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Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V. Postfach 26 02 44 . D-50515 Köln . Barbarossaplatz 2 . D-50674 Köln - Telefon: 02 21 / 23 54 73 . Telefax: 02 21 / 21 52 67 – e-mail: [email protected] Vorstand: Bankverbindung: Dr. Wilhelm Breuer (Vors.) Stadtsparkasse Köln Dr. Dietrich Engels Konto-Nr. 77 620 32 Dr. Werner Friedrich BLZ 370 501 98 Armutsbericht der Stadt Konstanz Bearbeitung: Dr. Dietrich Engels und Christine Sellin unter Mitarbeit von Sandra Horimbere und Miriam Martin ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. Köln, den 26. März 2002

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Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V. Postfach 26 02 44 . D-50515 Köln . Barbarossaplatz 2 . D-50674 Köln - Telefon: 02 21 / 23 54 73 . Telefax: 02 21 / 21 52 67 – e-mail: [email protected]

Vorstand: Bankverbindung: Dr. Wilhelm Breuer (Vors.) Stadtsparkasse Köln Dr. Dietrich Engels Konto-Nr. 77 620 32 Dr. Werner Friedrich BLZ 370 501 98

Armutsbericht der Stadt Konstanz

Bearbeitung:

Dr. Dietrich Engels und Christine Sellin

unter Mitarbeit von Sandra Horimbere und Miriam Martin

ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V.

Köln, den 26. März 2002

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Inhaltsverzeichnis Seite 1. Armutsberichterstattung auf der Grundlage eines mehrdimensionalen Konzepts der Lebenslage 1 1.1 Armut und Lebenslagen 2 1.2 Untersuchung der Lebenslagen in der Stadt Konstanz 6 1.3 Methoden der Armutsberichterstattung 10 2. Monetäre Armut und Sozialhilfebezug 12 2.1 Verteilung von Einkommen und Vermögen 12 2.2 Wohngeldbezug als Indikator niedrigen Einkommens 14 2.3 Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt in der Stadt Konstanz 15 2.4 Leben in der Sozialhilfe: Ergebnisse einer Analyse von Sozialhilfeakten 19 3. Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit 34 3.1 Wirtschaftliche Entwicklung und Entwicklung des Arbeitsmarktes 34 3.2 Arbeitskraftpotenzial unter den Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt 40 3.3 Vermittlungshemmnisse und Wege zur Selbstständigkeit 42 3.4 Hilfe zur Arbeit in Konstanz 46 4. Schulische Bildung und berufliche Qualifikation 51 4.1 Schulausbildung 51 4.2 Berufliche Qualifikation 55 5. Familiäre Netzwerke und deren Entlastung 56 5.1 Kinder und Jugendliche im Sozialhilfebezug 56 5.2 Sozialhilfe und Jugendhilfe 60 5.3 Einrichtungen für Kinder 62 5.4 Angebote der Kinder- und Jugendarbeit 64 5.5 Weitere Angebote 67 5.6 Der „Sozialpass“ als kommunales Instrument zur Entlastung von Familien 67 6. Wohnen und Wohnumfeld 73 6.1 Quantitative Versorgung mit Wohnraum 74 6.2 Wohnqualität 76 6.3 Wohngebiete in Konstanz unter sozialen und ökologischen Aspekten 77 7. Die Situation pflegebedürftiger Menschen 80 7.1 Umfang, Struktur und Entwicklung des Pflegebedarfs in Konstanz 80 7.2 Pflegerische Versorgungsstruktur 84 8. Personengruppen in besonders belasteten Lebenslagen 86 8.1 Hilfen nach § 72 BSHG im bundesweiten Vergleich 86 8.2 Besonders belastete Personen in Konstanz: Charakteristik und Hilfebedarf 87 8.3 Angebotsspektrum für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten 91 9. Empfehlungen zur Armutsbekämpfung in Konstanz 94 9.1 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 94 9.2 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 97 Anhang 107

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1. Armutsberichterstattung auf der Grundlage eines mehrdimensiona-len Konzepts der Lebenslage

Die Bekämpfung von Armut in den unterschiedlichen Ausprägungen, in denen sie in Erscheinung tritt, ist vor allem eine Aufgabe auf kommunaler Ebene, wo die Verantwor-tung für eine umfassende Daseinsvorsorge für Bürgerinnen und Bürger liegt. In einer Wohlstandsgesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland geraten Armuts-phänomene leicht aus dem Blick; dies hängt unter anderem damit zusammen, dass herkömmliche Armutsbilder, wie z.B. die in den 1950er und 1960er Jahren noch sicht-bare Altersarmut, sich verändert haben. Damit hat sich jedoch nicht die Armutsproble-matik insgesamt entschärft, sondern lediglich auf andere Lebenslagen und Problem-gruppen verlagert: Armutsbilder werden heute unter Anderem durch Langzeitarbeitslo-sigkeit, Alleinerziehung, Migration, Kinderreichtum, chronische Krankheit und Sucht-krankheit geprägt und weisen damit ein heterogenes und weit verzweigtes Profil auf. Städte und Gemeinden sehen sich diesbezüglich einer hohen und nicht leicht zu be-wältigenden Belastung ausgesetzt. Um diesen Formen von Armut aktiv begegnen zu können, ist eine differenzierte Kenntnis ihrer Ausprägungen und Ursachen erforderlich; nur auf einer hinreichend informativen und gesicherten empirischen Grundlage ist es möglich, Gegenstrategien spezifisch abzustimmen und vorausschauend zu planen. Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinderat der Stadt Konstanz das Institut für Sozi-alforschung und Gesellschaftspolitik e.V. beauftragt, einen Armutsbericht zu erstellen. Die Zielsetzung dieses Berichtes ist es, Strukturen sozialer Ungleichheit in Konstanz aufzuzeigen und Erkenntnisse für eine Armutsprävention zu liefern. Obwohl die Stadt Konstanz keine kreisfreie Stadt ist, weist sie doch eine Reihe von typisch „großstädtischen“ Merkmalen auf, und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer Bedeu-tung als regionales Zentrum, sondern auch hinsichtlich der sozialstrukturellen Belas-tungen. Hierzu gehören auch eine für baden-württembergische Verhältnisse ver-gleichsweise hohe Empfängerdichte der Hilfe zum Lebensunterhalt und entsprechend hohe Sozialausgaben.1 Der Sozialhilfebezug ist im Kontext von Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Bevölkerungsstruktur zu sehen. Bereits seit Jahren weist der Ar-beitsamtsbezirk Konstanz eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Baden-Württemberg auf. Weiterhin ist das soziodemografische Profil der Stadt durch eine ho-he Anzahl von allein lebenden Personen geprägt; deren einkommensschwacher Teil trat bereits bei früheren Analysen deutlich ins Blickfeld.2 Die großstädtische sozialstruk-turelle Belastung der Stadt wird durch die Kumulation weiterer Faktoren wie Universität

1 Dass die Stadt Konstanz eine doppelt so hohe Empfängerdichte aufweist wie der umge-

bende Landkreis, war eines der Ergebnisse eines Gutachtens, das das ISG im Auftrag des Landkreises Konstanz erstellt hatte; vgl. C. Sellin/ D. Engels, Gutachten zu Struktur und Rahmenbedingungen im Landkreis Konstanz, Köln 1999.

2 Ebd.

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und ihr Umfeld, Zentrum für Psychiatrie mit Umfeld, eine überproportionale Zuweisung von Aussiedlern und Asylbewerbern sowie die Grenznähe noch verstärkt. Der belasteten Sozialstruktur der Stadt Konstanz korrespondiert ein gut ausgebautes Netz an sozialen Einrichtungen einschließlich aktivierender Strukturen der „Hilfe zur Arbeit“. Die Aufgabe der Armutsberichterstattung besteht somit in einer detaillierten Analyse von • Belastungen in verschiedenen Lebensbereichen, • deren Erscheinungsformen und Ursachen, • den in besonderer Weise belasteten Bevölkerungsgruppen sowie • den vorhandenen Hilfestrukturen. Auf dieser Grundlage sind Ansatzpunkte zur Optimierung der kommunalen Armutsbe-kämpfung zu entwickeln. Bevor die Ergebnisse dieser Analysen dargestellt werden, sollen zunächst die zu Grunde gelegten Konzepte von „Armut“ und „Lebenslage“ sowie die methodische Vorgehensweise expliziert werden. 1.1 Armut und Lebenslagen Eine erste Annäherung an die Beschreibung von „Armut“ kann von dem Armutsver-ständnis ausgehen, das auf europäischer Ebene entwickelt wurde. Demnach gelten die Personen, Familien und Gruppen als arm,

„die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Mini-mum annehmbar ist“.3

Dieses Armutsverständnis bezieht sich auf die Ausgrenzung von einem gesellschaftlich akzeptablen, mittleren Lebensstandard in mehreren monetären und nicht-monetären Lebensbereichen. In vielen Studien, die an diese Definition anknüpften, wurde aber diese Mehrdimensionalität auf den monetären Aspekt verkürzt, da zum einen monetäre Armut häufig eine Unterversorgung auch in anderen Lebensbereichen zur Folge hat und zum andern dieser Aspekt eher auch statistisch messbar ist.4 Weitgehender Konsens besteht aber mittlerweile darüber, dass sich eine Armutsbe-richterstattung nicht nur auf materielle Armut und den Bezug von Sozialhilfe beschrän-ken darf, sondern auch nicht-monetäre Faktoren einbeziehen muss. Dieses umfassen-

3 Rat der Europäischen Gemeinschaften, Beschluss vom 19.12.1984, Abl. Nr. L 2/24 4 Hieraus ergab sich die bekannte Operationalisierung, der zu Folge „arm“ ist, wer über

weniger als 50% des durchschnittlichen äquivalenzgewichteten Nettoeinkommens ver-fügt.

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de Verständnis von Armut kommt im Konzept der „Lebenslage“ zum Ausdruck, das seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Sozialwissenschaft ausgearbeitet wurde und auch der Armuts- und Reichtumsberichterstattung auf nationaler Ebene als Leitprinzip dient.5 Dem Lebenslagenansatz liegt ein weit gefasstes Verständnis von Armut zugrunde, das neben den materiellen Lebensverhältnissen auch weitere Einflussfaktoren wie Bildung, Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Wohnsituation, Trennung und Alleiner-ziehung, soziale Netzwerke und anderes berücksichtigt.6 Zwar darf das Gewicht des finanziellen Faktors nicht übersehen werden – monetäre Armut hat auch innerhalb des Lebenslagekonzeptes einen zentralen Stellenwert und wirkt sich in anderen Dimensio-nen des Lebens aus; z.B. wohnen in Substandardwohnungen in der Regel Haushalte mit geringem Einkommen. Es gibt aber auch Defizite, die mit zusätzlichen finanziellen Mitteln nicht zu beheben sind: So wird z.B. im Falle von Ehescheidung und deren psy-cho-sozialen Folgen oder auch bei Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit und deren psycho-somatischen Folgen die Lebenslage von Faktoren bestimmt, die nicht unmittelbar mit dem Einkommen und Vermögen in Zusammenhang stehen. Ursprünglich wurde das Konzept der „Lebenslage“ mit unterschiedlichen Akzentuierun-gen formuliert: Otto Neurath, der diesen Begriff einführte, betont die Mehrdimensionali-tät der Lebensumstände und deren subjektive Perzeption, wenn er „Lebenslage“ defi-niert als den „Inbegriff all der Umstände, die verhältnismäßig unmittelbar die Verhal-tensweise eines Menschen, seinen Schmerz, seine Freude bedingen. Wohnung, Nah-rung, Kleidung, Gesundheitspflege, Bücher, Theater, freundliche menschliche Umge-bung, all das gehört zur Lebenslage ...“7 Gerhard Weisser legt in einer Weiterentwick-lung dieses Konzepts den Akzent stärker auf die Handlungsmöglichkeiten zur Realisie-rung von Lebenschancen; unter einer „Lebenslage“ versteht er den „Spielraum, den einem Menschen (einer Gruppe von Menschen) die äußeren Umstände nachhaltig für die Befriedigung der Interessen bieten, die den Sinn seines Lebens bestimmen.“8 In Anknüpfung daran wird das Lebenslagekonzept heute einerseits als Multidimensio-nalität der objektiven gesellschaftlichen Lebensbedingungen interpretiert und anderer-seits als subjektive Nutzung von Handlungsspielräumen auf der Grundlage der persön-lichen Fähigkeiten und Ressourcen, mit denen der Einzelne ausgestattet ist.9 Wie in 5 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Lebenslagen in Deutschland.

Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn 2001 6 D. Engels/ C. Sellin, Konzept- und Umsetzungsstudie zur Vorbereitung des Armuts- und

Reichtumsberichtes der Bundesregierung, Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Nr. 278, Bonn 1999

7 O. Neurath, Empirische Soziologie, 1931, zit. nach W. Glatzer/ W. Hübinger, Lebensla-gen und Armut, in: Döring/ Hanesch/ Huster 1990, S. 31 ff, hier S. 35

8 G. Weisser, Artikel „Wirtschaft“, in: W. Ziegenfuss (Hrsg.), Handbuch der Soziologie, Stuttgart 1956, S. 986

9 Zur aktuellen Diskussion vgl. D. Engels (Red. Bearb.), Tagungsdokumentation „Perspek-tiven der Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Deutschland“, hrsg. vom Bundesmi-

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den Anfängen der Konzeptentwicklung, so wird hier „Armut“ als eine Einschränkung von individuellen Handlungsspielräumen bzw. „Verwirklichungschancen“ verstanden; parallel dazu wird in Politik und Fachdiskussion aber auch das Verständnis von „Armut“ als gesellschaftlicher „Ausgrenzung“ verstanden, wie es in der Definition enthalten ist, die auf europäischer Ebene zur Orientierung dient.10 Wie man die Aufgabe der Armutsbekämpfung auch sieht: als eine Erweiterung von Spielräumen oder als eine Überwindung von Ausgrenzung, in jedem Falle stehen zu-nächst die monetären Ressourcen im Vordergrund. Ein regelmäßiges Einkommen in ausreichender Höhe, ergänzend auch Vermögenswerte, sichern nicht nur den tägli-chen Lebensunterhalt, sondern eröffnen auch Spielräume in der Gestaltung des Le-bensstils, der Freizeit, der Wohnsituation und anderem. Umgekehrt werden diese Spielräume eingeengt oder verschlossen, wenn die gesamten Einkünfte eines Haus-halts für den Lebensunterhalt nicht ausreichen. In diesen Fällen greift die Kommune mit sozialen Transferleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt unterstützend ein. Wenn materielle Armut aber nicht nur ein kurzer, vorüber gehender Ausnahmezustand ist, sondern eine sich verfestigende Lebenslage, so wirkt sie in andere Lebensbereiche hinein. Die Größe, Qualität und auch die Lage der Wohnung sind dann nicht mehr frei wählbar, sondern werden durch enge finanzielle Spielräume vorgegeben. Lebensstil, Kleidung und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung werden ebenfalls durch fehlende Ressourcen unmittelbar eingeschränkt. Bereits hier wird aber die Mehrdimensionalität der Armutsproblematik deutlich: Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen verstärken sich wechselseitig und führen zu einer komplexen Verflechtung von Belas-tungen und Barrieren, die insgesamt eine gesellschaftlich als „normal“ akzeptierte Le-bensweise verhindern. Dies wird um so deutlicher, wenn man versucht, die Ursachen von unzureichendem Einkommen zu rekonstruieren. Das System der Erwerbsarbeit bildet die zentrale Di-mension zur Erzielung eines Einkommens, das den angestrebten Lebensstandard er-möglicht (während größere Vermögen bzw. Kapitaleinkünfte als Alternative nur kleinen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen). Der Zugang zur Beschäftigung lässt sich aber nicht „erkaufen“, sondern ist an nicht-monetäre Kriterien wie schulische und beruf-

nisterium für Arbeit und Sozialordnung, Reihe Lebenslagen in Deutschland, Bonn 2002, hier insbesondere die Beiträge von J. Volkert: „Systematisierung der Armuts- und Reich-tumsmessung in Deutschland“, sowie W. Voges: „Perspektiven des Lebenslagekonzep-tes“.

10 Dies kommt u.a. in den europaweit erstellten „Nationalen Aktionsplänen zur sozialen In-klusion“ zum Ausdruck, die Maßnahmen zur Überwindung von Exklusionsmechanismen enthalten sollen.

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liche Qualifikation, psychische und physische Leistungsfähigkeit, das Vorliegen einer Arbeitserlaubnis, objektive Arbeitsmarktlage und subjektive Motivation gebunden. Die Übergänge von einem System zum anderen funktionieren nicht immer reibungslos: Die als „Output“ des Bildungssystems erreichten Qualifikationen können andere sein, als das Beschäftigungssystem als „Input“ benötigt. In Zeiten einer starken Nachfrage des Arbeitsmarktes nach gering qualifizierten Arbeitskräften können die Zugangsbe-dingungen in jeder Hinsicht (Qualifikation, Leistungsfähigkeit, Arbeitsberechtigung etc.) gering sein, ohne den Zugang auszuschließen. Umgekehrt kann es in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes erforderlich sein, dass in allen vorgelagerten Systemen ein optimales „Output“ erreicht wird, um überhaupt Zugangschancen zu erhalten. In diesem Fall wirken sich fehlende Schul- bzw. Berufsabschlüsse als gravierende Hemmnisse aus, weiterhin gesundheitliche Beeinträchtigungen wie eine Behinderung, eine chronische Krankheit oder Suchtkrankheit. Wem der Zugang ins Erwerbssystem nicht gelingt, weil eine oder mehrere dieser Einschränkungen auf ihn zutreffen, ist in erhöhtem Maße auch dem Risiko materieller Armut ausgesetzt. Abbildung 1:

Beschäftigung

Lebens-standard

Bildung Gesundheit

Familie,soziales Netzwerk bürgerliche

Rechte

Wohnen,Umwelt

Kultur Freizeit

Einkommen

Kapital Transfers

Qualifizierung,berufl. Bildung physische + mentale

Leistungsfähigkeit

Arbeits-erlaubnis

Persönlich-keit

Motivation

Kinderbetreuung

Kollegen

monetärerBereich

Wohn-qualität

Partizipation

Dimensionen der Lebensqualität Mikro-Ebene

Arbeits-

bedingungen

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Diese Zugangskriterien sind aber wiederum das Ergebnis von Prozessen, die sich in anderen Lebensbereichen bzw. in anderen gesellschaftlichen Systemen abspielen.

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Wie erfolgreich das duale Bildungssystem durchlaufen wird, entscheidet darüber, ob die qualifikatorischen Zugangsbedingungen erfüllt werden. Die Nutzung der Dienste und Einrichtungen des Gesundheitssystems entscheidet mit darüber, wie gut Behinde-rungen kompensiert und Krankheiten therapiert werden können. Und das System der sozialen Dienste unterstützt in vielfältiger Weise sowohl die Erwerbsfähigen, die einer Hilfe zum Erwerb der erforderlichen Zugangsvoraussetzungen bedürfen, als auch die nicht Erwerbsfähigen, die je nach Lebenssituation unterschiedliche Hilfestellungen be-nötigen. Der Prozess der Einbindung in unterschiedliche Lebensbereiche wird flankiert durch die sozialen, insbesondere familiären Netzwerke, die einerseits an vielen Stellen kom-pensieren und Defizite ausgleichen, andererseits aber auch Störungen produzieren können. Wo diese Ressource nur beschränkt zur Verfügung steht (wie etwa bei allein Lebenden ohne Sozialkontakte oder bei allein Erziehenden), steigt das Risiko, auf so-zialstaatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Wenn mehrfache Belastungen sich in bestimmten sozialen Gruppen und auch räumlich in bestimmten Wohngebieten konzentrieren, spricht man von einem belasteten „Milieu“. Im Rahmen der kommunalen Sozialplanung besteht daher eine wichtige Aufgabe dar-in, für die Wohngebiete, in denen Personengruppen mit Einschränkungen verdichtet anzutreffen sind, spezifische Konzepte zu entwickeln. 1.2 Untersuchung der Lebenslagen in der Stadt Konstanz Auf der Grundlage eines mehrdimensionalen Lebenslagekonzeptes (Teil 1) erscheint es sinnvoll, die kommunale Armutsberichterstattung in folgenden Schritten aufzubauen: Teil 2: Monetäre Armut und Sozialhilfebezug Der Bereich monetärer Armut dient als zentraler Ausgangspunkt, da sich die Einkom-menssituation prägend auf die gesamte Lebenslage auswirkt. Daten zur Einkommens- und Vermögenssituation insgesamt sind auf kommunaler Ebene kaum verfügbar. Mo-netäre Armut wird aber in Form der Angewiesenheit auf Sozialhilfe und Wohngeld er-kennbar. Zu untersuchen ist, • welche Formen von Einkommensarmut in Konstanz vorherrschen,

• welche Relation zwischen Wohnungseigentümern und Wohnungsmietern in Kon-stanz besteht,

• welche Personengruppen auf Wohngeld angewiesen sind,

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• wie hoch die Angewiesenheit auf Sozialhilfe insgesamt und insbesondere auf Hilfe zum Lebensunterhalt ist, welche Personengruppen Hilfe zum Lebensunterhalt be-ziehen, welche Ursachen jeweils dafür ausschlaggebend sind und welche Aus-stiegschancen jeweils bestehen,

• welche Bevölkerungsgruppen von Verschuldung bzw. Überschuldung betroffen sind.

Teil 3: Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit Als nächster Bereich tritt Erwerbstätigkeit als die wichtigste Einkommensquelle ins Blickfeld. Die Fragen nach der Beteiligung am Erwerbssystem und den qualifikations- und leistungsbezogenen Zugangskriterien richten sich in der Perspektive der Armuts-berichterstattung insbesondere auf die Ausgrenzung von Erwerbstätigkeit in Form von Arbeitslosigkeit. Diesbezüglich sind folgende Fragestellungen zu beantworten: • Wie stellt sich die Arbeitsmarktlage in Konstanz derzeit dar, und wie hat sie sich in

den vergangenen Jahren entwickelt?

• Welche soziodemografische Struktur weisen die Erwerbstätigen auf (unter Berück-sichtigung von Geschlecht und Alter sowie vollzeit-, teilzeit- und geringfügigen Be-schäftigungsverhältnissen), und welche Struktur haben die Arbeitslosen (unter Be-rücksichtigung von Geschlecht und Alter sowie Nationalität, Qualifikation und Dauer der Arbeitslosigkeit)?

• Wie hoch ist das Nettoarbeitspotenzial unter den Sozialhilfeempfängern, welche Strukturen der Hilfe zur Arbeit bestehen in Konstanz (Vermittlung in den 1. oder 2. Arbeitsmarkt, sog. geschützte Arbeitsverhältnisse in Werkstätten behinderte Men-schen)?

• Welche Probleme der Arbeitsmarktintegration bestehen für einzelne Personen-gruppen, insbesondere für junge Erwachsene und für Migranten (Ausländer, Spät-aussiedler)?

Teil 4: Schulische Bildung und berufliche Qualifikation Als zentrale Zugangsvoraussetzungen zum System der Erwerbstätigkeit gelten die Schulbildung und die berufliche Ausbildung. Defizite in diesem Bereich sind angesichts der steigenden Qualifikationsanforderungen des Arbeitsmarktes mit einem hohen Ar-mutsrisiko verbunden. Die Weichenstellungen, die im Kinder- und Jugendalter erfolgen, haben in der Regel lebenslange Auswirkungen. In dieser Perspektive ist zu untersu-chen,

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• welchen schulischen Bildungsstand die Konstanzer Kinder und Jugendlichen ha-ben (stichtagsbezogene Verteilung nach Schulformen, analysiert nach Geschlecht und Nationalität) und welchen Bildungsstand im Vergleich dazu Kinder und Jugend-liche mit Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt haben,

• über welche beruflichen Ausbildungsabschlüsse die erwachsene Bevölkerung (schwerpunktmäßig junge Erwachsene) und im Vergleich dazu die Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt verfügen.

Teil 5: Familiäre Netzwerke und deren Entlastung Die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen entscheiden sich aber nicht erst in der Schule, sondern einen weiteren Faktor bildet die Situation der Familien so-wie deren Entlastung durch kommunale Dienste und Einrichtungen. Fragestellungen unter dem Aspekt der Unterstützung von Familien sind: • Wie hoch sind Anzahl und Quote (bezogen auf die gleichaltrige Bevölkerung) der

Kinder und Jugendlichen mit Sozialhilfebezug, und in welchen familiären Konstella-tionen leben diese Kinder und Jugendlichen?

• Wie hoch ist der Bedarf an Leistungen der Jugendhilfe, insbesondere der Hilfen zu Erziehung, und welche Erkenntnisse liegen über den Zusammenhang des Bedarfs an Sozialhilfe und Jugendhilfe vor?

• Welche Anhaltspunkte gibt es dafür, dass in bestimmten Stadtteilen, Milieus und/ oder Bevölkerungsgruppen erschwerte Entwicklungschancen für Kinder und Ju-gendliche bestehen?

• Welche Angebote und Versorgungsstrukturen (von Kinderbetreuung bis zu Ju-gendzentren) bestehen für unterschiedliche Altersgruppen?

• Welche Hilfestrukturen (einschließlich gezielter Angebote im Freizeitbereich) be-stehen in Konstanz mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern und Benachteiligungen abzubauen?

Teil 6: Problematische Wohnsituation Die Qualität der Wohnungen hängt weitgehend von der Einkommens- und Vermögens-situation ab. Dennoch spielen im Falle von Wohnungsnotfällen weitere Problemlagen eine Rolle, sodass es einer gesonderten Untersuchung bedarf, wie sich die Wohnver-hältnisse im unteren Einkommensbereich darstellen, insbesondere

• in welcher Wohnqualität die Bezieher unterer Einkommen (hier: Wohngeldbezieher) leben,

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• in welchem Maße Wohnungsnotfälle (von Räumungsklagen bis hin zur Obdachlo-sigkeit) vorliegen und

• welche sozialräumliche Struktur („Milieus“) die einzelnen Stadtteile von Konstanz aufweisen.

Teil 7: Menschen mit Pflegebedarf Gesundheitliche Beeinträchtigungen stellen eine besondere Belastung dar, wenn sie chronisch werden und zur Angewiesenheit auf Pflegeleistungen führen. Diese Prob-lemlage wird analysiert unter den Fragestellungen, • wie hoch die Zahl und die Bevölkerungsanteile pflegebedürftiger Personen in Kon-

stanz sind, und welche Entwicklung in Zukunft zu erwarten ist,

• welche Struktur der Pflegebedarf nach Pflegestufen sowie ambulantem und statio-närem Hilfebedarf hat,

• in welchem Maße Pflegebedürftigkeit mit monetärer Armut verknüpft ist und

• welche pflegerischen Versorgungsstrukturen für Pflegebedürftige in Konstanz zur Verfügung stehen.

Teil 8: Personengruppen in besonders belasteten Lebenslagen Ein Schwerpunkt der Armutsberichterstattung wurde schließlich auf die Personengrup-pen gelegt, bei denen erhebliche Defizite und Belastungen in mehreren Dimensionen der Lebenslage auftreten und sich wechselseitig verstärken. Das Risiko, aus der Ge-sellschaft ausgegrenzt zu werden oder auch durch eine Verweigerung von Hilfe sich selbst auszugrenzen, ist bei diesen Personen sehr hoch. In diesem Zusammenhang sind folgende Fragestellungen relevant: • Wie viele Personen werden in Konstanz durch Hilfen nach § 72 BSHG erreicht?

• Wie lassen sich die Lebenslagen von Obdachlosen, Suchtkranken, Strafentlasse-nen, verhaltensgestörten Menschen und Personen in gewaltgeprägten Lebensum-ständen im Einzelnen charakterisieren?

• Wie sind die Hilfestrukturen für diese Personengruppen ausgebaut?

• Welche Veränderungen in der Hilfegewährung wurden durch die neue Verordnung bewirkt, und welche Veränderungen sind im Hinblick auf § 93 BSHG zu erwarten?

• Durch welche Maßnahmen lassen sich die Situation der Betroffenen und die Effek-tivität der Hilfestrukturen verbessern?

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Abschließend werden in Teil 9 Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Bereiche der Konstanzer Sozialpolitik zur Bekämpfung von Armut entwickelt. Hierzu gehören Möglichkeiten zur Überwindung des Sozialhilfebezugs, aber auch die Fragen der Ges-taltung des Konstanzer „Sozialpasses“ sowie die Diskussion um eine Ermäßigung von Kindergartenbeiträgen. 1.3 Methoden der Armutsberichterstattung Das Konzept des ISG zur Erstellung eines Armutsberichtes der Stadt Konstanz wurde in mehreren methodischen Schritten umgesetzt, die statistische Auswertungen, eine Reihe von themenbezogenen Fachgesprächen und eine Analyse von Akten von Be-ziehern der Hilfe zum Lebensunterhalt umfassten. Weiterhin wurden Stellungnahmen und Kommentare von Experten, Organisationen und Betroffeneninitiativen für den Be-richt ausgewertet. (a) Statistische Auswertungen Die Analyse von Armut und Lebenslagen in der Stadt Konstanz erforderte eine intensi-ve Recherche statistischen Materials, auf dessen Grundlage themenspezifische Aus-wertungen vorgenommen wurden. Hierzu gehören u.a. Einwohnerstatistik, Wohngeld-statistik, Sozialhilfestatistik sowie Kinder- und Jugendhilfestatistik. Dieses Datenmate-rial wurde von der Stadt Konstanz zur Verfügung gestellt; darüber hinaus wurden Un-terlagen der Arbeitsverwaltung (Erwerbstätigen- und Arbeitslosenstatistik) sowie statis-tisches Material sozialer Einrichtungen und Dienste ausgewertet. Ergänzend wurde eine Sonderauswertung der Einkommensteuerstatistik durch das Statistische Lan-desamt zur Verfügung gestellt. (b) Versorgungssystem und Hilfestrukturen in Konstanz Zur Armutsberichterstattung gehört weiterhin eine Bestandsaufnahme des Spektrums an Beratungs- und Hilfestrukturen, die den von schwierigen Lebenslagen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich sind und die auf eine Abmilderung, Verbesserung oder Überwindung ihrer Lage ausgerichtet sind. (c) Fachgespräche mit Experten Statistisches Material allein reicht nicht aus, um Bedarfslagen und Defizite adäquat einschätzen zu können. Ergänzend wurden vier Round-Table-Gespräche mit Fachleu-ten geführt, die in Konstanz in den einzelnen Bereichen der sozialen Arbeit und der Sozialverwaltung tätig sind. Diese Gespräche dienten dazu, die empirischen Analysen

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zu vertiefen, deren Hintergründe und Begleitumstände zu erörtern und Handlungskon-sequenzen aus praktischer Sicht abzuleiten. Diese Arbeitsform wurde aus mehreren Gründen gewählt: Zum einen können die in empirischen Untersuchungen ermittelten Daten zwar aus externer Sicht ausgewertet werden, ihre Einordnung und Wertung in den lokalen Kontext setzt aber eine „Insidersicht“ voraus. Zum andern sollen die Analy-sen des Armutsberichtes praktische Konsequenzen haben, die sich zwar aus wissen-schaftlicher Sicht skizzieren lassen, deren Feinkonzeption und Umsetzungsmodalitäten aber nur gemeinsam mit denjenigen entwickelt werden können, die mit der späteren Umsetzung befasst sein werden. Schließlich ist die Motivation dieser Akteure, sich bei der Umsetzung zu engagieren, größer, wenn sie bereits in die Gestaltung der Feinkon-zeption einbezogen wurden, als wenn ihnen abgeschlossene Konzepte vorgesetzt werden. (d) Analyse von Sozialhilfeakten Im Rahmen der Armutsberichterstattung erhält die detaillierte Kenntnis der Lebensla-gen von Sozialhilfeempfängern ein besonderes Gewicht. Deshalb wurde eine vertiefte Analyse von Sozialhilfeakten durchgeführt, um auf der Ebene von Einzeldatensätzen nicht nur Merkmale in aggregierter Form, sondern auch Verknüpfungen von Merkmals-kombinationen auswerten zu können. Dazu wurde ein Erhebungsbogen entwickelt, der auf die in den Sozialhilfeakten enthaltenen Angaben abgestimmt war. Dieser Bogen wurde von den Sachbearbeitern ausgefüllt und in anonymer Form an das ISG weiter-geleitet, wo Dateneingabe und -auswertung vorgenommen wurden. Die Stichprobe war als repräsentative Zufallsauswahl mit einem Umfang von 25% aller Bedarfsgemein-schaften konzipiert, was eine Fallzahl von 390 Akten ergab. (e) Kommunale Interventionen und Ansatzpunkte zur Bekämpfung von Armut Eine detaillierte Analyse von Armut und sozialer Ungleichheit sowie deren quantitativer und qualitativer Ausprägungen (Bedarfsanalyse) sowie eine Systematisierung und Auswertung der jeweils erhältlichen Unterstützungsmöglichkeiten (Strukturanalyse) bilden die Grundlage für eine Analyse der Stärken und Schwächen des Konstanzer Systems der Versorgung und Unterstützung (Defizit- und Leistungsanalyse). Aus den Ergebnissen dieser Analyse sollen Empfehlungen und Handlungskonzepte zur verbes-serten Bekämpfung von Armut und Ungleichheit in allen Dimensionen, in denen sie auftreten, abgeleitet werden.

