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„schneller-höher-stärker“ - und was dann? Sportkarrieren als Leerzeiten? In der Wirtschaft zählen Praxis und Ausbildung! M A S T E R T H E S I S Zur Erlangung des akademischen Grades „MTD“ (Master of Training and Development) Im Rahmen des Universitätslehrganges für Executive Master in Training and Development an der University of Salzburg Business School Eingereicht bei Herrn Ao.Univ.--Prof. Dr. Wolfgang Pichler von Christine Helene Seemann Salzburg, am 26.5.2011

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„schneller-höher-stärker“ - und was dann?

Sportkarrieren als Leerzeiten? In der Wirtschaft zählen Praxis und Ausbildung!

M A S T E R T H E S I S

Zur Erlangung des akademischen Grades

„MTD“ (Master of Training and Development)

Im Rahmen des Universitätslehrganges für Executive Master in Training and Development

an derUniversity of Salzburg Business School

Eingereicht bei HerrnAo.Univ.--Prof. Dr. Wolfgang Pichler

vonChristine Helene Seemann

Salzburg, am 26.5.2011

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VorwortMein Entschluss zum Absolvieren dieses Masterlehrgangs erfolgte spontan und unge-

plant. Nicht, dass ich mir eine weitere berufliche Qualifikation nicht schon vorher überlegt

hätte. Seit dem Abschluss meiner letzten Ausbildung im Jahr 2002 ging ich mit der Idee

schwanger, den Master für Supervision/Coaching (Msc), den Master für Mediation (Master

of Arts) oder doch den FH-Abschluss der Sozialarbeit anzugehen. Im Frühjahr 2009 infor-

mierte mich meine Freundin Sabine Wohlfarth über den MTD-Lehrgang. Das „fachliche“

Feuer in mir entfachte sofort!

Ganz anders als bei der raschen Entscheidung, diesen Lehrgang zu besuchen überlegte

ich lange und intensiv worüber ich mich in der Masterthesis auseinander setzen wollte. Es

sollte ein spannendes Thema in einer Marktnische sein. Und warum nicht auf eigene be-

rufliche Erfahrungen zurückgreifen? In den vergangenen sechs Jahren widmete ich einen

großen Teil Berufstätigkeit der nachsportlichen Betreuung von Spitzensportler/innen. Nach

einem motivierenden Gespräch mit Prof. Wolfgang Mayrhofer von der interdisziplinären

Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management (IVM) der WU-Wien im

Herbst 2010 reifte die Entscheidung zur vorliegenden Arbeit. Die WU-Wien erforschte

2005 in einer Studie berufsrelevante Kompetenzprofile von Sportler/innen, aber zum Ein-

stellungsverhalten von Recruiter/innen bei Bewerbungen ehemaliger Topsportler/innen

gibt es noch keine Untersuchungen. Hier sehe ich (m)eine Marktnische und konzentriere

mich in der Arbeit auf dieses Thema. Sportpersönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit ste-

hen, bieten der Entstehung und Verfestigung von Klischees und Vorurteilen eine hervorra-

gende Bühne. Aus diesem Grund gehe ich inhaltlich immer wieder auf Stereotype, deren

Entstehung und Verfestigung ein. Sie stellen beim Rekrutieren einen wichtigen Einfluss-

faktor dar.

Ich bedanke mich bei meinen Interviewpartner/innen aus der Salzburger Wirtschaft Wal-

ter Novotny - Porsche Holding GmbH, Markus Macha - SPAR Österreichische Warenhan-

dels-AG, Dietmar Winkler - Hogast-Gastronomie, Nadja Oberascher - MIELE GmbH, Hei-

di Deutsch - Fahnen-Gärntner GmbH, Nicole Steger - IKEA Möbelvertrieb OHG, Elisabeth

Frey - Autohaus Frey, Robert Seebacher - Flughafen Salzburg und Christa Kramser - Or-

derman GmbH und aus dem Sport Silvia Berger, Katharina Gutensohn (beide Ski-Alpin),

Lucie Rothauer (Orientierungslauf), Bärbel Jungmeier (Mountainbiken), Andy Dittert

(Handball), Elke Wölfling (Leichtathletik), Marion Reiff (Turmspringen), Felix Gottwald

(Ski-Nordisch), Gitti Köck (Snowboard), Bernhard Strauß (Beach-Volleyball), Birgit Neu-

wirth (Rudern/Radsport), Christoph Stangl, Gernot Wenzel (beide Judo), Gernot Sick

(Fußball), Bernhard Presslmayer (Tischtennis), Dieter Krassnig (Snowboard) und Astrid

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Vierthaler (Ski-Alpin). Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Die Interviews

sind die „Würze“ in der Buchstabensuppe und bilden die Grundlage meiner Ergebnisse

und Erkenntnisse!

Ein besonderer Dank gilt auch Prof. Wolfgang Pichler von der SMBS – Lehrgangsleiter

des MTD – für die engagierte Betreuung der Masterthesis. Sein kritisches Hinterfragen

der Hypothesenbildung war wichtig, um das Thema nicht ausufern zu lassen und einen

roten Faden finden zu können.

Christine Helene Seemann

Anmerkung zur Textgestaltung: Ich verwende für Geschlechts- und Doppelbezeichnungen im-

mer einen Schrägstrich und hoffe die Lesbarkeit des Textes damit nicht zu stören.

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Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG..................................................................................................................6 2 „Es lebe der Sport. Er ist gesund und macht uns hart!“ ..................................................8

2.1 Stereotype, Vorurteile und Klischees ......................................................................8 2.2 Die Öffentlichkeit und ihre Auswirkung auf den Sport..............................................9 2.3 Sportmedien als Überträger von Klischees...........................................................10 2.4 Kritische Auseinandersetzung mit Sportklischees..................................................11 2.5 Wie geht die Wirtschaft mit Stereotypen um?........................................................12 2.6 Sport und gesellschaftliche Stereotypen - „Sport hinkt der Gesellschaft 50 Jahre nach!“...........................................................................................................................13

3 Lebenswelten von aktiven Sportler/innen.....................................................................15 3.1 Das Umfeld während der aktiven Phase...............................................................15 3.2 „Die brauchen eh nix arbeiten und hoben eh scho ausgsorgt!“.............................16 3.3 Die Aufgaben des/r Trainers/in im Sport................................................................17 3.4 Föderalismus im Sport: Fluch oder Segen?..........................................................18 3.5 Materielle und immaterielle Förderungen im Sport................................................20 3.6 Erfolg um jeden Preis?..........................................................................................21

4 Die Übergangsphase: Tausche Sport mit Wirtschaft!....................................................22 4.1 Psychosoziale Sichtweise.....................................................................................22 4.2 Bestehende Angebote und Institutionen zur Unterstützung ..................................23 4.3 Die Vorbereitung zur Übergangsphase.................................................................24 4.4 Wer unterstützt Sportler/innen in dieser Lebensphase?........................................25 4.5 Blick über den Tellerrand.......................................................................................27 4.6 Fallbeispiele aus der Praxis..................................................................................28 4.7 Kriterien für einen erfolgreichen Übergang............................................................28 4.8 Die psychologische Sichtweise dieser Lebensphase............................................29 4.9 Berufsrelevante Kompetenzen von Sportler/innen................................................30

5 Die Zeit „danach“ - ….was wurde aus?.........................................................................32 5.1 Meine persönlichen Erfahrungen aus dem Coaching ...........................................32 5.2 Zwei Biografien von Sportler/innen........................................................................33 5.3 Statistische Daten der Betreuung von Ex-Sportler/innen.......................................34 5.4 Eingliederung in das Erwerbsleben.......................................................................35

6 ….und was dann? Recruitingverfahren in der Wirtschaft..............................................36 6.1 Definition von Recruiting.......................................................................................36 6.2 Berufsbilder und Tätigkeitsfelder von Recruiter/innen und HR-Manager/innen.....37 6.3 Entsprechen Sportler/innen den Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes ?.39

7 Das Recruitingmodell Seemann...................................................................................39 7.1 Allgemein: Das Modell ..........................................................................................40 7.2 Im Zentrum des Verfahrens steht der/die HR-Manager/in.....................................41 7.3 Einflussfaktor Öffentlichkeit ..................................................................................41 7.4 Einflussfaktor Unternehmensstruktur und - kultur .................................................42 7.5 Recruiting aus Sicht des/der Sportlers/in...............................................................43 7.6 Die Persönlichkeit des/r HR-Manager/in................................................................45 7.7 Die Zusammenhänge und ihre Auswirkungen.......................................................46 7.8 Optimierungsmöglichkeiten zum erfolgreichen Rekrutieren von Sportler/innen.....47

8 Schlussfolgerung aus der Theorie................................................................................50 8.1 Sind Sportler/innen wünschenswerte Mitarbeiter/innen?.......................................50 8.2 Richtiges Matching ist der halbe Job!....................................................................50 8.3 Erkenntnisse aus der Theorie – Jobcoaching für Sportler/innen...........................53

9 Empirischer Teil - Methodisches Vorgehen ..................................................................54 9.1 Triangulation zweier Methoden..............................................................................54 9.2 Hypothesen...........................................................................................................54

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9.2.1 Hypothese I – Je prominenter der/die Sportler/in ist, desto leichter kommt es zu einem Bewerbungsgespräch!.............................................................................55 9.2.2 Hypothese II – Für (erfolgs)verwöhnte Athleten/innen ist der Umstieg schwieriger als für weniger erfolgreiche!..................................................................55 9.2.3 Hypothese III – Mit professioneller individueller Förderung gelingt die berufliche Integration leichter!..................................................................................55 9.2.4 Hypothese IV – Recruiter/innen brauchen qualifiziertes Personal mit Praxis! Die Sportzeit wird nicht als Berufspraxis bewertet!..................................................55

10 Interviews mit Recruiter/innen aus Salzburger Unternehmen.....................................56 10.1 Auswahl der Interviewpartner/innen...................................................................56

10.1.1 Kontaktaufnahme.........................................................................................56 10.1.2 Unternehmensgröße und Branche...............................................................56 10.1.3 Anzahl der Interviews...................................................................................56 10.1.4 Genderperspektive......................................................................................57

10.2 Inhalte der Fragebögen.......................................................................................57 10.3 Berufsbezeichnungen der Interviewpartner/innen...............................................57 10.4 Zeitlicher Aufwand der Interviews........................................................................57 10.5 Statements von HR-Manager/innen....................................................................57 10.6 Auswertungen der Leitfadeninterviews mit HR-Manager/innen ..........................58 10.7 Auswertungen und Analyse der Meinungsfragen an HR-Manager/innen.............72

11 Email-Umfrage unter Sportler/innen...........................................................................77 11.1 Auswahl der interviewten Sportler/innen..............................................................77

11.1.1 Anzahl und Rücklaufquote der Interviews....................................................77 11.1.2 Genderperspektive.......................................................................................77 11.1.3 Form des schriftlichen Interviews.................................................................78

11.2 Rückmeldungen .................................................................................................78 11.2.1 Rücklaufquote bei aktiven Sportler/innen ....................................................78 11.2.2 Besonderheiten bei der Beantwortung der Fragen......................................78

11.3 Statements von Sportler/innen............................................................................79 11.4 Allgemeine Reaktionen........................................................................................80 11.5 Auswertung und Analyse der Befragung von Sportler/innen................................80

12 Hypothesenüberprüfung.............................................................................................84 13 Zusammenfassung.....................................................................................................87 14 Handlungsempfehlungen ...........................................................................................88

14.1 Empfehlungen an die Wirtschaft .........................................................................89 14.2 Empfehlungen an die (Sport)Politik ....................................................................90 14.3 Empfehlungen an die Sportler/innen...................................................................91

Literaturverzeichnis...........................................................................................................93

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1 EINLEITUNGMit den Ergebnissen der Masterthesis beabsichtige ich auf ein wirtschafts- und sportpoliti-

sches Themenfeld aufmerksam zu machen, das bis dato noch kaum untersucht und öf-

fentlich diskutiert wurde. Mit den aus den Ergebnissen und Erkenntnissen der Arbeit resul-

tierenden Handlungsempfehlungen möchte ich einen konstruktiven Beitrag zur Umset-

zung positiver Synergien zwischen Sport und Wirtschaft leisten. Es hätte den Rahmen

dieser Arbeit gesprengt, die Unterschiede zwischen dem Profit-Bereich, dem Non-Profit-

Bereich und dem öffentlichen Dienst in Bezug auf das Recruiting- und Einstellungsverhal-

ten zu vergleichen. Vorliegende Daten und Ergebnisse betreffen ausschließlich Wirt-

schaftsunternehmen.

Sport und Wirtschaft haben vieles gemeinsam. Erfolgreiche ehemalige Sportler – selten

Sportlerinnen – werden gerne als Keynote-Speaker für Wirtschaftsveranstaltungen ange-

fragt. Aber wie reagieren Recruiter/innen auf die Frage: „Ist Hermann Maier Ihr persönli-

cher Wunschkandidat für die freie Stelle im Unternehmen?“. Verändert sich die Einstel-

lung der Wirtschaft, sobald es um einen konkreten Arbeitsplatz und um eine konkrete Per-

son geht? Wie stark beeinflussen Vorurteile Entscheidungsprozesse im Personalbereich

allgemein und gegenüber Sportler/innen im Besonderen? Mich interessiert der Zusam-

menhang zwischen medial wirksamen gemeinsamen Veranstaltungen von Sport und Wirt-

schaft und der tatsächlichen Unterstützung von Sportler/innen bei der Jobsuche. Werden

Werbeträger aus dem Sport zugleich von der Wirtschaft als potenzielle Mitarbeiter gese-

hen? Und kann die Sportkarriere die Ausbildungs- und Lehrzeit oder Berufserfahrung er-

setzen? Diese Fragen stellen den Hintergrund meiner Interviews, die methodisch mit fo-

kussierten Einzelinterviews bei den HR-Manager/innen und mit einer Emailumfrage bei

den Sportler/innen durchgeführt wurden.

Sport, Wirtschaft und Politik sind in Österreich stark verknüpfte Gesellschaftsbereiche, die

während aktiver Sportkarrieren durch Werbung, mediale Aufmerksamkeit, gesellschaftli-

che Anlässe und vieles mehr demonstriert werden. Aber was geschieht nach einer erfolg-

reichen Sportkarriere? Und was geschieht mit den vielen Jugendlichen und jungen Er-

wachsenen, die für den Sport ihre Schul- und Berufslaufbahn vernachlässigt haben und

weder prominent noch erfolgreich wurden?

Im Jahr 2004 startete ich gemeinsam mit Mag. Sabine Seidl in Wien ein Frauensportpro-

jekt, in welchem wir uns 18 Monate lang mit 25 Sportlerinnen zum Thema der nachsportli-

chen Laufbahn beschäftigten. Anschließend gelang es im Jahr 2006 gemeinsam mit Ro-

switha Stadlober das Projekt KA:DA (Karriere Danach) zu gründen. Das AMS Österreich

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förderte diese Beratungs- und Betreuungseinrichtung zu 100%. Daraus folgend gründete

sich im Jahr 2010 der Verein KADA.

Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für die Masterthesis wurde mir bewusst, dass auch

meine persönliche Lebensgeschichte teil der Thematik ist. Ich stamme aus einer sportli-

chen Familie und bin seit meiner Kindheit selbst mit dem Sport eng verbunden. Mein Va-

ter startete Ende der 50-ziger Jahre seine Fußballkarriere bei der Vienna und wechselte

1961 zu Austria Salzburg. Er verdiente sein Geld als Profi. Nach Beendigung der Profikar-

riere kehrte er wie viele andere in seinen erlernten Beruf zurück und hatte Glück, dass

dieser am Arbeitsmarkt gefragt war. Dieser „familiäre“ Zugang begründet mein persönli-

ches Interesse an diesem Thema. Meine Schwester und ich waren in unserer Sportlauf-

bahn nicht gefährdet, dem professionellen Sport zu "verfallen". Als Geräteturnerinnen und

Gymnastinnen lässt sich kein Geld verdienen und so war es für uns klar, dass wir nach

der Matura am Sport-BORG (Gymnasium) einen Beruf erlernten. Meine Schwester den

der diplomierte Physiotherapeutin und mittlerweile Psychologin und ich den der diplomier-

ten Sozialarbeiterin, Mediatorin und Supervisorin. Mit meinem Berufseinstieg startete ich

mit einer ehrenamtlichen (Sport)Karriere als Funktionärin und war jahrelang Bundesju-

gendleiterin und Frauenreferentin in diversen Gremien und Arbeitskreisen. Heute bin ich

Mitglied einer Arbeitsgruppe im Europarat und vertrete dort Österreich als Expertin für

Gender Mainstreaming im Sport.

Mit der Erstellung und der Auseinandersetzung der hypothetischen Fragestellungen kon-

zentriere ich mich auf die Ist und Soll-Situation von jobsuchenden Spitzensportler/innen.

Außerdem beschäftigte ich mich intensiver mit dem Einstellungsverhalten und den von

der Öffentlichkeit geprägten Stereotypen von Recruiter/innen. Aus den Ergebnissen resul-

tieren Handlungsempfehlungen, die eine Verbesserung der arbeitsmarktpolitischen Situa-

tion ehemaliger Topsportler/innen zum Ziel haben.

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THEORETISCHER TEIL

2 „Es lebe der Sport. Er ist gesund und macht uns hart!“ Die Grundlage für eine gutes Verständnis der Thematik dieser Masterthesis ist die persön-

liche Auseinandersetzung mit vorhandenen Vorurteilen, die den Sport, die einzelnen

Sportarten und/oder Sportpersönlichkeit betreffen. Aus diesem Grund beginne ich mit der

Definition der in weiterer Folge öfter verwendeten Begriffe Stereotype, Vorurteile und Kli-

schees. Beeinflusst werden diese von den Medien, der Wirtschaft, der Gesellschaft und

entstehen aus dem Sport selbst. Ich beleuchte diese Aspekte in den einzelnen Kapiteln.

Eine kritische Auseinandersetzung mit der berufsbezogenen Ist-Situation von Sportler/in-

nen stellt die Basis der Hypothesenbildung für den empirischen Teil dar.

2.1 Stereotype, Vorurteile und Klischees Der Begriff „Dertyp" (abgeleitet vom Adjektiv stereotype; von griech. στερεός, stereós

„fest, hart, haltbar, räumlich“ und τύπος, týpos „-artig“) tritt in verschiedenen Zusammen-

hängen mit unterschiedlicher Bedeutung auf. Allen Bedeutungen ist gemeinsam, dass ein

gleichbleibendes oder häufig vorkommendes Muster bezeichnet werden soll. Ein Stereo-typ kann als eine eingängige Zusammenfassung von Eigenschaften oder Verhaltenswei-

sen aufgefasst werden, die häufig einen hohen Wiedererkennungswert hat, dabei aber in

aller Regel für sich genommen den gemeinten Sachverhalt sehr vereinfacht. Somit steht

es in engem Bedeutungszusammenhang zum Klischee oder Vorurteil. (Quelle: Wikipedia)

In der Stereotypenforschung ist man sich weitgehend einig, was die Merkmale von Ste-

reotypen anbelangt. Der Gegenstand von Stereotypen sind bestimmte Gruppen von Men-

schen, zweitrangig auch die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen. Ein Individuum

lernt Stereotype als Ausdruck der öffentlichen Meinung durch die Erziehung der Familie

oder des Milieus, unabhängig von seiner persönlichen Erfahrung. Der Bezug auf die wer-

tende Funktion des Stereotyps ist immer emotional geladen (positiv oder negativ). Ver-

nünftige Argumente zeigen kaum Wirkung.

Vorurteile - Der Sozialphilosoph Max Horkheimer beschreibt mit zwei Sätzen seine Sicht-

weise von Vorurteilen. „Das negative Vorurteile ist mit dem positiven eins. Sie sind zwei

Seiten einer Sache“ und meint damit, dass Vorurteile in der Umgangssprache meist nega-

tiv bewertet werden. (Horkheim, 1963) [HOR0] Im ursprünglichen semantischen Sinn ist

ein Vorurteil ein vorläufiges Zwischenergebnis während der Entwicklung eines Urteils. Ein

Vorurteil hat häufig den stereotypen Charakter eines Klischees. Meist ist es generalisie-

rend, d.h. es bezieht sich nicht auf den Einzelfall (z.B. „alle Sportler/innen“). Vorurteile be-

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gleiten uns ein ganzes Leben lang und sind – positiv gesehen - wichtige Reflexionsmög-

lichkeiten, um auf die eigenen „blinden Flecken“ hinzuschauen. Menschliches Verhalten

ohne Vorurteile ist nicht möglich, so Horckheim. Sich mit seinen eigenen Vorurteilen kon-

struktiv auseinanderzusetzen, deutet hingegen auf eine Persönlichkeit mit hoher sozialer

Kompetenz und Reflexionsfähigkeit hin.

Dietrich Schramm, Senior Vice President der internationalen Unternehmensberatung Hay

Group wird am 26./27.3.2011 im „Der Standard“ folgend zitiert. „Wo das Vertrauen stirbt,

beginnen die Vorurteile“ und er bezieht sich dabei auf Führungskräfte, denen in Zeiten der

Wirtschaftskrise oft das Vertrauen gegenüber ihren Mitarbeiter/innen abgesprochen wird.

In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit Führungskräfte und Mitarbeiter/innen

aus den Personalabteilungen, deren „Sich-Bewusstsein“ von Vorurteilen wesentlichen

Einfluss auf die Personalaufnahme und -entwicklung haben.

Klischees: ...ist eine überkommene Vorstellung oder ein eingefahrenes Denkschema,

eine abgedroschene Redensart oder vorgeprägte Ausdrucksweise, das sich auf eine ent-

weder regelhaft wiedererkennbare oder äquivalent dazu häufig zugeschriebene gemein-

same Eigenschaft einer Menge von Personen, Objekten etc. bezieht und auf welches das

Klischee damit angewendet werden kann. Das Wort „Klischee“ wird häufig synonym zu

„Vorurteil“ oder „Stereotyp“ verwendet. Das Klischee steht dem Begriff des Stereotyps in

der Literaturwissenschaft aber ohne Zweifel nahe und überschneidet sich mit ihm mindes-

tens in den Aspekten generalisierend, vereinfachend und nicht notwendigerweise mit der

Wirklichkeit übereinstimmend. (Quelle Wikipedia)

2.2 Die Öffentlichkeit und ihre Auswirkung auf den SportÖsterreich ist ein Sportland! Ja – dazu bekennen wir uns. Wir wissen über die wirtschaftli-

chen Auswirkungen von Großveranstaltungen Beschied, füllen Zeitschriften und Tageszei-

tungen mit mehr oder weniger (r)wichtigen Sportergebnissen und bezeichnen den Sport

gerne als „die wichtigste Nebensache der Welt“.

„Wird die Gesellschaft belogen, lässt sie sich belügen oder ist sie selbst verlogen?“ fragt

sich Michael Jahn und meint damit im Speziellen den Umgang der Gesellschaft mit Do-

pingvorwürfen gegen Sportler/innen und Vertreter von Sportverbänden. „Wenn man dem

Gedanken folgt, dass die Öffentlichkeit nichts von den Dopingproblemen (bei aktiven

Sportler/innen – Anm.) weiß, nicht einmal wirklich erkennt „was da los ist“, so kann man

den Eindruck stehen lassen, das die Öffentlichkeit belogen wird! …...Am Beispiel Bern-

hard Kohl haben sich sofort Politiker, Funktionäre, Sportjournalisten „in die Sonne des Er-

folgs“ von Kohl gestellt, aber nach dessen Fall sich genauso schnell wieder mit „gerümpf-

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ter Nase“ zurückgezogen, um nicht „angepatzt“ zu werden“. (Jahn,2010) [JAH0] Diese ge-

spaltene beinahe paranoid-schizoide Position, welche Politik und Medien hier einnehmen

wirkt sich auf die Sichtweisen der Gesellschaft aus und fördert die Entstehung von Kli-

schees.

Wir Österreicher/innen sind Jahr für Jahr mit den Helden/innen des (Ski)Sports konfron-

tiert. Hier zählen Siege und Rekorde ganz im Sinne des Titels meiner Arbeit. Ist aber ein/e

Sportler/in nicht in entsprechender Form und/oder gar verletzt, vergessen wir deren Na-

men schnell. Oder sagt Ihnen der Name Silvia Berger noch etwas? Stellvertretend für vie-

le TV-Zuseher/innen leben „unsere“ Sportler/innen den Gefahrenkitzel (im Rennsport, Ski-

Alpin und bei Extremsportarten) aus, erstaunen uns mit Emotion-zeigenden Männern

(Fußballer nach Torerfolg!) und dienen damit dem kollektiven Unbewussten und dem Nar-

zissmus der Nation. Sie erfüllen hier gesellschaftliche Aufgaben, die in keinem Gesetz be-

schrieben sind, machen dies zum Teil aus eigenen narzisstischen Gründen, aber befriedi-

gen auch die Bedürfnisse der Allgemeinheit. Eine durchaus gewollte Wechselwirkung für

beide Seiten.

2.3 Sportmedien als Überträger von KlischeesMedien spielen im Sport bei der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen eine wichti-

ge Rolle. Nicht nur die Art der Berichterstattung, sondern auch das Verhalten einzelnen

Sportler/innen vermitteln uns ein Verhalten, das „wir“ dann gerne verallgemeinern. Erin-

nern Sie sich an inhaltlich und rhetorisch herausfordernden Interviews mit prominenten

Fußballern der vergangenen Jahre? Daraus entstand das hartnäckige Vorurteil „kein Fuß-

baller kann einen grammatikalisch richtigen Satz sprechen“. Welche Chance hat jemand

am Arbeitsmarkt, dem dieser Ruf vorauseilt?

Sportmoderatoren – Frauen sind hier kaum vertreten – prägen die Sprache des Sports.

Sie vermitteln uns die Helden/innen am Bildschirm so nahe, dass wir beinahe glauben,

auch mit „dem Hermann“ oder „der Meisi“ per Du zu sein. Distanzlosigkeit und unpassen-

de sowie unreflektierte Statements prägen die Sportberichterstattung. Sportmoderator

Erich Weiß verwendet für seine Sportmoderation vor allem Elemente wie Übertreibungen

und -betonungen, bildhaft-plastische Ausdrücke und Redewendungen, fremdsprachliche

Begriffe, eine sogenannte „Verbrüderung“ mit den Skispringern („Duzen“), martialische

Sprachwendungen, „Ein-Wort-Sätze“ sowie sprachliche Entlehnungen aus dem Theater-

und Bühnenjargon. (Dimitriou/Lidicky, 2008) [DIM0]

Die ORF-Sportredakteurin Gabriela Jahn schreibt in einem Aufsatz: „Geht man davon

aus, dass es stimmt, dass die Medien die Welt, in der wir leben, spiegeln, dass Medien-

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leute nur das wiedergeben, was sich tagtäglich abspielt, dann ist der Vorwurf, sie agierten

möglicherweise zu sehr im eigenen Interesse, nur bedingt verständlich. Auch der Sport ist

ein Spiegelbild jener Gesellschaft, in der er stattfindet.... Unsere Gesellschaft verlangt

auch heute noch Helden und Idole....“ (Jahn 2010, S.136-144) Diese Gedanken und Zei-

len lassen eine wechselseitige Abhängigkeit von Gesellschaft und (Sport)Redakteur/in er-

kennen. Wo befinden sich die ethischen Grenzen in der Berichterstattung? Hier spielt vor

allem die Persönlichkeit des/r Moderators/in eine große Rolle. Führungskräfte, die in den

Sportmedien Personalentscheidungen treffen, haben eine große Verantwortung betreffend

ihrer Leser- und Hörerschaft.

Dem ORF gelang es Ende Jänner 2011 in der Sendung "Im Zentrum" mit Ingrid Thurnher

durch einen kurzen Filmbeitrag verfestigte Stereotypen – meiner Meinung nach unreflek-

tiert und schlecht recherchiert – dem Publikum zu vermitteln. Nach dem Sturz von Hans

Grugger und seinen lebensgefährlichen Verletzungen diskutierten prominente Vertreter

des Sports miteinander. In einer 3-minütige Reportage analysierte man drei „typische“

Sportpersönlichkeiten nämlich Tiger Woods, Hermann Maier und Ronaldo. Für die Zuse-

her/innen wird der Eindruck vermittelt, das diese drei Personen „den Sportler“ darstellen.

Es wurde der Öffentlichkeit gezeigt, dass Sportler Unmengen an Geld verdienen, erfolg-

reich sind und „eh schon ausgsorgt haben“. Diese Bild prägt sich fest in die Gehirne ein

und es verwundert nicht, dass ich in Interviews mit HR-Manager/innen mehrmals gefragt

wurde, warum sich Sportler/innen bei Unternehmen bewerben, wenn sie doch finanziell

abgesichert sind. Ganz nach dem Motto: „Die verdienen so viel Geld, warum nehmen die

noch anderen die Arbeitsplätze weg?“.

2.4 Kritische Auseinandersetzung mit SportklischeesEine kritische Auseinandersetzung bedingt immer Mut. Sich gegen eine allgemeine Mei-

nungen zu stellen, fordert ein gewisses Ausmaß an Masochismus. Man stellt sich damit

selbst ins Eck und wartet auf Attacken, die von Vertreter/innen der „allgemeinen“ Meinung

kommen oder man stellt sich selbstbewusst hinter bzw. vor seine Meinung und begründet

diese. Sport polarisiert auf vielen Ebenen! Es gibt Sieger oder Verlierer, Gut oder Böse,

man ist „drinnen“ oder „draußen“. Dazwischen zählt wenig. „Bist du dafür oder dagegen?“,

hörte ich oft vor Abstimmungen, als ich noch Präsidiumsmitglied eines Sportverbandes

war. Konstruktive kontroverse Diskussionen fanden nicht statt! Österreichs Sport braucht

mehr unabhängige Freidenker! Toni Innauer ist als solcher bekannt und schafft(e) es als

einer der wenigen trotz seiner kritischen Aussagen, Gehör innerhalb des Sports zu finden.

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Wenn wir wie im Punkt 2.1. beschrieben davon ausgehen können, dass Klischees ......

„eine überkommene Vorstellung oder ein eingefahrenes Denkschema“...zugrunde liegt,

dann bedarf es einer raschen und radikalen Modernisierung unseres Sportsystems. Der-

zeit ist der klassische Sportfunktionär männlich, über 65 Jahre alt und aus dem öffentli-

chen Dienst/der Politik kommend. Ausnahmen bestätigen natürlich diese Regel! Solange

Sportvertreter/innen rauchend, übergewichtig und als machtbesessen sowie engstirnig

bekannt die VIP Tribünen bei Sportveranstaltungen schmücken, werden sich die Kli-

schees von Sportfunktionären und der Ruf des Sports in der Bevölkerung nicht verändern.

Ich wünsche mir Vorbilder innerhalb des Sports, die auf vorhandene Stereotypen einge-

hen, sie thematisieren und reflektieren. Nur dann kann es gelingen, das vorherrschende

Schwarz-Weiß Denken zu verändern. „Weg vom Heldentum“ hinein in eine bunte Welt

durchwachsen von Erfolg und Misserfolg, Sieg und Niederlage. Auch die Welt „da drau-

ßen“ im Berufsleben funktioniert so und das ist gut. Einzelne Sportler/innen haben dies

schon erkannt und in Interviews angegeben, aus Niederlagen am meisten gelernt zu ha-

ben. Der Antreiber „Sei perfekt“ wirkt nur kurzfristig und macht uns auf die Dauer nicht

ausgeglichen und glücklich!

Auch das Lügenverhalten rund um Dopingvergehen und mangelnde Fairness bei Wett-

kämpfen gehört zu klassischen Vorurteilen. Hört man sich im Freundes- und Bekannten-

kreis um, überragt das Wissen über Sportskandale weit über dem der positiven Nachrich-

ten aus dem Sport. Lediglich alle vier Jahre nimmt „man“ Olympiasieger/innen wahr und

vergisst sie schnell wieder. Wie nachhaltig sich ein Weltmeistertitel oder eine Olympiame-

daille auf den/die Sportler/in auswirkt, wurde noch nicht untersucht. Ich selbst kenne meh-

rere Betroffene, die dadurch nicht einmal einen weiteren Sponsor gewinnen konnten.

