Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

262
Kerstin Funk (Hrsg.): Aspekte des Wohneigentums liberal Verlag Aspekte des Wohneigentums Kerstin Funk (Hrsg.) Argumente der Freiheit, Band 25 Argumente der Freiheit 25

description

Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Viele Menschen in Deutschland und anderen Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.

Transcript of Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Page 1: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Kers

tin F

unk

(Hrs

g.):

Aspe

kte

des

Woh

neig

entu

ms

liberal Verlag

Aspekte des WohneigentumsKerstin Funk (Hrsg.)

Argu

men

te d

er F

reih

eit,

Band

25

Argu

men

te d

er F

reih

eit 2

5

Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohnei-gentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwor-tung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Ver-antwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohnei-gentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutsch-land, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.

Mit Beiträgen von:Reiner BraunGijs DrögeKerstin FunkPeter KingArnold KlingUlrich van SuntumMichael VoigtländerPeter Westerheide

ISBN 978-3-920590-39-4

Page 2: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Kerstin Funk (Hrsg.)

Aspekte des Wohneigentums

Page 3: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Argumente der Freiheit

Page 4: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Aspekte des Wohneigentums

Kerstin Funk (Hrsg.)

liberal Verlag GmbH, Berlin 2010

Page 5: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

4

Impressum:1. Auflage, Januar 2010© 20 liberal Verlag GmbH, Berlin

UmschlagGestaltung: altmann-druck GmbH

Satz und Druck: altmann-druck GmbH, BerlinPrinted in Germany - ISBN 978-3-920590-39-4

Titelbild: Fotolia

10

Page 6: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

5

Inhalt

Vorwort ........................................................................... 7

Reiner BraunAnalyse des Wohnungsmarktes in Deutschland ............. 15

Ulrich van SuntumGesellschaftspolitische Vorteile des Wohneigentums .... 52

Peter WesterheideStaatliche Förderung des Wohneigentums ..................... 82

Arnold KlingAmerikas Subprimekrise ...............................................116

Michael VoigtländerDie Privatisierung kommunalen Wohneigentums .......... 154

Peter KingDie Privatisierung von Sozialwohnungen: Das „Right to Buy“ in Großbritannien .............................. 185

Gijs DrögeDer niederländische Wohnungsmarkt: gegenseitige Behinderung von Miete und Eigentum .......................... 232

Über die Autoren ........................................................ 254

Page 7: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

6

Page 8: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

7

Vorwort

Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohneigentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Ka-pital in einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwortung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Vorausset-zung. Denn die Verantwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden ist, erzeugt die umfas-sende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln. Der Rechtsstaat basiert auf dieser Anerkennung und er basiert auch auf der Notwendigkeit von Eigentum und den damit verbundenen Rechten und Pflichten.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene As-pekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungs-politik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist. Natio-nale und internationale Autoren haben zu diesem Sammel-band beigetragen.

Page 9: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

8

Eine Analyse des deutschen Wohneigentumsmarktes er-folgt durch Reiner Braun. Seine Analyse zeigt, dass selbst-genutztes Wohneigentum hierzulande nach wie vor von gro-ßer Bedeutung ist. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde eine große Zahl neuer Wohnungen und Häuser ge-baut. Dies prägt bis heute den Immobilien- und Mietmarkt in Deutschland. Eine Entscheidung für Wohneigentum ist eine Entscheidung über die langfristige Lebensplanung. Wohnei-gentümer weisen daher vor allem in ihrem Spar- und Kon-sumverhalten besondere Merkmale auf. Allerdings verän-dert sich die Wohneigentumsquote. Diese Entwicklung hat auch mit der zunehmender Mobilität und den Veränderungen der sozialen Faktoren zu tun. So leben immer mehr Men-schen in Singlehaushalten oder ohne Kinder. Diesen He-rausforderungen müssen Anbieter und Politik in Zukunft ge-recht werden.

Ulrich van Suntum belegt in seinem Beitrag, dass auch ge-sellschaftspolitisch Wohneigentum durchaus wünschens-wert ist: Es hat zahlreiche Vorteile, und zwar sowohl für die Eigentümer, als auch für die Gesellschaft als Ganze. Denn Eigentum ist auch Verantwortung. Und die Verantwortung für eine Immobilie beschränkt sich nicht nur auf den Werter-halt oder die Wertsteigerung, die hauptsächlich mit subjek-tiven Interessen der Eigentümer verbunden ist. Im Interesse eines lebens- und wohnenswerten Umfeldes werden Eigen-tümer von Immobilien sich auch für die Umgebung der Im-mobilie einsetzen. In der direkten Umgebung setzen sie sich für die Pflege und den Erhalt der Wohnungssubstanz ein, in

Page 10: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

9

der weiteren Umgebung für die Attraktivität des Standortes. Dies geschieht auch durch privates Engagement, zum Bei-spiel in Schulen, Parteien oder in Vereinen. So wird erheb-lich zur sozialen Stabilität beigetragen. Auch gesellschaft-liche Konflikte werden durch Eigentum eher vermieden. Darüber hinaus erhöht der Besitz einer Immobilie die Le-benszufriedenheit, denn sie gibt die Möglichkeit zur freien Entfaltung, bringt Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit mit sich. Den Vorteilen stehen freilich auch einige Nachteile gegenüber: So ist die Mobilität von Wohneigentümern im Vergleich zu Mietern deutlich eingeschränkt. Auch wird ar-gumentiert, dass insbesondere Einfamilienhäuser sehr viel Fläche verbrauchen und den Individualverkehr erhöhen, was wiederum mit Folgen für die Umwelt verbunden ist.

Als Kapitalanlage ist Wohneigentum geeignet, Konsum und Altersvorsorge miteinander zu verbinden. So verschulden sich Wohneigentümer nach dem Lebenszyklus in der ersten Lebensphase, tilgen die Schulden in der mittleren Lebens-phase und sparen dabei gleichzeitig für die letzte Lebens-phase, in der sie dann das Vermögen konsumieren. Späte-stens nach der Schuldentilgung haben Immobilieneigentümer dann im Vergleich zu Mietern meist eine geringere Bela-stung durch die Wohnkosten. Meist ergänzen die Eigentü-mer die Altersvorsorge durch zusätzliche Kapitalanlagen. Dies scheint umso mehr sinnvoll, als dass die Wertbestän-digkeit von Immobilien nicht garantiert ist und Risiken so breiter gestreut werden können.

Page 11: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

10

Einen Überblick über die staatliche Förderung von Wohnei-gentum gibt Peter Westerheide. Die staatliche Förderung begann mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Welt-krieg. Dies geschah in erster Linie, um die Wohnungsnot zu lindern, und zwar vor allem durch sogenannte „Vorsparför-derung“, das heißt der Förderung von Ansammlung von Ei-genkapital. Im Laufe der Jahre wurde diese Förderung um verteilungsorientierte Elemente ergänzt. So konnten auch Kleinsparer gefördert werden. Heute bietet die „Riester-Rente“ eine staatliche Sparförderung zu diesem Zweck. Er-gänzt wird die Vorsparförderung durch die Nachsparförde-rung, also eine Förderung nach dem Erwerb von Wohneigentum. Sie erfolgte zunächst durch steuerliche Ab-zugsmöglichkeiten. Mit Einführung der Eigenheimzulage wurde die Förderung von Einkommen abgekoppelt. Dies un-terstützte vor allem den Eigenheimerwerb von Familien. Nach Abschaffung der Eigenheimzulage erfüllt heute das „Wohn-Riester“ diesen Zweck. Ein Vergleich zeigt, dass Wohneigentum in vielen anderen Ländern ebenfalls staatlich gefördert wird: entweder durch steuerliche Absetzbarkeit oder durch die Förderung besonderer Gruppen bzw. für be-stimmte Zwecke.

Die Wirkung der Wohneigentumsförderung ist jedoch um-stritten. So hat die Bausparförderung zwar das Sparverhal-ten breiter Bevölkerungsschichten positiv beeinflusst und zu höherer Kapitalbildung beigetragen. Allerdings wird dieses Kapital nicht immer zum Erwerb von Immobilien genutzt. Der Erfolg der Nachsparförderung ist jedoch weniger eindeutig,

Page 12: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

11

denn es lässt sich nicht klar belegen, ob zum Beispiel durch die Eigenheimzulage tatsächlich mehr Menschen sich zum Kauf einer Immobilie entschieden haben. Zudem ist wahr-scheinlich, dass die Eigenheimzulage zu künstlichen Markt-verzerrungen geführt hat, Bauland zum Beispiel verteuert und zu höheren Preisen im Baugewerbe geführt hat.

Dass staatliche Förderung auch misslingen kann, zeigt Ar-nold Kling in seinem Aufsatz. Denn die gegenwärtige Wirt-schaftskrise nahm ihren Lauf mit der amerikanischen Sub-primekrise. An der Darstellung der Hintergründe und der Vorgeschichte dieser Krise wird deutlich, welche negativen und gefährlichen Konsequenzen staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt haben können. Zwar folgte die US-ameri-kanische Regierung einem scheinbar hehren Ziel, der Unter-stützung und Förderung des Eigenheimerwerbs, aber ein in-itiativer Eingriff der Regierung machte in der Folge zahlreiche weitere Eingriffe notwendig. Alle diese Eingriffe zusammen-genommen haben letztlich zu einer Unübersichtlichkeit und Marktverzerrung geführt, die schließlich mit dem Platzen der Immobilienblase ihren Höhepunkt fand. Es folgte eine Art „Marktbereinigung“, als zahlreiche Finanzinstitute zu-sammenbrachen und eine weltweite Wirtschaftskrise auslö-sten. Die Krise hat die Schwächen des US-amerikanischen Finanzsystems und die Folgen staatlicher Eingriffe offen ge-legt. Die Krise ist aber auch eine Chance, nun die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und staatliches Handeln künftig an rein marktwirtschaftlichen Prinzipien zu orientie-ren.

Page 13: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

12

Michael Voigtländer diskutiert in seinem Beitrag die Privati-sierung von kommunalem Wohneigentum. Obwohl ein aus-reichend großer Markt privater Anbieter für Wohnimmobilen auch für Mietzwecke vorhanden ist, ist ein großer Teil des Wohneigentums noch immer im Besitz der öffentlichen Hand. In einer Marktwirtschaft sollte der Staat jedoch sein Engagement auf jene Marktfelder beschränken, in denen der private Markt kein Angebot schaffen kann. Dies verhält sich im Immobilienmarkt nicht anders. Der staatliche Mark-teingriff ist aber nicht nur nicht notwendig, sondern er beein-flusst den Markt in negativer Weise. Mietpreise werden künstlich gemindert und Vorteile öffentlicher Unternehmen behindern die privaten Anbieter in ihrem Marktzugang. Es ist daher dringend geboten, dass staatliche Immobilienbestän-de privatisiert werden. Wie dies erfolgreich gelingen kann, zeigt das Beispiel der Stadt Dresden. Neben einer Entschul-dung des kommunalen Haushaltes erfolgte hier eine Privati-sierung, die marktwirtschaftlichen und sozialen Anforde-rungen zugleich gerecht wird.

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für die Privatisierung öf-fentlicher Sozialwohnungen findet sich in Großbritannien. Peter King stellt dar, wie dort mit dem „Right to Buy“ Mietern von Sozialwohnungen die Möglichkeit geschaffen wurde, di-ese Wohnungen zu kaufen. Auf diese Weise wurden viele Menschen Eigentümer von Immobilien, die ansonsten kaum in der Lage gewesen wären, das notwendige Kapital für eine Immobilie anzusparen. Das „Right to Buy“ war eine politische

Page 14: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

13

Maßnahme der Regierung unter Margaret Thatcher. Es war maßgeblich verantwortlich für den Rückgang der Sozialwoh-nungen in Großbritannien und für den Anstieg von selbstge-nutztem Wohneigentum vor allem in Arbeiterhaushalten. Auch hier wurden soziale und wirtschaftliche Faktoren glei-chermaßen berücksichtigt und führten auch zur Absiche-rung vieler sozial schwächerer Menschen.

Vor welchen Herausforderungen nationale Wohnungsmär-kte heute stehen, dokumentiert schließlich Gijs Dröge. Der Wohnungsmarkt in den Niederlanden teilt sich in etwa in zwei Hälften: Während 56% der Niederländer Eigentum be-sitzen, sind die verbleibenden 46% Mieter. Die Wohnungs-politik in den Niederlanden spiegelt dieses Verhältnis wider. Die zwei Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in ihren politischen Maßnahmen gegenseitig aus und behin-dern sich dabei, die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine Marktöffnung notwendig wären. Nicht nur infolge der Wirt-schaftskrise bedarf der niederländische Wohnungsmarkt je-doch einer Neuordnung. Die staatliche Einflussnahme sollte dabei weitestgehend zurückgenommen werden. Eine Libe-ralisierung des Marktes ist dringend geboten. Liberale in den Niederlanden fordern dazu vor allem, dass die Förde-rung von Wohneigentum durch steuerliche Anreize erfolgt. Zudem soll die Effizienz des Wettbewerbes auf dem Woh-nungsmarkt gesteigert werden, vor allem bei der Preisbil-dung, die durch ein unausgeglichenes Verhältnis von Ange-bot und Nachfrage derzeit nicht den realen Marktverhältnissen entspricht.

Page 15: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

14

Da Wohneigentum für die Eigentümer viele positive Effekte mit sich bringt, ist es aus liberaler Sicht wünschenswert, dass Menschen Wohneigentum bilden. Liberale Politik kann dies unterstützen, indem sie Wohneigentum fördert. Dabei muss sie sich auf die Wohnversorgung bestimmter Zielgrup-pen orientieren. Zu diesen Zielgruppen gehören zum Bei-spiel Familien oder ältere Menschen. Denn Wohneigentum ist ein wichtiger Baustein der privaten Altersvorsorge. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, in dem der Einzelne gefordert ist, selbst mehr für sein Einkommen auch im Alter vorzusorgen und sich nicht nur auf staatliche die Vorsorge verlassen darf. Der Subjekt-förderung ist daher grundsätzlich der Vorrang vor der Ob-jektförderung zu geben. Eine gute Steuerpolitik ist daher auch eine gute Wohnungspolitik. Denn eine niedrige steuer-liche Belastung der Einkommen ermöglicht es den Men-schen, bereits im Erwerbsleben Wohneigentum zu erwer-ben und abzuzahlen und damit einen eigenverantwortlichen Beitrag zur sozialen Absicherung zu leisten.

Page 16: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

15

Reiner Braun

Analyse des Wohnungsmarktes in Deutschland

Wohnungen sind technisch einfache Güter, gesellschaftlich-ökonomisch aber sehr komplex. Sie sind kapitalintensiv und langlebig, Fehlallokationen entsprechend teuer. Besondere Bedeutung haben Wohnungen auch für ihre Nutzer, die sie individuell ausstatten, die umliegende Infrastruktur nutzen und Beziehungsnetze in der Nachbarschaft pflegen. Daraus wurden vielfach ein besonderer Schutz der Bewohner abge-leitet und Staatseingriffe sowie massive staatliche Subven-tionen begründet. Der Wohnungsmarkt hat eine weitere Achillesferse: Die Neuproduktion ist im Vergleich zum Be-stand sehr gering. Dies führt bei zyklisch schwankender Nachfrage immer wieder zu Engpässen und sprunghaft stei-genden Neuvertragsmieten. Eine weitere Besonderheit: Von jedem Neubau profitieren alle Mieter, weil das größere Angebot – ob Mietwohnung oder selbst genutzt, kostengün-stig oder Luxuswohnung – die Mietforderung dämpft. Durch diesen Filteringprozess wurden Wohnungen relativ zum Ein-kommen in den letzten Jahrzehnten immer preiswerter. Was sonst die letzten hundert Jahre den deutschen Wohnungs-

Page 17: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

16

markt geprägt hat, wird in einem kurzen historischen Abriss in Kapitel 1 skizziert.

Früher oder später kommt es am Wohnungsmarkt zur Grundsatzfrage: Willst Du Mieter bleiben oder Wohneigen-tum erwerben? Diese Frage stellen sich jährlich Tausende junger Haushalte. Kluge Rechner präsentieren immer wie-der Vergleiche, bei denen in einer reinen Renditerechnung die Immobilie mal mehr, mal weniger gut abschneidet. Sol-che Rechnungen erscheinen auf den ersten Blick überzeu-gend. Man muss allerdings ihre Relevanz bezweifeln. Es handelt sich um eine aus dem Lebenszusammenhang he-rausgerissene, rein finanzmathematische Operation. In der Wirklichkeit geht es dagegen um Fragen des Verhaltens von Haushalten über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Es geht um langfristige Lebensplanung und Familiengründung; es geht um Fragen, wie man im Alter leben und wie man sich selbst im Vergleich zu anderen darstellen will. Diese Besonder-heiten im Verhalten der Wohneigentümer werden in Kapitel 2 geschildert.

Die Gretchenfrage auf dem Wohnungsmarkt aber lautet: Soll die Wohnungspolitik eine Erhöhung der Eigentumsquo-te zum Ziel haben? In der Praxis wurden in Deutschland über Jahrzehnte Eigenheime wie auch Mietwohnungen ge-fördert. Oft wurde dabei übersehen, dass die Investitions-förderung für Vermieter – bei gegebenen Immobilienpreisen – eine mietsenkende Wirkung hat. Dadurch verliert das selbst genutzte Wohneigentum im Vergleich zur Mietwoh-

Page 18: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

17

nung an Attraktivität. Zum Ausgleich wurde auch der Bau oder Erwerb von Wohneigentum gefördert. Es wäre dem Staat billiger gekommen, beides nicht zu fördern. Anders gewendet: Es wäre effizienter gewesen, den Wohnungsbau neutral zu fördern. Etwa durch Schaffung eines elastischeren Bodenmarktes. Niedrigere Grundstückskosten kommen Mietern wie Eigentümern zugute – unabhängig vom persön-lichen Steuersatz, sowie jenseits ausgefeilter Förderkonditi-onen und unsicherer Halbwertszeiten der Förderinstru-mente. Wie es künftig weitergeht, wird in Kapitel 3 diskutiert.

1. Historischer Abriss

Seit der Gründerzeit dominiert in Deutschland die Miets-kaserne

In Deutschlands Städten wurde seit der Gründerzeit der Blockbebauung mit großen Mietshäusern der Vorzug gege-ben. Es wäre auch anders gegangen. Das zeigt das Beispiel England, wo es zu einer ganz anderen Weichenstellung kam. Dort dominierte auch in Großstädten das kleine Haus. Der Vorteil: kleine Einheiten sind einfacher, durch die Nutzer selbst zu bewirtschaften und erleichtern den Erwerb von Wohneigentum (vgl. Abbildung 1).

Page 19: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

18

Schon vor dem Ersten Weltkrieg kam es in Deutschland zu einem Dissens zwischen Wohnungsökonomen und Stadtpla-nern. Eberstadt (1920) nannte die große Mietskaserne eine „gewillkürte politische Schöpfung“ und zeigte, dass ein dreistöckiger Wohnungsbau in kleinen Blöcken anders als große Mietskasernen zu einer höheren Nutzungsqualität bei niedrigeren Kosten geführt hätte. Die sozial engagierten Wohnungsökonomen blieben jedoch ohne großen Einfluss. Trotz anders lautender Empfehlungen einer Regierungskom-mission wurden auch nach dem Ersten Weltkrieg kleine Mietshäuser und Einfamilienhäuser regelrecht diskriminiert. Diese Politik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt.

Page 20: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

19

Das wohl extremste Ergebnis entstand in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den großen Neubausiedlungen mit erheb-lichem Hochhausanteil am Stadtrand im sozialen Wohnungs-bau. Herstellung und Bewirtschaftung waren aufwändig und für die Klientel ungeeignet. Der abstrakte, moderne Städte-bau ab Mitte der 1960er und in den 70er Jahren ist beson-ders unwirtschaftlich und geht an den Wünschen der Nach-frage vorbei. Viele dieser Bauten werden lange vor ihrem technischen Verschleiß ökonomisch obsolet geworden sein. Diese Erfahrung zeigt: Städte und Wohnungen müssen den Anforderungen der Bewohner entsprechen und in engem Kontakt mit den Nutzern geplant werden.

Es sollte zu denken geben, dass Bremen, die einzige deut-sche Großstadt, die schon seit dem neunzehnten Jahrhun-dert stärker nach englischen Prinzipien aus kleinen Häusern entwickelt wurde, gleichzeitig die höchste Wohneigentums-quote erreicht. Städte, zusammengesetzt aus kleinen Wohn-bauten und bewirtschaftet von Einzeleigentümern, sind er-lebnisreicher, lebendiger in ihrer Erscheinung und werden als persönlicher erlebt. Wir sind im 20. Jahrhundert über längere Zeit falschen Prinzipien, falschen Bauprozessen und falschen Subventionsformen aufgesessen! Es sollte auch zu denken geben, dass ein durchschnittliches Wohngebiet aus der kapitalistischen Spekulationsphase des Wohnungsbaus in Berlin/Prenzlauer Berg zum Mekka junger Familien wur-de. Analoge Beispiele gibt es praktisch in jeder Großstadt. Jede dieser Familien würde es ablehnen, im Märkischen

Page 21: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

20

Viertel1 oder sonst einer Hochhaussiedlung zu wohnen. Di-ese Erfahrung lehrt: Die gewinnorientierten Motive der Inve-storen haben unter Wettbewerbsbedingungen durchaus eine Qualität geschaffen, die bis heute anerkannt wird, wäh-rend der wohlfahrtsstaatlich motivierte soziale Wohnungs-bau, unter gemeinnützigen Vorzeichen errichtet, nach ersten Pionierleistungen später meist zu geringer Wohnqualität führte.

Die deutsche Tradition großer Häuser und hoher Baudichten bei knapp gehaltenem Baulandangebot begünstigten ex-trem hohe Bodenpreise und damit auch hohe Baukosten. Es gibt kaum einen Bauformenwettbewerb. Einfamilienhäuser in den Städten wurden de facto zu Luxusgütern, weil sie in der Konkurrenz mit den Geschosswohnungsbauten extreme Baulandpreise tragen mussten. Im Ergebnis hat die Domi-nanz der großen Bauten eine breite Vermögensstreuung er-schwert. In Deutschland wird dies im Vergleich zwischen Berlin und Bremen besonders deutlich. Die Berliner Miets-kasernen erschweren die Entwicklung eines leistungsfä-higen Marktes für Eigentumswohnungen. Einfamilienhäuser blieben extrem teuer. Das Bremer Haus mit ein bis zwei Wohnungen ermöglicht dagegen privaten Haushalten sehr viel leichter, Wohneigentümer zu werden. Dementspre-chend ist die Wohneigentumsquote in der Stadt Bremen mit

1 Einer Großwohnsiedlung im Berliner Bezirk Reinickendorf (Anm. d. He-rausg.)

Page 22: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

21

37% höher als in irgendeiner anderen deutschen Großstadt (vgl. Abbildung 2).

Die hohen deutschen Baupreise wurden nicht nur durch knappes Angebot, sondern auch durch ein kostentreibendes Regulierungs- und Planungssystem mit hervorgerufen. Da-durch konnte sich nur ein kleiner Anteil großstädtischer Haushalte zu erträglichen Belastungen Neubauwohnungen als Mieter oder Eigentümer leisten. Diese Angebotspolitik hat eine kompensierende finanzielle Förderung des Woh-nungsbaus fast erzwungen, weil nur dadurch Mieten ent-standen, die für breitere Schichten erschwinglich waren. Po-lemisch zugespitzt: Auf der Angebotsseite wurde der

Page 23: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

22

Wohnungsbau verteuert. Das erzwang Nachfragesubventi-onen, damit Wohnen für breitere Schichten erschwinglich wurde. Die Wohnungspolitik auf der Angebotsseite hat die Wohnungspolitik auf der Nachfrageseite erzwungen.

