Artikel für VICE Magazin (inoffiziell)

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FREE VOLUME 5 NUMBER 3

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Studentische Arbeit im SS 09 für das WPF Journalismus.

Transcript of Artikel für VICE Magazin (inoffiziell)

FREEVOLUME 5 NUMBER 3

INVERS

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Invers, Invers, Invers ... Ich höre immer Invers. Was

heißt denn das überhaupt? Das digitale Orakel Wikipe-

dia sagt dazu: Inversion (von lateinisch Inversio, die Umkehrung), steht allgemein für die Umkehr einer Sache.

Für ein wunderbares Hipster Magazin Namens VICE

heißt das: Invers (von VICE Invers), steht im all-gemein für zwei Interviews zu einer Person.Artist und Fan.

So und nun genug der frechen Wortspielereien.

Umblättern!

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The Bloody BeetrootsBob Rifo - Hans Dampf in allen Gassen!

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Es war Anfang der 80er Jahre als Italo-Disco auf den

Radarschirm der Öffentlichkeit rückte. Wichtige Weg-

bereiter der Szene waren Komponisten- und Produ-

zentenduos wie La Bionda und Jacques Morali/Henri

Belolo die bereits 1970 den Sound der Village People

kreirten. Synthesizer, Keyboards und Drumcomputer

waren die Grundlage dieser, für den Dancefloor ent-

worfenen, elektronischen Tanzmusik.

In jüngster Zeit rumort es wieder in Italien. Produzen-

ten wie Bob Rifo (The Bloody Beetroots), Crookers oder

Congorock haben die Mentalität wieder aufgegriffen

und pumpen ihre Interpretation von tanzbarer Musik

in unsere Gehörgänge.

Bob Rifo und Christian Buß erläutern Ihre Sicht auf die

Szene und die Bloody Beetroots .

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Lichblitze, Schweiß, wummernde Bässe und

kreischende Höhen. Zwei unscheinbare LCD

Anzeigen in Kreisform drehen sich auf den CD

Playern. Die Effektknöpfe des Mischpults blinken in

freudiger Erregung gleich loszustürmen. Mit leichten

Drehbewegungen an den Jogwheels der CD-Player, die

auf den ersten Blick an Vinylscheiben erinnern, kor-

rigiert Bob das Tempo des nächsten Songs. Die Men-

ge bebt. Die Bass Drum setzt aus. Langsam mischt

er einen Hall Effekt in die Melodie. Alles beginnt zu

verschwimmen. Die Frequenzen überlagern sich. Die

Synthesizer schreien. Hart an der Belastungsgrenze

des Gehörs. Snare Drums prasseln auf die Tanzfläche.

Stroboskopgewitter. Das Publikum fleht um Erlösung.

Bob zieht den Linefader herunter – ein kurzer Moment

der Stille – um dann beide wieder hochzureißen. Beide

Songs laufen. Gleiches Tempo, richtiges Timing.

Alle Tanzen!

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Haltet einen Moment inne – und nun stellt euch

vor die Misfits und Daft Punk zeugen Kinder ...?!

Vermutlich würden sie Masken tragen und sich

anhören wie Gitarrenriffs auf Ecstasy. Synthesizer

im Alkoholrausch – stolpernd und stürzend aber

stehts in eine Richtung rasend. Getrieben von ana-

logen Bassdrums mit maximaler Kompression. Zu

technisch für den VICE-Leser? Ok, dann nochmal:

Booom-Klatsch-Wobbel-Tick-Tick-Booom-Wobbel-

Wobbel-Klatsch. So klingen sie, die neuen Stars

am Italo-Disco/Nu-Rave Himmel. Die Bloody Bee-

troots, das sind Bob Rifo und Tommy Tea, haben

gerade ihre “Till Death Tour” hinter sich gebracht.

Australien und Neuseeland liegen in Schutt und

Asche. Mit Songs wie Cornelius oder Warp 1.9 drü-

cken sie ihr Publikum mit Sägezahn-Wellenformen

buchstäblich gegen die Wand.