Fairness oder Fair-Play im Sport wird durch diverse Aktionen u.a. der Österreichischen

Sporthilfe als wichtiges sportpolitisches Thema transportiert. Warum aber soll die Bevölke-

rung das glauben, wenn in regelmäßigen Abständen die Lügen ehemaliger Sportler/innen

betreffend Dopingvergehen, Wettskandalen und anderen unerlaubten Mitteln aufgedeckt

werden. Aus den Ergebnissen der Masterthesis geht hervor, dass diese „Bad-news“ in

den Köpfen fest verankert sind.

2.5 Wie geht die Wirtschaft mit Stereotypen um?Stereotypes Verhalten in der Wirtschaft beeinträchtigt erfolgreiches Unternehmertum. Ge-

lingt es in einem Unternehmen nicht allgemein „gültige“ tradierte und verfestigte Meinun-

gen zu Sprach-, Kultur-, Religions- und Genderklischees bewusst zu hinterfragen, wird in-

terkulturelles Arbeiten in einer globalisierten Welt schwierig. Das Fremde darf nicht als be-

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ängstigend gesehen/erlebt werden; die Angst vor dem Unbekannten soll der Neugierde

über das Anders-Sein weichen. Gute internationale Zusammenarbeit im betriebswirt-

schaftlichen Kontext erfordert ein hohes Maß an gegenseitiger Achtung und Wertschät-

zung. Ohne diese wichtigen Werte verinnerlicht zu haben, schaffen es Manager/innen von

heute nicht, längerfristig Erfolg zu haben. Interne und externe Trainingsmaßnahmen un-

terstützen Führungskräfte dabei, sich den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Seminare für „interkulturelles Management“, „Konfliktmanagement“, Sprachkurse, Ge-

schlechterstereotypen sowie Coaching bieten hier ebenfalls gute Möglichkeiten zur Per-sönlichkeitsbildung und Reflexion von Mitarbeiter/innen. Ein Unternehmen definiert sich

über in seiner Firmenphilosophie über Wertehaltungen, die im Leitbild nachzulesen sind.

Bei Umstrukturierungs- und Change-Managementprozessen stellt die Auseinanderset-

zung mit diesen Unternehmenszielen und Wertehaltungen eine wichtige Rolle. Fehlende

Auseinandersetzung mit Klischees und Fehlbesetzungen bei Führungskräften bilden

einen guten Nährboden für neue Erscheinungen/Krankheiten wie Mobbing, Burn-Out und

Depressionen. Diese führen zu einer Erhöhung der Krankenstandtage und beeinflussen

damit den Unternehmenserfolg. Beauftrage für Personalagenden sind Schlüsselpersonen

und die Personalabteilungen die Schlüsselstellen zur Schaffung von gesunden Rahmen-

bedingungen im Umgang miteinander.

Ehemalige Sportler/innen werden aufgrund der geringen Anzahl von Unternehmen nicht

als Zielgruppe des Rekrutierens gesehen. Aus diesem Grund beschäftigt sich kaum je-

mand mit sportbezogenen Vorurteilen, Klischees und Stereotypen. Marketingfachleute ha-

ben über das Sponsoring Kontakt zu Sportler/innen und HR-Abteilung haben mit ihnen zu

tun, wenn sie sich für einen Job bewerben. Medial und in der Öffentlichkeit vermittelte po-

sitive/negative Bilder von Sportler/innen haben Einfluss auf deren Jobchancen. Gezielte

Trainingsmaßnahmen im Unternehmen könnten zur Sensibilisierung im Einstellungsver-

halten führen. Positive/negative Vorurteile können dadurch aus dem Unbewussten ins Be-

wusste geholt und genutzt werden.

2.6 Sport und gesellschaftliche Stereotypen - „Sport hinkt der Gesellschaft 50 Jahre nach!“....Dieser einleitende Satz hat mich im Jahr 1996 nachhaltig in meiner Haltung geprägt. Eine

seit kurzem im Sport tätige Soziologin beschrieb mir so ihre Erfahrungen, wenn es um die

Umsetzung von neuen Maßnahmen auf sportpolitischer Ebene ging. Und oft denke ich an

ihre Worte und fühle sie bestätigt. Sport ist das Spiegelbild der Gesellschaft. Sport ist im-

mer noch eine Männerdomäne. Sport ist die „wichtigste Nebensache der Welt“.

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Die deutsche Sportjugend präsentiert auf ihrer Homepage ein weites Spektrum an Maß-

nahmen gegen rechtsextremistische Erscheinungsformen. Unter dem Motto „Foul von

Rechtsaußen-Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde“

macht vor allem der Deutsche Fußballbund gegen Vorurteile mobil. (Deutsche Sportju-

gend, Zugriff am 10.2.2011) [DSJ0] Inhaltlich setzt sich die Sportjugend dabei mit gängi-

gen klischeehaften Vorstellungen zu ausländischen oder eingebürgerten Personengrup-

pen auseinander. Sie erarbeitet durch einen Maßnahmenpaket auf mehreren Ebenen Ver-

haltens- aber noch viel mehr Einstellungsänderungen mit jugendlichen Fußballfans. Nur

durch Selbsterkenntnis kann einer Änderung erreicht werden.

In Österreich findet man nach längeren Recherchen einige Artikel und Arbeiten. Unter an-

derem die Diplomarbeit von Thomas Stocker. Er untersuchte stereotypes Verhalten an-

lässlich der Fußball EM 2008 aus dem kommunikationswissenschaftlichen Blickwinkel

und kommt zum Ergebnis, dass nationales Bewusstsein besonders bei Fußballspielen

zwischen den beiden Ländern Deutschland und Österreich eine große Rolle spielen. (Di-

plomarbeit,2009) [STO0] Hier fließen in das Fanverhalten nicht nur die Alltagsvorurteile

der „ordentlichen“ Deutschen und der „gemütlichen“ Österreicher ein, sondern es zeigt

sich immer noch, wie wenig die Aufarbeitung des zweiten Weltkrieges in beiden Ländern

gelungen ist und die Menschen immer noch tief verfestigte wechselseitige Klischees zum

Besten gegeben werden.

Eine in Österreich wenig beachtete Rolle spielen Gender-Klischees im Sport. Frauen

nehmen innerhalb des Sportgeschehens eine klar benachteiligte Rolle ein. Die Preisgel-der bei vielen Sportveranstaltungen (Vienna City Marathon, Weltmeistertitel im Skisport,

etc.) fallen für die Athletinnen immer noch geringer aus als bei ihren männlichen Kollegen.

Frauen sind in Sportgremien massiv unterrepräsentiert und haben deshalb kaum Ein-

fluss auf Veränderungsmöglichkeiten im österreichischen Sport. Eine aktuelle Über-

sichtstabelle der Gender-Plattform in Österreich zeigt auf, dass 86% Männer und 14%

Frauen in den Führungsgremien vertreten sind. (Quelle: WOGOS 2011). Ende Mai 2011

wurde ich in meiner Funktion als Expertin im Europarat wieder darauf aufmerksam ge-

macht, dass die Gleichstellung und -behandlung von Frauen europaweit in den politischen

Gremien noch immer nicht ausreichend verankert ist. In manchen Ländern ist es Frauen

verboten, Sport zu praktizieren und die EWL (European Women Lobby) stellt fest, dass

der Sport die ausgeprägtesten Stereotypen transportiert.

Sport eignet sich aber auch im positiven Sinne zum Abbau von Vorurteilen. Nämlich

dann, wenn sich Spitzensportler/innen für Aktionen gegen Rassismus, für Religionsfrei-

heit, gegen Atomkraft oder andere Zwecke zur Verfügung stellen. Besonders in der Kri-

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minal- und Gewaltprävention oder beim Alkohol- und Drogenmissbrauch können Idole aus

dem Sport für die Jugend einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Tritt ein pro-

minenter Fußballer gegen das Rauchen auf, dann gibt es viele junge Menschen, die leich-

ter dem Gruppendruck widerstehen können.

3 Lebenswelten von aktiven Sportler/innenIm Kapitel drei wird das Leben von Sportler/innen während der aktiven Sportzeit skizziert.

Personengruppen, die im aktiven Leben eine wichtige Rolle spielen, werden genauer be-

trachtet. Fördermöglichkeiten in Österreich zeigen auf, wie die finanzielle Einbettung wäh-

rend der aktiven Zeit erfolgt. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Föderalismus im

Sport stellt die Ist-Situation in Österreich dar.

3.1 Das Umfeld während der aktiven PhaseWird ein Kind aufgrund seiner/ihrer Leistung in einen bundesweiten (National)Kader ein-

berufen, so beginnt der Lauf gegen die Zeit (physiologisch) und für die Medaillen. Was

vorher noch Spaß an der Sache war ändert sich rasch wenn es um Einberufungen zu Ju-

gend- und/oder Junior/innenmeisterschaften geht. Es beginnt für die jungen Sportler/innen

der „Ernst des (Sport)Lebens“. Spätestens ab diesem Zeitpunkt verändert sich auch deren

soziales Umfeld. Freundinnen und Freunde aus der Kindheit und der Schule werden ge-

gen Kollegen/innen und Konkurrenten/innen aus dem Sport ersetzt. Das Karussell zwi-

schen Trainer/in, Eltern, Jugendlichem und Vereinsvertreter/innen beginnt sich zu drehen.

Ist einmal ein Talent entdeckt, gibt es kaum mehr ein „Entrinnen“. „Tenniskücken“, „Turn-

flöhe“ und andere „Wunderkinder“ werden in den Himmel gelobt, bevor sie dann früher

oder später wie ein Komet untergehen. Sie werden für narzisstische Bedürfnisse von Ver-

einsfunktionär/innen, Eltern und Trainer/innen „missbraucht“ ohne überhaupt zu verste-

hen, wohin die Reise geht. Dem jugendlichen Drill entwachsen repräsentieren sie später

stolz und aus freiem Willen Österreich bei internationalen Wettkämpfen! So wurde erfolg-

reich das narzisstisches Verhalten von Erwachsenen auf die Jugendliche übertragen.

Jugendliche/r Sportler/innen führen kein vergleichbares Leben wie andere Gleichaltrige.

Durch Trainingseinheiten, Trainingslager sowie Ernährungs- und Schlafgewohnheiten sind

intensive Kontakte zu anderen Teenagern kaum möglich. Das soziale Umfeld besteht aus

den Eltern und der Sportfamilie. Die Welt dreht sich um den Sport und im Sport finden sie

ihr Auslangen und bekommen ihre Anerkennung. Reist ein österreichischer Karateka zu

einem Wettkampf nach Mexiko, ist sie dort eine berühmte Persönlichkeit. Solange sie den

Sport nicht beendet hat, fällt ihr gar nicht auf, das dies nur eine sehr einseitige Wahrneh-

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mung oder eine Schein- und Traumwelt – wie Michael Jahn es bezeichnet - ist. Tages-,

Wochen- und Jahresrhythmen sind fix vorgegeben und werden akribisch eingehalten. Im

Zentrum des gesamten Lebens stehen die Ausübung und das Training der Sportart sowie

das bestmögliche Absolvieren von Wettkämpfen. Sportler/innen sind ausschließlich von

Menschen umgeben, welche direkt mit der Ausübung ihrer Sportart zu tun haben (Mas-

seur/innen, Physiotherapeuten/innen, Trainer/innen, Ärzte/innen und anderen Sportler/in-

nen aus derselben Sportart).

Ich habe in meiner Betreuungstätigkeit immer wieder festgestellt, dass auch prominente

Sportler/innen des Sommersports ihre prominenten „Kollegen/innen“ des Wintersports

nur aus den Medien kennen. Ein Austausch oder Kontakt unter den Vertreter/innen ver-

schiedener Sportarten ist eher die Ausnahme als die Regel. „Man“ lernt sich bei Events

kennen, Gespräche werden oberflächlich geführt und echte Freundschaften gibt es kaum.

Die Ausnahme bilden die heterogen oder homogene Paare zwischen Sportler/innen. Die-

se Paare bleiben meist noch nach der Beendigung der Sportlaufbahn dem Kreise der

Sportfamilie erhalten. Ihr Freundeskreis bleibt bis auf weiteres oft ident mit dem der ehe-

maligen Sportkollegen/innen.

3.2 „Die brauchen eh nix arbeiten und hoben eh scho ausgsorgt!“Da es bis heute noch keine Untersuchung zur finanziellen Situation österreichischer

Sportler/innen gibt sind wir alle auf Einzelfälle, die an die Öffentlichkeit kommen, angewie-

sen. Hier ist natürlich „Tür und Tor“ für Spekulationen, Vorurteile und Phantasien geöffnet.

Würde man eine Untersuchung auf der Straße durchführen, wäre wohl die eindeutige

Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, Sportler/innen haben ausgesorgt und brauchen

nach Beendigung der Sportlaufbahn nicht mehr arbeiten.

Erfahrung und Praxis in der Betreuung von Sportler/innen zeigt aber das genaue Gegen-

teil auf. Von den über 250 Sportler/innen, die ich in den letzten sieben Jahren betreut

habe, war nicht ein/e Einzelne/r dabei, der/die von dem erwirtschafteten Geld aus dem

Sport sich oder die Familie auf Dauer ernähren könnte. Auch prominente Fußballer teilen

dieses Schicksal, oft aber aus Gründen des mangelnden sorgsamen Umgangs mit Geld.

Sie verdienen zwar im Verhältnis zu Sportler/innen anderer Sportarten überproportional

gut, leben aber während und nach der Beendigung der Karriere auf „zu großen Fuß“. Spä-

testens bei Scheidungen prominenter Fußballer verringert sich deren Vermögen erheblich

und sie sind auf einen Arbeitsplatz angewiesen. Vorsicht: Nicht jeder ehemaliger Fußbal-

ler wird ein erfolgreicher Fußballtrainer!

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Vertreter/innen anderer Sportarten können sich glücklich schätzen, wenn sie zu den 293

(Stand 1.1.2011) Heeressportler/innen Österreichs gehören. Der größte Vorteil im Heeres-

sport ist die sozial- und pensionsrechtliche Absicherung. Die Verdienstmöglichkeit beim

Heer bewegt sich bei ca. €1.200 brutto. Diejenigen, die nicht für einen Heeresplatz in Fra-

ge kommen - das sind vor allem Sportler/innen aus Teamsportarten wie Handball, Basket-

ball oder Volleyball - sind entweder im Sportverein angestellt oder gezwungen einer (Teil-

zeit)Arbeit oder einem (Alibi)Studium nachzugehen, um Versicherungszeiten zu sammeln.

Skihelden/innen stellen bei dieser Betrachtung eine eigene Gruppe dar. Ein Jahresein-

kommen von kolportierten €40 Mio. von Hermann Maier lässt uns natürlich glauben, es

gehe allen im Skisport so gut. Spricht man aber mit anderen weniger prominenten Ski-

sportler/innen aus dem Nationalteam sieht die Realität ganz anders aus. Skisportler/innen

gelten beim ÖSV als Selbstständige und erhalten ihren Leistungen entsprechende Hono-

rare, die sie selbst versteuern müssen.

Ein Beispiel dem Damen-Abfahrtslauf: Ende Februar 2009 gab eine Skirennläuferin ihren

Rücktritt bekannt. Aufgrund von mehreren Verletzungen brachte sie keine guten Leistun-

gen und beendete die Saison frühzeitig, um sich ihrem Studium (2.Semester Wirtschaft)

zu widmen. Sie musste am Tag nach ihrem Rücktritt das Auto an den ÖSV zurückgeben

und war von einem Tag auf den anderen nicht mehr mobil. Ihr Lebenspartner (selbst Ski-

rennläufer) wohnte in einem anderen Bundesland, ihre Eltern auch. Da sie als Skirennläu-

ferin selbstständig tätig war, konnte sie weder ein Arbeitslosengeld noch ein Stipendium

beziehen. Von ihrem „Kopfsponsor“ erhielt sie nach Wochen die restliche ausstehende

Summe von € 7.000 –, die aber noch zu versteuern war. Weil sie in den letzten beiden

Wintern kein Weltcuprennen gewinnen und damit keine Siegesprämien kassieren konnte

hatte sie aus dem Skisport kein Einkommen erwirtschaftet. Sie kam so rasch in eine

schwierige soziale Lage, dass sie völlig verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Und auch

wenn es unglaublich es klingt: Viele Sportler/innen leben an der Armutsgrenze!

3.3 Die Aufgaben des/r Trainers/in im SportLaut Bundessportakademie (BSPA) hat in Österreich eine Trainer/innenausbildung Grund-

lagen-, Aufbau- und Hochleistungstraining sowie Betreuung vor, in und nach dem Wett-

kampf zum Ziel. Die österreichische Trainer/innenausbildung ist eine Berufsausbildung.

Im Lehrplan findet sich unter Punkt 9 (Sportpsychologie und Lebenskunde) der Bildungs-

inhalt „Wissen um die Voraussetzung einer entsprechenden Trainings- und Wettkampfbe-

treuung sowie eine sinnvolle Lebensgestaltung“.(Homepage der Bundessportakademie,

Zugriff am 23.2.2011) [BSP] Unter „Lebenskunde“ fällt der Begriff der „sinnvollen Lebens-

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gestaltung“. Die Auseinandersetzung mit einem Leben nach der Sportkarriere und vor al-

lem die Vorbereitung auf diese Lebensphase sind nicht Teil des Berufsbild eines/r

Trainer/in. So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich die meisten Sportler/in-

nen erst nach dem Ende ihrer Sportkarriere darüber Gedanken machen, was sie denn

nun tun sollen und Trainer/innen sich dafür nicht zuständig fühlen.

Trainer/innen sind Personen, die den intensivsten Zugang zu aktiven Sportler/innen ha-

ben. Ihr Einfluss ist gerade am Beginn der Sportkarriere und in der Pubertät oft maßgebli-

cher als jener der Eltern. Sie nehmen eine wichtige pädagogische Stellung bei der Per-

sönlichkeitsentwicklung der jungen Sportler/innen ein. Sportliche Talente zu finden, sie zu

entwickeln und zu fördern ist ein wichtiger Inhalt des Trainer/innenberufs. In Teamsportar-

ten kennen sich gute Trainer/innen ausreichend mit gruppendynamischen Prozessen aus.

Sie berücksichtigen neben dem Talent auch die Persönlichkeit des/der Sportler/in und set-

zen diese zielgerichtet im Team ein. Bei Einzelsportarten benötigt es eine individuelle Aus-

einandersetzung mit dem aktuellen persönlichen Entwicklungsstadium. Die besten Leis-

tungen werden erst durch mentales Training möglich, sagen vor allem viele Vertreter/in-

nen des Nordischen Skisports, der Ausdauersportarten und des Schwimmsports. Menta-

les Training ist im Sport schon etabliert, aber psychosoziale Beratung noch für viele ein

Fremd- ja fast ein Schimpfwort. Die Aufgabe des/r Trainer/in sollte mehr bedeuten als

Leistungen zu erzielen und diese zu maximieren! Natürlich sehe auch ich Grenzen im Auf-

gabenfeld von Trainer/innen. Dem Mangel wäre geholfen, wenn es zur Installierung von

interdisziplinären Teams käme. Projekte aus dem Hochleistungssport, die von pädago-

gisch und psychologisch geschultem Personal aus dem Sport und von externen Einrich-

tungen getragen werden, sind mir nicht bekannt.

3.4 Föderalismus im Sport: Fluch oder Segen?Zur Einleitung des Kapitels beginne ich mit folgendem Zitat: „Der Föderalismus ist ein ge-

sellschaftliches Ordnungsprinzip. Der Zweck diese Ordnungsprinzips ist die Sicherstel-

lung von Eigenverantwortung, Mitbestimmung und Selbstständigkeit in Kleinordnungen,

ohne auf die Vorteile, die eine große Gemeinschaft bietet, verzichten zu müssen“. (Len-

gauer,Zugriff 28.4.2011) [LEN0]

In Österreich ist der Sport föderalistisch in der Bundesverfassung verankert. Im Bundess-

portfördergesetz sind alle sportpolitisch relevanten Themen geregelt. Landesgesetze er-

gänzen die Bundesgesetze vor allem im Förderbereich. Die österreichischen Sportverbän-

de sind ebenso föderalistisch organisiert. Es gibt Bundes- und Landesorganisationen. Die

Entscheidungsgremien im Sport sind immer mit Vertreter/innen beider Organisationen be-

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setzt. Die einzelnen Funktionäre/innen haben also Entscheidungen durchsetzen, die

auch im Sinne ihres Bundeslandes sein sollten. Damit kommt es immer wieder zu Patt-

stellungen, die durch „Gegengeschäfte“ (wir kennen dies auch in der Politik bei Länder-

und Bündeinteressen) „gelöst“ werden. Für Sportler/innen sind diese strategischen Ge-

schäfte zwischen den Funktionär/innen aus den Landes- und Bundesverbänden oft lästige

Störfaktoren, die sie in der Ausübung ihres Sportes hemmen. Solche „Geschäfte“ wirken

sich auch direkt auf Betroffene aus, indem beispielsweise der bessere Sportler aus dem

Bundesland X nicht zu einem Wettkampf mitgenommen wird, weil das Bundesland A „et-

was“ gut hat.

Föderalismus als Segen – Die Chance im Föderalismus ist die Mitgestaltung kleinerer

organisatorischer Einheiten, in diesem Fall der Bundesländer. Sie kennen den/die Sport-

ler/in persönlich und gut, da er/sie aus einem regionalen Sportvereinen stammt. Solange

sich der/die Sportler/in auch im eigenen Bundesland aufhält und trainiert, kommt es zu en-

gen Kontakten mit Funktionären/innen aus dem Landesverbänden. Es sind individuelle

Trainingsbedingungen und -bedürfnisse leichter zu kommunizieren. Positiv erscheint

auch, dass sich die Vertreter/innnen des Bundeslandes sehr mit „ihren“ Sportler/innen

identifizieren. Es gibt kaum eine/n Weltmeister/in, der/die nicht mit der/m dazugehörigen

Landeshauptmann/frau in den Zeitungen abgebildet ist. Den Gestaltungsraum für ein Um-

denken zur gesellschafts- und sportpolitischen Verantwortung der nachsportlichen Betreu-

ung sehe ich im Föderalismus. Wenn ein Bundesland Vorbildwirkung zeigt und gesetzli-

che Rahmenbedingungen für die „Zeit danach“ schafft, wird sich das positiv auf andere

Bundesländer auswirken. Ich halte persönlich wenig davon, eigene Arbeitsplätze für

Sportler/innen in Landesregierungen zu schaffen oder politischen Einfluss auf Postenbe-

setzungen von Sportprojekten zugunsten von ehemaligen Spitzensportler/innen auszuü-

ben.

Föderalismus als Fluch – Eindeutiger Nachteil ist die Dauer von Entscheidungsprozes-

sen und die Möglichkeit durch Blockaden Entscheidungen zu verhindern. Bundesweite

Gesetze können in den Bundesländern so verändert umgesetzt werden, dass sie den

Zweck und damit das Ziel verfehlen. Gelingt es Vertreter/innen eines Bundesverbandes

nicht die Länder zu überzeugen bzw. die Motive für Entscheidungen transparent darzu-

stellen, dann „verschimmelt“ das beste Gesetz.

Also doch beides! Fluch und Segen! Ich wünsche mir ein gemeinsames Erarbeiten von

sportrelevanten Rahmenbedingungen – vor allem für nachsportlichen Karriereverläufe -

zwischen den Bundesländern und dem Bund, indem die positiven und konstruktiven Kräf-

te genutzt und unserer Gesellschaft, der Wirtschaft und dem Sport zur Verfügung gestellt

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werden.

3.5 Materielle und immaterielle Förderungen im SportSportförderung in Österreich: Sportler/innen werden durch Vereine und Verbände, sowie

Landes- und Bundesförderungen finanziell unterstützt. Ergänzend dazu erhalten aus-

gewählte und der Zielgruppe entsprechende Personen finanzielle Unterstützung durch die

Österreichische Sporthilfe sowie durch das Bundesheer mit ungefähr zweihundert

(Sport)Arbeitsplätzen. Wer sich einen genauen Einblick in den Dschungel des österreichi-

schen Sportförderwesens verschaffen möchte, kann das auf den Internetseiten des Sport-

ministeriums, der Sportabteilungen der Landesregierungen, des BM für Landesverteidi-

gung, der BSO (Bundessportorganisation), der Sporthilfe und des ÖOC (Österreichisches

Olympisches Komitee) tun.

Bis auf die Anstellung beim Bundesheer gibt es derzeit keine sozial- und arbeitsrechtli-

che Absicherung von aktiven Sportler/innen. Ausnahmen bilden Teamsportarten wie Fuß-

ball, Basketball, Handball und Volleyball ab einem gewissen Leistungsniveau. Dort stellen

Sportvereine ihre Sportler/innen im Rahmen eines Dienstverhältnisses an. Andere Förde-

rungen erfolgen durch „Kann-Bestimmungen“, die oft ohne Transparenz für Betroffene

und Außenstehende genehmigt oder nicht genehmigt werden. Sportler/innen sollten sich

auf diese unsichere Art der finanziellen und vor allem sozialen Absicherung nicht verlas-

sen! (siehe Seite 87) Ein langfristiges Planen der sportlichen Karriere ist schwer möglich,

außer die Familie verfügt über ein entsprechendes finanzielles Vermögen. Beim einzigen

staatlichen Arbeitgeber – dem Österreichischen Bundesheer – ist trotz sozialrechtlicher

Absicherung langfristiges Planen auch nicht möglich, denn die sportliche Leistung wird

jährliche einer Prüfung durch ein Gremium unterzogen. Wird sie nicht nach den vorgege-

benen Kriterien erbracht (z.B. aufgrund von Verletzungen oder einer schwächeren

Saison), droht das Aus beim Heer. Wenn die Einstufung negativ beurteilt wird, steht die

Kündigung an. Und man steht vor dem Nichts! Mutige und finanziell versorgte Sportler/in-

nen trainieren dann ein weiteres Jahr auf eigene Kosten, um den Wiedereinstieg beim

Bundesheer im nächsten Jahr und damit eine neuerliche Absicherung zu erhalten. Ich er-

innere mich noch gut an den Härtefall einer ÖSV-Skifahrerin, die sich ein paar Tage vor

dem Ablauf ihrer Anstellung beim Bundesheer im Trainingslager in Neuseeland schwer

verletzte. Der Rückflug erfolgte am letzten Kalendertag des Monats. Sie konnte dann in

Österreich nicht operiert werden, weil sie mit Ende des Monats gekündigt und deshalb

nicht mehr sozialversichert war! Durch die schwere Knieverletzung gehunfähig organisier-

te ihre Mutter in einer „Nacht- und Nebelaktion“ eine sozialversicherungspflichtige Anmel-

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dung, damit die notwendige medizinische Versorgung/Operation möglich wurde.

Neben den hier beschriebenen staatlichen und staatsnahen Förderungen bietet die Wirt-

schaft mit dem Sportsponsoring finanzielle Unterstützung an. In großen Sportverbänden

(z.B. dem ÖSV) oder in Teamsportarten (z.B. Fuß- und Handball) zahlen Sponsoren ihre

Beiträge direkt an den Verein/Verband. Wie viel Geld direkt an die Sportler/innen fließt ist

nicht transparent und nachvollziehbar. Individuelle Sponsorenverträge werden häufig in

Einzelsportarten abgeschlossen. Das Vereinbaren von Sponsorenleistungen verlangt ein

gutes Verhandlungsgeschick und vielen Sportler/innen ist es nicht möglich, diesen wirt-

schaftlich wichtigen Schritt eigenständig zu gehen. Befragt, warum sie das nicht tun, ant-

worten viele mit mangelndem Selbstbewusstsein, mangelnder Bereitschaft sich selbst zu

verkaufen oder Zeitmangel. Mit persönlichkeitsbildender Unterstützung wäre hier ein ers-

ter Schritt auf für die Zeit danach möglich. Wenn Sportler/innen bereits während der Lauf-

bahn wirtschaftliche Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen, gelingt ihnen das nach

dem Karriereende auch leichter.

3.6 Erfolg um jeden Preis?Im Scherz wird oft gesagt, es gibt Menschen, die für den eigenen Erfolg über Leichen ge-

hen. In folgender Schlagzeile holt uns die Realität rasch ein. „Sydney: Eine Leistungs-

sportlerin hat ihr Baby ermordet, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können.

Davon ist ein Gericht in Sydney überzeugt, das die 35-Jährige am Freitag zu 18 Jahren

Haft verurteilt hat. Der einstige Wasserball-Star sagt dagegen, sie habe das Baby ihrem

damaligen Freund überlassen. Der ist allerdings nirgends auffindbar. (Der Standard vom

16/17.4.2011)

Was sagen uns diese Zeilen? Hat die Zielstrebigkeit, die Sportler/innen zugeschrieben

wird auch eine Kehrseite der Medaille? Wo sind die Grenzen des Ehrgeizes? Und – reprä-

sentieren Sportler/innen nicht auch den Durchschnitt unserer Bevölkerung mit all seinen

krankhaften und delinquenten Ausprägungen?

Ein weniger dramatisches aber auch aussagekräftiges Beispiel handelt vom Verhalten des

des niederösterreichischen Handballtrainers Gunnar Prokop beim Champions League

Heimspiel gegen Metz im Herbst 2009. Beim Gleichstand sieben Sekunden vor dem

Schluss behindert er eine gegnerische Spielerin, indem er sie auf dem Spielfeld rempelt.

Sie verliert den Ball, bekommt zwar ein Foul zugesprochen, aber der entscheidende An-

griff wurde unterbrochen und das Spiel endete mit einem Unentschieden, welches für

HYPO NÖ den Erhalt in der Liga bedeutete.(Jahn 2010,S.77-79) Ethische Fragestellun-

gen zum Verhalten von Sporttrainern stellen sich ein. Wo hört die vielzitierte Fairness im

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Sport auf? Aktionen für „Fair-Play“-Verhalten im Sport verhallen angesichts einer solchen

Aktion und werden vor laufender Kamera beinahe wortwörtlich mit Füßen getreten. Und

was geschieht, wenn sich Sportler/innen im Berufsleben ebenso verhalten wie ihre Trai-

ner/innen in der Sporthalle oder am Fußballfeld? Deshalb frage ich mich, aus welchem

Grund ein Unternehmen Mitarbeiter/innen aus diesem Gesellschaftsbereich überhaupt an-

stellen möchte! Erfolg hat mit realistischer Selbstwahrnehmung, der richtigen Einschät-

zung des Umfelds und Fairness zu tun. Und Erfolg ist kein Dauerzustand, auf dem man

sich ausruhen kann. Die wahre Kunst der Erfolgs ist ein Resultat der Reflexion unserer

Fehler und wird umso befriedigender erlebt, je weniger man ihn für sich selbst nötig hat.

Für Menschen mit hohen narzisstischen Anteilen ist der Erfolg eine Art Droge von der sie

rasch abhängig werden. Nach dem Erfolg fällt man dann in ein tiefes Loch, welches bis

zum nächsten Erfolg dauert. Sportpersönlichkeiten, die so ihre Sportkarriere verbringen,

sind am Karriereende stark gefährdet in Depressionen, Drogenabhängigkeiten (Alkohol!)

und andere psychische Erkrankungen zu schlittern.

4 Die Übergangsphase: Tausche Sport mit Wirtschaft!Im vierten Kapitel erfolgt die theoretische Auseinandersetzung mit psychosozialen, psy-

chologischen, strukturellen und wissenschaftlichen Fragen und Anforderungen an diese

Lebensphase. Neben berufsrelevanten Kompetenzenprofilen stelle ich anhand einer

Zeichnung das Umfeld von Betroffenen dar und analysiere es eingehend. Dass die Vorbe-

reitung auf diese Umbruchs- und Neuorientierungsphase von wesentlicher Bedeutung ist,

beschreibe ich hier ebenso wie ich einen Blick nach Deutschland wage, um das Angebot

der dortigen Laufbahnberater/innen darzustellen. Fallbeispiele und Aussagen von Sport-

ler/innen ergänzen den Beitrag.

4.1 Psychosoziale SichtweiseDer Veränderungsprozess zwischen aktiver und passiver Sportlaufbahn ist für viele Be-

troffene eine neue Lebenserfahrung, auf die sie sich nicht vorbereitet und mit der sie nicht

gerechnet haben. Plötzlich ist alles anders: ein anderer Tagesrhythmus, andere Men-

schen und Neuorientierung bestimmen den Alltag. Die Parallelwelten zwischen der Welt

da draußen und der Sportfamilie rücken noch ein Stück weit auseinander. Ab dem Zeit-

punkt, wo sich der/die Sportler/in mit dieser Übergangsphase auseinandersetzt, beginnt

eine Orientierungsphase. Diese verlangt nach einer Auseinandersetzung mit Anforderun-

gen aus dem zivilen Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie „Gäste“ im Familien- und

Freundschaftsverband. Die wenigen Tage im Jahr, die ohne Training und/oder Wettkampf

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für Freunde und Familie zur Verfügung stehen, haben eher den Charakter eines Kurzbe-

suches als intensiver Beziehungspflege. Nun aber verändert sich die Situation rapide.

