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CORTINA IM HERBST 17 11/2004 Ein Stück Dolomiten, eine dicke Portion Italien – nicht nur ein Wintersport-Paradies. Ob für stille Wanderungen oder heiße Fels- Abenteuer – der Ort im Veneto ist ein edles Stück vom Himmel. GRANDE DAME – AUSSERIRDISCH! Cortina besitzt nicht nur die wahrscheinlich schönsten Berge der Welt, Cortina liegt auch am Meer und Cortina schwebt im Weltall. Cortina ist außerdem sehr gefährlich: Man könnte danach süchtig werden. Text: Sabine Holzknecht Fotos: Stefano Zardini Großer Name, luftiger Steig: Ausschnaufen und Ausschauen am Felsenband in der Ferrata Dibona. Cortina

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CORTINA IM HERBST

1711/2004

Ein Stück Dolomiten, eine dickePortion Italien – nicht nur einWintersport-Paradies. Ob für stilleWanderungen oder heiße Fels-Abenteuer – der Ort im Veneto istein edles Stück vom Himmel.

GRANDE DAME – AUSSERIRDISCH!

Cortina besitzt nicht nur die wahrscheinlich schönsten Berge der Welt,

Cortina liegt auch am Meer und Cortina schwebt im Weltall.

Cortina ist außerdem sehr gefährlich:Man könnte danach süchtig werden.

Text: Sabine Holzknecht Fotos: Stefano Zardini

Großer Name, luftiger Steig:Ausschnaufen und Ausschauen am Felsenband

in der Ferrata Dibona.

Cortina

1911/2004

IM ZENTRUM DERADRENALINKÜCHE

Mit etwa 110 Stundenkilometern der Schwerkraft und dem

Spieltrieb folgen –im Sommer läuft der Taxi-Bob auf

vier Rädern.

E ine Minute kann verdammt lang sein.Vor allem, wenn einem vor lauterAufregung der Atem stockt und die

Beschleunigung so gewaltig ist, dass manden Kopf kaum mehr aufrecht auf denSchultern halten kann. Die rote Metall-kapsel des Vierer-Bobs schießt wie einProjektil mit einer Geschwindigkeit von110 Stundenkilometern durch die aalglatteBahn. 65 Sekunden später steigt der ehe-malige Nationalmeister Americo Angaranlächelnd aus. Die drei Passagiere folgenihm benommen und mit weichen Knien.

Das Cortina Adrenalin Center ver-spricht hundert Prozent pures Adrenalin.Das hält es auch. Eine seiner Hauptattrak-tionen ist der Kick, der sich hinter demharmlosen Namen „Taxi-Bob“ verbirgt,nämlich ein originaler Vierer-Bob, der imSommer auf Rädern die Zementschale derolympischen Bobbahn von Cortina hi-nunterdonnert – die einzige Einrichtungdieser Art weltweit. Selbstredend kannman da auch sämtliche weiteren Adrenalintreibenden Aktivitäten buchen: Canyoning,

Das reine Felsvergnügen „Spigolo Sass Stria“ hoch über dem Falzaregopass.

CORTINA IM HERBST

CORTINA IM HERBSTIl Pomagagnon, 2450 m

Monte Cristallo, 3221 m

La Punta Fiames, 2240 m

Observatorium – Cortina greift nach den SternenEin Besuch im Observatorium von Cortina istein ganz besonderes Erlebnis. Auf knapp

2000 Meter Höhe gelegen und durch dieBerge von Lichtquellen größerer Städteabgeschirmt, kann man von der Sternwartesensationelle Blicke in das Universum ge-nießen. Etwa einmal pro Woche gibt es einen

1956 aber widmete man sich in Italien mitganzem Einsatz der Ausrichtung.Mit erheblichen finanziellen Mitteln ausdem Fußball-Toto wurden moderneSportstätten errichtet – denen aberzunächst eines fehlte – der Schnee.Unzählige Lastwagen karrten die weißewichtige Unterlage unermüdlich heranund mussten sie, weil es am Eröffnungstag

Hatte nichts zu bestellen: Das US-Eislauf-Paar, die Goldmedaille holten die Öster-reicher Elisabeth Schwarz und Kurt Oppelt.