Begonnen hat das alles mit Veröffentlichungen Ih-

rer Songs in bekannten Computerspielen wie FIFA

09, NBA 09 oder NFS Pro Street. Sogar die ameri-

kanische TV Serie CSI Miami profitierte von ihrem

kompromisslosen Sound. Bob Rifo, der musikali-

sche Kopf hinter dem Projekt machte sich bereits

vorher, mit Projekten wie “The Rectangles”, einen

Namen. Seine Wurzeln liegen laut eigener Aussage

im Punkrock, klassischer Musik und der Comic-

Kultur der 70er und 80er Jahre. Nicht zuletzt mit

dem Song “The Death of Cornelius (Part 1)“ beweist

er sein musiklaisches Genie. Er lenkt Vangelis, Gi-

orgio Moroder, Tangerine Dream und Ennio Morri-

cone entlang seiner Punkrock-Attitüde und schafft

so eine Ouvertüre die dem mysrteriösen Cornelius

Tribut zollt. Der Name Cornelius fällt bei Bob Rifo

häufiger. Es ist ein Ode an den britischen Science-

Fiction Autor Michael Moorcock und seinen andro-

gynen Antihelden Cornelius. In seinen Abenteuern

schlägt er sich durch die bizarren Welten eines Mul-

tiversums. Der augenscheinlichste Mythos der den

beiden anheftet ist jedoch die Maske. Spiderman

oder sein Rivale Venom?. Laut Bobby sollen sie ein

Art progressive Form der Masken sein die von den

Schauspielern der traditionellen venezianischen

Volksschauspielkunst (Commedia dell’ Arte) getra-

gen werden. Die Maske der Zanni, den unteren Be-

völkerungsschichten, diente als Vorbild. Abgesehen

davon bestätigen sie in einem Youtube-Interview,

dass Venom definitiv cooler ist als Spiderman.

Die Geschichte zeigt uns wie groß und non-kon-

formistisch künslterische Veranstaltungen wie die

Uraufführung von Stravinkski’s Frühlingsweihe im

Jahre 1913 oder die etwas aktuellere, berühmte Pu-

blic Image Limited Show im New Yorker Ritz, 1981

sein können. Sir Bob Cornelius Rifo wird durch ei-

nen ähnlich revolutionären Eifer getrieben, wenn

auch mit einer Prise mehr Partystimmung als seine

Vorgänger. Also meine Damen und Herren, die Re-

volution ist im Gange, der Eintritt ist frei und wir

sind alle eingeladen.

„Booom-Klatsch-Wobbel-Tick-Tick-Booom-Wobbel-Wobbel-Klatsch!“

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Masken tragen kennen wir ja bereits und wenn man dann noch euren Sound hört wür-den viele Leute bestimmt sagen: DAFT PUNK. Was kannst Du zu eurer Verteidigung sagen? Was haben die Masken auf sich? Scheint auch ziemlich heiß zu sein darunter ...

Definitiv heiß! Durch die Masken werden wir oft mit

Guy und Thomas von Daft Punk in Zusammenhang

gebracht, aber wir sind keine Roboter, wie sie. Wir

stammen aus den Marvel Comics und wir schmeißen

Superhelden Parties auf einem anderem Level der

Ernsthaftigkeit.

Ist es Deiner Meinung nach, als Produzent elektronischer Musik, schwieriger sich einzig-artig zu machen als in anderen Musik Genres?

Es ist sicherlich härter da man von Anfang an auf star-

ke Rythmen angewiesen ist und es erfordert einen tie-

fen kulturellen Hintergrund und und Talent um seinen

eigenen Sound zu entwickeln.

Sind Duo‘s besser als einzelne Entertainer/DJ‘s wie z.B. Boys Noize?

Zu zweit aufzutreten erlaubt uns eine gute Show zu

bieten und das ist essentiell wichtig weil wir viel Wert

auf eine gute Interaktion mit dem Publikum legen. Die

Energie der Zuschauer spiegelt den Grund warum wir

existieren.

Und warum?

Um die Leute davon abzuhalten in Pubs von Boredom

(IT) zu vergammeln.

Sind die Bloody Beetroots und Eure Mitstrei-ter die neue Ed Banger Crew? Habt Ihr was es braucht um sie vom Thron zu stoßen?