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2. Monetäre Armut und Sozialhilfebezug 2.1 Verteilung von Einkommen und Vermögen Die Stadt Konstanz hat nicht zuletzt ihrer privilegierten geografischen Lage wegen den Ruf einer wohlhabenden Stadt. Dieser Eindruck lässt sich nur schwer überprüfen, da über die Einkommenssituation kaum Daten auf kommunaler Ebene verfügbar sind; die großen Haushaltsbefragungen wie Mikrozensus oder Einkommens- und Verbrauchs-stichprobe lassen sich auf Grund ihrer Fallzahl nicht auf die kommunale Ebene herun-terbrechen. Eine Ausnahme bildet die Einkommensteuerstatistik, in der als Vollerhe-bung auch die kommunale Ebene separat auswertbar ist.11 Allerdings nimmt sie nur die steuerpflichtigen Personen selbst in den Blick und nicht deren Haushaltsformen und Lebensbedingungen. Außerdem erfolgt die Aufbereitung der Daten mit erheblichem Zeitverzug; die zum Zeitpunkt der Berichterstellung aktuellsten Daten stammen aus dem Jahr 1995. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen führt die Analyse der Einkommens-teuerstatistik dennoch zu einem interessanten Ergebnis: Im Vergleich zum Bundes-durchschnitt sind die Einkommen in der Stadt Konstanz niedriger. Ein Drittel der Steu-erpflichtigen in Konstanz hatten ein Jahreseinkommen unter 30.000 DM, 54% hatten ein Jahreseinkommen zwischen 30.000 und 100.000 DM und 13% kamen auf Ein-kommen über 100.000 DM pro Jahr (darunter 10 Einkommensmillionäre, was einem Anteil von 0,04% entspricht). Bundesweit liegen ebenfalls 13% im oberen Einkommensbereich, allerdings ist der Anteil der Millionäre doppelt so hoch wie in Konstanz. Vor allem aber ist der Anteil im unteren Einkommensbereich (bis 30.000 DM) bundesweit um 5 Prozentpunkte geringer und im mittleren Bereich 5 Prozentpunkte höher als in Konstanz. Betrachtet man die nachfolgend abgebildeten Kurven, so ist die Grenze, bis zu der die Anteile in Konstanz höher sind als im Bundesdurchschnitt, bei 30.000 DM Jahreseinkommen zu erkennen.

11 Vgl. J. Merz, Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis

der Einkommensteuerstatistik, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Reihe Lebenslagen in Deutschland, Bonn 2001

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Abbildung 2:

Vergleich der Einkommensverteilung in der Stadt Konstanz mit Deutschland im Jahr 1995

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

1 - un

ter 5.

000

5.000

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r 10.0

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.000

40.00

0 - un

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.000

50.00

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75.00

0 - un

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0.000

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00 - u

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nter 1

Millio

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1 Millio

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Jahreseinkommen in DM

Steu

erpf

licht

ige

Pers

onen

DeutschlandStadt Konstanz

Im mittleren Einkommensbereich zwischen 30.000 DM und 100.000 DM pro Jahr ist der Anteil der Konstanzer niedriger als im Bundesdurchschnitt, und nur im Einkom-menssegment zwischen 100.000 DM und 250.000 DM übersteigt die Konstanzer Ver-teilung wieder geringfügig die für Deutschland geltende Kurve, bevor dann im Bereich des hohen Einkommensreichtums beide Kurven auf gleichem Niveau liegen. Daraus ist ersichtlich, dass die Einkommenssituation des überwiegenden Teils der Konstanzer Bevölkerung schlechter ist als im Bundesdurchschnitt. Über die Vermögenssituation liegen noch weniger Daten vor als zum Einkommen. Ei-nen groben Eindruck vermittelt allenfalls die Gebäude- und Wohnungszählung des Jahres 1987, der sich Hinweise auf die Verbreitung von Wohneigentum zum damaligen Zeitpunkt entnehmen lassen. Im Mai 1987 wurden in Konstanz 33.487 Wohnungen gezählt, davon waren 7.660 Eigentümerwohnungen und 25.827 Mietwohnungen. Dar-aus errechnet sich eine Wohneigentumsquote von 22,9%, die deutlich unter dem Lan-desdurchschnitt von 44,7% liegt. Auf der Landesebene liegen aktuellere Daten vor, denen zufolge die Eigentümerquote Baden-Württembergs bis zum Jahr 1998 auf 48,3% angestiegen ist. Sie liegt über dem Durchschnitt des früheren Bundesgebietes von 43%. Bei einer landesdurchschnittlichen Steigerungsrate dürfte die Wohneigen-tumsquote in Konstanz derzeit bei etwa 25% liegen, während 75% Mietwohnungen sind. Dieses Berechnungsergebnis enthält zwei Informationen: Zum einen ist das Im-mobilienvermögen in Form von Wohneigentum in Konstanz weniger ausgeprägt als im

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Durchschnitt Baden-Württembergs, was einen eher mäßigen Wohlstand der Bevölke-rung erkennen lässt. Zum andern ist eine Wohneigentumsquote in dieser Größenord-nung typisch für Großstädte, während ein höherer Eingentumsanteil sich eher in ländli-chen Gebieten findet. 2.2 Wohngeldbezug als Indikator niedrigen Einkommens Das Mietniveau liegt in der Stadt Konstanz um schätzungsweise 15% bis 25% über dem Durchschnitt des früheren Bundesgebietes; dies entspricht der „Mietstufe 5“, die nur von wenigen Städten und Gemeinden überboten wird.12 Am Jahresende 2000 be-zogen in der Stadt Konstanz insgesamt 2.100 Haushalte Wohngeld, jeweils zur Hälfte allgemeines Wohngeld und „besonderen Mietzuschuss“ (vor Januar 2001 „pauschalier-tes Wohngeld“). Der Anteil der Haushalte mit Wohngeldbezug liegt in Konstanz mit 53 je 1.000 Haushalte fast 0,6 Prozentpunkte über dem Durchschnitt in Baden-Württem-berg von 47,5, aber noch deutlich unter dem Niveau des früheren Bundesgebietes. Tabelle 1:

Bezieher von WohngeldStadt Konstanz im Vergleich

Stadt Baden- FrüheresHaushalte mit Bezug von Konstanz Württemberg Bundesgebiet

Wohngeld insgesamt 2.100 225.137 2.067.597 je 1.000 Haushalte 53,1 47,5 66,6

allgemeines Wohngeld 1.019 102.010 930.398besonderer Mietzuschuss* 1.081 123.127 1.137.199Anteil bes. Mietzuschuss 51% 55% 55%

Quelle: Wohngeldstatistik 2000 * früher "pauschaliertes Wohngeld"; für Konstanz bereinigte Zahl des SJA

Daraus ist zu schließen, dass die Stadt Konstanz nicht nur hinsichtlich der Quote der Sozialhilfeempfänger, sondern auch der Bezieherquote von Wohngeld eine für Baden-Württemberg vergleichsweise hohe Problemdichte aufweist. Rd. 70% der Konstanzer Bedarfsgemeinschaften der Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen den besonderen Miet-zuschuss, bundesweit liegt dieser Anteil mit 88% der Bedarfsgemeinschaften höher. Eine Auswertung des Sozial- und Jugendamtes Konstanz hat ergeben, dass von den

12 In Baden-Württemberg wurden Städte wie Stuttgart, Heidelberg und Tübingen dieser

Mietstufe zugeordnet, während die höchste Stufe 6 nicht besetzt ist.

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übrigen 30 % Bedarfsgemeinschaften der Hilfe zum Lebensunterhalt etwa ein Fünftel das allgemeine Wohngeld (6%) beziehen. Mietfrei wohnen 6 % der Bedarfsgemein-schaften, in Übergangseinrichtungen 13 - wie dem Wohnheim für Strafentlassene, dem Übergangswohnheim für Aussiedler oder dem Frauenhaus – leben 4 % der Bedarfs-gemeinschaften. 2.3 Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt in der Stadt Konstanz Die Angewiesenheit auf Sozialhilfe und insbesondere auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ist zwar nicht per se mit „Armut“ gleich zu setzen, da es ja gerade die Aufgabe dieser Transferleistungen ist, unzureichendes Einkommen auf das zum Le-bensunterhalt notwendige Niveau anzuheben. Dieses Niveau ist aber nur so bemes-sen, dass es kaum Spielräume zur Verbesserung des Lebensstandards belässt; insbe-sondere bei länger andauerndem Hilfebezug nähert sich daher die Lebenslage von Sozialhilfeempfängern einem Leben in Armut an. Am Ende des Jahres 2001 bezogen 2.677 Personen in 1.550 Bedarfsgemeinschaften laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Nachdem in der 2. Hälfte der 1990er Jahre deren Zahl zunächst angestiegen war, ging sie im Jahr 1999 deutlich zurück (–12%), was sich in den Jahren 2000 und 2001 in abgeschwächter Form fortsetzte. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften weist einen geringeren Rückgang auf, was damit zusammen hängt, dass deren durchschnittliche Größe seit 1998 tendenziell rückläufig ist.

13 Hier handelt es sich nicht um Wohnraum im Sinne des Wohngeldgesetzes; die Bewilli-

gung von Wohngeld in diesen Fällen ist nicht möglich

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Tabelle 2:

Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt in der Stadt KonstanzStichtag 31. Dezember

Bedarfsge- VeränderungJahr meinschaften Bezieher ggü. Vorjahr je BG je 100 Einw.

1995 1.506 2.666 / 1,77 3,51996 1.691 2.961 11,1% 1,75 3,91997 1.762 3.155 6,6% 1,79 4,11998 1.914 3.413 8,2% 1,78 4,41999 1.710 2.992 -12,3% 1,75 3,82000 1.585 2.743 -8,3% 1,73 3,52001 1.550 2.677 -2,4% 1,73 3,4

Relation der Bezieher

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz Ein Anteil von 3,4% der Bevölkerung war auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen, was etwa der Quote des Jahresendes 1995 entspricht, nachdem zwischenzeitlich eine Quote von 4,4% erreicht worden war (Jahresende 1998). Damit liegt der Konstanzer Bevölkerungsanteil mit Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt im Durchschnitt des frü-heren Bundesgebietes, wo in den Jahren 1995 und 2000 jeweils 3,4% der Bevölkerung Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen (mit einem zwischenzeitlichen Anstieg auf 3,8% im Jahr 1997). Diese Entspannung geht einher mit einer Entspannung auf dem Arbeits-markt, ohne aber damit unmittelbar verbunden zu sein (s.u. Abschnitt 3). Die Altersstruktur der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt (Jahresende 2001) weist zwei markante Abweichungen von der Altersstruktur der wohnberechtigten Bevölke-rung auf: • Zum einen ist der Anteil der Kinder unter den Sozialhilfeempfängern mit 32% mehr

als doppelt so hoch wie in der Bevölkerung mit 14%.

• Zum andern ist in den Altersgruppen der jungen Erwachsenen sowie der Älteren (besonders deutlich über 65 Jahren) der Anteil unter den Sozialhilfeempfängern ge-ringer als an den entsprechenden Altersgruppen in der Bevölkerung.

Oberhalb eines Alters von 45 Jahren gehen beide Verteilungen scherenförmig ausein-ander.

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Abbildung 3:

Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt und BevölkerungStadt Konstanz, Jahresende 2001 nach Altersgruppen

ISG 2002

0-7 Ja

hre

8-17 J

ahre

18-25

Jahre

26-35

Jahre

36-45

Jahre

46-55

Jahre

56-65

Jahre

über 65

Jahre

0%

5%

10%

15%

20%

HLU-Bezieherwohnberechtigte Bevölkerung

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz Genauere Auskunft über das Risiko, auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen zu sein, gibt eine Berechnung von HLU-Quoten, also des Anteils an der jeweiligen Bevöl-kerungsgruppe, der Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht. Differenziert man diese Daten nicht nur nach Alter, sondern auch nach Geschlecht, so ergibt sich folgendes Bild: Mit 55% unter den Hilfebeziehern liegt der Frauenanteil hier etwas höher als in der Gesamtbevölkerung (52%). Entsprechend ist die HLU-Quote mit 3,6 Hilfebezieherin-nen je 100 Einwohnerinnen höher als die der Männer (3,1 Hilfebezieher je 100 Ein-wohner). Unter den erwachsenen Sozialhilfeempfängern weisen die Frauen zwischen 26 und 45 Jahren überdurchschnittliche HLU-Quoten auf. Bei den Männern sind die Altersjahrgänge zwischen 46 und 55 Jahren überrepräsentiert, der Schwerpunkt liegt hier somit bei den etwas älteren Hilfebeziehern. Deutlich niedriger ist aber der Anteil der Sozialhilfebeziehern unter den Männern im Rentenalter, von denen nur 1,5% auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind. Diese Strukturunterschiede lassen unter-schiedliche Problemzusammenhänge erkennen: Unter den Frauen sind es zu einem hohen Teil allein Erziehende, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, während bei den Männern die Gruppe der älteren arbeitslosen Hilfeempfänger den Schwerpunkt bilden dürfte.

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Abbildung 4:

Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt nach Alter und Geschlecht

ISG 2002

199

230

84

153

189

150

123

72

210

218

145

264

252

115

120

154

0-7 Jahre

8-17 Jahre

18-25 Jahre

26-35 Jahre

36-45 Jahre

46-55 Jahre

56-65 Jahre

über 65 Jahre

männlich weiblichHLU-Quote* HLU-Quote*

8,5 9,1

6,9 6,7

1,7 2,6

2,1 4,0

2,8 3,9

3,4 2,5

2,7 2,5

1,5 2,0

*Quote: HLU-Bezieher je 100 der altersgleichen Bevölkerung

Stadt Konstanz, Jahresende 2001

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz Abbildung 5:

Ausländeranteile in der BevölkerungVergleich der Stadt Konstanz mit Deutschland

ISG 2002

14% 15%

19%

13%

6%

2%

9%11%

13%

8%

3%2%

Gesam

t

0 - 19

Jahre

20 - 3

9 Jah

re

40 - 5

9 Jah

re

60 - 7

9 Jah

re

80 Ja

hre und äl

ter0%

5%

10%

15%

20%

25% Konstanz 2000 Deutschland 1999

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz; Statistisches Bundesamt

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Eine Auswertung der Staatsangehörigkeit ergibt, dass Ausländer unter den Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt deutlich überrepräsentiert sind. Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung der Stadt Konstanz liegt mit 14% über dem Bundesdurch-schnitt von 9%, besonders fällt die Altersgruppe zwischen 20 und 39 Jahren ins Ge-wicht. Auch unter den Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt fällt der Aus-länderanteil in Konstanz mit 28% besonders hoch aus (gegenüber Deutschland: 22%, früheres Bundesgebiet: 25% Ausländer unter den Sozialhilfeempfängern). Die Möglichkeiten für eine nähere Untersuchung der Ursachen des Sozialhilfebezugs sind auf der Ebene der Gesamtstatistik allerdings sehr begrenzt; mehr Möglichkeiten bietet dazu die Analyse von Sozialhilfeakten. 2.4 Leben in der Sozialhilfe: Ergebnisse einer Analyse von Sozialhilfeakten Im Rahmen des vorliegenden Armutsberichtes der Stadt Konstanz wurde der Struktur und den Ursachen von Sozialhilfebedürftigkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Um zusätzliche Informationen über den betroffenen Personenkreis zu erhalten, wurde eine Aktenanalyse durchgeführt, in der detaillierte Angaben zu den Bedarfsgemeinschaften mit Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt ausgewertet wurden.

Von den 1.585 Bedarfsgemeinschaften, die am Jahresende 2000 in der Stadt Konstanz auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen waren, wurden in einer 25%-Stichprobe 390 Sozialhilfeakten gezogen, deren Daten in einen Erhebungsbogen übertragen und in a-nonymer Form ausgewertet wurden. Untersucht wurden allgemeine Angaben zur Be-darfsgemeinschaft (BG), Details über den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), die Einkommensverhältnisse der Hilfeempfänger sowie Angaben zur Berufs- und Er-werbstätigkeit. Mit den Aktenbögen wurden jeweils Bedarfsgemeinschaften dokumen-tiert, sodass die Auswertungen sich zumeist auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft be-ziehen. Je nach Erfordernis erfolgte die Auswertung der Daten aber auch bezogen auf einzelne Personen der Bedarfsgemeinschaft, wie beispielsweise den Haushaltsvorstand (HHV) oder die im Haushalt lebenden Kinder und Jugendlichen.

2.4.1 Struktur der Bedarfsgemeinschaften Insgesamt wurden durch die Aktenbögen 390 Bedarfsgemeinschaften mit zusammen rd. 720 Mitgliedern erfasst. Durchschnittlich wurden demnach 1,83 Personen pro Be-darfsgemeinschaft dokumentiert, was etwas über dem Konstanzer Durchschnitt von 1,73 und näher an dem Bundesdurchschnitt von 1,9 Personen pro Bedarfsgemein-schaft liegt (Abbildung 6). 54% der Bedarfsgemeinschaften in der Stichprobe bestehen nur aus einer Person, die Hilfe empfängt. Dieser Anteil ist um rd. 10 Prozentpunkte höher als im gesamten Bundesgebiet, was eine Konstanzer Besonderheit erkennen lässt: Auch in der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Ein-Personen-Haushalte mit 51% deutlich höher als im Bundesdurchschnitt (36%). Dies schlägt sich in der Struktur

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der Sozialhilfeklientel in nochmals verstärkter Form nieder. Identisch ist der Anteil der Zwei-Personen-Haushalte von knapp einem Viertel. Auf größere Bedarfsgemeinschaf-ten entfallen in der Konstanzer Stichprobe entsprechend geringere Anteile als in der amtlichen Sozialhilfestatistik. Abbildung 6:

SozialhilfeempfängerInnen pro Bedarfsgemeinschaft

ISG 2002

45 %

24 %

15 %

8 %

4 %

3 %

54 %

24 %

12 %

6 %

2 %

2 %

eine Person

2 Personen

3 Personen

4 Personen

5 Personen

6 und mehr

0 %20 %40 %60 % 0 % 20 % 40 % 60 %

Durchschnitt: 1,83

Personen

Durchschnitt: 1,91

Aktenanalyse Konstanz 2001Sozialhilfestatistik Deutschland 2000

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Familienstand und Wohnform Vom Familienstand her ist der größte Teil der erwachsenen Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt ledig (47%). 28% der Haushaltsvorstände sind verheiratet, 21% sind geschieden. Mehr als der Familienstand sagt aber die Wohnform etwas über das soziale Netzwerk aus. Etwa die Hälfte sind Bedarfsgemeinschaften von allein lebenden Hilfeempfängern, ist deren Anteil etwas höher als im Durchschnitt des früheren Bundesgebietes. Paare ohne Kinder machen 9% der Bedarfsgemeinschaften aus, Paare mit Kindern etwa 11%. Der Anteil der allein Erziehenden in der Konstanzer Stichprobe liegt mit 29% über dem in der westdeutschen Sozialhilfestatistik ausgewiesenen Anteil von 24%; überwie-gend haben sie ein Kind, der kleinere Teil von ihnen hat zwei oder mehr Kinder.

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21

Abbildung 7:

Typ der Bedarfsgemeinschaft

ISG 2002

50%

9%

4%

7%

18%

11%

45%

9%

4%

7%

13%

11%

allein Lebende

Paar ohne Kind

Paar mit 1 Kind

Paar mit mind. 2 Kindern

allein Erziehende, 1 Kind

allein Erz., mind. 2 Kinder

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Konstanz Westdeutschland

an 100% fehlend = sonstige Bedarfsgemeinschaft Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Auch in den hier ausgewerteten Sozialhilfeakten liegt der Frauenanteil unter den Hilfe-beziehern mit 56% über dem der Männer, was vor allem auf den hohen Anteil der allein Erziehenden zurück zu führen ist. Betrachtet man nur die Haushaltsvorstände, so er-gibt sich ein deutliches Übergewicht von weiblichen Haushaltsvorständen mit 62% ge-genüber 38% männlichen Haushaltsvorständen. Anders als die amtliche Sozialhilfestatistik ermöglicht es die Aktenanalyse, nicht nur zwischen deutschen und ausländischen Hilfebeziehern,14 sondern auch zwischen ein-heimischen deutschen Hilfebeziehern und Spätaussiedlern zu unterscheiden, die in der amtlichen Statistik auf Grund ihres offiziellen Status als „Deutsche“ registriert werden, obwohl sie hinsichtlich ihrer kulturellen und bildungsbezogenen Biografie ebenso wie hinsichtlich ihrer Sprachkompetenzen ähnliche oder sogar noch größere Schwierigkei-ten haben als in Deutschland lebende Ausländer.

14 Der Ausländeranteil an den untersuchten Bedarfsgemeinschaften liegt mit 20% etwas

niedriger als unter den Konstanzer HLU-Beziehern insgesamt.

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Abbildung 8:

Nationalität des Haushaltsvorstands

ISG 2002

Deutsche74,0%

deutsche Aussiedler6,0%

EU-Ausländer7,0%

sonstige Ausländer7,0%

Flüchtl./ Asylber.6,0%

Deutsche75,0%

EU-Ausländer3,0% sonstige Ausländer

19,0%

Flüchtl./ Asylber.3,0%

Sozialhilfeakten Konstanz Sozialhilfestatistik Westdeutschland

*

* einschließlich deutsche Aussiedler Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Drei Viertel der HLU-Empfänger in den analysierten Sozialhilfeakten sind einheimische Deutsche, hinzu kommen 6% deutsche Aussiedler. Die übrigen 20% verteilen sich zu etwa gleichen Anteilen auf (Kontingent-) Flüchtlinge bzw. Asylberechtigte (6%), EU-Ausländer und sonstige Ausländer (jeweils 7%). Die Quote der Sozialhilfe beziehenden Ausländer liegt in Konstanz mit 5,4% höher als die der Deutschen mit 3,5%. 2.4.2 Merkmale des Sozialhilfebezugs Die Bezugsdauer ist ein wichtiger Indikator für die Problematik der Lebenslage. Wäh-rend eine einmalige Angewiesenheit auf Hilfe zum Lebensunterhalt von kurzer Dauer ohne größere Folgeprobleme zu bewältigen sein dürfte, ist ein langfristiger Bezug ein Anzeichen dafür, dass eine Verfestigung der „Armutskarriere“ droht. Wenn sich diese Angewiesenheit mehrmals wiederholt, kann daraus zwar geschlossen werden, dass in diesen Fällen Selbsthilfekräfte vorhanden sind, die eine Überwindung der Notlage möglich erscheinen lassen; eine dauerhafte Überwindung ist dort offensichtlich aber nicht gelungen. Insgesamt dauerte der aktuelle (ununterbrochene) Hilfebezug der erfassten Bedarfs-gemeinschaften bis zum September 2001 durchschnittlich 55 Monate bzw. gut 4,5 Jah-re. Betrachtet man die Verteilung der Bezugsdauer, so fällt auf, dass fast 40% der Be-

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darfsgemeinschaften seit mehr als 4 Jahren laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezie-hen, dies sind deutlich mehr als im gesamten Bundesgebiet. Hingegen bezieht bun-desweit ein deutlich höherer Anteil die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt seit weniger als 6 Monaten. Tabelle 3:

Bezugsdauer der Hilfe zum Lebensunterhalt

weniger als 6 Monate 12% 12% 20% 20%

6 bis 12 Monate 11% 23% 12% 32%

1 bis 1,5 Jahre 10% 33% 10% 42%

1,5 bis 2 Jahre 6% 39% 7% 49%

2 bis 2,5 Jahre 8% 47% 6% 55%

2,5 bis 3 Jahre 5% 52% 5% 60%

3 bis 4 Jahre 9% 61% 9% 69%

mehr als 4 Jahre 39% 100% 30% 99%

kursiv: kumulierte Prozente Sozialhilfeakten Konstanz

Sozialhilfestatistik Deutschland

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln

In 84% der Fälle handelt es sich beim aktuellen HLU-Bezug um einen Erstbezug. Le-diglich 16% der Bedarfsgemeinschaften haben bereits früher laufende Hilfe zum Le-bensunterhalt bezogen, wobei z.T. saisonabhängige, befristete Arbeitsverhältnisse einen vorüber gehenden Ausstieg aus der Hilfebedürftigkeit ermöglichen. Die gesamte Dauer des Hilfebezugs ist bei Erstbeziehern durchschnittlich höher als bei Mehrfach-beziehern. Ein Mehrfachbezug kann also auch mit Potenzialen zum eigenständigen Einkommenserwerb verbunden sein, während die Kategorie des Einmalbezugs sowohl Personen mit kurzfristigem Hilfebedarf als auch Langzeitfälle ohne realistische Aus-stiegschancen umfasst. Ein Langzeitbezug, der in den ausgewerteten Sozialhilfeakten bis zu einem Höchstwert von 37 Jahren reicht, steht in enger Verbindung mit dem Alter des Haushaltsvorstands. So steigt die durchschnittliche Bezugsdauer von 18 Monaten der jungen Erwachsenen über 34 bzw. 57 Monate in den mittleren Altersgruppen auf durchschnittlich 100 Mona-te bzw. acht Jahre in der Altersgruppe der 60-jährigen und älteren Bezieher.

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Tabelle 4:

Dauer des Hilfebezugsnach Alter des Haushaltsvorstands

durchschnittliche Bezugsdauer (Monate)Altersgruppe arithmetisches Mittel * Median **

18 - 24 Jahre 18,0 11,0 4325 - 39 Jahre 34,3 25,0 14540 - 59 Jahre 56,5 37,0 105ab 60 Jahren 100,1 78,1 83

Insgesamt 53,3 32,0 376

SH-AktenAnzahl

* arithmetisches Mittel: Durchschnitt unter Berücksichtigung aller Werte ** Median: der Wert, der sich in der Mitte der Personengruppe findet

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Die gleiche Tendenz zeigt sich auch, allerdings auf einem niedrigeren Niveau, wenn man statt des Mittelwerts den Median15 betrachtet, der die Extremwerte am unteren und oberen Rand der Altersverteilung unberücksichtigt lässt: Dann steigt die Bezugs-dauer von durchschnittlich 11 Monate der jungen Erwachsenen auf 78 Monate der Se-nioren an. Während bei jüngeren Hilfebeziehern offenbar die Chance besteht, nach einem gewissen Bezugszeitraum wieder ohne Sozialhilfe auskommen zu können, er-scheint mit zunehmendem Alter eine Überwindung des Hilfebezugs eher unrealistisch. Mehrbedarfszuschläge Eine große Rolle beim Bezug der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt spielen die Mehrbedarfszuschläge. In 42% der erfassten Konstanzer Bedarfsgemeinschaften er-hält mindestens ein Haushaltsmitglied einen Mehrbedarfszuschlag.

15 „Median“ ist der Wert, der innerhalb einer Verteilung in der Mitte aller Fälle liegt. Gegen-

über extrem verzerrten Werten an den Rändern der Verteilung ist er unempfindlich.

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Abbildung 9:

Mehrbedarfszuschläge(Mehrfachnennungen)

ISG 2001

49%

26%

13%

8%

5%

3%

6%

allein Erziehende

kostenaufwendige Ernährung

ältere Gehbehinderte

erwerbsunfähige Gehbehinderte

Schwangere

Behinderte

sonstige

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Fast die Hälfte davon erhält einen Mehrbedarfszuschlag für allein Erziehende. Jedoch sind es lediglich 79 der insgesamt 100 allein erziehenden Hilfeempfängerinnen, die diesen Zuschlag in Höhe von durchschnittlich 229 DM pro Monat erhalten, während bei den übrigen 21% die gesetzlichen Altersgrenzen für einen Anspruch auf diesen Zu-schlag (bei einem Kind: „unter 7 Jahren“, bei mehreren Kindern: „unter 16 Jahren“) überschritten werden. Einen hohen Anteil machen mit 26% auch die Mehrbedarfszu-schläge für kostenaufwendigere Ernährung (von durchschnittlich 75 DM pro Monat) aus. Die früher altersbedingt zustehenden Zuschläge, die jetzt an das Vorliegen einer Gehbehinderung gekoppelt sind, spielen dem gegenüber eine geringere Rolle. Einkommenssituation Über zwei Drittel der erfassten Bedarfsgemeinschaften verfügen über ein Einkommen, das auf den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet wird. Die Summe der tatsächlichen Einkünfte dieser Haushalte (vor Abzug von Freibeträgen und ohne HLU und Wohngeld) beträgt im Durchschnitt monatlich 1.076 DM. Dabei variieren die einzelnen Angaben allerdings zwischen minimal 48 DM und maximal 3.368 DM im Mo-nat. Bezieht man die Bedarfsgemeinschaften ohne Einkommen in die Auswertung mit ein, so liegt der Durchschnitt der Haushaltseinkünfte bei rd. 740 DM pro Monat.

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Am häufigsten genannt wird als angerechnetes Einkommen das Kindergeld (von 60% der Bedarfsgemeinschaften mit Einkommensanrechnung). Des Weiteren ist bei 30% derjenigen, die über ein Einkommen verfügen, ein Nettoarbeitsentgelt Teil der Einkünf-te, und zwar in einer durchschnittlichen Höhe von 596 DM pro Monat. Tabelle 5:

arithm. Mittel Maximum Minimumabs. in %

Nettoarbeitsentgelt 596 DM 2.163 DM 5 DM 78 29,5%

Arbeitslosengeld 911 DM 1.315 DM 274 DM 11 4,2%Arbeitslosenhilfe 857 DM 1.725 DM 237 DM 19 7,2%privater Unterhalt 523 DM 1.820 DM 26 DM 48 18,2%Rente (Alter / Unfall) 808 DM 1.523 DM 122 DM 70 26,5%Kindergeld 447 DM 1.500 DM 63 DM 159 60,2%Sonstiges (UHV) 414 DM 1.347 DM 36 DM 48 18,2%

Gesamt 264 100%

Art und Höhe des angerechneten Einkommens (MFN)gültige Fälle

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Es folgen Rentenbezüge in durchschnittlicher Höhe von rd. 800 DM bei 27% der Be-darfsgemeinschaften. Jeweils gleiche Anteile (18% der Bedarfsgemeinschaften) ma-chen private Unterhaltsleistungen (durchschnittlich 523 DM) und Unterhaltsvorschüsse aus.16 Arbeitslosengeld sowie Arbeitslosenhilfe stellen zwar die durchschnittlich be-tragsmäßig höchsten Einkommensarten dar, nehmen in der Rangliste der angerechne-ten Einkommensarten aber die letzten Plätze ein. Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt Ohne einmalige Leistungen beträgt die tatsächliche Leistung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt, die den dokumentierten Bedarfsgemeinschaften gewährt wird, durch-schnittlich rd. 770 DM im Monat. Für die einzelnen Bedarfsgemeinschaftstypen erge-ben sich folgende durchschnittlichen Leistungsbeträge:

16 Unterhaltsvorschüsse machen den überwiegenden Teil der „sonstigen“ Einkommensar-

ten mit durchschnittlich rd. 400 DM pro Monat dar, hier wurde lediglich das Vorliegen die-ser Einkommenart angegeben. Die einzige nennenswerte weitere Einkommensart sind Eingliederungshilfen (4 Fälle).