Emotionale Beziehungen müssen neu definiert werden. Eltern, Partner/in und Kinder wur-

den während der aktiven Laufbahn entfremdet. Sie leben ihr eigenes Leben und nun ist es

notwendig und wichtig, die Parallelwelten einander näher zu bringen. Konflikte sind vor-

programmiert und bestimmen die erste Zeit nach dem Karriereende.

4.2 Bestehende Angebote und Institutionen zur Unterstützung Betrachtet man den Umstieg aus der Sicht einer/s Sportlers/in bieten sich in Österreich

wenige Angebote an. Das Österreichische Bundesheer, die Österreichische Sporthilfe und das WIFI (im Rahmen der Sporthilfe-Akademie) unterstützen ausgewählte Personen.

KA:DA (Karriere Danach) bemüht sich seit 2006 auch anderen weniger erfolgreichen

Sportler/innen psychosoziale Unterstützung durch Coaching anzubieten. Viele Sportler/in-

nen sind in dieser Phase immer noch auf sich selbst gestellt und helfen sich durch per-

sönlichen Einsatz und Hilfestellung von Bekannten und Verwandten selbst. Die Sporthilfe

unterstützt seit Jahren mit der Sporthilfe-Akademie die von ihr geförderten Sportler/innen

auch nach dem Ende der sportlichen Laufbahn, aber vor allem parallel dazu. Diese Unter-

stützung erfolgt durch eine Kooperation mit dem WIFI-Österreich und beinhaltet einen fi-

nanziellen Zuschuss bis 75% der Kurskosten, die von Sportler/innen besucht werden. Die

restlichen 25% muss der/die Sportler/in selbst bezahlen.

Das Österreichische Bundesheer kann durch eine gesetzliche Regelung für Militärperso-

nen auf Zeit und als solche sind Heeressportler/innen definiert, nach Beendigung des

Dienstverhältnisses und abhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses eine Berufliche

Bildung gewähren. Hier erhält der/die Sportler/in ca. 75% des Gehalts weiterbezahlt und

kann bis zu einem finanziellen Ausmaß von € 35.000 eine genehmigte Ausbildung absol-

vieren. Aber Vorsicht! Viele Sportler/innen erkundigen sich nicht ausreichend über die

Dauer der Beruflichen Bildung. Sie dauert oft nur 12 Monate und muss innerhalb von 18

Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses absolviert werden. Eine fachlich aner-

kannte Ausbildung für den Arbeitsmarkt dauert jedoch meist länger. Heeressportler/innen

sind aber nach den 18 Monaten nicht mehr versichert und erhalten keine weiteren Zahlun-

gen mehr. Ohne Beratung lassen viele Sportler/innen diese Förderung ungenutzt verstrei-

chen. Mit Beratung beginnen sie oft schon vor dem Karriereende und während eines auf-

rechten Dienstverhältnisses mit der Ausbildung. Gut geplante Qualifizierungsmaßnahmen

gelingen meist nur mit interner (Sozialreferenten des Bundesheeres) oder externer Bera-

tung.

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4.3 Die Vorbereitung zur ÜbergangsphaseDie Vorbereitung zur Phase des Umbruchs von der sportlichen in die berufliche Laufbahn

wird sehr individuell gestaltet. In den letzten Jahren haben sich durch Medienberichte in-

formiert viele Betroffene frühzeitig mit dem Thema auseinander gesetzt. Vor allem Sport-

ler/innen aus Randsportarten sind auch während der aktiven Laufbahn gewohnt, ihre Din-

ge selbst in die Hand zu nehmen und zu regeln. Diese Athleten/innen sind oft gut ausge-

bildet und manche arbeiten auch schon parallel zur aktiven Sportkarriere, weil sie mit ihrer

Sportart und/oder ihren Leistungen kein Einkommen aus dem Sport erzielen. Die Teilzeit-

beschäftigungsrate ist hoch, wird gerne angenommen und erleichtert den erfolgreichen

Einstieg in das Leben „danach“. Es stellt sich generell heraus, dass im Berufsleben erfolg-

reiche Ex-Sportler/innen diejenigen sind, die während der Karriere nicht prominent waren.

Die Ergebnisse meiner Befragungen unterstreichen diese Wahrnehmungen. Prominente

Sportler/innen werden aus Neugierde und Interesse zu Bewerbungsgesprächen eingela-

den, sind aber bei den Bewerbungen selten erfolgreich.

Überraschendes Karriereende: Wird ein/e Sportler/in vom Karriereende überrascht,

stürzt eine Welt zusammen. Eben noch dachte er/sie an die Teilnahme an den nächsten

Olympischen Spielen und dann kommt das Aus durch eine schwere Verletzung! Vieles

spricht für meine Annahme, dass Sportler/innen eine gewisse Trauerphase überwinden

müssen, bevor sie ein Leben ohne Sport für sich akzeptieren können. Deshalb wundert es

nicht, dass kaum ein/e verletzte/r Sportler/in in der Phase der körperlichen Rehabilitation

an eine Fort- oder Weiterbildung im beruflichen Bereich denkt. Im Vordergrund steht das

Wiedererlangen der körperlichen Fitness. Und wenn die Verletzung nicht per se eine

Rückkehr in den Sport verhindert (beispielsweise durch eine Amputation), wird auf „Bie-

gen und Brechen“ an einem Comeback gearbeitet. Viele nützen die Chance der Krise ei-

ner Verletzung nicht und lassen diese wertvolle Zeit liegen!

Geplantes Karriereende: Nur wenige Ausnahmen im Sport planen ihr Karriereende, ge-

ben dies auch öffentlich bekannt und stellen sich den Fragen der (Sport)Moderatoren/in-

nen. Dabei geschieht dies in anderen Lebensbereichen ebenso. Wenn jemand eine Kün-

digung ins Auge fasst, dann gibt es auch Gründe dafür. Oft habe ich den Eindruck, Sport-

ler/innen schämen sich, wenn sie ihre Karriere beenden. Am 28.9.1979 erklärt Niki Lauda

seinen ersten Rücktritt mit den Worten: „Ich bin draufgekommen, dass es in meinem Le-

ben Sachen gibt, die wichtiger sind, als mit dem Auto im Kreis zu fahren“ und hat damit für

helle Aufregung gesorgt. Tritt ein/e Sportler/in am Höhepunkt der Laufbahn zurück, kursie-

ren wilde Gerüchte, tritt er/sie nach verheerenden Leistungen zurück, kommt es zur medi-

al Geißelung. Es wird einer/m Sportler/in sehr schwer gemacht, den richtigen Zeitpunkt zu

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finden, ohne sich damit einer öffentlichen Kritik aussetzen zu müssen. Eine aktuelle Aus-

nahme bildet hier Felix Gottwald. Nach seinem ersten Karriereende plante er heuer sein

zweites endgültiges Ende und berichtete immer wieder von seinen klaren Vorstellungen

betreffend seine Zukunft. In einigen Jahren werden wir sehen, ob ihm dies auch gelungen

ist. Ich jedenfalls wünsche es ihm. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass sich

Sportler/innen wesentlich leichter tun ihre Karrieren zu beenden, wenn sie darauf gut vor-

bereitet sind und möglichst genau wissen, was sie danach erwartet. Dies bestätigen auch

ehemalige Sportler/innen, die aufgrund eines Jobangebotes ihre Sportkarriere an den Na-

gel gehängt haben.

4.4 Wer unterstützt Sportler/innen in dieser Lebensphase?

In der Zeichnung 1 stelle ich das Umfeld einer/s Sportler/in nach Beendigung der sportli-

chen Laufbahn dar. Die Übergangsphase zur nachsportlichen Karriere wird von vielen Be-

troffenen als eine herausfordernde und einschneidende Lebensphase beschrieben. Alle

vorangegangenen Werte und Ziele sind plötzlich nicht mehr wichtig. Das soziale Umfeld

verändert sich rasch und außer den Medaillen und Pokalen bleibt von der Zeit davor nicht

viel über. Wie dieser Übergang individuell erlebt und bewältigt wird, hängt stark von den

oben abgebildeten Einflussfaktoren ab. Finanzielle und persönliche Unterstützung ist not-

Zeichnung 1: Lebensumfeld von Sportler/innen

Sportler/in

ElternPartner/in

Freundeskreis

Netzwerke

Kinder

InstitutionenAusbildungseinrichtungen

Ehemalige Sport-kollegen/innen

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wendig, um auch diese bedeutende Lebensphase (welt)meisterlich zu meistern. Zurück in

den Schoß der Familie ist für viele Sportler/innen der gängigste Weg. Entweder zu den ei-

genen Eltern oder bei männlichen Sportlern zu Frau und Kind/er.

Die Familie: Sie trägt einen großen Teil der finanziellen und emotionalen Verantwortung

für diese schwierige Zeit. Sie war der einzige stabile Faktor während der aktiven Laufbahn

und Familienmitglieder kennen die Persönlichkeit des/der Sportlers/in am besten. Vorbei

ist die Zeit des Kofferpackens und der Reisen durch die Kontinente. Plötzlich klingelt kein

Telefon mehr, um neue Trainingspläne und Wettkampfzeiten zu erhalten. Die Leere betritt

das Leben kombiniert mit erschreckender Entschleunigung. Hier sind nun Eltern, Ehepart-

ner/in oder Kinder gefordert. Es wird das Familienleben neu zu ordnen sein, denn plötzlich

ist der „Kurzzeitpapa“ immer anwesend und trägt zur Erziehung der Kinder bei. Für Famili-

enmitglieder ist diese Umstiegsphase ebenso einschneidend und schwierig wie für

den/die Betroffene selbst.

Der Freundeskreis: Erst am Karriereende bemerken viele Betroffene, wie sehr sie ihren

Freundeskreis während der Sportlaufbahn vernachlässigten. Die vielen Abwesenheiten

verhinderten regelmäßige Kontakte zu Personen außerhalb des Sports und viele

Sportler/innen beschränken sich bewusst oder unbewusst in ihrem Freundeskreis aus-

schließlich auf sportnahe Personen. Einige, die sie während der Sportkarriere zu ihren

Freunden zählten, verabschieden sich mit dem Ende der Sportkarriere, andere wiederum

sind noch sportlich aktiv und haben nun umgekehrt keine Zeit mehr für regelmäßige Kon-

takte. Hier ist eine weitere Umorientierung notwendig, die den Umstieg auch nicht gerade

erleichtert. War der Partner/Partnerin nicht Teil der Sportgeschehens, wird die Orientie-

rungslosigkeit erleichtert. Eine Integration in den Freundeskreis des/der Partners/in gelingt

in diesem Fall besser.

Netzwerke: Netzwerke sind Auffangnetze! Sie fangen jemanden dann auf, wenn er oder

sie fällt. Metaphorisch gesehen bieten sie festen Halt – ganz so wie in einem Spinnen-

netz. Man darf sich nur nicht im Netz verstricken, denn dann droht Gefahr! In positiven

Sinne glaube ich daran, dass vorhandene Netzwerke beim Übertritt in das zivile Berufsle-

ben wichtig sind. Hat es ein/e Sportler/in geschafft, während der aktiven Zeit in vielen ver-

schiedenen Bereichen (Sponsoren, Charityveranstaltungen, Tourismus, Wirtschaft,...)

Kontakte zu knüpfen, stellen sich diese in der Phase des Umstiegs als die wichtigsten An-

sprechpartner/innen dar. Gelingt es, an die eigenen Kontakte professionell heranzutreten

und diesen Personen vom Karriereende zu erzählen, dann öffnet sich mitunter eine Tür in

ein Unternehmen. Selbstmarketing und offensives Herangehen sind dabei unumgänglich.

Ohne Unterstützung gelingt das vielen Sportler/innen nicht, denn sie leiden nach dem

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Karriereende unter mangelndem Selbstbewusstsein. Verständlich, da die Identifikation als

erfolgreiche/r Sportler/in nicht mehr vorhanden ist.

Institutionen: Betroffenen erhalten laut eigenen Aussagen von Institutionen des Sports,

aber auch von Einzelpersonen Unterstützung. Auffallend dabei das Fehlen der Unterstüt-

zung durch Sponsoren. Sie sehen offenbar ihren Beitrag erfüllt, indem sie aktive Karrieren

finanziell fördern. Nach dem Karriereende werden nur noch vereinzelt sehr prominente

Sportler – und damit meine ich männliche, denn wo sind Werbeverträge der Sportlerin-

nen? - von ihren Sponsoren als Testimonials benutzt. Auch die Absage von zwei Salzbur-

ger Unternehmen, die Sportsponsoring betreiben an den Interviews teilzunehmen, könnte

in diese Richtung gehen (siehe auch Seite 58). Sportsponsoring ist damit immer noch

eine auf die aktive Karriere ausgerichtet Form der finanziellen Unterstützung. In den am

Ende der Arbeit vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen gehe ich auf neue kreative

Formen des Sportsponsorings näher ein. Unterstützung in der Übergangsphase bietet na-

türlich auch KA:DA. KA:DA bietet Coaching und Beratung für Sportler/innen in der Über-

gangsphase. Nach einer fachlichen und beruflichen Standortbestimmung wird mit jedem/r

Einzelnen ein ausführlicher Qualifizierungsplan erstellt. Ist ein/e Sportler/in bereits ausrei-

chend qualifiziert, dann beginnt sofort die Begleitung für den Bewerbungsprozess oder die

Unterstützung für eine Unternehmensgründung.

4.5 Blick über den TellerrandDer Blick über den Tellerrand zeigt uns, dass auch andere Länder diesem Thema wenig

Beachtung schenken. Ehemalige sozialistische Länder und China bieten ehemaligen Top-

Sportler/innen Anstellungen in staatlichen Unternehmen an. Andere – so wie im ehemali-

ge Jugoslawien – bieten Medaillengewinner/innen von Olympischen Spielen einen Pensi-

onsanspruch ab dem 35. Lebensjahr. Deutschland verfügt über ein flächendeckendes An-

gebot der Laufbahnberatung während der aktiven Karriere. Hier werden mit Sportler/in-

nen, welche an Olympiastützpunkten trainieren, schulische und/oder berufliche Ausbil-

dungspläne erstellt. Auf der Homepage des Olympiastützpunktes Berlin heißt es unter

dem Punkt „Laufbahnberatung und Umfeldmanagement“ Zitat: „Die Laufbahnberater sind

Wegbegleiter der dualen Karriere vom Zeitpunkt des leistungssportlichen Einstiegs bis hin

zur nachsportlichen Karrierebetreuung....“ (Homepage: Olympiastützpunkt Berlin; Zugriff

vom 28.2.1011. [OLY0] Hier arbeiten eigens für dieses Coaching und diese Beratung aus-

gebildete Experten/innen von Beginn der Sportkarriere an mit den Sportler/innen. Es gibt

keinen Widerspruch zwischen sportlichem Training, Wettkampf und Berufsausbildung. In

Österreich herrscht zu diesem Ablauf geteilte Zustimmung. Auch ehemalige Sportler tra-

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gen zu diesem österreichischen Desinteresse bei, indem sie, so wie Thomas Muster, der

im Jänner 2011 im Interview in den Salzburger Nachrichten wie folgt zitiert wurde. „...die

jungen Tennisspieler/innen sollen trainieren, denn arbeiten und lernen können sie später

immer noch....“.

4.6 Fallbeispiele aus der PraxisWie es ehemaligen Salzburger Sportler/innen in der Übergangsphase ergangen ist, zeig-

ten die Salzburger Nachrichten (SN) in einer Serie Anfang des Jahres 2011. Mehrere pro-

minente Salzburger Sportler/innen wurde über ihre Karriere „Danach“ befragt.

Thomas Stangassinger berichtete im Lokalteil von seiner Übergangsphase, nachdem er

mit 35 Jahren dem Skisport den Rücken kehrte. Auszug aus dem Artikel: „....Unmittelbar

nach seinem Abschied arbeitete ich zwar noch für Fischer im PR-Bereich,aber ich habe

bald bemerkt, dass ich da noch zu nahe am Skisport war, an dem Leben, das ich zuvor

geführt habe...“. (SN vom 7.1.11)

Petra Kronberger stellte ihre persönlichen Erfahrungen zum Übertritt in das andere Le-

ben so dar: „...Das eine Leben war gelebt, ich hatte alles erreicht. Es war nicht leicht, in

das andere Leben hinein zu finden. Vor allem sich bewusst zu werden, dass sich dies Er-

folgsgeschichte wie im Sport nicht wiederholen muss....“. (SN vom 10.1.11)

Und Erwin Resch, der Lungauer Abfahrtsspezialist aus den 80-ziger Jahren erzählte von

seinem Umstieg: „....Als ich 1991 mit dem Sport aufgehört habe, war ich sieben Jahre als

Textilimporteur und danach sieben Jahre auf AIDA-Schiffen unterwegs, um mit den Pas-

sagieren Radrouten zu unternehmen....“ (SN vom 3.1.11)

4.7 Kriterien für einen erfolgreichen ÜbergangAus vielen Gesprächen mit Sportler/innen aber auch mit Berufskollegen/innen ehemaliger

Sportler/innen geht hervor, dass der erfolgreiche Einstieg in das Leben „Danach“ erst

dann möglich ist, wenn mit dem Lebenskapitel Sport innerlich abgeschlossen wurde. So

lange diese „Trauerarbeit“ nicht bewältigt wurde, hängen die Träume eines Olympiasieges

immer noch wie ein Damokles-Schwert über dem beruflichen Weiterkommen. So wie Tho-

mas Stangassinger im vorherigen Kapitel, sehen es viele andere auch. Ich betreute einen

Sportler in der Übergangsphase, der sich trotz vieler Erklärungen nicht davon abhalten

ließ in seinem Lebenslauf ein einschlägiges Sportphoto mit Sportgerät gegen ein Bewer-

bungsphoto auszutauschen. Seine Identifikation mit der Sportart war noch so groß, dass

er für diesen fachlichen Rat eine „Beratungsresistenz“ entwickelt hatte. „Verbissenheit“ ist

der richtige Ausdruck für dieses Verhalten, das ihm im beruflichen Fortkommen geschadet

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hat. Diese Verbissenheit ist der negative Auswuchs des Ehrgeizes. Im Sport und auch in

der Wirtschaft sind Zielstrebigkeit und Leistungsorientierung wichtige Wegbegleiter. Sie

werden aber rasch zum Nachteil wenn die Reflexionsfähigkeit der Person nicht vorhanden

ist. Jede Stärke kann also ebenso zur Schwäche werden! Fußballprofis, die eine Karriere

als Fußballtrainer anhängen, haben in späteren Jahren zu kämpfen, wenn sie keinen Job

mehr als Trainer finden. Ist ein Fußballer schon als aktiver Sportler über einen langen

Zeitraum von seinem erlernten Beruf entfernt, so verlängert sich diese Zeit noch, wenn er

anschließend als Trainer tätig ist. Damit ist die Wahrscheinlichkeit in den erlernten Beruf

zurück zu kehren sehr gering. Dies trifft vor allem die heute 40-50-Jährigen unter den Ex-

Fußballern. Für sie sind Jobchancen am freien Arbeitsmarkt de facto nicht vorhanden. Bei

den jüngeren Maturanten unter den Fußballern erhöhen sich die Jobchancen wesentlich.

Fußballer mit abgeschlossenem Lehrberuf aber fehlender Praxis und Fortbildung sind

ebenso schwer vermittelbar. Heeressportler/innen schneiden in dieser Übergangsphase

besser ab. Sie können im Rahmen der Beruflichen Bildungsmaßnahme eine Ausbildung

absolvieren und sind in diesem Zeitraum sogar sozialrechtlich und finanziell abgesichert.

Die aus meiner Sicht wichtigsten Kriterien für einen gelungenen Start ins neue Leben

sind also

a) ein gutes soziales Netzwerkb) bodenständiges Auftreten, Selbstreflexion und ein gute Selbstwahrnehmungc) Allgemeinbildung und wenn möglich Berufserfahrung

d) gute Bewerbungsunterlagen und professionelles Bewerbungstraining und

e) ein gelungener Abschied vom Sport, eine erfolgreiche Um(Neu)Orientierung und eine hohe Motivation zum Berufseinstieg!

4.8 Die psychologische Sichtweise dieser LebensphaseViele Betroffenen beschreiben diese Phase als sehr prägend. Thomas Stangassinger

dazu im Interview: „...Aber eigentlich habe ich mir gedacht: Das ist alles eine abgeschlos-

sene Traumwelt, in der die Beteiligten nicht viel vom richtigen Leben mitbekommen“. (SN

vom 7.1.11) Aus dieser Traumwelt auszubrechen bedeutet auch, sich mit anderen Sicht-

und Verhaltensweisen auseinander zu setzen. Das Selbstbild von Sportler/innen ist ge-

prägt von Sieg und Niederlage verbunden mit öffentlicher Anerkennung oder Demütigung

vor allem durch die Medien. Im Sport spielt Narzissmus eine große Rolle, denn diese

Selbstverliebtheit ist oft der Schlüssel zum sportlichen Durchbruch. „Wenn ich nicht

1000%tig gewinnen will, werde ich es nicht bis zur Weltspitze schaffen“, hören wir oft in

Interviews, in denen es um die Strapazen und Entbehrungen im Leistungssport geht. Nur

wenn ich mein Selbst für den Sport opfere, kann ich Topsportler/in werden – so kann man

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diese Sätze auch interpretieren. Und dann ist plötzlich alles anders. Die Siege und Welt-

meistertitel zählen nichts mehr, der Alltag ist nicht mehr vom Training geprägt, man ist

nicht mehr fremdbestimmt und hat Trainings- und Wettkampftermine und vor allem, man

hat viel Zeit. Es stellen sich plötzlich neue Fragen: Was tue ich mit dieser freien Zeit? Mit

wem verbringe ich nun meinen Alltag? Was will ich überhaupt in meinem neuen Leben er-

reichen? Was kann ich, außer schnell die Piste runter fahren oder meisterlich zu fechten?

Kritische Lebensphasen sind Situationen, in denen Menschen plötzlich und unerwartet vor

neuen und unbekannten Herausforderungen stehen. Sie bieten bei positiver Bewältigung

eine Chance zur Persönlichkeitsentwicklung. Sie stellen eine neue Situation dar, die umso

schwieriger zu bewältigen ist, je weniger man vorher mit dem Auftreten dieser Herausfor-

derung gerechnet hat. Sportler/innen, die sich bereits während der aktiven Karriere Ge-

danken über die Zeit danach gemacht und auch vorgesorgt haben, beschreiben den Um-

stieg als weniger dramatisch als Sportler/innen, die vom Karriereende überrascht werden.

Viele Ängste, vor allem auch Versagensängste, treten auf. „Kann ich meine Leistung auch

im Beruf bringen und woher bekomme ich den Kick, der im Sport so wichtig war?“, fragen

sich viele.

Sven Hannewald (ehemaliger deutscher Skispringer) beschreibt seine Leere nach dem

Ende der Sportlaufbahn so: „Die Wochen vergehen, und ich weiß eigentlich gar nicht, wo

sie hin sind. Ich habe ja kein zählbares oder fassbares Resultat“. Bei ihm wurde zum

Ende der sportlichen Laufbahn ein „Burn-Out“-Syndrom festgestellt. Er ließ sich behan-

deln und empfiehlt anderen Kollegen aus dem (Sprung)Sport, auch professionelle Unter-

stützung anzunehmen. (Hager, Phantomkrankheit Burn-Out, Profil 2011) [PRO0]

4.9 Berufsrelevante Kompetenzen von Sportler/innenLiteraturrecherchen auf dem Gebiet von nachsportlichen Karriereberatungen ergeben kei-

ne aussagekräftigen Ergebnisse. Umso erfreuter können wir in Österreich auf eine Studie

hinweisen, die zwar noch nie öffentlich diskutiert wurde aber einen wichtigen Beitrag zur

beruflichen Ausgangssituation von Sportler/innen liefert. Sie wurde 2005 von der WU-Wi-

en im Auftrag der Sektion Sport des Bundeskanzleramts erstellt und beschäftigt sich mit

berufsrelevanten Kompetenzprofilen im österreichischen Spitzensport. Repräsentative Er-

gebnisse belegen einige vermutete aber auch viele nicht erwartete Fähigkeiten von Sport-

ler/innen im Vergleich zu Nicht-Sportler/innen. (Mayrhofer et al.,2005) [MAY0]

➢ Emotionale Stabilität: in diesem Bereich schneiden Spitzensportler/innen durch-schnittlich besser ab als 85% der Bevölkerung. Sie liegen hier sogar im Bereich der

Top 16% der Normalbevölkerung.

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➢ Gewissenhaftigkeit: Spitzensportler/innen schneiden besser ab, als 83% der durch-

schnittlichen Bevölkerung. Lediglich verglichen mit der Vergleichsgruppe der High Po-

tenzials weisen sie eine statistisch sehr signifikant niedrigere Gewissenhaftigkeit auf.

Frauen zeigen dabei in allen Gruppierungen höhere Werte auf als Männer

➢ Leistungsmotivation: Spitzensportler/innen schneiden durchschnittlich besser ab

als 65% der Normstichprobe. Die Detailbetrachtung zeigt dabei auf, dass etwa 70%

einen positiven Wert aufzeigen können und damit überdurchschnittliche Leistungsmoti-

vation haben.

➢ Flexibilität: Hier wird festgestellt, dass 70% der Normalbevölkerung besser abschnei-

det als Spitzensportler/innen. In der Detailbetrachtung ist erkennbar, dass lediglich 20%

der Sportler/innen durchschnittlich abschneiden.

➢ Führungsmotivation: Spitzensportler/innen schneiden lediglich besser ab als 28% der

Bevölkerung. Eine Detialbetrachtung zeigt, dass nur 23% der Sportler/innen einen positiven Wert aufweisen können und damit eine überdurchschnittliche Führungsmoti-

vation haben. Es finden sich hier signifikant höhere Werte bei Männern als bei Frauen,

die lediglich besser al 22% der Normalbevölkerung abschneiden.

➢ Teamorientierung: Spitzensportler/innen liegen deutlich unter dem Normalwert von

0 und schneiden hinsichtlich Teamorientierung lediglich besser als 32% der Gesamtbe-

völkerung ab. Betrachtet man die beiden Vergleichsgruppen (High Potenzials und WU-

Absolventen) so schneiden männliche Sportler signifikant schlechter ab als die an-

deren. Insgesamt zeigt sich, dass im Spitzensportsample die Teamorientierung wesent-

lich geringer ausgeprägt ist und es eine starke Betonung der Extremwerte bei geringer

Teamorientierung gibt

➢ Kontaktfähigkeit: Spitzensportler/innen liegen im Bereich der Normalbevölkerung, was die Kontaktfähigkeit zum berufsrelevanten Aufbau von zwischenmenschlichen Be-

ziehungen betrifft. Geschlechtsbezogen werden keine Unterschiede festgestellt, jedoch

können Frauen tendenziell als kontaktfähiger gelten als ihre männlichen Pendants, was

auch für den Spitzensport gültig ist.

➢ Selbstdarstellung: Es lässt sich aufgrund der Untersuchungen kein über- noch unter-entwickeltes Bedürfnis zur Selbstdarstellung bei Spitzensportler/innen erkennen. Mit

anderen Worten, Spitzensportler/innen sind hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zur Selbstdar-

stellung Durchschnitt.

➢ Sich Freunde und Verbündete schaffen: Hier wurden Karrieretaktiken erhoben, in de-

nen es um das Eingehen von Bündnissen mit beruflich relevanten Personen geht. 68%

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der untersuchten Sportler/innen schneiden dabei besser ab als die Normalbevölke-

rung.

➢ Kontakte knüpfen und pflegen: Networking als Prinzip von beruflich relevanten Eigen-

schaften wurde hier untersucht. 72% der Spitzensportler/innen weisen hier eine überdurchschnittliche Fähigkeit aus. Männer haben dabei höhere Werte erreicht als

ihre weiblichen Kolleginnen.

➢ Eigene Fähigkeiten und Ideen herausstreichen: Durchsetzung von eigenen Zielen und

Interessen im Erwerbsleben. Bei dieser Verhaltensweise zeigen Sportler/innen keine nennenswerte Auffälligkeiten. Männer setzen dabei ihre Interessen nachdrücklicher

durch als Frauen.

➢ Karriereaspiration – Freiheit/Individualismus/Flexibilität: Spitzensportler/innen schnei-

den im Vergleich zu anderen Gruppen deutlich niedriger ab. D.h. diese Werte werden

nicht als Triebfedern des beruflichen Lebens von Sportler/innen gesehen.

➢ Karriereaspiration- Geld/Prestige: Spitzensportler/innen zeigen hier keine nennens-werten Auffälligkeiten. Tendenziell zeigen die Sportler höhere Werte als ihre weibli-

chen Kollegen auf.

5 Die Zeit „danach“ - ….was wurde aus?Im fünften Kapitel zeigen Erfahrungswerte, Fakten und Zahlen was aus ehemaligen Sport-

ler/innen wurde und wie sie es schafften, Fuß zu fassen oder nicht. Die Eingliederung in

das zivile Berufsleben kann nur auf zwei Wegen erfolgen. Entweder es macht sich jemand

selbstständig (Unternehmensgründung, Übernahme eines Familienunternehmens, Eigen-

marke schaffen) oder man bewirbt sich als Arbeitnehmer/in.

5.1 Meine persönlichen Erfahrungen aus dem Coaching In den letzten sieben Jahren betreute ich über 250 Top-Sportler/innen. Vom Sportschüt-

zen zum Karateka, von der Turmspringerin bis hin zum eingebürgerten Leichtathleten. Ich

stellte dabei eine große Bandbreite an Herangehensweisen im Umgang mit der Zeit nach

der Sportkarriere fest.Gewisse Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften von

Sportler/innen sowie deren Bereitschaft an eigener Reflexion trugen wesentlich zur erfolg-

reichen oder erfolglosen Eingliederung in die Berufswelt bei. Manche Sportler/innen ent-

sprachen dabei klassischen Klischees und wirkten in ihrem Auftreten arrogant (vielleicht

als Zeichen ihrer Unsicherheit?). Einige gingen davon aus, dass ihnen ein Arbeitsplatz zu-

stehe müsse, ohne das sie dafür entsprechend qualifiziert sein müssten und andere ver-

langten sogar einen Arbeitsplatz ohne eine Leistung zu erbringen. „Ich habe ja für das

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Bundesland so viel geleistet. Die sollen mir eine Halbtagsstelle zur Verfügung stellen“,

sagte mir einmal eine ehemalige Skirennläuferin. Es gibt aber auch Sportler/innen, die mit

ihrem Verhalten Vorurteile grundlegend widerlegen. Sie verhalten sich anders als erwartet

und sind sich bewusst, dass sie im neuen Leben wieder „ganz unten“ anfangen müssen.

Was ich auf jeden Fall in dieser Zeit erlebte, waren das ambivalente Verhalten der Betrof-

fenen schwankend zwischen der Euphorie eines Neustarts und dem Misserfolg von ge-

scheiterten Bewerbungen. Eine wichtige Erkenntnisse aus deren Verhalten ist die Ausein-

andersetzung und das Ansprechen der Trauer, die durch den Verlust der Sportkarriere er-

folgte. Damit verbunden sind viele Ängste über die nicht gerne gesprochen wird. Eine

Sportlerin antwortete dazu in meinem Fragebogen: „....auch Psychotherapie empfand ich

zwischenzeitlich als unterstützend...“

Die erfolgreichsten Coachingprozesse fanden mit jenen Sportler/innen statt, welche

a) offen über ihre Gefühle sprachen,

b) ihre Sportkarriere schon länger beendet hatten,

c) realitätsnahe Vorstellungen vom Leben „danach“ hatten oder

d) ihren Erfolgsdruck und Ehrgeiz den aktuellen Bedingungen anpassten

5.2 Zwei Biografien von Sportler/innenEs werden zwei Biografien vorgestellt, die einige klassische Klischees bedienen, aber

auch Vorurteile widerlegen. Ich habe zwei polarisierende Persönlichkeiten aus dem Sport

gewählt, die durch ihr Verhalten immer wieder medial für Aufsehen sorgten.