Ed Banger sind eine Familie und haben einen starken

Zusammenhalt. Das gibts so in Italien nicht aber wir

geben uns Mühe. Unser Kumpel Congorock ist das bes-

te Beispiel. Er ist der Neue auf Fools Gold Rec. und wir

haben ihn produziert. Wir arbeiten aber zum Beispiel

mit Uncle Pedro von Ed Banger zusammen.

Was habt Ihr was die nicht haben?

Die Masken und Italo-Disco!

Wen sonst, aus Italien, sollte man sich noch anschauen?

Giulia (Fucked From Above 1985) und Turbo Krapfen

sind das beste Beispiel für den Zusammenhalt zwi-

schen Mode, Grafik und Musik in der italienischen

Mannschaft, aber musikalisch dreht sich alles um Con-

gorock und Cecile.

Du hast 28 Songs in nur einem Jahr gere-mixed. Setzt Du im remixen deine Priorität?

Mein Zeil ist es einen ansteckenden Sound zu kreieren.

Sowohl meine Remixe als auch meine eigenen Produk-

tionen nähren sich aus den selben Ideen. Im Fall eines

Remixes versuche ich den Künstler uns seine Kultur zu

verstehen. Für meine eigenen Tracks grabe ich in mei-

ner eigenen Kultur. Der Fokus liegt in beiden Fällen in

den Details die es zu einem Original Bloody Beetroots

werden lassen.

Kannst Du es Dir leisten wählerisch zu sein wen Du remixed?

Auf jeden Fall! Ich kann nichts remixen was mir nicht

gefällt aber zugleich würde ich nie die Chance verpas-

sen mich in etwas einzubringen nur weil es mir auf An-

hieb nicht gefällt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Steve Aoki‘s Label DIM MAK?

Durch JFK von MSTRKRFT. Er half uns wie ein Bruder

und führte uns zusammen. Wir haben im April 2008

begonnen und die Zusammenarbeit führt uns durch

die vielen Facetten des Bloody Beetroots Projekts (live

DJing und Produktionen). Wir lieben DIM MAK weil

sie versuchen Musik zu promoten die sonst keinen Platz

fände in einem Land, das Krach verdient hat. Und sie

demonstrieren, dass dort Nachfrage besteht. Wir wis-

sen jetzt, dass es das Wert war den Ozean zu überque-

ren um unseren Sound an den Mann zu bringen.

Was können wir von eurem Album erwarten und wann kommt es denn endlich?

Es wird eine EP vor der LP geben, und es wird das erste

Kapitel einer abenteuerlichen musikalischen Reise und

erklärt einige der Verbindungen mit der italienischen

Kunst des vergangenen Jahrhunderts.

Danke Bob!

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Hi Christian! Stell‘ Dich doch bitte mal kurz vor ...

Hallo, ich heiße Christian und bin Sounddesigner und

Producer im Electro/Hip Hop aber auch eine Hälfte des

unschlagbarem DJ Teams „YESYESYO!“ (yesyesyos.

blogspot.com). Zur Zeit arbeiten wir sehr intensiv an

der ersten „YESYESYO!“ Ep und legen auf diversen

Partys auf.

Was war Deine erste selbst erworbene CD/LP?

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich im zar-

ten Alter von 12 Jahren meine ältere Schwester samt

Erspartem zum Plattenladen schickte, um mir das De-

butalbum von „2 Unlimited“ zu kaufen. Das war noch

ein Augenzwinkern vor der großen Euro-Trash-Welle

in den 90‘s.

Welche Musik Richtungen waren für Dich bis-her ausschlaggebend?

Zuerst waren da natürlich kopierte Michael Jackson

Tapes die ich rauf und runter spielte. Im Laufe der Zeit

merkte ich doch ganz klar den Einfluß von Rave/Tech-

no in meiner CD Sammlung. Als man nach und nach

immer mehr in die Materie einstieg wurde die Auswahl

schon expliziter in Form von Acid- und Hardhouse. Sa-

chen wie „Hardfloor“ begeisterten mich schnell. Dann

plötzlich der Cut und ich entdeckte den Rap/Hip Hop

und „Boom Bap“ der Neunziger für mich. Ich konnte

mir plötzlich keinen Abend ohne die üblichen Verdäch-

tigen „Enter the Wu-Tang“/ „93‘ til infinty“ / „Funcrus-

her Plus“ ... vorstelllen. Heute ist mir so ziemlich alles

Recht, es muss mich nur irgendwie anfixen. Ob Fender,

Punchline oder LFO, spielt für mich keine Rolle mehr.