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Tabelle 6:

Bedarf und Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt

Durchschnittsbeträge (DM / Monat):Typ der Bedarf an angerechnete Netto- Anzahl derBedarfsgemeinschaft HLU Einkommen leistung Bedarfsgem.

allein Lebende 1.030 325 705 189Paare ohne Kind 1.571 697 874 35Paare mit Kind(ern) 2.602 1.719 883 42 mit 1 Kind 2.271 1.170 1.101 15 mit 2 oder mehr Kindern 2.808 1.998 810 27allein Erziehende 2.053 1.197 856 113 mit 1 Kind 1.548 769 778 69 mit 2 oder mehr Kindern 2.451 1.611 840 44

Insgesamt 1.507 736 771 386

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Betrachtet man die durchschnittlichen Nettoleistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, so sind die Varianzen nicht so groß, wie der Bruttoanspruch hätte vermuten lassen, da Bedarfsgemeinschaften mit höheren Bedarfen auch über höhere anrechenbare Ein-kommen verfügen. Allein Lebende beziehen zwar etwas niedrigere Nettoleistungen als Mehr-Personen-Haushalte, aber zwischen diesen sind die Unterschiede relativ gering. Wohnkosten Einer der höchsten Posten der monatlichen Ausgaben stellt auch für Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt die Miete dar. Die erfassten Konstanzer Bedarfs-gemeinschaften zahlen im Durchschnitt 728 DM für die monatliche Warmmiete, davon 654 DM Kaltmiete (Bruttokaltmiete incl. Nebenkosten, aber ohne Heizung und Warm-wasser) und 74 DM Heizkosten.

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Tabelle 7:

Kosten der Miete und Heizung

Durchschnittsbeträge (DM / Monat):Typ der Kalt- Heiz- Warm- Anzahl derBedarfsgemeinschaft miete kosten miete Bedarfsgem.

allein Lebende 533 56 589 185Paare ohne Kind 656 59 715 34Paare mit 1 Kind 824 95 918 13 mit 2 oder mehr Kindern 964 122 1.086 26allein Erziehende mit 1 Kind 677 89 766 62 mit 2 oder mehr Kindern 906 104 1.010 43

Insgesamt 654 74 728 363

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Die Mietkosten werden in 9% der Fälle gekürzt, als Grund dafür wird in fast allen Fällen eine zu hohe Miete genannt. Darüber hinaus wird bei rd. 70% der Bedarfsgemeinschaf-ten berücksichtigt, dass der Warmwasseranteil an den Heizkosten bereits in der Re-gelsatzleistung enthalten ist. Insgesamt beziehen 84% der im Rahmen der Aktenanalyse untersuchten Bedarfsge-meinschaften Wohngeld in Höhe von durchschnittlich 321 DM monatlich. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um einen besonderen Mietzuschuss (zu 79%), 5% der Bedarfsgemeinschaften erhalten allgemeines Wohngeld und 16% erfüllen nicht die Voraussetzungen für einen Wohngeldbezug.17 Einmalige Leistungen

Zusätzlich zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt haben über 90% der Konstanzer Bedarfsgemeinschaften in den letzten 12 Monaten einmalige Leistungen erhalten. Hauptsächlich wurden diese für Bekleidung gewährt: Fast 90% der Bedarfsgemein-schaften, die einmalige Leistungen empfingen, erhielten u.a. Leistungen für Beklei-dung. Weihnachtsbeihilfe wurden 82% der betreffenden Bedarfsgemeinschaften ge-währt. Rd. 30% dieser Bedarfsgemeinschaften wurden einmalige Leistungen für Haus-rat bewilligt. Vielfältig sind die sonstigen Angaben über einmalige Leistungen, die 36% der betreffenden Bedarfsgemeinschaften erhielten.

17 Dieses Ergebnis spiegelt nicht ganz das Ergebnis der statistischen Auswertung wider,

der zufolge in Konstanz 70% der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt besonderen Mietzuschuss erhielten (vgl. oben Abschnitt 2.2).

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Abbildung 10:

Einmalige Leistungen

ISG 2001

88%

82%

31%

36%

Bekleidung

Weihnachtsbeihilfe

Hausrat

sonstige

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Von den Bedarfsgemeinschaften, die in den letzten 12 Monaten „sonstige einmalige Leistungen“ erhielten, bekamen 34% Unterstützung für Nebenkosten und Müllgebüh-ren, 17% wurden einmalige Leistungen für Renovierungen und Reparaturen gewährt. Ebenfalls in Zusammenhang mit der Wohnung stehen einmalige Leistungen für Um-zugskosten (10% der „Sonstigen“) und für Brennstoff bzw. Heizkosten (9% der „Sonsti-gen“). Des Weiteren werden Beihilfen für Schulbedarf (13% der „Sonstigen“) und Ba-byausstattung (11% der „Sonstigen“) genannt. Parallelbezug von Hilfe in besonderen Lebenslagen

Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen können parallel zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch genommen werden. Nach den Ergebnissen der Ak-tenanalyse bezieht in knapp einem Viertel der Bedarfsgemeinschaften mindestens ein Haushaltsmitglied neben der Hilfe zum Lebensunterhalt auch Hilfe in besonderen Le-benslagen. In fast allen dieser Fälle handelt es sich dabei um Krankenhilfe; dies betrifft zum Teil Personen, die keinen Krankenversicherungsschutz genießen, aber auch be-stimmte Leistungen für krankenversicherte Hilfeempfänger (z.B. Hilfen zur Familien-planung und Eigenanteile bei Krankenhausaufenthalt), die nicht vom Leistungsspekt-rum der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst werden. Weitere Parallelbezüge von Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Le-benslagen gibt es nur noch vereinzelt, so wird die Hilfe zur Pflege in ambulanter Form

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in der Stadt Konstanz insgesamt nur 11 Personen gewährt, die gleichzeitig auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind. 2.4.3 Ursachen des gegenwärtigen Sozialhilfebezugs Um geeignete Wege zur Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit aufweisen zu kön-nen, sind vor allem die Ursachen des Sozialhilfebezugs von Interesse. Daher wurden im Rahmen der Aktenanalyse Angaben über die Ursachen des gegenwärtigen HLU-Bezugs ausgewertet. Im Folgenden werden zunächst die am häufigsten genannten Ursachenkomplexe ausgewertet; weitere Anwendung finden die Ergebnisse der Ursa-chenanalyse bei der Suche nach geeigneten Hilfemöglichkeiten. Für fast die Hälfte der Konstanzer Bedarfsgemeinschaften aus der Stichprobe ist der HLU-Bezug durch Arbeitslosigkeit (mit) verursacht. Bundesweit sind 40% der Sozialhil-feempfänger im arbeitsfähigen Alter offiziell arbeitslos gemeldet, einschließlich der sog. „stillen Reserve“ dürfte der Anteil in ähnlicher Höhe liegen wie in Konstanz. Ebenfalls auf die Erwerbssituation beziehen sich Gründe wie geringes bzw. kein (Erwerbs-) Ein-kommen, die in 21% bzw. 11% der Fälle als Ursachen genannt werden. Weitere Ursachen des Hilfebezugs werden in der bundesweiten Sozialhilfestatistik nur für ein Viertel der Hilfeempfänger (unter der Rubrik „besondere soziale Situation“) er-mittelt, sodass die Ergebnisse der Konstanzer Aktenanalyse diesbezüglich aufschluss-reicher sind. Ein zentraler Bereich, der in die Abhängigkeit von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt führt, ist die familiäre Situation. Trennung bzw. Scheidung (21%) und die Geburt eines Kindes (17%) werden vor allem hinsichtlich der großen Gruppe der allein Erziehenden (in Konstanz 29% gegenüber 25% im Bundesdurchschnitt) als Gründe für den gegen-wärtigen Sozialhilfebezug angegeben. Ein dritter Ursachenkomplex ist mit der gesundheitlichen Situation der Hilfeempfänger verbunden. So stellen Krankheit (19%) sowie speziell Suchtkrankheit (9%) weitere Ur-sachen dar. Weitere Ursachen sind z.B. Immigration und damit verbundene Sprach-probleme oder die Tatsache, dass sich Hilfeempfänger in einer Ausbildung bzw. Um-schulung befinden.

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Abbildung 11:

Ursachen des Sozialhilfebezugsbezogen auf Bedarfsgemeinschaften (MFN)

ISG 2001

48%

21%

21%

19%

17%

11%

9%

3%

2%

1%

1%

9%

Arbeitslosigkeit

Trennung/Scheidung

geringes Einkommen

Krankheit

Geburt eines Kindes

kein Einkommen

Suchtkrankheit

ohne eigene Wohnung

Tod eines Familienmitglieds

Überschuldung

Freiheitsentzug/Haftentlassung

andere

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Nur in sehr wenigen Fällen wird „Überschuldung“ als Ursache genannt. Diese geringe Anzahl ist wohl auch darauf zurück zu führen, dass in 65% der Fälle keine Informatio-nen über die Verschuldung der Bedarfsgemeinschaften bekannt sind. Überschuldung Schulden zu haben, ist so lange unproblematisch, wie die Höhe der Schulden in ver-tretbarer Relation zum Einkommen steht, deren Tilgung realistisch geplant ist und durch laufende Zahlungen umgesetzt wird. 17% der deutschen Haushalte müssen (laut SOEP18) Schulden bzw. Kredite zurück zahlen. Die Schuldenproblematik verschärft sich aber, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die Schulden in geregelter Form zurück zu zahlen; in diesem Falle spricht man von „Überschuldung“. Da die Ü-bergangsschwelle von „Verschuldung“ zu „Überschuldung“ nicht eindeutig definiert ist, liegen zum Anteil der überschuldeten Bevölkerung keine exakten Daten, sondern nur Schätzungen vor. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung schätzt (unter Berufung auf ein Gutachten von Korczak 2000), dass etwa 7% der Haushalte in Deutschland in diesem Sinne überschuldet seien.19 Demzufolge wäre für die Stadt

18 Analyse der Daten des vom DIW Berlin betreuten sozio-ökonomischen Panels (SOEP),

Welle 15, 1998; Berechnung des ISG 19 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Lebenslagen in Deutschland.

Erster Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn 2001, S. 68 ff

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Konstanz von rd. 2.700 bis 2.800 überschuldeten Haushalten auszugehen. Diese Schätzung scheint allerdings, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, eher eine Ober-grenze darzustellen; der Anteil der überschuldeten Haushalte unter den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt ist bundesweit mit 1% der Bedarfsgemeinschaften deut-lich geringer. Da eine Situation der Verschuldung und insbesondere der Überschuldung für die zu-künftigen (Selbst-) Hilfemöglichkeiten eine wichtige Beeinträchtigung darstellen kön-nen, wurde die Schuldensituation der Bedarfsgemeinschaften in einer gesonderten Fragestellung erhoben. Abbildung 12:

Höhe der Schulden(N=20; fehlende Kategorien unbesetzt)

ISG 2001

bis 5.000 DM55,0%

10.000 bis 50.000 DM20,0%

über 100.000 DM25,0%

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Daraus geht hervor, dass 11% der Konstanzer Bedarfsgemeinschaften verschuldet sind, was aber nicht in allen Fällen eine „Überschuldung“ bedeuten muss. Die Höhe der Schulden konnte nicht in allen Fällen ermittelt werden, sodass hierüber nur für 20 Bedarfsgemeinschaften eine Aussage möglich ist. Betrachtet man diese Fälle, so er-geben sich dort durchschnittliche Schulden in Höhe von fast 100.000 DM. Aufgrund von so genannten „Ausreißern“, das heißt Bedarfsgemeinschaften mit extrem hohen Schulden (maximal 800.000 DM), ist dieser Mittelwert jedoch verzerrt. Nur ein Viertel der verschuldeten Bedarfsgemeinschaften haben mehr als 100.000 DM Schulden, wei-

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tere 20% haben Schulden zwischen 10.000 und 50.000 DM. Bei der Mehrheit (55%) der Verschuldeten handelt es sich aber um Beträge bis 5.000 DM. Abbildung 13:

Verschuldung und deren Ursachen

ISG 2002

74%

17%

14%

23%

26%

46%

28%

29%

20%

7%

60%

24%

18%

26%

10%

58%

24%

20%

24%

11%

Arbeitslosigkeit

Trennung/ Scheidung

Geburt eines Kindes

Krankheit eines Familienmitglieds

Suchtkrankheit

mit Schulden ohne Schulden unbekannt gesamt

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Ob eine Verschuldung vorliegt, hängt auch mit anderen Ursachen zusammen: • Eine besondere Bedeutung hat dabei die Kombination von Arbeitslosigkeit und

Verschuldung – bei drei Vierteln der verschuldeten Bedarfsgemeinschaften wird Arbeitslosigkeit als Ursache des Hilfebezugs genannt, aber nur bei 46% der nicht verschuldeten Bedarfsgemeinschaften.

• Weiterhin zeigt sich, dass suchtkranke Sozialhilfeempfänger überwiegend auch verschuldet sind.

• Dagegen steht der Aspekt der Verschuldung mit den familienbezogenen Ursachen in keinem näheren Zusammenhang.

Die Auswertung der Ursachen macht deutlich, dass Arbeitslosigkeit zwar eine wesent-liche, aber nicht die einzige Ursache der Angewiesenheit auf Hilfe zum Lebensunter-halt ist. Das Absinken unter die Armutsgrenze ist durch vielfältige Faktoren bedingt und erfordert eine entsprechend differenzierte Unterstützung seitens des Sozialamtes.

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3. Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit Die Integration in den Arbeitsmarkt wird vielfach als der Schlüssel zur Überwindung von Armutslagen und zur gesellschaftlichen Integration gesehen. Im Rahmen der Ar-mutsberichterstattung der Stadt Konstanz ist vor dem Hintergrund der regionalen Ar-beitsmarktentwicklung zu analysieren, welche Chancen der Arbeitsmarktintegration für einzelne Personengruppen bestehen, was in der Stadt Konstanz bisher dazu unter-nommen wurde und welche weiteren Maßnahmen möglich bzw. erforderlich sind. In diesem Zusammenhang erhalten die Instrumente der Hilfe zur Arbeit zur Vermittlung von Sozialhilfeempfängern in eine Beschäftigung einen besonderen Stellenwert. 3.1 Wirtschaftliche Entwicklung und Entwicklung des Arbeitsmarktes Für die Entwicklung des Arbeitsmarktes stellt die wirtschaftliche Entwicklung eine wich-tige Rahmenbedingung dar. Zwar schlägt sich ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht unmittelbar auf dem Arbeitsmarkt nieder, da er mit Umstrukturierungen verbunden sein kann, die meist in Richtung auf eine geringere Nachfrage nach Arbeitskräften bei gleichzeitig höheren Qualifikationsanforderungen weisen. Umgekehrt ist aber mit einer positiven Arbeitsmarktentwicklung nur in der Folge einer positiven Wirtschaftsentwick-lung zu rechnen. Wirtschaftliches Wachstum ist also eine notwendige, aber nicht hin-reichende Bedingung für eine Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskräften. Über die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt Konstanz liegen keine aufschlussrei-chen Indikatoren vor (wie etwa Umsatzzahlen über mehrere Jahre), sondern nur die Zahlen der Arbeitsmarktstatistik. Daher kann hier die wirtschaftliche Entwicklung nur indirekt anhand der Entwicklung der Erwerbstätigkeit analysiert werden (und das auch nur bis zur Jahresmitte 2000, da aktuellere Daten nicht vorliegen). Die Arbeitsmarktstatistik unterscheidet zwischen drei Bereichen, auf die sich die Be-schäftigten im früheren Bundesgebiet folgendermaßen verteilen (Stand: Juni 2000): Ein Drittel der Beschäftigten arbeitet im produzierenden Gewerbe, 23% im Bereich Handel/ Gastgewerbe/ Verkehr und 44% in sonstigen Dienstleistungen. Für den Arbeitsamtsbezirk Konstanz konnten diesbezügliche Daten nur für die Jahre 1995 bis 1998 ausgewertet werden, neuere Daten liegen noch nicht vor. Die Struktur der Beschäftigungsbereiche hat sich in Konstanz in ähnlicher Weise entwickelt wie im westlichen Bundesgebiet: Der Anteil des produzierenden Gewerbes ist kontinuierlich von 35% im Jahr 1995 auf 31% im Jahr 1998 zurück gegangen, während der Anteil des Dienstleistungssektors im gleichen Zeitraum von 49% auf 52% gestiegen ist. Der Bereich Handel/ Gastgewerbe/ Verkehr ist in diesem Zeitraum in etwa konstant bei

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17% geblieben. Im Vergleich zur Verteilung im westlichen Bundesgebiet weist damit Konstanz einen hohen Dienstleistungsanteil auf, während das produzierende Gewerbe und Handel/ Gastgewerbe/ Verkehr unter dem westlichen Durchschnitt liegen. Tabelle 8:

produzierendes Handel, Gastge- SonstigeJahr Gewerbe werbe, Verkehr Dienstleistungen

Konstanz1995 34,6% 16,8% 48,6%1996 34,1% 16,8% 49,1%1997 33,3% 16,9% 49,8%1998 31,3% 17,1% 51,6%

Westdeutschl.1998 34,2% 23,0% 42,8%2000 33,5% 23,0% 43,5%

Struktur der Beschäftigung nach Branchen

Quelle: Arbeitsamt Konstanz; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2002; Berech-

nungen des ISG Vergleicht man die Struktur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Konstanz mit der Struktur in Deutschland (Stand: Juni 2000), so zeigen sich folgende Unter-schiede: • Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Gesamtbevölke-

rung liegt in Konstanz (mit 29%) unter dem Bundesdurchschnitt (34%).

• In Konstanz machen Frauen die Hälfte dieser Beschäftigten aus und kommen da-mit auf einen höheren Anteil als in Deutschland insgesamt (44%).

• Der Schwerpunkt auf dem Dienstleistungssektor, der bereits bei der Analyse der Wirtschaftsbereiche deutlich wurde, kommt auch in einem vergleichsweise geringen Arbeiteranteil von 32% gegenüber 43,5% im Bundesdurchschnitt zum Ausdruck.

• Relativ hoch ist dagegen in Konstanz der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit rd. 20% gegenüber nur 14% im Bundesdurchschnitt, was unter Anderem auch in Ver-bindung mit der höheren Beschäftigungsquote von Frauen zu sehen ist.

• Die stärksten Abweichungen zeigen sich jedoch bezüglich der ausländischen und der älteren Arbeitnehmern: Die Anteile beider Beschäftigtengruppen sind in Kon-stanz etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

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Tabelle 9:

Erwerbstätigkeit in KonstanzUmfang und Struktur 1995 - 2000 (Jahresmitte)

Jahres- Beschäftigte Anteil an darunter: Teilzeit- ab 60mitte (Sozialvers.) Bevölkerung Frauen Arbeiter beschäftigte Jahre Ausländer

1995 22.314 29,4% 48,4% 35,0% 16,3% 4,5% 14,6%1996 22.034 28,9% 49,0% 34,5% 17,1% 4,7% 14,7%1997 21.930 28,5% 49,0% 34,4% 18,5% 4,6% 14,3%1998 21.677 28,1% 48,9% 34,2% 19,3% 5,1% 14,1%1999 21.977 28,4% 49,2% 34,8% 21,9% 5,3% 13,6%2000 22.658 29,1% 49,5% 32,3% k.A. k.A. 13,1%

Deutsch-land 27,8 Mio. 33,8% 44,2% 43,5% 14,0% 2,6% 7,1%

Quelle: Arbeitsamt Konstanz, Arbeitsmarktdaten; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahr-

buch 2002; Berechnungen des ISG Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Wohnbevölkerung ist in den Jahren 1995 bis 1998 leicht gesunken, um dann bis Mitte des Jahres 2000 wie-der auf den in der Mitte der 1990er Jahre erreichten Wert anzusteigen. Darin spiegelt sich die im westlichen Bundesgebiet insgesamt zu beobachtende positive Arbeits-marktentwicklung der Jahre 1999 und 2000 wider. Für einzelne Gruppen von Erwerbstätigen hat sich dieser generelle Trend unterschied-lich ausgewirkt: • Der Arbeiteranteil unter den Erwerbstätigen verlief bis 1999 parallel zum generellen

Beschäftigungstrend, geht im Jahr 2000 aber zurück auf seinen niedrigsten Wert.

• Der Frauenanteil nimmt 1998 leicht ab und seit 1999 wieder leicht zu, bleibt aber insgesamt relativ konstant bei 49%.

• Der Anteil der Beschäftigten ab 60 Jahren weist, gegenläufig zum generellen Trend, eine fast durchweg steigende Tendenz auf. Dies ist einerseits bemerkens-wert, da ältere Arbeitnehmer einem höheren Risiko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind. Diese Zunahme kann andererseits auch demografisch bedingt sein, da die Jahrgänge, die die Altersgrenze von 60 Jahren überschreiten, von Jahr zu Jahr stärker besetzt sind.

• Der Ausländeranteil an den Beschäftigten ist im beobachteten Zeitraum linear ge-sunken, d.h. dass die Erholung der Jahre 1999 und 2000 diese Gruppe nicht er-fasst hat.

• Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist in den letzten Jahren kontinuierlich ange-stiegen: Während im Juni 1995 der Anteil der in Teilzeit Beschäftigten bei 16% lag, stieg er über 18,5% im Juni 1997 auf 22% im Juni 1998. Diese Zunahme geht al-

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lerdings nicht, wie häufig zu beobachten, mit steigender Frauenerwerbstätigkeit einher, da diese in Konstanz auf relativ konstantem Niveau bleibt.

Vor diesem Hintergrund sind Quoten und Struktur der Arbeitslosigkeit zu bewerten. Hierzu liegen Daten bis zur Jahresmitte 2001 vor. Vergleicht man die Situation in Kon-stanz mit der in Baden-Württemberg und in Deutschland insgesamt, so sind folgende Trends erkennbar: Die Arbeitslosenquoten sind von 1995 bis 1997 angestiegen und anschließend zurück gegangen bis auf ihren bisher niedrigsten Stand im Juni 2001. Das Land Baden-Württemberg weist im Vergleich zum Durchschnitt des westlichen Bundesgebietes die niedrigste Arbeitslosenquote auf. Der Arbeitsamtsbezirk Konstanz liegt etwas darüber. Abbildung 14:

Arbeitslosenquoten im Vergleich

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

10,0

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001Jahresmitte

Bundesgebiet WestBaden- WürttembergArbeitsamtsbezirk KonstanzStadt Konstanz

Quelle: Arbeitsamt Konstanz, Arbeitsmarktdaten; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahr-

buch 2002; Berechnungen des ISG In der Stadt Konstanz war von 1995 bis 1997 die Arbeitslosenquote niedriger als im Arbeitsamtsbezirk und im Land insgesamt, von 1997 bis 2000 lag sie – parallel zur Entwicklung im Bezirk – über dem Landesdurchschnitt und näherte sich im Juni 2001 dem niedrigen Landeswert an. Somit ist zwischen 1999 und 2001 eine spürbare Ent-spannung des Arbeitsmarktes zu beobachten.

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Die absoluten Zahlen der Arbeitslosen haben von 1995 bis 1997 zugenommen, bis 1999 stagniert und in den Jahren 2000 und 2001 um 11% bzw. 15% abgenommen. Tabelle 10:

Jahres- Zahl der Veränderg. darunter Anteile von: Langzeit- Schwer-mitte Arbeitslosen ggü. Vorj. Frauen Arbeitern Ausländern arbeitslosen behinderten

1995 1.904 / 40,5% 51,3% 19,4% 26,9% 5,8%1996 2.037 7,0% 40,1% 51,9% 19,4% 26,3% 5,1%1997 2.582 26,8% 41,0% 53,6% 19,3% 27,0% 4,5%1998 2.558 -0,9% 42,0% 53,4% 21,4% 34,8% 5,5%1999 2.570 0,5% 40,7% 57,1% 21,7% 30,4% 4,4%2000 2.284 -11,1% 42,1% 58,7% 20,4% 33,5% 4,7%2001 1.951 -14,6% 43,1% 57,9% 19,8% 27,8% 5,1%

Deutschl.2000 2,4 Mio. -5,1% 48,5% 62,2% 11,9% 36,4% 4,7%

Struktur der Arbeitslosigkeit in Konstanz

Quelle: Arbeitsamt Konstanz, Arbeitsmarktdaten; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahr-

buch 2002; Berechnungen des ISG Im Vergleich zu den Arbeitsmarktdaten für Deutschland insgesamt fallen die höheren Anteile von Ausländern unter den Konstanzer Arbeitslosen auf, während die Anteile der Arbeiter sowie der Langzeitarbeitslosen (d.h. mindestens seit einem Jahr arbeitslos) in Konstanz niedriger sind als im Bundesdurchschnitt. Für einzelne Bevölkerungsgruppen lässt sich feststellen: • Von dieser Entspannung haben Männer eher profitiert als Frauen, denn deren An-

teil an den Arbeitslosen ist in den letzten Jahren etwas gestiegen.

• In noch stärkerem Maße sind Arbeiter in der Arbeitslosigkeit verblieben, deren An-teil ist von 51% im Jahr 1995 fast kontinuierlich auf derzeit 58% gestiegen.

• Der Ausländeranteil ist im Vergleichszeitraum (bis auf eine vorüber gehende leichte Zunahme 1998 und 1999) relativ konstant bei rd. 20% geblieben.

• Langzeitarbeitslose verblieben in den Aufschwungjahren 1998 bis 2000 zu einem relativ hohen Anteil in Arbeitslosigkeit, bei ihnen wird eine Entspannung erst mit Verzögerung zur Jahresmitte 2001 spürbar. (Die gleiche Entwicklung zeigt sich bei den älteren Arbeitslosen über 55 Jahren, was auf eine weitgehende Überschnei-dung beider Gruppen zurück zu führen sein dürfte.)

• Der Anteil der Schwerbehinderten an den Arbeitslosen schwankt (wie in Deutsch-land insgesamt) um die 5%, sein höchster Wert lag bei 5,8% im Jahr 1995 (bei ins-gesamt niedriger Arbeitslosigkeit) und sein niedrigster Wert bei 4,4% im Jahr 1999 (bei insgesamt hoher Arbeitslosigkeit). Dies lässt erkennen, dass die Beschäfti-

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gungssituation der relativ kleinen Gruppe von schwer behinderten Arbeitslosen (zwischen 100 und 120 Personen im Arbeitsamtsbezirk Konstanz) nur in geringem Maße durch die allgemeine Beschäftigungslage beeinflusst wird.

Mit Blick auf die weitere Entwicklung in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 ist aller-dings darauf hinzuweisen, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit gestoppt wurde. Für die risikoreichen Problemgruppen bedeutet dies, dass die leichte Entspannung zur Jahresmitte zu spät eintrat und zu kurz gedauert hat, als dass ein merklicher Abbau der „Sockelarbeitslosigkeit“ hätte erreicht werden können. Ein wichtiger Indikator für geringe Reintegrationschancen ist die Dauer der Arbeitslo-sigkeit. Nach einer Auswertung des Arbeitsamts Konstanz war im September 2001 etwas mehr als die Hälfte der Arbeitslosen im Bezirk Konstanz nur bis zu einem halben Jahr ohne Arbeit (38% bis zu 3 Monate arbeitslos, 15% 3 bis 6 Monate), 18% waren zwischen einem halben und einem ganzen Jahr arbeitslos und 30% waren Langzeitar-beitslose (ein Jahr und länger arbeitslos). Die Dauer der Arbeitslosigkeit hängt in entscheidender Weise mit dem Alter des Ar-beitslosen zusammen. Anhand der vom Arbeitsamt Konstanz zur Verfügung gestellten Strukturdaten lässt sich dieser Zusammenhang eindrücklich darstellen: Abbildung 15:

Arbeitslose nach Alter und Dauer der Arbeitslosigkeit

ISG 2002

insgesamt

unter 25 Jahre

25 bis unter 35 Jahre

35 bis unter 45 Jahre

45 bis unter 55 Jahre

55 bis unter 65 Jahre

0% 20% 40% 60% 80% 100%

bis unter 6 Monate 6 b. u. 12 Monate 1 b. u. 2 Jahre 2 Jahre und länger

Quelle: Arbeitsamt Konstanz, Arbeitsmarktdaten; Berechnungen des ISG

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Während die Arbeitslosen unter 25 Jahren überwiegend (zu 90%) für höchstens ein halbes Jahr arbeitslos waren, sinkt dieser Anteil der Kurzzeitarbeitslosigkeit über 57% der 35- bis 45-Jährigen auf nur noch 26% der älteren Arbeitslosen (55 bis unter 65 Jahre). Von diesen sind hingegen mehr als die Hälfte langzeitarbeitslos, und zwar 20% seit einem bis zwei Jahren und 36% seit mehr als zwei Jahren. 3.2 Arbeitskraftpotenzial unter den Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt Zum Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Hilfe zum Lebensunterhalt

Auf den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Angewiesenheit auf Hilfe zum Le-bensunterhalt wird häufig hingewiesen: In Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktlage haben eher die gut qualifizierten und flexiblen Bewerber jüngeren bis mittleren Alters gute Beschäftigungschancen, während gering qualifizierten und älteren Arbeitslosen eine längerfristige Arbeitslosigkeit droht. Auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sind vor allem zwei Gruppen angewiesen: Junge Erwachsene, die keine Ansprüche auf Lohnersatzleistungen haben (Berufseinstieg wegen unzureichender Qualifikation oder persönlichen Schwierigkeiten gescheitert) und Langzeitarbeitslose, die nicht mehr Ar-beitslosengeld, sondern die geringere Arbeitslosenhilfe beziehen. Für letztere Gruppe bildet sich der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und HLU-Bezug erst zeitlich ver-setzt ab. Auch eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage wirkt sich erst mit einem ge-wissen Zeitverzug auf die Hilfe zum Lebensunterhalt aus, da eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften zunächst die besser qualifizierten bzw. erst kurzfristig Arbeitslosen abschöpft, während Arbeitslose mit geringeren Beschäftigungschancen nur bei einem längerfristigen Wirtschaftsaufschwung erreicht werden. Andererseits gibt es aber auch grundlegende Unterschiede zwischen beiden Gruppen von Hilfebeziehern und entsprechende Divergenzen in der Entwicklung der Bezieher-zahlen. Die Auswertung der Sozialhilfestatistik und die Analyse der Konstanzer Sozial-hilfeakten ergeben: • Unter allen HLU-Beziehern im früheren Bundesgebiet sind nur 23% arbeitslos ge-

meldet, unter den 15- bis 64-Jährigen sind es 38% (davon rd. 40% mit Bezug und rd. 60% ohne Bezug von Lohnersatzleistungen). In Konstanz ist ein Viertel aller HLU-Empfänger arbeitslos, unter den 15- bis 64-Jährigen sind es 42%. D.h. drei Viertel aller Bezieher und rd. 60% der Bezieher im arbeitsfähigen Alter sind nicht wegen Arbeitslosigkeit, sondern aus anderen Gründen auf Hilfe zum Lebensunter-halt angewiesen.

• Auch wird nur ein Teil der HLU-Bezieher als „arbeitsfähig“ beurteilt: Bei rd. 30% der Hilfeempfänger zwischen 15 und 59 Jahren ist dies „uneingeschränkt“ der Fall, 43% sind nur „eingeschränkt“ arbeitsfähig und für die übrigen 30% der HLU-

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Bezieher im arbeitsfähigen Alter kommt eine Arbeitsaufnahme derzeit nicht in Fra-ge.