Auf Tuchfühlung mit der Milchstraße:das Observatorium von Cortina.

so stark wie kaum zuvor schneite,schließlich wieder wegschaffen.Bei der großen Eröffnungsfeier hätte es zueiner Panne kommen können, als der letz-te Fackelläufer über ein Kabel im Eis-stadion stürzte. Aber die Flamme erloschnicht. Zum ersten Mal sprach eine Frau,die alpine Skiläuferin Giuliana Chenal-Minuzzo, 1952 Dritte in der Abfahrt, denOlympischen Eid.Die Sonthofenerin Ossi Reichert gewannim Riesenslalom die einzige Goldmedaillefür die deutsche Mannschaft, die erstmalsals gesamtdeutsches Team an den Startging. Der ostdeutsche Skispringer HenryGlass gewann Bronze.Einen Zuschauerskandal gab es um dasdeutsche Eiskunstlauf-Paar, die erst zwölf-jährige Marika Kilius und Franz Ningel, dasvom Preisgericht nur auf Rang vier gesetztwurde. Die empörten Zuschauer warfenmit Orangen und Chiantiflaschen …

„Sternenabend“. Infos und Anmeldung beimRifugio Col Druscié, Tel. 0039/0436/86 23 72oder 0039/340/580 72 50 (nach Luca fragen).

Olympia 1956 – Zuschauer warfen mit ChiantiflaschenCortina d’Ampezzo war schon 1944 alsAustragungsort der Olympischen Winter-spiele vorgesehen, als die Spiele wegendes Krieges ausfallen mussten.

Lino LacedelliVor 50 Jahren, am 31. Juli 1954, gelangdem Cortinesen Lino Lacedelli zusammenmit Achille Compagnoni die Gipfel-

besteigung des schwierigsten Acht-tausenders, des 8616 Meter hohen K 2.2004 stand Neffe Mario Lacedelli am selben Punkt, sein Onkel Lino besuchte die „Scoiattoli“-Expedition im Basislager.

Walter Bonatti und der K 2Der junge, kraftstrotzende Walter Bonattischrieb zusammen mit Compagnoni undLacedelli Alpingeschichte. Und da geht esnicht nur immer um große Herzen, son-dern auch manchmal um ziemlich übleMachenschaften. Die ganze Geschichte istauf Seite 28 nachzulesen.

Vor genau 50 Jahren: Lino Lacedelli war1954 erfolgreich am K 2.

Gewann alle drei Skirennen, Toni Sailer ausÖsterreich, der „schwarze Blitz von Kitz“.

CORTINA … NICHT NUR IM OLYMPISCHEN HIMMEL …

Dunkle Schatten über der K2-Expedition:mit dabei, Walter Bonatti.

2111/200420 11/2004

CORTINA IM HERBST

22 11/2004

Hydrospeed, Kajak, Wasser- oder Snow-Rafting. Cortina ist bestens gerüstet füreinen jungen, modernen, dynamischenTourismus.

Die Grande Dame der Dolomiten be-weist damit ihre erstaunliche Wandlungs-fähigkeit. Ehemals bevorzugtes Ziel eineräußerst gediegenen Klientel, ist sie heuteAnziehungspunkt einer sportlichen, jun-gen, aktiven Kundschaft. Umgeben von dereleganten Tofana, dem mächtigen Cristallound dem zackigen Sorapiss, liegt Cortinaohne Zweifel in einer der schönstenMulden der Welt. Natürlich hat Cortinaihr Gehabe als Grande Dame nicht abge-legt. Es gibt sie noch, die superfeinen Ho-tels, deren Gästeliste sich wie ein Who-is-who der „Italia dello spettacolo“, der ara-bischen Ölmagnaten und der europäischenKönigshäuser liest: Etwa das neu renovier-te Hotel Cristallo, in dem ein Zimmer mitFrühstück zur Hochsaison 1350 Eurokostet, oder das alteingesessene HotelAncora mit seinen goldenen Wasserhäh-nen oder das legendäre Hotel de la Poste,das bereits seit 1835 Gäste beherbergt.

Doch daneben hat der 6000-Ein-wohner-Ort, der jedes Jahr mehr als

1,3 Millionen Gäste beherbergt, auch eineganze Reihe ganz normaler und erschwing-licher Unterkünfte zu bieten. Cortina istexklusiv, was seine Schönheit angeht, Cor-tina ist exklusiv, was seinen weltberühmtenNamen angeht, aber Cortina ist nichtunbedingt exklusiv, was seine Preise an-geht. Und das, obwohl es sich gemeinsammit elf weiteren Sportorten internationa-len Renommees das Attribut „Best of the

Alps“ teilt. Im illustren Kreis vertreten sindfür Frankreich Chamonix und Megève, fürdie Schweiz St. Moritz, Davos, Grindel-wald und Zermatt, für DeutschlandGarmisch-Partenkirchen, für ÖsterreichLech, Seefeld, Kitzbühel und St. Antonund für Italien einzig und allein Cortina.

Das Städtchen lebt. Wer um sechs odersieben den eleganten Corso Italia zurPiazza Venezia entlangflaniert, wird fest-stellen, dass die Leute um diese Zeit nicht

wie in anderen Bergorten zu Tisch sitzen,um ihre Halbpension einzunehmen, son-dern das tun, was Italiener nun mal mitgroßer Vorliebe tun: ratschen, lachen,Aperitivi schlürfen, shoppen.

