 (absterbend). Die Ableitung der "in-situ-Erhaltungsfähigkeit" aus den drei Parametern erfolgte schließlich wie weiter unten in Tab. 6 dargestellt.

Ergebnisse

Baumzahl, Anzahl und Lage der VorkommenIm gesamten Bundesgebiet wurden 227 Vorkom-men der Wild-Birne mit insgesamt ca. 15.700 Individuen (mit ex-situ-Beständen) kartiert, die die Populationskriterien (n ≥ 5 Einzelbäume) erfüllten. Diese Zahl stellt jedoch nur einen annähernden Wert dar, da die Individuenanzahl größerer Bestände durch Auszählung und Extra-polation repräsentativer Teilflächen geschätzt werden musste. Darin enthalten ist nach den Ergebnissen der genetischen Charakterisierung eine "Dunkelziffer" von etwa 19 % wahrschein-licher Individuen der Kulturbirne (siehe oben).Um die natürlichen Verhältnisse nicht zu verzer-ren, wurden in der weiteren Betrachtung die im Rahmen von Generhaltungsmaßnahmen bereits angelegten ex-situ-Bestände nicht berücksich-tigt. Hierbei handelt es sich zumeist um Samen-plantagen mit sehr hohen Individuenzahlen auf kleinen Flächen. Bei Ausschluss dieser künst-lichen Bestände ergibt sich für die verbleibenden 14.136 Bäume in 221 Vorkommen eine mittlere Flächengröße je Vorkommen von rund 5 Hektar

BL Anzahl Vorkommen

Anzahl Individuen

Gesamtfläche (ha)

Ind./ha Fläche des Vorkommens

(Median)

Vorkommen/1.000 km² Landesfläche

Individuen/1.000 km² Landesfläche

BB 61 5785 56.652,4 0,7 2,1 196,2BW 36 870 626,5 3,5 1,0 24,3BY 15 1.833 864,0 2,2 0,2 26,0HE 3 213 2.144,8 0,4 0,1 10,1MV 29 1.594 74,4 25,0 1,3 68,7NI 9 187 198,7 2,3 0,2 3,9NW 15 102 38,5 5,0 0,4 3,0RP 5 44 11,1 7,0 0,3 2,2SH 0 0 0,0 0,0 0,0 0,0SL 2 19 0,6 30,0 0,8 7,4SN 6 158 1,2 95,0 0,3 8,6ST 16 2.730 6.480,1 0,3 0,8 133,5TH 24 601 354,4 3,0 1,5 37,2DE 221 14.136 67.446,7 3,1 0,6 39,8

Tab. 2: Zusammenfassende Darstellung der kartierten Vorkommen über alle Bundesländer (ohne ex-situ-Bestände)Table 2: Basic data for the populations found throughout Germany by state (“BL”) (ex-situ populations excluded)

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mit 17 Bäumen (Tab. 2). (Angegeben sind Median-werte, die die linksschiefe Häufigkeitsverteilung mit nur wenigen großen Vorkommen besser repräsentieren als arithmetische Mittel.) Besonders viele natürliche Populationen (Gen-objekte) befinden sich in Brandenburg, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Wuchsgebiete mit den deutschlandweit meisten natürlich vorkommenden Wild-Bir-nen-Populationen sind das "Ostmecklenburg-Nordbrandenburger Jungmoränenland", das "Nordost-Brandenburger Jungmoränenland" und das "Mittlere nordostdeutsche Altmoränen-land". Besonders erwähnenswert ist ein großes Vorkommen auf der Insel Vilm in Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 800 Individuen. Im mitt-leren Bereich bewegen sich Thüringen, Sach-sen-Anhalt, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Weniger als je zehn Populationen befinden sich in den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Schleswig-Holstein und im Saarland (Tab. 2). Ein Großteil der erfassten Genobjekte zieht sich als Diagonale von Südwe-sten nach Nordosten; im Nordwesten und im Südosten Deutschlands befinden sich dagegen relativ wenige Vorkommen (Abb. 3). Ex-situ-Be-stände liegen in den Bundesländern Thüringen und Rheinland-Pfalz.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) stellte dem Projekt für die Ermittlung der Potentiellen natür-lichen Vegetation aktuelle Geoinformationen als GIS-shapes zur Verfügung. Auf Basis der Lageda-ten der Vorkommen wurden die meisten Wild-