So bleibt festzuhalten: Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug sind auf unterschiedliche Probleme zurück zu führen, die sich nur teilweise überschneiden – die Ursachen für eine Angewiesenheit auf Hilfe zum Lebensunterhalt sind heterogen (siehe auch oben Abbildung 11). Für eine aktive Sozialhilfepolitik bietet sich an dieser Stelle aber am ehesten ein Ansatzpunkt, um auf eine Überwindung des Hilfebezugs hinzuwirken. Brutto- und Nettoarbeitskräftepotenzial In der Stadt Konstanz waren am Jahresende 2000 insgesamt 2.742 Personen in 1.585 Bedarfsgemeinschaften auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Gut die Hälfte da-von (1.500 Personen bzw. 55%) waren im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 59 Jahren. Rd. 660 Sozialhilfeempfänger (also rd. 44% dieser Gruppe) waren arbeitslos gemeldet, überwiegend ohne Lohnersatzleistungen zu beziehen. Abbildung 16:

Arbeitsfähigkeitder 15- bis 59jährigen

ISG 2001

30%

43%

6%

7%

14%

uneingeschränkt

eingeschränkt

in "Hilfe zur Arbeit"-Maßnahme

Schüler/ Studenten

nicht arbeitsfähig

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Nicht alle Hilfeempfänger im arbeitsfähigen Alter stehen aber dem Arbeitsmarkt unein-geschränkt zur Verfügung, da sie wegen gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder

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häuslicher Bindung nicht für jedes auf den ersten Blick passende Arbeitsangebot ge-eignet sind. Die Zahl der Personen im arbeitsfähigen Alter, die dem Arbeitsmarkt „un-eingeschränkt zur Verfügung stehen“, wurde auf rd. 30% der Empfänger eingeschätzt, hochgerechnet sind dies ca. 450 Personen. Ein Teil davon (rd. 230 Personen bzw. 41 % der Personen, die uneingeschränkt zur Verfügung stehen) ist bereits erwerbstätig, aber auf Grund niedriger Entlohnung, Teilzeitbeschäftigung oder eines hohen Bedarfs dennoch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Für diese Teilgruppe wäre ein Ausstieg aus der Sozialhilfe durch Ausweitung der Beschäftigung oder durch eine besser entlohnte Stelle möglich, sofern entsprechende Arbeitsplätze zur Verfü-gung stehen. Weitere rd. 70 Hilfeempfänger waren am Stichtag der Statistikerhebung in Ausbildung. Bei den übrigen rd. 150 Hilfeempfängern im arbeitsfähigen Alter er-scheint eine verstärkte Bemühung zur Vermittlung in eine Erwerbstätigkeit aussichts-reich. Dies gilt kaum für die 43% der Hilfeempfänger im Alter zwischen 15 und 59 Jahren, die als nur „eingeschränkt arbeitsfähig“ (wegen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, häuslicher Bindung u.a.) eingeschätzt werden. Außerdem waren 14% wegen schwerer Krankheit oder Behinderung gar nicht arbeitsfähig und für weitere 13% steht eine Ar-beitsvermittlung nicht unmittelbar zur Debatte, da sie zurzeit in schulischer Ausbildung oder in einer Hilfe-zur-Arbeit-Maßnahme sind. 3.3 Vermittlungshemmnisse und Wege zur Selbstständigkeit Die Chancen zur Aufnahme einer Beschäftigung hängen in starkem Maße von der Qualifikation ab. Wichtig ist hierfür vor allem das Niveau der schulischen und berufli-chen Ausbildung (vgl. hierzu Teil 4), aber darüber hinaus spielen auch weitere Fakto-ren eine Rolle, die teils durch die Persönlichkeit und teils durch die Lebenslage beein-flusst werden. Vermittlungshemmnisse

Vor allem die Tatsache, dass nur jeder zweite Sozialhilfeempfänger überhaupt einen beruflichen Abschluss hat, dürfte ein erhebliches Beschäftigungshemmnis darstellen. Allerdings garantieren auch höhere berufliche Abschlüsse nicht immer gute Arbeits-marktchancen, vor allem wenn andere Hemmnisse wie z.B. psychische Krankheit oder die „häusliche Bindung“ von allein Erziehenden eine Beschäftigungsaufnahme er-schweren. Solche Hemmnisse, die zur fehlenden schulischen und beruflichen Abschlüssen hinzu kommen können, sind in erster Linie der Faktor „Alter“ bzw. eine schon lange beste-hende Arbeitslosigkeit (19%), (meist bei allein Erziehenden) häusliche Bindung (19%)

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und gesundheitliche Einschränkungen bzw. Behinderungen (16%). Hier zeigt sich eine gewisse Parallele zu den Ursachen des Sozialhilfebezugs, die ebenfalls in bestimmten familiären Situationen und gesundheitlichen Einschränkungen gesehen werden. Im Rahmen der Auswertungen der „Hilfe zur Arbeit“ wurde die mangelnde berufliche Qualifikation am häufigsten als Vermittlungshemniss genannt.20 Abbildung 17:

Vermittlungshemmnisse Bericht "Hilfe zur Arbeit" 2000 (N = 167, Mehrfachnennungen)

ISG 2001

49%

46%

32%

19%

16%

15%

14%

10%

10%

keine Berufsausbildung

kein Führerschein

gesundheitliche Einschränkungen

Sprachprobleme

Suchtabhängigkeit

mangelnde Schulbildung

Alleinerziehung/ häusl. Bindung

Alter/ Langzeitarbeitslosigkeit

Überschuldung

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht 2000: Hilfe zur Arbeit nach dem

BSHG Bei Aussiedlern und Flüchtlingen stehen sprachliche Schwierigkeiten und unzurei-chende Qualifikationen im Vordergrund. Für einen kleineren Teil der Sozialhilfeemp-fänger sind psychische Probleme und Motivationsprobleme sowie Suchtabhängigkeit zu nennen. Überwindungsmöglichkeiten

Die genannten Vermittlungshemmnisse, die eine Arbeitsaufnahme erschweren, schei-nen also in vielen Fällen auch Ursachen des Sozialhilfebezugs zu sein, denn auch un-

20 Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht 2000: Hilfe zur Arbeit nach dem

BSHG, Konstanz 2001, S. 7

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ter den Möglichkeiten zur Überwindung des Sozialhilfebezugs nimmt die Arbeitsauf-nahme eine vorrangige Stellung ein. Wenn die Sachbearbeiter danach gefragt werden, welche Möglichkeit sie zur Überwin-dung des Hilfebezugs sehen, so ist allerdings die häufigste Nennung, dass zurzeit kei-ne Möglichkeit gesehen wird (41% der Bedarfsgemeinschaften; Ergebnis der Akten-analyse 2001). Aussiedlern wird eine solche Aussichtslosigkeit allerdings (mit 9%) in deutlich geringerem Maße attestiert.

• Für insgesamt gut die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften bedeutet die Aufnahme (für 37% genannt) oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit (für 15% genannt) eine geeignete Möglichkeit zur Überwindung des Hilfebezugs, bei Aussiedlern und Aus-ländern wird darin sogar für 2/3 der Bedarfsgemeinschaften der Schwerpunkt ge-sehen.

• Eine Qualifizierungsmaßnahme wäre für 21% der Bedarfsgemeinschaften der ge-eignete Weg, auch dies gilt besonders für Aussiedler.

• Die Realisierung von Unterhaltsansprüchen und sonstigen vorrangigen Ansprüchen wird in zusammen 15% der Fälle als Ausweg aus der Sozialhilfe gesehen.

• Ein Sprachkurs (insgesamt 7%) wird insbesondere bei Flüchtlingen (dort 33%) und Aussiedlern (23%) für hilfreich gehalten.

• Der größte Teil der „sonstigen Möglichkeiten“ (9%) bezieht sich auf Suchtkranke und sieht demnach Entzug und Therapien als vorrangigen Weg zur Überwindung der Sozialhilfe an. Des Weiteren empfehlen die Sachbearbeiter/innen eine Unter-stützung bei der Kinderbetreuung vor allem für allein Erziehende.

Die folgende Grafik lässt erkennen, dass gerade bei Aussiedlern zwar viele Defizite genannt, aber auch viele Ansatzpunkte zur Überwindung gesehen werden.

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Abbildung 18:

Möglichkeiten zur Überwindungdes Hilfebezugs

ISG 2001

41%

37%

15%

21%

7%

10%

5%

9%

9%

50%

14%

41%

23%

9%

14%

9%

zurzeit keine Möglichkeit

Arbeitsaufnahme

Ausweitung der Erwerbstätigkeit

Qualifizierung

Sprachkurs

Realis. von Unterhaltsansprüchen

Realis. sonst. vorrangiger Ansprüche

sonstige Möglichkeit

gesamt Aussiedler

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Um das Selbsthilfepotenzial des Hilfeempfängers zu aktivieren, könnte eine intensive Beratung hilfreich sein. Relativ zuversichtlich hinsichtlich des Selbsthilfepotenzials werden 46% der Bedarfsgemeinschaften eingeschätzt, während für immerhin 12% das eher negative Urteil „keine Aussicht auf Erfolg“ gefällt wird. Ein Beratungserfordernis wird bei jeweils 22% der deutschen Bedarfsgemeinschaften deutlich bzw. eventuell gesehen. In 45% der Fälle ist eine solche Beratung nicht erforderlich, während bei 11% der deutschen Bedarfsgemeinschaften keine Aussicht auf Erfolg gesehen wird.

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Abbildung 19:

Beratungsbedarfnach Nationalität

ISG 2002

22%

22%

45%

11%

27%

18%

41%

14%

18%

21%

51%

10%

22%

21%

45%

12%

ja

eventuell

nicht erforderlich

keine Erfolgsaussicht

DeutscheAussiedlerAusländergesamt

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Eine höhere Effektivität wird der Beratung von Aussiedlern beigemessen, hier wird in 27% der Fälle eine Beratung für sinnvoll gehalten. Allerdings ist auch der Anteil, bei dem eine Beratung aussichtslos erscheint, bei den Aussiedlern mit 14% am höchsten. Unterdurchschnittlich werden die Erfolgsaussichten der Beratung bei Ausländern ein-geschätzt, was vor allem daran liegt, dass in der Hälfte der Fälle eine solche Beratung nicht erforderlich sei. 3.4 Hilfe zur Arbeit in Konstanz Die Strukturen der Hilfe zur Arbeit wurden im Landkreis und in der Stadt Konstanz in den letzten Jahren zielgerichtet weiter entwickelt: • Die zentrale Arbeitsgruppe „Berufliche Eingliederung / Hilfe zur Arbeit“ betreibt Ar-

beitsvermittlung im Sinne eines Case Management, indem sie „systematisch, ge-zielt und möglichst passgenau die Fähigkeiten und Fertigkeiten arbeitssuchender Hilfebezieher/innen und die vorhandenen oder durch gezielte Ansprache von Ar-beitgebern angebotenen Arbeitsplätze“ zusammen führt (HZA 2001: 5).

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• Die Anbieter von Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen ha-ben sich zu einem Trägerverbund zusammen geschlossen, um auch auf der Ange-botsseite eine bessere Abstimmung und Vernetzung zu erreichen.

Die Leistungen der Arbeitsgruppe Hilfe zur Arbeit bestehen aus drei Komplexen (HZA 2001: 6 ff): • Im Vorfeld der Vermittlungsbemühungen steht eine genaue Bestandsaufnahme der

Fähigkeiten und Probleme des Klienten sowie seiner spezifischen Lebenssituation. Ein Ergebnis ist die Zuordnung zu 5 abgestuften Kategorien der Vermittelbarkeit, an der sich die Suche nach einer geeigneten Beschäftigung orientieren kann.

• Den Kernbereich bilden die Versuche zur Vermittlung auf den 1. oder 2. Arbeits-markt, in eine Beschäftigungsmaßnahme im Rahmen der Hilfe zur Arbeit oder in ei-ne Schulungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahme (zu den Beschäftigungsangeboten vgl. HZA 2001: 8 f).

• Den dritten Schritt bildet eine Beobachtung des Beschäftigungsverlaufs und eine Auswertung der Vermittlungserfolge.

Das Spektrum der Kooperationspartner, denen arbeitsfähige Klienten vermittelt wer-den, reicht von Firmen des ersten Arbeitsmarktes über Zeitarbeitsfirmen bis zu Be-schäftigungsgesellschaften und Bildungsträgern. Im Einzelnen werden folgende Leis-tungsbausteine der Kooperationspartner genannt: • Qualifizierung und Arbeitnehmerüberlassung: Gemeinnützige Arbeitnehmerüber-

lassung im bfz, Man-Power

• Gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten: kommunale Behörden, Wohlfahrtsver-bände, Krankenhäuser, TBK-Projekt, Neue Arbeit, Fairkauf

• Versicherungspflichtige Beschäftigung mit Sozialbetreuung: Neue Arbeit, Fairkauf, AGJ

• Qualifizierungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt: JoB-Master, Jugend-Arbeit-Zukunft, Gewerbeakademie/ Handwerkskammer („Fidelia“)

• Tagesstrukturierung: AGJ, Krankenhaus, Tagestreff „Die Brücke“.21

21 Im weiteren Umfeld sind außerdem Qualifizierungsangebote zu nennen, die zum Teil in

Kooperation mehrerer Organisationen angeboten werden. Beispiele dafür sind die „Kon-stanzer Lehr- und Lerntage“ des Förderkreises Wirtschaft im Landkreis Konstanz und das Projekt „Selbstgesteuertes Lernen am praktischen Beispiel“, das die Impuls Lernagentur in Zusammenarbeit mit Volkshoschschule, Gewerbeschule, Handwerkskammer und Fachhochschule Konstanz konzipiert hat.

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Im Verlauf des Jahres 2000 wurden 372 Vermittlungsversuche unternommen, von de-nen 211 (56%) erfolgreich waren (HZA 2001: 10). An erster Stelle standen sozialversi-cherungspflichtige Beschäftigungsmaßnahmen (59 Personen bzw. 16% der Vermitt-lungsversuche), gefolgt von Vermittlungen auf den 1. Arbeitsmarkt (34 Personen bzw. 9% der Vermittlungsversuche), in Beschäftigungsmaßnahmen mit Mehraufwandsent-schädigung (33 Personen bzw. 9% der Vermittlungsversuche) und Arbeitstrainings-maßnahmen (31 Personen bzw. 8% der Vermittlungsversuche). Im Zuge der Auswertungen wurde auch die Beobachtung gemacht, dass die Vermitt-lungsbemühungen nicht beliebig steigerbar sind, sondern an eine Grenze stoßen, wenn der besser qualifizierte Teil der Sozialhilfeempfänger bereits vermittelt ist und man sich den Personengruppen mit größeren Vermittlungshemmnissen zuwendet (HZA 2001: 10). Eine solche „Erschöpfung“ der Hilfemöglichkeiten wird durch den ob-jektiven Faktor eines sich verschlechternden Arbeitsmarktes verstärkt. Die meisten Teilnehmer an Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit wurden im Laufe des Jah-res 2000 in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf dem 2. Ar-beitsmarkt nach § 19 Abs. 2 Alt. 1 BSHG vermittelt (35%). An zweiter Stelle stehen Mehraufwandsentschädigungen nach § 19 Abs. 2 Alt. 2 BSHG und Arbeitgeberzu-schüsse nach § 18 Abs. 4 BSHG, auf die jeweils ein Anteil von 20% entfiel. Arbeitstrai-ningsmaßnahmen nach § 20 BSHG machten in diesem Zeitraum 18% der Vermittlun-gen aus, während an Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nur einzelne Hilfe-empfänger teilnahmen. Die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 19 Abs. 1 so-wie Arbeitnehmerzuschüsse nach § 18 Abs. 5 BSHG spielten im untersuchten Jahr keine Rolle.

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Abbildung 20:

Teilnehmer an Maßnahmen der Hilfe zur ArbeitHzA-Bericht Konstanz (Jahr 2000)

ISG 2002

20%

35%

20%

18%

1%

5%

Arbeitgeberzuschuss (§ 18 Abs. 4 BSHG)

Arbeitsentgelt (§ 19 Abs. 2, 1. Alt.)

Mehraufwandsentschädigung (§ 19 Abs. 2, 2. Alt.)

Prüfung d. Arbeitsbereitschaft (§ 20 BSHG)

Qualifizierungsmaßnahmen

Umschulung durch Arbeitsamt

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht 2000: Hilfe zur Arbeit nach dem

BSHG Auch der Frage, wohin die Teilnehmer nach Beendigung der Maßnahmen vermittelt wurden, geht der HzA-Bericht des Sozialamtes Konstanz nach. Das Sozialamt verfolgt bei der Hilfe zur Arbeit ein stufenweises Eingliederungskonzept. Diesen Auswertun-gen zufolge wurden von Teilnehmern der im Jahr 2000 abgeschlossenen Maßnahmen insgesamt 46% auf den 1. Arbeitsmarkt vermittelt (und zwar 71% von den Teilneh-mern, deren Maßnahme auch auf dem 1. Arbeitsmarkt durchgeführt worden war), 26% wurden im Anschluss auf dem 2. Arbeitsmarkt beschäftigt, 10% bezogen Lohnersatz-leistungen und 9% wechselten in eine Projektteilnahme über. Davon konnten von den Teilnehmern, die über eine gemeinnützige Tätigkeit an den Arbeitsmarkt herangeführt werden, mit Lohnkostenzuschüssen 6 % in den ersten und 26 % in den zweiten Ar-beitsmarkt vermittelt werden. Insgesamt leben 66 Teilnehmer jetzt unabhängig von Sozialhilfe.

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Tabelle 11:

Arbeitsaufnahme 1.Arbeitsmarkt 17 60,7% 29 47,5% 6 8,7%darunter:mit ergänzender HLU 3SH Förderung Lohnkosten 10 2

Beschäftigung 2. Arbeitsmarkt 0 0% 2 3,3% 27 39,1%darunter:mit ergänzender HLUSH Förderung Lohnkosten 2 27

Projektteilnahme Arbeitsamt 1 3,6% 4 6,6% 1 1,4%darunter:mit ergänzender HLU 1 2 1SH Förderung Lohnkosten

Wechsel in TBK-Projekt 1 3,6% 1 1,6% 1 1,4%darunter:mit ergänzender HLU 1 1 1SH Förderung Lohnkosten

Bezug von Lohnersatzleistungen 2 7,1% 8 13,1% 1 1,4%darunter:mit ergänzender HLU 1 2SH Förderung Lohnkosten

4 14,3% 11 18,0% 33 47,8%

mit ergänzender HLU 2 5 30

Verbleib unbekannt 3 10,7% 6 9,8%

Teilnehmer zusammen 28 61 69darunter:mit ergänzender HLU 8 10 32SH Förderung Lohnkosten 0 12 29

Aus der SH ausgeschieden 39 Teilnehmer 8 Teilnehmer20 Teilnehmer

Auswertungen des Sozialamts Konstanz (Mai 2001, S.13)

Art der HzA-Maßnahme

Aus der HzA-Maßnahme ausgeschieden aus gesund- heitlichen oder sonstigen Gründen, darunter:

Nach Abschluss der Maßnahme vermittelt in: 1. Arbeitsmarkt 2.Arbeitsmarkt Mehraufwands-

entschädigung

Vermittlungserfolge nach Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht 2000: Hilfe zur Arbeit nach dem

BSHG

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4. Schulische Bildung und berufliche Qualifikation 4.1 Schulausbildung Entscheidend für die zukünftigen Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen ist ihre schulische Ausbildung. Eine statistische Auswertung der Konstanzer Schülerin-nen und Schüler des Schuljahres 2000/ 2001 ergibt, dass Jungen auf weiterführenden Schulen größere Schwierigkeiten haben als Mädchen: Während in der Grundschule die Geschlechterrelation noch ausgewogen ist, steigt der Mädchenanteil in weiterführen-den Schulen über 52% in der Realschule bis zu 55% im Gymnasium. Dies entspricht auch bundesweiten Ergebnissen. Als besonders schwierig erweist sich auf Grund dieser Analyse die Situation der aus-ländischen Kinder. Deren Anteil von 18% in der Grundschule steigt in der Hauptschule auf fast ein Drittel an. In der Realschule sind sie dagegen mit 10% und im Gymnasium mit 6% der Schüler zunehmend unterrepräsentiert. Die Förderschule wird zu über 50% von ausländischen Schülern in Anspruch genommen. Auch diese Tendenz lässt sich bundesweit beobachten, wenn auch auf niedrigerem Niveau, da der Ausländeranteil unter den Schülern, wie auch an der Bevölkerung insgesamt, mit 9% niedriger als in Konstanz liegt.22 In der Grundschule liegt der Ausländeranteil bundesweit bei 11%, in der Hauptschule bei 15%. In den weiter führenden Schulen sinkt er auf 6% (Realschu-le) bzw. 4% (Gymnasium) ab. Hohe Ausländeranteile in der Wohnbevölkerung finden sich z.B. in den Stadtteilen Pe-tershausen-West (20%), Königsbau (22%), Fürstenberg und Altstadt (jeweils 14%). Dies spiegelt sich auch in den Ausländeranteilen der dort ansässigen Grundschulen wider, da diese in der Regel den umgebenden Wohnbezirk als Einzugsgebiet haben. Sehr hohe Anteile ausländischer Schülerinnen und Schüler werden an der Gebhard-Schule in Petershausen (35%) und an der Berchen-Grundschule in Wollmatingen (43%) unterrichtet, außerdem weisen die Grundschulen in Altstadt, Paradies und Kö-nigsbau überdurchschnittliche Ausländeranteile auf. Besonders niedrig ist der Auslän-deranteil dagegen in den Schulen in Allmannsdorf (7%) sowie Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen (2% - 5%). In diesen Stadtteilen liegt auch der Ausländeranteil in der Gesamtbevölkerung in dieser Größenordnung.

22 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Erster Armuts- und

Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn 2001, S. 121

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Tabelle 12:

Schuljahr 2000/01 nach Geschlecht und Nationalität

Mädchen-Schulart Gesamt anteil in % insgesamt in %Grundschule 2.589 48,7 476 18,4Altstadt/ Paradies 693 53,0 128 18,5

Stephan (Altstadt) 298 42,6 47 15,8Wallgut (Paradies) 267 41,9 51 19,1Zoffingen (Altstadt) 128 100,0 30 23,4

Petershausen/ Königsbau 608 47,2 143 23,5Gebhard (Petershausen) 204 44,6 71 34,8Sonnenhalde (Königsbau) 404 48,5 72 17,8

Allmannsdorf 230 44,8 16 7,0Haidelmoos (Fürstenberg) 267 46,1 50 18,7Wollmatingen 409 46,0 123 30,1

Berchen (Wollmatingen) 184 46,7 79 42,9Wollmatingen 225 45,3 44 19,6

Litzelstetten 137 49,6 7 5,1Dingelsdorf 94 47,9 2 2,1Dettingen 151 53,0 7 4,6Hauptschule 969 47,5 300 31,0Altstadt 266 61,7 111 41,7

Stephan 143 28,7 73 51,0Zoffingen 123 100,0 38 30,9

Gebhard 200 47,0 79 39,5Berchen 161 43,5 60 37,3Dettingen 100 44,0 7 7,0Geschwister-Scholl 242 36,4 43 17,8Realschule 1.352 51,9 130 9,6Mädchenrealschule Zoffingen 352 100,0 42 11,9Theodor-Heuss-Realschule 509 30,1 67 13,2Geschwister-Scholl 491 40,1 21 4,3Gymnasium 2.661 54,5 148 5,6Alexander-von-Humboldt 939 41,4 66 7,0Ellenrieder 561 78,8 37 6,6Heinrich-Suso 508 56,5 24 4,7Geschwister-Scholl 653 50,8 21 3,2Förderschule Comenius 102 39,2 55 53,9Gesamt 7.673 51,0 1.109 14,5Quelle: Stadt Konstanz, eigene Berechnungen

Ausländer

Übergang zu weiter führenden Schulen

Der Übergang von der Grundschule zu einer weiter führenden Schule bildet eine zent-rale Schnittstelle, an der die weiteren Lebenschancen maßgeblich vorgezeichnet wer-den. Zwar sind auch spätere Übergänge möglich, wie z.B. der Übergang auf das Gym-nasium nach Abschluss der Realschule oder später auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholte Abschlüsse. Während zwischen Realschule und Gymnasium eine gewis-se Fluktuation in beide Richtungen besteht (aber eben zwischen weiter führenden

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Schulen), spielen nachträgliche Übergänge, die von der Hauptschule aus gelingen, statistisch eine vergleichsweise geringe Rolle, sodass der hohe Stellenwert der Wei-chenstellung zwischen Grund- und weiter führender Schule dadurch nicht geschmälert wird. Der bundesweiten Schülerstatistik sind keine Angaben zu Übergängen auf weiter füh-rende Schulen zu entnehmen. Diese liegen aber für Konstanz vor, und die zuvor auf-gezeigten Unterschiede zwischen den Stadtteilen lassen sich auch in dieser Hinsicht beobachten.23 Tabelle 13:

Hauptschule Realschule Gymnasium GesamtAbgebende GrundschuleParadies/ Altstadt 48 46 73 167in % 28,7 27,5 43,7 28,1Petershausen/ Königsbau 66 44 69 179in % 36,9 24,6 38,5 30,1Allmannsdorf, Staad/ Egg 7 9 48 64in % 10,9 14,1 75,0 10,8Fürstenberg 16 25 31 72in % 22,2 34,7 43,1 12,1Wollmatingen, Industriegebiet 35 25 38 98in % 35,7 25,5 38,8 16,5Litzelstetten 3 11 18 32in % 9,4 34,4 56,3 5,4Dingelsdorf 5 11 14 30in % 16,7 36,7 46,7 5,0Dettingen 5 16 22 43in % 11,6 37,2 51,2 7,2

Gesamt 185 187 313 685in % 27,0 27,3 45,7 100,0Quelle: Stadt Konstanz, eigene Berechnungen

Aufnehmende weiterführende SchuleÜbergänge auf weiterführende Schulen zum Schuljahr 2000/01

Durchschnittlich gehen nach Ende der Grundschulzeit 46% der Schüler zum Gymnasi-um und 27% zur Realschule, während 27% nur die Hauptschule besuchen. In Peters-hausen, Königsbau, Wollmatingen und Industriegebiet liegen die Anteile der Haupt-schüler mit 36% - 37% am höchsten; von dort gehen nur 38% - 39% zum Gymnasium. Dagegen besuchen aus Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen durchschnittlich nur

23 In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass Schüler/innen auch von

außerhalb der Stadt Schulen in Konstanz besuchen; lt. Schulentwicklungsplan versorgen die weiterführenden Schulen in Konstanz rd. 17% auswärtiger Schüler. Vgl. Projektgrup-pe Bildung und Region, Schulentwicklungsplan Stadt Konstanz, Bonn 2001

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12% die Hauptschule, aber 51% das Gymnasium. In Allmannsdorf, Staad und Egg gehen sogar 75% zum Gymnasium gegenüber 11% Hauptschülern. Schulbildung und Armut

Ein zunehmend gravierendes Problem stellt die Verweigerung des Schulbesuchs bzw. das Scheitern selbst bei niedrigen Abschlüssen dar. Die Analyse der Sozialhilfeakten ergibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen mangelhafter Schulbildung und späteren Armutsrisiken. Von den erwachsenen Sozialhilfebeziehern, deren Schulab-schluss bekannt ist und die nicht mehr in Ausbildung sind, haben 13% keinen schuli-schen Abschluss und die Hälfte hat lediglich einen Hauptschulabschluss. Diese Anteile spiegeln weitgehend die Bildungsstruktur der Sozialhilfebezieher auf Bundesebene wider, während in der gesamten erwachsenen Bevölkerung die Anteile mit Haupt-schulabschluss etwas geringer (45%) und die ohne Abschluss (3%) deutlich geringer sind. Abbildung 21:

Schulabschlussder erwachsenen Hilfebezieher

ISG 2001

13%

50%

20%

16%

2%

13%

51%

19%

8%

8%

3%

45%

31%

22%

1%

kein Schulabschluss

Hauptschulabschluss

Realschule

(Fach)Hochschule

sonst. Schulabschluss

Sozialhilfeakten KonstanzSozialhilfe DeutschlandBevölkerung Deutschland

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Auffällig ist der hohe Anteil von höher gebildeten Hilfeempfängern in Konstanz. 16% der erwachsenen Hilfeempfänger verfügen über die Fachhochschul- oder Hochschul-reife, dieser Anteil ist doppelt so hoch wie in der bundesweiten Sozialhilfestatistik. Dies dürfte durch den universitären Charakter der Stadt Konstanz bedingt sein.

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4.2 Berufliche Qualifikation Doch die schulische Ausbildung ist nur ein Indikator unter anderen; von starker Rele-vanz für die Beschäftigungschancen ist vor allem der berufliche Abschluss. Keinen Berufsabschluss hat etwa die Hälfte aller erwachsenen Hilfebezieher, deren Berufsab-schluss bekannt ist und die nicht mehr in Ausbildung sind. Dieses Ergebnis, das in Konstanz nur wenig niedriger als im Bundesdurchschnitt ausfällt, dürfte ein wichtiger Einflussfaktor für die geringen Beschäftigungschancen sein. Abbildung 22:

Berufsabschlussder erwachsenen Hilfebezieher

ISG 2001

48%

35%

4%

8%

5%

53%

37%

2%

4%

5%

20%

56%

9%

15%

kein berufl. Abschluss

abgeschl. Lehre/ berufl.-schul Ausb.

Fachabschluss

(Fach)Hochschulabschluss

sonst. berufl. Abschluss

Sozialhilfeakten KonstanzSozialhilfe DeutschlandBevölkerung Deutschland

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Eine abgeschlossene Lehre bzw. eine beruflich-schulische Ausbildung haben zusam-men 35% der Konstanzer Sozialhilfeempfänger; bundesweit liegt dieser Anteil unter den Sozialhilfeempfängern in ähnlicher Höhe, während er unter der Gesamtbevölke-rung deutlich höher ist. Höhere berufliche Abschlüsse (Fachabschluss wie Meister oder Techniker, Fachhochschul- oder Hochschulabschluss) haben 12% der Sozialhilfeemp-fänger in Konstanz, dieser Anteil ist doppelt so hoch wie unter den Sozialhilfeempfän-ger in Deutschland insgesamt, aber nur halb so hoch wie in der bundesdeutschen Be-völkerung.

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5. Familiäre Netzwerke und deren Entlastung „Kinderarmut“ bildet ein Reizwort in der Armutsdiskussion, wobei die hohen Anteile von Kindern und Jugendlichen mit Sozialhilfebezug als Beleg angeführt werden. Erschwer-te Lebensbedingungen beschränken sich aber nicht nur auf den (häufig durch Alleiner-ziehung bedingten) Sozialhilfebezug, sondern durchziehen weitere Bereiche wie Bil-dungschancen, Erziehungsschwierigkeiten und Nutzung von Freizeitangeboten. Ent-sprechend umfassend müssen auch Handlungskonzepte angelegt sein, mit denen auf eine Verbesserung der Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen hingewirkt werden soll, um Benachteiligungen abbauen und fördernde Strukturen weiter ausbau-en (unter Umständen auch räumlich breiter streuen) zu können. 5.1 Kinder und Jugendliche im Sozialhilfebezug Familien mit Kindern als Bezieher der Hilfe zum Lebensunterhalt Über ein Drittel der Bezieher laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Ein-richtungen in Deutschland sind unter 18 Jahren alt. Diese Relation stellt sich in Kon-stanz, wo 31% der Hilfeempfänger Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind, nicht ganz so ausgeprägt dar. Angesichts eines Bevölkerungsanteils dieser Altersgruppe von nur 14% sind sie in der Sozialhilfe deutlich überrepräsentiert. Tabelle 14:

Kinder und Jugendliche im SozialhilfebezugStadt Konstanz, 31. 12. 2001

BevölkerungAltersgruppe insgesamt Anzahl HLU-Quote SH-Akten

unter 4 Jahren 1.959 211 10,8% 13,5%4 bis 7 Jahre 2.705 198 7,3% 8,7%8 bis 17 Jahre 6.554 448 6,8% 7,6%

zusammen 11.218 857 7,6% 8,9%

Personen insgesamt 79.883 2.742 3,4% 3,4%Kinderanteil 14% 31% 34%

HLU-Bezug von Kindern und Jugendlichen

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001; Sozialhilfe-Aktenanalyse des ISG 2001;

Berechnungen des ISG Während die HLU-Quote der gesamten wohnberechtigten Bevölkerung in Konstanz 3,4% beträgt (Stand: Dezember 2001), sind durchschnittlich 7,6% der Kinder und Ju-

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gendlichen auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen (gegenüber einer Quote von 9% in Deutschland insgesamt). Am höchsten ist die HLU-Quote bei Kindern bis unter 4 Jahren: Jedes 10. Kind in diesem Alter lebt in einem Haushalt mit HLU-Bezug.24 Was sind die Ursachen für diesen Befund? Häufig wird in diesem Zusammenhang auf hohe Ausländeranteile an der Bevölkerung verwiesen: Ausländische Haushalte haben in der Regel mehr Kinder und einen niedrigeren Lebensstandard als deutsche Haus-halte. Daher ist die HLU-Quote der ausländischen Bevölkerung insgesamt deutlich höher als die der deutschen. Dies wirkt sich auch auf die Kinder und Jugendlichen aus: Während die deutschen Kinder in Konstanz eine HLU-Quote von 6% aufweisen, liegt sie bei den ausländischen Kindern bei 16%, in der Altersgruppe unter vier Jahren so-gar über 20%. Tabelle 15:

Kinder und Jugendliche im Sozialhilfebezug nach Nationalität

Bevölkerung darunter: darunter mit HLU-Bezug (Hochrechnung)Altersgruppe insgesamt Deutsche Ausländer Deutsche Quote Ausländer Quote

unter 4 Jahren 1.959 86,7% 13,3% 152 9,0% 59 22,6%4 bis 7 Jahre 2.705 86,5% 13,5% 137 5,8% 61 16,7%8 bis 17 Jahre 6.554 85,8% 14,2% 317 5,6% 131 14,1%

zusammen 11.218 86% 14% 606 6,3% 251 16,1%

Bevölkerung 79.883 87% 13% 1.448 2,1% 1.294 12,9%

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001; Sozialhilfe-Aktenanalyse des ISG 2001; Berechnungen des ISG

Eine genauere Analyse des Immigrantenstatus ergibt, dass 72% der Kinder und Ju-gendlichen in Haushalten mit deutschem Haushaltsvorstand leben, und zwar 68% in Haushalten von langfristig hier wohnenden Deutschen und 4% in Aussiedlerhaushal-ten. Jeweils 11% wohnen in Haushalten von Flüchtlingen bzw. Asylberechtigten und von EU-Ausländern, 7% in Haushalten von sonstigen Ausländern.