Hans Orsolics: Orsolics, nach dem Ende seiner Boxkarriere erst 28 Jahre alt, versuchte

er zunächst einen Einstieg in die Gastronomie. Mangelnde Erfahrung auf diesem Gebiet

und eine zunehmende Alkoholabhängigkeit ließen jedoch das von ihm betriebene Lokal in

den Konkurs schlittern. …...insgesamt wurde er 14x gerichtlich verurteilt und verbrachte

846 Tage im Gefängnis...... (Quelle: Wikipedia, 2011). Hans Orsolics wurde sogar mit ei-

nem Lied „Mei potschertes Lebn“ bekannt, in welchem er sein Scheitern nach der Sport-

karriere besingt. Welches persönliche Drama hinter einer solchen erfolgreich-gescheiter-

ten Karriere steckt, lässt sich nur ansatzweise vermuten.

Petra Kronberger: Nach ihrer Karriere als aktive Sportler/in holte Kronberger die Matura

nach, studierte in Salzburg Germanistik und Kunstgeschichte und arbeitete als Universi-

tätsassistentin. Kronberger ist in der Erwachsenenbildung und als Kunstführerin tätig.

(Quelle: Wikipedia, 2011). Viele Menschen verbinden mit Petra Kronberger Begriffe wie

Ehrgeiz, Menschlichkeit und Bodenständigkeit. Ihre sportlichen Erfolge haben sie nie zu

einem „anderen“ Menschen gemacht, sie blieb ihren Interessen und Fähigkeiten auch au-

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ßerhalb des Sports treu und meisterte ihre Karriere „danach“ ebenso erfolgreich.

5.3 Statistische Daten der Betreuung von Ex-Sportler/innenIn Tabelle 1 wird eindrucksvoll dargestellt, wie spät der berufliche Einstieg in ein Leben

„Danach“ bei den meisten Betroffenen erfolgt. 37% waren zum Zeitpunkt der Betreuung

durch KA:DA zwischen 35 und 45 Jahre alt. Weitere 15% waren älter als 45 Jahre.

Wenn wie davon ausgehen, dass diese Personen zum ersten Mal in das zivile Berufsle-

ben integriert werden sollten, ist deren Berufserfahrung entsprechend gering und die Ver-

mittelbarkeit äußerst schwierig. Welches Unternehmen kann es sich leisten, eine/n 37-

Jährige/n Berufsanfänger/in als Mitarbeiter/in aufzunehmen? (Quelle KA:DA Jahresbericht

2008)

Tabelle 2 stellt die fachliche und schulische Ausgangslage der Sportler/innen für den Be-

rufseinstieg dar. Die unvorstellbar hohe Prozentzahl von 43% verfügt über keine abge-schlossene berufliche Ausbildung! Hier besteht höchster Handlungsbedarf! 14% der

von KA:DA im Jahr 2008 betreuten Sportler/innen verfügten über ein abgeschlossenes

Studium - jedoch ohne Berufserfahrung. 32% konnten einen Lehrabschluss vorweisen.

Außer für Hilfsarbeiten ist für die Mehrheit der ehemalige Athleten/innen realistisch gese-

hen kein Platz am Arbeitsmarkt. (Quelle KA:DA Jahresbericht 2008)

Tabelle 1: Altersstruktur von jobsuchenden Sportler/innen

9%

15%

22%37%

12%5%

Altersstruktur

< 25 Jahre< 30 Jahre< 35 Jahre< 45 Jahre> 45 Jahreunbekannt

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5.4 Eingliederung in das ErwerbslebenNach dem „Aus“ aus der Sportlaufbahn gibt es im Wesentlichen nur zwei Möglichkeiten in

das Erwerbsleben einzusteigen. Die Unternehmensgründung/-übernahme oder das An-

stellungsverhältnis. Sportlerinnen wählen manchmal noch eine dritte, nämlich die der Ka-

renz. Sie bekommen nach Beendigung ihrer Sportlaufbahn ihre Kinder. Eine Familien-

gründung während der aktiven Sportkarriere ist für viele Sportlerinnen nicht kompatibel.

Jene 3-5% der Sportler/innen, die ausreichend Geld mit der Ausübung ihres Sports ver-

dient haben und damit die vorherrschenden Klischees bedienen, versuchen nach dem

Karriereende ihren Namen und ihre Prominenz so lange als möglich zu vermarkten. Sie

sehen das auch als Privileg und Chance für ihre Berufskarriere. Felix Gottwald be-

schreibt seine Situation im Statement so: „...ich bin wahrscheinlich nur bedingt repräsen-

tativ, weil ich dem Mail ja entnehme, dass es um Sportler geht, die sich um fixe Jobs in

Unternehmen bewerben. Das ist bei mir nicht der Fall: Ich habe ja mein eigenes Unter-

nehmen, das eine Dienstleistung – meine Softskills aus 17 Jahren Spitzensport, fünf

Olympischen Spielen etc. als Erfolgsfaktoren - anderen Unternehmen liefert. In der Situa-

tion, mich quasi als Mitarbeiter irgendwo für eine fixe Stelle zu bewerben, war ich noch

nie in meinem Leben. Dessen bin ich mir bewusst, dafür bin ich sehr dankbar - und mir ist

auch klar, dass das für das Gros an (Ex-)Sportlern anders aussieht....“.

Andere sind dem ganz normalen Bewerbungsprozess unterstellt und werden auch nicht

anders behandelt, nur weil sie eine erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Sportkarriere

hinter sich haben. Roswitha Stadlober (KA:DA) dazu im Interview auf die Frage:„Wie

schwierig ist es für Sportler, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen?“ - Stadlober: „....Es heißt

Tabelle 2: Berufsausbildung von Sportler/innen

43%

32%

14%

6%

5%

Berufsausbildung

ohne AbschlußLehrabschlußStudiumAndere Ausbildungenunbekannt

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zwar immer, die Sportler sind so tolle Menschen. Die würden wir gerne in der Wirtschaft

haben. Wenn's aber drauf ankommt, zieht jeder den Schwanz ein, weil sie dieses und je-

nes an Berufsausbildung nicht mitbringen ......Selbst ein Olympiasieg ist noch keine Job-

garantie – ein Türöffner vielleicht, aber mehr nicht...“ (Der Standard vom 16.4.11)

Eine erfolgreiche Integration in das Erwerbsleben bedeutet den Erwerb eines Arbeitsplat-

zes, der den Fähigkeiten und Kenntnissen optimal entspricht. Es sollte zu keiner Über-

oder Unterforderung kommen. Die Arbeitsabläufe passen und das Arbeitsklima ist gut. Hat

ein/e Sportler/in diese berufliche Situation erreicht, dann ist der Eingliederungsprozess

positiv gelungen. Dies bedeutet aber nicht den Stillstand im Erwerbsleben. Lebenslanges

Lernen und ein positiver Zugang zu Veränderungsprozessen erleichtert den beruflichen

Erfolg wesentlich. Denn dieser ist meist länger als die Sportkarriere jemals war!

6 ….und was dann? Recruitingverfahren in der WirtschaftIn diesem Kapitel beschäftige ich mich mit dem klassischen Bewerbungsprozess in Unter-

nehmen und baue metaphorisch gesehen eine Brücke von der Ausgangslage der Sport-

ler/innen nach dem Ende der Sportlaufbahn zur Ausgangssituation wirtschaftlich geführter

Unternehmungen bei ihrer Personalsuche. Neben der gar nicht so einfachen Definition

des Berufsbildes „Recruiter/in“ frage ich kritisch nach, ob Sportler/innen dem aktuellen Ar-

beitsmarkt überhaupt entsprechen.

6.1 Definition von RecruitingEine eindeutige Definition des Wortes „Recruiting“ oder zu Deutsch „Rekrutierung“ ist in

der Literatur nicht zu finden. Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Militärischen (der

Rekrut). Das Wort „Rekrut“ kommt von dem lateinischen Wort recrescere, was soviel heißt

wie wieder nachwachsen. Im alltäglichen Sinn versteht man unter einem Rekrutierungs-

verfahren standardisierte Personalauswahlverfahren. Das gängigste ist dabei das Assess-

mentcenter (AC). Bei einem AC entscheidet ein Gremium über die Bewerber/innen. Das

AC hat zweierlei Funktionen. Zum ersten wird eine Auswahl von Kompetenzen, die für die

angestrebte Stellung von Bedeutung sind getestet und die Stressresistenz des/r Bewer-

bers/in beobachtet. Zum zweiten dient das Gremium eines AC der Objektivierung von Per-

sonalentscheidungen. Es werden für das Testverfahren nachvollziehbare und überprüfba-

re Entscheidungskriterien angewendet. Ein AC kann firmenintern durch die Personalabtei-

lung besetzt werden sowie teilweise oder ganz an externe Personalberatungsfirmen aus-

gegliedert werden. Andreas Baar geht in seiner Diplomarbeit davon aus, dass gerade in

Klein- und Mittelunternehmen Recruiter/innen nicht über das nötige Spezialwissen einzel-

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ner Stellenausschreiben verfügen und deshalb hier externe Beratungseinrichtungen in An-

spruch genommen werden.(Baar, 2005) [BAA0]

6.2 Berufsbilder und Tätigkeitsfelder von Recruiter/innen und HR-Manager/innenEin geltendes Berufsbild „Recruiter/in“ ist in der gängigen Literatur nicht zu finden. Jedoch

gibt es ausführliche Beschreibungen der Tätigkeitsfelder von Recruiter/innen. Die üblichen

Aufgaben werden wie folgt definiert: „Ein/e Recruiter/in hat die Aufgabe, neue

Mitarbeiter/innen, die den Bedürfnissen der auftraggebenden Unternehmens entspre-

chen, zu finden und vertraglich zu verpflichten...“.(Internetplattform Jumpforward: Zugriff

am 27.2.2011) [JUM0] Hier sehen wir einerseits eine Beschreibung des Aufgabengebietes

von Recruiter/innen, andererseits gibt es aber keine klare Zuweisung zu einer bestimmten

Berufsgruppe. Schaut man die Karriereteile österreichischer Tageszeitungen durch, fallen

Stellenausschreibungen für Recruiter/innen und HR-Zuständigen auf, die mit mehrjähriger

Praxis und akademischen Abschluss definiert sind. Es werden Juristen/innen, Psycholo-

gen/innen und auch Buchhalter/innen für die Agenden der Personalabteilungen gesucht.

In meinen Interviews traf ich erfreulicherweise auch auf zwei Absolventen/innen des Mas-

terlehrgangs für Training and Development (MTD). Eindeutig erkennbare fachliche Vor-

aussetzungen von Verantwortlichen im Personalbereich sind nicht vorhanden. Anforde-

rungsprofile von HR-Manager/innen hängen viel mehr mit den Bedürfnissen des Unter-

nehmens und der Firmenphilosophie zusammen. Sich genauer mit dieser Thematik zu be-

schäftigen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und wäre sicherlich sehr auf-

schlussreich und spannend.

Auf der Homepage des Arbeitsmarktservice Österreich findet man die Berufsbezeichnung

„Human-Ressource-Manager/in“. Als synonyme Bedeutungen dafür werden die Bezeich-

nungen HR-Manager/in, Personalist/in und Personalmanager/in angegeben. Unter den

Haupttätigkeiten werden folgende Aufgaben verstanden: …. Zu den Aufgaben zählen

nicht nur die Personalplanung, die Personalbeschaffung, der Personaleinsatz oder die Ar-

beits- und Lohngestaltung, sondern auch die Personalentwicklung, die Verbesserung des

Arbeitsklimas und der Unternehmenskommunikation …...(AMS Österreich: Zugriff vom

11.2.2011). [AMS0] Alles in allem scheint dem/der HR-Zuständigen eine wichtige Schlüs-

selfunktion zur Umsetzung von strategischen Überlegungen im Unternehmen zu zukom-

men. In vielen Unternehmen sind HR-Manager/innen gleichzeitig im Recruiting, in der

Personalentwicklung und im Rechtsbereich tätig.

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Zur Darstellung der verschiedenen Anforderungsprofile folgen nun drei Stellenaus-

schreibungen aus dem Karriereteil „Der Standard“ vom 19./20.2.2011 sowie vom

26./27.3.2011 :

MAGNA Powertrain AG&Co KG sucht Expert/in für Internationale Personalentwicklung

Europa/Asien – In dieser Funktion liegt Ihre Hauptaufgabe in der Entwicklung und Imple-

mentierung von PE-Konzepten (Performance- und Kompetenzmanagement, Führungs-

kräfteentwicklung, Karriereplanung, etc.) an unseren Standorten..........Wir wenden uns an

Damen und Herren mit fundierter fachlicher Ausbildung und langjähriger Erfahrung in der

Personalentwicklung.

Die Personalberatungsfirma Amrop Jenewein sucht einen Head of Group Human Resources mit folgender Einleitung: Verändern, bewegen, gestalten, entwickeln... Human

Resources als Schlüssel zum Change Prozess.....Sie bringen umfassende Erfahrung als

regionaler HR-Manager aus einem dynamischen, renommierten Konzernumfeld mit.....

Die Raiffeisen-Landesbank Steiermark sucht eine/n Personalreferenten/in zur ….Ge-

staltung von Personalprozessen im Sinne der Unternehmensstrategie, der Mitarbeit und

Umsetzung von Personalentwicklungskonzepten......Ein Abschluss des Studium Jus/BWL

ist Voraussetzung....

Schon alleine in diesen drei Beschreibungen ist ersichtlich, wie verschieden Unternehmen

ihre für das Personal zuständigen Verantwortlichen auswählen. Auch ist gut erkennbar,

welche Schwerpunkte in der Arbeit der Personalabteilung gesetzt werden. Abschließend

zitiere ich Prof. Christian Scholz (Professor für Betriebswirtschaftslehre und Personal an

der Universität des Saarlandes) über seinen Eindruck der Professionalität von HR-Mana-

ger/innen: „....drei Tage später der nächste Fall. Hier hatten die Personallisten stolz darauf

hingewiesen, dass keiner von ihnen Personal wirklich gelernt habe, sondern sie alle

Quereinsteiger sind........Jetzt stellte die Unternehmensleitung fest, dass bei ihren Assess-

ment Center offenbar niemand weiß, ob und wie das ganze funktioniert. Also schafft es ab

und vertraut stattdessen auf ausschließlich auf das Vorstellungsgespräch“ und er schließt

seinen Artikel mit folgenden Bemerkungen. Zitat: „.....Es wird zögernd, aber zunehmend,

auch über Werte, Ethik, Arbeitswelt und Wirtschaftspolitik neu nachgedacht. Hier sollten

Personalmanager aus der Personalabteilung und solche aus der Linie aktiv und engagiert

mitdenken...“ (Der Standard vom 9/10.4.11)

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6.3 Entsprechen Sportler/innen den Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes ?Recherchen in diversen Jobbörsen und Tageszeitungen, aber auch persönliche Erfahrun-

gen im Jobcoaching deuten darauf hin, dass Unternehmen zunehmend mehr auf Berufs-

praxis und eine fundierte Ausbildung ihrer zukünftigen Mitarbeiter/innen Wert legen. Dabei

stellen sich berufliche Erfahrungen und die Persönlichkeit einer/s Bewerbers/in als die

wichtigsten Kriterien im Bewerbungsverfahren heraus. Fehlende fachliche Qualifikatio-

nen, so sie nicht die Grundvoraussetzung für die Berufsausübung (z.B. Lehre als Autome-

chaniker, abgeschlossenes Jus-Studium) sind, können nachgeholt werden. Berufliche

Späteinsteiger/innen – dazu zählen Spitzensportler/innen - sind am Arbeitsmarkt derzeit

schwer vermittelbar. Die mangelnde berufliche Praxis ist einer der wesentlichsten Punkte,

die den Eingliederungsprozess von Sportler/innen - außer in sportnahe Bereichen oder im

Öffentlichen Dienst – erschweren. Sogar Sportler/innen mit akademischer Ausbildung sind

für den Arbeitsmarkt kaum von Interesse, wenn sie nicht über ein gewisses Ausmaß an

beruflicher Praxis verfügen. Ich hörte dieses Feedback von HR-Zuständigen immer wie-

der. Ein Berufseinstieg nach dem dreißigsten Lebensjahr verbunden mit mangelnder Be-

rufserfahrung werden von Personalisten/innen negativ bewertet. Die Jobs erhalten jünge-

re und erfahrenere Bewerber/innen. Die persönliche Einstellung und Motivation zur Ar-beit ist ein weiteres Kriterium bei der Personalauswahl. HR-Verantwortliche fragen im Re-

cruitingprozess sehr genau die Motivation für eine Bewerbung ab. Wenn jemand nicht klar

argumentieren kann, welche Hintergründe zur Bewerbung führten, vermindert das die

Chance auf einen Erfolg erheblich. Ein weiteres „must-have“ ist die schlüssige Darstellung

am Interesse der angebotenen Stelle und am Unternehmen. Immer wieder habe ich nach

gescheiterten Bewerbungsgesprächen mit Sportler/innen gehört, es wäre nie eindeutig

der Wille am Job im Gespräch erkennbar gewesen. Ein Personalist bezeichnete dies mit

den Worten: „Ich hatte immer das Gefühl, wir sind die B-Variante für den Sportler. Lieber

würde er nochmals Weltmeister werden, als bei uns zu arbeiten.“ Passt also die intrinsi-

sche Motivation nicht dann wird es schwierig werden den Umstieg zu schaffen.

7 Das Recruitingmodell SeemannAus Mangel an Vorlagen entwickelte ich dieses Modell, welches ich in Kapitel sieben be-

handle. Es erleichtert die Diskussion über den Bewerbungsprozess von Sportler/in, indem

durch verschiedenen Blickwinkel die Einflussfaktoren auf den/die HR-Manager/in darge-

stellt werden.

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7.1 Allgemein: Das Modell In dem von mir entwickelten Modell in Zeichnung 2 visualisiere und beschreibe ich die

verschiedenen Einflussfaktoren eines Recruitingprozesses von Sportler/innen. Neben den

fixen Variablen der Personalverantwortliche/r, der Unternehmensstruktur/-kultur und Per-

son des/der Sportler/in beeinflussen „Hard-facts“ wie Größe und Rechtsform des Unter-

nehmens, die Sportart der/s Bewerbers/in und die Methode des Recruitingverfahrens das

Ergebnis der Personalentscheidung.

Als wesentliche Einflussfaktoren definiere ich

a) die Methode des Recruitingverfahrens (intern/extern, standardisiert/individuell,

Sonderbehandlung von Sportler/innen, Teilnehmer/innen am Verfahren, Professionalität,

Erfahrungen im Recruiting)

b) die Unternehmensstruktur und -kultur (Größe, Rechtsform, Bedeutung von Personal

innerhalb des Unternehmens, Einfluss der Geschäftsführung auf HR-Abteilung, Zugang

zum Sport)

c) die Person des/der HR-Managers/in (Basisberuf, Qualifikation, Reflexionsfähigkeit

gegenüber Stereotype, persönliche Einstellung und Erfahrung zum bzw. mit Sport)

d) die Person des/der Sportler/in (Auftreten, Bewerbungstraining, Wunsch nach

Zeichnung 2: Seemann Recruitingmodell/SportlerInnen

Personalverantwortliche/r

Öffentlichkeit

Recruitingverfahren

Stereotypen

PersönlicheErfahrungen

Einstellungzum Sport

Reflexionsfähigkeit

Unternehmens-struktur

Sportler/in

Einstellung/Job

Sportart

PersönlichkeitProminenz

Größe

Profit/NPO/öffentlich

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beruflicher Tätigkeit, Sportart, Erfolge, Prominenz, abgeschlossene Trauerphase)

7.2 Im Zentrum des Verfahrens steht der/die HR-Manager/inAls die im Unternehmen zuständige Person für das Rekrutieren trägt der/die HR-

Manager/in eine große Verantwortung. Ob die Personalauswahl alleine getroffen wird, ex-

terne Berater/innen eingeschaltet werden und/oder die zukünftigen Führungskräfte

der/des Bewerbers/in am Verfahren teilnehmen, entscheiden sie oft alleine oder in Ab-

sprache mit der Geschäftsführung. Sie stehen aus diesem Grund in meinem Modell im

Mittelpunkt des Verfahrens. Als Schnitt- und Koordinierungsstelle unterliegen sie vielen

Einwirkungen unternehmensinterner und externer Umwelten. Bewusst oder unbewusst

werden dabei Klischees und/oder Vorurteile vermittelt und fließen auf die Entscheidungs-

findung ein. Personalabteilungen haben Wünsche von Abteilungen, der Geschäftsführung

und der Kunden/innen zu berücksichtigen, wenn sie ihre Arbeit gut und professionell abwi-

ckeln wollen. Es nützt dem Unternehmen nichts, wenn im Außendienst prominente Sport-

ler/innen tätig sind, die keine Ahnung vom Verkauf haben. In der Privatwirtschaft wirken

sich personelle Fehlbesetzungen rasch auf den Umsatz aus. Wägen HR-Manager/innen

sensibel und professionell die Eindrücke eines/r Bewerbers/in ab und vergleichen sie die-

se mit den beschäftigten Mitarbeiter/innen, dann stellt ihre Entscheidung die Basis für eine

erfolgreiche Zusammenarbeit dar. Führungskräfte vertrauen deshalb auf gute Entschei-

dungen in den Personalabteilungen.

7.3 Einflussfaktor Öffentlichkeit Gerade bei ehemaligen prominenten Sportler/innen wirkt sich die mediale Darstellung –

im speziellen der Sportberichterstattungen in Zeitschriften, Fernsehen und Tageszeiten –

enorm auf die Meinungsbildung der Bevölkerung aus. Täglich lesen wir von den Idolen

und freuen uns, wenn Goldmedaillen für Österreich – für uns! - nach Hause gebracht wer-

den. Wir lesen von und hören über Dopingskandale österreichischer Spitzenathleten/in-

nen und bilden uns eine Meinung – ein vorschnelles (Vor)Urteil? - zu den verschiedenen

Sportarten und deren Vertreter/innen. Niemand kann von sich behaupten, vorurteilsfrei zu

sein! Kein anderer gesellschaftlicher Bereich schafft es so gut wie der Sport Vertreter/in-

nen aller sozialen Schichten Arme und Reiche, Junge und Alte, Ärzte und Hilfsarbeiter in

der Ausübung ihres Fankults zusammen zu bringen. Im Fußballstadion reihen sie sich

meist friedlich nebeneinander. Sport verbindet Menschen und liefert einen wichtigen so-

zialen Beitrag für den Staat. Es verwundert also nicht, dass auch im Recruitingverfahren

von Sportler/innen der Einfluss der öffentlichen Meinung starke Auswirkungen auf die Ein-

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stellungen von HR-Zuständigen hat.

Die beiden Salzburger Wissenschaftler Dimitriou/Lidicky schreiben dazu in der Zeit-

schrift Fachjournalismus „...dass im Zuge der ORF und der RTL-Moderationen durch den

Einsatz linguistischer Elemente die Athleten als Träger nationaler Hoffnungen, als Sport-

persönlichkeiten mit „außergewöhnlichen“ Fähigkeiten und als kampfeswillige und mutige

Stars präsentiert werden....“ (Zeitschrift für Fachjournalismus) [DIM0]. Diese Beschreibun-

gen färben natürlich auf die Zuseherinnen und Zuseher ab. Kampfeswille und Mut sind

Fähigkeiten, die archaisch gesehen zum Überleben dienen. Wer aber möchte gerne einen

Arbeitskollegen, der „über Leichen“ geht, um selbst erfolgreich zu sein? Und mutigen Mit-

arbeiten gelingt es nicht immer, ihren Mut zielgerichtet und produktiv zum Wohl der Allge-

meinheit/des Unternehmens oder des Team/der Abteilung einzusetzen.

Zuschreibungen der Öffentlichkeit auf das Verhalten von Sportler/innen sind immer auf ih-

ren klischeehaften Zugang zu überprüfen. Gilt das wirklich für alle oder sind Sportler/innen

nicht auch Individuen mit einer eigenen Persönlichkeit?

7.4 Einflussfaktor Unternehmensstruktur und - kultur In Zeichnung 3 stelle ich den Einflussfaktor „Unternehmenskultur/-struktur“ auf Personal-

zuständige dar. Wie die Geschäftsführung auf den Entscheidungsvorgang bei Bewerbun-

gen Einfluss nimmt, hat mit der Unternehmenskultur und -struktur zu tun. In patriachal und

autoritär geführten Unternehmen wirkt sich die Einflussnahme anders auf die Arbeitszu-

friedenheit der HR-Zuständigen aus als bei integrativ und partizipativ geführten. (vgl.

Hammer: Führungsorientierte Betriebswirtschaftslehre 2007, S.219ff) [HAM0]

Grundsätzlich freuen sich Personalisten/innen über gut qualifiziertes empfohlenes Perso-

nal. Egal, ob diese über klassische Bewerbungsverfahren, über Tipps von Kollegen/innen

oder über einen Anruf aus der Vorstandsetage zum Vorstellungstermin kommen. Ist der

Machteinfluss eines Unternehmensvertreters auf die Personalabteilung jedoch zu groß

(siehe Seite 64/65) oder ist die Intervention nicht nachvollziehbar, werden sie negativ be-

wertet.

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gab eine Person an, von einer politisch moti-

vierten Personalentscheidung „überfahren“ worden zu sein. Die Postenbesetzung erfolgte

ohne offizielle Ausschreibung. Der betroffene Mitarbeiter war nur kurze Zeit im Unterneh-

men tätig und verursachte viel Aufregung und wenig Output.

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Gibt es im Unternehmen bereits gute Erfahrungen mit der Zielgruppe von Sportler/innen,

wirkt sich das auf neue Bewerbungen positiv aus. Im Öffentlichen Dienst und in der Politik

stellt sich die Situation in Österreich anders dar. Ex-Sportler/innen treten immer wieder in

politischen Funktionen – als Landtags- oder Nationalratsabgeordnete – auf oder sie sind

in Landesregierungen und Ministerien beschäftigt. Und viele von uns erinnern sich noch

an die Zeiten, in denen der Monopolbetrieb Austria Tabak ehemalige Fußballer mit Trafi-

ken nach dem Ende der Karriere versorgte. Überraschenderweise treten prominente

Sportpersönlichkeiten selten ehrenamtlich für soziale Zwecke auf. Weniger prominente

hingegen finden wir in ehrenamtlichen Funktionen diverser Wohltätigkeitsvereine.

7.5 Recruiting aus Sicht des/der Sportlers/inJe professioneller das Auftreten im Bewerbungsverfahren, desto besser sind die Jobchan-

cen! Hat das Unternehmen einmal bereits gute Erfahrungen mit Anstellungen von Sport-

ler/innen gemacht, gestaltet sich das Bewerbungsverfahren für andere einfacher. In Zeich-

nung 4 wird ersichtlich, welche Faktoren aus Sicht des/der Sportlers/in ausschlaggebend

für eine erfolgreiche Bewerbung sind. Neben der Prominenz, die als Türöffnerin für ein

Zeichnung 3: Einflussfaktor Unternehmenskultur

Personalverantwortliche/r

Öffentlichkeit

Recruiting

Stereotypen

PersönlicheErfahrungen

Einstellungzum Sport

Reflexionsfähigkeit

Unternehmenskultur

Sportler/in

Einstellung/Job

Sportart

PersönlichkeitProminenz

GrößePrivat/

öffentlich

Wer istzuständig?

Einfluss& Macht

Idealbesetzung/Wunschkandidat/in

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Bewerbungsgespräch gesehen wird (siehe Seite 73), zählen die Professionalität der Be-

werbung und die Authentizität der Person als wichtige Kriterien. Sportler/innen, die einen

persönlichen Kontakt zu Vertreter/innen der Geschäftsführung haben, nutzen diesen viel

zu selten aus. Immer wieder versuchte ich Sportler/innen zu motivieren, bei diversen

Sport-Events direkt auf Wirtschaftstreibende zuzugehen, um sich aktiv um eine Stelle in

deren Unternehmen zu bewerben. Meiner Erfahrung nach wird diese Vorgangsweise als

„Anbiedern“ verstanden. Sportler/innen erleben die eigene Jobsuche als persönliche

Schwäche („Ich habe versagt“). Unternehmensvertreter/innen würden sich wesentlich öf-

ter für einzelne Sportler/innen einsetzen, wenn sie von deren Jobsuche informiert wären.

Silvia Berger (ehemalige Skirennläuferin) beschreibt ihren beruflichen Einstieg als AMS-

Mitarbeiterin in der RGS (Regionale Geschäftsstelle) Kufstein so: „Für mich hat sich mei-

ne Prominenz eher positiv ausgewirkt. Gutes Ansehen bei meinen Kollegen/innen. Viele

Fragen über meinen ehemaligen Beruf (Skirennlauf)“

Katharina Gutensohn beantwortet diese Frage so: „Man kommt (als prominente

Sportler/in) schneller an Firmen heran, hat aber dann vielleicht falsche Vorstellungen von

„normalen“ Berufen“.

Und Felix Gottwald antwortet auf die Frage, wie sich seine Prominenz auf den Umstieg

auswirkt mit folgender Aussage: „Sie wirkt sich so aus, wie ich sie sich auswirken lasse –

Zeichnung 4: Einflussfaktor Sportler/in

Personalverantwortliche/r

Öffentlichkeit

Recruiting

Stereotypen

PersönlicheErfahrungen

Einstellungzum Sport

Reflexions-fähigkeit

Unternehmens-kultur Sportler/in

Einstellung/Job

Sportart

PersönlichkeitProminenz

Größe

Profit/NPO/öffentlich

Persönlicher Kontakt zur Unternehmensführung

mit/ohne Unterstützung

Das Verhaltenfördert

Das Verhaltenhemmt

Authentizität

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Nachteile aus meiner langjährigen Tätigkeit im Spitzensport und der Prominenz, die damit

einhergeht und die ich völlig wertfrei sehe, kann ich keine erkennen. Hätte ich mich in

meiner Jugend anders entschieden und das Autohaus meiner Eltern übernommen, wahr-

scheinlich würden die Menschen dann bei mir Autos kaufen, aber keine Bücher, keine Im-

pulsvorträge und keine Seminare“.

Meine Erfahrung als Coach bestätigt die allgemeine Meinung, dass sich ehemalige Sport-

ler/innen während ihrer sportlichen Laufbahn nie oder sehr selten mit ihrem „Leben da-

nach“ beschäftigen. Sie machen sich keine Gedanken darüber, jemals zu einem profes-

sionellen Bewerbungsverfahren eingeladen zu werden und schätzen ihre Bedeutung als

Sportler/in höher ein als Personalmanager/innen dies tun. In keinem Unternehmen ersetzt

die Vergangenheit im Spitzensport – auch wenn sie noch so erfolgreich war - eine fun-

dierte fachliche Qualifikation! Deshalb liegt die wesentlichste Voraussetzung für einen gu-

ten Berufseinstieg beim/bei der Sportler/in selbst! Sich selbst frühzeitig, gut und entspre-

chend der eigenen Fähigkeiten zu qualifizieren! Mangelnde Berufspraxis wird von HR-Ma-

nager/innen als Manko gewertet. Ein/e Sportler/in aber, die bereits parallel zur Sportlauf-

bahn gearbeitet hat, findet wesentlich leichter eine Beschäftigung als jemand ohne Be-

rufserfahrung.

7.6 Die Persönlichkeit des/r HR-Manager/inIn der Zeichnung 5 stelle ich den/die HR-Managers/in in den Vordergrund und beschäftige

mich mit seiner oder ihrer Persönlichkeit. Am Beginn der Masterarbeit wurde schon auf

die Heterogenität der Berufsgruppen von HR-Manager/innen eingegangen. So unter-

schiedlich deren Berufsausbildungen sind, so verschieden sind auch die sozialen Skills.

Psychologisches Grundlagenwissen und ein gewisses Ausmaß an Reflexionsfähigkeit

sind vor allem in größeren (internationalen) Unternehmen sowie in Branchen mit viel Kun-

denkontakt (z.B. Handel, Tourismus, etc.) Voraussetzung. Je besser ein/e Personalmana-

ger/in das eigene unbewusste stereotype Verhalten reflektiert, desto offener gestaltet sich

die Personalsuche.