Zum Wandel der Märkte in den 1960er bis 1980er Jahren

Nach der Wiederaufbauphase bis etwa zum Ende der 1960er Jahre kam es in Deutschland fast parallel zu Stadt-erweiterungen in großen Neubausiedlungen und daneben zu einem allmählich wachsenden Einfamilienhausbau. Die 1970er Jahre brachten zur Überraschung der meisten Ex-perten kein Ende des Nachkriegsbooms, sondern neue Fer-tigstellungsrekorde. Die Eltern der heutigen Baby-Boomer wanderten in die Einfamilienhäuser im Umland der Groß-städte. Gleichzeitig brach eine neue Begeisterung für ältere Wohngebiete in den Innenstädten aus, die bis heute bei be-stimmten Schichten „in“ ist. Allerdings schrumpfte die Be-wohnerzahl in diesen Gründerzeitwohnungen, weil die Zuge-zogenen höheren Einkommensschichten pro Kopf weit höhere Wohnflächen beanspruchten. In der Folge explo-dierten die Preise für attraktive Altbauwohnungen. Die neu-en Steuervorteile für Bestandskäufe im Jahr 1976 traten eine regelrechte Lawine los. Parallel wurde die steuerliche Absetzbarkeit von Bestandsinvestitionen für Vermieter ver-bessert. Ab Mitte der 1970er Jahre floss die Hälfte des Bauvolumens in den Wohnungsbestand.

Page 24: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

23

In den 1980er Jahren expandierten die Siedlungsflächen –trotz des politisch immer wieder verkündeten „Vorrangs für die Innenentwicklung“. Gleichzeitig verstärkte sich die Gen-trifizierung älterer Bestände. Die in den Großstädten schon in den 1970er Jahren begonnene Umverteilung der Bewoh-ner nach Einkommensschichten, Integrationsstatus oder So-zialprestige setzte sich fort. Aus vielen Altbaugebieten mit ehemals geringer Wertschätzung, bewohnt von Unter-schichten und Einwanderern, wurden nostalgisch aufgewer-tete Wohngebiete. Daraus ergaben sich erhebliche soziale Spannungen. Das Mietrecht – vor allem der Schutz gegenü-ber Eigenbedarfskündigungen – kann hier Härten vermei-den. Noch mehr aber würde ein flexibles Produktionssystem helfen: Leere Wohnungen sind der beste Mieterschutz.

Dammbruch nach der Wiedervereinigung

Der riesige Nachholbedarf in Ostdeutschland wurde in der Tradition der westdeutschen Wohnungspolitik nach der Wie-dervereinigung mit exzessiven Steuererleichterungen ge-baut (50% Sofortabschreibung). Dies löste einen beispiel-losen Bauboom aus. Zwischen 1995 und 1999 wurden in den neuen Ländern über eine halbe Million neue Wohnungen gebaut. Gleichzeitig explodierte der Leerstand im Bestand. Das Ergebnis ist bis heute in einem Überangebot an tech-nisch durchaus bewohnbaren Wohnungen sichtbar (vgl. Ab-bildung 3).

Page 25: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

24

Die negative Ausstrahlung leerer Gebäude mindert in vielen ostdeutschen Städten den Wert von Nachbargebäuden und behindert so marktwirtschaftliche Investitionen. Es besteht eine politische Scheu, diesen negativen externen Effekte –wie in Großbritannien geschehen – durch Enteignungen zum Er-tragswert zu begegnen. Das Dilemma: Auch Subventionen entfalten jetzt problematische Wirkungen. Zum einen halten Subventionserwartungen die Preise der untergenutzten oder leer stehenden Immobilien künstlich hoch. Zum anderen wirken staatlich geförderte Abrissprogramme vor allem in den großen Plattenbausiedlungen am Stadtrand, obwohl dort die negativen Ausstrahlungen geringer sind als in der Innenstadt. In den In-nenstädten will man den nachhaltigen Leerstand auch in Grün-derzeitbauten nicht eingestehen. Dafür muss man natürlich an-gesichts der historischen Erfahrungen Verständnis haben.

Page 26: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

25

Die aktuelle Lage

Die Wohnungsmärkte erleben einen Umbruch. Seit Ende der 1990er Jahre ist die Nachfrage schwach – zunächst noch durch eine ungünstige Einkommensentwicklung, jetzt immer mehr durch die geburtenschwachen Jahrgänge. Allein in den ökonomisch starken Stadtregionen steigt die Zahl der Haus-halte noch längere Zeit an. Langfristig wird die Zahl der Haus-halte fast überall sinken und Wohnungen – vor allem in Mehrfa-milienhäusern – leer stehen (vgl. Abbildung 4). Dennoch gibt es noch Neubaubedarf, weil (wohlhabende) Haushalte mit hohen Ansprüchen im Bestand häufig keine adäquaten Wohnungen finden. Leerstand und Neubau schließen sich nicht aus.

Page 27: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

26

2. Besonderheiten der Wohneigentümer

Die Entscheidung zum Wohneigentum prägt den Lebensstil der privaten Haushalte, sie planen ihre Vermögensbildung und Alterssicherung in der Regel langfristiger als Mieter. Dabei konnten die Erwerber in der Vergangenheit davon ausgehen, dass die Wertentwicklung der erworbenen Ob-jekte günstig war, auch wenn über die lange Nutzungszeit Veränderungen der Standortgunst und der Werte möglich sind. In Schrumpfungsregionen können diese Risiken in der Zukunft zunehmen.

Wohneigentum verleiht nicht nur Sicherheit und Status, es steht meist auch für die größte Investition im Leben des ein-zelnen Haushalts. Angesichts der hohen Werte binden sich die einzelnen Haushalte sehr langfristig, vergleichbar mit der Familiengründung und oft im Zusammenhang damit. Beim Erwerb geht es um mehr als eine Portfoliooptimierung für ein gegebenes Vermögen oder eine gegebene Ersparnis. Es geht um eine Lebensstilentscheidung. Insbesondere be-steht eine Bereitschaft, sich dafür stärker zu verschulden und höhere Sparquoten als für andere Formen der Vermö-gensanlage zu erbringen.

Vermögensbildung im Lebenszyklus

Es mag altmodisch klingen: Die meisten Menschen bauen ihr Vermögen durch Ersparnisse aus dem laufenden Einkom-

Page 28: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

27

men auf. Denn – anders als viele meinen – bildet man Ver-mögen nicht, indem man Steuersparmodelle nutzt oder Sparzulagen kassiert. Nein, Vermögen bildet man vorwie-gend durch Konsumverzicht. Weil die Einkommen während der Ausbildung und zu Beginn der Erwerbstätigkeit gering sind, wachsen die Vermögen im Laufe der Zeit aber nur all-mählich an (vgl. Abbildung 5). Gleichzeitig fordern hohe Aus-gaben zum Erwerb langlebiger Konsumgüter (Möbel, größe-re Haushaltsgeräte, PKW) ihren Tribut: Ein Großteil des zunächst angesparten Vermögen wird mittelfristig wieder konsumiert.

Wichtige Weichenstellungen mit Einfluss auf das Sparver-halten ergeben sich durch Heirat, Familiengründung und den

Page 29: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

28

Erwerb von Wohneigentum. Diese Ereignisse gehen in Deutschland oft Hand in Hand. Viele Haushalte brechen dann in eine neue Spardimension auf: Im dritten Lebens-jahrzehnt vervierfacht sich nahezu der Anteil Haushalte mit selbst genutztem Wohneigentum und steigt nahezu auf 50% (vgl. Abbildung 6). Immobilienvermögen wird zur do-minanten Vermögensanlage. Die Kehrseite dieser Entwick-lung besteht in der – selbst auferlegten – Verpflichtung, regelmäßige Zahlungen zur Bedienung der Kreditraten zu leisten.

Entwarnung signalisieren die Budgets der privaten Haus-halte erst im fünften Lebensjahrzehnt. Dann sind die Bau-

Page 30: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

29

schulden ein ganzes Stück abgetragen und fließen die Er-sparnisse wieder verstärkt in Geldanlagen. Familien werden zusätzlich entlastet, weil die Kinder finanziell selbständig werden und beide Lebenspartner einer Vollzeit-Erwerbstä-tigkeit nachgehen können.

Wohneigentum als Vermögensturbo

Die Sparprozesse für Wohneigentum in Form der Tilgungs-zahlungen für Baukredite hinterlassen tiefe Spuren in der Vermögensbildung der Haushalte (vgl. Abbildung 7). Zu-nächst einmal ist die „normale“ Sparquote in Geldvermögen bei Wohneigentümern ähnlich hoch wie bei Mietern. Hinzu kommt das Tilgungssparen. Anders gewendet: Das ge-samte Tilgungssparen der Selbstnutzer repräsentiert zu-sätzliches Sparen. Der Vorteil des Tilgungssparens: Der Vermögensaufbau wird nicht durch den Kauf langlebiger Konsumgüter, die Buchung von Urlaubsreisen und andere „Luxusausgaben“ gestört. Die Bereitschaft, vorhandenes Vermögen zu konsumieren, ist bei den allermeisten Haus-halten groß. Ein Zwangssparcharakter in Form von Bauspar-verträgen, Lebensversicherungen oder eben Schuldentil-gung kann dagegen Anreize geben, diese „Ungeduld“ und „Unvernunft“ zu bremsen. In diesem Sinne begünstigt der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum eine hohe Be-reitschaft zum Konsumverzicht.

Page 31: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

30

Die gute Nachricht lautet also: Wohneigentümer sind finan-ziell besser abgesichert als Mieterhaushalte, weil sie über fast doppelt so hohe Geldvermögen verfügen wie gleich-altrige Mieter derselben Einkommensklasse (vgl. Abbildung 8). Allerdings erreichen typische Geldvermögen allenfalls ein Niveau von einem halben oder einem Jahresnettoein-kommen und sind deswegen angesichts der Lücken in der Altersvorsorge nur Peanuts. Außerdem haben Wohneigen-tümer auch zusätzliche Ausgaben in Form von Instandhal-tungskosten zu bewältigen. Aber Wohneigentümer haben neben ihren Sparkonten auch eine Immobilie. Und diese hat im Durchschnitt einen Gegenwert von 5-6 Jahresnettoein-kommen. Zum Eintritt in den Ruhestand können die Selbst-nutzer des Jahres 2003 dann auf ein Gesamtvermögen in Höhe von rund acht Jahresnettoeinkommen verweisen (96

Page 32: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

31

Monatseinkommen; vgl. Abbildung 8). Für alle Mieterhaus-halte zwingt sich deswegen die Frage auf: Wie schaffen es die Selbstnutzer, bei gleichem Einkommen ein rund zehnmal höheres Vermögen anzuhäufen?

Wieso können Wohneigentümer mehr sparen als andere?

Was mit Einführung des Elterngeldes erreicht werden sollte, ist bei den allermeisten Wohneigentümern schon heute Re-alität: Junge Väter und Mütter mit Wohneigentum haben eine höhere Erwerbsneigung als vergleichbare Mieterhaus-halte. Das zeigen empirische Untersuchungen.

Page 33: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

32

Frisch gebackene Wohneigentümer können die hohen an-fänglichen Zins- und Tilgungsleistungen leichter tragen, wenn der Ehe- oder Lebenspartner ebenfalls eine Erwerbs-tätigkeit aufnimmt. Insofern stehen hinter den überdurch-schnittlichen Haushaltseinkommen auch andere Lebenspla-nungen als bei Mieterhaushalten. Tatsächlich finanzieren Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum ihren Kon-sum aber auch seltener als Mieterhaushalte mithilfe eines Ratenkredites. Selbst wenn die Wohnungseigentümer einen Konsumentenkredit aufnehmen, dann weisen diese – ge-messen am Einkommen – vergleichsweise geringe Volumina auf. Darüber hinaus wird insbesondere in den Jahren unmit-telbar nach dem Erwerb von selbstgenutztem Wohneigen-tum weniger für Luxusgüter (Uhren, Schmuck etc.) sowie für Restaurantbesuche und Urlaubsreisen ausgegeben (vgl. Abbildung 10). Hier wird die bisweilen fast schon irrationale Sparfreude von Wohneigentümern sichtbar.

Page 34: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

33

Entlastung im Zeitablauf Die Vermögensunterschiede zwischen Mietern und Eigentü-mern erklären sich aber auch durch niedrigere Wohnkosten der Selbstnutzer. Nach den Jahren mit hohen Zins- und Til-gungsbelastungen steht ihnen ein höheres verfügbares Ein-kommen nach Wohnkosten zur Verfügung. Bereits zehn Jahre nach Erwerb, also typischerweise im Alter von Mitte bis Ende 40 Jahren, liegt die mittlere Kreditbelastung unter 20%, bis zum Vorabend des Ruhestandes unter 10% und damit weit unter vergleichbaren Mietbelastungen (vgl. Abbil-dung 11). Selbst unter Berücksichtigung der laufenden Ko-sten für Instandhaltung oder Grundsteuer liegt der Einkom-mensanteil für Wohnen im Alter von 60 Jahren mit etwa 10% weit unterhalb der Einkommensbelastung gleichaltriger Mieterhaushalte.

Page 35: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

34

Sobald die Wohnkosten hinter den sonst üblichen Mietko-sten zurückbleiben, steht dem Wohneigentümer bei iden-tischem Nettoeinkommen nach Abzug der Wohnkosten ein größeres Resteinkommen zur Verfügung. Wohneigentümer müssen demnach nur eine geringere Geldrente ansparen, um sich im Ruhestand denselben Lebensstandard wie ver-gleichbare Mieter leisten zu können.

Macht Wohneigentum sparsam oder kaufen nur die Sparsamen?Zuweilen wird eingewendet, die Gruppe der Wohneigentü-mer entstehe durch Selbstselektion der „Sparfreudigeren“. Dem steht entgegen, dass durch günstigere Preise für Wohneigentum in verschiedenen Phasen der wirtschaft-

Page 36: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

35

lichen Entwicklung jeweils mehr Haushalte Wohneigentum erworben haben und dann die typischen Verhaltensweisen der Eigentümer entwickelt haben (z.B. in der Nachwende-zeit Ostdeutschlands). Wäre Wohneigentum teuer und un-erreichbar geblieben, dann hätten die zusätzlichen Eigentü-mer auch die besondere Vermögensorientierung nicht praktiziert. Offensichtlich gibt es diese rationalen, schon sehr früh feststehenden Präferenzstrukturen nicht. Die Präferenzen der Wohneigentümer zu Gunsten einer hohen Vermögensbildung und hohen Erwerbsbeteiligung entste-hen durch ein learning by doing. Man erwirbt Wohneigentum, weil es besonders attraktiv ist und verschiedene Zwecke erfüllt. Ist man dann Eigentümer geworden, muss man sich an die sperrige Unteilbarkeit des Wohneigentums anpas-sen. Es entsteht ein gewisser Zwang zur Mehrarbeit, zum höheren Sparen und zur Einschränkung bestimmter For-men des Konsums. Zumindest von den niedrigeren Wohn-kosten im Alter profitieren dann aber alle Eigentümer – auch die sonst weniger Sparsamen.

Die Wohneigentumsquote steigt am „falschen Ende“

Die Wohneigentumsquote im früheren Bundesgebiet ist seit der Nachkriegszeit kontinuierlich gestiegen: von rund 25% im Jahr 1950 im früheren Bundesgebiet auf fast jeden zwei-ten Haushalt (vgl. Abbildung 12). Was im Westen ein Viertel Jahrhundert gedauert hat, wurde im Osten innerhalb eines Jahrzehnts vollbracht: Die Wohneigentumsquote stieg in den neuen Ländern von rund 27% im Jahr 1993 auf 37% im

Page 37: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

36

Jahr 2003. Hier entstand in Abweichung zum westdeut-schen Markt vor allem durch die hohe Bereitschaft der Kom-munen, preiswertes Bauland zu schaffen, ein sehr ela-stisches Angebot. In der Folge können sich auch vergleichsweise junge und einkommensschwache Haus-halte den Erwerb von Wohneigentum leisten. Es zeigt sich: „hohe Bodenpreise sind Ausdruck von Knappheit, also Aus-druck der Armut, nicht des Reichtums“ (vgl. Engels, Sablot-ny, Zickler, 1974: 29).

Die steigende Wohneigentumsquote in Westdeutschland ist jedoch ein „Echo aus der Vergangenheit“. Die westdeut-sche Wohneigentumsquote ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur deswegen gestiegen, weil ganze Generati-

Page 38: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

37

onen von älteren Mieterhaushalten jetzt sterben und an de-ren Stelle jüngere Rentner aus der Wirtschaftswunderge-neration mit hoher Quote der Eigentümerhaushalte „nachwachsen“, die in den eigentumsfreundlichen 60er und 70er Jahren zu vergleichsweise günstigen Preis-Ein-kommens-Relationen Wohneigentum erworben hatten (vgl. Abbildung 13). Für die jüngeren Haushalte der 80er und 90er Jahre dagegen waren die ökonomischen Rah-menbedingungen weniger eigentumsfreundlich. Zwar be-wegen sich die Zinsen seit Ende der 90er Jahre auf einem historisch niedrigen Niveau, dafür stiegen die Grundstück-spreise und Baukosten z.T. weit schneller als die Löhne und Gehälter.

Page 39: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

38

Preis- und Kostensteigerungen erklären jedoch nicht das gesamte Ausmaß der Verschiebungen. Hinzu kommen Ver-änderungen in den Haushaltsstrukturen. Junge Haushalte wohnen immer öfter alleine, Paare bleiben öfter als früher kinderlos. Weil aber Familien mit Kindern eher als kinder-lose Paare und diese wiederum eher als Singles im Woh-neigentum leben, ist die Quote der Wohneigentümer bei den jungen Haushalten nicht mehr angestiegen. Dies gilt, obwohl jeder dieser „Typen“ für sich betrachtet häufiger als früher Wohneigentümer wird (vgl. Abbildung 14). Nach dem statistischen Bild haben Kinderlose eine geringe Affi-nität zum Wohneigentum.

Page 40: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

39

Dennoch sind solche Verhaltenweisen nicht konstant. Ein stärker differenziertes Angebot kann neue Nachfrager-schichten erreichen. So ist es in Großbritannien üblich, dass auch junge Singles frühzeitig eine kleine Wohnung kaufen, die beim Einzug eines Lebenspartners oder zur Geburt des ersten Kindes gegen eine größere einge-tauscht wird. Später, nach dem Auszug der Kinder oder im Ruhestand, wechselt man auch wieder in eine kleine Seni-orenwohnung. Dieses Lebenszykluswohnen führt zu hö-heren Wohneigentumsquoten. Es wird in Deutschland ge-rade auch als Folge des starren und teuren Angebots weniger praktiziert. Als Voraussetzung für die Erschlie-ßung des Alterssicherungspotentials von Wohneigentum müsste Wohneigentum auch in Deutschland für mobile und kinderlose junge Leute interessanter werden.

Wohneigentum wird erst spät erworben

Die schnelle Anpassung in Ostdeutschland darf nicht da-rüber hinwegtäuschen, dass Deutschland nach wie vor nur niedrige Eigentumsquoten erreicht: Von zehn Haushal-ten wohnen in Spanien und Irland acht, in Großbritannien und USA sieben, in Frankreich und Österreich fast sechs, in Niederlande und Dänemark etwa fünf, aber in Deutsch-land nur rund vier Haushalte in den eigenen vier Wänden. Das hat auch Folgen für die Altersvorsorge: Bis zum Ein-tritt in den Ruhestand lebt nur die Hälfte aller deutschen Haushalte, aber rund zwei Drittel aller Franzosen und Schweden sowie rund drei Viertel aller Dänen oder US-

Page 41: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

40

Amerikaner in eigenem Wohnraum. Steigende Mieten sind für große Mehrheiten im Alter in diesen Ländern kein Thema. In der Umkehrung dieser Aussage wird der rela-tive Lebensstandard der Mieter im Alter deutlich niedriger sein, als der Einkommensabstand signalisiert. Armut der Mieter im Alter wird angesichts der absinkenden Renten-niveaus wahrscheinlich zum wachsenden Problem in vie-len Ländern und vor allem auch zum Problem in den ty-pischen Mieterstädten.

Die Unterschiede in den Wohneigentumsquoten korrelie-ren stark mit dem Ersterwerbsalter für Immobilien. Bis die Hälfte aller Haushalte eines Geburtsjahrgangs Wohnei-gentümer wird, sind die Deutschen 45 Jahre alt (früheres Bundesgebiet: 42 Jahre). Die Franzosen erreichen diese Marke bereits mit 39 Jahren, die US-Amerikaner mit 31 Jahren und die Briten bereits mit 24 Jahren (vgl. Abbil-dung 15). Allerdings steigt das Einstiegsalter dort gerade wieder. Der Zusammenhang dieser Altersgrenzen mit der Wohneigentumsquote insgesamt macht deutlich, dass ein wichtiger Schlüssel zur Erhöhung der Wohneigentums-quote – und damit der Schlüssel für eine verbesserte Al-tersvorsorge – in einer Absenkung des Ersterwerbsalters liegt. Wer einmal Wohneigentümer geworden ist, wird in aller Regel nie wieder zur Miete wohnen.

Page 42: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

41

Auch innerhalb der Bundesrepublik sind hohe Unterschiede im Ersterwerbsalter festzustellen. So erreichen mit Sach-sen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen nur in drei neuen Ländern überhaupt ein Geburtsjahrgang die 50%-Marke der Wohneigentümer (vgl. Abbildung 16). Mit Mitte 40 Jah-ren sind die Haushaltsvorstände dann allerdings recht alt und die Kinder schon bald aus dem Haus. Mit Ausnahme von Berlin wird die 50%-Marke in allen alten Bundesländern erreicht, wobei die Hamburger dafür 62 Jahre alt werden, während im Saarland bereits jeder zweite 32-jährige Haus-haltsvorstand im Eigentum wohnt.

Page 43: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

42

3. Zur Zukunft des Wohneigentums

Angesichts der vielfältigen z.T. historisch zufälligen Einflüsse auf die Eigentumsquote und den oft erst nach Jahrzehnten deutlichen Wirkungen von Maßnahmen lässt sich keine ge-schlossene Theorie und darauf aufbauenden Prognosen der Wohneigentumsbildung entwickeln. Es zeigen sich verschie-dene partielle, z.T. sehr eindeutige Wirkungsketten, die eini-ge Folgerungen für die Politik ermöglichen.

Wohneigentümer müssen sich häuten, Wohneigentum muss atmenEine Steigerung der Wohneigentumsquote bei den jüngeren Haushalten würde verschiedene Veränderungen erforder-

Page 44: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

43

lich machen. Am Wohnungsmarkt wäre ein größeres Ange-bot an kleinen, preiswerten Objekten dringlich. Ähnlich wie bei der Altersvorsorge sind neue Verhaltensweisen und ein anderes Selbstverständnis erforderlich. Insbesondere das Konzept des Wohneigentums als lebenslange „Trutzburg“ müsste aufgegeben werden. Die Vorteile der Immobilie in einer „Investitionskette“ mehrmaliger Transaktionen müssten konzeptionell und real auf den Märkten dominie-ren. Vor allem die Planungspolitik der Kommunen kann eine solche Differenzierung der Märkte hin zum „Lebenszyklus-wohnen“ fördern. Subventionen sind dafür nicht erforder-lich, sondern sogar ungeeignet.