Birnen in Buchenwäldern sowohl basenarmer als auch basenreicher Standorte kartiert. Die ande-ren Vorkommen wurden nachgewiesen in

• der Vegetation der Gewässer und ihrer Ufer, • Moorbirken- und Schwarzerlenwäldern, • Eschen- und Bergahorn-Feuchtwäldern sowie Auwäldern,

• Winterlinden- und Waldlabkraut-Hainbuchen-wäldern,

• Stiel-Eichen-Mischwäldern basenarmer Standorte,

• Trauben-Eichen-Mischwäldern und • Subkontinentalen Kiefern-Eichen- und Kie-fernwäldern.

Alle Vorkommen der Wild-Birne wurden außer-dem mit den ebenfalls vom BfN bereitgestellten digitalen Karten der Schutzgebiete Deutschlands verschnitten. Danach liegen sie zu etwa 80 % auf Flächen mit Schutzstatus nach Naturschutz-recht. Eine Vielzahl von Vorkommen befindet sich auf Flächen, die mehreren Schutzkategori-en unterliegen. Insgesamt 136 Vorkommen sind den Natura-2000-Schutzgebietskategorien FFH-Gebiet und Vogelschutzgebiet (SPA) zugeordnet, von denen 62 beide Natura-2000-Schutzgebiets-kategorien besitzen. In Hessen liegen alle Vor-kommen in Schutzgebieten, in den übrigen Bun-desländern schwankt der Anteil zwischen 60 % und 90 %.

VorkommenszentrenAnhand der Darstellung der Kerneldichte (Born-mann und Waltman 2011) werden einerseits die

Genzentrum Bezeichnung des Genzentrums Teilbereich Bezeichnung des Teilbereichs

1 Küstenregion Mecklenburg-Vorpommern 1a Insel Vilm

2 Nordbrandenburg2a Uckermark-Barnim

2b Märkische Schweiz

3 Sachsen-Anhalt 3a Mittlere Elbe

4 Thüringen 4a Nord- und Mittel-Thüringen

5 Süddeutschland5a Franken5b Mittelfranken

Tab. 3: Großflächig zusammenhängende Populationen der Wild-BirneTab. 3: Regions where large and connected populations of wild pear occur in Germany

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Zentren von genetischen Ressourcen der Wild-Birne und andererseits isolierte Vorkommen er-kennbar. Abb. 4 zeigt die Schwerpunktregionen unter Berücksichtigung der Baumzahl der Vor-kommen. Hier werden Populationen insbeson-dere mit hoher Baumzahl, aber auch enger Nach-barschaft hervorgehoben. Danach bestehen in Deutschland für die Wild-Birne fünf Vorkommensschwerpunkte mit je-weils ein bis zwei Teilbereichen (Tab. 3). Die mit Abstand wichtigsten Schwerpunktregionen sind die Bereiche 2a (Uckermark-Barnim) und 3a (Mittlere Elbe). Weitere Schwerpunktregionen sind die Insel Vilm in Mecklenburg-Vorpommern (1a), die Märkische Schweiz in Brandenburg (2b) sowie die Region Mittelfranken in Bayern (5b).

PopulationsgrößenEin wichtiges Kriterium für die Bewertung der Überlebensfähigkeit von Populationen ist deren Größe. Die Mehrheit der Vorkommen befindet sich in der Abundanzstufe 1 mit 5 bis 10 Individu-en. Die Klassen 2 und 3 sind mit einer niedrige-ren, jedoch immer noch beachtlichen Anzahl von Vorkommen vertreten. In den Abundanzklassen 4 und höher nimmt die Anzahl der Vorkommen deutlich ab. In der höchsten Abundanzklasse 10 mit Vorkommen über 400 Individuen finden sich acht Vorkommen der Wild-Birne (Tab. 4).