Vorurteile gegenüber anderen Kulturen/Religionen sind in großen internationalen Konzern

seltener anzutreffen als in kleinen Familienbetrieben. Personalmanager/innen die ihre

Personalentscheidungen selbstständig treffen sind ohne kollegialem Austausch Klischees

gegenüber anfälliger. Eine regelmäßige Supervision für HR-Manager/innen und Fortbil-

dungen in diesem Bereich sind hilfreiche Instrumente und Methoden, um deren Professio-

nalität zu unterstreichen. Der sensible Bereich Personalrecruiting und -entwicklung bedarf

einer sorgsamen Arbeit mit und für die Menschen im Unternehmen und sollte in Teams

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stattfinden. Persönliche Einstellungen von HR-Manager/innen haben Auswirkung auf de-

ren Personalauswahlkriterien. Sympathie und Antipathie spielen im Bewerbungsgespräch

eine ausschlaggebende Rolle, ebenso emphatisches Handeln.

Wie die Ergebnisse der Befragungen belegen bilden Neugierde und Interesse die Grund-

lage prominente Sportler/innen zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Dies ge-

schieht auch dann, wenn die Anforderungskriterien nicht erfüllt sind. Durch ein gutes Ge-

sprächsklima zwischen Recruiter/in und Bewerber/in gelingt es mitunter, alternative Auf-gabengebiete abseits der konkreten Stellenausschreibung in einem Unternehmen für

eine/n Sportler/in zu finden. Diese Alternativen stellen entweder eine einfache Tätigkeit

(z.B. Hilfsarbeiten für unqualifizierten Sportler/innen mit Migrationshintergrund) dar oder

kreative neue Lösungen (neue Marketingstrategien für Akademiker/innen). Prominente er-

zählten oft, dass man es ihnen nicht zutraut, sich unterzuordnen und sich von unten hin-

aufzuarbeiten. Wie aus den Untersuchungsergebnissen klar hervorgeht haben es Sport-

ler/innen leichter sich bei Personalverantwortlichen zu bewerben, die einen positiven Be-

zug zum Sport, vor allem zum Leistungssport haben.

7.7 Die Zusammenhänge und ihre AuswirkungenIn dem von mir entwickelten Modell versuche deutlich zu machen, welche Einflüsse sich

auf eine erfolgreiche Bewerbung ehemaliger Sportler/innen positiv auswirken und wo die

Zeichnung 5: Einflussfaktor Persönlichkeit HR-Manager/in

HR-Manager/in

Öffentlichkeit

Recruitingverfahren

Stereotype

PersönlicheErfahrungen

Einstellungzum Sport

Reflexions-fähigkeit

Unternehmensstruktur

Sportler/in

Einstellung/Job

SportartPersönlichkeit

ProminenzGröße

Profit/NPO/Öffentlich

Verhalten im Bewerbungsverfahren

Vorurteile +/-

PersönlicheEinstellung

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Knackpunkte für ein Scheitern liegen. Eine erfolgreiche Bewerbung hängt jedenfalls von

der Grundeinstellung des/r zuständigen Personalmanager/in gegenüber dem/der Be-

werber/in und der Bewerber/innengruppe (Sportler/innen, Migranten/innen, ältere Bewer-

ber/innen) ab. Werden bereits bei den Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Form des

Anschreibens, Bewerbungsmappe, etc.) durch Unachtsamkeit oder mangelnde Genauig-

keit Irritationen ausgelöst, wird es sehr schwierig werden, einen persönlichen Gesprächs-

termin zu erhalten. Außerdem beeinflussen internen Vorgaben und Richtlinien des Un-

ternehmens das Bewerbungsverfahren. Und es ist von wesentlicher Bedeutung, wie betei-

ligte Personalmanager/innen und Führungskräfte persönlichen Vorurteile reflektieren können. Dies trifft ja nicht nur auf die Unternehmensvertreter/innen zu, sondern auch auf

den/die Bewerber/in. Sich als Sportler/in für eine Stellen in einem Unternehmen zu bewer-

ben, nur weil es die Eltern, die/der Partner/in, das AMS oder einer andere Person

wünscht, ist kein ausreichender Motivator! Die Eigenmotivation, dieser Arbeitsstelle auch

persönlich etwas „abgewinnen“ zu können, ist absolut notwendig, um eine erfolgreiche

Bewerbung abzuschließen.

7.8 Optimierungsmöglichkeiten zum erfolgreichen Rekrutieren von Sportler/innenAusgehend von der Komplexität eines Bewerbungsprozesses, der Heterogenität von HR-

Manager/innen sowie deren verschiedenartiger Zugang zum Sport sind für ein künftiges

Optimieren von erfolgreichen beruflichen Integrationen ehemaliger Sportler/innen folgen-

de Punkte zu beachten.

Sensibilisierung der Recruiter/innen für „nachsportliche Karrieren“!

Durch spezifische Seminare für Personalmanager/innen kann ein fundiertes Wissen

über die Lebenswelten von Sportler/innen vermittelt und eine positive Grundhaltung er-

reicht werden. Der Umgang mit Klischeevorstellungen und Vorurteilen sollte ebenso Inhalt

dieser Seminare sein. Damit erreicht man das Erkennen und Verstehen dieser unbewuss-

ten Abläufe. Diese werden dann im Reflexionsprozess für das Bewerbungsverfahren posi-

tiv genutzt. Wenn HR-Manager/innen Bewerbungen von Sportler/innen Positives abgewin-

nen können, wird deren berufliche Eingliederung leichter gelingen. Fähigkeiten wie Aus-

dauer, Umgang mit Niederlagen und Misserfolgen, Disziplin und Zielorientiertheit zeichnen

Leistungsträger/innen auch in einem erfolgreichen Unternehmen aus.

Beispiel aus einem Coachingprozess: Der Fußballer X wurde von mir für ein Bewerbungs-

verfahren in einer Spedition vorbereitet. Seine Gehaltsvorstellungen lagen bei €1.200

(Netto). Er war 33 Jahre alt. Eine Einladung zum Bewerbungsgespräch wurde nicht aus-

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gesprochen, da die Personalchefin der Meinung war, ein prominenter Fußballer würde für

das Unternehmen nicht leistbar sein. Damit wurde ihm die Chance der Präsentation ge-

nommen und seine Frustration stieg weiter an.

Kritisches Hinterfragen der Sportberichterstattung

Tagtäglich lesen, sehen und hören wir in diversen Sportberichten über die Leistungen,

Verletzungen und Skandale von Spitzensportler/innen. Informationen rieseln auf uns ein

und lassen in unseren Köpfen Bilder entstehen. „Fußballer sind dumm“, „Schifahrer sind

Egoisten“, „Schispringer sind Philosophen“, „Golfer sind arrogant“, „Die Frauen können eh

nicht kicken“, „Boxer sind aggressiv“, und so weiter. Wodurch entstehen solche Meinun-

gen? Wie kommen wir auf die Idee einer ganzen Sportart und deren Vertreter/innen diese

oder jene Eigenschaften zuzuschreiben? Wie viel Einfluss haben Medien wirklich auf un-

sere persönlichen Einstellungen? Und wie sehr lassen wir uns von Medien aktiv beeinflus-

sen ohne zu hinterfragen und ohne der Wahrheit auf dem Grund zu gehen? Kritische Bür-

gerinnen und Bürger bilden sich ihre eigene Meinung und glauben nicht unreflektiert, was

sie im Radio hören, im Fernsehen sehen oder in der Tageszeitung lesen.

Eine der wenigen kritischen Untersuchungen liefern Dimitriou/Lidicky in ihrem Artikel. In

Untersuchungskategorien wie Narzissmus, Chauvinismus/Nationalismus, Distanzlosigkeit

und Identifikation stellen sie fest, was sich die Zuseher/innen von Sportmoderatoren anhö-

ren müssen. „Unser Schlieri“, „der Wunderknabe“, das Duzen und Vornamensnennen al-

ler Sportler und Aussagen wie „Die Österreicher halten frech mit“ prägen eine Berichter-

stattung (Dimitriou,Lidicky 2008). Wenn man sich mit prominenten Spitzensportler/innen

im öffentlichen Raum (Restaurant, Kaffeehaus, ..) aufhält passiert es oft, dass unbekannte

Personen an den Tisch kommen, den oder die Sportler/in beim Vornamen ansprechen

und zu plaudern beginnen, als wären sie alte Bekannte. Distanzlosigkeit und Missachtung

der Intimsphäre werden durch die Art dieser oben beschriebenen Sportberichterstattung

gefördert. Die Sportler/innen gehören uns und sind „allgemeines“ Gut. Mediale Berichter-

stattung legt den Grundstein für öffentliche Meinungen zu einem Thema und/oder zu einer

bestimmten Person des öffentlichen Lebens. Wenn Sportjournalisten/innen ihrer sozialen

Verantwortung gerecht werden, dann sollte Achtsamkeit, respektvoller Umgang und di-

stanziertes journalistisches Verhalten zum Berufsalltag gehören. Sie helfen damit das

Image von Sportler/innen zu heben und ihnen den Berufseinstieg zu erleichtern. Der Ver-

zicht des journalistischen Mottos „bad news are good news“ und ein ethischer Verhaltens-

kodex im Umgang mit prominenten Sportler/innen könnten ein positiver Ansatz dazu sein.

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Professionelle Beratung der Sportler/innen

Erst mit dem Modellprojekt „aftersports“ (einem Frauensportprojekt mit zwanzig Teilneh-

merinnen) startete in Österreich 2004 die praktische Auseinandersetzung für den nach-

sportlichen Bereich. Ziel damals war die Unterstützung der Athletinnen einerseits und die

Sensibilisierung der Wirtschaft in Hinblick auf potenzielle Bewerbungen von Sportler/innen

andererseits. Im selben Jahr wurde von der damaligen Vize-Kanzlerin eine Studie in Auf-

trag gegeben, die sich mit berufsrelevanten Kompetenzprofilen von Sportler/innen be-

schäftigte. Diese wurde von der WU-Wien durchgeführt. (Mayrhofer et al, 2005). Im Jahr

2006 erfolgte die Etablierung von KA:DA und es konnte mit dem AMS Österreich ein ver-

lässlicher Partner gefunden werden, der neben der 100%tigen Finanzierung auch einen

hohen Anspruch an die Professionalität und Qualitätssicherung im Beratungsbereich stell-

te. Das individuelle Einzelcoaching durch einschlägig ausgebildete Berufs- und Bildungs-

berater/innen, die auch über Feldkompetenz im Sport verfügten, stellte sich als das wich-

tigste Instrumentarium zur Beratung heraus. Gruppencoachings wurden von den Teilneh-

mer/innen weniger angenommen, da es hier zu einem „Outing“ im Sinne von „jetzt wissen

die anderen, das ich auf Jobsuche bin“ kam. Die wenigen Erfahrungen im Gruppencoa-

ching zeigten jedoch wie wichtig es ist, sich in dieser Phase nicht alleine zu fühlen. Mitzu-

bekommen, dass es anderen Sportler/innen genauso geht, sie auch orientierungslos sind,

hat vielen in diesen Gruppencoachings geholfen. Als sehr hilfreich wurden auch organisa-

torische und arbeitsmarktpolitische Informationsveranstaltungen bewertet. Seit dem Jahr

2010 wird KA:DA als eigener Verein geführt und bietet vermehrt präventive Unterstützung

im dualen Ausbildungsbereich von aktiven Sportler/innen an. Viele Eltern sind sich der un-

sicheren Zukunft ihrer Kinder im Klaren und forcieren aus diesem Grund oft die Schulaus-

bildung gegenüber der Sportkarriere. Die Umsetzung einer dualen Ausbildung hängt stark

von der Flexibilität der Schulen und Berufsausbildungseinrichtungen (Universitäten, Fach-

hochschulen,etc) ab. Weiters erfordert es eine starke Disziplin der oft noch sehr jungen

Sportler/innen im Hinblick auf beide Karrieren – die berufliche und die sportliche. Für Ös-

terreich notwendig ist ein intensives individuelles Beratungsangebot für Sportler/innen in

der Akutphase des Umstieges. Hier sollten auch regionale Beratungseinrichtungen in den

Bundesländern forciert werden. Einen wichtigen inhaltlichen Schwerpunkt der Beratung

und des Coachings muss dabei die Unterstützung der „Trauerarbeit“ und des Abschied-

Nehmens vom Sport bilden. Erst wenn dies gelungen ist, kann die zweite Karriere außer-

halb des Sports gestartet werden. Viele Sportler/innen, die nach der aktiven Karriere als

Trainer/in arbeiten, zögern diesen Umstieg in die „außersportliche“ Welt um weitere Jahre

hinaus und stehen dann – noch viel später und noch viel schwerer vermittelbar – vor dem

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Start in das neue „Leben“.

8 Schlussfolgerung aus der Theorie

8.1 Sind Sportler/innen wünschenswerte Mitarbeiter/innen?Ja, denn sie unterscheiden sich von anderen durch ihre Zielstrebigkeit, Selbstmotivati-on, Ausdauer und Disziplin. Sie haben gelernt, auf „Verlockungen“ zu verzichten, die ih-

ren Erfolg beeinträchtigen können. Gesundheit und Bewegung sind für sie wichtige Aus-

gleichsfaktoren. Der Umgang mit dem eigenen Körper ist sensibel und stellt einen wichti-

gen Wert im Leben von Sportler/innen dar. Jede/r Sportler/in hat gelernt, mit Rückschlä-

gen und Niederlagen umzugehen. Konkurrenz und Wettkampfsituationen gehören zum

Sport und werden als Bereicherung und Herausforderung gesehen. Der konstruktive Um-

gang mit Aggressionen wird von Sportler/innen praktiziert, da sie diesen für die Leistungs-

erbringungen nutzen. Erfahrungen im internationalen Umfeld des Sports weisen auf inter-

kulturelle Verständnis hin.

Nein, Sportler/innen sind während der Sportkarriere fremdbestimmt und haben verlernt,

für sich selbst zu sorgen. Wenn die Gier zum Siegen zu groß wird, überschreiten

Sportler/innen Grenzen (Doping, Mobbing, etc). Die meisten weisen kaum Berufserfah-

rung auf und verfügen über eine mangelhafte Schul- und Berufsausbildung. Wer lange im

Rampenlicht steht, kann sich nicht mehr gut in ein Team integrieren. Außerhalb des

Sports verlässt viele Sportler/innen das Selbstbewusstsein, welches auf die Sportart und

deren Ausübung ausgerichtet war. Sportler/innen, die ihre Sportkarriere innerlich noch

nicht abgeschlossen haben, sind für neue Aufgaben noch nicht offen. Manche Persönlich-

keiten aus dem Sport legen ihren selbstdarstellerischen Charakter nicht ab und sind für

ein Unternehmen deshalb nicht vorstellbar. Unrealistische finanzielle und fachliche Vor-

stellungen sowie unrealistische Einsatzmöglichkeiten verhindern eine gelungene berufli-

che Integration.

8.2 Richtiges Matching ist der halbe Job!In der Zeichnung 6 (Seite 51) wird der Prozess eines Matchings im Bewerbungsverfahren

dargestellt. In einem 3-Schritt Modell des Beratungsdreiecks zwischen Sportler/in, HR-

Manager/in und Coach erfolgt das Zusammenführen der Anforderungen, Wünsche und

Bedürfnisse. Die Analysen der Stellenprofile werden mit den Fähigkeiten, Interessen und

Ausbildungen einzelner jobsuchender Sportler/innen verglichen. Die Schaltstelle bildet

die/der Coach.

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Erster Schritt: Der/die Sportler/in nimmt mit dem/der Coach Kontakt auf und deponiert

den Wunsch einer Bewerbung. Im Clearinggespräch wird eine berufliche und persönliche

Standortbestimmung durchgeführt. Dabei geht es in erster Linie um die Beschreibung der

Hard Facts wie Schul- und Berufsausbildung sowie um den Versuch einer ersten Definiti-

on des gewünschten Tätigkeitsfeldes. Im Unterschied zu anderen Jobcoachings stellt die

Beratung von Sportler/innen besondere Anforderungen an den/die Berater/in. Eine hohe Feldkompetenz im Bereich der Lebenswelten von Sportler/innen und eine abgeschlosse-

ne Coachingausbildung erleichtern die Arbeit erheblich. Die Anforderung an den Coach ist

hoch, da viele „Verführungen“ im Coachingprozess auf ihn/sie warten. Die Prominenz von

Sportpersönlichkeiten und damit verbundene Einflussfaktoren wirken bewusst/unbewusst

auf die Beratungssituation ein. Geblendet von eigenen Klischees bedarf es einer hohen

Reflexionsfähigkeit im Zuge der Beratung, um den prominenten Menschen vor sich als

„ganz normalen Coachee“ anzunehmen. Wenn die Person noch keinen ausreichenden

Abstand zum Karriereende und keine klaren Vorstellungen von einer Arbeit hat, sind An-

sprüche an den Job oft sehr unrealistisch. Die Konfrontation im Coaching mit diesen Vor-

stellungen fordert sowohl Berater/in als auch Sportler/in persönlich stark.

In einem Telefonat beschrieb Andy Dittert – ein ehemaliger Top-Handballer und nunmehr

Manager bei MTB – die erfolglose Bewerbung einer ehemaligen Sportlerin wie folgt: „Die

Bewerberin, die sich bei mir für einen Job beworben hatte, konnte mir keine gewisse

Form von Demut vermitteln. Die Leistung aus dem Sport ist nicht der Maßstab für die Tä-

tigkeit im Unternehmen. Sie hingegen glaubte, alleine durch ihren Namen und ihre Promi-

nenz für eine Tätigkeit bei uns qualifiziert zu sein. Wir nahmen sie nicht bei uns auf!“.

Eine Interviewpartnerin beschrieb die Bewerbung eines Sportlers so: „Ich hatte den Ein-

druck, er verbeißt sich in einzelne Punkte. Diese Zielstrebigkeit der Sportler kann auch

das Gegenteil bewirken. Mir war der Unterschied zwischen Zielstrebigkeit und Verbissen-

heit bei ihm nicht deutlich genug und deshalb haben wir ihn nicht genommen!“

Zeichnung 6: Matchingprozess Sportler/in-Unternehmen

Sportler/in HR-Manager/in

Coach

1.Schritt 2.Schritt

3.Schritt

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Ein gutes Jobchoaching für Sportler/innen braucht ausreichend Zeit. Oft habe ich erlebt

wie ungeduldig Sportler/innen an die Sache herangehen. Schneller, höher und stärker - das sind Eigenschaften, die im Sport enorme Bedeutung haben. Betroffene selbst können

meist gar nicht erklären, warum alles so rasch gehen muss. Sie waren es einfach so ge-

wohnt, denn die Schnelligkeit war ein wesentlicher Wert in ihrem bisherigen Leben. Erst

wenn im Coachingprozess gemeinsam entschieden wird, dass eine Bewerbung nun sinn-

voll ist, werden Bewerbungsunterlagen erstellt. Ein lückenloser Lebenslauf mit einem Be-

werbungsphoto kombiniert mit den größten sportlichen Erfolgen und ein passendes Be-

werbungsschreiben runden diesen Prozess ab. Die Flexibilität (zeitlich wie örtlich) der/die

Bewerber/in sollte im Coaching auch ausreichend besprochen werden. Im Bewerbungs-

training werden Situationen eines Bewerbungsgespräches durchgespielt und der/die Be-

werber/in setzt sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinander.

Zweiter Schritt: Nun nimmt der Coach Kontakt zu einer/m HR-Manager/in auf. Als Spe-

zialist/in für die Jobvermittlung von Sportler/innen kann er oder sie auf die Datenbank ei-

nes Firmenpools zurückgreifen. Bei Initiativbewerbungen zielt diese zweite Phase auf

ein persönliches Gespräch zwischen Sportler/in und HR-Abteilung ab. Die Auswahlkriteri-

en der Unternehmen sind auf die Interessen, die Fähigkeiten und die Flexibilität des/der

Sportler/in ausgerichtet. Im Telefonat zwischen Coach und HR-Zuständigem/r werden of-

fene Fragen geklärt. Hier sollte auch die Gelegenheit für das Ansprechen von Klischees und Vorurteilen angeboten werden. Bei prominenten Sportler/innen gehen HR-

Manager/innen oft die Gehaltsvorstellungen und öffentliche Aussagen des/der Sportlers/in

durch den Kopf oder sie assoziieren mit der ausgeübten Sportart stereotype Vorstellun-

gen. Coaches nehmen in diesen Gesprächen eine neutrale Stellung ein und unterstüt-

zen HR-Zuständige durch Erklärungen betreffend die Person oder die Sportart. Eine ge-

sunde Äquidistanz des Coaches zur Sportlandschaft fördert ein offenes Ansprechen von

Vorurteilen. Ideale Voraussetzungen haben Jobcoaches, die mit dem Sportgeschehen

vertraute sind, aber dem Sport nicht zu nahe stehen.

Dritter Schritt: Wenn das Unternehmen an der Bewerbung des/der Sportlers/in grund-

sätzlich Interesse zeigt beginnt die intensive Vorbereitung auf die Bewerbungssituation.

Wie schaffen es Coach und Coachee zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden?

Wie wird das Bewerbungsgespräch verlaufen? Welchen Eindruck möchte der/die

Sportler/in im Gespräch vermitteln? Ziel der Phase ist einen gemeinsamen Gesprächs-termin zwischen Coach, HR-Zuständiger/m und Sportler/in zu erhalten. Da die Lebens-

welten und die Sprache zwischen Sport und Wirtschaft wenig gemeinsam haben, über-

nimmt der/die Coach in diesem Gespräch eine Art Dolmetscherfunktion. Tritt stereotypes

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Verhalten zutage, ist es die Aufgabe des Coaches, dieses anzusprechen und wenn mög-

lich zu entkräften. Ein angenehmer Gesprächsverlauf schafft möglicherweise die Basis für

eine zukünftige Zusammenarbeit. Wenn sich herausstellt, dass aus nachvollziehbaren

Gründen derzeit kein Dienstverhältnis abgeschlossen werden kann, sollte die weitere Vor-

gangsweise besprochen werden. Kommt der/die Sportler/in auf eine Evidenzliste? Soll

es/sie sich regelmäßig im Unternehmen melden oder nimmt das Unternehmen bei Bedarf

selbstständig Kontakt auf? Braucht es Qualifizierungsmaßnahmen, damit realistische Job-

chancen bestehen? Bei einer erfolgreichen Bewerbung und einer Zusage am Ende des

Gesprächs werden die Details der weiteren Vorgangsweise besprochen. Scheitert die Be-

werbung bleibt der/dem Sportler/in in der Beratung. Weitere Coachinmaßnahmen für an-

dere Stellenausschreibungen werden gesetzt.

8.3 Erkenntnisse aus der Theorie – Jobcoaching für Sportler/innenEin Anforderungsprofil für Jobcoaches von Sportler/innen ist notwendig! Wer zukünftig

den erfolgreichen Umstieg der Sport- in die Berufskarriere durch professionelle Begleitung

unterstützen möchte, braucht folgendes Know-how:

Kenntnisse der „Lebenswelten“ von Top-Athleten/innen: Sie sind Voraussetzung für das

Verständnis der Situation von Sportler/innen nach dem Ende der Karriere. Wer sich als

Coach noch nie Gedanken über das aktive Leben von Sportler/innen gemacht hat, wird

keinen Zugang zur Problemstellung dieser Personengruppe haben. „Es ist nicht alles

Gold, was glänzt“ - so würde ich die durch Medienberichte oft verfälschte Traumwelt be-

schreiben. Ich widme diesem Themenblock deshalb neben der theoretischen Auseinan-

dersetzung auch eine Befragung, die ich an 64 Sportler/innen via Email versendet habe.

Diese Ergebnisse vergleiche ich am Ende der Masterthesis mit den Einstellungen von

HR-Manager/innen.

Kenntnisse der Anforderungen an HR-Zuständige und unternehmerisches Wissen: Die

Aufgabengebiete, das Anforderungsprofil und die Verantwortung von HR-Manager/innen

sind in Unternehmen sehr verschieden geregelt. Fundiertes Wissen über Wirtschaftsab-

läufe erleichtert die Arbeit im Jobcoaching wesentlich. Gibt es Vorurteile bei HR-Zuständi-

gen gegenüber Sportarten oder überhaupt eine Ablehnung gegen Leistungssport? Sind im

Unternehmen Ausnahmeregelungen für prominenten Sportler/innen informell oder formell

geregelt? Besteht für das Unternehmen ein Unterschied zwischen prominenten und nicht-

prominenten Sportler/innen? Hat die Erfahrung mit ehemaligen Sportler/innen Einfluss auf

das Einstellungsverhalten? - diese Fragestellungen sind die Grundlage eine Unterneh-

mensanalyse, die im Vorfeld der Zusammenarbeit erfolgt. Unternehmen, die keinen positiv

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erkennbaren Zugang zum Sport haben, werden für den Bewerbungsprozess eine andere

Strategie verlangen als sportnahe Firmen. Argumente, die für die Einstellung von ehema-

ligen Sportler/innen sprechen werden auf Basis der Unternehmenskultur in den Prozess

eingearbeitet.

9 Empirischer Teil - Methodisches Vorgehen Am Beginn des empirischen Teils erkläre und begründe ich meine methodische Vorge-

hensweise. In weiterer Folge wird der empirische Befund beziehungsweise werden die

Vergleichstabellen der Interviews dargestellt, um diese dann zu interpretieren und zu ana-

lysieren. Am Ende der Arbeit ziehe ich Rückschlüsse auf die Ergebnisse und vergleiche

interessante Details miteinander.

9.1 Triangulation zweier MethodenIch habe mich bei der vorliegenden Arbeit für eine Triangulation von Leitfadeninterviews

und schriftlichen Fragebögen entschieden. Mit den Unternehmensvertreter/innen führte

ich Leitfadeninterviews, – also fokussierte Einzelinterviews - um mir die persönlichen Ein-

stellungen von HR-Zuständigen durch ausführliche Gespräche und durch meine persönli-

che Wahrnehmung im "face-to-face"- Kontakt genau ansehen zu können. Die Erstellung

des Fragebogens erfolgte auf Basis von Jochen Gläser und Grit Laudel beschriebenen In-

halte und Funktionen von Fragen bei Experteninterviews.(Gläser/Laudel,2009) [GLÄ0]Die

Interviews wurden von mir mittels Feldnotizen während der Gespräche dokumentiert und

innerhalb von zwölf Stunden detailliert niedergeschrieben.

Mit den Sportler/innen führte ich eine Email-Umfrage mit einem schriftlichen Fragebogen

durch. Die inhaltlichen Aussagen wurden kategorisiert und in Tabellen dargestellt. Da mir

der Bezug meiner Masterarbeit zum Bundesland Salzburg sehr wichtig ist, habe ich mich

bei der Auswahl der Interviewpartner/innen (HR-Manager/innen) ausschließlich auf Unter-

nehmen mit einem Firmensitz im Bundesland Salzburg konzentriert. Bei den Sportler/in-

nen griff ich auf meine persönliche Datenbank zurück und befragte österreichische Sport-

ler/innen und Sportler aus allen Bundesländern. Eine Einschränkung auf das Bundesland

Salzburg hätte kein ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung stellen können.

9.2 HypothesenDie Hypothesen stellen die Ausgangslage, die Schlüsselstelle(n) und das Ergebnis einer

Masterthesis dar. In dieser Arbeit versuchte ich Forschungsfragen zu definieren, welche

verwertbare Ergebnisse für die Wirtschaft und für den Sport liefern sollen. Als Ziel der Ar-

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beit sollen verifizierte oder falsifizierte Aussagen als Diskussionsgrundlage für eine noch

zu führende öffentliche Auseinandersetzung mit der Thematik dienen. Die folgenden vier

Aussagen wurden durch die Befragungen bearbeitet.

9.2.1 Hypothese I – Je prominenter der/die Sportler/in ist, desto leichter kommt es zu einem Bewerbungsgespräch!Ich bin der Meinung, prominente Spitzensportler/innen sind für Unternehmen als Perso-

nen interessanter als ihre unbekannten Kollegen/innen. Gemeinsam ist jedoch allen

Sportler/innen, dass deren Sportkarriere/sportliche Erfolge keine Auswirkungen auf den

Erfolg des Berufseinstieges hat. Ich gehe in dieser Annahme davon aus, dass Zeiten aus

dem Spitzensport von HR-Manger/innen nicht als Arbeitszeiten und berufliche Praxis ge-

sehen werden und deshalb keinen positiven Einfluss auf das Einstellungsverhalten haben.

Somit wirken sich Spitzensportkarrieren negativ auf das nachsportliche Berufsleben aus!

9.2.2 Hypothese II – Für (erfolgs)verwöhnte Athleten/innen ist der Umstieg schwieriger als für weniger erfolgreiche!Ich gehe davon aus, dass der Übergang von der sportlichen zur beruflichen Laufbahn

umso schwieriger wird, je prominenter der/die Sportler/in ist! Es zeigt sich in der Praxis,

dass vor prominente Sportler/innen aus prominenten Sportarten (Fußball, Skisport-Alpin)

in der Durchführung persönlichen Angelegenheiten sehr unselbstständig agieren. Sie wer-

den von Trainer/innen und dem Verband jahrelang umsorgt und brauchen keine Verant-

wortung übernehmen. Das „Erwachsen-Werden“ und der persönliche Reifungsprozess

verzögern sich durch die geschützte Atmosphäre, in der die Sportler/innen während der

Sportlaufbahn eingebettet sind. .

9.2.3 Hypothese III – Mit professioneller individueller Förderung gelingt die berufliche Integration leichter!Meine dritte Hypothese stützt sich auf Erfahrungswerte aus der Praxis. Eine individuelle

maßgeschneiderte und professionelle Beratung durch ausgebildete Bildungs- und Berufs-

berater/innen für ehemalige Sportler/innen ist die Grundlage zur Verbesserung der Ist-Si-

tuation und der Eingliederung in den Arbeitsprozess! Je klarer die Vorstellungen über Be-

rufsbilder aber auch die Wahrnehmung von Interessen und Fähigkeiten abseits des

Sports sind, desto realistischer ist die Einschätzung eines nachsportlichen Werdegangs!

9.2.4 Hypothese IV – Recruiter/innen brauchen qualifiziertes Personal mit Praxis! Die Sportzeit wird nicht als Berufspraxis bewertet!

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Ich nehme an, dass es für eine/n Recruiter/in keine Wichtigkeit hat ob die Person, die sich

bewirbt, einen Weltmeistertitel vorweisen kann und über mehrere Jahre Mitglied des Na-

tionalteams war. Für Personalisten/innen ist die Erfüllung des Anforderungsprofils aus-

schlaggebend. Wenn die Bewerbung dieser entspricht erhält man die Chance für ein Be-

werbungsgespräch.

10 Interviews mit Recruiter/innen aus Salzburger Unternehmen

10.1 Auswahl der Interviewpartner/innenUm einen stärkeren Bezug zum Bundesland Salzburg zu erhalten, wurden ausschließlich

Vertreter/innen von Unternehmen die ihren Firmensitz im Bundesland Salzburg haben be-

fragt. Non-Profit-Organisationen, der Öffentlichen Dienst sowie „staats- bzw. landnahe“

Betriebe wurden in die Untersuchung nicht einbezogen.

10.1.1 KontaktaufnahmeMit den Interviewpartner/innen nahm ich entweder nach Internetrecherchen telefonisch

oder per Mail Kontakt auf oder ich fand sie über das soziale Netzwerk Xing. Einige HR-

Manager/innen fragte ich direkt bei einer Wirtschaftsveranstaltung des ITG-Salzburg.

10.1.2 Unternehmensgröße und BrancheDie Größe der untersuchten Unternehmen liegt zwischen 100 und 20.000 Mitarbeiter/in-

nen. Es wurde ein Branchenmix angestrebt. Eine große Salzburger Versicherung und ein

Salzburger Bankverband – beide arbeiten mit einem aktiven Skifahrerpaar und einem

ehemaligen Salzburger Top-Schifahrer als Werbeträger – lehnten ein Interview ab. Des-

halb konnte nur zwei mit Sportsponsoring vertraute Unternehmen (eine Versicherungs-

und Bausparunternehmen und ein Bierhersteller) in die Befragung aufgenommen werden.

Die anderen Unternehmen sind aus der Produktions- und Handelsbranche, der Lebens-

mittel- und Bekleidungsindustrie, der Gastronomie, der Automobilindustrie sowie dem

Flugverkehrsbereich.

10.1.3 Anzahl der InterviewsInsgesamt wurden vierzehn persönliche Leitfadeninterviews durchgeführt. Ein Personal-

manager sagte mir einen Termin kurzfristig ab und beantwortete die Fragen schriftlich.