24 Eine Hochrechnung der Kinder und Jugendlichen, die in der Aktenanalyse erfasst wur-

den, ergibt leicht höhere Werte, die aber von ihrer Struktur und Tendenz her ein ange-messenes Bild zeichnen (vgl. rechte Spalte der Tabelle).

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Tabelle 16:

Nationalität des Haushaltsvorstands Analyse von SH-Akten

Ausländer insgesamt Alters-Altersgruppe Deutsche Aussiedler Flüchtling EU-Ausl. sonstige struktur

unter 4 Jahren 69% 3% 12% 9% 6% 27%4 bis 9 Jahre 67% 0% 8% 13% 11% 36%10 bis 13 Jahre 68% 9% 13% 9% 0% 22%14 bis 17 Jahre 65% 5% 11% 14% 5% 15%

zusammen 68% 4% 11% 11% 7% 100%Bevölkerung 68% 7% 8% 8% 8%

Deutsche insgesamt

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Der wichtigste Grund, aus dem Kinder und Jugendliche auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, ist jedoch, dass sie in Haushalten von allein Erziehenden leben. Auf Grund eingeschränkter Erwerbsfähigkeit und unzureichender bzw. ausbleibender Un-terhaltszahlungen sind allein Erziehende in starkem Maße auf die Unterstützung der Sozialhilfe angewiesen. Im früheren Bundesgebiet hat sich dieser Haushaltstyp in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu einer zentralen Problemgruppe (mit derzeit 23% der Bedarfsgemeinschaften laufender Hilfe zum Lebensunterhalt) entwickelt, in den neuen Ländern machen sie sogar 27% der Bedarfsgemeinschaften aus. In der Stadt Konstanz liegt der Anteil der allein Erziehenden mit 26% über dem westdeutschen Durchschnitt.

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Abbildung 23:

Haushaltsformenin denen Kinder mit HLU-Bezug leben

ISG 2001 *Kinder insgesamt

29%

28%

36%

41%

32%

68%

69%

62%

49%

64%

3%

3%

2%

10%

4%

unter 4 Jahren (65*)

4 bis 9 Jahre (89)

10 bis 13 Jahre (53)

14 bis 17 Jahre (39)

zusammen (246)

Paar mit Kindern allein Erziehende sonst. Bedarfsgemeinschaft

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Nur ein Drittel der Kinder mit Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt lebt in Haushalten von Paaren, während 64% in Haushalten von allein Erziehenden leben (sonstige Be-darfsgemeinschaften machen mit 4% nur einen kleinen Teil aus). Vor allem Kinder un-ter 10 Jahren leben in Haushalten von allein Erziehenden, hier erreicht der Anteil fast 70%. Somit lässt sich das Fazit ziehen: Die „Kinderarmut“ im Sinne der Angewiesenheit auf Hilfe zum Lebensunterhalt ist zu einem überwiegenden Teil durch den hohen Anteil allein Erziehender bedingt. Damit ist sie ein Problem, aber kein Skandal: In verschie-denen Untersuchungen dieses Aspekts wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die Sozialhilfe damit auch eine Schutzfunktion für diese Familienform und die darin leben-den Kinder realisiert.25

25 Vgl. M. Ludwig, Armutskarrieren. Zwischen Abstieg und Aufstieg im Sozialstaat, Wiesba-

den 1996

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5.2 Sozialhilfe und Jugendhilfe Ein weiterer Indikator für belastete Lebenslagen ist der Bedarf an Kinder- und Jugend-hilfe, insbesondere an Leistungen der „Hilfe zur Erziehung“. Leistungen der Jugendhilfe wurden am Jahresbeginn 2001 in Konstanz in insgesamt 370 Fällen gewährt, davon 365 ambulante, teilstationäre und familienersetzende und 5 sonstige Hilfen nach dem SGB VIII. Gegenüber dem Jahresbeginn 1999 entspricht dies einem Zuwachs von 9%. Ambulante Hilfen haben etwas stärker, familienersetzende Hilfen etwas weniger zuge-nommen. Dadurch hat sich die Struktur der Hilfen im hier betrachteten Zeitraum aber kaum verändert. Tabelle 17:

Leistungen der Jugendhilfe in Konstanz

gesetzl. im Januar des Jahres Verteilung Verteilung Veränderung Hilfeart Grundlage 1999 2000 2001 am 1.1.99 am 1.1.01 99 bis 01

familienersetzende Hilfen 124 125 131 37% 36% 6%Vollzeitpflege § 33 51 61 62 15% 17% 22%Heimunterbringung § 34 56 48 51 17% 14% -9%Betreutes Wohnen § 34 15 13 14 4% 4% -7%Seelische Behinderung § 35a 2 3 4 1% 1% 100%

ambulante Hilfen 101 103 112 30% 31% 11%pädagogische Lernhilfe § 16 54 42 54 16% 15% 0%Erziehungsbeistand § 30 15 21 25 4% 7% 67%Sozialpäd. Familienhilfe § 31 32 40 33 10% 9% 3%

teilstationäre Hilfen § 32 111 112 122 33% 33% 10%

Jugendhilfe zusammen SGB VIII 336 340 365 100% 100% 9%

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001 Im Vergleich mit der Bundesjugendhilfestatistik wird deutlich, dass die ambulanten und teilstationären Formen der Jugendhilfe in Konstanz deutlich stärker gewichtet werden als im Bundesdurchschnitt: Dort macht die ambulante Hilfe 16% aus (gegenüber 20% in Konstanz, ohne Hilfe nach § 16 SGB VIII), die teilstationäre Hilfe 10% aller Hilfen (gegenüber 38% in Konstanz). Demnach sind bundesweit 74% familienersetzende Hilfen, die in der Regel einen größeren Einschnitt in die Lebenswelt des Jugendlichen bedeuten und zudem kostenintensiver sind. In Konstanz ist es dagegen im Bemühen um eine Reduzierung der familienersetzenden Formen der Jugendhilfe auf das unbe-dingt notwendige Maß gelungen, alle drei Formen der Hilfe in etwa gleich zu gewich-ten.

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Abbildung 24:

Leistungsstruktur der JugendhilfeStadt Konstanz im bundesweiten Vergleich (Jahreswechsel 1999 / 2000)

ISG 2002

42%

20%

20%

1%

20%

7%

13%

38%

74%

29%

46%

2%

16%

8%

9%

10%

familienersetzende Hilfen

Vollzeitpflege § 33

Heimerziehung, betr. Wohnen § 34

Intensive Einzelbetreuung § 35

ambulante Hilfen

Erziehungsbeistand/Betreuungsh. § 30

Sozialpäd. Familienhilfe § 31

teilstationäre Hilfen § 32Stadt KonstanzDeutschland

ohne pädagogische Lernhilfe nach § 16 SGB VIII Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001; Statistisches Jahrbuch 2001 Eine stärkere Belastung der familiären Lebenslage ist anzunehmen, wenn Maßnahmen der Jugendhilfe mit dem Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt kumulieren. Tabelle 18:

Hilfeart SGB VIII

ambulant: Pädagogische Lernhilfen § 16 54 12 22% Erziehungsbeistandschaft § 30 25 7 28% Sozialpäd. Familienhilfe § 31 33 6 18%teilstationär: Sozialpäd. Tagesgruppe § 32 122 43 35%stationär: Vollzeitpflege § 33 62 26 42% Heimerziehung § 34 51 13 25% Betreutes Wohnen § 34 14 3 21% Seelische Behinderung § 35a 4 0 0%

Jugendhilfe insgesamt 365 110 30%

Jugendhilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt

Hilfen zum 1.1.2001

darunter: Familien mit HLU-Bezug

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001

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Von den 365 ausgewerteten Bezugsfällen der Jugendhilfe-Leistungen lebten 110 (30%) in Familien, die auch auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen waren. Dieser Anteil ist bei den Fällen der Vollzeitpflege mit 42% überdurchschnittlich hoch, und auch in sozialpädagogischen Tagesgruppen liegt die Bezugsquote von HLU mit 35% recht hoch. Dies ist darauf zurück zu führen, dass die Tagesgruppen insbesondere in sozial stark belasteten Wohngebieten eingeführt wurden. In geringerem Maße überschneiden sich beide Hilfearten bei betreutem Wohnen (21%) und in der sozialpädagogischen Familienhilfe (18%). 5.3 Einrichtungen für Kinder Am Jahresende 2000 gab es in Konstanz insgesamt 56 Tageseinrichtungen für Kinder mit 2.870 Plätzen. Dieses Angebot wird zum überwiegenden Teil von den 32 Kinderta-gesstätten mit insgesamt 1.860 Plätzen (darunter 147 Ganztagsplätze) gestellt. Zusätz-lich gab es 460 Plätze in Kinderhäusern, 158 Plätze in Sondereinrichtungen, 93 Plätze in Schülerhorten, 26 Plätze in Krippen und 273 Plätze in Elterninitiativen und Spiel-gruppen. Strukturiert man dieses Platzangebot nach der Zielgruppe, so stehen (ohne Berücksichtigung der Elterninitiativen und Spielgruppen, für die eine solche Differenzie-rung nicht möglich ist) insgesamt 88 Plätze für Kleinkinder, 2.205 Plätze für Kinder im Kindergartenalter sowie 304 Plätze für Schulkinder zur Verfügung. Tabelle 19:

Tageseinrichtungen für Kinder in der Stadt Konstanz - Stand: 31.12.2000

Art der Einrich- Plätze darunter für:Einrichtung tungen insgesamt Kleinkind Kindergarten Schulkind

1. Kindergärten und -tagesstätten 32 1.860 16 1.836 8dar. mit Ganztagsbetreuung 6 147

2. Kinderhäuser, altersgemischt 2-10 J. 6 460 46 299 115dar. mit Mittagessen 276

3. Sondereinrichtungen 5 158 70 884. Schülerhorte 2 93 935. Krippen 2 26 266. Elterninitiativen und Spielgruppen 9 273

Gesamt 56 2.870 88 2.205 304 Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001

Die Versorgung mit Kindergartenplätzen kann seit der bundesweiten Geltung der ent-sprechenden Garantie als unproblematisch betrachtet werden. In den Kindergärten der Stadt Konstanz wurden am Jahresende 88% der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren be-treut. Rechnet man die Kinder in dieser Altersgruppe hinzu, die auf weiteren 150 Spiel-

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gruppenplätzen untergebracht sind, so steigt die Versorgungsquote in diesem Bereich auf 94%. Weniger befriedigend sieht das Bild allerdings aus, wenn man die Versorgung unter-halb des Kindergartenalters mit Plätzen in Kinderkrippen, oberhalb des Kindergartenal-ters mit Plätzen in Kinderhorten sowie im Kindergartenalter mit Ganztagsplätzen aus-wertet. Bezieht man die Zahl der Plätze auf alle Kinder der entsprechenden Zielgruppe, so ergeben sich nach einer differenzierten Berechnung des Sozial- und Jugendamtes der Stadt Konstanz am Jahresende 2000 folgende Versorgungsquoten: Tabelle 20:

Altersgruppe Stadtteil unter 3 J. 3 -5 Jahre 6-11 Jahre B 1a B 1b B 2 B 3

Altstadt/ Paradies 456 372 711 1,8% 17,5% 27,4% 11,3%

Petershausen/ Königsbau 631 597 1.187 9,5% 9,5% 27,0% 16,2%

Allmansdorf/ Staad/ Egg 183 185 414 / 29,5% / /

Fürstenberg/ Wollmatingen/ Industriegebiet 507 515 1.034 3,9% 22,3% 6,8% 3,1%

Litzelstetten 104 106 196 / 28,8% / /Dingelsdorf 54 64 153 / / / /Dettingen 92 94 192 / 26,1% / /Wallhausen 49 47 55 / / / /

Stadt Konstanz insgesamt 2.076 1.980 3.942 4,2% 17,4% 15,1% 7,7%

Versorgungsgrad mit Plätzen in *

Kinder nach Altersgruppen und Versorgungsgrad mit Kindergartenplätzen

* B 1a: 0 - 3 Jahre, Krippenplätze sowie Plätze in Kinderhäusern und Kindertagesstätten unter 3 Jahren B 1b: 0 - 3 Jahre, inkl. Spielgruppen; B 2: 3 - 6 Jahre, Ganztagsplätze; B 3: 6-12 Jahre, Hortplätze Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz

Nur für 4% der Kinder unter drei Jahren stehen professionelle Versorgungsmöglichkei-ten zur Verfügung (Bereich 1a); bezieht man die Plätze in Spielgruppen mit ein (Be-reich 1b), erhöht sich die Versorgungsquote auf 17%, d.h. für 83% der Kinder gibt es kein entsprechendes Angebot bzw. keine entsprechende Nachfrage. Eine überdurch-schnittliche Versorgung ergibt sich für diese Altersgruppe in den kleineren Stadtgebie-ten Allmannsdorf/ Staad/ Egg und Dettingen, während in Petershausen/ Königsbau nur 10% der Kinder derartige Versorgungsmöglichkeiten haben. Allerdings kann diese Ver-sorgungsquote nur im überregionalen Vergleich angemessen bewertet werden. Im

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Durchschnitt des früheren Bundesgebiets liegt die Versorgungsquote der Kinder unter drei Jahren mit 3% ebenfalls sehr niedrig.26 Für Kinder im Kindergartenalter sieht die Versorgungslage ebenfalls deutlich schlechter aus, wenn nur Ganztagsplätze in Betracht gezogen werden. Dann liegt die Versor-gungsquote der Kinder in dieser Altersgruppe bei nur noch 15%, wobei diese Plätze sehr ungleichmäßig auf das Stadtgebiet verteilt sind: In Altstadt/ Paradies sowie in Pe-tershausen/ Königsbau stehen für ein gutes Viertel in dieser Altersgruppe Ganztags-plätze zur Verfügung, im übrigen Stadtgebiet gibt es sie kaum. Unbefriedigend stellt sich die Versorgungslage auch für Schulkinder zwischen sechs und elf Jahren dar: Nur 8% von ihnen verfügen über einen Hortplatz oder einen Platz für Schulkinder in einem Kinderhaus, während 92% diese Möglichkeit nicht haben. Im überregionalen Vergleich liegt Konstanz allerdings im oberen Bereich. Im früheren Bundesgebiet liegen die Versorgungsquoten der Schulkinder mit Hortplätzen zwischen 0,3% in Bayern und 10% in Nordrhein-Westfalen.27 5.4 Angebote der Kinder- und Jugendarbeit Für Schulkinder und Jugendliche weist die Stadt Konstanz ein breites Spektrum an Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit auf. Ein Bericht des Sozial- und Ju-gendamtes weist neben einem KinderKulturZentrum und Jugendzentrum in städtischer Trägerschaft vier weitere Einrichtungen freier Träger aus, darüber hinaus sind für den Bereich Berchen / Öhmdwiesen je ein weiterer stadtteilorientierter Kinder- und Ju-gendtreff vom Gemeinderat beschlossen und in Planung.28 Der hohe Stellenwert dieser Arbeit lässt sich u.a. mit Hinweis auf die zunehmenden gesellschaftlichen Belastungen, denen Kinder und Jugendliche gerade aus sozial schwächeren Familien ausgesetzt sind, begründen. Die Familien selbst sind mit der Kompensation dieser Belastungen häufig überfordert, zudem können sie auf Grund interner Spannungen nicht nur eine ent-, sondern auch eine belastende Auswirkung haben. Eine „familienergänzende“ Funktion der Kinder- und Jugendarbeit kann hier zum Ausgleich von Spannungen, zur Verarbeitung von Belastungen und zum Lernen sozialer Verhaltensweisen beitragen.

26 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Erster Armuts- und Reichtumsbe-

richt der Bundesregierung, Bonn 2001, S. 111 27 Pressemeldung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom

11. März 2002 28 Vgl. Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht über die offene Kinder- und Ju-

gendarbeit in der Stadt Konstanz, Sitzungsvorlage für den Jugendhilfeausschuss am 29.09.98 sowie Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Mobile Jugendarbeit. Jah-resbericht 1999

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Das inhaltliche Angebot reicht von offenen Besuchercafés über allgemeine Information und Beratung, Ausflüge und andere Freizeitangebote bis zu interessenspezifischen Kursen, Angeboten der ergänzenden Versorgung und kinder- und jugendspezifischen Veranstaltungsreihen bzw. Großveranstaltungen. Dabei orientieren sich alle genannten Einrichtungen an gemeinsamen konzeptionellen Eckpunkten, die im zitierten Bericht von 1998 erläutert werden: • Integration und Vermeidung von Ausgrenzung: Die unterschiedlichen Migran-

tengruppen wie z.B. Flüchtlinge, Asylbewerber, Spätaussiedler und die dritte Gene-ration der bereits längerfristig in Deutschland lebenden Ausländer bilden eine in-homogene Gruppe mit hohem Konfliktpotenzial, das intensive Bemühungen zur In-tegration erforderlich macht. Der überproportionale Zuzug von Migranten nach Konstanz verstärkt dieses Erfordernis.

• Geschlechtsspezifische Angebote: Zu den eher belastenden Sozialisationseinflüs-sen gehören auch konflikterhöhende Rollenmuster wie aggressives Verhalten auf der einen und mangelndes Selbstbewusstsein zur Entgegnung auf der anderen Seite. Um den Kindern und Jugendlichen zu einer stärker kommunikationsorientier-ten Identitätsfindung verhelfen zu können, werden geschlechtsspezifische Angebo-te für Jungen und Mädchen mit einer entsprechenden Zielsetzung durchgeführt.

• Sucht- und gewaltpräventive Angebote: Der grundsätzlichen Zielsetzung der Kin-der- und Jugendarbeit entspricht eine Schwerpunktsetzung auf Prävention, um Fehlentwicklungen frühzeitig entgegen wirken zu können. In den Konstanzer Ein-richtungen werden vor allem die Sucht- und Gewaltprävention überwiegend als Querschnittstrategie in allen Situationen verfolgt. Flankierend wird dieses Vorgehen durch themenspezifische Angebote ergänzt.

• Beratungsangebote und Angebote der ergänzenden Versorgung: Neben spezifi-scher Information und Beratung wird auch die Übernahme herkömmlicher Familien-funktionen geleistet, was insbesondere Mahlzeitenversorgung (Mittagstisch für Schüler) und Hausaufgabenbetreuung betrifft. Gerade diese regelmäßigen Formen der Unterstützung können langfristig eine stabilisierende Funktion erfüllen und er-möglichen es darüber hinaus, im akuten Falle Probleme erkennen und mit entspre-chender Hilfestellung intervenieren zu können.

• Stadtteilübergreifende Angebote: In einer Stadt der Größenordnung von Konstanz ist es möglich und sinnvoll, ergänzend zu den stadtteilorientierten Angeboten der offenen Treffs stadtteilübergreifende Angebote und Maßnahmen zu konzipieren, um ein breites Spektrum von Kindern und Jugendlichen aus dem gesamten Stadt-gebiet zu erreichen.

• Ferienangebote: Eine gewisse Familien entlastende Funktion erfüllt das jährliche von vielen Vereinen und Institutionen getragene Sommerferienprogramm, das ge-

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rade auch für Kinder aus Familien konzipiert ist, die sich einen regelmäßigen Som-merurlaub nicht leisten können.

• Weitere Angebote: Eine Reihe weiterer Angebote werden in dem Bericht genannt, bei denen vor allem hervor zu heben ist, dass sowohl die Aspekte der Selbstbeteili-gung und Aktivierung der Kinder und Jugendlichen als auch der flankierenden El-ternarbeit einbezogen werden.

Seit 1996 wird darüber hinaus seitens des Sozial- und Jugendamtes der Stadt Mobile Jugendarbeit mit zwei Schwerpunkten geleistet: • Im Innenstadtbereich richtet sich die szeneorientierte Arbeit an eine Zielgruppe

Jugendlicher und junger Erwachsener im Alter von 17 – 25 Jahren, die sich über-wiegend dem Punk-Lebensstil zuordnen lassen. Ihr Alltag ist zumeist von zuge-spitzten Lebenslagen und Mehrfachproblematik geprägt. Hier stehen zunächst all-tagsorientierte Beratung und individuelle Hilfen im Vordergrund.

• Im Rahmen stadtteilorientierter Arbeit im Wohngebiet Berchen / Öhmdwiesen wer-den Jugendlichen, die sich vor allem in Cliquen im öffentlichen Raum aufhalten, Gruppenangebote und Treffmöglichkeiten wie auch Freizeitaktivitäten angeboten, die im Wesentlichen die oben skizzierten konzeptionellen Ziele der Jugendeinrich-tungen in zugehender Form verfolgen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammen-hang der Bericht über die Erfahrung, dass bei gelungenem Zugang zu den Jugend-lichen über die Freizeitangebote auch Ansatzpunkte für weiter gehende individuelle Hilfeleistungen gewonnen werden, die in eine intensive Problembearbeitung führen können.29

Diese kurze Überblicksdarstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit; vor allem im Bereich der Vereine und Kirchengemeinden wird es noch weitere Angebote geben, die vergleichbare Zielsetzungen verfolgen, ohne hier explizit aufgeführt worden zu sein. Die Darstellung macht aber deutlich, dass im Bereich der Kinder- und Jugend-arbeit eine vielgestaltige Arbeit geleistet wird, und dass dabei die zentralen Problembe-reiche insbesondere der Kinder und Jugendlichen in belasteten Lebenslagen konzepti-onell reflektiert und praktisch bearbeitet werden.

29 Vgl. Mobile Jugendarbeit. Jahresbericht 1999, S. 4

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5.5 Weitere Angebote Über die genannten Angebote hinaus gibt es in Konstanz weitere Beratungsstellen und Unterstützungsstrukturen in der Trägerschaft der Stadt, der Wohlfahrtsverbände und der Kirchengemeinden. Dabei handelt es sich überwiegend um professionelle bzw. hauptamtlich geleistete Tätigkeiten und zu einem kleineren Teil um ehrenamtlich und in Selbsthilfe angebotene Leistungen; sie erstrecken sich vor allem über die Bereiche • Altenhilfe/ Pflege • Kinder/ Familien • Jugend/ Ausbildung • Arbeit/ Beschäftigung • Behinderung/ Gesundheit • besondere soziale Schwierigkeiten • allgemeine Bürgerberatung (darunter spezielle Beratungsangebote für Frauen und

Migranten). Weiterhin gibt es eine Reihe von Projekten und Gremien, die die Stadt Konstanz initi-iert hat und die zur Optimierung der sozialen Arbeit in der Stadt beitragen.30 Diese vielfältige, nach unterschiedlichen sozialen Bereichen differenzierte Struktur lässt erkennen, dass die Stadt Konstanz über ein gut ausgebautes Informations-, Bera-tungs- und Unterstützungsnetz verfügt. Zwar kann an dieser Stelle keine exakte quanti-tative Analyse der Bedarfsdeckung vorgenommen werden – dies wäre Thema einer eigenständigen Untersuchung, die für jede Einrichtung Größen wie Personalkapazität, finanzielles Budget und erbrachte Leistungen ermittelt und analysiert. Es bleibt aber fest zu halten, dass die Stadt Konstanz über Hilfestrukturen in allen wesentlichen Be-reichen verfügt und dass auf dieser Ebene der Analyse kein Defizit deutlich wird. 5.6 Der „Sozialpass“ als kommunales Instrument zur Entlastung von Familien Eine Möglichkeit zur weiteren Entlastung von Familien stellen diverse Vergünstigungen dar, die in der Regel besonders Familien zu Gute kommen. Die Gestaltung des Kon-stanzer Sozialpasses wurde in einem Expertengespräch im Vergleich mit den Erfah-rungen anderer Kommunen erörtert. Dazu wurden zunächst Erfahrungen aus anderen Städten ausgewertet.

30 Vgl. Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz (Hg.), Geschäftsbericht 1999 / 2000, S.

83 ff

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Ergebnisse der Studie der Universität Trier „Zusatzleistungen für Sozialhilfeempfänger“ An einer zunächst bundesweit geplanten Studie, die Krug/ Ernst im Auftrag des Bun-desministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Zeitraum von 2000 bis 2002 erstel-len,31 nahmen Städte und Landkreise aus Rheinland-Pfalz sowie 7 Städte aus Baden-Württemberg teil. Einige zentrale Ergebnisse, die in einem Zwischenbericht präsentiert werden, sind auch für die Diskussion in Konstanz von Interesse. • Bereiche: Die Begünstigungen werden vor allem in den Bereichen Kultur und Bil-

dung gewährt, in Baden-Württemberg folgt an dritter Stelle die Ermäßigung von Fahrpreisen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

• Art der Begünstigung: Überwiegend werden die Vergünstigungen in Form von Preisnachlässen und Ermäßigungen gewährt; nur im Freizeitbereich gibt es häufi-ger vollständige Befreiungen von den Kosten.

• Vergabeverfahren: Überwiegend werden diese Vergünstigungen über die Vergabe eines „Passes“ geregelt, nur die haushaltsbezogenen Leistungen werden in allen Fällen als Einzelleistung gewährt. Die Bezeichnung dieses Passes variiert in den 7 beteiligten Städten aus Baden-Württemberg: Die häufigste Bezeichnung ist „Sozi-alpass“, an zweiter Stelle steht „Familienpass“, weiterhin gibt es diverse Bezeich-nungen in Verbindung mit dem Wort „Karte“ bzw. „Card“.

31 W. Krug/ N. Ernst, Zusatzleistungen für Sozialhilfeempfänger, Untersuchung im Auftrag

des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, 1. Zwischenbericht, Trier 2001

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Tabelle 21:

Zusatzleistungen für SozialhilfeempfängerErgebnisse einer Studie der Universität Trier (Krug/ Ernst 2001)

Bereich Leistungen Rheinl.Pfalz Baden-W.

Bildung Teilnahme an VHS-Kursen 32% 25% 93% ErmäßigungNutzung der Stadtbibliothek 7% BefreiungKindergärten und Horte

Kultur städtische Bühnen 24% 23% 85% ErmäßigungOpern und Konzerte 15% BefreiungMuseumsbesuche

Sport Frei- und Hallenbäder 15% 12% 71% ErmäßigungNutzung der Sporthallen 29% BefreiungTeilnahme an Sportkursen

Freizeit Kinder- und Jugendfreizeiten 15% 16% 44% ErmäßigungSeniorenerholung 56% BefreiungZoobesuche/ städtische Parks

Verkehr ÖPNV 8% 19% 91% ErmäßigungBehindertenfahrdienste 9% Befreiung

Haushalt Futtergeld für Haustiere 1% 2% 100% ErmäßigungHundesteuerermäßigung 0% Befreiung

Anteil der Nennungen Art der Vergünstigungin Baden-Württemberg

Quelle: Krug/ Ernst 2001 • Auflagen: Die Nutzung der Vergünstigungen ist teilweise an bestimmte Auflagen

geknüpft wie zeitliche Vorgaben (z.B. Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu bestimmten Zeiten), altersbedingte Einschränkungen (Ermäßigung von Freizeiten bis zu einem gewissen Alter), quantitative Auflagen (z.B. bis zu zwei Kursen pro Jahr) und auslastungsabhängige Auflagen (Theaterbesuche bei nicht ausverkauf-ten Veranstaltungen).

• Zielgruppen: Die Vergünstigungen richten sich meist an mehrere Zielgruppen. Nach Krug/ Ernst 2001 sind dies vor allem HLU-Empfänger und in Baden-Württemberg auch kinderreiche Familien.

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Tabelle 22:

Zielgruppen von Zusatzleistungen der KommunenErgebnisse einer Studie der Universität Trier (Krug/ Ernst 2001)

Personengruppen

HLU-Empfänger 100%kinderreiche Familien 71%Haushalte mit geringem Einkommen 57%Arbeitslose 57%Senioren 43%allein Erziehende 29%

in Baden-WürttembergAnteil der Nennungen

Quelle: Krug/ Ernst 2001

Vergleich der Pässe in vier Städten Im Rahmen der Armutsberichterstattung für die Stadt Konstanz hat das ISG außerdem einen Detailvergleich des Konstanzer Sozialpasses mit den Vergünstigungsregelungen in den Städten Stuttgart, Köln und Berlin vorgenommen. Dabei wurden folgende Unter-schiede deutlich: • Die Bereiche, in denen Vergünstigungen gewährt werden, und die einzelne Defini-

tion der Leistungen sind meist ähnlich, nur in Stuttgart ist das Konzept mit einem jährlichen Guthaben auf einer Chipkarte grundsätzlich anders strukturiert.

• Die begünstigten Personenkreise sind recht unterschiedlich: In Konstanz werden nur (erwachsene) Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger begünstigt, in Stuttgart nur Kinder bis 16 Jahre aus einkommensschwachen Familien, in Köln und Berlin dage-gen unterschiedliche Zielgruppen. In Köln ist (trotz der Bezeichnung mit „Familien“-Bezug) der Charakter als „Sozialpass“ am deutlichsten ausgeprägt.

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Tabelle 23:

Vergleich unterschiedlicher Modelle eines Sozialpass / Familienpass

Kategorie Konstanz Stuttgart Köln Berlin

Bezeichnung Sozialpass Familiencard Familien-Pass FamilienPass*(Vs: Konstanzer Karte) (vorher: Köln-Pass)

Leistungen/ Ermäßigungenöffentliche

VerkehrsmittelBenutzung der öffentlichen

Verkehrsmittel zum Kindertarif

Fahrpreisermäßigung (nur für einkommensabhängig begünstigten Personenkreis)

Fahrpreisermäßigungen für begünstigten Personenkreis

Freibad / Hallenbad

Besuch der städt. Frei- und Hallenbäder zum Kindertarif

Ermäßigung für städtische Hallen- und Freibäder

Eintrittsermäßigung in allen Schwimmbädern der

Berliner Bäder-Betriebe

KulturBesuch von kulturellen Veranstaltungen zum

Studentenpreis

Ermäßigung für städtische Museen, die Philharmonie, die Oper, das Schauspielhaus und

sonstige Bühnen der Stadt Köln

ermäßigter oder freier Eintritt bei diversen Museen

und Ausstellungen

Bildung Ermäßigung bei Veranstaltungen der VHS

Ermäßigung in Höhe von 20% auf die Gebühren der

Musikhochschule

Ermäßigung bei Veranstaltungen der VHS,

Vergünstigungen in der Stadtbücherei

Vergünstigungen bei den VHS für begünstigten

Personenkreis

Ausflüge / Natur Ermäßigung zum Besuch der Insel Mainau

Ermäßigung in Höhe von 20% auf die Elternbeiträge der

Stadtranderholung

Ermäßigung für Zoo und Aquarium, für die

Rheinseilbahn und die Rheinschifffahrt

Ermäßigung für Zoo und Tierpark und für best. Schiffsausflugsfahrten

unspezifische Vergünstigungen

Guthaben von 120 DM jährlich, das für diverse Freizeit- und Bildungsangebote verwendet

werden kann

Ermäßigte Gebühren und Preise für Leistungen

städtischer Einrichtungen und städtischer sowie sonstiger

GesellschaftenVoraussetzungen

Begünstigter Personenkreis

Bezieher von Arbeitslosenhilfe oder HLU und deren im HH

lebende unterhaltsberechtigte Angehörige

Kinder und Jugendliche bis einschließlich 16 Jahre, in

deren Familie gewisse Einkünfte nicht überschritten

werden

ohne Einkommensnachweis: Familien mit drei und mehr

Kindern sowie Allein-erziehende und

einkommensabhängig:

Familien mit geringem Einkommen

soziale Lagegültiger Bescheid : *des Arbeitsamtes *des Sozialamtes

Gesamtbetrag der Einkünfte: *Alleinerz.: 80.000 DM *Verheir.: 160.000 DM

Empfänger/innen von HLU, Alten- und Pflegeheim-

bewohner/innen, Personen mit geringem Einkommen und

Personen, die Leistungen der "Wirtschaflichen Erziehungs-

hilfe" beziehen

Härtefallbescheinigung einer gesetzlichen

Krankenkasse (SGB V, § 61)

* Den Berliner FamilienPass können grundsätzlich alle Familien erwerben (5 DM). Einige Vergünstigungen gelten aber nur für den begünstigten Personenkreis.