Durchmesser- und AltersstrukturNeben der Individuenanzahl beeinflusst auch die demografische Struktur einer Population ent-

Abb. 3: Geographische Lage der Vorkommen der Wild-Birne, klassifiziert nach der IndividuenanzahlFig. 3: Location of wild pear populations in Germany, classified by tree numbers

Abb. 4: Darstellung der Kerneldichte unter Berücksichtigung der Baumzahl (ohne ex-situ-Bestände)Fig. 4: Kernel density map based on tree numbers and distances between populations (ex-situ populations excluded)

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scheidend deren Überlebensfähigkeit. Für eine potenziell überlebensfähige Population wurde von einer pyramidalen Durchmesserstruktur mit einem großen Verjüngungsanteil (Durchmesser-stufe < 7 cm) ausgegangen. Je größer die Abwei-chung davon war, desto ungünstiger wurde ein Vorkommen eingestuft. Zusammenfassend über alle kartierten Vorkom-men Deutschlands zeigt sich mit 37 % ein hoher Anteil von Bäumen mit einem BHD > 20 cm. Die Durchmesserklasse 7 cm - 20 cm ist ebenfalls mit 38 % der Individuen stark vertreten. Die Verjün-gungsklasse (< 7 cm) ist mit 25 % weniger häufig. Hier wird die in vielen Vorkommen fehlende Ver-jüngung der Wild-Birne ersichtlich (Abb. 5). Ent-sprechend der oben beschriebenen Methodik

wurde ein Großteil der Vorkommen (54 %) der Klasse befriedigend (3) zugeordnet. Die Klassen sehr gut (1) und gut (2) sind zusammen mit rund 34 % vertreten. In den unteren Klassen 4 und 5 befinden sich etwa 12 % der Vorkommen (Tab. 5).Die Naturverjüngung wurde differenziert nach Höhenstufen (< 1,5 m und bis 3 m Höhe) geson-dert erfasst. Deutschlandweit verfügt nur etwa ein Drittel der Vorkommen der Wild-Birne über Naturverjüngung. Der Anteil von Vorkommen mit Naturverjüngung liegt am höchsten in Sach-sen-Anhalt (rund 95 %) und Niedersachsen (rund 75 %). Anteilswerte sind in Ländern mit geringen Vorkommenszahlen jedoch wenig aussagekräf-tig: In Hessen weisen zum Beispiel alle drei Vor-kommen Naturverjüngung auf (100 %), während in keinem der beiden Vorkommen im Saarland Naturverjüngung vorhanden war (0 %).

VitalitätNeben den populationsbezogenen Merkma-len liefert die Vitalitätseinschätzung der Einzel-bäume und ihre Differenzierung nach Alters-(Durchmesser-)gruppen wichtige Hinweise zur potenziellen Überlebensfähigkeit der Populati-on. Bundesweit wurden 88 % der Wild-Birnen mit den Vitalitätsstufen sehr gut (0) und gut (1) bonitiert, 9 % fallen in die Kategorie stark ge-schädigt (2) und 3 % in die Kategorie absterbend (3). Die höchste Vitalität zeigt die Wild-Birne in

Stufe Individuenzahl Anzahl der Vorkommen Häufigkeit (%)

1 5 - 10 85 37,4

2 11 - 20 43 18,9

3 21 - 50 47 20,7

4 51 - 75 11 4,9

5 76 - 100 11 4,9

6 101 - 150 8 3,5

7 151 - 200 6 2,7

8 201 - 300 7 3,0

9 301 - 400 1 0,5

10 > 400 8 3,5

Tab. 4: Anzahl der Vorkommen in den AbundanzklassenTable 4: Number of populations per abundance class

Abb. 5: Anteile der Durchmesserstufen im Bundesgebiet (ohne ex-situ-Bestände)Fig. 5: Proportions of diameter classes in Germany (ex-situ populations excluded)

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Bayern, wo alle Individuen den Stufen 0 und 1 zugeordnet wurden. Im Durchschnitt schlechtere Vitalitätszustände liegen in den Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachen, Thüringen und dem Saarland vor, wo mehr als 25 % der In-dividuen den Stufen 2 und 3 zugeordnet wurden. In den übrigen Bundesländern finden sich vor-rangig Individuen mit hoher Vitalität mit einem Anteil von 75 % und mehr in den Stufen 0 und 1.