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10.1.4 GenderperspektiveAn den Interviews nahmen neun weibliche und fünf männliche HR-Zuständigen teil. Ge-

schlechtsspezifische Antworten wurden nicht ausgewertet.

10.2 Inhalte der FragebögenIch verwendete zwei Fragebögen. Einer hatte drei allgemeine Meinungsfragen zum Inhalt,

der zweite beschäftigte sich ausführlich mit Fragen der

a) persönlichen Daten der Befragten,

b) Methoden des Recruitingverfahrens im Unternehmen,

c) Erfahrungen mit Sportler/innen im Unternehmen,

d) verfestigten Vorurteilen und/oder Klischeevorstellungen gegenüber Sportarten sowie hypothetischen Szenarien von Bewerbungen aus dem Spitzensport und

e) persönlichen Einstellungen der Befragten zum Sport

10.3 Berufsbezeichnungen der Interviewpartner/innenBis auf eine Geschäftsführerin, die in der Personalauswahl mitentscheidet, wurden Inter-

views mit Personalverantwortlichen durchgeführt. In einigen Unternehmen waren es Füh-

rungskräfte aus der Personalabteilung aber es wurden auch Gespräche mit Mitarbeiter/in-

nen geführt, die ausschließlich für das Recruiting zuständig sind.

10.4 Zeitlicher Aufwand der InterviewsDer durchschnittliche Zeitaufwand der Interviews betrug 65 Minuten. Bei einigen Inter-

viewpartner/innen entwickelte sich im Anschluss an das Interview ein persönliches Ge-

spräch über meine Erfahrungen aus der Praxis. Zwei Interviewpartner/innen haben den

MTD-Lehrgang besucht und interessierten sich für die Entwicklung des Lehrgangs und mit

einem Befragten sprach ich ausführlich über kreative und innovative Formen des Sports-

ponsorings.

10.5 Statements von HR-Manager/innenIn den folgenden Statements der von mir Befragten werden gängige positive und negative

Klischees und Vorurteile aufgezeigt, die sich auf ein Bewerbungsverfahren auswirken.

Auf meine Frage, welchen Unterschied es macht, wenn sich ein/e Sportler/in bei ihm be-

wirbt, antwortet ein HR-Manager: „...den fachlichen Unterschied. Wenn jemand sein bis-

heriges Leben lang z.B. nur auf den Skiern gestanden ist, bringt er eben in anderen Be-

reichen nicht die Berufserfahrung ein, die für den Job notwendig sind (z.B. nachweisbare

Erfolge im Außendienst, Abschlussstärke im Verkauf, etc.). Anders formuliert: Nur weil je-

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mand im ÖSV-A-Kader drinnen war, bedeutet das für einen anderen Bereich noch gar

nichts....“ Eine Personalistin antwortete auf dieselbe Frage: „...es macht überhaupt keinen

Unterschied. Sie (Anm.: die Sportler/innen) können gut mit Stress und Druck umgehen,

das ist mir schon klar...!“

Und auf meine Frage, was sich ändert, wenn sich ein/e prominente/e Sportler/in bewirbt

antwortet jemand: „Ich glaube ein Problem wäre die Bezahlung; wir könnten sicher nicht

das bezahlen, was die verdient haben.“

Auf die Frage, wo im Unternehmen er sich eine/n Sportler/in gut vorstellen kann, antwortet

ein Personalentwickler mit: „Sportler können überall eingesetzt werden; sie sollen dort ar-

beiten, wo sie ihren Job gut machen. Wenn sie es können, sollen sie im Marketing arbei-

ten und auch ihr „Gesicht“ zeigen. ….Wenn sie ein Gspür haben, kann ich sie mir auch in

der Personalabteilung vorstellen.“ Zur selben Frage gibt ein HR-Chefin an: „Ich könnte

mir Sportler überall vorstellen, vor allem wenn sie eine Matura haben. Natürlich hängt ihr

Einsatz von der Qualifikation ab.“

Eine andere Interviewpartnerin äußert sich auf die Frage von prominenten Bewerber/in-

nen aus dem Sport so: „Für mich ändert sich nichts! Wenn einer vor mir sitzt, würde ich

ihn fragen, warum er arbeiten will, wenn er doch prominent ist und nicht mehr arbeiten

muss? Warum will er gerade bei uns anfangen?“. Befragt aus welchen Sportarten sie kei-

ne oder besonders gerne Sportler/innen rekrutieren möchte, antwortete eine HR-Leiterin:

„Positiv assoziiere ich Teamsportarten wie Volleyball, aber auch Tischtennis, Golf und

Schach. Nicht rekrutieren möchte ich jemanden aus Extremsportarten oder Nahkampfs-

portarten“.

10.6 Auswertungen der Leitfadeninterviews mit HR-Manager/innen Frage 1: „Wie bezeichnen Sie Ihre Funktion im Unternehmen?“

Antworten Anzahl der AntwortenPersonalentwickler/in 2HR-Manager/in 5Personalmanagement & Recruiting 1Personalmanager/in 1Personalleiterin und Buchhaltung 1Leiter Personal- und Sozialwesen 1Abteilungsleiter Personaldienstleistung 1Head of HR 1Inhaberin/Geschäftsführerin 1

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Bemerkungen und Interpretation: Wie von mir bereits im theoretischen Teil der Arbeit be-

schrieben, gibt es kein einheitliches Berufsbild von HR-Zuständigen. Es hängt stark von

der Größe, der Branche und der Unternehmenskultur ab, welche berufliche Identität Per-

sonalisten/innen vor Ort haben. Die Bezeichnungen auf den Visitenkarten lassen Rück-

schlüsse auf die Geschichte eines Unternehmens und dessen Zugang zu Personalange-

legenheiten zu. International tätige Salzburger Unternehmen, die aus einem Familienbe-

trieb gewachsen sind, bleiben eher bei deutschsprachigen Bezeichnungen, internationale

Konzerne hingegen verwenden meist die englische Berufstitulierung.

Frage 2 – Recruiting im Unternehmen

a) „Wer ist in Ihrem Unternehmen für das Recruiting zuständig und gibt es standar-disierte Verfahren?“Antworten Anzahl der AntwortenIn der Zentrale das Chefsekretariat und Abteilungsleiter - standardisierter Ablauf; Ich als HR-Managerin mit der zuständigen FK gemeinsam; Die Zentrale macht Vorschläge für die FK, die dann auswählt; Wir zu zweit unter Beziehung der Fachabteilung

4

Eine Dame der Zentrale und dann entscheiden wir als GF - Standardisierte Verfahren vor allem bei den Lehrlingen; Ich mache die Vorauswahl und der Chef (GF) entscheidet

2

Kommt auf die Stelle an: bei Sachbearbeiter/innen machen das meine Mitarbeiter/innen + Vorgesetzter und eine weitere Person, bei Führungskräften entscheidet neben dem PE auch die GF oder Vertreter der Holding – standardisierte Verfahren;Ja und Nein – kommt darauf an, in welcher Abteilung wir suchen, es hängt vom Abteilungsleiter ab; Kommt immer auf die Stelle an. Endauswahl ist immer mit dem zukünftigen Vorgesetzten; Wir sind zu dritt in der PE-Abteilung, Einzelgespräche dann gemeinsames Gespräch

4

Storemanager/innen entscheiden selbst; ich wähle die FK aus (verhaltensorientierte Interviews)– ja, es gibt Vorlagen, die als Empfehlungen gesehen werden

1

Ich entscheide selbst, für Schlüsselstellen beziehe ich manchmal auch externe Personalberater ein – halbstrukturierte Interviews und eventuell Potenzialanalyse; Wir gehen auf Messen und in Schulen – manchmal setzen wir Headhunter ein

2

Wir in der PE Abteilung – wir verwende auch NLP-Techniken und eine Fragebogen (besonders bei Lehrlingen);

1

Bemerkungen und Interpretation: Grundsätzlich hat jede/r Unternehmensvertreter/in die

Frage auf standardisierte Verfahren bejaht. Einige Unternehmen behandeln Bewerbun-

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gen von Lehrlingen gesondert. Hier werden spezielle Testverfahren verwendet. Manche

greifen dabei auf die von der Wirtschaftskammer entwickelten Tests zurück andere Firmen

haben eigene Fragebögen entwickelt. Es wurde bei fast allen Interviews explizit ange-

merkt, dass Peronalentscheidungen nicht alleine getroffen werden. In den meisten Fäl-

len wird die Endauswahl gemeinsam mit der für den/die Bewerber/in zukünftigen Füh-

rungskraft (FK) geführt. Bei der Auswahl von Führungskräften entscheidet häufig die Ge-

schäftsführung oder Konzernleitung mit. Manche Firmenstrukturen sind so aufgebaut,

dass die Vorselektion der Bewerbungen von einem (Chef)Sekretariat erfolgt und dann erst

an die Personalabteilung weitergeleitet wird. Je kleiner das Unternehmen, desto enger ist

die Zusammenarbeit zwischen HR-Management und Geschäftsführung.

b) „Gibt es Ausnahmen von diesem oben beschriebenen Ablauf?“

Antwort Anzahl der AntwortenNein 3Ja, es kann vorkommen, das jemand jemanden besonders empfiehlt, der bekommt ein Post-it auf die Unterlagen aufgeklebt; Ja,aber selten. Die Eigentümer haben das Recht selbst Leute zu nehmen. Diese werden dann aber von unserer Abteilung getestet; Ja, es kommt immer wieder vor, dass Bewerber/innen direkt vom Vorstand kommen. Hier wird dann ein eigenes Gespräch geführt. Für mich ist das Netzwerken – ich sehe das positiv;

3

Nein, lächelt .. vielleicht. Manchmal hat jemand eine bestimmte Person im Auge. Aber es geht nicht ohne Zustimmung der Personalabteilung; Wenn jemand über den Chef „kommt“, läuft er dasselbe pro cedere durch; Eigentlich nicht – einmal hat ein Politiker interveniert, dass ist dann völlig schiefgegangenEigentlich nicht....Eher nein (..zögert), manchmal sagt jemand, das er jemanden im Unternehmen kennt

5

Ja, wenn wir einen neuen Store eröffnen, dann machen wir Gruppeninterviews, da sich bis zu 600 Personen bewerben Ja, in den Landesdirektionen gibt es andere Vorgangsweisen, auch im Vertrieb läuft es anders, dort rekrutieren die FK.Ja, leider. Soll aber nicht vorkommen. Wenn nämlich eine FK mündlich jemanden etwas zusagt, können wir in der HR-Abteilung nichts mehr machen

3

Bemerkungen und Interpretation: Die Mehrheit der Befragten beantwortete diese Frage

mit einem klassischen „Jein“! Ich schließe daraus, dass es immer wieder zu Interventio-

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nen in den Personalabteilungen kommt. Diese Abweichungen vom Standardverfahren

werden jedoch per se nicht negativ bewertet. Ein Tipp für eine besonders geeignete Per-

son wird von HR-Manager/innen immer gerne angenommen. Negativ und auch kritisch

angemerkt wirken sich politische oder autoritäre Einmischungen auf laufende Bewer-

bungsverfahren aus. Ich nahm diese Frage in den Fragebogen auf, um einem klassi-

schen Klischee – „Sportler/innen werden in ein Unternehmen „reingedrückt, ohne dafür qualifiziert zu sein“ - nachzugehen. Es hat sich nachweisen lassen, dass solche

Situationen in der Privatwirtschaft nicht vorkommen. Sie würden die Unternehmensziele

und Umsatzvorgaben gefährden. In der Sportbranche, in „staatsnahe“ Betriebe, in Sport-

verbänden und -organisationen sowie dem Öffentlichen Dienst gilt diese Annahme aus

meiner Sicht nicht. Hier sind schon zu viele Fälle von nicht transparenten Personalent-

scheidungen bzw. Entscheidungen ohne Ausschreibungen getroffen worden.

c) „Wie wichtig sind Bewerbungsunterlagen? Worauf achten Sie dabei besonders?“

Antworten Anzahl der AntwortenWichtig – einschlägige berufliche Erfahrungen;Schon wichtig – die Form, das Photo und die Rechtschreibung;Wichtig – wenn der Job Praxis verlangt, schaue ich darauf;Wichtig – Die Form ist sehr wichtig und der LL soll lückenlos sein;Wichtig – vor allem die Vollständigkeit der Unterlagen, die Bewerbung soll individuell gestaltet werden

5

Sehr wichtig – hier sieht man, ob sich jemand bemüht, Lebenslauf (LL) ist die Visitenkarte;Sehr wichtig – ich schaue auf Struktur und Form, LL soll authentisch und lückenlos sein;… sind die Visitenkarte des/r Bewerbers/in, sorgfältig aufbe-reitet, gut verfasstes Bewerbungsschreiben und Vollständigkeit der Unterlagen;Sehr wichtig – erster Eindruck, Vollständigkeit und Nachvoll-ziehbarkeit, fehlerfrei und wir wünschen ein Photo;Ganz wichtig! Sie werden genau gesichtet – nur die besten 5-10 Personen erhalten eine Einladung;Extrem wichtig – sie werden genau analysiert, im Vertrieb entscheidet die Persönlichkeit, da sind die Unterlagen nicht so wichtig;Sehr wichtig – ausführliche Unterlagen, wenn möglich mit Zeugnissen, sollte jemand Zusatzausbildungen haben, möchte ich das auch wissen;Sehr wichtig – lückenlos und mit Photo, das Anschreiben soll eindeutig auf das Unternehmen bezogen sein

8

Derzeit herrscht ein Paradigmenwechsel, was früher für einen LL wichtig war ist es jetzt nicht mehr, wir schauen nicht mehr so auf die Form des LL

1

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Bemerkungen und Interpretation: Ich wählte diese Frage aus um festzustellen, welche Be-

deutung schriftliche Unterlagen im Recruitingverfahren haben. Als Jobcoaches erarbeiten

wir mit unseren Coachees genaue und detailgetreue Lebensläufe. Die Bestätigung für die-

se Mühen sind in den Antworten klar und deutlich herausgekommen. Denn bei der Beant-

wortung dieser Frage waren sich alle einig! Bewerbungsunterlagen sind wichtig; sie

sollen ordentlich, lückenlos, nachvollziehbar, sorgfältig aufbereitet und mit einem aktuellen

Photo versehen sein. Fehlende Praxis – oft bei Sportler/innen der Fall – ist für viele Jobs -

aber nicht für alle - ein Nachteil. Je besser die Bewerbungsunterlagen sind, desto höher

sind die Chancen zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.

d) „Beachten Sie Softskills, Hobbys und besondere Fähigkeiten im Lebenslauf?

Antworten Anzahl der AntwortenSkills wie Erscheinungsbild, Selbstsicherheit, Kommunikations-fähigkeiten werden im Rahmen des Bewerbungsgesprächs festgestellt, manche Fähigkeiten stellen sich erst im Arbeits-umfeld heraus;

1

Schon ein wenig;Schaue ich mir schon an, aber eher frage ich diese Sachen im Gespräch ab;Diese fließen ins Gespräch ein, wenn eines geführt wird. Zur Auswahl ist es nicht ausschlaggebend, da zählt die fachliche Ausbildung;Fällt mir schon auf, aber diese wären oder sind kein Pluspunkt für den/die Bewerber/in

4

Ja, …... (keine weitere Antwort);Ja, da schaue ich drauf – vor allem bei jungen Leuten und Lehrlingen finde ich es interessant, ob der/die schon mal wo Verantwortung übernommen hatJa, diese geben Aufschluss, ob jemand z.B. teamfähig ist (spielt Volleyball), Sinn für Farben hat (Malen) oder Ästhetik (Photo-graphie), vor allem im persönlichen Gespräch frage ich nach

3

Hobbys interessieren mich weniger, bei anderen Fähigkeiten schaue ich genauer nach

1

Ehrlich gesagt: Nein bzw. nicht bewusst 1Ja, ganz wichtig! Da schaue ich drauf;Ja, sehr – wenn sie nicht im CV stehen, dann frage ich im Be-werbungsgespräch nach, am liebsten sind mir Menschen, die sich sportlich betätigen, wir haben in den Vorlagen für die Be-werbungsgespräche einen ganzen Block mit Fragen zur Frei-zeit;Ja, ist mir sehr wichtig – auf das schaue ich und frage im Ge-spräch nach!

3

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Bemerkungen und Interpretation: Beim ersten Interview hatte ich diese Frage nicht ge-

stellt. Deshalb gibt es hier nur 13 Antworten. Sie war für mich wichtig, da seitens des

Sports (Sportvertreter/innen) immer mit dem Argument der Softskills von Sportler/innen

bei Unternehmen geworben wird. Die Ergebnissen zeigen wie verhältnismäßig wenig Be-deutung sie gegenüber anderen Auswahlkriterien haben. Persönliche Fähigkeiten erhal-

ten erst Bedeutung, wenn sich das Personalmanagement für ein Vorstellungsgespräch

entschieden hat.

e) „Welchen Anteil am Zustandekommen eines Dienstverhältnisses hat die Persön-lichkeit des/der Bewerbers/in?“Antworten Anzahl der AntwortenDie Bewerbung steht und fällt mit der Persönlichkeit;Einen hohen Anteil; Sehr wichtig Sehr großen! Ich arbeite nach dem Motto: „Zuerst wer, dann was!“ - natürlich braucht die Person eine fachliche Qualifikation;Den größten Teil – die Persönlichkeit muss passen!Sehr wichtigen, unabhängig von der fachlichen Qualifikation ist das das Entscheidende im Bewerbungsverfahren;Sehr hohen Anteil – diese werden durch das unterstützende Interview gut herauskristallisiert;Sehr wichtig – die äußerliche Erscheinung, passende Kleidung, Angemessenheit im Verhalten, Händedruck, Augenkontakt und inhaltliche Vorbereitung;Ist das nicht das Wichtigste?? - die Letztentscheidung hängt ausschließlich von der Persönlichkeit ab;Einen sehr großen Anteil;80% - also einen sehr hohen!Ab dem Bewerbungsgespräch sehr wichtig – für mich (als HR) nicht so wichtig wie für den Vorgesetzten. Dort soll die Person ja ins Team passen

12

Mindestens 60-70% - bei uns geht es um Vermittlung von Emo-tionen und wir brauchen MA, die diese vermitteln können! Ich musste noch nie jemanden aus fachlichen Gründen kündigen, sondern immer, weil es mit der Person Schwierigkeiten gab;

1

Auch, aber verschieden. Es gibt keinen Job, wo das nicht wichtig ist

1

Bemerkungen und Interpretation: Diese Frage wurde eigentlich sehr eindeutig beantwor-

tet. Die Persönlichkeit hat einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg der Bewer-

bung! Schafft es einmal jemand bis zu einem Bewerbungsgespräch, stehen neben der

fachlichen Eignung persönliche Eigenschaften im Mittelpunkt. Eine gute Vorbereitung auf

ein Bewerbungsgespräch mit einem professionellen Bewerbungstraining erscheint aus

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diesem Grund wichtig. Sportler/innen können sich aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem

Sport gut „verkaufen“. Wenn sie es also schaffen, zu einem Gespräch eingeladen zu wer-

den, steigen ihre Chancen – vor allem bei entsprechender fachlicher Qualifikation – stark

an. Die eigenen Stärken und Schwächen im Bewerbungsgespräch authentisch zu vermit-

teln, stellen einen Meilenstein zum Erfolg in der Bewerbung dar.

Frage 3 – Erfahrungen im Unternehmen mit Sportler/innen

a) „Gibt es ehemalige Sportler/innen im Unternehmen?“

Antworten Anzahl der AntwortenJa; (2x)Ja, einen Eishockeyspieler (der war schon Lehrling bei uns) und einen ehemaligen Skirennläufer;Ja, wir haben einen ehemaligen Fußballer der Austria Salzburg;Ja, zumindest einen. Er ist Inhaber und GF des Unternehmens ;Ja, im Vertrieb;Ja, eine ehemalige Nationalteam-Volleyballerin;Ja, einen ehemaligen Skirennläufer

8

Nein; Hier kenne ich niemanden, aber bei früheren Arbeitgebern hatten wir welche

4

Nein, naja vielleicht – wir hatten einen, der in der Landesliga Fußball spielte; wir nahmen auf seine Trainingszeiten Rück-sicht, er war schon Lehrling bei uns

1

Es gibt sicher welche, aber ich kann keine Namen nennen, weil ich sie nicht kenne

1

Bemerkungen und Interpretation: Dieses für mich überraschende Ergebnis zeigt, dass

über die Hälfte der befragten Salzburger Unternehmen Sportler/innen beschäftigen. Je-

doch wird darüber intern wenig gesprochen. Sportler/innen werden, sobald sie im Unter-

nehmen integriert sind, nicht mehr als Ex- Sportler/innen wahrgenommen. Ausnahme bil-

den berufliche Tätigkeiten, die Sportvergangenheit zugeschriebene werden. Bei angestell-

ten Sportler/innen sind drei Kategorien vertreten: Sportler/innen, die parallel zur berufli-

chen Tätigkeit die Sportlaufbahn eingeschlagen haben, Sportler/innen, die nach Beendi-

gung ihrer Sportlaufbahn in das zivile Berufsleben umgestiegen sind oder Sportler/innen,

die während der Sportkarriere in ein Unternehmen integriert wurden (z.B. als Teil des

Sponsorings). Auf Punkt 3 werde ich in den Handlungsanweisungen ab Seite 89 noch-

mals ausführlicher eingehen, da er als zukunftsweisender Faktor für eine Verbesserung

der Ist-Situation noch unterschätzt wird. Die Präventionsarbeit für das Berufsleben von

Sportler/innen setzt hier an. Neben staatlicher Unterstützung kann die Wirtschaft durch

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solche Maßnahmen einen wertvollen Beitrag leisten.

b) „Wenn ja, wo sind sie tätig und wie sehen die Erfahrungen aus?“

Antworten Anzahl der AntwortenIm Vertrieb und Kundendienst;Im Vertrieb – die Erfahrungen sind gut;Beide sind im Verkauf tätig und wir haben gute Erfahrungen, sie sind sehr zielorientiert

3

In der Werkstatt;Im Frachtbereich – er hat sich dort ein wenig hochgearbeitet

2

Weiß ich ebenso nicht 1Abteilungsleiter für den Druckbereich;Er ist Führungskraft

2

Inhaber und GF – er hat sich im Unternehmen hochgearbeitet 1Marketing - sie ist sehr zielstrebig und arbeitet derzeit nach der Karenz im Home-office

1

Bemerkungen und Interpretation: Diese Frage wurde von 10 Interviewpartner/innen beant-

wortet. Es ergibt sich eine Bandbreite des Einsatzes von ehemaligen Sportler/innen. Ab-

hängig von deren Ausbildung sind sie in allen Bereichen eingesetzt und arbeiteten sich

mitunter im Unternehmen hoch. Laut Aussagen der HR-Manager/innen ist kein Unter-

schied zu anderen Arbeitnehmer/innen bemerkbar. Die höhere Zielstrebigkeit kam auf-

fallend oft als zusätzliche Anmerkungen vor. In einem von mir untersuchten Unternehmen

wurde aus einem ehemaligen Sportler mittlerweile der Inhaber. Er wurde während der ak-

tiven Sportlaufbahn von seinem Sponsor in das Unternehmen eingegliedert und über-

nahm nach dessen Pensionierung das Unternehmen. Ob diese berufliche Entwicklung

auch stattgefunden hätte, wäre der Sportler ein „Star“ in seiner Sportart gewesen, konnte

im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden.

c) „Wenn nein, wo können Sie sich einen Einsatz eines/r ehemaligen Sportlers/in besonders gut vorstellen?“

Antworten Anzahl der AntwortenSie können überall eingesetzt werden;In vielen Bereichen wie Außendienst, aber auch als Storema-nager/innen, Aera Manager/in finde ich auch gut – hängt ganz vom Typ ab;Eigentlich überall

3

Marketing? Im technischen Bereich kann ich sie mir eher nicht vorstellen, Im Verkauf denkbar, weil sie sich gut präsentieren können

3

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Bemerkungen und Interpretation: Bis auf die Aussage: „im technischen Bereich kann ich

sie mir eher nicht vorstellen“ griff von den vier Befragten niemand auf klassische Kli-

schees zurück. Wenn, dann kamen Antworten im positiven Sinne, dass Sportler/innen

sich gut präsentieren können und damit für den Außendienst/Verkauf als gut geeignet ge-

sehen werden.

Frage 4 – Vorurteile/Stereotype/Klischeevorstellungen

a) „Können Sie mir Sportarten nennen, aus denen sie gerne oder überhaupt nicht rekrutieren möchten?“

Antworten Anzahl der AntwortenKeine Antwort – kann ich nichts dazu sagen;Keine Antwort ; (4x)

5

Nein, es gibt für mich keine Kriterien; weder sehe ich einen Un-terschied zwischen Einzel- und Teamsportarten, noch kann ich eine Sportart nennen, mit der ich besonders positives oder ne-gatives verbinde;Nein, eigentlich nicht;Nein, hier bin ich mit keinem Klischee verhaftet, absolut unvor-eingenommen

3

Schwierig – Fußballer und Einzelsportarten sind bei mir eher negativ besetzt

1

Keine Sportart, Teamplayer sehe ich aus Teamsportarten, Ein-zelkämpfer aus anderen

1

Ja, positiv besetzt sind Leichtathletik, Reiten, Schwimmen und Kampfsport – negativ sehe ich Fußball, Tennis und Skisport (weil die soviel verdient haben) und Boxen;Ja, positiv: Leichtathletik, Triathlon und Motorsport

2

Auch Schachspieler sind Teamplayer 1Neutral, dazu habe ich keine Meinung 1

Bemerkungen und Interpretation: Weniger stark als von mir angenommen haben sich bei

dieser Frage Vorurteile gegenüber einzelnen Sportarten herauskristallisiert. Fünf der Be-

fragten konnten mit der Frage gar nichts anfangen und antworteten darauf gar nicht. Ent-

weder haben sie sich mit dem Thema noch nicht auseinander gesetzt oder sie sind tat-

sächlich vorurteilsfrei in Bezug auf Sportarten. Einige wenige Befragte nannten konkrete

Sportarten. Diese Personen sind selbst sportlich aktiv und setzen sich mit der Materie

Sport öfter auseinander. Ein einziger Interviewpartner bezeichnete seine Einstellung ein-

deutig als neutral.

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b) „Mit welcher Sportart verbinden Sie Positives oder Negatives?“

Antworten Anzahl der Antworten??? 1am ehesten zählt bei mir noch der Leistungsgedanke, den alle Sportler/innen haben

1

Negativ: Radsport – die Skandale 1Positiv: Teamsportarten, Negativ: Extremsportarten;Positiv: Team- und Ausdauersportarten, Negativ: Extrem-sportarten ;Positiv: Teamsportarten oder Schach, Golf und Tischtennis, Negativ: Kickboxen und Extremsportarten;Positiv: Teamsportarten;Positiv: Ausdauersportarten, Negativ: Boxen, Fußball, Extrem-sportarten;

5

Tanzen ist für mich positiv, ich würde das aber niemals in die Entscheidung einbeziehen

1

Negativ: Kampfsport und Boxen 1Positiv: Ausdauersportarten, Negativ: mit Muskelprotzen eher weniger...

1

Bemerkungen und Interpretation: Es wurden hier nur elf Fragebögen ausgewertet, da ich

diese Unterfrage bei den ersten drei Interviews nicht verwendete. Die positivsten Antwor-

ten können eindeutig den Bereichen Team- und Ausdauersportarten mit insgesamt sie-

ben Nennungen zugeordnet werden! Bei diesen Sportarten entstehen in den Köpfen der

HR-Manager/innen positive Bilder. Die individuelle Fähigkeit zu teamorientiertem Handeln

und zur Ausdauer – beides ist im Berufsleben von Vorteil – wird alleine durch die Aus-

übung der Sportart vermittelt. Im Gegensatz zu diesen Meinungen zeigt die Studie der

WU-Wien „Karrierefit durch Sport“ auf, dass die Bereitschaft zur Teamfähigkeit bei Sport-

ler/innen unter dem Durchschnitt der Normalbevölkerung liegt – egal, ob es sich um

eine/n Sportler/in aus einer Team- oder Einzelsportart handelt. Hier überwiegt das positi-ves Vorurteil. Mit vier Nennungen bewerten HR-Zuständige die Ausübung von Ex-tremsportarten negativ. Neben der Verletzungsgefahr solcher Sportarten werden Ex-

tremsportler/innen als egozentrisch, zu durchsetzungsfähig und zu zielorientiert gesehen.

Ihnen wird eine Teamfähigkeit abgesprochen und sie werden als Einzelkämpfer/innen ge-

sehen. Die weiteren Nennungen von Sportarten werden mit medialen Schlagzeilen wie

„Dopingskandal“ etc. in Verbindung gebracht. Einige nennen Sportarten, welche sie selbst

ausgeübt haben oder aktuell ausüben.

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Frage 5 – Hypothetisches Szenario: Sportler/in bewirbt sich

a) „Wie ist Ihre erste spontane Reaktion, wenn Sie dies bemerken bzw. lesen?

Antworten Anzahl der AntwortenKommt darauf an, ob ich es überhaupt bemerke.. wenn ja, dann glaube ich es handelt sich um eine spannende Persönlichkeit

1

Hm, was bringt der/die mit? Welche Kompetenzen hat er/sie?Sympathisch;

2

Spielt für mich keine Rolle;Mehr oder weniger – keine besondere Rolle;Egal „wurscht“ - nur die Erfahrung zählt!Macht keinen Unterschied für mich;Würde ihn/sie genau behandeln wie andere

5

Interessant, faszinierend, was der/die schon alles erlebt hat;Ist gut! ++, Sportler/innen passen gut zu unserem CD;Ich freue mich über jede interessante Bewerbung

3

Ganz normal, ich lese mir Namen und Bewerbung durch;Aha, da hat jemand aufgehört, sonst ganz normal – ich schaue auf die Anforderung und Qualifikation

2

Bemerkungen und Interpretation: Es wurden nur dreizehn Fragebögen ausgewertet, da

ich beim ersten Interview diese Frage noch nicht stellte. Die Mehrheit der Antworten

schließt darauf, dass es keinen Einfluss auf den/die HR-Zuständige/n hat, wenn sich

eine ehemalige/r Sportler/in bewirbt. Einige Befragte zeigen Interesse an einer solchen

Bewerbung, andere finden diese zwar grundsätzlich positiv, deponieren aber im selben

Atemzug, ihnen sei die fachliche Qualifikation eines/r Bewerbers/in wichtiger. Die Mehrheit

steht also diesen Bewerbungen neutral bis positiv gegenüber. Eine Benachteiligung von

Sportler/innen ist nicht erkennbar. Diese Antworten stellen die Basis für die Ergebnisse zu

meiner vierte Hypothese dar.

b) „Ändert sich diese Einstellung, wenn der/die Sportler/in prominent ist? Was ändert sich und warum?“

Antworten Anzahl der AntwortenNein, für mich ändert sich nichts; ich würde ihn fragen, warum er arbeiten will, wenn er doch prominent ist und nicht arbeiten muss.. und warum will er gerade hier arbeiten?;Nein, ich würde darauf hinweisen, dass wir im Handel tätig sind und die Verdienstmöglichkeiten entsprechend sind; Da ändert sich bei mir nichts! Ich verbinde maximal den Namen mit etwas

3

Ja, ich bin neugierig! Aber ich möchte niemanden einladen, nur weil er/sie prominent ist und aus den Unterlagen hervorgeht,

2

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dass er/sie ungeeignet ist;Ja, denn dann bin ich neugierig!Ja, doch. Da interessiert mich, warum er aufgehört hat. Und dann möchte ich wissen, warum sich ein Prominenter zu uns in den Pinzgau bewerben möchte;Ja, erhöhtes Interesse! Den schaue ich mir auf jeden Fall an wie er sich vermarktet, wird jedenfalls eingeladen;Hm,...ich werde ihn vermutlich zu einem Bewerbungsgespräch einladen, selbst dann, wenn der LL sonst „nichts bietet“.. einfach aus Interesse; Ja, die Aufmerksamkeit ändert sich. Wenn sich ein Promi be-wirbt, dann muss vermittelt werden, dass er oder sie ganz bei uns arbeiten will! Kein Alibibewerbungen!Bestimmt! Mit Promis geht man sensibler um. Diese Leute sind etwas besonderes. Und sie werden auch so von mir behandelt.