Quelle: ISG Köln, eigene Recherche Untersuchung der Stadtmarketing-Arbeitsgruppe in Konstanz Im Oktober 2000 führte eine „Stadtmarketing-Arbeitsgruppe“ in Konstanz eine Befra-gung zur Bewertung des Konstanzer Sozialpasses durch, an der sich 95 Personen beteiligten. Die wichtigsten Ergebnisse dieser (nicht repräsentativen) Befragung sind: 32 • Nur gut die Hälfte der einbezogenen Sozialhilfeempfänger gab an, einen Sozial-

pass zu besitzen.

32 D. Bellmann u.a., Ergebnisse und Empfehlungen der Stadtmarketing-Arbeitsgruppe zum

Konstanzer Sozialpass, Konstanz 2000, S. 4 f

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• Am häufigsten wurde der Sozialpass zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Schwimm- und Hallenbäder eingesetzt.

• Weniger wurden die kulturellen Angebote der Volkshochschule, der Stadtbücherei und eines vergünstigten Zeitungsabonnements in Anspruch genommen.

• Ein gutes Drittel der Befragten bezeichnete es als unangenehm, den Sozialpass vorzuweisen.

• Mehrere Befragte regten an, Aufmachung und Bezeichnung des Sozialpasses zu verändern. Als alternativer Namen wurden unter anderem „Konstanzer Ausweis“, „Konstanz-Card“, „Stadtpass“ oder „Ermäßigungsausweis“ vorgeschlagen.

• Weitere Änderungsvorschläge bezogen sich auf eine Erweiterung des Angebotes, eine weiter gehende Reduktion von Eintrittspreisen sowie eine Erweiterung der Zielgruppe.

In der abschließenden Bewertung formuliert die Arbeitsgruppe eine Reihe von Empfeh-lungen zur Neugestaltung des Sozialpasses, insbesondere:33 • Zu Layout und Bezeichnung wird eine Karte im Scheckkarten-Format in neutraler

Aufmachung und Farbe empfohlen.

• Die Gruppe der Begünstigten sollte auf alle Bezieher von Niedrigeinkommen (ein-schließlich der Gruppe der Wohnungslosen) erweitert werden.

• Das Angebot sollte sinnvoll erweitert werden, indem es z.B. nicht nur den Kauf von Einzelfahrscheinen, sondern auch von Monatskarten vergünstigt.

• Die Information über das Angebot sollte verbessert werden.

Die Anregungen der Arbeitsgruppe sind grundsätzlich bedenkenswert; es ist allerdings im Einzelnen zu prüfen, ob sie auch alle praktikabel sind – Schwierigkeiten bereitet etwa eine Erweiterung der Zielgruppe auf Bezieher niedriger Einkommen, wenn dies einen detaillierten Einkommensnachweis voraussetzen würde. Die hier zu bedenken-den Entscheidungskriterien werden in Abschnitt 9.2 erörtert.

33 A.a.O. S. 10 f

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6. Wohnen und Wohnumfeld Die unmittelbare Wohnqualität, d.h. die Größe, bauliche Qualität und Ausstattung der Wohnung, ist in hohem Maße mit der Höhe von Einkommen und Vermögen verknüpft. Insofern erscheint es zunächst fraglich, ob dieser Aspekt der Lebenslage überhaupt eine eigenständige Dimension darstellt. Die Eigenständigkeit ist jedoch unstrittig, wenn die Perspektive auf das Wohnumfeld erweitert wird. So sind beispielsweise ökologi-sche Belastungen in der Regel nicht eng eingrenzbar, sodass auch Wohlhabende, die ihr Einkommen innerhalb der belasteten Region erwerben, sich deren Wirkungen nicht entziehen können. Der Themenbereich Wohnen und Wohnumfeld innerhalb der kommunalen Armutsbe-richterstattung lässt sich, beginnend mit eher monetär beeinflussbaren Gesichtspunk-ten, folgendermaßen untergliedern:34 • Die quantitative Versorgung mit hinreichendem Wohnraum kann als Minimalanfor-

derung betrachtet werden, um ein soziokulturelles Existenzminimum zu gewährleis-ten. Unter diesem Aspekt tritt „Armut“ in Form von beengtem Wohnen bis hin zum Wohnen in Notunterkünften bzw. zur Obdachlosigkeit in Erscheinung.

• Die Qualität des Wohnens bemisst sich an Standards, die sich an die architektoni-sche und bauliche Qualität des Hauses ebenso wie an die Ausstattung der Woh-nungen anlegen lassen. Eine Armutsschwelle wird in dieser Hinsicht durch Sub-standard-Kriterien definiert.

• Das Wohnumfeld ist unter dem Aspekt seiner sozialen Charakteristik durch Merk-male wie „privilegierte Wohnlage“ mit hohem ästhetischem und hohem Freizeitwert beschreibbar; deren Gegenteil wäre eine unattraktive Wohngegend bzw. ein „be-lastetes Milieu“, das als Kumulation problematischer Einzelfaktoren entsteht.

• Unter ökologischem Aspekt kann das Wohnumfeld schließlich durch Kriterien wie „natürliche“ im Gegensatz zu einer durch Schadstoffe, Lärm- oder andere gesund-heitsschädigende Belastungen beeinträchtigten Wohngegend bzw. Region charak-terisiert werden.

Eine Schwierigkeit einer derart umfassenden Thematisierung der Dimension des Woh-nens liegt allerdings in der unzureichenden Datenlage, um diese einzelnen Aspekte auf kommunaler Ebene empirisch untersuchen zu können. Detaillierte statistische Daten zu Wohnquantität und Wohnqualität liegen selbst auf Bundesebene nicht in aktueller

34 Vgl. auch Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Kapitel VI. Wohnen, in:

Lebenslagen in Deutschland. Erster Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn 2001, S. 159 ff; dort wird allerdings der Aspekt des Wohnumfeldes nicht themati-siert.

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Form vor; zwar gibt die „Bautätigkeitsstatistik“ rudimentäre Auskünfte über Quantität und technische Qualität neu errichteter Wohnungen, aber Daten über soziale Merkma-le der Verteilung von Wohnraum kann nur eine „Statistik des Wohnungswesens“ lie-fern, die im Jahre 1987 erhoben und zuletzt 1993 durch eine Teilstichprobe aktualisiert wurde.35 Der Zusammenhang von quantitativer Wohnraumversorgung, Wohnqualität und der sozialen und ökonomischen Lage der in den Wohnungen lebenden Haushalte kann auf Bundesebene behelfsweise durch repräsentative Befragungen wie den Mik-rozensus oder das sozioökonomische Panel beschrieben werden. Diese lassen sich jedoch auf Grund des begrenzten Umfangs der Stichprobengröße nicht auf die kom-munale Ebene herunterbrechen. 6.1 Quantitative Versorgung mit Wohnraum Sichtet man zunächst die verfügbaren Informationen zum quantitativen Wohnungsbe-stand in der Stadt Konstanz, so liegen jährliche Fortschreibungen des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes auf der Basis der Gebäude- und Wohnungszählung 1987 vor. Demnach gab es im Mai 2000 in der Stadt Konstanz in 9.483 Wohngebäuden 39.353 Wohnungen mit insgesamt 151.881 Räumen. Die Zahl der Wohnungen ent-spricht in etwa der Zahl der Haushalte in der Stadt Konstanz, wobei allerdings unter-schiedliche Bevölkerungszahlen zu Grunde gelegt werden. Geht man von der „Wohn-bevölkerung“ aus, so werden alle Personen berücksichtigt, die in der Stadt mit erstem Wohnsitz gemeldet sind. Die Wohnbevölkerung belief sich am Jahresende 2000 auf 73.804 Einwohnerinnen und Einwohner. Bezogen auf die Zahl der Wohnungen ergibt sich daraus eine Belegung mit durchschnittlich 1,9 Personen. Die „wohnberechtigte Bevölkerung“ in Höhe von 79.305 Personen (dies entspricht 2,0 Personen pro Woh-nung) umfasst darüber hinaus auch diejenigen Haushalte, die nur mit zweitem Wohn-sitz in Konstanz gemeldet sind. Dies sind im Wesentlichen zwei Gruppen: In Konstanz als Universitätstadt wohnen auch Studenten, die ihren ersten Wohnsitz am Herkunfts-ort beibehalten haben; in Konstanz als Urlaubsort verfügen darüber hinaus weitere Personen über Ferienwohnungen.

35 Statistisches Bundesamt (Hg.), Abschnitt 10 „Bautätigkeit und Wohnungen“ in: Statisti-

sches Jahrbuch 2001, Wiesbaden, S. 235 ff

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Tabelle 24:

Strukturdaten zum WohnungsbestandStadt Konstanz im Vergleich

Stadt Baden- FrüheresKonstanz Württemberg Bundesgebiet

Wohnungen insgesamt 39.353 465.326 30.407.885 je 1.000 Einwohner 533 444 454

Räume insgesamt in 1.000 151,9 21.131,5 135.264,8 je Einwohner 2,1 2,0 2,0

Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Statistisches Bundesamt

Im Vergleich mit dem Land Baden-Württemberg sowie mit dem früheren Bundesgebiet erweist sich die quantitative Wohnungsversorgung in Konstanz als gut: Je 1.000 Ein-wohnern (Wohnbevölkerung) stehen 533 Wohnungen zur Verfügung gegenüber 444 in Baden-Württemberg und 454 im früheren Bundesgebiet. Selbst wenn man der Berech-nung die wohnberechtigte Bevölkerung zu Grunde legt, ergibt sich mit 496 Wohnungen je 1.000 Einwohner noch eine gute Versorgungslage. Allerdings würde sich bei dieser Berechnungsgrundlage der Indikator „Anzahl der Räume je Einwohner“ von den über-durchschnittlichen 2,1 Räumen je Einwohner (Wohnbevölkerung) auf 1,9 Räume (wohnberechtigte Bevölkerung) verschlechtern. Die Versorgungslage mit Wohnungen ist also in Konstanz den Durchschnittswerten zufolge als gut zu beurteilen. Fraglich ist allerdings, ob dies auch in Zukunft so bleiben wird. Im Gemeinderat wurde im Juni 2001 einerseits zwar über die Resultate der kom-munalen Wohnungsbauförderung berichtet, andererseits aber vor einer Verschlechte-rung der Versorgungslage gewarnt: Die Landesförderung konzentriere sich zunehmend auf die Förderung von Wohneigentum zu Lasten der Mietwohnungen, und auch die Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau sei tendenziell rückläufig.36 Es wird befürchtet, dass diese Entwicklung längerfristig die Wohnsituation von Familien ver-schlechtern könnte. Diese Befürchtungen werden durch Auswertungen der städtischen WOBAK gestützt, die im Laufe des Jahres 2001 eine Zunahme der Bewerber um Wohnungen in Höhe von 43% registriert hat.37

36 Sitzungsvorlage des Amtes für Wohnungswesen für den Gemeinderat zum Sitzungsda-

tum 28.06.2001 (GR 2001/146) 37 Telefonische Auskunft der Geschäftsstelle der Wohnungsbaugesellschaft Konstanz

(WOBAK), März 2002.

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6.2 Wohnqualität Über die Qualität der Wohnungen in der Stadt Konstanz liegen nur wenige Daten vor. Ein Hinweis zum Anteil von Substandardwohnungen lässt sich der Wohngeldstatistik entnehmen. Geht man davon aus, dass in Substandardwohnungen in der Regel ein-kommensschwache Haushalte leben, die auf Grund dessen auch überwiegend wohn-geldberechtigt sind,38 so kann der in der Wohngeldstatistik ausgewiesene Anteil von Substandardwohnungen als Indikator für die Wohnungen mit geringer Qualität interpre-tiert werden. Die Wohngeldstatistik unterscheidet hier in „Kategorie A: mit Sammelhei-zung und/ oder mit Bad (Duschraum)“ und „Kategorie B: ohne Sammelheizung und ohne Bad (Duschraum)“.39 Tabelle 25:

Wohngeldbezug und Wohnqualität Stadt Konstanz im Vergleich

Stadt Baden- FrüheresHaushalte mit Bezug von Konstanz Württemberg Bundesgebiet

Wohngeld insgesamt 2.579 225.137 2.067.597

dar. Kategorie A 2.499 211.451 1.914.011Kategorie B 80 13.686 153.586Anteil Kat. B 3,1% 6,1% 7,4%

Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg40

Hinsichtlich der Wohnungen mit minderer Qualität ist somit Entwarnung angezeigt: Nur 80 Wohnungen fallen unter diese Kategorie, dies entspricht einem Anteil von 0,2% an allen Haushalten (im Durchschnitt des früheren Bundesgebietes ist dieser Anteil mehr als doppelt so hoch).

38 Diese Annahmen müssen nicht in allen Fällen zutreffen, da für die Wohngeldberechti-

gung neben dem Haushaltseinkommen auch die Haushaltsgröße, das Baujahr und die Mietkosten ausschlaggebend sind.

39 Statistisches Bundesamt (Hg.), Fachserie 13 Reihe 4 „Wohngeld“, Wiesbaden 2001 40 Die Gesamtzahl weicht von der bereinigten Zahl des Sozial- und Jugendamtes Konstanz

ab (vgl. oben Tabelle 1), was aber für die hier vorgenommene Strukturauswertung uner-heblich ist.

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6.3 Wohngebiete in Konstanz unter sozialen und ökologischen Aspekten Das Konstanzer Amt für Statistik und Wahlen unterscheidet insgesamt 15 Stadtteile. Über die Hälfte der Einwohner lebt in den vier Stadtteilen Altstadt, Fürstenberg sowie Petershausen-West und -Ost. Einen ersten Hinweis auf die soziale Struktur der Stadt-teile gibt der Anteil der dort lebenden Ausländer, der in der Regel als Indikator für in-dustriell orientierte Wohngebiete mit unterdurchschnittlicher Wohnqualität gewertet werden kann. Insgesamt sind 13% der wohnberechtigten Bevölkerung in Konstanz Ausländer (gegenüber 9% im gesamten Bundesgebiet). Tabelle 26:

Wohnberechtigte Bevölkerung und Ausländeranteile (1999)

Gesamt- darunter:Stadtteil bevölkerung Verteilung Ausländer Anteil

Altstadt 11.363 14,4% 1.639 14%Paradies 5.581 7,1% 851 15%Petershausen-West 13.313 16,8% 2.613 20%Petershausen-Ost 6.798 8,6% 510 8%Königsbau 5.749 7,3% 1.270 22%

Allmansdorf 5.197 6,6% 343 7%Staad 1.802 2,3% 101 6%Fürstenberg 12.158 15,4% 1.740 14%Wollmatingen 4.885 6,2% 596 12%Industriegebiet 887 1,1% 241 27%

Egg 498 0,6% 18 4%Litzelstetten 4.015 5,1% 221 6%Dingelsdorf 2.221 2,8% 81 4%Dettingen 3.189 4,0% 169 5%Wallhausen 1.426 1,8% 82 6%

Insgesamt 79.082 100,0% 10.475 13%

Quelle: Stadt Konstanz, Amt für Statistik und Wahlen Besonders hohe Ausländeranteile weisen die Stadtteile Königsbau (22%) und Peters-hausen-West (20%) auf.41 Weiterhin liegen die entsprechenden Anteile in Paradies, Altstadt und Fürstenberg über dem Durchschnitt, wobei dies vor allem im Innenstadtbe-reich nicht immer auf ausländische Arbeiterschaft, sondern teilweise auch auf auslän-dischen Mittelstand (Gastronomie, Einzelhandel, Kleinhandwerk) hindeutet.

41 Der ebenfalls hoch erscheinende Anteil im Industriegebiet (27%) ist vor dem Hintegrund

zu relativieren, dass es sich um ein sehr kleines Wohngebiet handelt.

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Die hohen Integrationsanforderungen, die durch den überproportionalen Ausländeran-teil bedingt sind, stellen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für die Stadt Konstanz dar. Um dies zu unterstreichen, weist das Sozial- und Jugendamt auch auf die Belas-tung hin, die durch weitere Zuweisungen von Migranten erst geschaffen werden. Inner-halb des Landkreises befinden sich in der Stadt Konstanz 65 % der Aussiedlerplätze in Übergangswohnheimen (mit entsprechenden nachfolgenden Zuzügen in die Stadt) und 27 % der Unterkunftsplätze für Asylbewerber; diese Gesamtquote von 40 % aller Landkreisplätze in Wohnheimen für Aussiedler und Asylbewerber übersteigt den Be-völkerungsanteil der Stadt (30% der Einwohner des Landkreises) um ein Viertel, so-dass die „gewachsene“ Migration durch eine politisch gesteuerte Migration zusätzlich verstärkt wird. Alleine in den letzten 10 Jahren zogen schätzungsweise 1.000 Spät-aussiedler nach Konstanz, deren sprachliche, kulturelle und berufliche Voraussetzun-gen teilweise problematischer als die der länger in Deutschland lebenden Migranten sind (vgl. oben Abschnitt 3.3) Dies bedeutet eine hohe Herausforderung an die Integra-tionskapazität der Stadt. Eine Analyse der sozialen Belastung kann weiterhin die Anteile der Bezieher von Sozi-alhilfe und Jugendhilfe auf Stadtteilebene auswerten. Abbildung 25:

Sozialhilfe- und Jugendhilfedichte in der Stadt KonstanzSozialhilfequote (n=2472 Personen) auf je 1.000 Einwohner bzw. Jugendhilfequote (n=348 / 296 Kinder

und Jugendliche) je 1.000 Einwohner unter 21 Jahren

30

24

66

13

42

117

52

37

67

2

6 7

16 16

35

15 16

31

18

66

11

4

33

16

37

0

12

4

8

1

23

14 13

23

17

56

84

30

14

37

0

9

2

8

1

19

0

10

20

30

40

50

60

70

Altstad

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Gesam

tdurch

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itt

SHje 1000 Einwohner (n=2.472)

JH (mit §16 KJHG)je 1000 Ew. < 21 J. (n=348)JH (ohne §16 KJHG)je 1000 Ew. < 21 J.(n = 296)

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt 2001

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Eine entsprechende Analyse des Sozial- und Jugendamtes Konstanz führt zu dem Ergebnis, dass • die Sozialhilfedichte am höchsten ist in den Stadtteilen Petershausen-West (6,6%),

Fürstenberg (5,2%) und Königsbau/ Stockacker (4,2%).

• die Jugendhilfedichte liegt, wenn man die „weichen“ Angebote nach § 16 SGB VIII außer Betracht lässt, besonders hoch im Stadtteil Königsbau/ Stockacker (6,6% der unter 21-Jährigen), Fürstenberg (3,3%) und Petershausen-West (3,1% der unter 21-Jährigen).

Aus dieser Analyse geht recht eindeutig hervor, dass die Stadtteile Petershausen-West, Fürstenberg und Königsbau/ Stockacker zu den sozial belasteten Wohngebieten gehören. Geringe soziale Belastungen zeigen demgegenüber die kleineren, teilweise ländlich strukturierten Stadtteile Litzelstetten, Dingelsdorf, Allmannsdorf, Staad, Egg, Dettingen und Wallhausen. Unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Wohnqualität dürfte hingegen die Belas-tung im gesamten Stadtgebiet Konstanz sehr gering sein. Eine geringe Dichte an In-dustrie, insbesondere das Fehlen von umweltschädlichen Branchen wie Schwerindust-rie, Großchemie, Bergbau und Atomwirtschaft tragen ebenso zur hohen Umweltqualität bei wie die Seelage und der damit verbundene Erholungswert der Stadt.

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7. Die Situation pflegebedürftiger Menschen Ein Anstieg der Lebenserwartung, fortgeschrittene Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Rehabilitation im Krankheitsfall sowie ein im Durchschnitt früherer Ausstieg aus dem Berufsleben haben dazu geführt, dass die nachberufliche Phase des Älterwerdens sich vom zeitlichen Umfang her ausgedehnt hat. Auch der biografische Stellenwert des Alters hat sich damit verändert: An die Stelle eines „Ruhestands“ im Sinne einer mehr oder minder kurzen Restphase des Lebens ist ein eigenständiger Lebensabschnitt getreten, der bei weitgehend guter Gesundheit und materieller Absi-cherung für den überwiegenden Teil der älteren Menschen neue Möglichkeiten der inhaltlichen Gestaltung eröffnet. Trotz dieser Entwicklung nimmt aber nach wie vor das Risiko chronischer Krankheit oder zumindest der Einschränkung von Mobilität und selbstständiger Lebensführung mit höherem Alter deutlich zu: Die Anteile derer, die regelmäßig auf Pflege oder Hilfe im Haushalt angewiesen sind, steigen von rd. 8% der 65- bis 69-Jährigen über 19% der 75- bis 79-Jährigen auf rd. 55% der Hochaltrigen (im Alter von 85 und mehr Jahren) deutlich an.42 Dabei entspricht dem zeitgemäßen Ver-ständnis von Lebensqualität eine möglichst individuell zugeschnittene, in der vertrauten Wohnumgebung geleistete Hilfe und Pflege eher als eine frühe Übersiedlung in eine Einrichtung; diese wird von den meisten Älteren erst für den Fall ins Auge gefasst, dass alle Möglichkeiten, den Hilfe- und Pflegebedarf über familiäre und professionelle ambulante Unterstützung abzudecken, ausgeschöpft sind.43 7.1 Umfang, Struktur und Entwicklung des Pflegebedarfs in Konstanz Demografie und Pflegebedarf Die Altersstruktur der Konstanzer Bevölkerung weicht zwar in den unteren und mittle-ren Altersgruppen von der Altersstruktur in Deutschland ab, nicht aber bei den 60-Jährigen und Älteren: Insgesamt 22-23% der Bevölkerung sind im Alter von 60 und mehr Jahren, darunter 5% im Alter von 75 bis 84 Jahren und 2% Hochaltrige ab 85 Jahren.

42 U. Schneekloth/ P. Potthoff, Hilfe- und Pflegebedürftige in privaten Haushalten, hrsg. vom

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Schriftenreihe Bd. 111.2, Stuttgart 1996, S. 111

43 Vgl. D. Engels/ H. Engel, Lebenssituation und Veränderungswünsche älterer Bürgerinnen und Bürger in Lahnstein, ISG Köln 2000

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Tabelle 27:

Altersgruppen im Vergleich (31.12.2000)

DeutschlandAltersgruppe Anzahl Struktur Struktur

bis unter 18 Jahren 11.841 15% 19%18 - 59 Jahre 49.970 63% 58%ab 60 Jahren 17.494 22% 23%

darunter:60 - 74 Jahre 11.514 15% 16%75 - 84 Jahre 4.150 5% 5%ab 85 Jahren 1.830 2% 2%

Gesamt 79.305 100% 100%

Stadt Konstanz

Quelle: Stadt Konstanz, Sozial- und Jugendamt; Berechnungen des ISG

Genaue Angaben über die Zahl und Struktur der Pflegebedürftigen sind auf kommuna-ler Ebene nur schwer zu ermitteln. Jedoch haben sich die auf Altersgruppen bezoge-nen Pflegequoten als relativ stabil erwiesen, sodass davon auszugehen ist, dass mit einer Übertragung dieser Quoten auf kommunale Bevölkerungsstrukturen eine recht verlässliche Schätzung erreicht werden kann.44 Legt man die Zahl und Altersstruktur der Bevölkerung am Jahresende 2001 zu Grunde, so waren zu diesem Zeitpunkt in Konstanz 1.880 Personen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes, das sind 2,5% der Gesamtbevölkerung (was gleich-zeitig bedeutet, dass immerhin 97,5% der Bevölkerung nicht pflegebedürftig sind.) Da-von wohnten schätzungsweise rd. 1.300 Personen (1,8% der Bevölkerung) in Privat-haushalten und rd. 590 Personen in stationären Pflegeeinrichtungen (0,8% der Bevöl-kerung). Etwa die Hälfte aller Pflegebedürftigen (rd. 1.000 Personen) war im Alter von 80 und mehr Jahren. Dies entspricht einer Quote von rd. 30% der Bevölkerung in dieser Al-tersgruppe, rd. 70% der Hochaltrigen sind also nicht pflegebedürftig. 19% der Hochalt-rigen werden aber trotz Pflegebedürftigkeit noch im Privathaushalt gepflegt, sodass nur jeder 10. unter den Hochaltrigen ab 80 Jahren auf ein Pflegeheim angewiesen ist (rd. 390 Personen bzw. 12% dieser Altersgruppe).

44 Vgl. D. Engels, Pflegebedarf in Baden-Württemberg: Derzeitiger Stand und zukünftige

Entwicklung. Beitrag zur Vorbereitung des Landespflegeplans im Auftrag des Sozialmi-nisteriums Baden-Württemberg, Köln 2000

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Tabelle 28:

Art und Grad desPflegebedarfs Anzahl Quote* Anzahl Quote* Anzahl Quote* Anzahl Quote*

häusliche Pflege 1.293 1,8% 294 0,5% 389 2,8% 610 18,7%darunter:

Stufe I 696 0,9% 131 0,2% 220 1,6% 344 10,6%Stufe II 461 0,6% 112 0,2% 135 1,0% 214 6,5%Stufe III 136 0,2% 51 0,1% 34 0,2% 52 1,6%

stationäre Pflege 589 0,8% 77 0,1% 125 0,9% 387 11,9%darunter:

Stufe I 221 0,3% 54 0,1% 47 0,3% 120 3,7%Stufe II 246 0,3% 12 0,0% 51 0,4% 183 5,6%Stufe III 121 0,2% 11 0,0% 26 0,2% 84 2,6%

Leistungsempfängerzusammen 1.881 2,5% 371 0,7% 514 3,7% 997 30,5%

darunter:Stufe I 917 1,2% 185 0,3% 268 1,9% 465 14,2%Stufe II 707 1,0% 124 0,2% 186 1,4% 397 12,2%Stufe III 257 0,3% 62 0,1% 60 0,4% 135 4,1%

* Anteil der Leistungsbezieher an der Gesamtbevölkerung in der jeweiligen Altersgruppe

Zahl und Quote nach drei Altersgruppen und Pflegestufen am 31. Dezember 2001

Insgesamt unter 60 Jahren 60 bis 79 Jahre ab 80 Jahren

Schätzung der Empfänger von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Konstanz

Quelle: Bundesarbeitsblatt 9/2001; Berechnungen des ISG

Prognose der Bedarfsentwicklung Die zukünftige Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen lässt sich nur ungefähr ab-schätzen. Sie wird maßgeblich durch die demografische Entwicklung beeinflusst; hier-zu liegen Vorausberechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg vor, die auch die Grundlage der Landespflegeplanung bildeten.45 Diese Berechnungen ge-hen davon aus, dass die Zahl der Senioren ab 60 Jahren im Landkreis Konstanz ins-gesamt zwischen den Jahren 2000 und 2005 um 6% zunehmen wird und bis zum Jahr 2010 um weitere 4%. Bezogen auf die Zahl der 80-Jährigen und Älteren sieht die Ent-wicklung noch dramatischer aus: Deren Zunahme wird auf 14% (2000 - 2005) bzw. 12% (2005 - 2010) geschätzt. Unter den Voraussetzungen, dass diese Entwicklung eintritt, dass die derzeitigen Pflegequoten konstant bleiben und dass die Tendenz für die Stadt Konstanz ähnlich sein wird wie für den Landkreis, wird die Zahl der älteren Pflegebedürftigen (ab 60 Jahren) in der Stadt Konstanz von 990 im Jahr 2000 um 10% auf rd. 1.090 im Jahr 2010 steigen. Die Zahl der Hochaltrigen, die in der Regel einen

45 Auf Basis der Daten der 9. koordinierten Bevölkerungsvorausrechnung wurde die Ent-

wicklung des zukünftigen Pflegebedarfs in den Städten und Landkreisen Baden-Württembergs abgeschätzt; vgl. D. Engels, Pflegebedarf in Baden-Württemberg, Köln 2000

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intensiveren Pflegebedarf aufweisen, wird dieser Berechnung zufolge sogar um 27% steigen. Tabelle 29:

Entwicklung der Pflegebedürftigkeit der Älteren

Jahr Jahr Verän- Jahr Verän-Pflegebedürftige 2000 2005 derung 2010 derung

ab 60 Jahren 990 1.049 6,0% 1.092 4,1%darunter:60 - 79 Jahre 431 413 -4,2% 381 -7,8%ab 80 Jahren 559 637 13,9% 712 11,8%

Quelle: Bundesarbeitsblatt 9/2001; Berechnungen des ISG

Pflegebedürftigkeit und Armut Was die materielle Lage der Pflegebedürftigen betrifft, so führten die stark steigenden Kosten insbesondere der stationären Pflege bis Mitte der 1990er Jahre dazu, dass zwei Drittel der Heimbewohner auf die Unterstützung der Sozialhilfe (in Form der Hilfe zur Pflege) angewiesen waren. Die Einführung der Pflegeversicherung hat diese Un-terstützung zwar nicht völlig erübrigt, da ihre Leistungen begrenzt sind; sie hat jedoch für einen erheblichen Teil der Pflegebedürftigen zu einer deutlichen Verbesserung ihrer materiellen Lage geführt. Eine besonders schwierige Lebenssituation liegt dann vor, wenn Pflegebedürftigkeit mit einem geringen Einkommen verbunden ist. Derzeit sind in der Stadt Konstanz nur 11 Personen registriert, die gleichzeitig auf ambulante Hilfe zur Pflege und Hilfe zum Le-bensunterhalt angewiesen sind, wobei zu beachten ist, dass die Hilfe zur Pflege nach dem BSHG gegenüber den Leistungen der Pflegeversicherung nachrangig ist. Inwie-weit bei Pflegebdürftigkeit Leistungen der Pflegeversicherung mit der Hilfe zum Le-bensunterhalt verbunden sind, lässt sich nicht feststellen, weil darüber keine statisti-schen Daten vorliegen.

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7.2 Pflegerische Versorgungsstruktur Für die Versorgung der pflegebedürftigen Personen stehen mit Stand April 2002 in Konstanz folgende Dienste und Einrichtungen (einschließlich Neubau Margarethen-heim) zur Verfügung: Tabelle 30:

Einrichtungen der Altenhilfe in Konstanz

Einrichtungstyp Anzahl Plätze

stationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen

Pflegeheime 8 540Kurzzeitpflegeeinrichtungen 3 9Tagespflegeeinrichtungen 3 29

ambulante Pflege- und Hilfsdienste

ambulante Pflegedienste 15hauswirtschaftliche Dienste 8Hausnotruf-Anbieter 2mobile Mahlzeitendienste 3

Wohnangebote für Ältere Häuser Wohnungen

Seniorenwohnungen 21 620darunter "betreutes Wohnen" 536

Quelle: Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz

Eine Bewertung der quantitativen Versorgungsdichte46 führt zu folgendem Ergebnis: Die Zahl der zur Verfügung stehenden stationären Pflegeplätze liegt etwas niedriger als die hochgerechnete Zahl der stationär Pflegebedürftigen. Dieses Ergebnis bestätigt die Feststellung einer noch unzureichenden Bedarfsdeckung im Geschäftsbericht des Sozialamts.47 Der Bedarf an Plätzen der Tagespflege und Kurzzeitpflege kann nicht eindeutig be-stimmt werden. Orientiert man sich an bundesweiten Durchschnittswerten, so ist von annäherungsweise 14.200 Kurzzeitpflege- und 13.400 Tagespflegeplätzen auszuge-

46 Dies impliziert keine qualitative Bewertung, da dazu intensive Analysen erforderlich wä-

ren. 47 Sozial- und Jugendamt Konstanz, Geschäftsbericht 1999/ 2000, S. 30

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hen.48 Bezogen auf die pflegebedürftige Bevölkerung ab 60 Jahren in Privathaushalten entspricht dies einer Versorgungsquote von 1,4% (Kurzzeitpflege) bzw. 1,3% (Tages-pflege). Für die Stadt Konstanz würde dies einer Kapazität von 14 Kurzzeitpflege- und 13 Tagespflegeplätzen entsprechen. Die quantitative Versorgung in Konstanz ist somit im Bereich der Tagespflege überdurchschnittlich, während im Bereich der Kurzzeitpfle-ge eine Unterversorgungslage festzustellen ist. Über die Versorgungsdichte mit ambulanten Pflegediensten und mit betreuten Woh-nungen liegen noch wenig Informationen vor. Wenn man für das betreute Wohnen bundesweit von einer Versorgungsquote von etwa 2% der älteren Bevölkerung ab 60 Jahren ausgeht, bedeutet dies für Konstanz einen Bedarf von rd. 340 Plätzen, dem ein hinreichendes Angebot von 536 Wohnungen gegenüber steht.