Wohneigentumsquote unberührt von EigentumsförderungEs ist nach den Erfahrungen nicht zu erwarten, dass z.B. sehr hohe Programmförderungen zu Gunsten von Familien ungünstige Angebotsbedingungen kompensieren könnten. Die typischen Risiken jeder Förderung (Mitnehmereffekte, Lotterieeffekte) bleiben bestehen. Vielmehr sind die Ange-botsbedingungen entscheidend für einen Anstieg der Eigen-tumsquote. Bessere Angebotsbedingungen bedeutet ein ausreichendes Baulandangebot und damit niedrigere Preise sowie ein in den Bauformen und Standorten nachfragege-rechtes Wohnungsangebot. Unter solchen Bedingungen kann dann auch eine spezielle Förderung von Familien deren Marktposition und reale Kaufkraft verbessern, weil die er-höhte Nachfrage dann nicht in Preiseffekten verpufft.

Page 45: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

44

Eine restriktive Baulandpolitik nützt vor allem den älteren Im-mobilienbesitzern, die künstliche Knappheit steigert deren Immobilienwerte. Eine restriktive Baulandpolitik geht zulas-ten der jungen Familien, sie können die hohen Preise nicht finanzieren. Wenn aber bei den jungen Haushalten nichts passiert, dann wird die Wohneigentumsquote im früheren Bundesgebiet nicht mehr weiter steigen. Die beschriebenen Kohorteneffekte bei den Älteren sind weitgehend „durch“, ein nennenswerter Anstieg der Eigentumsquoten allein durch Alterung – der Motor der letzten Jahrzehnte – ist nicht mehr zu erwarten.

Zurück in die Stadt?Die Struktur der Bauformen wird das Niveau der Wohnei-gentumsquote weiterhin stark beeinflussen. Allerdings kann im Zuge der Alterung die Bereitschaft steigen, Wohneigen-tum in Geschoßwohnungen zu bilden. Die gegenwärtige Er-wartung einer steigenden Bereitschaft zum innerstädtischen Wohnen übersieht, dass ein großer Teil dieser Bestände aus den 60er und 70er Jahren mit ausgesprochen unattraktiver Architektur stammt. Urbanes Wohnen richtet sich jedoch auf bestimmte Qualitäten, die im Wohnungsbau der 60er und 70er Jahre kaum geboten werden. Steigende Qualitäts-ansprüche in den Städten können deshalb künftig häufig nur durch Abriss und Neubau, durch Schließung von Baulücken oder größere Recyclingprojekte erfüllt werden. Hier beste-hen erhebliche politische Handlungsmöglichkeiten. Es ist of-fen, wie intensiv und zu welchen Preisen diese ausgeschöpft werden. Hilfreich wäre eine Reform der Grundsteuer, bei

Page 46: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

45

der der Boden stärker belastet wird als heute. Dadurch wür-den Brachflächen und untergenutzte Grundstücke schneller mobilisiert und „Spekulation“ eingedämmt. Die politischen Widerstände sind aber groß.

Wertverfall durch Alterung? Für die Bundesrepublik und andere Länder mit niedrigen Geburtenraten stellt sich langfristig die Frage, ob die Zahl der Regionen zunehmen wird, in denen die Eigentümer kei-ne stabile Wertentwicklung mehr erwarten (können) und die Neigung zur Wohneigentumsbildung abnimmt. Die bishe-rigen Erfahrungen zeigen, dass solche Wertminderungsregi-onen sich auf sehr kleine Bereiche mit geringer Bevölke-rungsdichte und mit Abwanderung beschränken. Die Nachfrager werden die jeweiligen langfristigen Marktbedin-gungen in ihren Regionen durchaus rational erkennen und sich dementsprechend verhalten und ihre Nachfrage redu-zieren. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Ei-gentumsquoten fallen. Sinkt die Nachfrage in Schrump-fungsregionen, dann werden die Preise der Objekte noch rascher fallen. Die Eigentumsquoten könnten bei sinkenden Preisen sogar zunehmen.

Planungsentscheidungen der Kommunen behalten ihre Bedeutung Die Wohneigentumsmärkte waren in der Vergangenheit stark zyklisch. Auch in Zukunft wird die Nachfrage nach Wohneigentum zyklisch schwanken. Die Nachfragezyklen wurden durch die schwerfälligen und langwierigen staatli-chen Prozesse zur Bereitstellung von Bauland und die ent-

Page 47: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

46

sprechenden Verzögerungen der Angebotsentwicklung zum Teil extrem verschärft. In der Diskussion verweisen die Kommunen darauf, dass die privaten Baulandanbieter zu dieser Verschärfung beitragen, weil Bodeneigentümer in der Phase rasch steigender Bodenwerte ihre Flächen vom Markt zurückhalten und zusätzliche Verknappungseffekte erzeugen. Zwischen planerischen Entscheidungen und Aus-weitung des effektiven Angebots schiebt sich die Verkaufs-bereitschaft des Eigentümers. Dieser wichtige Hinweis übersieht allerdings, dass vorausschauende Kommunen im-mer einen ausreichenden Vorrat an Bauland geschaffen hät-ten, um einen Anbieterwettbewerb zu garantieren. Knappe Baurechte sind die Grundlage spekulativer Zurückhaltung des Angebots vom Markt.

Eigenkapital verbessert: Integration des Wohneigentums in die AltersvorsorgeMit Beginn des Jahres 2009 gibt es den Wohnriester: Wer selbst genutztes Wohneigentum erwirbt, kann sein bis dahin im Geld-Riestervertrag Angespartes als Eigenkapital in die Immobilie stecken. Darüber hinaus können die bisherigen Monatsbeiträge für den Riestervertrag nach dem Kauf di-rekt in die Tilgung der Baukredite umgeleitet werden. Ge-nauso wie bei Geld-Riesterverträgen ist das in der Immobi-lie gebundene, mit Riesterzulage geförderte Kapital im Alter zu versteuern.

Wohnriester ist jedoch keine eierlegende Wollmilchsau. Der Hauptzweck von Wohn-Riester besteht darin, das private Altersvorsorgesparen attraktiver zu gestalten, um so die

Page 48: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

47

freiwillige Beteiligung zu erhöhen. Denn nach wie vor küm-mern sich zu wenige Erwerbstätige ausreichend um ihre Al-tersvorsorge. Die Attraktivität wurde nun durch mehr Anla-gevielfalt erhöht. Als Nebenzweck kann es zu einer Entlastung von Familien und einer Erhöhung der Wohneigen-tumsquote kommen. Vorsichtige Schätzungen zeigen je-doch, dass die Quote durch Wohn-Riester mittelfristig nicht mehr als einen Prozentpunkt höher liegen wird. Angesichts seit Jahren stagnierender Wohneigentumsquoten junger Haushalte wäre das allerdings ein Niveausprung. Der An-stieg resultiert im übrigen nicht aus der vergleichsweise ge-ringen Riesterzulage, sondern aus Vorzieheffekten durch die Vergrößerung des Eigenkapitals. So könnte Riester hel-fen, dass die Deutschen nicht erst 45 Jahre alt werden müs-sen, bis die Mehrheit einer Generation im Wohneigentum lebt.

Page 49: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

48

Literatur

Braun, R. und Pfeiffer, U., (2004a), Wohneigentumspoten-tiale in Deutschland, empirica-Studie im Auftrag der LBS-Bundesgeschäftsstelle.

Braun, R. und Pfeiffer, U., (2004b), Jung ins Wohneigen-tum, Wohneigentum muss keine Familienkutsche sein, hrsg. von Wüstenrot & Württembergische AG, 2004.

Braun, R. und Pfeiffer, U., (2005a), Integration des Wohnei-gentums in die steuerliche Förderung der Altersvorsorge, FWW – Die Freie Wohnungswirtschaft, Ausgabe 7/2005, S. 192-196.

Braun, R. und Pfeiffer, U., (2005b), Wohnflächennachfrage in Deutschland, hrsg. von der Bundesgeschäftsstelle der LBS, Berlin 2005.

Braun, R., (2003a), Hat die Erbengeneration ausgespart? Nach der Rentenillusion droht eine Erbschaftsillusion, In: LETTKE, F. (Hrsg.), Erben und Vererben, Gestaltung und Regulation von Generationenbeziehungen, Konstanzer Bei-träge zur Sozialwissenschaftlichen Forschung, Band 11, Konstanz.

Page 50: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

49

Braun, R., (2003b), Führt die demographische Entwicklung zum Immobiliencrash?, In: S-Immo-Brief, Nr. 0, September 2003.

Braun, R., (2004a), Mieter oder Eigentümer – wer wird stär-ker gefördert? Eine Analyse der Folgen des Subventionsab-baus zum Jahresbeginn 2004, in: S-Immo-Brief, Nr. 10, Ok-tober 2004.

Braun, R., (2004b), Mehr Flexibilität statt Subventionen in der Wohneigentumsförderung, Immobilien & Finanzierung, Heft 18/2004, S. 602-605, Frankfurt am Main 2004.

Braun, R., (2004c), Haushalts- und personenbezogene Wohn eigentumsquoten in Deutschland, Wohneigentümer bilden absolute Mehrheit, hrsg. von LBS Bundesgeschäfts-telle, Berlin.

Braun, R., (2004d), Sparverhalten der Wohneigentümer, Wo schränken die Selbstnutzer ihren Konsum ein? hrsg. von LBS Bundesgeschäftstelle, Berlin.

Braun, R., (2004e), Wohneigentum muss keine Familienkut-sche sein, In: S-Immo-Brief, Nr. 5, Mai 2004.

Braun, R., (2004f), Die Lebensplanung effizienter und ratio-naler organisieren, In: Sparkasse, Manager-Magazin für die Sparkassen-Finanzgruppe, Nr. 1, 2004, S. 48-52.

Page 51: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

50

Braun, R., Möhlenkamp, R., Pfeiffer, U. und Simons, H., (2001), Vermögensbildung in Deutschland – Wege zum langfristigen Vermögensaufbau, empirica-Studie im Auftrag der LBS Bundesgeschäftsstelle.

Eberstadt (1920), Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage, Jena.

Eberstadt (1920), Wirtschaftliche Aufteilungsformen für Kleinhaussiedlungen, Aus: Städtebauliche Vorträge, Semi-nar für Städtebau an der TH Berlin, Band IX, Heft 7, Wilhelm Ernst Verlag, Berlin.

Engels, W., Sablotny, H. und Zickler, D. (1974), Das Volks-vermögen – seine Verteilungs- und wohlstandspolitische Bedeutung, Frankfurt/M.

Pfeiffer und Braun (2006), Eigenheimförderung in Europa – was Deutschland von anderen Ländern lernen kann, empi-rica-Studie im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvor-sorge.

Pfeiffer, U., (2005), Ergänzende alternative Instrumente zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme in Deutsch-land, empirica-Studie.

Page 52: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

51

Pfeiffer, U., Faller, B., Braun, R. und Möhlenkamp, R., (2004), Wohnungspolitische Konsequenzen der langfri-stigen demographischen Entwicklung, erschienen in der BBR-Reihe „Forschungen“, Heft 117, Bonn.

Pfeiffer, U., Zeitzen, B., (1994), Mehr Wohnungen für weni-ger Geld, Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Bonn.

Simons, H., Braun, R., Pfeiffer, U., Schmidt, M. und Metz-ger, H. (2005), Wirtschaft und Wohnen in Deutschlands Re-gionen, empirica-Studie im Auftrag der Deutschen Kredit-bank AG.

Page 53: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

52

Ulrich van Suntum

Gesellschaftspolitische Vorteile des Wohneigentums

1. Funktionen des Privateigentums in einer Marktwirtschaft

Bei Walter Eucken, dem wichtigsten Vertreter des Ordolibe-ralismus, ist das Pri vateigentum eines von sieben konstituie-renden Prinzipien der Marktwirtschaft.1 Lud wig von Mises schätzte seine Bedeutung als noch grundlegender ein als die des Wettbewerbsprinzips, was freilich von anderen libe-ralen Ökonomen wie etwa F. A. von Hayek in dieser Eindeu-tigkeit nicht geteilt wurde. Weithin unumstritten ist in dessen, dass eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung ohne Privateigentum – auch an den Produktionsmitteln – nicht funktionieren könnte.

Schon Thomas von Aquin hat die Bedeutung des Privateigen-tums erkannt. Er leitet das Eigentum aus dem Naturrecht ab.

1 Die anderen sechs sind Wettbewerb, Geldwertstabilität, offene Märkte, Vertragsfreiheit, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik, vgl. Eucken (1952).

Page 54: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

53

So stehe der Mensch in der natürlichen Ordnung Gottes über den Tieren und erst recht über den leblosen Dingen, woraus sich eine entspre chende Verfügungsgewalt ergebe. Ebenso wie Aristoteles hat aber auch Thomas von Aquin sehr deutlich auf die positiven Wirkungen hin ge wiesen, die mit dem Privat-eigentum verbunden sind. Demnach verschafft erst das Pri-vateigentum dem einzelnen Freiheit und Sicherheit und zwar nicht nur vor den Risiken des Alters, der Krankheit und der Arbeitslosigkeit, sondern auch vor der Fremdbestimmung durch andere, insbesondere den Staat. Gerade alte Men-schen, die ihren Lebensabend ohne ausrei chende eigene Mittel in einem Heim verbringen müssen und dort ganz von der Gnade staatlicher Fürsorge abhängig sind, bekommen die Folgen der Eigentumslosig keit sehr praktisch zu spüren.

Insoweit ist Privateigentum geradezu eine Voraussetzung der Men schenwürde, worauf die katholische Soziallehre im-mer wieder hinge wiesen hat. Nur scheinbar kann beispiels-weise auch ein lebenslanges Mietrecht dem Individuum ähn-liche Si cherheit und Rechte geben wie das Eigentum an einer Wohnung. Denn wie wir oben gesehen haben, würde das zwar die Übertragung wesentlicher Eigentumsrechte be deu ten, doch ohne entsprechende Pflichten und Verant-wortlichkeiten. Im Alltagsleben kann man an vielen Stellen beobachten, dass dies nicht wirklich funk tioniert. Geteilte Verantwor tung läuft meist darauf hinaus, dass in Wirk lichkeit niemand verantwortlich handelt, und Nutzungsrechte ohne Interesse und Verantwortung für den Werterhalt der Sache führen tendenziell zu Übernutzung und Verfall. Das ist bei

Page 55: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

54

einem gemeinschaftlich genutzten Garten nicht anders als in bei der Überfischung eines frei zugänglichen Meeres.

Deswegen ist ein vernünftig gestaltetes Privateigentum nicht zuletzt auch eine friedenssichernde Institution. Wo die ver-schiedenen Dimensionen des Eigentums in einer Person ver-eint sind, können Konflikte etwa zwischen Nutzungs- und Veräußerungsinteressen natur gemäß nicht auftreten. Es blei-ben na türlich immer noch genügend Kon fliktfelder übrig, wie etwa das Nachbarschaftsrecht oder der Umweltschutz. Aber viele andere gesellschaftliche Streitpunkte erledigen sich durch die Schaffung von Privateigentum praktisch von selbst. Der Privat eigentümer einer Wohnung braucht zum Bei spiel nicht erst dazu angehalten zu werden, sich um den Werterhalt zu kümmern – er tut dies schon allein aus eigenem Interesse.

Allerdings ist der Unterschied zwischen naturrechtlichen Begründungen einerseits und nüchternen Zweckmäßigkeits-kalkülen andererseits in der Praxis geringer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Auch moderne Naturrechts-vertreter wie etwa James Buchanan argumentieren durch-aus mit den gravierenden Vortei len, wel che diese Rechte für die Gesellschaft insgesamt haben (Schüller 1988: 158).

Welches sind nun die positiven Wirkungen, welche man dem Privat eigentum grundsätzlich zu erkennen kann? Im Sinne der modernen Property-Rights-Theorie ist hier zu-nächst zwischen drei Dimensionen zu unterscheiden, näm-lich den Ertragsrechten, den Verfügungsrechten und den

Page 56: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

55

Nutzungsrechten des Eigentums. Gerade am Beispiel der Wohnimmobilien kann man sich diese Dimensionen gut klar-machen (van Suntum 2008):

– Der Eigentümer einer unkündbaren Mietwohnung hat das Ertrags recht, aber kein Nutzungsrecht und auch nur ein stark einge schränktes Verfügungsrecht. Zum Bei spiel kann er die Wohnung nicht einfach umbauen lassen, ohne den Mieter zu fra gen.

– Der Pächter eines Grundstückes hat das Ertragsrecht und das Nut zungsrecht, aber kein Verfügungsrecht über das Grundstück. Er darf es insbesondere nicht verkau fen.

– Der Mieter eines Wohnhauses wiederum hat das Nut-zungsrecht, aber nur einge schränkte Verfügungs- und Er-tragsrechte. Er kann es zum Beispiel nicht einfach zu ei-ner Pension umwidmen.

Man sieht an diesen Beispielen, dass das Privateigentum insbesondere an der vermieteten Wohnung sehr stark ein-geschränkt sein kann und in Deutschland auch tatsächlich ist. So hat das Bundesver fassungsgericht in einem Aufse-hen erregenden Urteil im Jahr 1993 dem Mieter einer Woh-nung explizit Eigentumsrechte zuerkannt, womit sie gleich-zeitig dem eigent lichen Eigentümer entzogen wurden.2 Die

2 Siehe die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsge-richts vom 26. Mai 1993. Der seitdem mehrfach vom Bundesverfassungs-gericht bestä tig te Satz lautet: „Das Besitzrecht des Mieters an der gemie-teten Wohnung ist Eigentum im Sinne des Artikels 14, Absatz 1, Satz 1 Grundgesetz“.

Page 57: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

56

vermietete Wohnung darf zum Beispiel nur unter sehr einge-schränkten Voraussetzungen gekündigt werden, selbst wenn der Eigentümer sie gerne selbst nutzen möchte.

Auch das Eigentum an einem Grundstück be deutet noch lange nicht, dass man darauf bauen oder machen kann, was man will. Bebauungspläne, Umwelt- und Lärmschutzvor-schriften, Abstandserlasse und unter Umständen der Denk-malschutz sind zu beachten, wobei es durchaus vorkommen kann, dass der Wert des Grundstücks durch entsprechende Auflagen auf Null oder sogar auf einen negativen Wert sinkt. So kann der formale Eigentümer eines Mietshauses in Wirk-lichkeit gänzlich vermögenslos sein, wenn nämlich die einge-nommenen Mieten seine Kosten nicht de cken und eine an-derweitige Verwendung der Im mobilie nicht möglich ist, z. B. aus Gründen des Denkmal- oder des Mieterschutzes. Eine solche Immobilie hätte den Wert Null oder sogar einen ne-gativen Wert, d.h. man würde sie nur veräußern kön nen, wenn man dem Käufer noch eine Ausgleichszahlung für den künftigen Er hal tungsaufwand mitgibt. Wird die Instandhal-tung jedoch mangels jeder Aussicht auf Kostendeckung un-terlassen, drohen Mietkürzungen und gesellschaftspoli-tische Sanktion.

Auf diese Weise sind beispielsweise in Tschechien die eigent-lichen Eigentümer der Wohnungen schleichend enteignet worden. Während sie selbst nur eine staatlich festgesetzte, weit unter den Kosten liegende Miete erhalten, werden ihre Wohnungen von den Mietern zum wahren Marktwert unter-

Page 58: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

57

oder weitervermietet. Es versteht sich von selbst, dass unter solchen Umständen private Investitionen in fremdvermieteten Wohnraum auf das Notwendigste beschränkt werden. Die langfristigen Folgen hinsichtlich Zahl und Qualität des Wohn-raums sind dementsprechend negativ.

Es ist deshalb bei sozial- oder umweltpolitisch motivierten Eingriffen in das Privateigentum stets abzuwägen, ob nicht elementare Eigentumsfunktionen dabei verloren zu gehen drohen. Dabei ist gerade bei einem langlebigen Gut wie der Wohnung nicht nur auf die kurze Frist zu sehen. Der Neubau von Wohnungen macht im Durchschnitt nur etwa 1% des Wohnungsbestandes aus. Die Folgen unterlassener Investi-tionen werden deshalb erst nach vielen Jahren wirklich spürbar und sind dann auch nicht schnell zu korrigieren.

Eine weitere ökonomische Funktion des Privateigentums besteht in den Sparan reizen, die es bietet. Sieht man von konjunkturellen Sonder situationen einmal ab, dann ist das Sparen ökonomisch prinzipiell positiv zu beurteilen. Ohne Sparen gibt es keine Investitionen, und ohne Inves titionen ist es kaum möglich, den Lebensstan dard der Bevölkerung zu steigern. Mit den sich abzeichnenden demografi schen Problemen gewinnt das Sparen noch weiter an Bedeutung, da künftig immer mehr Rentner durch immer weniger Er-werbstätige finanziert werden müssen. Die im Umlagever-fahren der Rentenversicherung erworbenen Altersversor-gungsansprüche sind in einer solchen Situation für echte Vermögensbildung kein Ersatz. Sie stellen zwar individuell

Page 59: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

58

zurechenbare Ansprüche auf künftiges Sozialprodukt dar, aber es steht ihnen keine realwirtschaftliche Substanz für die spätere Einlösung des Rentenversprechens gegenüber. Dagegen wird bei privater Altersvorsorge nicht nur schein-bar, sondern tatsächlich ein realer Kapitalstock aufgebaut, der später in gesamtwirtschaftlicher Sicht die Aufbringung der Alterseinkünfte erleich tert.

Das gleiche gilt für die Beamten pensionen, für die nicht ein-mal ein individueller Eigentumsanspruch besteht. Da Pensi-onen nämlich nicht aus Beiträgen, son dern unmittelbar aus Steuermitteln finanziert werden, können sie prak tisch belie-big gekürzt oder auch – etwa durch Anrechnung anderer Ein künfte – fak tisch ganz gestrichen werden. Private Vermö-gen und Versicherungen, und insbesondere eben auch Im-mobilien, sind weit weniger stark staatlicher Willkür ausge-setzt, da sie von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt werden.

Es besteht nicht nur aus individueller, sondern auch aus gesamt wirt schaftlicher Sicht ein großes Interesse daran, die Altersvorsorge wenigstens teilweise auf eine private Kapi-talbasis zu stützen. Zwar könnte man im Prinzip auch inner-halb der gesetzlichen Rentenversicherung entspre chende Kapitalrücklagen bilden. Diesen würde dann allerdings der individuelle Eigen tumsschutz fehlen. Vor allem aber zeigt die Erfahrung, dass Kollektive letztlich wenig Sparanreize bie-ten. Stattdessen verschulden sie sich im Zwei fel sogar noch um des heutigen Konsums willen. Die Rentenversicherung,

Page 60: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

59

in der sogar die mini male Kapitalbasis einer dreimonatigen Schwankungs reserve inzwischen aufgegeben wurde, ist der beste Beleg dafür. Auch in den übrigen staatlichen Haus-halten des Bundes, der Länder oder der Kommunen finden sich kaum Beispiele für das Anlegen einer Kapitalreserve. Sie sind im Gegenteil durch ständig steigende Verschul-dungsquoten gekennzeichnet, vielfach bei gleich zeitiger Vernachlässigung auch nur der notwendigsten Ersatzin-vestitionen etwa in die Verkehrswege oder die kommunale Versor gungsinfrastruktur. Dagegen sind private Immobilien echte Kapital rücklagen für die Zukunft der al ternden Gesell-schaft, die zudem in aller Regel im Zeitverlauf immer stärker entschuldet werden.

2. Vorteile des privaten Wohneigentums im Einzelnen

Pflege und Erhalt der Wohnungssubstanz

Schon Aristoteles und Thomas von Aquin wussten, dass die Menschen mit ihrem Privateigentum sorgsamer umgehen und es besser pflegen als die Dinge, die sie zwar nutzen dür fen, welche ihnen aber nicht gehören. In der ökono-mischen Literatur wird dieses Phänomen, bezogen auf das Wohnen, als rental externality bezeichnet (Henderson und Io-annides 1983). Damit ist gemeint, dass der Mieter weniger Nutzen von der Pflege und Instandhaltung der von ihm be-wohnten Wohnung hat als der Eigentümer. Das erscheint auch nur na türlich – warum soll man viel in eine Wohnung

Page 61: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

60

investieren, aus der man viel leicht schon bald wieder auszie-hen will oder muss?