5

Diese Bewerbungen landen nicht bei mir, sondern bei der Ge-schäftsführung – sie kommen dann zu uns in die Personal-abteilung und werden wie alle anderen behandelt

1

Ja, ehrlich gesagt da bin ich voreingenommen - ich befürchte, dass ein/e prominente/r Sportler/in die Nase „hoch“ trägt; Ich glaube, ein Promi hat es im Team schwer und ist auch kein Teamplayer;

2

Diese Situation hatte ich noch nicht, aber ich glaube, ich würde die Person nie einladen, wenn der LL nicht passt

1

Bemerkungen und Interpretation: Diese Fragestellung hat sich während der Befragungen

als Schlüsselstelle für die erste Hypothese erwiesen. Bis auf zwei Personen, die ein-

deutig negativ auf Prominente reagierten, war das Interesse und die Neugierde sehr hoch.

Immerhin 50% der Befragten würden eine/n prominente/n Sportler/in zu einem Bewer-

bungsgespräch einladen, auch wenn er/sie für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet

erscheint. Vor allem bei Initiativbewerbungen haben bekannte Sportler/innen eine hohe

Chance auf ein Bewerbungsgespräch. Somit ist die Prominenz Türöffnerin im Recrui-tingverfahren. Ob es in weiterer Folge zu einem Dienstverhältnis kommt, hängt von der

fachlichen Qualifikation des/r Bewerbers/in, dem Anforderungsprofil der ausgeschriebe-

nen Stelle und dem persönlichen Eindruck im Gespräch ab. HR-Zuständige wollen auf-

grund von Neugierde die Person kennenlernen, unter anderem auch um dann Einsatzge-

biete im Unternehmen abseits einer konkreten Stellenausschreibung zu überlegen.

c) „Hat die Persönlichkeit des/der Sportler/in Einfluss auf eine positive oder negative Personalentscheidung?“

Antworten Anzahl der AntwortenJa, wie ich schon mehrmals sagte, sie spielt die größte Rolle; 6

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Ja, sobald ich sie kennenlerne, spielt sie eine große Rolle;Da ich mit Sport etwas Positives assoziiere, ist die Persön-lichkeit wichtig!Wir sind positiv eingestellt und haben positive Erfahrungen; Zielorientierung ist wichtig; Ja, sie hat dann eine, wenn er/sie durch Bescheidenheit auffälltStärkeren Einfluss, ja. Man kann sich dann ein Bild von einem Menschen machenJa, sie hätte dieselbe Auswirkung wie bei anderen Bewer-ber/innen;Ja, wie bei jedem anderen auch;Wie bei jedem anderen auch (2x)

4

Kommt immer darauf an, welche Position er/sie besetzt, er/sie muss zum Team oder zum Vorgesetzten passen

1

Ja, aber in beide Richtungen – wenn die Person vorher sympa-thisch wirkt (durch z.B. Medien), kann sich das im persönlichen Gespräch verändern und umgekehrt;Ja, natürlich – so wie vorher beschrieben („Sportler trägt die Na-se hoch);

2

Nein, entscheidend sind die Soft- und Hardfacts in Kombination 1

Bemerkungen und Interpretation: Mehr als die Hälfte antworten mit einem Ja. Zwei Be-

fragte differenzieren dabei genauer und können sich vorstellen, dass es einen Um-

kehrschluss zwischen dem medialen Bild von prominenten Sportler/innen und dem tat-

sächlichen Auftreten geben kann. Ein Befragter antwortet eindeutig mit Nein. Vorurteile

wie „trägt die Nase hoch“ oder Überheblichkeit von Prominenten können in einem persön-

lichen Gespräch überdacht werden. Die Persönlichkeit spielt bei Prominenten ebenso

eine wichtige Rolle wie bei anderen Bewerber/innen. Vermittelt der oder die Prominente

im persönlichen Gespräch einen anderen Eindruck als erwartet, hat das eine Auswirkun-

gen auf das Ergebnis. Manche Prominente wirken im Face-to-face Kontakt sympathi-

scher, andere verlieren an Sympathie. Haben nun also prominente Sportler/innen einen

„guten Ruf“ und unterstreichen sie diesen durch einen authentischen Auftritt, steigen ihre

Chancen im Bewerbungsprozess. Neben diesen Sympathiewerten gilt für die Personalis-

ten/innen aber noch die fachliche Eignung ohne der sie eine Einstellung unternehmensin-

tern nicht rechtfertigen können.

Frage 6 – Persönliche Einstellung zum Sport

a) „Haben Sie selbst jemals wettkampfmäßig Sport betrieben?“

Antworten Anzahl der AntwortenJa (Skifahren und Naturbahnrodeln); 8

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Ja, aber nicht in großem Stil (Volksläufe, Fußball, ..);Ja (Triathlon, Ironman, Marathon, Moutainbiken, American Football, Tae-Kwon-Do und Tennis);Ja (Tanzen)Ja (Handball)Ja (Skifahren)Ja, ich nahm an drei Judoturnieren teil und war ShowdancerinJaNein; (5x)Nein, nicht erwähnenswert

6

Bemerkungen und Interpretation: Überraschend hoch ist die Anzahl an Personen, die -

meist in ihrer Jugend – wettkampfmäßig Sport betrieben haben. Da die Gruppe der Be-

fragten nicht im sportnahen Bereich tätig ist, wäre eine genauere Analyse dazu sehr inter-

essant. Für mich stellt sich die Frage, ob im Bundesland Salzburg überdurchschnittlich

viele Menschen Leistungssport betreiben oder ob die Auswahl der Interviewpartner/innen

„Zufall“ war. Ein Anteil von über fünfzig Prozent derer, die sich in Wettkämpfen mit ande-

ren gemessen haben, wurde von mir ursprünglich nicht angenommen. Vielleicht sind auch

HR-Manager/innen in der Vergangenheit sportlich aktiver als andere Berufsgruppen. Dies

wurde hier jedoch nicht untersucht.

b) „Sind Sie in Ihrer aktuellen Lebensphase kompetitiv sportlich aktiv?“

Antworten Anzahl der AntwortenJa, ich habe gerade letztes Wochenende einen Pokal gewon-nen;Ja, z.B. Radmarathon;Ja, im Triathlon;Ja, Golfturniere

4

Ich bin sportlich, aber nie kompetitiv;Nein, nicht wettkampfmäßig, nur Joggen und Radfahren;Nein, derzeit nur Freizeit- und Hobbysportler;Nein, aber ich übe viel Sport aus;Nein, nicht im kompetitiven Bereich;Ich gehe ins Damenfitnessstudio und jogge im Sommer;Nicht wettkampfmäßig

7

Ich bin Mutter von zwei Töchtern, die Sport betreiben;Nein (2x)

3

Bemerkungen und Interpretation: Über Zweidrittel der Befragten treibt während des Befra-

gungszeitraumes regelmäßig Sport. Dabei bezeichnet sich die Hälfte der

Interviewpartner/innen als Hobbysportler/innen, vier üben derzeit wettkampfmäßig Sport

aus. Ich interpretiere daraus eine grundsätzlich positive Einstellung zum Sport bei einer

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großen Mehrheit der Befragten. Das Wissen über den dem Sport zugeordnete Eigen-

schaften wie Zielorientierung, Ausdauer und (Eigen)Motivation ist bei den meisten vorhan-

den. Lediglich zwei Personen geben an, dass sie überhaupt nicht sportlich aktiv sind. Eine

Interviewpartnerin war früher selbst aktiv und ist nun mit der sportlichen Betreuung ihrer

beiden Töchter ausgelastet.

10.7 Auswertungen und Analyse der Meinungsfragen an HR-Manager/innenDie folgenden drei Meinungsfragen habe ich während der Interviews im Anschluss an den

ersten Fragebogen gestellt. Es geht dabei um die Darstellung allgemeiner Meinungen

zum Thema Sport und zu einzelnen Sportler/innen. Ich wollte dabei bewusst von der be-

ruflichen Situation, die im Mittelpunkt des ersten Fragenkomplexes stand, abweichen. Ziel

war es herauszufiltern, ob sich stereotypes Verhalten besser darstellt, wenn Meinungsfra-

gen formuliert werden. Allgemeine Meinungen spiegeln oft die „Volksseele“ wieder und so

versuchte ich über gängige Klischees, Meinungen zum Sport an sich und seinen

Vertreter/innen zu sammeln. Es folgt nun die Auflistung der Antworten, die ich bei diesen

Interviews erhalten habe und anschließend ein Statement meinerseits.

Frage 1 – Fähigkeiten von Sportler/innen

a) „Was glauben Sie, welche Fähigkeiten bringen Sportler/innen in die Wirtschaft ein?“

➢ Beispiel Skisport: der ÖSV, die FIS, die Austragungsorte profitieren von der direkten Wertschöpfung im Rahmen der Veranstaltungen

➢ Sie bringen volkswirtschaftlich viel ein, sind für den Tourismus gut (vor allem für die Dörfer, aus denen die Sportler/innen kommen), der Werbefaktor ist beachtlich

➢ Sportler/innen sind Sympathieträger/innen für das Unternehmen und die Sponsoren; sie bringen Kontakte ein und sie haben Disziplin und Teamgeist

➢ Sie sind sehr wertvoll für unser Land, bringen internationalen Ruhm und Ehre für Österreich; Bsp: Skifahrer/innen – Werbewert für das Land, den Tourismus und sie sind wichtig als Aushängeschilder. Komisch ist nur die Entwicklung der Sponsoren (überall sind Logos oben...)

➢ Events und Tourismus

➢ Es gibt viele Parallelen zwischen der Wirtschaft und dem Hochleistungssport, Sportveranstaltungen und Werbung – vor allem für den Tourismus

➢ Sie bringen Kompetenz, Ausdauer, Kampf- und Teamgeist und Leistungswille ein

➢ Sportler sind Leistungsträger, Image für Sponsoren, Zielstrebigkeit und Konzentration

➢ Werbung, Farbe ins Leben bringen, Sport ist eine Thema zur Unterhaltung (Small-talk)

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➢ Sie bringen Idealismus und Zielorientiertheit ein. Den Ehrgeiz können sie erst einbringen, wenn sie ausreichend Abstand zur abgeschlossenen Sportkarriere haben

➢ Selbstdisziplin, Eigenverantwortung, Zielstrebigkeit und Engagement

➢ Werbeträger und Image

➢ Ausdauer, Lern- und Teamfähigkeit (hängt aber von der Sportart ab)

Bemerkungen und Interpretation: Die Assoziationen zum Thema Wirtschaft und Sport wa-

ren in zwei Bereiche geteilt. Zum einen antworteten die Befragten, welchen Vorteil Unter-

nehmen durch Sportler/innen haben. Hier wurde fünfmal die Werbewirksamkeit und vier-

mal der Tourismus genannt. Andererseits antworteten die HR-Zuständigen, welche Skills

ihnen zu Sportler/innen einfallen. Hier dominierten die Teamfähigkeit und die Zielstrebig-keit mit jeweils drei Nennungen, vor Eigenschaften die Ausdauer, Eigenverantwortung,

Leistungswille und Disziplin. Aufgrund der sehr breit gefächerten Antworten kann von ei-

nem großen Nutzen für die Wirtschaft ausgegangen werden. Der Sport „an sich“ und

dessen Vertreter/innen sind werbewirksam und bringen der (Volks)Wirtschaft viele Vortei-

le. Ob der Nutzen einseitig – also nur für die Wirtschaft positiv – ist oder auch den Sport-

ler/innen nach Beendigung ihrer Karriere etwas bringt, wäre ein interessanter Faktor für

eine weitere Untersuchung.

b) „Was glauben Sie, welche Fähigkeiten bringen Sportler/innen in die Politik ein?“

➢ Hier bringen sie nicht zwingend etwas ein, gute Sportler sind nicht unbedingt auch gute Lobbyisten oder gar Politiker. Im Gegenteil: Spitzensportler und Politiker können sich gegenseitig missbrauchen

➢ Sympathie, Glaubwürdigkeit und mediale Erfahrung

➢ Missbrauch durch Politiker! Immer wieder tauchen Ex-Sportler in der Politik auf, die gar nicht geeignet erscheinen. Politiker schmücken sich mit Sportler. Dann werden sie wieder fallen gelassen

➢ Für die Leute – das Volk – wichtig

➢ ?????, keine Ahnung, keine Ahnung – dazu will ich nichts sagen

➢ Name und Prominenz

➢ nette Photos

➢ Image, die FPÖ hat ja da manche Sportler als Abgeordnete, oder?

➢ Die Politik sonnt sich mit ihnen – Popularität

➢ gar keine – ich sehe eher die Gefahr, dass eine Art Propagandaaushängeschild daraus gemacht wird

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Bemerkungen und Interpretation: Diese Frage löste bei vielen Unmut, Irritation und Ver-

wirrung aus. Manche gaben dazu überhaupt keine Antwort, andere hatten sich darüber

noch nie Gedanken gemacht. Bei fast allen erfolgte die Bewertung subjektiv als sehr ne-gativ. Es wurde zweimal von Missbrauch gesprochen und Negativbeispiele von Ex-S-portler/innen als Politiker/innen gebracht. Tendenziell gaben die Befragten an, dass der

Zusammenhang zwischen Politik und Sport kritisch zu hinterfragen und betrachten ist.

c) „Was glauben Sie, welche Fähigkeiten bringen Sportler/innen in die Gesellschaft ein?“

➢ Spitzensportler sind die modernen Gladiatoren dieser Gesellschaft; es geht um Unterhaltung (Fußball), Ablenkung vom Alltag und um Sensationslust (siehe Schifahrer-Verletzungen); Spitzensport wird in der Bedeutung überschätzt und ist ja auch alles andere als gesund

➢ Vorbilder, Leistung und für Jugendliche wichtig; wenn ein Sportler gut ist, beginnen auch Kinder mit dieser Sportart und ahmen ihn nach

➢ es wird eine breite Öffentlichkeit erreicht, wenn sich Sportler z.B. für soziale Zwecke einsetzen

➢ Vorbild für Jugendliche: „egal woher du kommst, du kannst Karriere machen“

➢ Fluch und Segen! Skination Nr.1 – Überschätzung der Sportart, fördert negativen Nationenstolz

➢ Sport ist ein „Bar-Thema“, man redet darüber, Vorbild- und Idolwirkung vor allem für die Jugend

➢ Vorbildwirkung, was man alles schaffen kann! Ziele erreichen!

➢ Gesundheitsbewusstsein, Botschafter und Fit-Sein

➢ Wenn der Sportler ein „guter“ Mensch ist, kann er/sie Vorbild für die Jugend sein

Bemerkungen und Interpretation: Dominierend bei den Antworten ist eindeutig die Vor-bildwirkung von Sportler/innen vor allem für die Jugend. Einige Antworten fallen dabei

jedoch kritischer aus. Sie beschreiben eine Überbewertung des Spitzensports in Öster-

reich besonders auch in Hinblick auf die Gesundheit und das Nationalbewusstsein. Spit-

zensport wird aber auch als positiver Motor für Veränderungen gesehen. Wenn sich ein-

zelne Sportler/innen für etwas einsetzen, kann dies eine breite Öffentlichkeitswirkung er-

zielen. Ein Interviewpartner hat es für mich auf den Punkt gebracht: Fluch oder Segen?

Was steht im Vordergrund? Ist uns unsere Jugend so wichtig, das wir ihr prominente

Sportler/innen als Vorbilder präsentieren wollen oder überwiegen in unseren Köpfen die

negativen Auswirkungen von Spitzensport auf Gesundheit und Nationalismus? Ich glaube

an eine Gratwanderung, die stark von Medien beeinflusst wird. Je stärker die Medien auf

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polarisierende Themen setzen und damit die Meinungen spalten, desto schwieriger haben

es Betroffene, den Weg aus diesem Schwarz/Weiß-Denken zu finden. Die positiven

Aspekte des Spitzensports für die Gesellschaft sind nicht unbedingt erfolgsträchtige

Schlagzeilen für die (Sport)Medien. Es braucht Journalisten/innen, die sich abseits von

„Sieg und Niederlage“, „Gut und Böse“ oder Skandalen mit gesellschaftspolitisch wichti-

gen Sportthemen auseinander setzen.

Frage 2 – Namen von Sportler/innen

„Können Sie mir Namen von Sportler/innen nennen, die Ihnen positiv oder negativ aufgefallen sind. Bitte nennen Sie Beispiele!“?

Name Positiv NegativHermann Maier 5Markus Rogan 1Gregor Schlierenzauer 1Stöckl/Gschaider 1Felix Gottwald 6Herbert Prohaska 1Hans Orsolics 1Karl Schranz 1Armin Assinger 1Jürgen Zäck 1Toni Innauer 1Bernhard Kohl 2Andreas Goldberger 2Boris Becker 1Steffi Graf (Deutschland) 1Lothar Matthäus 2Niki Lauda 1Franz Beckenbauer 1Franziska v. Alsmick 1Katharina Witt 1Michael Schumacher 1Toni Sailer 1Kathrin Zettel 1Klitschko Brüder 1Georg Hackel 1

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Michael Walchhofer 1Tiger Woods 1Sven Hannewald 1Maradonna 1Franz Klammer 1Maria Riesch 1Hans Knauss 1

30 14

Bemerkungen und Interpretation: Es wurden insgesamt vierundvierzig Namensnennungen

abgegeben. Davon fielen dreißig Nennungen auf positive und vierzehn Nennungen auf

negative Zuschreibungen einzelner Personen. Zusätzlich kamen allgemeine Aussagen wie: „Einige Fußballer, die sich wie Proleten benehmen“ , „überhaupt alle Schifahrerinnen

positiv“ oder „Positiv sehe ich alle Nordischen Kombinierer“ in den Antworten vor. Positiv

dominieren vor allem Hermann Maier und Felix Gottwald. Bei den negativen Nennungen

überwiegen Namen von Sportler/innen, die mit Skandalen in Verbindung gebracht wer-

den. So werden Dopingvergehen, familiäre Skandale oder Drogenmissbrauch negativ be-

wertet. Dies gilt auch für ehemals sehr prominente Sportler wie Boris Becker und Andreas

Goldberger. Auffallend ist die Häufung der Nennungen von Winter- gegenüber Sommer-

sportler/innen. Selten genannt wurden ausländische Athleten/innen. Eine HR-Managerin,

die seit Jahren in Österreich lebt und deutsche Staatsbürgerin ist, nannte ausschließlich

deutsche Sportler/innen. Eine mögliche Interpretation dazu ist, dass sich die nationale

Identität über prominente Persönlichkeiten aus dem Sport spiegelt.

Frage 3 – Allgemeine Bedeutung des Sports

„Welche Bedeutung hat für Sie persönlich Sport in Ihrem Leben?“

Antworten Anzahl der AntwortenSehr hohe, zentrale – nicht mehr wegzudenken;Wichtig zum Ausgleich, Akkus aufladen, Spass, Gemeinschaft, Multi-Kulti;Ausgleich – körperliche Betätigung;Immer wichtig;Für mich ist Sport für die Gesundheit wichtig Wesentlicher Baustein im Leben – Gesundheit, seelischer Aus-gleich;Habe schon immer Sport betrieben, war immer wichtig für mich;Ich treibe regelmäßig Sport als Hobby, wichtig für die Erhaltung der Gesundheit;

9

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Wichtig; Ich will mehr machen, wichtig für das Wohlbefinden und als Ausgleich

1

Sehr niedrige 1

Bemerkungen und Interpretation: Es wurden nur elf Antworten gegeben, da bei den ersten

drei Interviews diese Frage nicht gestellt wurde. Lediglich eine Person gab an, dass Sport

für sie eine niedrige Bedeutung im Leben hat. Allen anderen ist sportliche Betätigung

wichtig bis sehr wichtig. Der Großteil der Befragten gibt die Gesundheit und den Ausgleich

zum Berufsalltag mit jeweils drei Nennungen als Motivation dafür an.

11 Email-Umfrage unter Sportler/innen

11.1 Auswahl der interviewten Sportler/innenDie ehemalige oder aktuelle Zugehörigkeit zum Nationalteam einer in Österreich aner-

kannten Sportart war eines der Kriterien zur Teilnahme an der Befragung. D.h., ich habe

Personen angeschrieben, die entweder noch aktiv sind oder in ihrer sportlichen Vergan-

genheit einem österreichischen oder einem ausländischen Nationalteam angehört haben.

Kontaktdaten der Befragten hatte ich in einer Datenbank, einige Teilnehmer/innen melde-

ten sich über das Netzwerk „Xing“ bei mir. Alle Befragten können als Profisportler/innen

bezeichnet werden, da sie die Ausübung der Sportart, die Wettkampfteilnahme und das

Training als ihren Beruf sehen oder während der aktiven Laufbahn sahen.

11.1.1 Anzahl und Rücklaufquote der InterviewsEs wurden von mir insgesamt 54 Sportler/innen per Email angeschrieben und gebeten an

der Umfrage teilzunehmen. 3 Emailadressen waren nicht mehr gültig und kamen wieder

retour. Alle von mir angeschriebenen Personen (bis auf die beiden Xing-Kontakte) absol-

vierten in den letzten sieben Jahren Coachingtermine bei mir und hatten damit persönli-

chen Kontakt zu mir. 21 Antworten konnten für die Auswertung der Fragen verwendet wer-

den. Davon wollten zwei Sportlerinnen namentlich nicht genannt werden. Alle anderen

sind mit einer Namensnennung einverstanden.

11.1.2 GenderperspektiveInsgesamt wurden 27 Frauen und 27 Männer angeschrieben. 11 Frauen und 8 Männer

antworteten auf meine Bitte um Teilnahme. Zwei der befragten Männer sind Kontakte aus

dem Netzwerk Xing. Damit war die Rücklaufquote bei den männlichen Sportlern eindeutig

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niedriger als bei den Frauen.

11.1.3 Form des schriftlichen InterviewsUm eine höhere Rücklaufquote zu erhalten, entschied ich mich bei den Sportler/innen zu

einem verkürzten Fragebogen, der zeitlich keinen großen Aufwand bedeutete und inhalt-

lich drei Bereiche umfasste.

1. Ist der/die Sportler/in noch wettkampfmäßig im Profisport aktiv?

2. Wie hat er/sie den Umstieg geschafft bzw. wie stellt er/sie sich ihn vor?

3. Welche Unterstützung hat sie/er und von wem hat sie/er diese bekommen?

11.2 Rückmeldungen Überraschenderweise erhielt ich innerhalb von sehr kurzer Zeit ausführliche Antworten

von einem Großteil der Befragten. Danach herrschte einige Zeit Stille in der Eingangsbox

und einige wenige sendeten nach einer zweiten Erinnerung ihre Kommentare. Mein Ein-

druck bei den Rückmeldungen war jener, dass diejenigen rasch und ausführlich antworte-

ten, die sich mit der Thematik bereits beschäftigt haben. Es bestand dabei kein Zusam-

menhang damit, wie lange jemand die Sportkarriere beendet hatte, sondern eher der Er-

folg oder das Erfolgsbewusstsein. Von Sportler/innen, die auch nach Jahren keinen erfolg-

reichen Berufsumstieg erreichten, erhielt ich keine Antworten. Dies betrifft besonders an-

geschriebene Fußballer, Skisportler/innen und manche eingebürgerten Sportler/innen mit

Migrationshintergrund.

11.2.1 Rücklaufquote bei aktiven Sportler/innen Auffallend war, dass lediglich ein aktiver Sportler, der einige Wochen später seine Sport-

laufbahn beendete, auf meine Umfrage antwortete. Entweder beschäftigen sich die Akti-

ven nicht mir ihrem Karriereende oder sie hatten aufgrund der Wettkämpfe und Trainings-

lager keine Zeit die Fragen zu beantworten.

11.2.2 Besonderheiten bei der Beantwortung der FragenDie dritte Frage werte ich mit mehreren Antwortmöglichkeiten und damit auch mit Doppel-

nennungen aus. Fast jede/r der Befragten antwortete auf diese Frage sowohl mit positiven

als auch mit negativen Aspekten. Ein ehemaliger Sportler, den ich persönlich bis dato

nicht kannte, griff zum Telefonhörer um mir seine Erfahrungen auch im Telefonat zu bestä-

tigen.

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11.3 Statements von Sportler/innenFolgende Statements wähle ich aus, um dem/der Leser/in einen anschaulichen Einblick in

die Lebenssituation von Sportler/innen vermitteln zu können. Alle Aussagen sind zur Ver-

öffentlichung freigegeben.

Marion Reiff (ehemalige Turmspringerin) zur Unterstützung beim Umstieg von der Sport-

in die Berufslaufbahn: „Ich hatte das Glück, sowohl durch die Sporthilfe, das Bundesheer

und das KA:DA Team während als auch nach meiner sportlichen Karriere in dieser Hin-

sicht unterstützt worden zu sein. Der Großteil wurde bezahlt, einen Teil übernahm auch

ich – was ich persönlich auch als wichtig erachte!“

Birgit Neuwirth (ehemalige Ruderin) auf dieselbe Frage: „Eigentlich habe ich mir selbst

geholfen. Durch den BSPA (Bundessportakademie Anm.) Trainerkurs bin ich zum Massie-

ren und so zur Selbstständigkeit gekommen. Und durch den Ruderverband wurde ich mo-

tiviert, als Trainerin zu arbeiten....“

Eine ehemalige Skirennläufer sinniert über den Umstieg folgendermaßen: „Ich glaube ein

„einfacher Umstieg“ hängt wesentlich davon ab, ob man eine Ausbildung und ein wenig

praktische Erfahrung mitbringen kann oder nicht. Einfach ist es in keinem Fall, da man

das ganze Leben in nahezu allen Bereichen verändern muss, will man eine zweite Karrie-

re machen. Und wie wir alle wissen, sind Veränderungen nicht immer leicht durchzufüh-

ren“.

Und Ex-Fußballprofi Gernot Sick beschreibt seinen Umstieg so: „Bei mir was es relativ

einfach, da ich das Glück hatte, gleich etwas Passendes zu finden. Allerdings denke ich,

dass mein Fall so was wie eine Ausnahme war und Sportler der Umstieg ins „normale“

Berufsleben eher schwer fällt. Aus der Sicht eines Unternehmens sind die Lebenslaufjah-

re als Sportler leider eine leere Zeit. Die Erfahrung hier wird nicht berücksichtigt.“

Bereits 2003 beendete der langjährige Handball-Nationalteamspieler Andy Dittert seine

Sportkarriere und antwortet auf die Frage der Unterstützung (damals gab es noch kein

KADA und Sportler/innen aus Teamsportarten werden weder vom Bundesheer aufgenom-

men noch erhalten sie Unterstützung der Sporthilfe): „Ich habe alle meine Ausbildungen

selbst finanziert. Meine „Unterstützung“ war der berufliche Einstieg durch meine Reputati-

on als Sportler.“ Er arbeitet mittlerweile erfolgreich seit Jahren für die Firma MBT und er-

hielt seinen Job durch einen persönlichen Kontakt aus dem Sport.

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11.4 Allgemeine ReaktionenDie Reaktionen auf meine Anfrage war sehr positiv. Ich habe absichtlich auf die Einbezie-

hung der mit der Thematik befassten Institutionen wie die Österreichische Sporthilfe, das

österreichische Bundesheer und dem Verein KA:DA verzichtet, da dies den Rahmen mei-

ner Arbeit sprengen würde. Es wäre aus meiner Sicht jedoch wichtig und gut für Öster-

reich, seitens der Fördergeber auf eine qualitativ hochwertige Betreuung zu achten.

11.5 Auswertung und Analyse der Befragung von Sportler/innenFrage 1: „Sind Sie noch aktiv oder haben Sie Ihre sportliche Laufbahn bereits been-det?

Antworten Anzahl der AntwortenBereits beendet 10Beendet im Jahr 1992 1Beendet im Jahr 2003 2Beendet im Jahr 2006 2Derzeit noch aktiv, habe Karriere schon einmal beendet und tue das am Ende der Saison nochmals

1

Beendet 2008 3Beendet 2010 2

Bemerkungen und Interpretation: Bis auf eine Person hatten bereits alle ihre sportliche

Karrieren beendet. Die meisten nannten kein Datum ihres Karriereendes. Der noch aktive

Sportler beendete seine Laufbahn einige Wochen nach der Befragung.

Frage 2: „Glauben Sie, dass der Umstieg in den nachsportlichen Beruf einfach wird bzw. wie war Ihr Umstieg?“

Antworten Anzahl der AntwortDer Umstieg war einfach, denn ich hatte einen idealen „Anfangsjob“ im Sportbereich; im weiteren Verlauf war es schwierig, die Motivation für eine neue Tätigkeit zu finden

1

Ich hatte das Glück gehabt, durch den Sport viele Menschen aus der Wirtschaft zu kennen und bin so zu meinem Job gekommen

1

Ich bin zufällig zu meinem ersten Job gekommen. Mein Orthopäde erfuhr von meinem Karriereende und nahm mich auf.

1

Ich habe kein Problem mit dem Umstieg gehabt, muss aber dazu sagen, dass ich mich schon im Vorhinein darum gekümmert habe

1

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Mein Umstieg war leicht;Ich habe einen super Job gefunden

2

Ich habe einfach alles auf mich zukommen lassen 1Nachdem ich die Branche gewechselt habe, war der Umstieg schwierigUmstieg in eine andere Branche (außerhalb des Sports) war schwieriger; Der Umstieg war sehr schwierigEinfach ist es in keinem Fall, da man das Leben in nahezu allen Bereichen verändern muss!Nicht ganz einfach; Eine berufliche Ausbildung bzw. Abschluss an Hochschule/Uni ist notwendig!eher schwierig, man ist es nicht gewohnt, den ganzen Tag ir-gendwo zu sitzen;Ich habe Existenzängste, weiß nicht genau, wie es weiter geht; Sehr/extrem schwer! - „wusste nicht, was mich erwartet da „draußen“ in der anderen Welt“;Sehr schwer, vor allem auch deshalb, weil meine Sportart als Partysport gesehen wird

9

Nachdem ich schon während meiner aktiven Zeit bei der Polizei war, war der Umstieg einfach

1

Ich fing nach einem Monat als Praktikantin bei einem Radiosender an - 2 Monate lang ohne Bezahlung, dann mit Bezahlung!

1

In meinem Fall ist es kein Umstieg, sondern die Spuren des Spitzensports und unternehmerische Tätigkeit laufen parallel.

1

Der Umstieg ist eine große Herausforderung; Es ist ein großer Schritt und man muss das ganze Leben umkrempeln

2

Bemerkungen und Interpretationen: Mit neun Nennungen überwiegt der Anteil jener, die

den Umstieg als schwer bis sehr schwer bezeichnen. Besonders oft wurde ein schwieri-

ger Umstieg im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit außerhalb des Sports an-

gegeben. Aussagen wie „ Nachdem ich die Branche gewechselt habe (Sport > Bauinge-

nieurwesen) war der Umstieg schwierig. Die Zeit meiner sportlichen Laufbahn wurde bei den Bewerbungen nicht als Referenz gesehen“ (bestätigt die Hypothese vier!) oder

„Sehr schwer. Vor allem auch deshalb, weil meine Sportart Snowboarden eher als Partys-

port gesehen wird, wo Konsequenz und Disziplin in den Augen Außenstehender nicht un-

bedingt notwendig sein“. Leichter hatten es diejenigen, die ihren Umstieg mit „Glück oder

Zufall“ bezeichnen. Hier werden Kontakte in die Wirtschaft oder Lokal- und Regionalpro-

minenz als „Einstiegs- und Glücksfaktor“ beschrieben.