Gesamtbewertung der Vorkommen ("in-situ-Erhaltungsfähigkeit")

In die Gesamtbewertung der Überlebensfähig-keit der Vorkommen (Erhaltungsfähigkeit) gin-gen die Populationsgröße, die Altersstruktur-qualitätsklasse und die durchschnittliche Vitalität ein (Abb. 2). Als Leitbild für eine hohe Überle-bensfähigkeit gilt eine individuenreiche Popu-lation mit einer pyramidalen demografischen Struktur bei hohem Verjüngungsanteil und hoher Vitalität in allen Durchmesserstufen. Die Bewer-tung erfolgte in fünf Stufen von sehr gut (1) über gut (2), geschwächt (3) und bedroht (4) bis ab-sterbend (5) (Tab. 6).Die geringen Populationsgrößen der zumeist überalterten Vorkommen in Kombination mit der fehlenden Verfügung offenbaren in der Gesamt-betrachtung den hohen Gefährdungsgrad der Wild-Birne in Deutschland. Lediglich 16 Vorkom-men erreichten bezüglich der in-situ-Erhaltungs-fähigkeit die Stufen sehr gut (1) oder gut (2). Als geschwächt wurden 19 Vorkommen (3) ein-gestuft. Der Großteil der Vorkommen (175) be-findet sich in einem bedrohten Zustand (4). In die Klasse absterbend (5) fallen 11 Vorkommen (Abb. 6). Die überlebensfähigsten Vorkommen liegen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern.

Schlussfolgerungen

Die über zwei Jahre aufwendig durchgeführten Kartierarbeiten wiesen ohne die künstlich an-gelegten ex-situ-Bestände 221 Wild-Birnen-Vor-kommen mit mindestens fünf Individuen nach. Die unerwartet hohe Zahl von 14.136 Bäumen überraschte ebenso wie die vergleichsweise hohe Vitalität der meist überalterten Bäume. Dass Seltenheit bei Gehölzvorkommen nicht zwangsläufig zu einer Gefährdung der Population oder Art führen muss, zeigen bereits ältere Studi-en (Kunin und Gaston 1993, Gitzendanner und Soltis 2000, Collin et al. 2004). Vitalitätsverluste, Mortalität, fehlende Verjün-gung und die Überalterung der Populationen sind jedoch eindeutige Indikatoren für den Ge-fährdungszustand und mindern die Überlebens-prognose. Nur bei etwa 25 % aller erfassten Bäu-me war der Brusthöhendurchmesser geringer als 7 cm. Bei rund 66 % der Vorkommen war keine natürliche Verjüngung nachzuweisen. Die hier

Altersstrukturqualitätsklasse Anzahl der Vorkommen Häufigkeit (%)sehr gut (1) 54 23,9gut (2) 22 9,7befriedigend (3) 123 54,0schlecht (4) 18 8,0sehr schlecht (5) 10 4,4

Tab. 5: Häufigkeiten der Vorkommen in den AltersstrukturqualitätsklassenTable 5: Population numbers and frequencies in the classes of demographic quality

Abb. 6: Anzahl der Vorkommen der Wild-Birne im Bundesgebiet in den Stufen der „in-situ-Erhaltungsfähigkeit“ (ohne ex-situ-Bestände)Fig. 6: Classification of populations according to their level of in-situ suitability for preservation (ex-situ-populations excluded)