Der marode Zu stand, in dem sich der Wohnraum in der End-zeit der DDR befan d, war ein besonders drastischer Beleg für diese These. Da die Wohnungen dort praktisch nieman-dem gehörten, wurde in sie auch kaum investiert. Das Phä-nomen der rental externality lässt sich aber auch für andere Länder nachweisen. So haben Galster (1983) und Shilling u.a. (1991) für die USA zeigen können, dass die Qualität ver-mieteter Immobilien unter sonst gleichen Umständen signifi-kant schlechter ist als die entsprechender Eigenheime. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mieten gesetzlich nach oben begrenzt sind, weil die Eigentümer dann die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen schlecht amortisieren können. Takakura (2008) hat diese Ergebnisse anhand von Daten des sozio-ökonomischen Panels auch für Deutsch-land bestätigen können. Dies gilt trotz des in Deutschland stark ausgebauten Kündigungsschutzes, der dem Mieter ein zeitlich fast unbegrenztes Wohnrecht einräumt und ihm da-mit eigentlich Anreize geben sollte, in die von ihm bewohnte Wohnung zu investieren (Takakura 2008: 18).

Vermeidung von Streit und Nutzungskonflikten

Man kann natürlich versuchen, das Problem durch Hausord-nungen, Renovierungspflichten für Mieter und ähnliche Vor-schriften abzumildern. Aber das sind konfliktträch tige und stark überwachungsbedürftige Hilfs kon struktionen, die des-

Page 62: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

61

wegen oft zu per manenten gesellschaftlichen Konflikten führen. In der Ökonomie ist dies als das Prinzipal-Agenten-Problem bekannt: Der Prinzipal (hier der Wohnungseigentü-mer) kann nur unvollkommen festlegen und kontrollieren, welche Renovierungsleistungen der Agent (hier der Mieter) erbringt. Das komplizierte deut sche Mietrecht und die hohe Zahl der deswegen geführten Prozesse (im Jahr 2007 wa-ren es rund 275.000) veranschaulichen diese Problematik sehr deutlich.

Selbstgenutztes Wohneigentum trägt daher nicht unerheb-lich zur Vermeidung gesellschaftspolitischer Konflikte bei. So werden die Kosten von Renovierungen, Lärmschutz und energiesparenden Maßnahmen hier automatisch von demje-nigen getragen, der davon auch profitiert. Das kommt nicht nur der Effizienz entsprechender Investitionsentscheidungen zugute, es macht auch bürokratische und konfliktträchtige gesetzliche und vertragliche Regelungen dazu weitgehend entbehrlich. Gäbe es in Deutschland wie in anderen Län-dern überwiegend selbst genutztes Wohneigentum, so wäre eine Vereinfachung und Entschlackung des überaus komplizierten Mietrechts politisch vermutlich leichter durch-setzbar.

Soziale Stabilität von Stadtvierteln und bürgerschaft-liches Engagement

Oft er streckt sich das Engagement des Wohneigentümers auch auf die unmittelbare Nachbarschaft und die Kommune

Page 63: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

62

– wer will schon Eigentum in einer unattraktiven oder gar herunter ge kom menen Gegend haben? Wohnungsgesell-schaften, die einen Teil ih rer Wohnungen an die Mieter ver-kaufen, machen darum oft die Erfah rung, dass dadurch das ganze Wohngebiet an Attraktivität gewinnt. Dies ist auch durch eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) anhand von 21 Fallbei-spielen in 14 westdeutschen Großstädten bestätigt worden (Vogt u.a. 2003). Demnach führt der Verkauf von Bestands-wohnungen an Selbstnutzer in sozial benachteiligten Stadt-teilen in der Regel zu einer engeren Bindung der Bewohner an „ihr“ Wohnviertel und erhöht sowohl die soziale Stabilität der Viertel als auch die Zufriedenheit der dort lebenden Menschen. Durch eine stärkere soziale Kontrolle verändere sich zudem das Verhalten der Bewohner zum Gemein-schaftseigentum positiv. In den untersuchten Fällen waren Wohnungen sowohl an ihre bisherigen Mieter als auch an neu Hinzugezogene verkauft worden, insbesondere auch an nichtdeutsche Käufer und an junge Familien. Letzteres trug zu einer stärkeren Durchmischung der Wohngebiete bei, die sich ebenfalls positiv auf die Attraktivität und die soziale Stabilität auswirkte.

Diese Ergebnisse decken sich mit internationalen Erfah-rungen. Demnach trägt Wohneigentum zur Stabilität der Fa-milien, zum Schutz der Umwelt, zum Wohl und zum Bil-dungserfolg der Kinder und zur Reduktion von Kriminalität in den betreffenden Gegenden bei (vgl. Dietz 2003 zu einem umfassenden Literaturüberblick). Der positive Einfluss auf

Page 64: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

63

Kinder und Jugendliche erklärt sich u.a. durch das stärkere Interesse der Wohneigentümer an ihrer sozialen Umgebung und der daraus entstehenden stärkeren sozialen Kontrolle (Green and White 1997; Haurin u.a. 2002). Was die schu-lischen Leistungen betrifft, beschränkt sich der positive Ein-fluss des Wohneigentums allerdings auf die Kinder der Ei-gentümer und strahlt offenbar nicht auf die Nachbarn aus, so dass sich hieraus zumindest kein positiver externer Ef-fekt ergibt (Voigtländer 2006: 32). Nach Dietz (2003: 13) ist für die Erklärung regional unterschiedlicher Kriminalitäts-raten die Wohneigentumsquote die zweitwichtigste Größe neben dem Einkommen, wobei allerdings Ursache und Wir-kung nicht immer genau getrennt werden können.

Es lässt sich anhand der Daten des sozio-ökonomischen Pa-nels für Deutschland auch zeigen, dass selbstnutzende Woh-nungseigentümer signifikant stärker in Bürgerinitiativen und Parteien aktiv sind als Menschen, die zur Miete wohnen (van Suntum/Uhde 2009). Dabei dürften vor allem kommunalpoli-tische Aktivitäten im Vordergrund stehen, da insgesamt nur sehr wenige Menschen in der Landes- oder Bundespolitik en-gagiert sind. Auch dieser Befund deckt sich mit internationa-len Erfahrungen (Dietz 2003; DiPasquale und Glaeser 1999). Demnach pflegen Eigentümer nicht nur mit höherer Wahr-scheinlichkeit den Garten, sondern nehmen auch stärker an Kommunalwahlen teil und kümmern sich stärker um lokale Probleme als Mieterhaushalte. Für Deutschland sind die ent-sprechenden Unterschiede zwar geringer als in den USA, aber gleichwohl signifikant (Voigtländer 2006: 32).

Page 65: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

64

Geeignete Form der Altersvorsorge

Für das Wohnen in den eigenen vier Wänden wird oft das Ar-gument vorgetragen, hier lasse sich Konsum und Altersvor-sorge in idealer Weise miteinander verbinden („Die einzige Altersvorsorge, in der Sie heute schon wohnen können“). Tat-sächlich ermöglicht der kreditfinanzierte Kauf oder Bau eines Eigenheims eine Optimierung des Lebenskonsums im Sinne der Lebenszyklushypothese (Abb. 1). Diese geht davon aus, dass das Haushaltseinkommen in den mittleren Lebensjahren am höchsten ist, während es in der Frühphase der Erwerbstä-tigkeit und in der Rentenphase jeweils geringer ausfällt. Der Euro ist also in der mittleren Lebensphase gewissermaßen weniger knapp als in den beiden Phasen davor und danach. Unter diesen Umständen ist es in der Tat sinnvoll, sich in der ersten Lebensphase zu verschulden, in der mittleren Lebens-phase die Schulden zu tilgen und gleichzeitig für das Alter zu sparen, um in der letzten Lebensphase schließlich neben der Rente noch ein Zusatzeinkommen zu haben bzw. sein Vermö-gen ganz oder teilweise in Konsum umzuwandeln.

Page 66: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

65

Eben eine solche Konsumglättung über den Lebenszyklus erfolgt beim kreditfinanzierten Eigenheimerwerb. Sie ist ins-besondere für Familien mit Kindern sinnvoll, da die Zeit der Familiengründung meist gleichzeitig durch geringes Einkom-men und hohe Wohnbedürfnisse gekennzeichnet ist. Sind die Kinder später aus dem Haus, können die Schulden ge-tilgt und der Wohnkonsum wieder reduziert werden. Typi-scherweise ist in der Praxis nach etwa nach 25 Jahren die Belastung von Wohneigentümern mit Wohnkosten geringer als diejenige vergleichbarer Mieter (Krings-Heckemeier u.a. 1997: 36).

Es lässt sich zwar zeigen, dass eine entsprechende Konsu-moptimierung theoretisch auch dem Mieter in gleicher Wei-se möglich wäre (van Suntum 2009). Dies gilt allerdings nur unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes und in einer Welt ohne Steuern. In der Praxis scheitert eine entsprechende Schuldenaufnahme des Mieters in jungen Jahren dagegen schon an den geringeren Sicherheiten, die er der Bank im Vergleich zum Hauseigentümer in der Regel bieten kann. Außerdem hat der selbstnutzende Eigentümer einen weiteren Vorteil gegenüber dem Mieter, denn er muss die impliziten Erträge seiner Wohnung (die ersparte Miete) nicht versteuern. Jedenfalls gilt dies bei Anwendung der so-genannten Konsumgutlösung, welche in Deutschland seit 1987 gilt und die auch in den meisten anderen Ländern in mehr oder weniger reiner Form zur Anwendung kommt. Da-gegen muss der Mieter alle Erträge aus (finanziellen) Ver-mögensanlagen versteuern, was ihn bei der Altersvorsorge

Page 67: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

66

prinzipiell benachteiligt. Selbst eine Rückkehr zu der früher in Deutschland geltenden Investitionsgutlösung würde die-sen Nachteil nicht vollständig beseitigen. Denn dann könnte der selbstnutzende Eigentümer die Schuldzinsen auf sein Haus steuerlich absetzen, während der Mieter die Zinsen für einen entsprechenden Konsumkredit aus voll versteuertem Einkommen bezahlen müsste (van Suntum 2009).

Erhöhung der Lebenszufriedenheit

Abseits aller rein ökonomischen Gesichtspunkte im engeren Sinne scheint das Wohnen im eigenen Heim ein tief verwur-zeltes Bedürfnis der Menschen zu sein, welches durch das Wohnen zur Miete nicht in gleicher Weise befriedigt werden kann. Vier von fünf Bundesbürgern wollen statt zur Miete lieber in den eigenen vier Wänden wohnen (Jokl 1997: 5). Das ist durchaus ein auch gesamtwirtschaftlich gewichtiges Argument, wenn man Ökonomie als die Wissenschaft da-von versteht, die Menschen mit begrenzten Mitteln mög-lichst zufrieden zu machen. Bloße Rentabilitätsberech-nungen in Euro und Cent greifen jedenfalls zu kurz, wenn man ökonomisch sinnvolle Entscheidungen treffen will. Wo-rauf es wirklich ankommt, sind die Wünsche der Menschen, denen natürlich die entsprechenden Kosten gegenüberzu-stellen sind.

Die noch relativ junge ökonomische Glücksforschung hat gezeigt, dass das Wohneigentum – bei sonst gleichen Um-ständen – signifikant die Lebenszufriedenheit der Betrof-

Page 68: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

67

fenen erhöht (Kittiprapas u.a. 2007: 12). Dieser Zusammen-hang gilt sowohl für Schwellenländer wie Thailand (Gray and Kramanon 2007) als auch für Industrieländer wie Großbri-tannien und Japan (Powdthavee 2007; Kusago 2007). Auch für Deutschland lässt sich aus den Daten des sozioökono-mischen Panels ein entsprechender Zusammenhang nach-weisen (van Suntum/Uhde 2009).

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wohneigentum ver-schafft Sicherheit und Geborgenheit, es kann sich wandeln, den individuellen Bedürfnissen ohne Rücksicht auf die Zu-stimmung eines Vermieters angepasst werden und es ist ein Rückzugsraum aus dem immer stärker fremdbestimmten beruflichen und öffentlichen Leben. Gerade der – von Kriti-kern des Wohneigentums oft belächelte – Freiheitsaspekt steht bei den Gründen, welche von der Bevölkerung für Wohneigentum angegeben werden, ganz oben, noch vor den finanziellen Vorteilen. So waren nach einer von Jokl (1997) angeführten Umfrage die wichtigsten von insgesamt 16 abgefragten Vorteilen des Wohneigentums im Urteil der Befragten folgende (Mehrfachnennungen möglich):

Bewegungsfreiheit für Kinder (64%)Freie Entfaltung (61%)Freie Gestaltung (59%)Unabhängigkeit vom Vermieter (58%)Finanzielle Vorteile (49%)

Page 69: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

68

Als bevorzugte Wohnform steht das Einfamilienhaus nach einer von Jokl (1997: 12) zitierten Emnid-Umfrage mit 75% der Nennungen ganz vorne, vor allem wenn es freistehend ist (32% der Nennungen, Mehrfachnennungen jeweils mög-lich). Dies steht in deutlichem Kontrast zu wohnungspoli-tischen Vorstellungen, nach denen es eine Stadtwohnung, eventuell mit Gemeinschaftsgarten, eigentlich genauso gut tun würde. Auch hier führt es nicht viel weiter, die jeweiligen Vor- und Nachteile „objektiv“ gegeneinander abzuwägen. Was ökonomisch zählt, sind letztlich die Präferenzen der Menschen, und diese gehen nach allem, was wir wissen, in eine andere Richtung. So haben sich Versuche, die Vermö-gensbildung in Deutschland durch staatliche Förderung mehr in Richtung von Finanzvermögen zu lenken, empirisch als weitgehend wirkungslos erwiesen – die Förderung wur-de zwar angenommen, floss dann aber über entsprechende Substitutionsprozesse letztlich doch wieder bevorzugt in das Wohneigentum (Westerheide 1998: 245).

Wohneigentumsquoten internationalSpanien 86% Österreich 56%Belgien 74% Frankreich 55%Griechenland 74% Dänemark 53%Italien 72% Niederlande 53%Großbritannien 69% Deutschland 43%Schweden 65% Schweiz 36%

Quelle: Institut für Städtebau

Page 70: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

69

Darauf weisen auch die international hohen Wohneigen-tumsquoten hin. Deutschland liegt hier mit 43% mit Aus-nahme der Schweiz (36%)3 am unteren Ende der Skala, wenn auch mit steigender Tendenz (Tabelle). Dies liegt zweifellos auch an der historischen Sondersituation (Behring/Helbrecht 2002: 15).

Zum einen wurde im Zweiten Weltkrieg ein Großteil des Wohnraums in Deutschland zerstört und musste in sehr kurzer Zeit wieder aufgebaut werden. Dies wäre ohne den staatlich geförderten Mietwohnungsbau kaum möglich ge-wesen. Die daraus erwachsene, jahrzehntelange finanzielle und rechtliche Begünstigung des Wohnens zur Miete hat zweifellos die Bildung von Wohneigentum tendenziell be-hindert. Zum zweiten hat die Deutsche Vereinigung die ge-samtdeutsche Wohneigentumsquote statistisch nochmals sinken lassen, da in der früheren DDR die Wohnungen überwiegend Kollektiveigentum waren. Seit 1990 steigt je-doch auch in Ostdeutschland die Wohneigentumsquote kontinuierlich an, 2002 lag sie mit 34% bereits um acht Prozentpunkte höher als 10 Jahre zuvor.

3 In der Schweiz gilt anders als international üblich das Investitionsgutprin-zip, d.h. der selbstgenutzte Wohnraum muss wie eine monetäre Zinseinnah-me versteuert werden.

Page 71: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

70

3. Gesellschaftliche Nachteile des selbstge-nutzten Wohneigentums

Einschränkung der Mobilität

Kritisch wird gegen das selbstgenutzte Wohneigentum vor-gebracht, dass es die Mobilität der Bevölkerung mindere. Darin wird vor allem eine Belastung des Arbeitsmarktes durch zunehmendes Mismatch gesehen, indem offene Stel-len und Arbeitsuchende aufgrund ihrer unterschiedlichen Standorte schwerer zueinander finden (Oswald 1997; Voigt-länder 2006).

Tatsächlich ist empirisch mehrfach nachgewiesen worden, dass selbstnutzende Wohnungseigentümer tendenziell weni-ger mobil sind als Mieter (Frick 1996; Kemper 1994). Vor allem in Perioden niedriger Hauspreise scheuen sie einen Wohnungswechsel, um Verluste zu vermeiden (Stein 1995). Allerdings gilt nach einer entsprechenden Untersuchung von Nolte (2000) Ähnliches auch für die Bewohner von Sozial-wohnungen, da diese bei einem Umzug befürchten müssen, nicht wieder eine ähnlich günstige (weil subventionierte) Woh-nung zu finden. Ähnliches gilt für langjährig bestehende Miet-verhältnisse im frei finanzierten Wohnungsbau, deren Miet-preisniveau oft deutlich unter dem entsprechender Neumietverhältnisse liegt, was ebenfalls mobilitätshemmend wirkt (Nolte 2000: 121f). Zudem hängt demnach die Mobilität der Bevölkerung noch von einer Reihe weiterer Faktoren ab,

Page 72: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

71

so etwa von der Wohndauer (negativ), dem Einkommen (po-sitiv), dem Alter (negativ) und dem Bildungsgrad (positiv).

Die mobilitätshemmende Wirkung des Wohneigentums könnte verringert werden, wenn die fixen Kosten eines Ei-gentumswechsels geringer wären. Insbesondere ist hier an eine Senkung oder Abschaffung der Grunderwerbsteuer zu denken, welche ohnehin steuersystematisch kaum zu be-gründen ist (Hellmann 2003: 156 ff). Auch das restriktive Mietrecht kann sich als mobilitätshemmend für Wohnungs-eigentümer erweisen, weil es die Option einer – ggfs. vorü-bergehenden – Vermietung des eigenen Heims aus Grün-den eines Berufswechsels unattraktiv macht. Umgekehrt zeigen empirische Studien aus dem Ausland, dass eine Ver-steuerungspflicht von Veräußerungserlösen im privaten Wohnungsmarkt die Mobilität der Wohneigentümer beein-trächtigt (Dietz 2003: 12).

Aus einer geringeren Umzugsbereitschaft von Wohneigen-tümern folgt noch nicht unbedingt eine Verstärkung des Mismatch am Arbeitsmarkt. So kann anstelle eines Woh-nungswechsels beispielsweise auch gependelt werden. Nolte (2003: 215) findet anhand der Daten des sozioökono-mischen Panels in der Tat eine signifikant höhere Pendelbe-reitschaft von selbstnutzenden Eigentümern, zumindest bei mittleren Entfernungen (zwischen 35 und 50 km). Hinzu kommt, dass Wohneigentümer aufgrund ihrer Schuldenbela-stung und ihrer sozialen Integration besonders stark moti-viert sind, möglichst nicht arbeitslos zu werden und es auch

Page 73: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

72

weniger häufig sind (Bover u.a. 1989; Voigtländer 2006: 35). Die Frage, inwieweit das Wohneigentum tatsächlich die Flexibilität des Arbeitsmarktes beeinträchtigt, kann daher bisher nicht eindeutig beantwortet werden. Bündelung von Risiken

Die Eignung des Wohneigentums als Altersvorsorge ist nicht unbestritten. Zum einen wird auf eine relativ geringe Rentabilität – etwa gegenüber der Vermögensanlage in Ak-tien – verwiesen (Verhülsdonk 2004). Zum anderen wird ein Risiko darin gesehen, den Großteil der privaten Altersvor-sorge in einem einzelnen Objekt zu bündeln. Insbesondere unter den demografischen Vorzeichen einer alternden Ge-sellschaft wird auch befürchtet, dass größere Wohnimmobi-lien im ländlichen Raum sich nicht als wertbeständig erwei-sen könnten. Dahinter steht die sogenannte capital-melt down-Hypothese (Mankiw und Weill 1989), die wiederum am Lebenszyklus-Konzept des Sparens ansetzt: Wenn die äl-tere Generation in der Überzahl ist und beginnt, ihre Vermö-gen zu verkonsumieren, müsse dies zum Preisverfall von Vermögenswerten führen. Speziell für den amerikanischen Häusermarkt sagten Mankiw und Weil 1989 einen Preisver-fall von 47% in den kommenden Jahrzehnten voraus. Die Immobilien- und Finanzkrise 2008 kann nicht als Bestätigung dieser These gelten, denn diese hatte geldpolitische und konjunkturelle Ursachen und nichts mit den langfristigen de-mografischen Problemen zu tun. Zudem hat sie gerade auch finanzielle Formen der Altersvorsorge wie Aktien und Be-

Page 74: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

73

triebspensionen getroffen, während speziell in Deutschland (und Österreich) die Immobilienpreise stabil geblieben sind.

Gleichwohl ist das Risiko einer einseitigen Altersvorsorge in Form von selbstgenutztem Wohneigentum nicht von der Hand zu weisen. In Deutschland haben die meisten Eigen-heimbesitzer im Alter aber zusätzlich sowohl Ansprüche an die Rentenversicherung oder in Pensionsform als auch er-hebliche weitere finanzielle Reserven. Auch sind Wohnim-mobilien hierzulande mit weitaus höheren Eigenkapitalantei-len und anderen Sicherheiten finanziert als etwa in Großbritannien und den USA, so dass die Gefahr einer Überschuldung im Normalfall sehr gering ist. Die wenigen Fälle, in denen es dennoch dazu kommt, gehen i.d.R. nicht auf das Wohneigentum selbst, sondern auf andere Faktoren wie Scheidung und Arbeitslosigkeit zurück.

Flächenverbrauch und Verkehrserzeugung

Häufig wird dem Wohneigentum in der politischen Diskussi-on vorgehalten, es sei mit einem höheren Flächenverbrauch als die Mietwohnung verbunden und erzeuge zudem mehr Individualverkehr. Diese (vor allem in Deutschland geübte) Kritik richtet sich namentlich gegen das freistehende Einfa-milienhaus im ländlichen Raum, erweist sich aber bei ge-nauerer Betrachtung als fragwürdig. In Deutschland entfal-len 12,3% der Bodennutzung auf Siedlungs- und Verkehrsflächen und davon wiederum ca. ein Viertel (3,2%) auf Wohnflächen (Statistisches Bundesamt 2005). Unter-

Page 75: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

74

stellt man, dass von dieser Fläche etwa die Hälfte Freiflä-chen, insbesondere Gärten sind, dann beläuft sich der An-teil der durch Wohngebäude einschließlich Garagen, Zufahrten und Wege tatsächlich „versiegelten“ Flächen auf lediglich 1,6% der insgesamt genutzten Fläche. Die Flä-cheninanspruchnahme („verbrauchen“ kann man Flächen nicht!) durch das Wohnen ist in Deutschland also insgesamt vergleichsweise gering, was örtlich begrenzte Probleme na-türlich nicht ausschließt.

Die Kritik beruht zudem im Kern auf der Annahme, es wür-den durch das Wohnen im eigenen Heim externe (Umwelt-)kosten zulasten der Allgemeinheit erzeugt. Dies ist jedoch schon von der Grundannahme her durchaus fraglich: So dürfte die ökologische Vielfalt in ländlichen Wohngebieten deutlich größer sein, als dies auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen der Fall war, auf denen sie entstanden sind. Ob der Individualverkehr tatsächlich mehr externe Kosten als Nutzen (einschließlich der von ihm aufgebrachten Steuern) verursacht, ist ebenfalls umstritten (Link 2005), zumal die Ermittlung der externen Kosten mit massiven methodischen Problemen und Bewertungsspielräumen verbunden ist (van Suntum 2006: 145ff; Maibach et. al. 2008). Selbst wenn dem so wäre, hätte eine entsprechende Korrektur beim Ver-kehr anzusetzen und nicht bei einer politischen Umlenkung der Wohnwünsche. Diese Argumentationslinie gegen das selbstgenutzte Wohneigentum soll darum hier nicht weiter behandelt werden.