Was führte Dich auf Bob Rifo‘s Fährte?

Als alter „X-Box Zocker“ und Fuflball-Liebhaber habe

ich auf FIFA 09 das erste Mal Bekanntschaft machen

dürfen. Der Track „Butter“ von den Bloodys zog mir

zu diesem Zeitpunkt die Schuhe aus. Das Tempo, die

Synths, die Strukturdes Songs war für mich einfach nur

Abriss!!! Das meine ich mit „Anfixen“.

Bob Rifo war oder ist Punkrocker, Congorock hat gerade erst ein Punkrock Mixtape mit Namen „The Furious Years“ veröffentlicht. Glaubst Du, dass es charakteristisch ist für deren Fans ist Punk zu sein?

Wer jemals die Beetroots live auflegen gesehen hat,

weiß, dass eine fundierte Pogo-Ausbildung ganz klar

von Vorteil ist. Und da sind Punks nun mal mit Ab-

stand (neben dem Saufen und Schnorren) am besten

ausgebildet. In diesem Fall würde ich dir zustimmen.

Aber ich denke, dass die Tracks in jedem der Zuhörer

die geistige Abrissbirne weckt und so entsteht ein

Kollektiv von Szeneleuten die gemeinsam auf dem

„Hoover“ der Beetroots surfen.

Was macht für Dich den Sound der Bloody Beetroots so speziell?

Ganz klar die Tiefe und die Verwendung von Altbe-

währtem. Analog Sounds, Analog Drums, und die

„Heavy Compression“der einzelen Beats sind unver-

kennbar. Ich mag den Hang zu klassischen Instru-

menten und die dadurch erzeugte Stimmung in Rifo‘s

Produktionen. Der Faktor Offenheit in Bezug auf

Genretypischen Sounds spielt da meiner Meinung nach

eine grofle Rolle. Es ist aber nicht nur der Sound, der die

Bloodys so speziell macht. Das Gesamtkonzept“Mucke

+ Masken = Party“ ist, wie schon vorher oft bewiesen,

das reizvolle an dem Projekt.

Gilt Bob Rifo‘s Aussage, dass Musik, Grafik und Mode in Italien unzertrennlich sind auch für den Rest der Welt?

Ich denke das wenn man die Bühnen dieser Welt be-

tritt, unabhängig in welcher Kunst, braucht man ein

stimmiges Konzept. Modeshows ohne Audiovisuelle

Elemente funktionieren nicht. Musiker ohne Mode-

trends oder Artdesign gehen oftmals in der Masse un-

ter. Grafik die ohne Background entsteht hat oftmals

was Totes an sich. Alles in Allem hängen die Dinge

schon sehr stark voneinander ab, aber ich denke es wird

immer die ein oder andrere Ausnahme geben, die uns

des Besseren belehrt.

Welche Produzenten würdest Du unseren Le-sern außer den Bloody Beetroots noch emp-fehlen?

Da gibt es sehr viele Sachen die ich zur Zeit ticke. „G-

tronic“ oder „Huoratron“ find ich propper. „Cool Kids“

und „Huss&Hodn“ mischen den Rap auf, endlich!!! An-

sonsten feier ich viel „Dirty Disco Youth“ aus Wien oder

„Pro 7“ aus Toulouse.

Was wäre dein Traum Line Up?

Oh, kompliziert... Ich denke „Wu-Tang-Clan“ (mit dem

Herz von Früher) zusammen mit „Daft Punk“ den „Be-

astie Boys“ und eine „Westbam/Boys Noize“ Kollabo

fänd‘ ich nett. Dazu noch ne Prise Independent Kram

a la „Does it offend you, Yeah!?“ und „Herve`“ und als

Host“El-P“ von „Company Flow“. Die anschließende

Aftershow Party natürlich mit „YESYESYO!“ an den

Tellern. Fertig!

Danke Christian!

„Das Tempo, die Synths, die Struktur des Songs war für mich einfach nur Abriss!!!“

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