48 U. Schneekloth/ U. Müller, Wirkungen der Pflegeversicherung, Schriftenreihe des Bun-

desministeriums für Gesundheit Bd. 127, Baden-Baden 1999, S. 188

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8. Personengruppen in besonders belasteten Lebenslagen Personen in besonders belasteten Lebenslagen haben ein hohes Risiko, aus der Ge-sellschaft ausgegrenzt zu werden oder sich selbst auszugrenzen (bis hin zu einer grundlegenden Verweigerung von Hilfe). Die in diesem Bereich tätigen Fachkräfte se-hen sich vor das Problem gestellt, dass die erforderlichen Hilfeleistungen einerseits aufwendig und beratungsintensiv sind, andererseits aber innerhalb des städtischen Sozialsystems nur eine marginale Rolle spielen. Zudem bestehen häufig Zweifel hin-sichtlich der Wirksamkeit der Hilfe. Im Rahmen der Armutsberichterstattung der Stadt Konstanz hat das ISG amtliche Sta-tistiken, Materialien von sozialen Diensten und Einrichtungen sowie Darstellungen aus der Sicht der Betroffeneninitiative ausgewertet. In einem Fachgespräch wurden diese Ergebnisse vorgestellt und im Hinblick darauf erörtert, welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer wirksamen Hilfe in der Praxis gesehen werden. 8.1 Hilfen nach § 72 BSHG im bundesweiten Vergleich Aus Anlass der neuen Verordnung zu § 72 BSHG, die seit August 2001 in Kraft ist, hat das ISG im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung eine bun-desweite Untersuchung der derzeitigen Praxis der Hilfe für Personen in besonderen Schwierigkeiten durchgeführt.49 Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung sollen hier kurz referiert werden, da sie einen guten Überblick über Klientel und Problematik in diesem Bereich vermitteln. • Trägerschaft: Generell sind die überörtlichen Sozialhilfeträger für die Kosten der

vollstationären und teilstationären Hilfe zuständig, die örtlichen Sozialhilfeträger für die der ambulanten Hilfen. Baden-Württemberg gehört zu den neun Bundeslän-dern, in denen der überörtliche Sozialhilfeträger auch für die „ambulante Sesshaft-machung“ (meist in Form von „betreutem Wohnen“) zuständig ist.

• Durchführung: Die Durchführung der Hilfen erfolgt überwiegend durch die örtlichen Träger.

• Klientel: Die Klientendichte variiert erheblich zwischen städtischem und ländlichem Raum: Während in kreisfreien Städten durchschnittlich 2,3 Klienten pro 1.000 Ein-wohner registriert wurden, sind es in Landkreisen nur 0,6 Klienten pro 1.000 Ein-

49 Dabei stand zunächst eine Bestandsaufnahme der vor diesem Zeitpunkt praktizierten

Hilfe im Vordergrund, um später in einem zweiten Schritt den Effekt der neuen Verord-nung ermitteln zu können; vgl. D. Engels, Vorarbeiten für einen Bericht der Bundesregie-rung über die praktischen Auswirkungen der neuen VO zu § 72 BSHG, über die Kosten-entwicklung und deren Ursachen, Köln 2001

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wohner. Nach der früher geltenden Kategorisierung sind 38% dieser Klienten „Per-sonen ohne ausreichende Unterkunft“, 35% sind „Nichtsesshafte“, 18% sind Haft-entlassene und 3% sind „verhaltensgestörte junge Menschen“. Der Anteil der als „nicht sesshaft“ zugeordneten Personen hängt auch davon ab, wer die Kosten trägt: Wo (wie auch in Baden-Württemberg) der überörtliche Träger dafür zuständig ist, werden 56% aller Hilfeempfänger dieser Kategorie zugeordnet, in den anderen Ländern nur 14%. Die Klienten sind überwiegend Männer; der Frauenanteil ist mit durchschnittlich 14% sehr niedrig.

• Auswirkung der neuen Verordnung: Nennenswerte Veränderungen werden durch die neue VO kaum erwartet. Zum Teil wurde die neue Zielgruppenbeschreibung schon vorher eingeführt, sodass kein abrupter Übergang stattgefunden hat.

Unabhängig von der neuen VO ist die Hilfe nach § 72 BSHG in mehreren Punkten konzeptionell weiter entwickelt worden. Dazu gehört insbesondere die Einführung einer meist 3-monatigen „Clearingphase“, innerhalb derer die Klienten zunächst probeweise in eine Einrichtung aufgenommen werden, um durch eine genaue Abklärung von Hilfe-bedarf und geeignet erscheinenden Maßnahmen eine vorschnelle Institutionalisierung zu verhindern. 8.2 Besonders belastete Personen in Konstanz: Charakteristik und Hilfebe-

darf Wie viele Personen in besonderen Schwierigkeiten es in der Stadt Konstanz gibt, ist nicht eindeutig dokumentiert. Geht man zunächst von den in der o.g. Untersuchung ermittelten Durchschnittswerten aus, so müsste deren Zahl zwischen 50 und 180 Per-sonen liegen – je nach dem, ob für Konstanz der für Landkreise oder der für kreisfreie Städte ermittelte Durchschnitt zu Grunde gelegt wird. Rechnet man die Zahl der in der Sozialhilfeaktenanalyse erfassten Personen mit diesem Problemprofil hoch, so dürfte die Zahl bei insgesamt etwa 100 Personen liegen, darunter etwa die Hälfte Obdachlose und ein hoher Anteil mit Suchtproblematik. Diese Ergebnisse werden durch die Einrichtungsstatistiken tendenziell bestätigt. Die Tagesstätte Lutherplatz, die sich der Arbeit mit Obdachlosen widmet, zählte im Jahr 2000 insgesamt rd. 280 Besucher, der Frauenanteil darunter lag bei 14%. Im Herbst 2001 ergab eine von der LIGA durchgeführte Stichtagserhebung (am 28. September 2001) eine Besucherzahl von 56 Personen, darunter waren 11 Frauen. Hinzu kommt eine kleinere Gruppe jüngerer Obdachloser, die diese Einrichtung nicht besuchen. Zu den Besuchern der Tagesstätte liefert die Stichtagserhebung folgende weiteren Informationen: Das mittlere Alter liegt bei 40 Jahren, jeweils die Hälfte der Besucher

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war jünger oder älter; 5 Personen waren unter 20 Jahren. Im betreuten Wohnen waren mehr als die Hälfte über 40 Jahre alt, und in der stationären Einrichtung steigt deren Anteil auf zwei Drittel. Die Wohnsituation ist in den beiden letztgenannten Einrichtun-gen vorgegeben, bei den Besuchern der Beratungsstelle und Tagesstätte aber hetero-gen. Die meisten Klienten beziehen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Bezug in Form von Tagessätzen kommt nur bei den Besuchern der Beratungsstelle und Tages-stätte vor. Festes Arbeitseinkommen (auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt) bezie-hen 30% der Bewohner der stationären Einrichtung, bei den anderen Einrichtungen ist dieser Anteil geringer; hier kommt eher noch der Bezug von Lohnersatzleistungen hin-zu. Tabelle 31:

Wohnungslose in KonstanzStichtagserhebung der AGJ am 28.09.2001

Besucher insgesamt 56 100% 21 100% 32 100%darunter: Männer 45 80% 18 86% 30 94%

Frauen 11 20% 3 14% 2 6%

Alter: unter 20 J. 5 9%20-29 Jahre 11 20% 3 14% 4 13%30-39 Jahre 11 20% 6 29% 7 22%40-49 Jahre 18 32% 8 38% 12 38%ab 50 Jahren 11 20% 4 19% 9 28%

Unterkunft: station. Unterbringung 32 100%betreutes Wohnen 21 100%ohne Unterkunft 18 32%Notwohnung 19 34%Pension 1 2%Individualwohnraum 6 11%bei Bekannten 10 18%Sonstiges 2 4%

Einkommen: laufende HLU 30 54% 7 33% 20 63%HLU-Tagessätze 9 16% 0 0% 0 0%Arbeitseinkommen 9 16% 3 14% 10 31%Lohnersatzleistungen 6 11% 8 38% 0 0%Rente 2 4% 0 0% 2 6%Sonstiges 0 0% 3 14% 0 0%

Beratungsstelle KN betr. Wohnen KN station. Einrichtung RZ

Quelle: Stichtagserhebung der AGJ, September 2001

Da die belasteten Personen überwiegend laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezie-hen, erscheint ein Teil von ihnen auch in den Sozialhilfeakten, die im Rahmen der Ar-mutsberichterstattung gesondert ausgewertet wurden. Diese Personen sind zwar auf Grund der geringen Anzahl nicht repräsentativ für den gesamten Personenkreis, den-noch lässt deren Analyse einige Grundprobleme erkennen, die typisch sein dürften.

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Die besonders belasteten Personen sind fast ausschließlich deutscher Nationalität (93% gegenüber 74% aller HLU-Bezieher). Von der Altersstruktur her überwiegen Per-sonen unter 40 Jahren; vor allem die wohnungslosen Klienten sind vorwiegend junge Erwachsene, 42% von ihnen sind jünger als 25 Jahre. Abbildung 26:

AltersgruppenPersonen in besonderen sozialen Schwierigkeiten (Haushaltsvorstand, N=50)

ISG 2001 *zu 100% fehlende = unter 18 Jahren

6%

47%

41%

6%

50%

25%

25%

42%

33%

25%

11%

38%

28%

22%

18-24 Jahre

25-39 Jahre

40-59 Jahre

60 und älter

Suchtkrankheit Freiheitsentz./ Haftentl. ohne eigene Wohnung gesamt*

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Von allen Sozialhilfeempfängern in Konstanz ist die Hälfte allein lebend, aber unter den besonders belasteten Personen leben 67% der Personen mit Wohnungsproblemen, 80% der Haftentlassenen und 85% der Suchtkranken alleine.

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Abbildung 27:

Typ der BedarfsgemeinschaftHaushalte in besonderen sozialen Schwierigkeiten (N=50)

ISG 2001

85%

3%

6%

6%

80%

20%

67%

8%

17%

8%

50%

9%

10%

26%

6%

allein lebend

Paar ohne Kind

Paar mit Kind(ern)

allein erziehend

sonstige BG

SuchtkrankheitFreiheitsentz./ Haftentl.ohne eigene WohnungHLU insgesamt

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln Von ihren Integrationsvoraussetzungen her weisen diese Personen erhebliche Defizite auf. Die Anteile unter ihnen, die einen Schul- oder Berufsabschluss haben, liegen durchweg niedriger als bei den HLU-Beziehern insgesamt. Als uneingeschränkt ar-beitsfähig werden zwar 60% der Haftentlassenen, aber nur 15% der Suchtkranken ein-geschätzt. Allerdings wird die Überwindung des Hilfebezugs bei den meisten dieser Klienten für möglich gehalten, wobei zumindest bei den Suchtkranken und Wohnungs-losen mit einem intensiven Beratungsbedarf zu rechnen ist.

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Abbildung 28:

Integrationschancenfür Personen in besondern sozialen Schwierigkeiten

ISG 2001

27%

15%

60%

33%

59%

73%

80%

75%

43%

64%

40%

67%

insgesamt

Suchtkrankheit

Freiheitsentz./ Haftentl.

ohne eigene Wohnung

insgesamt

Suchtkrankheit

Freiheitsentz./ Haftentl.

ohne eigene Wohnung

insgesamt

Suchtkrankheit

Freiheitsentz./ Haftentl.

ohne eigene Wohnung

uneingeschränkt arbeitsfähig:

Überwindung möglich:

Beratung (evtl.) erforderlich:

Quelle: Analyse von Sozialhilfeakten in Konstanz, ISG Köln 8.3 Angebotsspektrum für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten Der für die Hilfe nach § 72 BSHG zuständige Landkreis Konstanz hat die „Arbeitsge-meinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg“ (AGJ) mit der Durchführung dieser Hilfen beauftragt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weite-rer, z.T. ehrenamtlicher Organisationen, die für spezielle Klientengruppen zusätzliche Hilfen anbieten.

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8.3.1 Hilfen für Wohnungslose Die AGJ hat sich zum Ziel gesetzt, mit Beteiligung der Betroffenen die sozialen Schwierigkeiten unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse zu über-winden. Sie ist Träger einer gegliederten Einrichtungsstruktur für Wohnungslose: • „Jakobushof“ in Radolfzell

Die Facheinrichtung „Jakobushof“ in Radolfzell ist eine stationäre Einrichtung mit 34 Plätzen für Männer und Frauen. Im Zuge der Einführung eine „Klärungsphase“ (vgl. Abschnitt 8.1) sind 12 von diesen Plätzen seit Januar 2002 in „Aufnahmeplätze“ um-gewidmet worden. Der Aufenthalt ist grundsätzlich auf 18 Monate begrenzt. Neben den Angeboten der Beratung, Tagesgestaltung und Anleitung zur Selbstversorgung werden in geeigneten Fällen auch Hilfen zur Arbeit in Kooperation mit dem Konstanzer Be-schäftigungsprojekt FAIRKAUF angeboten. Weiterhin werden im Jakobushof 14 Plätze des betreuten Wohnens sowie eine Fach-beratungsstelle mit Sozialhilfeauszahlung und weiteren Angeboten betrieben, die aber eher für Klienten des Landkreises zuständig sind, während die Stadt Konstanz über eigene Angebote dieser Art verfügt. • Betreutes Wohnen in Konstanz

In Konstanz bietet die AGJ 21 Plätze des betreuten Wohnens an, darunter 15 Einzel-zimmer in drei Wohngruppen und 6 Appartements. Auch hier ist die Aufenthaltsdauer auf 18 Monate begrenzt. • Fachberatungsstelle und Tagesstätte am Lutherplatz

Eine wichtige Adresse für Wohnungslose in Konstanz ist der Lutherplatz 6, wo die AGJ eine Fachberatungsstelle mit Beratung, Sozialhilfeauszahlung und Abklärung des Hil-febedarfs betreibt. Hier steht außerdem eine ehrenamtlich betreute Tagesstätte zur Verfügung, in der neben einer Erfüllung der Grundbedürfnisse an Essen, Kleidung und Hygiene auch Freizeitangebote gemacht werden. An zwei Vormittagen pro Woche wird hier auch eine ambulante medizinische Versorgung durch eine Krankenschwester an-geboten. Auch für die in der Stadt Konstanz betreuten Klienten gelten im Wesentlichen die Ziele einer Anleitung zur Selbstversorgung und in geeigneten Fällen Hilfen zur Arbeit in Ko-operation mit dem Beschäftigungsprojekt FAIRKAUF.

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8.3.2 Betroffenen-Initiative Konstanz (BI) Eine ehrenamtliche Betreuung von wohnungslosen Personen leistet die Betroffenen-Initiative Konstanz, die schwerpunktmäßig Personen betreut, die in Notunterkünften (17 Plätze), in den Wohncontainern (8 Plätze) und auf der Straße leben. Die BI hat sich zum Ziel gesetzt, Kontakte zu allen Personen in schwierigen Lebenslagen herzustellen und zu pflegen, auch zu denen, die vom professionellen Versorgungssystem nur schwer zu erreichen sind. Praktiziert wird ein niedrigschwelliger Zugang zu diesen Per-sonen, in dem keinerlei Voraussetzungen an Mitwirkungsbereitschaft oder Verpflich-tungen der Zielgruppe geknüpft werden. Vielmehr werden deren Lebenswünsche (ein-schließlich ihres Alkohol- und Drogenkonsums sowie „anstößiger“ Verhaltens- und Kleidungsweisen) zunächst akzeptiert, um eine Kommunikation überhaupt in Gang zu setzen. Sozialtherapeutische Ziele sind dagegen nachrangig und werden eher indirekt verfolgt, indem – nach Aussage der Betroffeneninitiative – eine Heranführung des Klientels an das professionelle Hilfesystem (insbesondere der AGJ) angestrebt wird. 8.3.3 Bezirksverein für soziale Rechtspflege Der Bezirksverein für soziale Rechtspflege betreut straffällige Personen vor, während und nach der Haft. Seine Zielsetzung ist es, für diese und gemeinsam mit diesen die „Voraussetzungen für geordnete Lebensverhältnisse zu erarbeiten und ihnen die sozia-le und berufliche Integration zu erleichtern“.50 Der Verein betreibt ein Wohnheim mit einem Aufnahmebereich und einer längerfristig betreuten Wohngruppe (zusammen 10 Plätze, durchschnittliche Belegung im Jahr 2000: 8,9 Bewohner) sowie eine Bera-tungsstelle mit Tagestreffpunkt, die vor allem auch von ehemaligen Wohnheimbewoh-nern genutzt werden. Im Jahr 2000 wurden insgesamt 109 Personen betreut, was ge-genüber dem Vorjahr einen geringfügigen Rückgang (vor allem im stationären Bereich) bedeutet. Die Klienten des Vereins sind vorwiegend Männer der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Vermittlung einer Beschäf-tigung, was in einem Drittel der Fälle gelingt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Vermittlung in eine Wohnung. Beides dient in entscheidender Weise auch der Rück-fallprophylaxe, denn der Aufbau einer deliktfreien Existenz ist auf das Zusammenwir-ken mehrerer stabilisierender Faktoren angewiesen.

50 Bezirksverein für soziale Rechtspflege Konstanz (Hg.), Jahresbericht 2000

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9. Empfehlungen zur Armutsbekämpfung in Konstanz 9.1 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Der vorliegende Bericht hat ein mehrdimensionales Bild von Armutslagen in der Stadt Konstanz gezeichnet, wobei die Schwerpunkte auf die Bereiche Einkommen und Sozi-alhilfebezug, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, schulische und berufliche Ausbildung, familiäre Netzwerke und deren Entlastung, Wohnen und Wohnumfeld sowie besonders belastete Lebenslagen gelegt wurden. Einkommenslage Der Ruf der Stadt Konstanz, eine wohlhabende Stadt zu sein, erweist sich bei näherer Betrachtung als brüchig: Die Einkommen in der Stadt Konstanz liegen leicht unter dem Bundesdurchschnitt. Dieser Befund weist auf eine Reihe von Problemlagen hin, die sich erst einer eingehenderen Analyse erschließen. Zieht man den Wohngeldbezug als Indikator heran, so liegt die entsprechende Quote in Konstanz um fast 0,6 Prozentpunkte über dem Durchschnitt in Baden-Württemberg, bleibt aber unter dem Niveau des früheren Bundesgebietes. Sozialhilfebezug: Umfang, Ursachen und Überwindungschancen Ein bundesweites Niveau wird hingegen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt erreicht: 3,4% der Konstanzer Bevölkerung war auf diese Hilfe für einkommensschwache Per-sonen angewiesen. Konstanz liegt in dieser Hinsicht deutlich über dem Durchschnitt Baden-Württembergs. Eine Analyse der Empfängerstruktur ergibt, dass Frauen zwi-schen 26 und 45 Jahren und Männer zwischen 46 und 55 Jahren überdurchschnittliche HLU-Quoten aufweisen. Der Ausländeranteil unter den Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt fällt in Konstanz mit 28% besonders hoch aus, was auch durch den vergleichsweise hohen Ausländeranteil von 14% an der Gesamtbevölkerung be-dingt ist. Von der Wohnform her liegen die Anteile der allein lebenden sowie der allein erziehenden Sozialhilfeempfänger in Konstanz über dem Bundesdurchschnitt. Für fast die Hälfte der Konstanzer Bedarfsgemeinschaften ist der Sozialhilfebezug durch Arbeitslosigkeit (mit) verursacht. Eine weitere Ursache ist die Brüchigkeit familiä-rer Netzwerke: Trennung bzw. Scheidung (21%) und die Geburt eines Kindes (17%) werden vor allem hinsichtlich der großen Gruppe der allein Erziehenden als Gründe für den gegenwärtigen Sozialhilfebezug angegeben. Ein dritter Ursachenkomplex ist mit der gesundheitlichen Situation der Hilfeempfänger verbunden. So stellen Krankheit

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(19%) sowie speziell Suchtkrankheit (9%) weitere Ursachen dar. Weitere Ursachen sind Immigration und die damit verbundenen Sprach- und Qualifikationsdefizite. Vor allem die Tatsache, dass nur jeder zweite Sozialhilfeempfänger überhaupt einen beruflichen Abschluss hat, dürfte ein erhebliches Beschäftigungshemmnis darstellen. Allerdings garantieren auch höhere berufliche Abschlüsse nicht immer gute Arbeits-marktchancen, vor allem wenn andere Hemmnisse wie z.B. psychische Krankheit oder die „häusliche Bindung“ von allein Erziehenden eine Beschäftigungsaufnahme er-schweren. Nach Einschätzung der Sachbearbeiter haben 41% der Bedarfsgemein-schaften kaum eine Möglichkeit zur Überwindung des Hilfebezugs. Für insgesamt gut die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften wird die Aufnahme oder Ausweitung einer Er-werbstätigkeit als geeignete Möglichkeit gesehen, als weitere Ansätze werden Qualifi-zierungsmaßnahmen, die Realisierung von vorrangigen Ansprüchen, Sprachkurse für Migranten und Therapien für Suchtkranke genannt. Integration in den Arbeitsmarkt Die Integration in den Arbeitsmarkt wird vielfach als der Schlüssel zur Überwindung von Armutslagen und zur gesellschaftlichen Integration gesehen. Die Zahl der Arbeits-losen in Konstanz hat von 1995 bis 1997 zugenommen, bis 1999 stagniert und war bis Mitte des Jahres 2001 wieder rückläufig. Damit liegt Konstanz im Trend der bundes-weiten Entwicklung, die sich allerdings im zweiten Halbjahr 2001 wieder verschlechtert hat. Im Vergleich zu Deutschland insgesamt fallen die höheren Anteile von Ausländern unter den Konstanzer Arbeitslosen auf, während die Anteile der Arbeiter sowie der Langzeitarbeitslosen (d.h. mindestens seit einem Jahr arbeitslos) in Konstanz niedriger sind als im Bundesdurchschnitt. Unter den Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt stehen aber nicht alle Personen im arbeitsfähigen Alter dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Viele sind we-gen gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder häuslicher Bindung nicht in der Lage, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, andere sind auf Grund ihrer Qualifikationsdefizite nur schwer vermittelbar. Die „Hilfe zur Arbeit“ leistet in dieser Hinsicht umfassende Unter-stützung zum Einstieg in den Arbeitsmarkt. Armut an Bildung Entscheidend für die zukünftigen Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen ist ihre schulische Ausbildung. Als besonders schwierig erweist sich auf Grund dieser Analyse die Situation der ausländischen Kinder, deren Anteil in den Konstanzer Grundschulen bei 18% liegt, während sie in den Realschulen mit 10% und in den Gymnasien mit 6% der Schüler zunehmend unterrepräsentiert sind.

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Bildungs- und Qualifikationsdefizite stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Zu-gangsschwierigkeiten zum Arbeitsmarkt und einer entsprechend hohen Sozialhilfequo-te. Von den erwachsenen Sozialhilfebeziehern in Konstanz haben 13% keinen schuli-schen Abschluss und die Hälfte hat lediglich einen Hauptschulabschluss. Noch stärker dürfte (gerade zu Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes) ins Gewicht fallen, dass etwa die Hälfte der erwachsenen Sozialhilfebezieher über keinen Berufsabschluss ver-fügt. Destabilisierte familiäre Netzwerke Etwa ein Drittel der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt sind Kinder und Jugendli-che unter 18 Jahren, dieser Anteil ist etwas niedriger als im Bundesdurchschnitt. Vor allem Kinder von allein Erziehenden sind in starkem Maße auf diese Unterstützung angewiesen, da diese auf Grund eingeschränkter Erwerbsfähigkeit und unzureichender bzw. ausbleibender Unterhaltszahlungen nur unzureichende Einkünfte haben. In Kon-stanz ist der Anteil der Haushalte von allein Erziehenden überdurchschnittlich hoch. Entwicklungsschwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen bildet auch die Jugenhil-festatistik ab. Am Jahresende 2000 wurden in 370 Fällen Hilfen zur Erziehung geleis-tet, ein Drittel davon war auch auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Im Vergleich zur Bundesebene ist es in Konstanz besser gelungen, die familienersetzenden Hilfen auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren und dem gegenüber die ambulanten und teilstationären Formen der Hilfe stärker zu gewichten. Weiterhin wurden die Angebote für Kinder und Jugendliche in Konstanz untersucht mit dem Ergebnis, dass für Kleinkinder unterhalb des Kindergartenalters sowie für die flan-kierende Schülerbetreuung ein weiterer Ausbau der Kapazitäten zu empfehlen ist, wenn sich auch die Konstanzer Versorgungslage im Bundesvergleich nicht schlecht darstellt. Darüber hinaus existiert ein vielfältiges Angebot der offenen Kinder- und Jugendhilfe. Überlegungen, welche weiteren familienergänzenden Hilfen in Form von städtischen Vergünstigungen in unterschiedlichen Bereichen gewährt werden sollten, stehen noch zur Diskussion. Wohnen und Wohnumfeld Im Vergleich mit dem Land Baden-Württemberg sowie mit dem früheren Bundesgebiet erweist sich die quantitative Wohnungsversorgung in Konstanz als gut, allerdings gibt es empirische Hinweise auf eine Tendenz zur Verschlechterung. Auch die Qualität der Wohnungen ist in Konstanz besser als im Bundesdurchschnitt, nur 0,2% der Wohnun-

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gen sind Substandard-Wohnungen. Erweitert man den Blick auf das Wohnumfeld, so weisen einzelne Wohngebiete eine höhere Dichte an sozialen Belastungen auf als an-dere. Umfang und Prognose der Pflegebedürftigkeit Derzeit sind in Konstanz schätzungsweise 1.880 Personen pflegebedürftig, etwa die Hälfte davon im Alter von 80 und mehr Jahren. In dieser Altersgruppe ist jeder Dritte pflegebedürftig, jeder Zehnte lebt in einem Pflegeheim. Bis zum Jahr 2010 wird die Zahl der Pflegebedürftigen ab 60 Jahren voraussichtlich um 10% steigen, die der Hochaltrigen sogar um 27%. Die derzeitige Versorgungsstruktur für diese Personen-gruppe weist geringfügige Defizite auf, die aber angesichts der prognostizierten Ent-wicklung einen Handlungsbedarf erkennen lassen. Die Planungen der Stadt zur Schaf-fung weiterer Pflegeheimplätze greifen diesen Handlungsbedarf auf. Personen in besonders belasteten Lebenslagen Einige zwar nicht sehr umfangreiche, aber von ihrer (meist kumulierten) Problemlage her in besonderer Weise belastete Personengruppen wurden intensiver betrachtet. Hierzu gehören vor allem Personen mit Wohnungsproblemen, Haftentlassene und Suchtkranke, viele von ihnen leben alleine und haben auch wenig Unterstützung durch andere gesellschaftliche Strukturen. Von ihren Integrationsvoraussetzungen her wei-sen sie erhebliche Defizite auf. Die Anteile unter ihnen, die einen Schul- oder Berufs-abschluss haben, liegen durchweg niedriger als bei den Sozialhilfebeziehern insge-samt. Ihr Bedarf an Beratung und sozialer Betreuung ist sehr hoch. 9.2 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Aus diesen Befunden und überwiegend deskriptiven Analysen können eine Reihe von Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, in welcher Richtung die Armutspolitik und Hilfegewährung in der Stadt Konstanz weiter entwickelt werden können. Diese Emp-fehlungen haben allerdings mehr noch als der deskriptive Teil einen vorläufigen Cha-rakter; sie können lediglich Anstöße liefern für ein Handlungskonzept, das im Laufe eines Diskussionsprozesses gemeinsam mit allen Beteiligten zu entwickeln ist. Verbesserungsmöglichkeiten der Sozialhilfegewährung Seit Oktober 2001 wird bei der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt in Konstanz unterschieden in

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• eine „aktivierende Sozialhilfe“ für Personen unter 60 Jahren und • eine „sichernde Sozialhilfe“ für Personen über 60 Jahre.51 Mit dieser Trennung wird versucht, in differenzierter Form auf unterschiedliche Struktu-ren, Hilfebedarfe und Überwindungschancen der Klienten einzugehen und die Hilferes-sourcen effektiv und zielgerichtet einzusetzen. Dieser Ansatz ist hilfreich und sollte im Prinzip weiter geführt werden. Allerdings wäre zu überlegen, diese Unterscheidung an der Bestimmung des Nettoarbeitspotenzials zu orientieren. In den Bereich der „sichernden Sozialhilfe“ würden demzufolge auch er-werbsunfähige Personen unter 60 Jahren fallen. Außerdem sollte angesichts der Ar-beitsmarktchancen die Altersgrenze auf 55 Jahre herab gesetzt werden. Die weiteren organisatorischen Veränderungen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind ausdrücklich zu begrüßen. Möglichkeiten der Beschäftigungsförderung Die Strukturen der Hilfe zur Arbeit in Konstanz sind sowohl auf der Vermittlungsseite als auch auf der Anbieterseite reformiert worden, um eine hohe Effizienz erzielen zu können. Die im HzA-Bericht 2001 dargestellten Verfahren der individuellen Be-standsaufnahme und passgerechten Vermittlung entsprechen dem aktuellen Diskussi-onsstand und sind positiv hervor zu heben. Die Analyse der Leistungsdaten zeigt, dass die Zielsetzung der Hilfe zur Arbeit zu ei-nem erheblichen Teil gelungen ist: Im Laufe des Jahres 2000 wurde in 372 Fällen ein Vermittlungsversuch unternommen, der in 211 Fällen erfolgreich verlaufen ist. Im Hin-blick auf das geschätzte Nettoarbeitspotenzial52 scheinen diese Vermittlungsbemühun-gen ausreichend zu sein, zumal dabei deutlich wurde, dass die Grenzen der Vermittel-barkeit wohl erreicht sind, da der Arbeitsmarkt für diese Personengruppe keinen hohen Bedarf zeigt. Zusammenarbeit von Schule und Jugendamt Die traditionelle Trennung von Schule als „Lernort“ und Wohnbereich als „Lebensort“ kann nicht mehr aufrecht erhalten werden: Einerseits werden soziale Spannungen mit in die Schule getragen, und andererseits müssen schulische Lernschwierigkeiten auch im außerschulischen Bereich aufgefangen und bearbeitet werden. Diese veränderte

51 Vgl. Geschäftsbericht 1999 / 2000, S. 24 ff 52 vgl. oben Abschnitt 3.2

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Problemlage erfordert entsprechende Konzepte, wie sich auch in dem Fachgespräch herauskristallisierte. Auf schulischer Seite ist eine Ausdehnung der täglichen Schulzeit zu empfehlen, um die Wiederholung und Einübung von Lernstoff sicherstellen und darüber hinaus sozia-les Lernen intensivieren zu können. Beides soll vor allem den Kindern zu Gute kom-men, deren häusliches Milieu in dieser Hinsicht eher kontraproduktiv wirkt. (Wie für die Gebhardschule vorgesehen, so sollten auch weitere Schulen in sozial belasteten Wohngebieten zur Ganztagsschule ausgebaut werden.) Mit einer Erweiterung der schulspezifischen Aufgaben um den Aspekt des „sozialen Lernens“ sind die Lehrkräfte alleine überfordert, da insbesondere der Umgang mit ver-haltensauffälligen Kindern in der allgemeinen pädagogischen Ausbildung nicht hinrei-chend vermittelt wird. Dies stellt ein Aufgabenfeld mit stark sozialpädagogischer Aus-richtung dar, das nur von Schule und Jugendhilfe gemeinsam zu bewältigen ist. Die bei bestimmten Schülergruppen zu beobachtende Kumulation der Lernschwierigkeiten mit sozialen Schwierigkeiten erfordert daher eine möglichst gut abgestimmte Jugendsozi-alarbeit an Schulen, an der Schule und Jugendamt im Rahmen ihrer gemeinsamen Verantwortung mitwirken sollten. Letztendlich wird sich eine präventive Schulsozialar-beit, die den steigenden Problemdruck frühzeitig auffängt und kooperativ bearbeitet, auch für beide Seiten auszahlen. Auch im außerschulischen Bereich stellt sich die Aufgabe einer ganzheitlichen Bearbei-tung schulischer und sozialer Schwierigkeiten. In Kinderhorten oder Treffpunkten mit Hausaufgabenbetreuung werden die schulischen Schwierigkeiten, die durch familiäre Unterstützung nicht mehr kompensiert werden können, offenkundig.53 Vor diesem Hin-tergrund erscheint ein Ausbau des Betreuungsangebotes für Schulkinder höchst dring-lich. In einem der Fachgespräche wurde am Beispiel der wohngebietsbezogenen Sozialar-beit im Sozialzentrum Stockacker dargestellt, welcher Problemdruck auf den Kindern und Jugendlichen in einem schwierigen Wohngebiet lastet, aber auch, welche Präven-tionserfolge diese Arbeit hat: In den letzten Jahren konnten sowohl die Zahl der Heim-unterbringungen als auch die Sonderschulquoten in diesem Gebiet gesenkt werden. An diesem Beispiel wird aber auch deutlich, dass nachhaltige Wirkungen nur dadurch erzielbar sind, dass eine soziale Infrastruktur als langfristig verlässliche Struktur aufge-baut und aufrecht erhalten wird.