Im Gegensatz zu manch anderem al-penländischen Sportort ist Cortina selbstim sportlichen Gewand immer elegant.Und gerade das ist das Bezaubernde anCortina: die Kombination aus dolce vitaund kühnstem Alpinismus.

Ausgeprägtestes Sinnbild des Bergstei-gertums ist die Gilde der Scoiattoli, derEichhörnchen. 1939 gegründet, waren dieScoiattoli von Anfang an eine Gruppe, dienur die mutigsten und besten AlpinistenCortinas aufnahm. Das rote Symbol mitdem weißen Eichhörnchen tragen zu dür-fen, gilt immer noch als hohe Auszeich-nung, die heute nur 66 Cortinesen besit-zen, darunter sechs Frauen. Hunderte undHunderte von Erstbegehungen in denDolomiten gehen auf das Konto derScoiattoli, die in Wirklichkeit besser klet-tern können als ihr Wahrzeichen. Klette-reien im alpinen zehnten Grad – also prak-tisch durch Wände, die für einen Normal-sterblichen weder Griffe noch Tritte haben

und noch dazu überhängend sind – sind fürsie kein Tabu.

Dabei erschienen die Dolomiten ver-gleichsweise spät auf der Landkarte desAlpinismus. Mont Blanc und Großglock-ner waren bereits bestiegen, da hatte dasGebirge zwischen Eisack und Piave gerademal seinen Namen bekommen. Pikanter-weise von einem französischen Landade-ligen und Geologen. Déodat de Dolomieusammelte 1789 auf einer seiner Reisennach Italien im Trentino einige Steine.Zurück in Frankreich entdeckte er denUnterschied zwischen Kalkstein und ebendiesem Gestein. Es wurde ihm zu Ehren„Dolomit“ getauft, und der Teil der Alpen,wo die Berge aus Dolomit bestehen, hie-ßen fortan „Dolomiten“.

Cortina lag früher einmal am Meer.Herrliches warmes Wasser breitete sichhier aus, das dem der heutigen Karibikähnelte und Riffe und Atolle besaß. SpätereVulkanausbrüche bildeten unzähligeInseln, auf denen Tropenwälder entstan-den. Fossilisierte Pflanzenblätter – etwadas der Bananenstaude – und fossilisierteTiere – etwa Seeanemonen, Korallen undMuscheltiere –, die sich heute in den

STUCK, STYLE &STRACCIATELLA

Von allem eine doppelte Portion:Der alte Glanz der italo-alpinen

Architektur beherbergt nicht seltenModegeschäfte, die auch in Paris oder

Rom gut mithalten könnten. Und was derSchnee im Winter, ist Gelato im Sommer.

Auf dem Friedensweg, „Sentiero de la pace”, geht es durch die Tofanen. Links im Vordergrund die Cinque Torri , dahinter erhebt sich die Tofana di Rozes.

Cortina im Kreis der Besten:Chamonix, Garmisch-Partenkirchen,

St. Moriz, Davos, Zermatt,Grindelwald, Kitzbühel.

CORTINA IM HERBST

Dolomiten finden lassen, zeugen davon.Als sich dann vor etwa 60 Millionen Jahrendie europäische und die asiatische Konti-nentalplatte übereinander schoben, wuchsendie Dolomiten aus dem Wasser empor –Kalkablagerungen, teilweise einige hundertMeter dick. Sie erodierten im Laufe derJahrmillionen zu jenen bizarren Formen, diedie Dolomiten heute so einzigartig machen.Im Paläontologischen Museum „RinaldoZardini“ in Cortina kann man die Beweis-stücke dieser Entwicklung bestaunen.

Wenig schmeichelhaft bedeutet Cortinanichts anderes als „Friedhof“. Cortina be-

zieht seinen weltberühmten Namen vonder alten Friedhofsmauer, die einst dasDorfende markierte.

Die Geschichte des Ortes reicht weitzurück. Immer wieder war Cortina dabeiZankapfel zwischen Nord und Süd. 1420schickten die Cortinesen deshalb einenDelegierten zum damals mächtigstenMann des Abendlandes, zum Dogen vonVenedig, und baten, der Republik Venedigbeitreten zu dürfen.

Der Doge nickt und im Schatten desLöwen von Venedig erlebt Cortina fast

hundert Jahre des Friedens. Im Sommerarbeiten die Cortineser in den Feldern, imWinter als Gastarbeiter in der weltbe-rühmten Lagunenstadt.