Page 76: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

75

4. Fazit

Insgesamt überwiegen nicht nur aus individueller Sicht, son-dern auch gesamtwirtschaftlich wohl die Vorteile des selbst-genutzten Wohneigentums. Die wenigen Gegenargumente sind zumindest im Falle Deutschlands wenig relevant und empirisch nicht gut belegt. Daraus ist allerdings noch nicht ohne Weiteres ein Argument für die staatliche Förderung des Wohneigentums abzuleiten, denn viele der gesamtwirt-schaftlichen Vorteile schlagen sich ohnehin bereits positiv bei den Eigentümern selbst nieder (Voigtländer 2006; Eek-hoff 2002: 139 ff). Zumindest aber sollte das selbstgenutzte Wohneigentum gegenüber dem Wohnen zur Miete nicht dis-kriminiert werden. Die Einbeziehung der selbstgenutzten Im-mobilie in die Riesterförderung im Jahr 2008 war in diesem Sinne deshalb durchaus konsequent.

Page 77: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

76

Literatur

Behring, Karin/Helbrecht, Ilse (2002), Wohneigentum in Europa. Ursachen und Rahmenbedingungen unterschied-licher Wohneigentümerquoten in Europa. Forschungsprojekt im Auftrag der Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg.

Bover, Olympia/John Muellbauer/Anthony Murphy (1989), Housing, Wages and UK Labour Markets, Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 51, S. 97-136.

DiPasquale, Denise/Edward L.Glaeser, Incentives and Social Capital: Are Homeowners Better Citizens? NBER Working Paper No 6363.

Dietz, Robert D. (2003), The SocialConsequences of Ho-meownership, Working Paper, Ohio State University and Center for Urban and Regional Analysis, June 18.

Eekhoff, Johann (2002), Wohnungspolitik. 2. Aufl., Tübin-gen.

Eucken, Walter (1952), Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen.

Frick, Joachim (1996), Lebenslagen im Wandel: Determi-nanten kleinräumiger Mobilität in Westdeutschland, Frank-furt a.M./New York.

Page 78: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

77

Gray, R./R. Kramanon (2007), A feeling of self-sufficiency and happiness among Thai people, Paper presented at the International Conference “Happiness and Public Policy”, July 18-19, Bangkok.

Green, R./M. White (1997), Measuring the benefits of ho-meowning: Effects on children. Journal of Urban Econo-mics, Vol. 41, S. 441-461.

Haurin, D./R. Dietz/B. Weinberg (2002), The impact of neighborhood homeownership rates: A review oft the theo-retical and empirical literature. Journal of Housing Research, Vol. 13, S. 119-151.

Hellmann, Thorsten (2003), Die Besteuerung des privaten Grundeigentums. Ökonomische Analyse und steuersyste-matische Beurteilung bodenbezogener Steuerformen. Bei-träge zur Raumplanung und zum Siedlungs- und Wohnungs-wesen Bd. 217, Münster.

Henderson, J. und Y. Ioannides (1983), A Model of Housing Tenure Choice, American Economic Review 73, 98-113.

Jokl, Stefan (1997), Eigentum statt Miete. Die eigenen vier Wände als optimale Wohn- und Vermögensform, Bonn.

Page 79: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

78

Kemper, Franz-Josef (1994), Kategoriale Datenanalyse mit Logit- und log-linearen Modellen in der Regionalforschung. Das Beispiel der Determinanten von prospektiver und retro-spektiver Wohnmobilität, Allgemeines Statistisches Archiv, Jg. 78, S. 114-124.

Kittiprapas, Sauwalak/Onnicha Sawangfa/Catherine Fis-her/Nattavudh Powdthavee/Kanokporn Nitnitiphrut (2007), Happiness as a New Paradigm for Development and Public Policies. A Summary of the Synthesis from the Inter-national Conference “Happiness and Public Policy”, July 18-19, Bangkok.

Krings-Heckemeier, Marie-Therese/Reiner Braun/Bernd Faller/Stefan Geiss (1997), Potentiale für kostengünstige Eigenheime, LBS-Studien zur Wohnungs- und Vermögens-politik, Bonn.

Kusago, T. (2007), Japan`s Development: what economic growth, human development and subjective well-being mea-sures tell us about? Paper presented at International Confe-rence “Happiness and Public Policy”, July 18-19, Bangkok.

Link, Heike (2005), Transport accounts – methodological concepts and empirical results, Journal of Transport Geo-graphy 13, 41-57.

Maibach, M. et. al. (2008), Handbook on estimation of ex-ternal costs in the transport sector, Delft.

Page 80: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

79

Mankiw, Gregory N./David N. Weil (1989), The Baby Boom, The Baby Bust, and the Housing Market, NBER Wor-king Paper No 2794.

Nolte, Roland (2000), Soziale Wohnungspolitik und Arbeits-kräftemobilität, Beiträge zur Raumplanung und zum Sied-lungs- und Wohnungswesen, Bd. 193, Münster.

Oswald, A. (1997), Theory of homes and jobs, Department of Economics, Working Paper, Warwick University.

Powdthavee, N. (2007), Putting a Price Tag on Friends, Re-latives, and Neighbours: Using Surveys of Life Satisfaction to Value Social Relationships, Paper presented at the Inter-national Conference “Happiness and Public Policy”, July 18-19, Bangkok.

Schüller, Alfred (1988), Ökonomik der Eigentumsrechte in ordnungs theore tischer Sicht, in: Dieter Cassel u. a. (Hrsg.), Ordnungspolitik. München.

Shilling, J.D./C.F. Sirmans/J.F. Dombrow (1991), Measu-ring Depreciation in Single-family Rental and Owner-occu-pied housing, Journal of Housing Economics 1, pp 368-383.

Statistisches Bundesamt (2005), Fachserie 3 , Reihe 5.1.

Page 81: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

80

Stein, J (1995), Prices and trading volume in the housing market: A model with downpayment effects, Quarterly Jour-nal of Economics, Vol. 110, S. 379-406.

Van Suntum, Ulrich (2006), Verkehrspolitik, München.

Van Suntum, Ulrich (2008), Artikel „Eigentums- und Wett-bewerbsordnung“, in: Anton Rauscher (Hg.), Handbuch der katholischen Soziallehre, Berlin.

Van Suntum, Ulrich (2009), Housing, Taxation, and Retire-ment Provision, Journal of Housing Economics (2009) (fort-hcoming).

Van Suntum, Ulrich/Nicole Uhde (2009), Are home-ow-ners different people? CAWM-discussion paper (dem-nächst).

Takakura, Hiroki (2008), Auswirkungen der Eigentums-formen und des Mieterschutzes auf die Wohnungsqualität. Eine empirische Analyse basierend auf GSOEP. CAWM-Discussion Paper No. 16, März 2009.

Verhülsdonk, Dominik (2004), Wohnimmobilien als Alters-vorsorge. Eine Untersuchung auf Basis eines makroökono-misch fundierten Renditemodells. Beiträge zur Raumpla-nung und zum Siedlungs- und Wohnungswesen Bd. 219, Münster.

Page 82: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

81

Vogt, Katrin/Peter Pulm/Anett Endesfelder (2003), Poten-ziale der Wohneigentumsbildung für die soziale Stabilität von Stadtvierteln. Forschungsvorhaben im Auftrag des Bun-desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn.

Voigtländer, Michael (2006), Mietwohnungsmarkt und Wohneigentum: Zwei Seiten einer Medaille. Gutachten für den Veband deutscher Pfandbriefbanken, Köln.

Westerheide, Peter (1998), Vermögensbildung in der Sozi-alen Marktwirtschaft. Ziele und Wirkungsmöglichkeiten. Beiträge zur Raumplanung und zum Siedlungs- und Woh-nungswesen Bd. 185, Münster.

Page 83: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

82

Peter Westerheide

Staatliche Förderung des Wohneigentums

1. Einleitung

In vielen Ländern hat die Förderung des Wohneigentums eine lange Tradition. Es werden beträchtliche öffentliche Mittel dafür eingesetzt. Im Folgenden werden zunächst auf theoretischer Basis mögliche Ziele und Begründungszusam-menhänge der Wohneigentumsförderung herausgearbeitet. Anschließend werden Entwicklung und Kosten der Wohnei-gentumsförderung in Deutschland beschrieben.

Im folgenden Abschnitt wird die aktuelle deutsche Förderku-lisse mit der anderer europäischer Länder verglichen. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit den Wirkungen der Woh-neigentumsförderung. Der Beitrag schließt mit einem Zu-kunftsausblick.

Page 84: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

83

2. Ziele und Begründungen der Wohneigentums-förderung

Die staatliche Förderung des Wohneigentums wird üblicher-weise mit einer Reihe übergeordneter Ziele verknüpft. All-gemein können diese Ziele in drei Kategorien eingeordnet werden: Eine erste Kategorie bildet die Verbesserung der Wohnungsversorgung (wohnungspolitische Ziele). Eine zweite Kategorie stellt auf die Förderung der Vermögensbil-dung der privaten Haushalte ab (vermögenspolitische Ziele). Einer dritten Kategorie sind alle spezielleren Förderzwecke zuzurechnen, wie z.B. die Förderung des energiesparenden Bauens, die Förderung bestimmter Wohnformen bzw. Ob-jekttypen – z.B. Mehrgenerationenhäuser oder altenge-rechtes Bauen – oder die Förderung bestimmter Regionen (Sonderziele).

Aus ordnungspolitischer Sicht ist in jeder dieser Kategorien zu fragen, warum ein staatliches Eingreifen in den Markt als erforderlich angesehen wird bzw. warum die Allokation nicht einfach dem Markt überlassen werden sollte. Dabei können sozialpolitische Motive sowie meritorische Bedürfnisse und externe Effekte als Legitimationsaspekte unterschieden werden, die in jeder der genannten Kategorien eine Rolle spielen können (vgl. Abbildung 1).

Page 85: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

84

Verteilungs- und gesellschaftspolitische Begründung der Wohneigentumsförderung

Die Wohneigentumspolitik kann einerseits der sozialpolitisch motivierten Verteilungspolitik zugerechnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn gezielt Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen und kinderreiche Familien gefördert werden sollen. Die Wohneigentumspolitik kann dann auch als Teil der Sozialpolitik bzw. der Familienpolitik angesehen wer-den (Vgl. Kühne-Bühning/Nordalm/Steveling 2005: 234ff.).

Page 86: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

85

Die damit verbundene Umverteilung von Markteinkommen zugunsten von Bevölkerungsschichten mit geringer Ressour-cenausstattung ist Ergebnis der politischen Willensbildung und ökonomischer Beurteilung nur in Grenzen zugänglich. Eine – nicht leicht konkret definierbare – ökonomische Gren-ze ist sicher dort gegeben, wo Leistungsanreize durch die Umverteilung so stark verringert werden, dass die Wachs-tumschancen einer Volkswirtschaft signifikant beeinträchtigt werden.

Allerdings ist die Frage zu stellen, ob die Förderung des Wohneigentums tatsächlich ein geeignetes Instrument der Sozialpolitik ist. Eine adäquate Versorgung bedürftiger Haushalte mit Wohnraum kann schließlich auch durch den Mietwohnungsmarkt gewährleistet werden, der seinerseits durch Subventionierung des sozialen Wohnungsbaus und Wohnkostenunterstützung für bedürftige Haushalte geför-dert wird. Diese Argumentation verkennt allerdings einer-seits, dass Eigentums- und Mietwohnungsmärkte verbun-den sind und eine Angebotsausweitung auf dem Eigentumsmarkt auch den Mietwohnungsmarkt entlasten kann. Darüber hinaus wird mit der Wohneigentumsförde-rung auch eine gesellschaftspolitische Stabilisierung ange-strebt. Diese integrative Funktion der privaten Vermögens-bildung – in der die Wohneigentumsbildung eine zentrale Rolle spielt – wird in der Literatur zu den Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft und in der vermögenspolitischen Literatur ausführlich gewürdigt: Grundlegendes Argument ist, dass eine auf privaten Eigentumsrechten basierende

Page 87: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

86

Wirtschaftsordnung umso besser funktioniert, je breiter der Kreis der Vermögensbesitzer ist (Westerheide 1990: 14f.).

Meritorische Begründung der Wohneigentumsförderung

Ein weiterer wesentlicher Grund für staatliches Eingreifen in die private Ressourcenallokation durch staatliche Förderung ist die Vermutung der Minderschätzung künftiger Bedürf-nisse, sog. meritorische Bedürfnisse (Musgrave 1959). Die-se Begründung wird traditionell für die Notwendigkeit einer staatlichen Pflichtsozialversicherung gegen Großrisiken (Ar-beitslosigkeit, Krankheit) und insbesondere für die Alters-vorsorge im Rahmen einer Pflichtrentenversicherung ange-führt. In der Bundesrepublik Deutschland wird diese Legitimation für staatliches Eingreifen in die private Res-sourcenallokation traditionell recht weitgehend interpretiert. Dies wird insbesondere sichtbar im Ziel der Lebensstan-dardsicherung als Leitbild in der gesetzlichen Pflichtrenten-versicherung. Auch die Einführung der Riester-Rente wurde damit begründet, dass das umlagefinanzierte Rentenversi-cherungssystem das Ziel der Lebensstandardsicherung nicht mehr erfüllen kann und daher staatliche Anreize zum Aufbau einer ergänzenden privaten Altersvorsorge erforder-lich sind.1 Auf ein Obligatorium hat man hier gleichwohl ver-zichtet, auch wenn hierüber vielfach diskutiert wurde.

1 „Bei einer Begrenzung des demografisch bedingten Anstiegs des Bei-tragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung ist zudem der eigenver-

Page 88: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

87

Aus ordnungspolitischer Sicht bestehen erhebliche Interpre-tationsspielräume für die Legitimität staatlichen Eingreifens aus meritorischen Gründen.2 Auch bei weiter Auslegung fällt es jedoch schwer, die Wohneigentumsförderung direkt mit meritorischen Argumenten zu begründen, da private Haus-halte im Allgemeinen eine hohe Präferenz für Wohneigen-tum haben und sie ihre Wohnbedürfnisse tendenziell wohl kaum unterschätzen. In der Debatte um die staatliche Woh-neigentumsförderung wurden entsprechende Argumente je-doch durchaus vertreten. So argumentierte Albers (1985: 515): „Schließlich werden die Vorteile eines Woh-nens im eigenen Haus durch den dadurch gewonnenen Frei-heitsraum für eine gesunde Entwicklung von Kindern, aber auch für sinnvolle Freizeittätigkeiten (Hobbies der Eltern) vielfach unterschätzt, weil diese Vorteile erst langfristig er-kennbar werden bzw. sich die Nachteile beengter Wohnver-hältnisse erst auf lange Sicht auswirken.“

antwortliche Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zur Sicherung des Lebensstandards im Alter unerlässlich.“ Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AvmG), BT Drucksache 14/4595 vom 14.11.2000, S. 1.2 Knappe/Funk/Jobelius (1996) vertreten z.B. die Ansicht, dass eine Min-derschätzung künftiger Bedürfnisse existenzgefährend sein müsse, um staatliche Eingriffe zu rechtfertigen. Insofern ließe sich ein meritorisches Eingreifen in die Alterssicherung bei bestehender sozialer Grundsicherung generell nur schwer rechtfertigen.

Page 89: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

88

Ein tragfähigerer Begründungszusammenhang ergibt sich aus Effizienzüberlegungen: Wenn sich eine Förderung be-stimmter Anlageformen als besonders geeignet erweist, die Spar- und Vorsorgeneigung der privaten Haushalte zu stär-ken, dann kann hier aus meritorischer Sicht ein Ansatzpunkt für gezielte Fördermaßnahmen gesehen werden. Tatsäch-lich zeigt sich in mehreren Untersuchungen ein positiver Zu-sammenhang zwischen Wohneigentumsbildung und Spar-verhalten: Danach bilden Wohneigentümer nicht nur mehr Immobilienvermögen, sondern auch mehr Geldvermögen als Mieter. Dieser Befund kann auch aufrechterhalten wer-den, wenn andere Einflüsse (z.B. Einkommenshöhe, Alter, Haushaltsgröße etc.) berücksichtigt werden.3

Externe Effekte als Begründung der Wohneigentumsförderung

Externe Effekte sind Folgen wirtschaftlichen Handelns, die im Entscheidungskalkül der Akteure keine Rolle spielen, da sie diese Akteure selbst nicht direkt betreffen. In dem Maß, in dem negative (positive) externe Effekte nicht in der Preis-bildung berücksichtigt werden, steigt (sinkt) das Angebot bzw. die Nachfrage über (unter) das sozial optimale Maß. Um positive oder negative externe Effekte zu internalisie-ren, kann der Staat grundsätzlich mit rechtlichen Regulie-

3 Siehe zu Vergleichen der Vermögen und des Sparverhaltens von Mietern und Wohnungseigentümern Rotfuß/Westerheide (im Erscheinen), Demary et al. (2009: 161), empirica (1999: 13), (2001: 13f.).

Page 90: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

89

rungsmaßnahmen sowie mit fiskalischen Maßnahmen zur Beeinflussung der Preisstruktur auf den entsprechenden Märkten intervenieren.

Auf den Wohnungsmärkten lassen sich Beispiele sowohl für negative als auch für positive externe Effekte der Wohnei-gentumsbildung anführen. Negative externe Effekte können beispielsweise daraus resultieren, dass aus Kostengründen (z.B. um zu hohe Anfangsbelastungen zu vermeiden) bau-liche Maßnahmen zur Energieeinsparung unterlassen wer-den, obwohl sie aus umweltpolitischer und ökonomischer Sicht langfristig sinnvoll erscheinen. Maßnahmen zur Förde-rung des energiesparenden Bauens können mit diesem Ar-gument prinzipiell dann legitimiert werden, wenn sich durch die Energieersparnis allein entsprechende bauliche Maß-nahmen erst spät amortisieren, der Gesetzgeber die nega-tiven externen Effekte zu hoher Schadstoffemissionen den-noch vermeiden möchte.

Als Beispiele für positive externe Effekte können gesell-schaftspolitische Stabilisierungswirkungen genannt werden, die mit der Eigentumsbildung einhergehen können. Dies be-trifft zum einen die bereits erwähnte Integrationsfunktion der Eigentumsbildung. Zum anderen kann hier aber auch die Stabilisierung und Verbesserung der Wohnqualität im Wohn-quartier angeführt werden, sofern Wohneigentümer tenden-ziell mehr Wert auf die Pflege und Verbesserung ihres

Page 91: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

90

Wohnumfeldes legen als Mieter.4 Im weiteren Sinne kann auch eine wohnungspolitisch motivierte Angebotsauswei-tung auf dem Wohnungsmarkt aus individueller Sicht als po-sitiver externer Effekt angesehen werden: Denn sofern die Eigentumsbildung mit der Schaffung neuen Wohnraums ein-hergeht, werden damit potenziell Sickereffekte auf dem Mietwohnungsmarkt ausgelöst, da die bisherigen Mietwoh-nungen der neuen Wohneigentümer nun anderen Nachfra-gern zur Verfügung stehen. Schließlich können positive ex-terne Effekte auch mit einer familienpolitisch motivierten Wohneigentumsförderung verbunden sein, soweit daraus positive gesellschaftliche oder demographische Effekte re-sultieren, die in der individuellen Perspektive keine Berück-sichtigung finden.

3. Entwicklung der Wohneigentumsförderung in Deutschland

Die Förderung privaten Wohneigentums hat in Deutschland lange Tradition. Im Rahmen der Wirtschaftsordnung der So-zialen Marktwirtschaft ist sie im breiteren Kontext der Ver-

4 Die empirische Evidenz speziell zur sozialen Stabilisierungsfunktion der Wohneigentumsbildung ist nicht einheitlich, positive externe Effekte der Eigentumsbildung auf das Wohnumfeld konnten aber durchaus in einigen Studien gemessen werden. In regionalen Fallstudien konnten diese Effekte allerdings auch auf den mit der Wohneigentumsbildung verbundenen Zu-zug besser situierter Haushalte zurückgeführt werden und nicht nur auf die Wohneigentumsbildung selbst. Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raum-ordnung (2003) und Voigtländer (2006: 31f.). Vgl. dazu auch den Beitrag von van Suntum im vorliegenden Band.

Page 92: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

91

mögenspolitik und ihrer im Zeitverlauf variierenden Schwer-punktsetzungen zu betrachten. In einer Grobgliederung können in Deutschland verschiedene Phasen der Vermö-genspolitik unterschieden werden, in denen jeweils auch die Wohneigentumsförderung eine entsprechende Ausrichtung hatte. Dies gilt insbesondere für die Vorsparförderung, also die Förderung der Ansammlung von Eigenkapital (und Darle-hensansprüchen) für den Wohneigentumserwerb durch Bausparen. Die Entwicklung der Nachsparförderung – also die Förderung nach dem Erwerb von Wohneigentum – folgt dieser Phaseneinteilung nur bedingt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Entwicklung beider Förderlinien ge-trennt zu betrachten.

Betrachtet man zunächst die Vorsparförderung, so lassen sich folgende Phasen unterscheiden:– Phase der überwiegend sparvolumenorientierten Förderung Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Linde-

rung der Wohnungsnot und die Bereitstellung von Kapital für den Wiederaufbau erste Priorität Die staatliche Spar-förderung zielte daher bis Anfang der 1950er Jahre vor allem auf die Steigerung des Sparwillens der sparfähigen Haushalte ab Dies kam in der Förderung von Beiträgen für Bausparverträge wie für andere Anlageformen durch Abzüge von der Bemessungsgrundlage der Einkommen-steuer zum Ausdruck. Angesichts der hohen Steuerpro-gression in diesem Zeitraum bedeutete dies erhebliche Steuervorteile für Sparer mit hohen Einkommen und Grenzsteuersätzen (Frerich/Frey 1993: 136f.; Peffekofen

Page 93: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

92

1993: 308f.; Miegel 1987: 15; Albers 1985: 518f.; Ruf 1977: 427ff.).

– Phase der stärker verteilungsorientierten Förderung Die stark volumenorientierte Förderung der ersten Nach-

kriegsjahre wurde in folgenden Jahrzehnten sukzessive durch verteilungsorientierte Elemente ergänzt. Einen er-sten Meilenstein bildet das bereits 1952 eingeführte Wohnungsbauprämien-Gesetz. Die Verabschiedung des Gesetzes wurde ursprünglich sowohl mit dem Woh-nungsmangel als auch mit verteilungspolitischen Argu-menten begründet. Ziel war es zum einen, die Wohnungs-not nach dem zweiten Weltkrieg zu lindern, zum anderen aber auch, die Kleinsparer zu fördern.5 Flankiert wurde das Wohnungsbauprämiengesetz ab 1959 durch das ähnlich aufgebaute Sparprämiengesetz. Beide Gesetze hatten starke familienpolitische Komponenten, da Ehe-paare und besonders Familien mit Kindern stärker geför-dert wurden als Alleinstehende. Ergänzt wurde diese För-derung ab 1961 durch die Vermögensbildungsgesetze, die die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand fördern sollten. Auch in diesem Rahmen war das Bausparen seit Einführung des ersten Vermögensbildungsgesetzes 1961 förderberechtigt.

5 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Woh-nungswesen über den Entwurf eines Wohnungsbau-Prämiengesetzes. An-lage zum Stenographischen Bericht der 188. Sitzung des Deutschen Bun-destages am 18.01.1952.