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nicht gezeigten relativ hohen genetischen Ab-stände zwischen den Populationen sind ein Hin-weis auf die Isolation der Vorkommen. Die Gründe für die Seltenheit und Gefährdung der Wild-Birne liegen zum einen in ihrer Konkur-renzschwäche gegenüber forstlichen Wirtschafts-baumarten, durch die sie – auch wegen mangeln-der waldbaulicher Förderung – aus genutzten Wäldern auf Randlagen und Extremstandorte verdrängt wurde. Darüber hinaus führt die ge-netische Vermischung mit Kulturbirnen zu ei-nem fortschreitenden Verlust der Wildform (vgl. Kleinschmit et al. 2012). Auch das Verschwinden geeigneter Habitate (Feldgehölze, lichte Wald-ränder, Auengebiete) und die teilweise geringe Größe der Vorkommen tragen zur Seltenheit der Wild-Birne bei. Ein wichtiger Faktor ist schließlich auch der Verbiss durch Schalenwild, der die Re-produktion oder Etablierung von Populationen vielerorts behindert.Die Erhaltung des Genpools der Wild-Birne ver-langt nach einem Stufenprogramm. Zunächst sind die wenigen großen Populationen in den fünf Hauptvorkommensgebieten als Generhal-tungsobjekte zu schützen und im Rahmen eines genetischen Monitorings regelmäßig zu überwa-chen (Kätzel et al. 2005). Dies ist insbesondere von Bedeutung, da die Wild-Birne im Rasternetz der Waldzustandskontrolle nicht vorkommt, Vi-talitätsverluste somit kaum bemerkt werden und Zeitreihen nicht existieren. Die größten Popula-tionen stellen gleichfalls eine wichtige Saatgut-quelle für die Anzucht von gebietsheimischen Gehölzen dar. Dies betrifft insbesondere die zah-lenmäßig größten Populationen an der Mittleren

Elbe in Sachsen-Anhalt, im Nordosten Branden-burgs, auf der Insel Vilm in Mecklenburg-Vor-pommern sowie in Süddeutschland die Regionen Franken und Mittelfranken. Die zu empfehlenden waldbaulichen Maßnah-men reichen von der Freistellung der Bäume über die Regulierung überhöhter Wildbestände und die Anlage gestufter Waldränder bis zum Schutz angekommener natürlicher Verjüngung durch Zäunung entsprechender Bereiche. Obwohl die Wild-Birne regelmäßig fruktifiziert, stellt sich we-nig natürliche Verjüngung ein. In einem zweiten Schritt ist deshalb gerade für die Erhaltung der vielen überalterten, isolierten Vorkommen die künstliche Etablierung standortgerechter Verjün-gung in Form von Pflanzung unumgänglich. Dar-über hinaus sollten mittelfristig die momentan "wildbirnenfreien" bzw. "wildbirnenarmen" Re-gionen in Deutschland auf standörtlich geeigne-ten Flächen mit Vermehrungsgut der nächstge-legenen vitalen Populationen versorgt werden. Bei insektenbestäubten Gehölzarten scheint der Genaustausch zwischen den Populationen über Biotop-/Populationsverbünde auch über weitere Distanzen realistisch.Trotz der Konzentration auf das Spektrum der in-situ-Maßnahmen ist die parallele Sicherung der wichtigsten Genotypen in weiteren ex-situ-Er-haltungsquartieren abseits von Kulturobstplan-tagen zukunftsweisend. Diese fehlen vor allem in Norddeutschland. Trotz ihrer höheren Startin-vestitionen erleichtern ex-situ-Anlagen die Über-wachung der Vitalität und Fruktifikationen und dienen letztendlich auch der Saatgutproduktion.

Gesamtbewertung Abundanzklasse Altersstruktur- Qualitäts-klasse

Durchschnittliche Vitalität

sehr gut (1) >= 7 <= 1 < 1

gut (2) >= 6 <= 2 1 – 1,49

geschwächt (3) >= 5 <= 3 1,5 – 1,99

bedroht (4) - <= 4 2 –2,29

absterbend (5) - - ≥ 2,3

Tab. 6: Bewertungskriterien für die integrative Gesamtbewertung der Vorkommen (in-situ-Erhaltungsfähigkeit)Table 6: Criteria for the integrative overall classification of populations (in-situ suitability for preservation)

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