Als Maximilian von Österreich 1511Venedig besiegt, kommt Cortina zumHabsburger-Reich, wo es die nächsten vier-hundert Jahre bleiben wird, bis zum Endedes Ersten Weltkriegs. Während derWirren der napoleonischen Kriege gehörtCortina für kurze Zeit zum KönigreichItalien und kehrt dann wieder heim an denTiroler Busen. Dies hat durchaus erfreu-liche Folgen für Cortina, denn die Habs-burger möchten nun die Distanz zu denProvinzen so schnell wie möglich durchden Bau einer Straße verringern. 1833 wirddie kühne „Strada d’Alemagna“ eingeweihtund mit ihr werden die Türen für denmodernen Tourismus geöffnet. Am 15.August 1851 ist der Ferragosto-Tourismusin Cortina bereits so gediegen, dass dieEinführung eines Gästebuchs für Hotelsverpflichtend wird.

Es beginnt die Zeit des Alpinismus.Der Engländer John Ball, Präsident desAlpine Clubs, besteigt 1857 als erster den3168 Meter hohen Pelmo, der WienerPaul Grohmann legt gleich eine ganze Se-rie an Erstbesteigungen hin: Tofana diMezzo, Antelao, Tofana di Rozes, Sorapiss,Cristallo. Und die illustrierten Reiseschil-derungen der beiden Engländer Gilbertund Churchill und ihr Buch „The Dolo-mite Mountains“ machen das schöne Ge-birge in der gesamten angelsächsischenWelt bekannt.

Im Sommer 1900 hat Cortina bereits17 Hotels mit 530 Betten und mehr als7000 Gäste. Und die unverhältnismäßigmilden Temperaturen locken die interna-tionale Hautevolee nun auch im Winterauf die Sonnenterrassen Cortinas. DieVormachtstellung von St. Moritz fällt.

Der Traum vom glänzenden Sportortist allerdings im Juli 1914 jäh zu Ende. DieSkilehrer, die Hotelboys, die ZuckerbäckerCortinas werden an eine Front geschickt,die ebenso grausam wie absurd ist. Sie ver-läuft quer durch die Dolomiten: DieItaliener besetzen die Gipfel, die Österrei-cher die Pässe. Ganze Berge wie etwa derLagazuoi werden ausgehöhlt wie riesigeEmmentaler-Laibe. Die Linie, um die 29

Cinque Torri – Torre Grande.Die Felsformation „Trephor“ im Bereich der elf Felsnadeln der Cinque Torri ist

im Juni bei einem gigantischen Felssturz in sich zusammengefallen

(s. a. ALPIN 8/2004).

Akrobatischer Frühsport

im berühmten Kletterrevier Cinque Torri.

EICHHÖRNCHENUND TYPEN

Ob die Eichhörnchen („Scoiattoli“) denK2 besteigen oder ob die Cortinesische

Vertikal-Elite den Kirchturm stürmt,geländegängige Typen trifft man (frau)

nicht nur am Berg, sondern auch in Cafés und Bars.

CORTINA IM HERBST

26 11/2004

Anzeige1/1 SeiteSympatexMonate lang gekämpft wird, hat sich am

Ende des Krieges nur um ein paar unwe-sentliche Meter unfruchtbare Dolomiten-Felsen verschoben und ist zum Schlussohnehin ohne Bedeutung, denn die Staats-grenze wird nach Norden verlegt, entlangdes Alpenhauptkamms. Das ohnehin italie-nischsprachige Cortina wird italienisch.

1924 baut Baron Carlo Franchetti dieerste Seilbahn, die direkt vom PfarrplatzCortinas hinaufführt auf den AussichtsbergPocol. Von dort fahren die Cortineser mitden Ski wieder hinab ins Dorf und machen,wie sie es nennen, einen „pocolino“.

Die dreißiger Jahre mit ihrer faschisti-schen Hochstilisierung alles Sportlichenwaren für Cortina goldene Jahre. 1935 wirddie Skipiste Duca D’Aosta fertig gestellt,die mit einer Länge von viereinhalb Kilo-metern über die Tofana führt und als „per-fekteste Abfahrtspiste Europas“ gefeiertwird. 1939 weiht Duce-Tochter EddaMussolini die Faloria-Seilbahn ein, eine derkühnsten ingenieurtechnischen Errungen-schaften seiner Zeit. Ski-Metropole ist mitt-lerweile ein gängiges Synonym für Cortina.

Dann greift die brutale Zange desZweiten Weltkriegs zu, in Cortina sieht

man höchstens noch ein paar hohe Tieredes Faschismus, später der Wehrmacht.Die Olympischen Winterspiele, die für1944 geplant waren, werden abgesagt.