Page 94: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

93

– Phase des asymmetrischen Abbaus der Förderung Ein vorläufiger Höhepunkt der Sparförderung in der Bun-

desrepublik wurde in den 1970er Jahren erreicht. Bereits Anfang der 1980er Jahre wurde die Förderung abge-schmolzen. So wurde die Förderung nach dem Sparprä-miengesetz abgeschafft und das Förderniveau auch in den anderen Bereichen der Geldvermögensbildung ge-senkt: Die asymmetrische Absenkung des Förderniveaus führte zu einer zunehmende relativen Begünstigung von Familien und Haushalten mit geringem Pro-Kopf-Einkom-men.

Im Zeitablauf stieg die relative Bedeutung vor allem der Bausparförderung sowie der Förderung des Wertpapier- und Beteiligungssparens. Für diese Phase galt: Je höher das Pro-Kopf-Einkommen des Haushalts war, desto se-lektiver wurde die Vermögensbildung gefördert. Die Bau-sparförderung wurde in dieser Phase in absoluter Be-trachtung ebenfalls zunehmend eingeschränkt. Gleichzeitig wurden die Einkommensgrenzen für den För-deranspruch lange Zeit nahezu unverändert beibehalten. Dies führte dazu, dass viele Haushalte zunehmend die Einkommensgrenzen überschritten.

Im Gegensatz zur allgemeinen Sparförderung fand 1996 jedoch eine maßgebliche Erhöhung der Einkommens-grenzen für Bausparer (von zuvor 27.000/54.000 DM auf dann 50.000 DM/100.000 DM) bei gleichzeitiger Erhö-

Page 95: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

94

hung der Förderhöchstbeträge statt. Im Gegenzug wurde allerdings die einkommenssteuerliche Abzugsfähigkeit von Bausparbeiträgen ganz abgeschafft. In der Begrün-dung für die Aufstockung der Förderung wurde einerseits auf die Förderung der Schaffung von Wohneigentum all-gemein, zum anderen aber bereits auf den Altersvorsor-geaspekt („eigene Wohnung als wesentlicher Bestand-teil der Altersvorsorge“6) Bezug genommen.

– Phase der altersvorsorgeorientierten Vermögenspolitik Das Inkrafttreten des Altersvermögensgesetzes im Jahr

2002 leitete eine explizit auf den Aufbau privaten Kapitals für die Alterssicherung ausgerichtete Periode der Vermö-genspolitik ein. Ziel der staatlichen Förderung der Vermö-gensbildung ist es seither vor allem, Anreize für den Auf-bau einer betrieblichen und privaten Altersvorsorge zu geben, die angesichts der sinkenden Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung immer dringlicher wird. Kennzeichnend für diese Phase ist die breite steuer-liche Förderung und Zulagenförderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der sog. Rie-ster-Rente, die ebenfalls breite Förderung der betrieb-lichen Altersvorsorge im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG und die zusätzliche Förderung privater Leibrentenversi-cherungen im Rahmen der sog. Rürup-Rente. Wich-tigstes Kennzeichen dieser Fördermaßnahmen sind Re-striktionen bzgl. der Auszahlung der angesparten

6 BT-Drucksache 13/2235 vom 04.09.1995.

Page 96: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

95

Vermögen: In allen Fällen kann das erworbene Vermö-gen gar nicht (Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG, Rürup-Rente) oder nur zu einem kleinen Teil (30% bei der Rie-ster-Rente) als Einmalauszahlung vereinnahmt werden. Ein förderunschädlicher Zugriff auf das Vermögen vor Er-reichen der Rentenphase ist – mit Ausnahme des sog. Entnahmemodells nach § 92 a/b EStG bei der Riester-Rente – nicht möglich. Diese Phase ist zugleich gekenn-zeichnet durch den Abbau der Förderung spezifischer Anlageformen, insbesondere die Einschränkung der steu-erlichen Förderung des Sparens in kapitalbildenden Le-bensversicherungen.

Auch in der Bausparförderung wurde der Fördersatz 2004 auf die heute noch gültigen 8,8% gesenkt. Aus der Förderung der Altersvorsorge nach dem Altersvermö-gensgesetz wurde das Bausparen zunächst nicht de jure, aber de facto ausgeschlossen. § 1 Abs. 1 AltZertG7 er-wähnt zwar explizit die Förderung des selbst genutzten Wohneigentums im Rahmen von Altersvorsorgeverträ-gen. Allerdings hätten Bausparverträge dann auch alle Zertifizierungskriterien (u.a. die Auszahlung einer lebens-langen Rente frühestens mit Erreichen des 60. Lebens-jahres bzw. des Beginns der Auszahlung einer gesetz-lichen Rente) erfüllen müssen. Diese Kriterien waren mit

7 Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenver-trägen (Anm. d. Herausg.)

Page 97: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

96

dem kollektiven Bausparen in seiner bisherigen Form nicht kompatibel.

Die Förderung der Wohneigentumsbildung nach dem Woh-neigentumserwerb (Nachsparförderung) entwickelte sich stetiger als die Vorsparförderung:

– Bis zur Einführung der Eigenheimzulage 1996 erfolgte die Nachsparförderung selbst genutzten Wohneigentums im Grundsatz durch erhöhte steuerliche Absetzungen bzw. steuerliche Sonderausgabenabzüge. Die Förderung war daher grundsätzlich positiv mit dem Einkommen korreli-ert, da Haushalte mit höheren Einkommen höhere Grenz-steuersätze haben und stärker von der Förderung profi-tieren konnten.

Die Förderung war bis 1986 in die Systematik der Be-steuerung selbst genutzten Wohneigentums als Investiti-onsgut integriert. In diesem System wurde selbst ge-nutztes Wohneigentum steuerlich grundsätzlich wie vermietetes Wohneigentum behandelt. Statt der Mieter-träge wurde bei Eigennutzern ein (pauschalierter) Nut-zungswert als Bemessungsgrundlage für die Einkom-mensteuer unterstellt. Im Gegenzug konnten die Fremdkapitalzinsen bis zur Höhe des pauschalierten Nut-zungswertes von der Bemessungsgrundlage abgesetzt werden. 1987 wurde die Wohneigentumsförderung von der Investitionsgutlösung auf die Konsumgutlösung um-gestellt: Im Rahmen der Konsumgutlösung waren zwar

Page 98: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

97

die Zinsen nicht mehr abzugsfähig. Im Gegenzug musste aber der Nutzungswert selbst genutzten Wohneigentums nicht mehr versteuert werden.

Familienstandsabhängige Komponenten und spezielle Regelungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen gab es in der Förderung lange Zeit nicht. Eine Ausnahme stell-te lediglich der sogenannte Objektverbrauch dar: Ehe-paare konnten die Förderung zweimal im Leben in An-spruch nehmen, Alleinstehende nur einmal. Erst 1982 wurde das sogenannte Baukindergeld eingeführt, das ei-nen Abzug von der Steuerschuld ermöglichte und damit eine progressionsunabhängige Förderung darstellte. Die-ser war aber zunächst nur ab dem 2. Kind möglich und wurde erst 1987 auf das erste Kind ausgedehnt. Anfang der 1990er Jahre wurde die Förderung für Haushalte ver-bessert, deren Steuerschuld in bestimmten Jahren zu ge-ring war, um alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. 1994 wurden erstmals Einkommensgrenzen in die Förde-rung eingeführt.

– Eine echte Zäsur in der Fördersystematik ist jedoch erst 1996 zu verzeichnen, als die Eigenheimzulage eingeführt wurde. Damit wurde Wohneigentum nach dem Eigentum-serwerb erstmals im Rahmen sehr weit bemessener Ein-kommensgrenzen einkommensunabhängig gefördert. Ehepartner erhielten die doppelte Förderung, für Kinder wurden Kinderzulagen gezahlt. Wie bei der steuerlichen Förderung wurden auch die Zulagen für 8 Jahre gewährt.

Page 99: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

98

Ab dem 01.01.2004 wurde das Fördervolumen der Eigen-heimzulage (für Neufälle) durch eine Absenkung der Ein-kommensgrenzen sowie eine Reduzierung und Anglei-chung der Fördersätze für Alt- und Neubauten (vgl. Tabelle 1) um ca. 30% gekürzt. Zu Jahresbeginn 2006 wurde die Eigenheimzulage für Neuanträge wieder abge-schafft.

Tabelle 1: Entwicklung der EigenheimzulageEinkommensgrenzen

ledig verheiratet je Kind Grundlage

1.1.1996 240.000 480.000 DM Gesamtbetrag der Einkünfte

1.1.2000 160.000 320.000 60.000 DM Gesamtbetrag der Einkünfte

1.1.2004 70.000 140.000 30.000 EuroGesamtbetrag der positiven Einkünfte

FörderhöheNeubau Grundzulage Kinderzulage Bemessungsgrundlage

1.1.1996 5.000 1.500 DM 5,0% der AHK*

1.1.2004 1.250 800 Euro 1,0% der AHK*

Bestand Grundzulage Kinderzulage Bemessungsgrundlage

1.1.1996 2.500 1.500 DM 2,5% der AHK*

1.1.2004 1.250 800 Euro 1,0% der AHK*

*AHK: Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.Quelle: Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen (2006)

Page 100: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

99

Integration der Wohneigentumsförderung in die Förde-rung der privaten Altersvorsorge

Mit der Abschaffung der Eigenheimzulagenförderung für neue Anträge zu Jahresbeginn 2006 hatte sich der Staat in dieser Phase zunächst vollständig aus der Eigenkapitalför-derung nach dem Wohneigentumserwerb zurückgezogen. Allerdings wurde bereits im Koalitionsvertrag vom 11. No-vember 2005 vereinbart, künftig die Wohneigentumsförde-rung stärker als bisher in die staatliche Förderung der pri-vaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG, allgemein bekannt als „Riester-Rente“) einzubeziehen. Zum 1. Januar 2008 ist schließlich das Eigenheimrentengesetz in Kraft getreten, mit dem die Förderung selbst genutzter Wohnimmobilien in die Riester-Rente integriert wurde (sog. „Wohn-Riester“). För-derberechtigte (Pflichtversicherte in der gesetzlichen Ren-tenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte, Beamte und Empfänger von Amtsbezügen, Arbeitssuchen-de ohne Leistungsbezug wegen mangelnder Bedürftigkeit, Kindererziehende während der rentenrechtlich zu berück-sichtigenden Zeiten sowie mittelbar berechtigte Ehegatten) erhalten eine Grundzulage von max. 154 € sowie von 185 € für jedes Kind (300 € für nach dem 1.1.2008 geborene Kin-der). Um die Förderhöchstbeträge zu erhalten, müssen in-klusive der Zulagen 4% des sozialversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens bis zu einer Obergrenze von 2.100 € eingezahlt werden. Alternativ kann ein einkommensteuer-

Page 101: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

100

licher Sonderausgabenabzug von max. 2.100 € je Förderbe-rechtigen steuerlich geltend gemacht werden (steuerliche Günstigerprüfung).

Das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung, das der staatli-chen Förderung der privaten Altersvorsorge in Deutschland zugrunde liegt und auch sukzessive auf die gesetzliche Rente übertragen wird, gilt nun auch für die Förderung des Wohnei-gentums: Da aus selbst genutztem Wohneigentum keine Gelderträge erzielt werden, die der Besteuerung zu grunde gelegt werden können, musste eine fiktive Bemessungs-grundlage geschaffen werden. Diese Bemessungsgrundlage ist das sogenannte Wohnförderkonto, auf dem alle in die Im-mobilie fließenden Förderbeträge und Eigenbeiträge verbucht und bis zum Rentenalter – mit einem moderaten Zinssatz von 2% p.a. – verzinst werden. In der Rentenbezugsphase wird dieses Konto dann wieder entlastet, indem vom Beginn der Rentenbezugsphase bis zum 85. Lebensjahr jährlich gleich bleibende fiktive Auszahlungen getätigt werden, die der Ein-kommensteuer unterliegen. Alternativ ist die sofortige Tilgung durch eine Einmalzahlung möglich: Um die Progressionsef-fekte zu vermindern, kann dann die Bemessungsgrundlage um 30% gekürzt werden.

Die Riester-Förderung kann sowohl in der Vorsparphase vor dem Wohneigentumserwerb als auch in der Nachsparphase (Tilgungsphase) in Anspruch genommen werden. In der Vor-sparphase kann ein beliebiges förderfähiges Finanzanlagepro-dukt gewählt werden, dessen Guthaben zum Zeitpunkt des Im-

Page 102: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

101

mobilienerwerbs als Eigenkapital in die Immobilie umgeschichtet werden kann. Anschließend können Eigenbeiträge und Einzah-lungen direkt für die Tilgung des Immobilienkredits verwendet werden. Die Bausparkassen als spezielle Anbietergruppe bie-ten darüber hinaus riesterfähige Bausparverträge an, die so-wohl die Anspar- als auch die Tilgungsphase umfassen.

Öffentliche Ausgaben für die Wohneigentumsförderung in Deutschland

Im Jahr 2005 – dem letzten Jahr vor Abschaffung der Eigen-heimzulage – gaben Bund und Länder für die Eigenheimzula-ge und die zugehörigen Kinderzulagen rund 10 Mrd. Euro aus. Hinzu kamen knapp 500 Mio. Euro an Wohnungsbauprämien für Bausparen sowie Arbeitnehmersparzulagen, die auf Bau-sparverträge eingezahlt wurden (insgesamt 390 Mio. Euro, die allerdings auch anderen Anlageformen zugute kommen).

Im Jahr 2008 – dem dritten Jahr nach Abschaffung der Eigen-heimzulage – ist die Förderung nach den Planansätzen im 21. Subventionsbericht bereits erheblich zurückgegangen. Für die Eigenheimzulage sollen in diesem Jahr nur noch rund 7 Mrd. Euro ausgegeben werden. Die Ausgaben für die Rie-ster-Förderung steigen dagegen nach den Soll-Vorgaben im Subventionsbericht erst langsam an: Für 2008 waren 560 Mio. Euro vorgesehen, von denen – da die ersten Verträge erst im November des Jahres zertifiziert wurden – nur ein kleiner Teil auf Wohn-Riester-Verträge entfallen sein dürfte. Langfristig ist gleichwohl mit einem erheblichen Wachstum

Page 103: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

102

des Volumens an Fördergeldern zu rechnen, das über Wohn-Riester-Verträge in den Wohnungsmarkt fließt. Die Budget-belastungen könnten vorübergehend sogar die Eigenheim-zulagenförderung übersteigen, weil die Riester-Förderung nicht wie die Eigenheimzulage auf 8 Jahre befristet ist und die Rückflüsse aus der nachgelagerten Besteuerung erst spät einsetzen werden.

Entsprechende Abschätzungen sind mit einer Reihe von Unsi-cherheiten behaftet, insbesondere hängen sie auch von den voraussichtlichen Lohnsteigerungsraten und natürlich vom An-teil der Eigenheimerwerber ab, die ihre Riester-Förderung ent-sprechend verwenden. Es ist jedoch zu vermuten, dass insbe-sondere Haushalte mit niedrigen Einkommen und mehreren Kindern, die ansonsten kein Wohneigentum bilden könnten, die Wohn-Riester-Förderung in Anspruch nehmen werden. Aber auch für Haushalte, die zugleich einen Riester-Vertrag in anderen Anlageformen besparen und Wohneigentum bilden könnten, kann es sich als vorteilhaft erweisen, einen Wohn-Riester-Vertrag abzuschließen. Schließlich werden die Gutha-ben auf dem Wohnförderkonto in der Rentenbezugsphase nicht weiter verzinst, was sich im Vergleich zur Finanzanlage genauso steuermindernd auswirkt wie der in der Ansparphase unterstellte Zinssatz von lediglich 2% p.a.

Förderung des Wohneigentums in Europa

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten an-deren Ländern wird Wohneigentum vom Staat gefördert.

Page 104: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

103

Dies geschieht einerseits dadurch, dass Wohneigentum steuerlich generell besser gestellt wird als andere Anlage-formen, zum anderen dadurch, dass besondere Förde-rungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Förder-zwecke angeboten werden.

Ein internationaler Gesamtüberblick, der alle Fördermaßnah-men umfasst, kann im Rahmen der vorliegenden Analyse nicht gegeben werden. Die Darstellung muss sich daher auf eine vergleichende Darstellung der steuerlichen Behand-lung des selbst genutzten Wohneigentums beschränken.

Tabelle 2: Steuerliche Behandlung selbstgenutzten Wohnei-gentums

Steuern auf Eigentü-mermiete

Abzugs-fähigkeit von Zinsen

Besteuerung des Wertzuwachses Erbschaftsteuer

Vermö-gens-steuer

Grund-steuer/Immobi-ilien-steuer

Mehrwertsteuer auf neue Immobilien wie auf andere Gebrauchsgüter

Auf selbst genutztes Wohnei-gentum nach 10 Jahren

Unter-schiedliche Behandlung von Wohnei-gentum und anderen Vermö-gensanla-gen

Auf selbst ge-nutztes Woh-neigen-tum

Unter-schiedliche Behandlung von Wohnei-gentum und anderen Vermö-gensanla-gen

Belgien Ja Ja Nein Nein Ja Nein Nein Nein JaDeutschland Nein Nein Nein Ja Ja Ja Nein Ja FreiIrland Nein Ja Nein Ja Ja Nein Nein Nein ErmäßigtGriechenland Nein Ja Ja1 Nein Nein Nein Nein Ja JaSpanien Nein Ja Ja11 Ja Ja Ja Ja Ja ErmäßigtFrankreich Nein Ja Nein Ja Ja Nein Ja Ja JaItalien Nein Ja Nein Ja Ja Ja Nein Ja ErmäßigtNiederlande Ja Ja Nein Nein Ja Ja Nein Ja Jaösterreich Nein Ja Nein Nein Ja Ja Nein Ja FreiPortugal Nein Ja Ja11 Ja Nein Nein Nein Ja FreiFinnland Nein Ja Nein Nein Ja Nein Nein Ja Frei

Stand 2008 (Mehrwertsteuer 2007), Quelle: ECB 2009, Wolswijk 2008.

Page 105: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

104

Tabelle 2 macht deutlich, dass in vielen europäischen Län-dern Wohneigentum steuerlich bevorzugt behandelt wird. In nahezu allen Ländern – Deutschland stellt hier eine Ausnah-me dar – können Fremdkapitalzinsen steuerlich geltend ge-macht werden. Dennoch muss mit Ausnahme von Belgien und den Niederlanden in keinem der betrachteten Länder die Selbstnutzung des Eigentümers in Form der ersparten Mietausgaben – die sogenannte unterstellte Eigentümermie-te – versteuert werden. In den meisten Ländern bleibt darü-ber hinaus der Wertzuwachs selbst genutzten Wohneigen-tums steuerfrei. In einigen Ländern gibt es darüber hinaus Ermäßigungen bei der Erbschaftsteuer. In allen hier ver-glichenen Ländern werden schließlich private Immobilien-transaktionen von der Umsatzsteuer befreit oder unterlie-gen einer Umsatzsteuerermäßigung.

3. Wirkungen der Wohneigentumsförderung

Entscheidend für die Beurteilung der Wohneigentumsförde-rung ist die Frage, ob die Fördermaßnahmen tatsächlich ge-wirkt haben oder ob lediglich Mitnahmeeffekte zu verzeich-nen sind und die bau- bzw. anschaffungswilligen Haushalte auch ohne die Förderung zu Wohneigentümern geworden wären.

Ein positives Fazit ist zunächst für die Bausparförderung zu ziehen: Empirische Analysen der Bausparförderung bele-gen, dass Bausparen in breiten Bevölkerungsschichten

Page 106: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

105

stattfindet und besondere Zielgruppen der Vermögenspoli-tik (junge Sparen und Sparer mit niedrigen Einkommen) in besonderem Maße am Bausparen partizipieren. Bausparer in den unteren Einkommensklassen und in den unteren Al-tersgruppen verfügen über ein deutlich höheres Vermögen als Nicht-Bausparer. Diese deskriptiven Ergebnisse bestäti-gen sich auch in detaillierten ökonometrischen Analysen, in denen eine signifikant höhere Sparquote für Bausparer er-mittelt werden kann. Diese Unterschiede lassen sich zum Teil damit erklären, dass Haushalte mit höherer Sparneigung auch mit größerer Wahrscheinlichkeit Bausparverträge ab-schließen. Erkenntnisse der verhaltensorientierten Finanz-marktforschung lassen aber auch vermuten, dass die Flexi-bilität der Vertragsgestaltung, der hohe Bekanntheitsgrad und die staatliche Förderung die Akzeptanz von Bauspar-verträgen und das Sparverhalten positiv beeinflussen (Rot-fuß/Westerheide 2009).

In Analysen auf der Basis von Haushaltsbefragungen lassen sich signifikante positive Zusammenhänge zwischen der Wohnungsprämienförderung, der Wahrscheinlichkeit, Bau-sparverträge abzuschließen und auch der Gesamtersparnis erkennen. Die Ergebnisse deuten also nicht auf eine Ver-drängung konkurrierender Sparformen durch die Bauspar-förderung hin.

Da bis zur jüngsten Modifikation der Bausparförderung An-fang 2009 geförderte Bausparmittel auch für andere als wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet werden konn-

Page 107: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

106

ten, implizieren diese positiven Ergebnisse aber noch keine Effekte auf dem Wohnungsmarkt. Allerdings gaben in einer aktuellen Befragung im Durchschnitt rund 70% der Bauspa-rer an, ihre Bausparguthaben ausschließlich oder teilweise wohnungswirtschaftlich zu verwenden (Rotfuß/Wester-heide 2009). Besonders hoch ist der Anteil mit rund 80% in mittleren Einkommensklassen zwischen 2.000 und 3.000 Euro monatlichem Haushaltsnettoeinkommen. Empfänger von Wohnungsbauprämie weisen einen etwas höheren durchschnittlichen Anteil von 74% aus, Nicht-Empfänger von Wohnungsbauprämie dagegen einen geringeren Anteil von 67%. Wohnungsbauprämienempfänger, die die gesamte Sparzeit über Prämie erhalten haben, geben zu über 80% wohnungswirtschaftliche Verwendungen an. Darunter domi-niert klar die Modernisierung und Renovierung von Immobi-lien: Mehr als 40% aller Bausparer und mehr als 50% der Empfänger von Wohnungsbauprämie über die gesamte Sparzeit geben diesen Verwendungszweck an.

Während für die Wohnungsbauprämie damit ein positives Fazit gezogen werden kann, ist die empirische Evidenz zu den Wirkungen der Nachsparförderung weniger eindeutig. Mit Einführung der Eigenheimzulage 1996 wurde die Förde-rung erheblich ausgebaut, Anfang 2004 um ca. 30% redu-ziert und Anfang 2005 für Neufälle gänzlich abgeschafft. Eine einfache deskriptive Betrachtung der Entwicklung der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser deutet zunächst auf einen positiven Effekt der Förderung hin. So ist nach der Einführung zunächst ein Anstieg der Baugenehmi-

Page 108: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

107

gungen zu verzeichnen, nach Kürzung der Ansprüche 2004 und schließlich nach Abschaffung der Eigenheimzulage 2006 dagegen ein erheblicher Rückgang. Seit 2007 bewe-gen sich die Baugenehmigungen auf vergleichsweise nied-rigem Niveau (vgl. Abbildung 2).

Trotz dieser auf der ersten Blick erkennbaren Zusammen-hänge ist bei der Interpretation Vorsicht geboten: Einerseits ist zu berücksichtigen, dass viele Haushalte mit Bauab-sichten ihre Pläne früher als ursprünglich geplant realisiert haben, um die Förderung noch mitnehmen zu können. Inso-fern ist der aktuelle Rückgang 2006 möglicherweise ein Re-flex dieser Vorzieheffekte.