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Frage 3: „Wirkt sich Ihre Prominenz aus dem Sport für Sie persönlich positiv oder negativ aus?“ (hier gibt es Doppelnennungen, da die Erklärungen meist sowohl positiv als auch negativ waren)

Antworten Anzahl der AntwortenEher positiv, ich arbeite als Trainerin und da kommt es einfach gut an, die Leute glauben einem eher...;Eher positiv – gutes Ansehen bei Kollegen, viele Fragen über meinen ehemaligen BerufIch merke schon einen kleinen Vorteil aufgrund meines Namens – zumindest noch!“Gutes Ansehen bei KollegInnenRegional positiv,Positiv, ich traf bei allen Bewerbungsgesprächen auf „offene“ Ohren und NeugierIm Lebenslauf machen sich Olympiateilnahmen und Weltcup-medaille gut; Fähigkeiten wie Teamfähigkeit, Pünktlichkeit werden gesehen ;Eher positiv, wenn ich erkannt werde, werde ich mit anderen Au-gen wahrgenommen und mein Wort hat mehr Gewicht, aber ich glaube nicht, dass das bei der Jobsuche ein Vorteil ist;Ich bin nicht so prominent, aber Sporterfolge haben sich positiv ausgewirkt, hinzu kommt, dass ich „daneben“ ein Studium absolviert habe und mehrere Sprachen spreche;bisher habe ich noch keine negativen Erfahrungen gemacht, das liegt vielleicht daran, dass ich neben der sportlichen Laufbahn andere Ausbildungen und Kompetenzen vorzuweisen habe

11

Es kommt darauf an – in sportnahen Unternehmen eher ja, in anderen Branchen weniger ;Man wird zwar rasch erkannt, aber man muss sich sogar mehr beweisen, weil da sehr oft vorausgesetzt wird, den Job nur wegen der früheren Sportkarriere erhalten zu haben

3

Positiv, da man gezeigt hat, dass man schon einmal etwas „ge-leistet“ hatMeine Worte haben mehr GewichtKinder haben mich als Sportler erkannt (Vorbild)es kennen mich nach so vielen Jahren (Karriereende 1992) im-mer noch viele Leute;positiv, insofern, dass man gleich im Gespräch einen Anknüpf-ungspunkt hat und schon mal was geleistet hat, das Eindruck hinterlässt;Positiv, weil es zu Bewerbungsgesprächen kommt, die sonst nicht möglich wären

7

Negativ, da gerade in sportfremden Unternehmen nicht das Ver-trauen hat, dass sich Sportler einem Ziel „unterordnen“ können; Nachteilig, weil man sich von Sportlern kein Fachwissen erwar-tet; Unternehmen denken nicht daran, wie loyal Sportler sind; Man muss jedem erklären, warum man mit dem Sport aufgehört hat;

6

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Hörte Sätze wie: „der Weltmeister und Superstar, jetzt ist er da zum Anlernen – zeig mal was du kannst!“; Man verliert den „Marktwert“ und wird als potenzielle Mitar-beiterin von Firmen nicht ernst genommen, In meinem jetzigen Beruf kennt mich so gut wie niemand;Da ich als Ruderin nicht wirklich prominent war, hat es sich eigentlich nicht ausgewirkt

2

Sie wirkt sich so aus, so wie ich sie sich auswirken lasse 1Man kommt schneller an Firmen heran, hat aber vielleicht falsche Vorstellungen von „normalen“ Berufen

1

Bemerkungen und Interpretation: Mit elf Nennungen überwiegt bei den Ex-Sportler/innen

die positive Betrachtung der „Medaille“. Jedoch beschreiben sie zugleich auch in ihren

Antworten die nachteiligen oder negativen Seiten. Ich interpretiere daraus eine hohe Am-

bivalenz aus Sicht der Athleten/innen und mitunter auch eine Verunsicherung, was hier

auf sie zukommen könnte. Aussagen wie „Teilweise positiv, weil es zu Bewerbungsge-

sprächen kommt, die sonst nicht möglich wären. Manchmal aber auch negativ, wenn so

Sätze kommen wie - der Weltmeister und Superstar, jetzt ist er da zum Anlernen, zeig ein-

mal was du kannst!“ oder „Ich arbeite in einer Firma mit sportaffinen Produkte, wo mir

mein Netzwerk und mein Name als Leistungssportler zugute kommt.….Es hilft auch,

wenn man mit Journalisten spricht. Nachteil: Von einem Sportler erwartet man weniger

Fachwissen zu Beginn und man muss schon zeigen, dass man kein Sporttrottel ist, der

nur aus Muskeln besteht“ zeigen auf, wie sehr diese Ambivalenz im Alltag bei ehemaligen

Sportler/innen spürbar wird. Die selbstbewussteste Antwort erhielt ich von Felix Gottwald,

der auf seine Prominenz angesprochen, folgendes schrieb: „Sie wirkt sich so aus, wie ich

sie sich auswirken lasse ...“ Gerade unangenehme Erlebnisse und Erfahrungen wirken

sich in weiterer Folge negativ auf den Selbstwert ehemaliger Top-Sportler/innen aus. Vie-

len wird erst nach dem Karriereende bewusst, dass sie sich mit ihrer Prominenz außer-

halb des Sports nicht nur Freunde gemacht haben.

Frage 4: „Hatten Sie professionelle Unterstützung beim Umstieg? Wer hat Ihnen geholfen und haben Sie dafür bezahlen müssen?“

Antworten Anzahl der AntwortBeim Umstieg hatte ich keine Unterstützung, dann kam ich ins Pro-gramm „aftersports“Ich organisierte mir alles selbst, „aftersports“ kam ein wenig zu spät für mich;Durch einen Trainerkurs kam ich zum Massieren und so zur Selbstständigkeit

3

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Ich habe alle meine Ausbildungen selbst finanziert – meine Unter-stützung war meine Reputation als Sportler; Unterstützung kam aus meinem privaten Umfeld, aus meiner Supervisions-Ausbildungsgruppe und auch Psychotherapie fand ich zwischenzeitlich als Unterstützung – musste alles selbst be-zahlen

2

Direkt hatte ich keine, aber davor wurde ich von „aftersports“ und KA:DA beraten

1

Der Großteil wurde bezahlt – ich wurde von der Sporthilfe, dem Bundesheer und dem KA:DA Team unterstützt

1

KA:DA: 8 Nennungenspielte eine bedeutende Rolle; kostenlose Beratung, war gut für Berufsperspektiven; gut, dass jemand da war!;

8

Bundesheer und KA:DA 2Ich tue nur das, was ich kann – andere Dinge werden outgesourct 1Ich habe mir mehr oder weniger selber geholfen: Bundesheer un-terstützt finanziell

1

KA:DA, Sporthilfe und WIFI 1Teilweise wurde ich von meinen Arbeitgebern unterstützt, oft wurde aber mein Bekanntheitsgrad ausgenutzt

1

Bemerkungen und Interpretation: Der größte Teil der Antworten bezieht sich auf die 2006

eingerichtete Beratungseinrichtung KA:DA (Karriere Danach). Manche gaben das Modell-

projekt „aftersports“ an. Das österreichische Bundesheer und die Sporthilfe mit ihrer

WIFI-Akademie wurden mehrmals auch in Kombination miteinander bewertet. Manche

managen ihren Umstieg freiwillig selbstständig und finanzieren sich Ausbildungen und

psychosoziale Unterstützung aus eigenen Mitteln.

12 HypothesenüberprüfungZiel einer Masterthesis ist die empirische Überprüfung von aufgestellten Hypothesen. Mei-

ne vier auf der Seite 54-56 aufgestellten Hypothesen wurden durch die Interviews und die

Befragungen auf ihre Wirklichkeit überprüft.

Die Fragestellung zu meiner ersten Annahme wurde sowohl aus Sicht der HR-

Manager/innen als auch aus Sicht der Sportler/innen verifiziert. Die Hälfte der HR-Zu-

ständigen steht Bewerbungen von prominenten Personen aus dem Sport positiv oder sehr

positiv gegenüber. Es überwiegt die Neugierde eine „solche“ Persönlichkeit kennenlernen

zu wollen. Damit erhalten auch jene Sportler/innen eine Chance für ein Bewerbungsge-

spräch, die in einem objektivierten Verfahren nicht eingeladen worden wären. Diesen Aus-

sagen gegenüber stehen einundzwanzig Nennungen (inkl. Doppelnennung) bei

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Sportler/innen, die ihre Prominenz als positiven Faktor im Bewerbungsverfahren sehen

oder erlebt haben.

Prominenz als Türöffnerin im Bewerbungsverfahren!

Somit kann festgestellt werden, dass die Prominenz eine Türöffnerin darstellt. Sportler/in-

nen können hier ansetzen, indem sie sich auf diese Chancen professionell vorbereiten.

Meine Erfahrung als Jobcoach für Sportler/innen fällt diesbezüglich nüchtern aus. Kaum

eine Sportlerin oder ein Sportler konnte mir einen zeitgemäßen Lebenslauf am Beginn

des Coachings vorweisen. Bewerbungstraining war für viele ein Begriff, den sie noch nie

zuvor gehört hatten. Die Motivation, sich ausführlich auf ein Bewerbungsgespräch vorzu-

bereiten war bei vielen gering und die Enttäuschung groß, wenn dieses ohne Erfolg blieb.

Hier sehe ich Handlungsbedarf. Das „Sich-vertraut-machen“ mit den Anforderungen des

Berufsalltags gehört ebenso zur Vorbereitung wie die richtige Sprache zu finden. In den

Interviews mit den HR-Manager/innen habe ich immer wieder gehört, wie selten

Sportler/innen ihre Motivation für den angestrebten Job gut vermitteln können.

Meine zweite Annahme konnte nicht eindeutig bestätigen werden. Einige Aussagen

von Sportler/innen deuten darauf hin, aber alle prominenten Sportler/innen konnten dies

weder bestätigen noch dementieren. Auch Vertreter/innen der Sportarten Ski-Alpin und

Fußball beschreiben nicht eindeutig, dass dies so erlebt wird. Ich gehe jedoch davon aus,

dass diese Hypothese durch persönliche Interviews mit Sportler/innen eindeutigere Er-

gebnisse gebracht hätte. Sich selbst als (erfolgs)verwöhnt zu sehen und das auch noch

zu schreiben setzt eine hohe Selbstreflexion und Eigenkritikfähigkeit voraus. Mir erzählten

im Coaching Fußballer, dass ihre Fußballdressen in der Kabine von ihnen abgestreift wer-

den, vom Personal des Vereins aufgehoben und am nächsten Tag sauber gereinigt wieder

auf den Platz zurückgelegt werden. Duschutensilien werden vom Verein eingekauft,

Handtücher und Saunabedarf ebenso. Skifahrer/innen erzählten, dass ihnen ihre Skier bis

zum Startplatz getragen werden. Kein ÖSV-Mitglied braucht sich jemals selbst um ein Ho-

telzimmer oder einen Flug kümmern. Das Essen wird bereitgestellt, die Betten werden ge-

macht - die einzige Tätigkeit besteht im Trainieren und in der Wettkampfausübung. Eine

Vorbereitung auf das zivile Leben findet nicht statt. Unselbstständigkeit der Athleten/innen

in nahezu allen Lebensbereichen ist das Ergebnis solcher Vereins- und Verbandsstruktu-

ren. Vielleicht trifft diese Hypothese eher auf prominente Sportarten zu und hat weniger

mit den Individuen zu tun.

Die dritte Annahme bestätigt sich für mich vor allem bei den Vertreter/innen von promi-

nenten Sportarten. Randsportarten wie Mountainbiken, Triathlon oder Karate bilden hier

die positiven Ausnahmen. In diesen Sportarten kommt es häufig vor, dass während der

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aktiven Karriere bereits einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen wird, um überhaupt

den Sport ausüben zu können. Diese Personengruppe beschreibt einen unkomplizierten

Umstieg in das Leben danach. Erst durch die intensive Beschäftigung mit den psychologi-

schen Auswirkungen des Umstiegs aber auch durch einige Aussagen von HR-Manager/in-

nen muss ich meine dritte Annahme ergänzen, um sie verifizieren zu können. Neben

der professionellen Unterstützung braucht es vor allem Zeit und Geduld, um die Ab-

schiedsphase des Sports ausreichend durchleben zu können. Erst durch diese Masterthe-

sis wurde mir bewusst, wie stark potenzielle Arbeitgeber/innen in den Gesprächen wahr-

nehmen, ob der/die Sportler/in tatsächlich mit dem Sport abgeschlossen hat! Ein Inter-

viewpartner brachte es mit dem Satz auf den Punkt: „Ich hatte oft das Gefühl, wir (unser

Unternehmen) sind die B-Variante. Die A-Variante ist immer noch der Sport.“ Und solange

dies direkt oder indirekt - auch durch unbewusstes Verhalten - vermittelt wird, sind erfolg-

reiche Jobaussichten gering. Dies kam viel stärker zum Ausdruck, als ich es ursprünglich

vermutet habe. Die Sportler/innen selbst geben das nicht an und sind sich dessen vermut-

lich nicht bewusst. Deshalb gehört zur Unterstützung im Bewerbungsprozess unbedingt

die psychosoziale Beratung in Hinblick auf die Trauerarbeit ergänzt.

Trauerphase abwarten - erst dann in die 2.Karriere durchstarten!

Auffällig oft kamen in den Aussagen der HR-Zuständigen Bemerkungen vor, die mir in

meiner Coachingtätigkeit mit Sportler/innen auch aufgefallen sind. Begriffe wie „Trauer,

traurig, hängt noch dem Sport nach, ...“ wurden mehrmals von HR-Manager/innen ver-

wendet. Erst im Laufe der Interviews wurde mir klar, was hiermit gemeint ist. Sportler/in-

nen durchleben nach Beendigung ihrer Sportlaufbahn – vor allem, wenn diese überra-

schend und ohne Vorbereitung (z.B. durch eine Verletzung) kommt – eine Phase des Ab-

schied-Nehmens vom Sport. Diese Trauer wird von sensiblen Personalisten/innen durch

Aussagen im Bewerbungsgespräch wahrgenommen. Solange diese Trauerphase nicht

beendet ist und die sportliche Vergangenheit als abgeschlossen gilt, ist eine berufliche

Eingliederung besonders im sportfernen Bereich kaum erfolgreich.

Bewerbungstraining als Ansatz, aber es braucht auch psychosoziale Betreuung!

Diese Erkenntnisse haben Auswirkungen auf die Betreuungs- und Beratungstätigkeit mit

Sportler/innen. Eine Rücksichtnahme ist gefordert, um den Prozess des langsamen Über-

tritts in eine völlig neue Lebensphase professionell begleiten und positiv abschließen zu

können. Entscheidet sich also eine Sportler/in oder ein Sportler für eine Berufslaufbahn

außerhalb des Sports, so bedingt dies eine absolute innerliche Loslösung und Distanz

vom Sport!

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Innerliche Ablösung vom Sport als Bedingung für Bewerbungen in sportferne Branchen!

Das heißt nun also im Umkehrschluss, dass sich der/die Sportler/in zuerst entscheiden

muss, ob er/sie dem Sport erhalten bleibt oder nicht. Eine Mischvariante (ein bisschen im

Sport tätig sein) geht meist schief und ist meiner Meinung nach erst mehrere Jahre nach

Beendigung des Spitzensports wieder möglich.

Meine letzte und vierte Hypothese konnte mit hoher Zustimmung von beiden Seiten be-stätigt werden. Die Zeiten aus dem Spitzensport sind in einem Bewerbungsverfahren be-

deutungslos. Sie werden von HR-Zuständigen zwar nicht negativ bewertet (also sind per

se kein Negativfaktor), aber sie sind von keiner beruflichen Relevanz. Am besten ver-

gleichbar ist die sportliche Tätigkeit mit einer beruflichen Tätigkeit, die für das Jobangebot

keine Bedeutung hat. Ich gehe aufgrund der Antworten nicht davon aus, dass Profisport

nicht als Beruf gesehen wird, sondern er wird vielmehr nicht als eine qualifizierte Tätigkeit

eingestuft.

Die Wettkampfzeit wird nicht als Arbeitszeit anerkannt!

Einem Koch würde es genauso ergehen, wenn er sich für eine Sachbearbeiterstelle be-

wirbt. Es kristallisiert sich aus arbeitsmarktpolitischer Sicht heraus, welchen Bedarf Sport-

ler/innen bei einer beruflichen Neuorientierung haben. Sie brauchen eine Nachqualifizie-

rung, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können. Lediglich der berufliche Einsatz in sport-

nahen Branchen wäre leichter denkbar, obwohl auch hier die berufliche Qualifikationen für

die Stellen (Einkauf, Vertrieb, ec.) vorrangig bewertet wird.

13 ZusammenfassungDie theoretische und empirische Auseinandersetzung mit der Thematik hat gezeigt wie

wenig erforscht der Bereich rund um den Berufseinstieg ehemaliger Sportler/innen ist.

Meist entscheidet der Zufall, was nach dem Ende einer Sportkarriere passiert. Ein einheit-

liches Rahmenkonzept bieten weder Sportverbände noch die für Sport zuständigen Insti-

tutionen in Österreich an. Der Handlungsbedarf ist hoch, da die Arbeitslosigkeit ehemali-

ger Sportler/innen zunimmt. Die Betroffenen selbst nehmen die vorhandenen Beratungs-

angebote gerne an.

Es braucht mehr wissenschaftliche Forschung, um die Bedürfnisse und Fähigkeiten zu

definieren. Durch Interviews mit HR-Manager/innen wurde eindrucksvoll bestätigt, dass

die Sportlaufbahn keinen Vorteil für den Berufseinstieg darstellt. Diese Erkenntnis

sollte Sportvertreter/innen ein Wink sein, denn oftmals wird diese verifizierte Tatsache ver-

leugnet. Aus dem Sport erworbene Fähigkeiten stehen nicht über einer fundierten Berufs-

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ausbildung und ausreichender Praxiserfahrung. Aus diesem Grund ist es wichtig in Öster-

reich arbeitsmarktpolitische Berufs- und Laufbahnberater/innen für Sportler/innen einzu-

setzen. Individuelles Coaching sollte methodisch im Mittelpunkt der Beratung stehen. Aber

es bedarf auch konkreter Sensibilisierungsmaßnahmen für die Öffentlichkeit und die

Wirtschaft, um aktiv gegen Vorurteile aufzutreten. Den Print- und TV-Medien kommt dabei

eine wichtige Bedeutung zu. Ein einziger TV-Bericht, der die Klischees von reichen Sport-

lern bedient, macht die Arbeit zur Förderung von nachsportlichen Karrieren in einigen Mi-

nuten zunichte!

Die Wirtschaft kann durch eine neue Sicht des Sportsponsorings zur Verbesserung der

Situation beitragen. Recruiter/innen stehen kreativen Eingliederungsprozessen ehema-

liger Sportler/innen grundsätzlich positiv gegenüber. Sie können nur keine Personalent-

scheidungen zugunsten von Menschen treffen, wenn diese weder über die fachliche Qua-

lifikation noch über entsprechende Praxis verfügen. Die Politik kann ihr Verantwortungs-

bewusstsein durch eine gesetzliche Regelung der nachsportlichen Beratung und Betreu-

ung unterstreichen. Dies gilt sowohl für die Landes- als auch für die Bundespolitik. Im re-

gionalen Bereich könnten Netzwerke zwischen Recruiter/innen, Jobcoaches und arbeits-

marktpolitischen Vertreter/innen installiert werden, um das Matching zu erleichtern. Und

es liegt auch ganz wesentlich am Verhalten der Sportler/innen selbst. Welche Bedeu-

tung für sie am Beginn der Sportkarriere die Schul- und Berufsausbildung hat, so wird

sich auch ihre Entwicklung in dieser Richtung gestalten. Am Ende zählen dann eine abge-

schlossene Ausbildung und zumindest regelmäßige Praktika in Unternehmen. Ohne die-

sen dualen Weg wird die nachsportliche Zeit ein schwieriger Neubeginn werden. Orientie-

rungslosigkeit wird nicht zu verhindern sein, aber die Krisenzeit der Umstiegsphase kann

mit dem Willen der Betroffenen konstruktiv genutzt werden.

14 Handlungsempfehlungen In den folgenden Empfehlungen werden einige Lösungsvorschläge zur Verbesserung des

Status Quo dargestellt und zur Diskussion freigegeben. Die von mir beschriebenen Emp-

fehlungen sind das Resultat meiner persönlichen Erfahrungen und der Ergebnisse der

vorliegenden Masterthesis.

Jobchancen für Sportler/innen schaffen

Jobchancen schaffen – leicht gesagt, aber wo wird angesetzt? Gemeinsam sind wir

stärker! Dieser Grundsatz gilt, wenn wir am selben Ziel arbeiten und in dieselbe Richtung

gehen wollen. Ich meine mit meiner Aussage nicht, eigene Jobs für Sportler/innen zu

schaffen! Dieser Ansatz wäre für mich kontraproduktiv, weil dabei kurzfristig auf das Wohl

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der Sportler/innen geachtet wird, aber der Fokus hin zur Wirtschaft verloren geht. Job-

chancen bieten sich nicht durch überstürztes Handeln, sondern durch eine realistische Einschätzung der Arbeitsmarktsituation von Menschen, die über Jahre Sport zum

wichtigsten Teil ihres Lebens machten. Sie stehen an einem Wendepunkt ihres Lebens

und brauchen reale Vorstellungen von dem, was nun kommen wird. Einige wenige denen

es gelingt, im Sport „unter zu kommen“ und die über nicht nachvollziehbare Bewerbungen

Jobs innerhalb des Sports erhalten haben, nehme ich von dieser Diskussion aus. Mir geht

es hier um jene, die nicht wegen des prominenten Namens eine offene Tür finden. Mir

geht es um die unbekannten oft gut qualifizierten Nationalteamsportler/innen und die

meist unqualifizierten Senkrechtstarter/innen im Sport, die freiwillig oder unfreiwillig auf

Schul- und Berufsausbildung verzichtet haben. Aus den Recherchen, Erfahrungen und

Befragungen kristallisieren sich einige Ideen heraus, die mir wichtig erscheinen und die

ich hier am Ende meiner Arbeit gerne präsentieren möchte. Den Vorschlägen zugrunde

liegen zahlreiche Gespräche mit Sportler/innen, Trainer/innen, Sportfunktionären/innen,

Politiker/innen und nun auch Wirtschaftstreibenden.

14.1 Empfehlungen an die Wirtschaft Aus den Interviews und in Gesprächen mit anderen Personen aus dem Profit-Bereich be-

kam ich eine Vielfalt an Eindrücken. Von der totalen Ablehnung gegenüber Sportler/innen

(„die sind körperlich kaputt, krank, egoistisch und nicht teamfähig“) bis hin zur neutralen

Einstellung („wir freuen uns über jede Bewerbung eines/r Spitzensportlers/in“) zeigt die

Bandbreite, dass es auf viele Faktoren ankommt, ob die Chancen auf einen Jobeinstieg

gegeben sind. Einen wichtigen Beitrag, den die Wirtschaft leisten könnte ist neben der fi-

nanziellen Unterstützung auch eine Hilfestellung bei Persönlichkeits- und Berufs(aus)bil-

dung. Sponsorengelder, die ein Sportverband an seine Mitarbeiter/innen verteilt, ohne für

entsprechende sozial- und arbeitsrechtliche Grundlagen zu sorgen sind Sponsorengelder,

die an der Ganzheitlichkeit der Förderung von Athleten/innen vorbeigehen. Hier werden

hohe Summen für den aktiven Sport investiert, die ausschließlich der Optimierung von

Topleistungen einigen wenigen Personen zugute kommen. Mir ist kein Sportverband in

Österreich bekannt, der einen Teil seiner Förderungen oder Sponsorengelder für die Per-

sönlichkeitsbildung, die Schul- oder Berufsausbildung und die Beratung der Sportler/innen

für die Zeit nach dem Sport verwendet!

Sportsponsoring neu überdenken!

Deshalb empfehle ich Unternehmen, sich über neue Formen des Sportsponsorings Ge-

danken zu machen. Dabei denke ich an eine Mischung aus Sponsoring und CSR (Corpo-

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rate social responsibility). Wenn wir davon ausgehen, dass Sportlerinnen und Sportler un-

ser Land international repräsentieren, sind sie auch Werbeträger/innen für unsere Wirt-

schaft. So wie der Staat eine Verantwortung für ein ganzheitliches Sportler/innenleben

trägt, kann auch die Wirtschaft dem/der einzelnen Sportler/in Nutzen bringen. Natürlich ist

Sponsoring/CSR in einer Unternehmensphilosophie oder im Leitbild verankert. Jedes Un-

ternehmen setzt andere Schwerpunkte im Marketing. Entscheidet sich aber ein Unterneh-

men bewusst zur Kooperation mit dem Sport, würde ich mir für die Zukunft wünschen,

dass diese Gelder zu einem großen Teil auch direkt bei den Sportler/innen ankommen.

Ein konkreter Vorschlag, den ich als Konsequenz und Ergebnis meiner Arbeit mit dieser

Thematik ziehe, wäre folgender.

Sportsponsoring als Teil einer berufsbegleitenden Maßnahme für einzelne

Sportler/innen!

Unternehmen suchen sich junge Sportler/innen aus der näheren Umgebung aus, um sie

in Zukunft finanziell zu unterstützen. Die/der Unterstützte erhält eine monetäre Leistun-gen, aber unterschreibt auch die Verpflichtung zu bestimmten Anwesenheitstagen im Unternehmen. Damit soll er/sie schon früh angehalten werden, auch das zivile Arbeitsle-

ben und die nachsportliche Zeit als Teil der Sportkarriere und der persönlichen Entwick-

lung zu sehen. Je konstruktiver sich ein/e Sportler/in mit diesen Themen auseinander

setzt, desto leichter wird später die berufliche Eingliederung erfolgen! Ein weiterer Vorteil

dieser neuen Form des Sponsorings ist die frühe Einbindung von Sportler/innen in ein Unternehmen. Zukünftige Kollegen/innen lernen den oder die Sportler/in während der

Schnuppertage kennen, am „schwarzen Brett“ werden sportliche Erfolge der/des Gespon-

serten vermerkt. Die jungen Athleten/innen lernen verschiedene Abteilungen und berufli-

che Anforderungen kennen und können sich auch methodisch und fachlich fort- und wei-

terbilden. Ein Teil des Sponsorengeldes wird für diese Fortbildung verwendet. Diese lang-

fristige individuelle Form des Sportsponsorings ist erst ab einer gewissen Unternehmens-

und Umsatzgröße möglich, aber sie würde Schicksalsschlägen ehemaliger Sportler/innen

präventiv entgegenwirken.

14.2 Empfehlungen an die (Sport)Politik Österreichs Sportpolitik ist stark geprägt von wechselnden Zuständigkeiten. Der Sport

wandert auf Bundesebene zwischen dem Bundeskanzleramt, dem BM für öffentliche Leis-

tung, dem Gesundheitsministerium und aktuell dem Verteidigungsministerium umher. Ein

kontinuierliches Arbeiten wird von Neuwahlen unterbrochen und mit jedem Wechsel der

politisch Zuständigen werden neue Schwerpunkte im Sport gesetzt. Politiker/innen bezie-

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hen Stellung zu sportpolitischen Themen sowie zu Skandalen und Erfolgen. Decken Medi-

en zum wiederholten Male Dopingskandale auf, ereilt uns rasch der Ruf nach härteren

Strafen, gewinnen „unsere“ Sportler/innen in den Topsportarten Skilauf und Fußball haben

wir es mit Helden – seltener Heldinnen – zu tun. Politische Vertreter/innen stehen dann

rasch zur Seite und die Sportseiten der Tageszeitungen schmücken nette Photos von

glücklichen Sieger/innen und glücklichen Politiker/innen. Manche Sportler/in ereilt das me-

dizinische Unglück und er/sie wird bei der Ausübung „ihres Berufes“ schwer verletzt. Ih-

nen schenkt man mitleidige Berichterstattung und es folgen Versprechen von Politiker/in-

nen, den in Not Geratenen zu helfen. Wie sieht es aber für die 90% der „anderen“ aus?

Für jene nämlich, die keine Erfolge oder Erfolge in unpopulären Sportarten feiern und die

sich nicht während einer Live-Übertragungen im TV schwer verletzen. Ich denke da an

den jungen Kärntner Geräteturner, der seit einem Trainingssturz querschnittgelähmt ist.

Soziale Verantwortung des Staates!

Welche sportpolitischen Ziele verfolgen „wir“ bzw. unsere Volksvertreter/innen? Und wel-

che politischen Maßnahmen setzt unsere Regierung – im Rahmen des Bundessportför-

dergesetz oder anderer gesetzlichen Rahmenbedingungen – für die Zeit nach dem Sport-

leben? Dass man den „Beruf“ Sportler/in nicht bis zur Pension ausübt, ist allen bewusst.

Warum also macht bis dato die Politik die Augen zu und agiert so als wäre dies der Fall?

Ist es nicht selbstverständlich, dass wir als demokratischer Staat denjenigen Unterstüt-

zung – und zwar gesetzlich geregelte und transparente – anbieten, die „Kopf und Kragen“

für uns riskieren? Ich bin der Ansicht, dass die Sportler/innen das verdient hätten! Sie sind

Werbeträger/innen im Ausland für Österreich, teilen ihre Erfolge mit uns und sehen sich

als Teil einer Leistungsgesellschaft, für die sie gerne ihren Beitrag leisten. Und sie würden

diesen Teil auch gerne nach Beendigung der Sportlaufbahn leisten, wenn ihnen dafür die

notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung stünden!

14.3 Empfehlungen an die Sportler/innenIch persönlich empfehle allen Sportlerinnen und Sportlern sich bereits früh mit gängigen

Berufsbildern auseinander zu setzen. Jede Sportkarriere der Welt ist zeitlich begrenzt. In

fast allen Sportarten ist sie dies schon alleine aufgrund der körperlichen Voraussetzun-

gen, die für die Ausübung von Spitzensport notwendig sind. Ist dies nicht der Fall, wie bei-

spielsweise beim Golfsport, wird auch dort niemand Jahrzehnte lang Topleistungen brin-

gen. Natürlich ist die Zeit „Danach“ für gutverdienende Sportler/innen leichter zu bewälti-

gen, aber die psychischen Herausforderungen des Alltags nach dem Karriereende bleiben

für alle Sportler/innen gleich. Jede/n trifft das Ausscheiden aus dem Spitzensport gleicher-

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maßen. Das soziale Umfeld und der Tagesrhythmus verändern sich und stabile Wohnver-

hältnisse setzen ein. Ich gehe in meinen Empfehlungen hier sogar soweit, besonders den

Gutverdiener/innen und Prominenten unter den Topsportler/innen ein begleitendes Coa-

ching zu empfehlen. Der Mensch definiert sich über die Anerkennung seiner Tätigkeiten.

Dies trifft nicht nur auf sportliche Leistungen, sondern auch für alle anderen Lebensberei-

che zu. Wenn diese Anerkennung ausbleibt verändert das viel. Topverdiener unter den

Sportlern fallen nach Beendigung ihrer Sportlaufbahn eher durch Skandale als durch er-

freuliche Nachrichten auf.

Work-Life-Balance schaffen!

Ein ausgeglichenes Leben mit beruflichen und privaten Erfolgen ist die Basis für eine ge-

lungene Balance. Nur dann können wir am Abend zufrieden auf den Tag zurück blicken.

Es benötigen auch aktive Sportler/innen eine Begleitung für psychosoziale Belange. Diese

Begleitung beinhaltet die Elemente der klassischen Work-Life-Balance. Ein ganzheitliches

Denken, Erleben und Fördern von Sportler/innen schafft mündige Personen, die mit bei-

den Beinen im Leben stehen. Sie leben bewusst und wissen, dass es eine Zeit nach dem

Sport gibt. Daran arbeiten sie präventiv, um den Übertritt bestmöglich zu bewältigen.

Sich nicht auf Unterstützung von außen verlassen!

Besonders wichtig ist es in der Persönlichkeitsentwicklung von Sportler/innen auf Interes-

sen und Fähigkeiten zu achten, die auf Berufsfelder hinweisen können. Soziales oder kul-

turelles Engagement, Freude im Umgang mit Kindern, technisches Interesse oder vieles

mehr können auf ein berufliches Talent hinweisen.

Den Willen zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung entwickeln!

Es liegt schlussendlich immer an der Person des Sportlers oder der Sportlerin, Interessen

zu entwickeln oder zu entdecken. Eine der am öftesten gehörten Aussagen im Einzelcoa-

ching war: „Wenn mir damals jemand das gesagt hätte, wie schwierig das ist, hätte ich

mich sicher um eine Beruf umgesehen“... und ich antwortete jedes Mal: „Ist es nicht auch

deine/Ihre Aufgabe, das eigene Leben so zu gestalten wie du/Sie es willst/wollen und per-

sönliche Schwerpunkte für die Zukunft selbst zu setzen?“

Wenn die Wirtschaft, die Politik und der Sport die berufliche Integration von Sportler/innen

in Österreich für ein wichtiges Thema halten, kann es nur Sieger/innen geben. Die Ar-

beitslosigkeit der Sportler/innen sinkt, die Qualifikation und Bildung der Sportler/innen

steigt, die Wirtschaft erhält motivierte, ausgebildete und gereifte Ex-Athleten/innen als Mit-

arbeiter/innen und die Politik kann erfolgreiche Berufsintegrationen medial verkaufen.

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