Sie werden erst 1956 ausgetragen. Essind die ersten Olympischen Spiele inItalien und fast die ganze Nation arbeitetund fiebert mit. Das Olympische Feuerwird in Rom vom Papst gesegnet, wandertden Halbstiefel hinauf und versetzt auf sei-nem Weg die Menschen in ein wahresSport-Delirium. Cortina gibt sich hoch-modern, souverän und sehr fortschrittlich.Zum ersten Mal in der Geschichte desSports verliest eine Frau den OlympischenEid. Der Event wird ein voller Erfolg.Allein auf der Eis-Schnelllaufbahn, die aufder zugefrorenen Oberfläche des Misu-rina-Sees errichtet wird, werden 73 neuenOlympische Rekorde gesetzt. Die größteSensation ist der österreichische SkiläuferToni Sailer, der gleich drei Goldmedaillengewinnt.

Waren die Olympischen Winterspiele1956 ein Ereignis, das Cortinas Ruf alseinen der besten Wintersportorte schlecht-hin etablierte, so hatte zwei Jahre zuvor einnoch einmaligeres Ereignis Italien den

Wandern, Tagestouren, Klettersteige – als Urlaubsort für Landschaftsenthusiasten hat Cortinaauch etwas für wenige Nachahmer und viele Zuschauer parat: Action an den Cinque Torri.

HÄUSER NAH AM HIMMEL

Wer sich bis zu ihnen heraufwagt, derwird nicht nur durch göttliche Labung,

sondern auch noch mit Ausblicken (oben Rifugio Lorenzi unten Rifugio

Pomedes) belohnt, die – einfach himmlisch sind.

CORTINA IM HERBST

28 11/2004

Aussichtsreiche Bergwanderungen, knackige Eisenwege und genussvolle Kletterrouten in bestem Fels rund um Cortina d’AmpezzoiDie Ampezzaner Dolomitenbieten viele Touren in jedemSchwierigkeitsbereich, egal obKletterrouten, Klettersteigeoder Wanderwege für Familien.

Anreise: Pkw: A 22 bis AusfahrtFranzensfeste/Brixen. In das Pus-tertal bis nach Dobiaco/Toblach.Über Höhlensteintal nach Cortina.Bahn: Von Franzensfeste bis Tob-lach, weiter mit dem Bus.Info: APT Dolomiti,Tel. 0039/0436/32 31.www.apt-dolomiti-cortina.itwww.cortina.dolomiti.orgHütten: Rif. Biella, 2350 m,Tel.0039/0436/86 69 91; Rif. Giussani,2600 m,Tel. 0039/0436/57 40; Rif.Dibona, 2000 m,Tel. 0039/0436/86 02 94; Rif. Duca D’Aosta, 2060 m,Tel. 0039/0436/27 80; Rif. Lagazuoi,

2750 m,Tel. 0039/0436/86 73 03,Rif. Pomedes, 2340 m,Tel. 0039/0436/86 20 61,Rif.Son Forca,2235 m,Tel. 0039/0436/86 61 92, Rif.Lorenzi, 3003 m,Tel. 0039/0436/86 61 96, Malga ra Stua, 1609 m,Tel. 0039/0436/57 53; Rif. Palmieri,2066 m ,Tel. 0039/0436/86 20 85;Rif. Nuvolau, 2575 m,Tel.0039/0436/86 79 38; Rif. CinqueTorri, 2137 m,Tel. 0039/0436/9202,Rif. Scoiattoli, 2280 m,Tel. 0039/0436/86 79 39, Rif.Averau, 2416 m,Tel. 0039/0436/61728, Rif. Vandelli, 1926 m,Tel.0039/0425/390 15.Bergführer: Guide Alpine diCortina, Tel. 0039/0436/86 85 05,www.dolomiti.org/guidecortinaKarten: Freytag & Berndt-Wanderkarten, Maßstab 1: 50 000,Blätter S5, S10 und S15.

TOURENGesamtzeit 4 Höhenmeter 4 Schwierigkeit (s. S. 96)

Wanderungen

Nuvolau und dieCinque Torri3 1/2 Std.4 350 Hm4leicht <Für Genießer und historischInteressierte.Ausgangs/Endpunkt: ParkplatzCinque-Torri-Sessellift .Route: Lift zum Rif. Scoiattoli.Über einen Rücken zur ForcellaNuvolau und zum Rif. Averau.Sanft zum Nuvolau. Rückkehrzum Rif. Scoiattoli auf demselbenWeg. Ab hier können nun aufeinem neuen „Freilicht-Museum-Parcours“ die Cinque Torri halbumrundet werden. Durch Waldund zurück zum Parkplatz.

Sorapisssee, 1923 m4 1/2 Std.4400 Hm4mittel <Zum Auffangbecken derGletschermilch.Ausgangs/Endpunkt: Passo TreCroci.Route: Der Weg zweigt 200 m öst-lich des Passo Tre Croci bergab, anResten alter Stellungen vorbei. Anden Wänden der Cime Malquoiraentlang zur Forcella Malquoira.Hier in teilweise gesichertesGelände. Weiter zur Vandelli-Hütte. Rückkehr wie Aufstieg.