Auch die Entwicklung der Fördervolumina und Baugenehmi-gungen in der Zeit vor und nach Einführung der Eigenheim-zulage stimmt nachdenklich. Auf dem Höhepunkt ihrer Inan-spruchnahme wurden im Jahr 2004 rund 11 Mrd. Euro an Eigenheimzulagen gezahlt. Im Jahr 1996 war dagegen ein Maximum bei der Inanspruchnahme der steuerlichen Vor-gängerregelung zu verzeichnen, das Fördervolumen war hier mit rund 5,5 Mrd. Euro jedoch nur etwa halb so hoch. Die Anzahl der Baugenehmigungen war dagegen 1996 hö-her als 2004. Über einen längeren Zeitraum betrachtet: Die durchschnittliche Anzahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser lag in den 10 Jahren vor Einführung der Eigenheimzulage nur um rund 5.200 je Jahr niedriger als in den zehn Jahren der Eigenheimzulage. Auch die im inter-nationalen Vergleich geringe und im Westen seit Anfang der

Page 109: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

108

1990er Jahre bei rund 44-46% der Haushalte stagnierende Wohneigentumsquote in Deutschland liefert keine unmittel-bare Evidenz für positive Effekte der Förderung.

Solche einfachen Vergleiche, die von allen anderen Einfluss-faktoren – insbesondere auch von der Bevölkerungsent-wicklung und der Konjunkturlage – abstrahieren, sollten je-doch nicht überbewertet werden. Insbesondere sagen sie nichts über die soziale Treffsicherheit der Förderung aus. Umfassendere Untersuchungen zu den Wirkungen der Ei-genheimzulage kommen in dieser Hinsicht zu unterschied-lichen Aussagen: So wird bemängelt, dass die Förderung zu Preiserhöhungen insbesondere bei Bauland geführt habe, ein Teil der Fördereffekte damit von den Bodenbesitzern ab-geschöpft worden sein könnte und die Förderung per saldo vor allem den wohlhabenderen Haushalte genutzt haben könnte (Färber 2003: 106). Andere Untersuchungen legen aber aufgrund von Nachfragestruktureffekten positive Ef-fekte auf das Wohnungsangebot, das Preisniveau im Miet-wohnungsmarkt und eine Verbesserung der Wohnungssitu-ation auch sozial schwacher Haushalte nahe (Voß 2001: 249ff.). Darüber hinaus haben vermutlich Familien in beson-derem Maße von der Eigenheimzulage profitiert (ARGEBAU 2002; Sigismund 2003: 2ff.).

Page 110: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

109

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Wohneigentumsförderung kann in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken. Wie in vielen anderen europä-ischen Ländern wurde die Wohneigentumsbildung in Deutschland bisher mit erheblichem öffentlichen Mittelein-satz gefördert. In Deutschland wurde mit der Abschaffung der Eigenheimzulage für Neufälle zu Jahresbeginn 2006 eine Zäsur vollzogen. In der Folge sind die Baugenehmi-gungen zunächst eingebrochen, dies kann aber durchaus noch mit Vorzieheffekten begründet werden. Erst langfristig wird sich zeigen, welche Effekte die neue Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der Riester-Rente haben wird. Das Instrument ist komplex konstruiert und stellt daher hohe Anforderungen an die Kompetenz der Nutzer und die Beratungsqualität der Finanzdienstleister.

Page 111: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

110

Nach ersten Zahlen – die ersten Wohn-Riester-Produkte wurden Anfang November 2008 zertifiziert – scheint das Produkt, seiner Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit zum Trotz, auf hohe Akzeptanz zu stoßen.8

8 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schätzt die bis zum Jahresende 2008 abgeschlossenen Wohn-Riester-Verträge auf 40.000 (BMAS 2009). Nach Branchenberichten sind im ersten Quartal 2009 wei-tere 60.000 Verträge hinzugekommen (Handelsblatt 2009).

Page 112: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

111

Literatur

Albers, Willi (1985), Förderung der Vermögensbildung. In: Ehrlicher, Werner/Simmert, Diethard B. (Hrsg.): Der volks-wirtschaftliche Sparprozeß. Berlin 1985, S. 513-531 (Bei-hefte zu Kredit und Kapital Heft 9).

Arbeitsgruppe „Wirkungsanalyse Eigenheimzulage“ des Ausschusses für Wohnungswesen der ARGEBAU (2002), Bericht zur Inanspruchnahme der Eigenheimzulage in den Jahren 1996–2000, Hrsg. BBR, Bonn 2002.

Bundesministerium der Finanzen (2007), Einundzwan-zigster Subventionsbericht. Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2005–2008. Down-load: www.bmf.bund.de (30.08.2009).

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2008), Riester-Rente trotzt Krise – über 2 Millionen Neuab-schlüsse in 2008 – BMAS. Pressemitteilung vom 09.03.2009.

Demary, Markus, Paul Gans, Rüdiger Meng, Ansgar Schmitz Veltin, Michael Voigtländer und Peter Wester-heide (2009), Wirtschaftsfaktor Immobilien. Die Immobilien-märkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Hrsg: Deut-scher Verband für Wohnungswesen Städtebau und Raumordnung e.V./Gesellschaft für Immobilienwirtschaft-

Page 113: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

112

liche Forschung e.V. (Hrsg.). Zeitschrift für Immobilienöko-nomie, Sonderausgabe 2009.

Empirica (1999), Vermögensbildung im Lebenszyklus. Stu-dien zur Wohnungs- und Vermögenspolitik. Hrsg.: Bundes-geschäftsstelle Landesbausparkassen, Bonn.

Empirica (2001), Vermögensbildung im Deutschland. Studi-en zur Wohnungs- und Vermögenspolitik. Hrsg.: Bundesge-schäftsstelle Landesbausparkassen, Bonn Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2003).

European Central Bank (ECB) (2009), Housing Finance in the Euro Area, Occasional Paper Series No. 101, März 2009. Download www.ecb.int/pub/pdf/scpops/ecbocp101.pdf (30.08.2009).

Färber, Gisela (2003), Wirkungen der Eigenheimzulage, Hrsg. Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen, ILS-Schriften Bd. 192, Dortmund.

Frerich, Johannes und Martin Frey (1993), Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Band 3: Sozial-politik in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Herstel-lung der Deutschen Einheit. Hannover/Bonn 1993.

Handelsblatt (2009), Deutsche entdecken Wohnriester. Handelsblatt Nr. 98 vom 25.09.2009, S. 34.

Page 114: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

113

Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen (2006), Kapi-tel Wirkungen auf die Wohungsmärkte, in: Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsfoschung Gmbh (ZEW), Institut für Sied-lungs- und Wohnungswesen, KPMG (2006): Immobilie als Altersvorsorge. Mannheim 2006 (unveröffentlichte Studie im Auftrag des BMVBS/BBR).

Knappe, Eckhard, Lothar Funk und Hans-Joachim Jobeli-us (1996), Soziale Ordnungspolitik als Leitbild einer Reform der sozialen Sicherung. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, H. 10 (1996), S. 503-509.

Kühne-Bühning, Lidwina, Volker Nordalm und Liselotte Steveling (2005), Grundlagen der Wohnungswirtschaft, 4. überarbeite und erweiterte Auflage, Hamburg 2005.

Miegel, Meinhard ([1987]), Wohlstand für alle! – Was wur-de erreicht? In: Ludwig-Erhard-Stiftung (Hrsg.): Vermögens-politik in der Sozialen Marktwirtschaft. Stuttgart/New York 1987.

Musgrave, Richard (1959), The Theory of Public Finance. A Study in Public Economy. New York/Toronto/London 1959.

Peffekoven, Rolf (1993), Finanzpolitik und breite Vermö-gensbildung. In: Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hrsg): Beteiligung am Produktiveigentum. Hannover/Bonn 1993, S. 305-319.

Page 115: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

114

Rotfuß, Waldemar und Peter Westerheide: Eine Analyse der Wohnungsbauprämienförderung aus empirischer Sicht. In: Kredit und Kapital (im Erscheinen).

Ruf, Thomas (1977), Zur Geschichte der Vermögenspolitik nach dem Krieg. In: Bartholomäi, Reinhart/Bodenbender, Wolfgang/Henkel, Hardo/Hüttel, Renate (Hrsg.): Sozialpoli-tik nach 1945. Geschichte und Analysen. Bonn-Bad Godes-berg 1977, S. 427-440.

Sigismund, Markus (2003), Wirkungsanalysen zur Eigen-heimzulage zielgenau?, in: vhw Forum Wohneigentum, Heft 1 (2003), S. 2-7.

Voigtländer, Michael (2006), Mietwohnungsmarkt und Wohneigentum: Zwei Seiten einer Medaille, Gutachten für den Verband deutscher Pfandbriefbanken, Institut der deut-schen Wirtschaft, November 2006, Köln.

Voß, Oliver (2001), Ein empirisches Simulationsmodell für die deutschen Wohnungsmärkte, Beiträge zur Raumplanung und zum Siedlungs- und Wohnungswesen, Band 199, Mün-ster 2001.

Westerheide, Peter (1999), Vermögenspolitik in der Sozi-alen Marktwirtschaft. Ziele und Wirkungsmöglichkeiten, Beiträge zur Raumplanung und zum Siedlungs- und Woh-nungswesen Bd. 185, Münster.

Page 116: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

115

Wolswijk, Gudio (2008), FISCAL ASPECTS OF HOUSING IN EUROPE. Working Paper. Download www.oenb.at/de/img/guidowolswijk_tcm14-89925.pdf (30.08.2009).

Page 117: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

116

Arnold Kling

Amerikas Subprimekrise1

Der Immobiliensektor spielt in der Geschichte der Vereini-gten Staaten seit jeher eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Die Regierung verfolgte dabei immer die politische Linie, den Eigenheimerwerb zu fördern und zu unterstützen. Die-ser Prozess ging einher mit einer Struktur, die durch Fremd-finanzierungen, spekulative Maßlosigkeit und finanzielle Eng-pässe geprägt war. Das jüngste dramatische Kapitel dieser Geschichte ist die 2007 ins Rollen gekommene Finanzkrise.

Bei Subprime-Hypotheken handelte es sich um Darlehen für Schuldner, die weder über die Fähigkeit noch die Erfahrung verfügten, mit den aufgenommenen Schulden angemessen umzugehen. Für viele dieser Darlehen mussten nur niedrige Anzahlungen geleistet werden. Die Darlehensnehmer spe-kulierten häufig auf steigende Hauspreise, um die erwor-bene Immobilie gewinnträchtig wieder verkaufen oder neue, auf gestiegenen Häuserwerten beruhende Darlehen auf-nehmen zu können.

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

Page 118: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

117

Das Risiko der Hypothekendarlehen wurde durch den Pro-zess der Verbriefung weiter erhöht, was Banken und ande-ren Finanzinstituten die Möglichkeit einer starken Hebelwir-kung eröffnete. Dies bedeutete das Eingehen von Risiken mit relativ wenig Kapital zum Schutz der eigenen Zahlungs-fähigkeit. Die Institute erfüllten dabei zwar die geltenden Vorschriften hinsichtlich ihrer Eigenkapitalausstattung, doch boten diese Vorschriften keinen ausreichenden Schutz für die Sicherheit und Unversehrtheit von Banken und anderen großen Finanzinstituten.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Situation in den USA. Die globale Dimension der Krise ist dabei jedoch nicht aus den Augen zu verlieren, denn unabhängig von den US-amerikanischen institutionellen Besonderheiten entstanden auch in Spanien, Großbritannien und anderen Ländern Im-mobilienblasen. Darüber hinaus standen amerikanische Mortgage Backed Securities – durch Hypotheken unterlegte Wert-papiere – weltweit hoch im Kurs, so dass der Zusammen-bruch auch Auswirkungen auf Bankensysteme in Europa und anderen Teilen der Welt hatte.

Der erste Teil dieses Beitrags bietet einen Überblick über den institutionellen Hintergrund und die Geschichte der Sub-primekrise. Im zweiten Teil wird der Begriff der Verbriefung erläutert und genauer beleuchtet, welche Rolle diesem Pro-zess in der Krise zukam. Teil drei befasst sich mit der Locke-rung der Vergabebedingungen für Kredite sowie mit der Im-mobilienblase. In Teil vier werden Missverständnisse und

Page 119: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

118

der Wissensabstand näher beleuchtet, der quantitative Risi-komodellierer von den verantwortlichen Führungskräften in den Unternehmen und den Regulierungsbehörden unter-schied, bevor abschließend ein Ausblick auf mögliche Sze-narien einer Reform der bestehenden Vorschriften skizziert wird.

1. Hintergrund

Die Institutionen und politischen Leitlinien des amerika-nischen Immobilienfinanzierungssystems bildeten sich im Zuge historischer Krisen und regulatorischer Eingriffe he-raus. Die Probleme von 2007 gingen zurück auf die Maß-nahmen, die als Lösung für die Savings-and-Loans-Krise der frü-hen 1980er Jahre ergriffen worden waren, die ihrerseits aus den Antworten auf die finanziellen Schwierigkeiten der Großen Depression entstanden war.

In den USA nahm die Große Depression 1930 ihren Anfang und endete nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rezession war dabei maßgeblich durch den Kollaps des Immobilienfi-nanzierungssystems bedingt, das zwei grundlegende Schwächen aufwies.

Eine der Schwächen des damaligen Systems war die Mög-lichkeit des Immobilienerwerbs auf Grundlage so genannter „Ballon“-Hypotheken. Die gesamte Tilgung dieser Hypothe-ken war zu dem vereinbarten Endtermin fällig, der für ge-wöhnlich auf fünf Jahre nach der Ausgabe datiert war. Die-

Page 120: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

119

ser Fünf-Jahres-Zeitraum war jedoch für die Darlehensnehmer nicht ausreichend, um genügend Gelder zusammenzutragen, um die „Ballon“-Zahlung leisten zu kön-nen, so dass das gesamte System allein davon abhing, ob der Darlehensnehmer bei Fälligkeit des Ausgangsdarlehens ein neues Darlehen erhalten würde.

Eine andere Schwäche bestand darin, dass die Banken, die Hypothekendarlehen ausgaben, selbst Vertrauenskrisen ausgesetzt waren. Bei ersten Zweifeln an der Integrität einer Bank zogen Anleger schnellstmöglich ihre Gelder aus einer solchen Bank zurück. Durch einen solchen Ansturm konnte eine Bank in den Ruin getrieben werden, wenn es ihr nicht gelang, all ihre ausstehenden Darlehen einzufordern, um der plötzlichen Nachfrage ihrer Anleger gerecht zu werden.

In den frühen 1930er Jahren machte ein Viertel aller ameri-kanischen Banken Bankrott, viele davon infolge solcher An-stürme. Dieser Umstand führte zu einer Austrocknung des Marktes für Hypothekendarlehen, so dass Darlehensneh-mer mit Ballon-Hypotheken keine neuen Darlehen aufneh-men konnten. Die Folge davon war eine Welle von Zahlungs-ausfällen und Zwangsversteigerungen.

Die Antwort der Politik des New Deal von Franklin Roosevelt auf diese Probleme sah zur Beruhigung der Anleger eine Einlagensicherung vor. Ziel dieser Einlagensicherung war es, Anstürme auf die Banken zu verhindern; ein Ziel, das auch nahezu vollständig erreicht werden konnte. Eine andere

Page 121: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

120

Maßnahme des New Deal bestand in der Förderung von Hy-potheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren, also Darlehen, zu deren Tilgung ein monatlicher Teil des Nominalwertes so-wie Zinsen bezahlt wurden, so dass der ausstehende Darle-hensbetrag bis zum festgelegten Endtermin schrittweise auf null sank und die Gefahr einer fällig werdenden „Ballon“-Zahlung ausgeschlossen war.

Zur Förderung dieser sichereren Hypothekenform wurde im Zuge des New Deal die Federal Housing Administration (FHA) ins Leben gerufen, deren Aufgabe die Besicherung von 30-Jah-res-Darlehen war, die für den erstmaligen Eigenheimerwerb bestimmt waren. Darüber hinaus wurde durch den New Deal die Federal National Mortgage Association (Fannie Mae) gegründet, um die Hypotheken der FHA und vergleichbare, von Darle-hensgebern an Eigenheimkäufer mit niedrigem Risikoprofil, die nicht für von der FHA subventionierte Darlehen infrage kamen, ausgegebene Darlehen aufzukaufen.

Hypothekendarlehen wurden nach dem zweiten Weltkrieg vorrangig von den als Sparkassen fungierenden so genann-ten Savings-and-Loans-Instituten (S&L-Instituten) vergeben. Die Einlagen in diese Institute, die Festhypotheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren ausgaben, waren durch die Einlagen-sicherung der Regierung geschützt. Diese Kombination ver-hinderte, dass sich ein mit der Großen Depression ver-gleichbarer Kollaps wiederholte, ebnete jedoch den Weg für einen finanziellen Kollaps anderer Art.

Page 122: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

121

In den 1970er Jahren kam es zu einem Anstieg von Inflation und Zinssätzen. Höhere Zinssätze senkten den Marktwert der ausstehenden Hypotheken der S&L-Institute, die in Zeiten geringer Inflation mit Zinssätzen 6% oder weniger ausgegeben worden waren. In den frühen 1980er Jahren erreichten die Hypothekenzinssätze im Zuge der strengeren Währungspolitik zur Senkung der Inflation Werte von 12%. Zudem schnellten die Zinsen für kurzfristige Darlehen in die Höhe, so dass die S&L-Institute entweder hohe Zinssätze bezahlen mussten, um an Geld zu kommen, oder Einlagen an Wettbewerber verloren.

Mitte der 1980er Jahre waren die meisten S&L-Institute in-solvent und die Einlagen wurden über die Einlagensicherung der Regierung zurückbezahlt. Zur Verwaltung der Vermö-genswerte der insolventen S&L-Institute wurde eine neue vorübergehende Agentur namens Resolution Trust Corporation gegründet. Die Gesamt-Nettokosten für die amerikanischen Steuerzahler werden auf etwa 150 Milliarden US-Dollar in dessen damaligem Wert geschätzt.

Die Diagnose der S&L-Krise konzentrierte sich auf drei Fak-toren: Ein kausaler Faktor war das von den S&L-Instituten bei der Ausgabe von durch kurzfristige Einlagen finanzierten langfristigen Hypotheken eingegangene Zinsänderungsrisi-ko. Das zweite Problem bestand darin, dass die S&L-Insti-tute ihre Rechnungslegung auf den Anschaffungskosten ba-sierten. Dadurch wurden die Schwierigkeiten, mit denen sie tatsächlich konfrontiert waren, verschleiert und die Auf-

Page 123: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

122

sichtsbehörden wurden daran gehindert, von den S&L-Insti-tuten rechtzeitig eine Kapitalerhöhung zu verlangen bzw. in-solvente Einrichtungen zu schließen. Im Rahmen der auf den Anschaffungskosten beruhenden Rechnungslegung wurden Hypotheken mit niedrigen Zinssätzen, deren Wert aufgrund von steigenden Marktzinssätzen gesunken war, zu ihrem ur-sprünglichen Wert verbucht. Durch dieses Vorgehen wur-den das ausgewiesene Kapital und der Nettowert der S&L-Institute zu hoch angesetzt. Der dritte Faktor betraf die Tatsache, dass es keine formellen Kapitalstandards mehr gab, so dass ein zu großer Teil des Risikos von den Steuer-zahlern und ein zu geringer Teil von den S&L-Instituten selbst getragen wurde.

Auf Grundlage dieser Diagnose wurde eine neue politische Marschroute eingeschlagen. Einlageninstitute wurden durch regulatorische Maßnahmen entmutigt, Zinsänderungsrisiken einzugehen. Stattdessen förderte die Politik die Verbriefung von Hypotheken (siehe Teil zwei dieses Beitrags), mit einem stetig wachsenden Anteil von Fannie Mae und der 1970 ge-gründeten Freddie Mac an der Vergabe von Hypothekendarle-hen. Die Rechnungslegung auf Grundlage der Anschaf-fungskosten wurde von der Rechnungslegung auf Grundlage des Marktwertes abgelöst. Schließlich wurden auf Grundla-ge der Basler Akkorde Eigenkapitalvorschriften erlassen, die eine Veränderung der Kapitalanforderungen von Banken je nach Risiko verschiedener Anlageklassen vorsahen.

Page 124: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

123

Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, wie all diese Maß-nahmen zur Beilegung der S&L-Krise zum Entstehen der Subprimekrise beitrugen. Der Verbriefungsprozess führte zu einer hohen Anzahl von Vermögenswerten, die durch un-solide Hypothekendarlehen unterlegt waren. Die Nachfrage nach diesen Vermögenswerten wurde durch risikobasierte Eigenkapitalvorschriften geschürt, wie der zweite Teil dieses Beitrags aufzeigen wird. Diese risikobasierten Eigenkapital-vorschriften und die Rechnungslegung auf Grundlage des Marktwertes griffen schließlich in einer Weise ineinander, die den Finanzzyklus verstärkte. Angesichts euphorischer Märkte und aufgeblähter Anlagewerte schien das Banken-kapital stark zu sein. Mit nachlassendem Vertrauen der Mär-kte mussten die Banken den Wert ihrer Anlagen jedoch nach unten korrigieren, was eine Schwächung ihrer Kapital-ausstattung, die Notwendigkeit, mehr Anlagen zu verkaufen und schließlich eine weitere Entwertung zur Folge hatte. Die se Abwärtsspirale war einer der Hauptgründe für die Un-zufriedenheit bei Bankern und Politikern.

2. Die Rolle der Hypothekenverbriefung

Verbriefte Hypothekendarlehen, die durch das Zusammen-legen Hunderter von Hypotheken entstehen, deren Rück-zahlungsbeträge an die Inhaber von Wertpapieren durchge-reicht werden, kam in der Subprimekrise eine besondere Rolle zu.

Page 125: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

124

Angenommen, die große Hypothekenbank Countrywide Fun-ding gibt in diesem Monat zweihundert Standard-Hypothe-kendarlehen mit einem durchschnittlichen Umfang von je-weils 300.000 US-Dollar aus, was einem Gesamtwert von 60 Millionen US-Dollar entspricht. Countrywide verkauft diese Darlehen an Freddie Mac, die ihrerseits ein durch die Hypothe-ken unterlegtes Wertpapier ausgibt. Anteile an diesem Wertpapier können daraufhin von Banken oder Pensions-fonds aufgekauft werden, die monatlichen Zahlungen der Schuldner werden direkt an die Banken und Pensionsfonds weitergeleitet.

Kommt ein Darlehensnehmer seinen Zahlungen für eine durch eine von Freddie Mac verbriefte Hypothek nicht nach, zieht Freddie Mac das Darlehen aus dem Wertpapier zurück und entrichtet den Tilgungsbetrag an die Wertpapierinhaber. Auf diese Weise bietet Freddie Mac eine Garantie gegen Hy-pothekenausfälle, die bei den Banken und Pensionsfonds wiederum Vertrauen in die Wertpapiere von Freddie Mac schafft. Um diese Garantie abzusichern, baut Freddie Mac wie eine Versicherungsgesellschaft Kapital und Verlustrückla-gen auf. Zudem waren die meisten Anleger – wie sich später herausstellte zu Recht – davon überzeugt, dass die US-Re-gierung nicht zulassen würde, dass Freddie Mac seinen Garan-tieversprechen nicht nachkommt.