53 In dem Fachgespräch zur Situation von Kindern und Jugendlichen wurde darauf hinge-

wiesen, dass „selbstverständliche Elternfunktionen heute nicht mehr selbstverständlich“ seien.

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Entlastung von Familien: Modelle nicht einkommensabhängiger Ermäßigung von Kin-dergartenbeiträgen Kinder stellen nach wie vor ein Armutsrisiko dar, so lange der Familienleistungsaus-gleich nicht bedarfsdeckend geregelt ist. Insbesondere Familien mit mehreren Kindern benötigen mittlere bis höhere Einkommen, um nicht in den Bereich der einkommens-schwachen Haushalte abzurutschen. Vor diesem Hintergrund gibt es aus Sicht der Kommunen mehrere Möglichkeiten, für Familien mit Kindern zusätzliche Entlastungen zu schaffen. Welche dieser Möglichkeiten am besten zum Ziel führt, hängt davon ab, wie dieses Ziel definiert worden ist und welche Konsequenzen für die Umsetzung bzw. Verwaltung damit verbunden sind. Grundsätzlich stehen drei Möglichkeiten zur Diskussion, die im Hinblick auf Ziele und Verfahren unterschiedlich zu bewerten sind: Eine Staffelung der Beiträge nach Ein-kommen, nach der Zahl der Kinder oder nach der Zahl der weiteren Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen. Weiterhin wäre denkbar, unter den Familien für allein Er-ziehende gesonderte Regelungen zu schaffen oder die Kriterien „kinderreich“ und „wei-tere Kinder in der Einrichtung“ zu verknüpfen. Je nach dem, welche Ziele in den Vor-dergrund gerückt werden, sind entsprechende Maßnahmen zu empfehlen. In der fol-genden Übersicht wird die Eignung einer Maßnahme zur Umsetzung des jeweiligen Ziels durch die Anzahl der Sterne symbolisiert. Tabelle 32:

Entlastungen für Familien mit Kindern in Tageseinrichtungen

finanzielle Familien- Ausgaben-Zielgruppen Entlastung förderung kontrolle

einkommensschwache Familien *** ***Familien mit Kindern ***kinderreiche Familien (ab 3 Kindern) *** **allein Erziehende ** ***Familien mit weiteren Kindern in Einrichtungen * **kinderreiche Familien mit weiteren Kindern in Einr. ** ***

• Wer der finanziellen Entlastung der Zielgruppe höchste Priorität beimisst, kann die-

ses Ziel am ehesten durch Begünstigung einkommensschwacher Familien errei-chen, weniger aber durch eine generelle Begünstigung von Familien mit Kindern, da diese auch überwiegend wohlhabend sein können.

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• Wenn an erster Stelle das Ziel der Familienförderung steht, so kann dies durch alle Maßnahmen erreicht werden, die generell auf Familien zielen, nicht aber durch eine Einschränkung der Begünstigung auf diejenigen, die Kinder in Einrichtungen haben.

• Würde hingegen das Ziel einer Ausgabenkontrolle stärker gewichtet als die übrigen Ziele, so ließe sich dies am besten durch eine weitest mögliche Eingrenzung der Begünstigten erreichen, in diesem Falle also durch Begrenzung auf kinderreiche Familien mit weiteren Kindern in Einrichtungen.

Diese Bewertung kann auch anders vorgenommen werden bzw. zu einem anderen Ergebnis kommen; wichtig ist jedoch, dass der Prozess der Entscheidungsfindung sich über die Priorität der Zielsetzungen verständigt und dann die Maßnahme auf diese Ziele hin abstimmt. In den einzelnen Bundesländern werden unterschiedliche Varianten favorisiert. In Nordrhein-Westfalen sind die Beiträge für das 1. Kind, das eine Einrichtung besucht, nach dem jährlichen Haushaltseinkommen (JE in DM) der Eltern gestaffelt. Liegt die-ses Haushaltseinkommen unter 24.000 DM pro Jahr, werden keine Beiträge erhoben. Ansonsten gilt: • Kindergarten oder Hort: von 51 DM (über 24.000 DM JE) bis 296 DM (über 120.000

DM JE)

• Kindergarten über Mittag zusätzlich: von 31 DM (über 24.000 DM JE) bis 164 DM (über 120.000 DM JE)

• Kinder unter 3 Jahren: von 133 DM (über 24.000 DM JE) bis 612 DM (über 120.000 DM JE)

Weitere Kinder in der Einrichtung sind in Nordrhein-Westfalen beitragsfrei. In Baden-Württemberg werden nur in 15% der Kommunen einkommensabhängige Staffelungen praktiziert. Ansonsten gelten unterschiedliche Regelungen in den beiden Landesteilen: In Baden orientieren sich die Beiträge nach der Zahl der Kinder in der Einrichtung, in Württemberg nach der Zahl der Kinder in der Familie. Die Beiträge sind so gestaffelt: • Baden: 61 € für das 1. Kind, 38 € für das 2. Kind in der Einrichtung, weitere Kinder

in der Einrichtung sind beitragsfrei.

• Württemberg: 67 € bei 1-Kind-Familien, 50 € je Kind bei Familien mit 2 Kindern, 34 € je Kind bei Familien mit 3 Kindern, für jedes weitere Kind in der Familie 9 €.

Die familienbezogene Regelung in Württemberg entlastet alle Familien mit mehreren Kindern, während die einrichtungsbezogene Entlastung in Baden die Familien im Blick hat, die durch Beiträge zu Kindertagesstätten belastet sind.

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Die Regelungen kommen unterschiedlichen Interessen entgegen: Im Interesse der Familien liegt generell eine Entlastung nach der Kinderzahl insgesamt, im Interesse einkommensschwacher Familien eine einkommensbezogene Entlastung. Im Interesse der Kommunen liegt einerseits eine Entlastung der Familien, andererseits aber auch eine Kontrolle der Ausgaben; Letzteres würde am ehesten durch eine Beschränkung der Vergünstigung auf kinderreiche Familien oder auf Familien mit mehreren Kindern in einer Einrichtung. Bundesweit leben in 37% aller Haushalte Kinder unter 18 Jahren. Diese Haushalte teilen sich auf in zwei Drittel Haushalte mit einem Kind und ein Drittel Haushalte mit zwei oder mehr Kindern. Die Haushalte mit mehr als zwei Kindern machen nur 2,9% aller Haushalte aus bzw. 8% der Haushalte mit Kindern. Daraus ergibt sich, dass Ver-günstigungen, die sich auf Familien mit mehreren Kindern beziehen, nur einem Drittel aller Familien zu Gute kommen, aber auch entsprechend wenig kosten. Durch eine Bezugnahme auf weitere Kinder „in der Einrichtung“ wird der Kreis der Begünstigten nochmals erheblich eingeengt, da die Kinder von kinderreichen Familien sich in der Regel über ein größeres Altersspektrum verteilen, als für die Tageseinrichtungen rele-vant ist. Diese Überlegungen führen für Konstanz zu folgender Schlussfolgerung: Die Einfüh-rung einer einkommensabhängigen Gestaltung der Beiträge wurde in Konstanz aus-führlich diskutiert und aus verschiedenen Gründen verworfen. Zudem ist zu berücksich-tigen, dass für einkommensschwache Familien nach § 90 Abs. 3 SGB VIII ohnehin die Möglichkeit einer Ermäßigung bis hin zum vollständigen Erlass der Beiträge besteht. Damit stehen in Konstanz nur noch zwei Varianten zur Diskussion: Die Berücksichti-gung von Kindern in der Einrichtung und die Berücksichtigung von Kindern in der Fami-lie. • Eine Beitragsermäßigung bzw. –befreiung für weitere Kinder in der Einrichtung

würde lt. Berechnungen des Jugendamtes jedes 10. Kind betreffen, da 10% der Kinder „Zweitkinder“ sind.

• Würde eine Vergünstigung für „Zweitkinder“ bzw. Geschwisterkinder auf Familien mit mehr als 2 Kindern beschränkt, so würde sie nur 2,5% der Kinder zu Gute kommen, da nur ein Viertel aller Geschwisterkinder aus kinderreichen Familien kommen (Bundesdurchschnitt).

• Würde die Regelung für kinderreiche Familien auf Geschwisterkinder in der Einrich-tung beschränkt, so käme sie praktisch niemandem zu Gute.

So lässt sich festhalten: Je eingeschränkter der begünstigte Personenkreis ist, desto geringer sind zwar die Kosten für die Kommune; die Wirksamkeit der Maßnahme ten-diert jedoch „gegen Null“.

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Kriterien zur Neukonzeption des Konstanzer Sozialpasses Eine Neukonzeption des Sozialpasses erfordert eine Klärung der inhaltlichen Zielset-zung, der zu begünstigenden Zielgruppen, der formalen Gestaltung und der Bezeich-nung. Mögliche Zielsetzungen dieser Entlastungsform können sein:

• finanzielle Entlastung • soziale Inklusion • Familienförderung • Gesundheitsförderung / Erholung Diesen Zielsetzungen entsprechen unterschiedliche Zielgruppen, die im Folgenden jeweils mit ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung (Bundesgebiet) aufgeführt sind:

• alle Sozialhilfeempfänger 4% • HLU-Empfänger 3% • alle Sozialhilfeberechtigte (einschl. „Dunkelziffer“) 5% • Arbeitslose 5% • Haushalte mit geringem Einkommen (je nach Schwelle) • Familien mit Kindern 25% • kinderreiche Familien (ab 3 Kindern) 3% • allein Erziehende 5-8%

Weitere mögliche Zielgruppen sind Senioren (23% ab 60 Jahren) oder Behinderte, für die aber mit dem „Schwerbehindertenausweis“ bereits eine Vergünstigungsmöglichkeit besteht. Weiterhin sind formale Kriterien der Gestaltung zu bedenken; dazu gehören:

• eindeutige Definition der Leistung (z.B. Erwachsene und Kindertarif) • leicht belegbare / überprüfbare Voraussetzungen (z.B. wenn an Alter oder Leis-

tungsbezug geknüpft) • Vermeidung von Stigmatisierung (wie z.B. bei Bezugnahme auf Sozialhilfe) • akzeptable Bezeichnung • keine Quersubventionierung • keine Mitnahmeeffekte (z.B. kinderreiche Millionäre) • Bezahlbarkeit für die Kommune. Auf dieser Grundlage lassen sich folgende Entscheidungshilfen formulieren: Zunächst hängt der Zuschnitt der Zielgruppe und der Leistungen von der Gewichtung der Ziele ab:

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• Soll der Sozialpass vorrangig zur Entlastung finanziell schwacher Haushalte die-nen, so könnte dies am ehesten durch eine Orientierung auf Sozialhilfeempfänger, insbesondere auf Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt erreicht werden.

• Steht allgemein eine soziale Inklusion von Benachteiligten im Vordergrund, so wür-den alle einkommensschwachen, aber auch anderweitig eingeschränkte Personen zum Kreis der Begünstigten zählen.

• Wenn dagegen das Ziel der Familienförderung höchste Priorität erhält, müsste dem gegenüber das Kriterium „Kinder im Haushalt“ besonderes Gewicht erhalten.

• Sollen aber vor allem Gesundheit und Erholung gefördert werden, so denkt man zunächst an Senioren und Behinderte, erst zweitrangig an Familien.

Tabelle 33:

Neukonzeption Sozialpass Konstanz: Ziele und Zielgruppen

finanzielle soziale Familien- Gesundheit,Personengruppen Entlastung Inklusion förderung Erholung

HLU-Empfänger *** ***alle Sozialhilfeempfänger ** *** *alle Sozialhilfeberechtigten (einschl. „Dunkelziff.“) *** ***Familien mit Kindern ***kinderreiche Familien (ab 3 Kindern) *** **allein Erziehende ** ***Haushalte mit geringem Einkommen *** ** *Arbeitslose * **Senioren ***Behinderte *** ***

Weiterhin muss unter formalen Gesichtspunkten die Realisierung unterschiedlicher Kriterien ausbalanciert werden. Dabei ergeben sich folgende Spannungsfelder: Klarheit/ Überprüfbarkeit inhaltliche Ziele Bezahlbarkeit Wirksamkeit Stigmatisierung Nutzung Je genauer die inhaltlichen Ziele spezifiziert werden, desto schwieriger wird die Über-prüfbarkeit. Je breiter die Wirksamkeit der Vergünstigungen konzipiert wird, desto prob-lematischer wird deren Bezahlbarkeit. Und je größer umgekehrt der stigmatisierende Charakter der Vergünstigung, desto geringer wird die Nutzung sein. Zwischen diesen Zielen, Adressatengruppen und formalen Kriterien ist bei der Gestaltung abzuwägen.

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Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Wohnen und Wohnungslosigkeit Die zu befürchtende allgemeine Verschlechterung des Wohnungsmarktes auf Grund veränderter Fördertendenzen der Landes- und Bundespolitik (vgl. Abschnitt 6.1) wirft die Frage auf, welche Handlungsspielräume seitens der Stadt bestehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Ende des Jahres 2001 ein städtisches Förderprogramm beschlossen wurde, in dessen Rahmen 40 Wohnungen für einkom-mensschwache Familien erstellt werden sollen, woran eine Bereitschaft zum Handeln und auch zum finanziellen Engagement in diesem Bereich deutlich wird. Speziell für die Betreuung von Wohnungslosen wurde – hauptsächlich in Kooperation mit der AGJ – ein differenziertes ambulantes, teilstationäres und stationäres Angebot geschaffen. Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch Konflikte zwischen der Stadt Konstanz, der AGJ und der Betroffenen-Initiative aufgetreten, die die Frage einer optimalen Zusammenarbeit, deren Chancen und Grenzen aufwerfen. Grundsätzlich werden dabei gegensätzliche Konzepte deutlich, die sich stichwortartig anhand der folgenden Gegensatzpaare skizzieren lassen: • Ziel: Eine niedrigschwellige Konzeption sieht überhaupt die Erreichbarkeit der

Klientel als ihr vorrangiges Ziel (akzeptanzorientiert), während eine anspruchsvolle-re Konzeption mit einem Betreuungskontakt auch den Versuch einer Problemlö-sung (z.B. Therapie von Alkohol- und Drogenkonsum; pädagogische Orientierung) verknüpft. Konzeptionell entspricht dem das Sannungsfeld zwischen Autonomie und Gestaltungsspielräumen einerseits vs. Betreuung und professioneller Verant-wortung andererseits.

• Angebotsform: Einerseits kann ein integriertes Angebot für alle Klienten angestrebt werden (was gegenseitige Rücksichtnahme erfordert), andererseits können, wenn dies nicht realistisch erscheint, auch gruppenspezifische Angebote erforderlich werden.

• Klienten: Einerseits ist eine gewisse Regelbeachtung die Voraussetzung einer je-den Einrichtung und muss auch bei der Vereinbarung von Hilfe berücksichtigt wer-den; andererseits stellt die Verweigerung von Regelkonformität in diesem Bereich gerade ein Merkmal der Problemgruppe dar und kann deshalb in diesem Falle nicht vorausgesetzt, sondern muss erst erarbeitet werden. Dabei stellt sich die Frage, welches Maß der geforderten Regelbeachtung zumutbar ist und ab wann diese zur Überforderung der Zielgruppe führt.

Nach dem Stand der Diskussion zeigen sich zwar beide Seiten grundsätzlich an einer Kooperation interessiert und halten eine Arbeitsteilung in einer – aus der Sicht des ISG – gut ausgebauten und differenziert entwickelten Hilfestruktur für sinnvoll und notwen-

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dig. Dabei könnte die AGJ eine strukturelle Kontinuität sowie ein professionelles Leis-tungsprofil beitragen, während die BI den Akzent auf strukturelle Offenheit und Zugang zu schwer erreichbaren Zielgruppen legen könnte: Tabelle 34:

Arbeitsteilung in der Hilfe für Obdachlose

Strukturen

Leistungen

ProfessionelleBetroffene

Verlässlichkeit

med. Behandlungprof. Beratung

und Vermittlung

Akteure

Offenheit

Zugang,Kommunikations-

aufbau

Grundsätzlich ist eine Ausdifferenzierung des Hilfespektrums in Form eines mehrfach abgestuften Systems der Hilfe und Kontaktaufnahme zu befürworten. Empfehlungen, wie die Kooperations- und Handlungsmöglichkeiten weiter zu entwickeln sind, können im Rahmen des vorliegenden Berichtes aber nicht gegeben werden, da die Konfliktlage zwischen professionellem Hilfesystem und der Betroffeneninitiative aus der Distanz nicht angemessen beurteilt werden kann.

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Anhang • Literaturverzeichnis • Fragebogen der Sozialhilfe-Aktenanalyse

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Literaturverzeichnis Andreß, H.-J., Leben in Armut, Opladen 1999

Becker, I./ R. Hauser (Hrsg.), Einkommensverteilung und Armut. Deutschland auf dem Weg zur Vierfünftel-Gesellschaft? Frankfurt 1997

Bellmann, D. u.a., Ergebnisse und Empfehlungen der Stadtmarketing-Arbeitsgruppe zum Konstanzer Sozialpass, Konstanz 2000

Bezirksverein für soziale Rechtspflege Konstanz (Hg.), Jahresbericht 2000

Böckmann-Schewe, L. / A. Röhrig, Hilfe zur Arbeit, Graue Reihe der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 1997

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn 2001

Döring, D./ W. Hanesch/ E.-U. Huster (Hg.), Armut im Wohlstand, Frankfurt 1990

Engels, D., Zum Stand der „Hilfe zur Arbeit“ nach §§ 18 bis 20 BSHG, Köln 1998

Engels, D./ C. Sellin, Konzept- und Umsetzungsstudie zur Vorbereitung des Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung, Forschungsbericht des Bun-desministeriums für Arbeit und Sozialordnung Nr. 278, Bonn 1999

Engels, D., Pflegebedarf in Baden-Württemberg: Derzeitiger Stand und zukünftige Entwicklung. Beitrag zur Vorbereitung des Landespflegeplans im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg, Köln 2000

Engels, D., Vorarbeiten für einen Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der neuen VO zu § 72 BSHG, über die Kostenentwicklung und deren Ursachen, Köln 2001

Engels, D. (Red. Bearb.), Tagungsdokumentation „Perspektiven der Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Deutschland“, hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Reihe Lebenslagen in Deutschland, Bonn 2002

Frauen helfen Frauen in Not e.V. (Hg.), Bericht der Beratungsstelle 2000

Glatzer, W./ W. Zapf (Hrsg.), Lebensqualität in der Bundesrepublik. Objektive Lebens-bedingungen und subjektives Wohlbefinden, Frankfurt 1984

Hanesch, W. u.a., Armut in Deutschland. Der Armutsbericht des DGB und des Paritäti-schen Wohlfahrtsverbands, Reinbek 1994

Hanesch, W. / P. Krause/ G. Bäcker, Armut und Ungleichheit in Deutschland. Der neue Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des DGB und des Paritätischen Wohl-fahrtsverbands, Hamburg 2000

Klocke, A./ K. Hurrelmann (Hrsg.), Kinder und Jugendliche in Armut, Wiesbaden 1998

Krug, W./ Ernst, N., Zusatzleistungen für Sozialhilfeempfänger, Untersuchung im Auf-trag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, 1. Zwischenbericht, Trier 2001

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Leibfried, S./ L. Leisering u.a., Zeit der Armut. Lebensläufe im Sozialstaat, Frankfurt 1995

Ludwig, M., Armutskarrieren. Zwischen Abstieg und Aufstieg im Sozialstaat, Wiesba-den 1996

Luhmann, N., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1997

Merz, J., Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Reihe Lebenslagen in Deutschland, Bonn 2001

Neurath, O., Empirische Soziologie, 1931, zit. nach W. Glatzer/ W. Hübinger, Lebens-lagen und Armut, in: Döring/ Hanesch/ Huster 1990

Projektgruppe Bildung und Region, Schulentwicklungsplan Stadt Konstanz, Bonn 2001

Rat der Europäischen Gemeinschaften, Beschluss vom 19.12.1984, Abl. Nr. L 2/24

Sellin, C. / D. Engels, Gutachten zu Struktur und Rahmenbedingungen im Landkreis Konstanz, Köln 1999

Sitzungsvorlage des Amtes für Wohnungswesen für den Gemeinderat zum Sitzungs-datum 28.06.2001 (GR 2001/146)

Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz (Hg.), Geschäftsbericht 1999 / 2000

Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz, Bericht 2000: Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG, Konstanz 2001

Stadt Koblenz (Hg.), Bericht zur sozialen Lage in Koblenz, Koblenz 1999

Statistisches Bundesamt (Hg.), Abschnitt 10 „Bautätigkeit und Wohnungen“ in: Statisti-sches Jahrbuch 2001, Wiesbaden

Statistisches Bundesamt (Hg.), Fachserie 14 Reihe 2 „Wohngeld“, Wiesbaden 2001

Statistisches Bundesamt (Hg.), Fachserie 13 Reihe 4 „Wohngeld“, Wiesbaden 2001

Voges, W., Perspektiven des Lebenslagekonzeptes, in: Tagungsdokumentation „Per-spektiven der Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Deutschland“, hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn

Volkert, J., Systematisierung der Armuts- und Reichtumsmessung in Deutschland, in: Tagungsdokumentation „Perspektiven der Armuts- und Reichtumsberichterstat-tung in Deutschland“, hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-nung, Bonn 2002

Weisser, G., Artikel „Wirtschaft“, in: W. Ziegenfuss (Hrsg.), Handbuch der Soziologie, Stuttgart 1956

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Fragebogen der Sozialhilfe-Aktenanalyse Fragebogen-Nr.: _____________

A. Angaben zur Bedarfsgemeinschaft (BG) 1. Familienstand des Haushaltsvorstandes

ledig verheiratet

geschieden verwitwet 2. Typ der Bedarfsgemeinschaft

allein lebend Paar ohne Kind

Paar mit Kind(ern) allein erziehend

sonstige Bedarfsgemeinschaft

3. Angaben zu den Mitgliedern der BG:

Pers Nr.

Mitglied

Alter

Geschl. M / W

Natio-nalität*

1 Haushaltsvorstand 2 Partner/in 3 weitere Person 4 weitere Person 5 weitere Person 6 weitere Person 7 weitere Person

insgesamt: ___ Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft

* 1=Deutsche/r, 2=deutsche Aussiedler, 3=Flüchtling/ Kontingentflüchtling/ Asylberechtigte, 4=EU- Ausländer, 5=sonst. Ausländer

B. Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) 4. Seit wann bezieht die BG laufende Hilfe

zum Lebensunterhalt? (ununterbrochene Bezugsdauer)

seit _____ / _____ (Monat / Jahr) 5. Handelt es sich um Erstbezug, oder wur-

de bereits früher (d.h. im Laufe der letzten 3 Jahre) HLU bezogen?

Erstbezug

bereits früherer Bezug, gesamte Bezugsdauer bis jetzt

_____ Monate

6. Beziehen ein oder mehrere Haushaltsmit-glieder neben der HLU auch:

a) Hilfe in besonderen Lebenslagen (HbL)?

nein ja wenn ja:

Welche Person bezieht welche Hilfeart?

Nr.* Hilfeart

___ _____________________ * bitte Personen-Nr. aus Frage 3 übernehmen. b) Leistungen der Erziehungshilfe

nach §§ 30 – 35a oder § 41 KJHG?

nein ja wenn ja:

Welche Person bezieht welche Hilfeart?

Nr.* Hilfeart

___ _____________________ * bitte Personen-Nr. aus Frage 3 übernehmen. 7. Erhalten ein oder mehrere Haushaltsmit-

glieder einen Mehrbedarfszuschlag?

nein ja, und zwar für: DM/ Monat

ältere Gehbehinderte ______

erwerbsunfähige Gehbehinderte ______

Schwangere ______

allein Erziehende ______

Behinderte ______

Sonstige: __________ ______ 8. Ursachen des gegenwärtigen Sozialhilfe-

bezugs (Mehrfachnennung möglich)

Arbeitslosigkeit

Trennung / Scheidung

Geburt eines Kindes

ohne eigene Wohnung

Krankheit eines Familienmitglieds

Tod eines Familienmitglieds

Überschuldung

Suchtkrankheit

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Freiheitsentzug / Haftentlassung

Andere (bitte nennen): _______________ C. Einkommensverhältnisse 9. Wie hoch ist die Summe der tatsächlichen

Einkünfte des Haushalts insgesamt? (Ein-kommen vor Abzug von Freibeträgen, ohne Hilfe zum Lebensunterhalt und Wohngeld)

in Höhe von ___________ DM / Monat

10. Welche Einkommensarten werden ange-

rechnet und in welcher Höhe? (Einkom-men nach Abzug von Freibeträgen)

kein anzurechnendes Einkommen Einkommen wird angerechnet, und zwar: Einkommensart

Haushalts-vorstand

Partner/in

weitere Personen

Nettoarbeitsentgelt Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe privater Unterhalt Rente (Alter / Unfall) Kindergeld sonstige Einkünfte: 11. In welcher tatsächlichen Höhe wird der

BG monatlich laufende HLU gewährt? (ohne einmalige Leistungen)

in Höhe von ___________ DM / Monat

12. Wie hoch sind die tatsächlichen Kosten

für Miete und Heizung?

Bruttokaltmiete: ________ DM / Monat

Heizkosten: ________ DM / Monat

Warmmiete: ________ DM / Monat 13. In welcher Höhe werden die Kosten für

Miete und Heizung anerkannt?

in voller Höhe

Kürzung der Kaltmiete um ____ DM/Monat

Grund: zu hohe Miete zu große Wohnung

Kürzung d. Heizkosten um ____ DM/Monat

Grund: Warmwasseranteil sonstiger Grund (bitte nennen):

____________________________

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14. Bezieht die Bedarfsgemeinschaft Wohn-geld?

nein ja, und zwar ______ DM/Monat

Art des besonderer Mietzuschuss Wohngelds: allgemeines Wohngeld 15. Wie hoch ist der monatliche Bruttobedarf

der Bedarfsgemeinschaft an laufender HLU?

________ DM /Monat 16. Welche einmaligen Leistungen erhielt die

BG in den letzten 12 Monaten?

keine insgesamt _____ DM darunter: DM pauschaliert

für Bekleidung _____

für Hausrat _____

für Sonstiges (bitte nennen):

________________ _____

________________ _____

________________ _____ 17. Ist ein Mitglied der BG verschuldet?

nein ja, in Höhe von DM: _____________ nicht bekannt D. Angaben zur Berufs- und Erwerbstätigkeit 18. Wie viele Personen der BG im Alter zwi-

schen 15 und 59 Jahren stehen dem Ar-beitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung? (einschließlich für Hilfe zur Arbeit)

a) uneingeschränkt stehen zur Verfügung (einschl. Berufstätige, Auszubildende; ohne Schüler, Stu-denten):

_____ Personen

b) eingeschränkt (z.B. wegen gesundheitlicher Be-einträchtigungen, häuslicher Bindung / Kinderer-ziehung, Sprachprobleme) stehen zur Verfügung: _____ Personen

c) Teilnehmer an Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit: _____ Personen

d) Schüler, Studenten, Absolventen eines Sprach-kurses usw.:

_____ Personen

e) auf absehbare Zeit nicht arbeitsfähig (wg. schwe-rer Krankheit, Behinderung etc.):

_____ Personen

Nur wenn HzA-Maßnahme: Fragen 19 – 21

19. Welche HzA-Maßnahmen sind dies? (Mehrfachnennung möglich)

§ 18 Abs. 4 BSHG: Arbeitgeberzuschuss

§ 18 Abs. 5 BSHG: Arbeitnehmerzuschuss

§ 19 Abs. 1 BSHG: Arbeitsgelegenheiten

§ 19 Abs. 2, 1. Alternative: Arbeitsentgelt

§ 19 Abs. 2, 2. Alt.: Mehraufwandsentsch.

§ 20 BSHG: Prüfung d. Arbeitsbereitschaft

sonstige Hilfe zur Arbeit (bitte nennen):

_________________________________ 20. Wurde die Maßnahme vorzeitig beendet?

kein Abbruch in _____ Fällen

Abbruch in _____ Fällen

Gründe des Abbruchs: _________________

____________________________________ 21. Wohin wurde der Teilnehmer nach Been-

digung der Maßnahme vermittelt?

allgemeiner Arbeitsmarkt ABM-Maßnahme sonstige geförderte Maßnahme nicht vermittelt: arbeitslos gemeldet nicht vermittelt, nicht arbeitslos gemeldet Sonstiges: _________________________ 22. Welche schulische und berufliche Ausbil-

dung haben die erwachsenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft? (bitte Personen-Nummer aus Frage 3 über-nehmen und Zutreffendes ankreuzen)

Schulabschluss

Nr. Nr. Nr. Nr.

noch in Schulausbildung

Hauptschulabschluss

Realschule oder gleichwertig

(Fach-) Hochschulreife/ Abi

sonstiger Schulabschluss

kein Schulabschluss

Schulabschluss unbekannt

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beruflicher Abschluss

Nr. Nr. Nr. Nr.

noch in berufl. Ausbildung

abgeschlossene Lehre

abgeschl. berufl.-schul.Ausb.

Meister, Techniker oder anderer Fachabschluss

(Fach-) Hochschulabschluss

sonstiger berufl. Abschluss

kein berufl. Abschluss

berufl. Abschluss unbekannt 23. Welche Vermittlungshemmnisse bestehen

– aus Ihrer Sicht – bei den arbeitsfähigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft? (Nennen Sie die Vermittlungshemmnisse/ Schwie-rigkeiten, die eine Arbeitsaufnahme erschweren)

____________________________________

____________________________________

____________________________________ 24. Welche Möglichkeiten der Bedarfsge-

meinschaft sehen Sie, den Hilfebezug zu überwinden? (Mehrfachnennung möglich)

zurzeit keine Möglichkeit

Arbeitsaufnahme

Ausweitung der Erwerbstätigkeit

Qualifizierung

Sprachkurs

Realisierung von Unterhaltsansprüchen

Realisierung sonst. vorrangiger Ansprüche

sonstige Möglichkeit (bitte nennen):

____________________________________ 25. Ist Ihrer Einschätzung nach eine intensive

Beratung des Hilfeempfängers erforder-lich, um sein Selbsthilfepotenzial zu akti-vieren?

ja

eventuell

nein, keine weitere Beratung erforderlich

nein, keine Aussicht auf Erfolg

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