Um die Croda da Lago5 Std.4 760 Hm 4 mittel <Wanderklassiker vom Feinsten.Ausgangs/Endpunkt: Ponte diRucurto, Straße zum Passo Giau.Route: Unterhalb der Brücke inden Wald. Zur Nordschulter des

Ruhm einer Top-Bergsteiger-Nation ein-gehandelt. Denn einer italienischen Expe-dition war ein großer alpinistischer Coupgelungen: die Erstbesteigung des schwie-rigsten aller Achttausender, des K 2 in Pa-kistan. Um 17 Uhr 50 des 31. Juli 1954 er-reichten der Cortinese Lino Lacedelli undder Valtellinese Achille Compagnoni den8616 Meter hohen Gipfel.

Die Eroberung des K 2 war ein Hel-denstreich, aber auch ein hochdramati-sches Intrigenspiel, das die italienischeÖffentlichkeit in den folgenden Jahr-zehnten bis heute bewegt. Angeführtwurde die italienische Expedition durchden Geologen Ardito Desio, der bereits1929 an einer wissenschaftlichen Ex-pedition auf der chinesischen Seite des K 2teilgenommen hatte und den Ruf genoss,ein gewaltiger Despot zu sein. Sein Aug-apfel war Compagnoni, der gemeinsammit dem Valdostaner Ubaldo Rey für denGipfel vorgesehen war. Doch auf über7000 Meter Höhe, zwischen Lager siebenund acht, macht Rey schlapp. Wer hinge-gen außergewöhnliche Kraft, Ausdauerund Kühnheit an den Tag legt, sind diebeiden Underdogs Lino Lacedelli undWalter Bonatti. In Lager acht teilt sich dieMannschaft: Lacedelli und Compagnonigehen voraus, um Lager neun, das letztevor dem Gipfel, einzurichten, Bonatti wirdzurückgeschickt zu Lager sieben, um vondort gemeinsam mit dem pakistanischenTräger Mahdi zwei Sauerstoffflaschen zuholen und zum Lager neun zu tragen.

Nun beginnt die Geschichte äußerstundurchsichtig zu werden. Denn als Com-pagnoni und Lacedelli am Nachmittag des30. Juli zu der für Lager neun bestimmtenStelle kommen, besteht Compagnoni da-rauf, noch einen gefährlichen Quergang zumachen und das Lager wesentlich weiterlinks aufzubauen. Lacedelli, der ohnehinnicht viel zu melden hatte, muss einwilli-gen. Compagnoni begründet seine eigen-willige Entscheidung damit, dass der ver-schobene Lagerplatz sicherer sei. Das Ge-genteil ist der Fall. Die Wahrheit ist viel-mehr, dass Compagnoni Angst hatte, derzehn Jahre jüngere, bombenstarke Bonattikönnte ihm den Gipfel wegschnappen. Alsam selben Abend Bonatti und Mahdi völligerschöpft mit den schweren Sauerstoff-

flaschen die Stelle von Lager neun errei-chen, können sie das Zelt nicht finden.Ohnehin schon am Ende ihrer Kräfte,müssen sie auf knapp 8000 Metern Höheim Freien in einer Schneehöhle biwakie-ren. Am folgenden Morgen lassen sie dieFlaschen zurück und wanken zurück insLager acht. Compagnoni und Lacedelliholen den Sauerstoff und machen sich aufden Weg zum Gipfel. Auf 8500 Metern istder Sauerstoff zu Ende. Als weiteres Handi-cap kommt hinzu, dass ihre Hände aufgrundder großen Kälte bereits so gefühllos sind,dass es ihnen nicht gelingt, den Karabiner zuöffnen, um sich die 18 Kilo schwerenFlaschen abzuschnallen und sie diese so bisauf den Gipfel schleppen müssen.

Am Gipfel verliert Compagnoni einenHandschuh, Lacedelli gibt ihm seinen.Zurück in Cortina muss ihm dafür einDaumen amputiert werden.

Trotz des Schattens, der auf der Expe-dition liegt, glaubt man an LacedellisUnschuld und feiert ihn in Cortina bisheute. „Thank you Mr Lino“, liest man ansämtlichen Ecken Cortinas, und „Thankyou Scoiattoli“. Denn zum 50-jährigenJubiläum der K2-Eroberung wiederholtendie Scoiatolli Lacedellis große Tat undbestiegen erneut den K 2, mit am Gipfelwar Linos Neffe Mario! Der mittlerweile79-jährige Lino besuchte sie im Basislagerund sprach ihnen Mut zu.

Während all das passiert, schwebt 150Millionen Kilometer von der Erde entferntlautlos ein zweites Cortina durch das dunk-le All. Ein gelber Ball mit einem Durch-messer von fünf Kilometern – der kleinePlanet wurde am 28. Januar 2000 vom As-tronomen Alessandro Damai am Osserva-torio Astronomico von Cortina entdeckt.Wenn in Cortina die letzten Nachteulenim Bett liegen und die Frühaufsteher nochschlafen, richtet Alessandro auf der Suchenach Supernovae sein Teleskop in denSternenhimmel. Hin und wieder verweiltsein Blick auf dem „pianetino” Cortina.

Und dann überlegt Alessandro, dassdie Zeitspanne seit der Entstehung Cor-tinas bis heute mit ihrer wechselseitigenGeschichte in der Zeitrechnung, welchefür das Weltall maßgeblich ist, wahrschein-lich nicht mal so lang ist wie eine Minute.Verdammt kurz. ▲

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CORTINA IM HERBST

30 11/2004

Croda-da-Lago-Kamms. ZumLago Fedara und zum Rif. Pal-mieri. Zur Forcella Ambrizzola. Inder Scharte rechts, über eineMulde zur Forcella de Formin.Zurück talauswärts. An der Weg-kreuzung links auf Anstiegswegzurück zur Passo-Giau-Straße.

Kleiner Lagazuoi,2778 m

3 1/2 Std.4670 Hm4mittel <Außen hoch und innen runter.Ausgangs- und Endpunkt:Passo Falzarego.Route: Ab Passo Falzarego derMarkierung 402 auf der Skipistefolgen, dann links (Tafel) über Ge-röll zu alten Schützengräben undsteil zu den Felsen. Über Hänge-brücke quert man eine Schlucht.Teilweise gesichert zu Westgratund Rif. Lagazuoi. Rückweg überden Stollen (Lampe!), durch denLagazuoi hinab bis Wandfuß.Weg 402 zum Passo Falzarego.

Klettersteige

Tofana di Rozes,3225 mVia Ferrata Giovanni Lipella7 1/4 Std. 41135 Hm4mittel <Ausgangs- und Endpunkt: Rifu-gio Dibona. Von Cortina zum Pas-so Falzarego, nach acht Kilome-tern rechts Abzweigung, diedirekt zur Hütte führt.Zeiten: 1 1/2 Std., Klettersteig 4 Std., Abstieg 1 3/4 Std.Route: Die Ferrata GiovanniLipella überquert die mächtigeTofana di Rozes auf einer Längevon zwei Kilometern von Südennach Norden. Der Zustieg führtzum Eingang des Stollens (Lam-pe!), der den Wechsel von dereinen Wandseite zur anderenermöglicht. Der weitere Aufstiegerfolgt über ein System aus Stufen,Bändern und Amphitheatern.Abstieg: In einer Stunde vomGipfel zur Giussani-Hütte, vondort zurück zum Rif. Dibona.

Tofana di Mezzo,3244 mVia Ferrata Giuseppe Olivieri7 1/2 Std.41200 Hm 4schwierig <Ausgangs- und Endpunkt: Rifu-gio Dibona (siehe Tour 5).Zeiten: 1 Std., Klettersteig 4 Std.,Abstieg 2 1/2 Std.Route: Über den Grat auf Neben-gipfel der Punta Anna. Von hierauf den Rücken des Dritten Po-medes-Turm und über Hangel-passage zum Felsloch Bus de Tofa-na. Über Stufen auf den Gipfel.Abstieg: Zum Rif. Giussani undweiter zum Rif. Dibona.

Punta Fiames, 2240 mVia Ferrata Albino Michielli Strobel5 Std.4 950 Hm 4 mittel <Ausgangs- und Endpunkt:Parkplatz am Gasthof Fiames.Zeiten: 1 Std., Klettersteig 3 Std., Abstieg 1 Std.Route: Gegenüber vom GasthofFiames erst ein kleiner Pfad, der

einen Weg kreuzt und rechts aufeinen Steig abzweigt. Nach zehnMin. links zum äußersten linkenRand eines großen Bandes. DerSteig folgt einem System vonPlatten und Kaminen, später zueiner Schuttrinne.Abstieg: Schuttabfahrt über dieRinne des Pomagagnon.

Cristallino d’Ampezzo,3008 m

Sentiero Ferrato Ivano Dibona6 Std.4200 Hm im Aufstieg,41650 Hm im Abstieg4mittel<Ausgangspunkt: Rifugio Lorenzi.Zur Hütte mit dem Sessellift SomForca und der Gondelbahn.Zeiten: 5 Min. Zustieg, 5 Std.Klettersteig, 1 Std. Abstieg.Route: Von der Liftstation aufden Kamm, zur Hängebrücke. Eheder steile, gut gesicherte Abstiegin die Forcella Grande beginnt,Möglichkeit zu einem Abstecher(10 Min.) auf den Cristallino. Der

Weg schneidet in einem Band dieSüdflanke der Cresta Bianca biszur westlichsten Erhebung desCristallostockes, Col di Stombi.Abstieg: Nach Ospitale, von dortmit dem Bus nach Cortina.

Kletter-Genusstouren

Kleiner Lagazuoi,Südwestwand,„Via del Buco”, IV

1/2 Tag 4 250 Hm 4 mittel <Kurzer Zustieg, sonnig, besterFels, optimale Absicherung.Zustieg: In 15 Min. vom ParkplatzPasso Falzarego.Route: Die Wand links derSeilbahn wird von einemKaminsystem durchzogen. Die„Via del Buco” zieht sich links voneinem auffälligen Kamin in griffi-gem Plattenkalk empor. Nachfünf herrlichen Seillängen (durch-gehend IV) erreicht man einBand. Links-rechts-Schleife aufeine Rampe und zur Gratschulter.Abstieg: Nach W queren unddurch eine Rinne auf ein Bandabsteigen, das nach rechts in einegroße Rinne führt. Haken zumAbseilen, dann durch Rinne links-haltend zum Wandfuß zurück.

Cinque Torri – Torre Grande, SW-Wand,„Via delle Guide”, IV

1/2 Tag 4 140 Hm 4 mittel <Ein herrlicher Spielplatz fürKletterer jeder Schwierigkeit.Zustieg: Mit dem Auto bis zumRif. Cinque Torri, von dort 15 Min.Oder Sessellift zum Rif. Scoiattoli,von dort 10 Minuten.Route: Die „Via delle Guide” führtauf den Westgipfel der TorreGrande. Sie ist die leichtesteMehrseillängenroute. Der Fels istgriffig, die Absicherung perfekt.Die erste Seillänge ist am schwers-ten (IV), danach folgt spieleri-sches Gelände (II – III).

Abstieg: An der Nordseite 25 Meter auf ein Band abseilen,rechts weitere Abseilstelle (20 Meter). Zum Einstieg zurück.

Piccola di Falzarego,Südkante, IV+

1/2 – 1 Tag 4150 Hm 4mittel <Kurzer Zustieg, zementierteStandhaken, teilweise zementier-te Zwischenhaken.Zustieg: Parkplatz 1 km östlichdes Falzaregopasses (Talstationeines Liftes). 1/2 Std. Weg Rich-tung Falzaregoturm bis zu alterKaserne, Einstieg oberhalb.Route: Entlang der Südkante desKleinen Falzaregoturms. DreiSeillängen IV, drei weitereSeillängen III+, die letzteSeillänge II.Abstieg: Vom Gipfel nordwärtsab zur Abseilstelle. Pfadspurenführen zum Einstieg zurück.

HexensteinSüdkante, IV+

1/2 Tag 4 150 Hm 4 mittel <Sonnige Ausrichtung und dieFelsqualität sprechen für sich.Zustieg: Vom Parkplatz derSeilbahnstation am Falzarego-pass 1 km Richtung Valparola.Bei einem Felsblock beginnt derbezeichnete Weg, der an derSüdostseite des Hexensteins ent-langführt. Steigspuren führen anden Wandfuß der Südkante. Amlinken Rand einer Rinne ist derEinstieg.Route: Die Route verläuft rechtsentlang der Kantenschneide.Nach drei Seillängen ein Grat-absatz. Hier rechts haltend nacheiner weiteren Seillänge zuDurchschlupf, der zu einem Bandin der Südostwand führt. Durchdiese führt die schwierigsteSeillänge (IV+) zum Gipfel.Abstieg: Auf Normalweg nord-westseitig zum Valparolapasshinab (45 Minuten).

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Aussichtsreiche Bergwanderungen, knackige Eisenwege und genussvolle Kletterrouten in bestem Fels rund um Cortina d’Ampezzoi

Cortina aktiv, von der Familienwanderung bis zum Felserlebnis an den Cinque Torri

1 Nuvolau und Cinque Torri

2 Sorapisssee, 1923 m

3 Um die Croda da Lago

4 Kleiner Lagazuoi

5 Tofana di Rozes

Ferrata Lipella

6 Tofana di Mezzo

Ferrata Olivieri

7 Punta Fiames

Ferrata Strobel

8 Cristallino d’Ampezzo

Sentiero Dibona

9 Kleiner Lagazuoi, SW-Wand

J Cinque Torri – Torre Grande,

Südwestwand

K Torre Piccola di Falzarego,

Südkante

L Hexenstein, Südkante