Die Wall Street entwickelte im Verlaufe des letzten Jahr-zehnts eine Alternative zu den Garantien von Freddie Mac. Die von Unternehmen der Wall Street ausgegebenen Wertpa-

Page 126: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

125

piere wurden als so genannte Private-Label-Wertpapiere bekannt. Diese bieten einzelnen Wertpapierinhabern Schutz vor Hy-pothekenausfällen, während andere Wertpapierinhaber gleichzeitig höheren Risiken ausgesetzt werden. Dies ge-schieht durch die Unterteilung der Wertpapiere in Tranchen, wobei die Inhaber einzelner Tranchen sämtliche Verluste tra-gen, solange nicht mehr als beispielsweise 5% der Hypothe-ken ausfallen. Die Inhaber der übrigen Tranchen tragen folg-lich keinerlei Risiko, sofern die Ausfälle 5% nicht übersteigen.

In den USA gibt es eine Handvoll privater Firmen, die als Ratingagenturen bezeichnet werden. Diesen Ratingagen-turen kommt auf den Wertpapiermärkten traditionell eine bedeutende Rolle zu. Sobald ein Unternehmen eine Anleihe ausgibt, wird diese von einer solchen Ratingagentur bewer-tet. Die höchste Bewertung wird dabei mit AAA gekenn-zeichnet, was bedeutet, dass die Anleihe so gut wie kein Ausfallrisiko in sich birgt. AA, A, BBB usw. sind niedrigere Bewertungen bis hin zu einem B-Rating für Anleihen, die als hochriskant gelten.

Der Verkauf von durch Forderungen aus Hypothekendarle-hen unterlegten Wertpapieren, insbesondere der Tranchen aus Private-Label-Wertpapieren, setzt den Erhalt eines Ratings durch eine der genannten Agenturen voraus. Am be-gehrtesten ist dabei das AAA-Rating, da für mit AAA be-wertete Wertpapiere gemäß den Basler Eigenkapitalverein-barungen die geringsten Anforderungen für die Eigenkapitalbeschaffung gelten. Banken werden weltweit

Page 127: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

126

darin bestärkt, AAA-Wertpapiere zu halten. Für Wertpa-piere mit einem AAA-Rating ist nur die Hälfte des Kapitals erforderlich, das für ein als riskant eingestuftes Wertpapier vorgeschrieben ist, so dass die Bank durch das Halten von AAA-Wertpapieren anstelle von riskanteren Anlagen ihre Ei-genkapitalrendite effektiv verdoppelt.

Gibt eine Bank beispielsweise ein Hypothekendarlehen aus und belässt das Darlehen in ihrer Bilanz, kann dies mögli-cherweise dazu führen, dass sie dafür doppelt so viel Eigen-kapital benötigt, wie wenn sie dasselbe Darlehen als Teil eines mit AAA bewerteten und mit einer Hypothek unter-legten Wertpapiers hält. Die Basler Eigenkapitalvorschriften schufen so einen enormen Anreiz, Hypothekendarlehen in Wertpapiere einzubringen.

Um die Probleme verstehen zu können, die mit der Verbrie-fung einhergehen, versetze man sich in die Position eines Bankdirektors, der für den Erhalt von Hypothekendarlehen die Wahl zwischen einem direkten und einem indirekten Weg hat. Auf dem direkten Weg werden seine Darlehen durch sein eigenes Personal ausgegeben. Er erlässt Vor-schriften, Richtlinien und Verfahren zur Ausgabe von Darle-hen, entscheidet darüber, auf welchen Märkten Darlehen angeboten werden sollen und fokussiert sich dabei vermut-lich auf diejenigen Märkte, deren örtliche Begebenheiten ihm bekannt sind. Er stellt das für das Befolgen der internen Richtlinien erforderliche Personal ein und schult es. Die Ver-gütungspolitik sieht Anreize für die Mitarbeiter vor, be-

Page 128: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

127

stimmte Antragsteller in Übereinstimmung mit der Unter-nehmenspolitik zu akzeptieren oder abzulehnen. Nach erfolgter Ausgabe des Darlehens befolgen die Beschäf-tigten im Falle eines Zahlungsausfalls des Darlehensneh-mers die vorgesehenen Unternehmensrichtlinien, setzen sich mit dem Schuldner in Verbindung und lösen das Pro-blem.

Bei Beschreiten des indirekten Weges werden die Darlehen auf Grundlage von Richtlinien ausgegeben, die von Unbe-kannten aufgestellt werden. Die Darlehen können so aus Märkten stammen, mit denen der Bankdirektor nicht ver-traut ist. Die Initiatoren können auf Grundlage einer Provisi-on bezahlt werden, die sie nur bei Abschluss eines Darle-hensvertrags erhalten, nicht jedoch bei Ablehnung eines Antragstellers. Gerät das Darlehen in Schwierigkeiten, be-steht keine Möglichkeit, den Umgang mit dem Zahlungsaus-fall zu kontrollieren.

Kein vernünftiger Bankdirektor würde den indirekten Weg dem direkten Weg vorziehen. Im Wirtschaftsjargon gelten die „Agenturkosten“, die bei Beschreiten des indirekten Weges zu bezahlen sind, als unerschwinglich. Die indirekten Initiatoren handeln mit Blick auf Anreize, die den Interessen der Bank entgegengesetzt sind. Die Schieflage der Anreize zwischen der Bank und den für diese zur indirekten Vergabe tätigen Agenturen zwingt Banken dazu, zusätzliche Kosten für die Überwachung und Prüfung der Arbeit der Initiatoren aufzuwenden. Selbst bei gewissenhaftesten Bemühungen

Page 129: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

128

steht zu erwarten, dass der Bank dadurch, dass Initiatoren faule Kredite durch die Risse in den Überwachungssyste-men der Banken schleusen, höhere Verluste aus Zahlungs-ausfällen entstehen.

Es ist daher erstaunlich, dass 2008 nahezu drei Viertel der Hypothekenschulden in den USA in Anwendung der indi-rekten Methode entstanden. Um an diesen Punkt zu gelan-gen, war eine Kombination aus Einfallsreichtum der Wall-Street-Banken und Regelungslücken nötig.

Eine Verbriefung von Hypotheken wurde erstmals im Jahr 1968 durchgeführt, dem Jahr, in dem der unpopuläre Präsi-dent Lyndon B. Johnson einen unpopulären Krieg in Viet-nam führte. Den Kongress unter diesen Umständen darum bitten zu müssen, die Grenzen der Staatsverschuldung nach oben zu korrigieren, führte zu Reibungen und Verlegenheit in der Regierung. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Staats-verschuldung auch die von regierungseigenen Immobiliena-genturen beschafften Geldmittel. 1968 fand die Regierung zwei Möglichkeiten, diese Verschuldung aus ihren Büchern zu verbannen.

Die Federal National Mortgage Association, die 1938 gegründet worden war, um das Vakuum aufzufüllen, das nach den Bankpleiten entstanden war, basierte auf dem Erwerb von Immobiliendarlehen von unabhängigen Initiatoren, den so genannten Hypothekenbanken. Fannie Mae, wie die Federal Na-tional Mortgage Association später genannt wurde, agierte wie

Page 130: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

129

eine nationale Großbank und finanzierte US-weit Darlehen. Damals gab sie jedoch noch keine verbrieften Hypotheken-darlehen aus, sondern finanzierte ihre Vermögenswerte als Agentur der US-Regierung durch die Ausgabe von Anlei-hen. Um die Schulden von Fannie Mae aus ihren Büchern zu tilgen, privatisierte die Regierung Fannie Mae 1968 durch den Verkauf ihrer Anteile an Investoren. Die Regierung mag da-bei zwar ein implizites Versprechen abgegeben haben, eine Insolvenz von Fannie Mae nicht zuzulassen, doch tauchte dieses Versprechen in keiner Regierungsbilanz auf.

Nach dem Verkauf von Fannie Mae emittierte die Regierung weiterhin Schuldtitel zur Finanzierung von Hypotheken im Rahmen von Darlehensprogrammen der Federal Housing Admi-nistration (FHA) und der Veterans Administration (VA). Um diese Hypothekendarlehen aus ihren Büchern zu nehmen, gründe-te die Johnson-Regierung die Government National Mortgage As-sociation (GNMA), die von der FHA/VA besicherte Darlehen in Wertpapieren zusammenfasste und diese an Investoren verkaufte. Das bedeutete, dass die Regierung nicht länger eigene Anleihen ausgeben musste, um diese Hypotheken zu finanzieren. Die Regierung stand jedoch weiterhin für die Ausfallsicherheit der FHA/VA-Hypotheken ein.

Die Verbriefung von Hypotheken hatte immer schon zwei bedeutende Vorteile. Einer dieser Vorteile besteht darin, dass sie buchhalterische Möglichkeiten eröffnet, wie zum Beispiel die Streichung der Hypotheken aus den Regie-rungsbüchern und damit eine Senkung der offiziellen Staats-

Page 131: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

130

verschuldung. Ähnliche Buchhaltungstricks können bei allen größeren Verbriefungswellen beobachtet werden. Der an-dere große Vorteil einer Verbriefung ist, dass diese weniger regulierten Unternehmen die Möglichkeit bieten, schneller zu handeln als Einlageninstitute. Wenn der regulierte Ban-kensektor nicht in der Lage war, die Nachfrage nach Hypo-theken zu decken, trat die Verbriefung mit all ihren Vor- und Nachteilen ein und füllte die Lücke. Während Einlageninsti-tute (Banken und S&L-Institute) von den Regulierungsbe-hörden oder -agenturen in Washington strenger im Zaum gehalten wurden, konnten die Emittenten von durch Hypo-theken unterlegten Wertpapieren Kapital bereitstellen. Hät-te jedoch immer ein so genanntes Level Playing Field bestan-den, wäre ein solches Verbriefungsphänomen vermutlich nicht möglich gewesen. Die Agenturkosten hätten Verbrie-fungen ohne Ausgleich durch regulatorische Vorteile ins Aus katapultiert.

1970 wurden die S&L-Institute als die zur damaligen Zeit do-minierenden Hypothekenemittenten durch zahlreiche regu-latorische Vorschriften in ihrem Handeln eingeschränkt. Die von ihnen für Einlagen angebotenen Zinssätze wurden durch die Regierung im Rahmen der so genannten „Regulation Q“ nach oben begrenzt. Aufgrund der stetig wachsenden Infla-tion lagen die Kapitalmarktzinsen deutlich über den Ober-grenzen gemäß der Regulation Q, so dass das Geld der Spar-kassen bald knapp wurde. Kleinere, weniger regulierte Wettbewerber – Geldmarktfonds – schöpften Geld aus Pri-märeinlagen ab.

Page 132: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

131

Die Sparkassen in Kalifornien waren von der Kapitalver-knappung besonders betroffen. Zur damaligen Zeit konnten Einlageninstitute noch nicht über die Grenzen der einzelnen Bundesstaaten hinweg operieren, so dass die recht hohen Spareinlagen aus dem Osten der USA nicht in den Westen gelangen konnten.

Um das Ungleichgewicht zwischen den im Osten vorhan-denen Spareinlagen und der Hypothekennachfrage im We-sten zu kompensieren, gründete der Kongress Freddie Mac mit dem Ziel, einen nationalen „Sekundärmarkt“ für Hypo-theken zu schaffen. Freddie Mac wurde der Aufsicht der US-amerikanischen Bundesaufsichtsbehörde für das Bauspar-kassenwesen, dem Federal Home Loan Bank Board, unterstellt. Anders als die Sparkassen selbst hatte Freddie Mac die Mög-lichkeit, Gelder von einer Küste an die andere zu transferie-ren. So konnte Freddie Mac beispielsweise von einer Sparkas-se in Kalifornien ausgegebene Hypothekendarlehen in Wertpapieren bündeln und diese an eine in New York ansäs-sige Sparkasse verkaufen.

Mit dem Ziel einer effizienteren Gestaltung des sekundären Hypothekenmarktes sicherte Freddie Mac Wertpapierinhaber gegen Hypothekenausfälle ab. Wurden für ein Wertpapier von Freddie Mac keine Zahlungen mehr geleistet, sprang Freddie Mac ein, zog die Hypothek aus dem Fonds zurück und be-zahlte den Investoren die volle, für diese Hypothek fällige Tilgung aus. Anschließend versuchte Freddie Mac, so viel Geld

Page 133: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

132

wie möglich über die Zwangsversteigerung wieder hereinzu-holen.

In den 1970er Jahren handelten Fannie Mae und Freddie Mac unterschiedlich. Freddie Mac kaufte vornehmlich Darlehen von Sparkassen auf, brachte diese in Wertpapiere ein und verkaufte diese Wertpapiere an Investoren. Fannie Mae kaufte in erster Linie Darlehen von Hypothekenbanken auf und glie-derte diese in ihr durch Schulden finanziertes Portfolio ein. Fannie Mae ging damit neben einem Zinsänderungsrisiko auch ein Hypothekenkreditrisiko ein. In den 1980er Jahren entwi-ckelte Freddie Mac jedoch ein Programm, das Sparkassen die Möglichkeit eröffnete, Hypotheken, deren Wert aufgrund höherer Zinssätze nach der Darlehensvergabe gesunken war, gegen Wertpapiere einzutauschen, ohne einen Verlust zu verbuchen. Dieses Programm erwies sich als so einträg-lich, dass Fannie Mae, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ein vergleichbares Programm auflegte und damit selbst in das Wertpapiergeschäft einstieg.

1988 wurden die Anteile an Freddie Mac unter den Sparkas-sen aufgeteilt und 1989 an der New Yorker Börse der Öf-fentlichkeit zum Kauf angeboten, womit Freddie Mac ebenso wie Fannie Mae zwanzig Jahre zuvor privatisiert wurde. In ihrer neuen Form übernahm Freddie Mac von Fannie Mae die Strate-gie des Aufkaufs von Darlehen und verbrieften Hypotheken für ihr durch Schulden finanziertes Portfolio und setzte diese in immer größerem Umfang um. Bald waren beide Unter-

Page 134: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

133

nehmen im Verbriefungsgeschäft aktiv und hielten Portfo-lios.

2003 hielten Freddie Mac und Fannie Mae gemeinsam 50% der in den USA ausstehenden Hypothekenschulden. Die Einla-geninstitute konnten nicht länger mit den beiden als so ge-nannte Government Sponsored Enterprises (GSE) bekannten Unter-nehmen Schritt halten.

Einer der grundlegenden Wettbewerbsvorteile der GSE lag in den Kapitalanforderungen. Von Banken wird eine Eigen-kapitalquote von 8% bezogen auf ihre risikogewichteten Ak-tiva gefordert. 1989 verabschiedeten die USA die von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ausgearbeiteten Anforderungen, die aufgrund des Baseler Sitzes der BIZ un-ter dem Namen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) bekannt wurden. Gemäß Basel I liegt das Risikogewicht von Hypothekendarlehen bei 50%, woraus sich für Hypotheken-darlehen eine erforderliche Eigenkapitalquote von 4% er-gibt. Als Basel II weiter ausgearbeitete Kapitalanforderungen ermöglichen für risikoarme Hypotheken mit Anzahlungen von über 40% ein Risikogewicht von 20%, wohingegen das Risikogewicht von Darlehen mit Anzahlungen von 20 bis 40% bei 35% liegt.

Für Hypothekendarlehen mit Anzahlungen von 20% oder mehr gelten deutlich höhere Kapitalanforderungen als für Freddie Mac und Fannie Mae. Freddie Mac und Fannie Mae unterlie-gen anderen Vorschriften, die in der Praxis zu einer Eigenka-

Page 135: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

134

pitalquote von unter 3% führten, was deutlich unter der für Banken geltenden Eigenkapitalquote liegt.

Das Ergebnis der für risikobasiertes Kapital geltenden Vor-schriften war, dass Freddie Mac und Fannie Mae mit den von ih-nen ausgegebenen risikoarmen Hypotheken eine höhere Ei-genkapitalrendite erzielten als Banken. Das risikoarme Ende des Hypothekenmarktes verschob sich damit in Richtung auf die GSEs.

2004 entstand durch eine Reihe von Marktentwicklungen ein besonderes, durch niedrige Anzahlungen gekennzeich-netes Hypothekendarlehen, das von Hypothekenmaklern ausgegeben und von Unternehmen der Wall Street verbrieft wurde. Diese durch Hypotheken unterlegten Wertpapiere wurden zur Unterscheidung der von den GSEs ausgege-benen Wertpapiere als Private-Label-Wertpapiere bezeichnet.

Die Private-Label-Verbriefung zielte auf ein Marktsegment ab, das von den GSEs als zu riskant angesehen wurde. Dieses Segment richtete sich an Darlehensnehmer mit geringer Kreditwürdigkeit oder mit Einkommen, die in der Vergangen-heit als zu gering für die Vergabe eines Wohnimmobiliendar-lehens erachtet worden wären. Dieser so genannte Subpri-me-Markt wurde von der Private-Label-Verbriefung dominiert.

Eine der Entwicklungen, die zu diesem Phänomen der Pri-vate-Label-Verbriefung führte, war das als Credit Scoring bezeich-nete Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung. In den späten

Page 136: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

135

1990er Jahren hatte das Credit Scoring bei den GSEs die nicht automatisierte Vergabe von Darlehen abgelöst. Diese ko-stengünstige und hinreichend genaue Methode trug zudem zu einer Senkung der mit der indirekten Darlehensvergabe verbundenen Agenturkosten bei. Die objektive Berechnung von Credit Scores erfolgt durch unabhängige Spezialunterneh-men wie bspw. dem bekanntesten Anbieter Fair Isaac. Beden-ken, der Initiator könnte Makel in der Kredithistorie des Dar-lehensnehmers verschleiern, können auf diese Weise beseitigt werden.

Eine weitere Entwicklung war das so genannte Financial Engi-neering. Wir erinnern uns, dass die Basler Eigenkapitalvor-schriften eine Nachfrage nach Wertpapieren mit AAA-Ra-ting begründeten. Diese Nachfrage war nicht auf die USA begrenzt, sondern war weltweit zu beobachten. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, entwickelten die Finanzinge-nieure der Wall Street Techniken, um hochriskante Darlehen in AAA-Wertpapieren zu verbriefen.

Der Cash Flow aus einem Hypothekenfonds konnte so aufge-teilt werden, dass etwa die ersten 5% Hypothekenausfälle von den nachgeordneten Wertpapieren, den so genannten Junior Securities, getragen wurden und die mit besonderen Vor-rechten ausgestatteten Senior Securities von diesem Teil des Ausfallrisikos unberührt blieben. Die auf diese Weise iso-lierten Senior Securities konnten dadurch von den Agenturen ein AA- oder AAA-Rating erhalten, so dass diese Wertpapiere in institutionelle Portfolios aufgenommen werden konnten.

Page 137: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

136

Eine Bank konnte so beispielsweise ein AA-Wertpapier mit einem Risikogewicht von 20% halten.

Im Zentrum der Finanzkrise, die 2007 ihren Lauf nahm, stan-den Verluste bei Wertpapieren, die durch Hypotheken un-terlegt waren. Die meisten Verluste entstanden dabei durch Wertpapiere, die durch riskante Darlehen, die so genannten Subprime-Hypotheken, unterlegt waren. Dabei handelt es sich um Darlehen, die ohne Überprüfung der für die Rück-zahlung der Darlehen ausreichenden Einkommenssituation an Darlehensnehmer mit unzulänglichem Kreditmanagement vergeben wurden. Mit den weiter fallenden Preisen für Woh-nimmobilien in den Jahren 2007 und 2008 und der in eine Rezession abrutschenden Wirtschaft begannen jedoch auch Darlehen, die an verlässliche Darlehensnehmer verge-ben worden waren, hohe Ausfallraten aufzuweisen. Die Hy-pothekenausfälle betrafen besonders Institute mit einem großen Anteil an durch Hypotheken unterlegten Wertpapie-ren wie Bear Stearns, Lehman Brothers, Freddie Mac, Fannie Mae und die Citigroup. Darüber hinaus war auch der US-Versiche-rungskonzern AIG, der die Inhaber von verbrieften Hypothe-ken durch Credit Default Swaps versichert hatte, von den Pro-blemen im Zusammenhang mit diesen Wertpapieren betroffen. AIG war damit gewissermaßen Versicherer von durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren, so dass die Geschäftspartner von AIG angesichts der hohen Wertpa-pierausfallraten das Vertrauen in das Unternehmen verlo-ren. Ihre Nachfrage nach Sicherheiten zwang die Versiche-

Page 138: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

137

rungsgesellschaft, Hilfszahlungen von der US-Regierung in Anspruch zu nehmen.

Der Vorgang der Verbriefung trug dadurch vermutlich we-sentlich zum Entstehen und Platzen der Immobilienblase in den USA bei, da er in den Köpfen von Investoren und Auf-sichtsbehörden die Illusion schuf, die Unternehmen wären vor Hypothekenausfällen sicher, obwohl das System dieses Risiko weiter in sich barg und sich durch die Einbeziehung ungeeigneter Darlehensnehmer sogar ausweitete.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern auch ohne die beschriebenen Verbriefungen Immo-bilienblasen entstanden. Die Verbriefungen in den USA wa-ren es jedoch, die die komplexen Verbindungen zwischen den Finanzeinrichtungen schufen, die zu den so weit rei-chenden Folgen dieser Krise führten.

3. Die US-Immobilienblase und Subprime-Hypotheken

In den USA verstärkten sich der Verbriefungsprozess und die Immobilienblase gegenseitig. Mit den steigenden Haus-preisen sank die Anzahl der Hypothekenausfälle. Ein Darle-hensnehmer, der bei steigendem Wert seiner Immobilie nicht in der Lage ist, sein Hypothekendarlehen zurückzube-zahlen, nimmt entweder ein neues Darlehen auf oder ver-kauft sein Haus, um so von der Aufwertung zu profitieren,

Page 139: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

138

anstatt einen Kreditausfall und damit die Übernahme seiner Immobilie durch den Darlehensgeber in Kauf zu nehmen.

Die sinkende Anzahl an Hypothekenausfällen führte jedoch zu einer Lockerung der Vergabekriterien seitens der Darlehens-geber. Sie begannen, große Darlehensvolumina zu vergeben, bei denen es sich um so genannte Subprime-Hypotheken han-delte. Im Zuge dessen vergaben Darlehensgeber Darlehen an Antragsteller mit einer schlechten Kredithistorie und geringen Einkommen. Gängige Regel in den USA ist es eigentlich, dass Familien Häuser kaufen, deren Wert das Zwei- bis Dreifache ihres Jahreseinkommens nicht übersteigt. Auf dem Höhepunkt der Immobilienblase 2006 lag der durchschnittliche Hauspreis in einigen Bezirken Kaliforniens hingegen zehn Mal über dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen.

ExkursWas ist eine Subprime-Hypothek?

Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Subpri-me-Hypothek gibt es nicht. Einfach formuliert handelt es sich um ein Hypothekendarlehen, das mit höherem Risiko behaftet ist als erstklassige Darlehen.

Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen spricht man im anglophonen Sprachraum im Allgemeinen von den „drei C’s“:

– Collateral (Sicherheiten)

Page 140: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

139

– Capacity (Zahlungsfähigkeit)– Credit (Kreditwürdigkeit)

Das erste „C“ steht für „Collateral“ und bezeichnet den Wert der Immobilie, der hinter dem Darlehen steht. Bei einer Hypothek handelt es sich um ein durch eine Immobilie besi-chertes Darlehen. Hypothekendarlehen für den Immobilie-nerwerb sehen für gewöhnlich monatliche Zahlungen des Darlehensnehmers vor. Kommt der Darlehensnehmer sei-ner Zahlungsverpflichtung nicht fristgemäß nach, erhält er vom Darlehensgeber eine schriftliche Zahlungserinnerung. Bleibt der Darlehensnehmer mehr als drei monatliche Zah-lungen schuldig, leitet der Darlehensgeber normalerweise die Zwangsversteigerung ein. Bei einer Zwangsversteige-rung handelt es sich um ein gesetzliches geregeltes Verfah-ren zur Versteigerung der betreffenden Immobilie, deren Er-lös an den Darlehensgeber geht. Der Darlehensgeber kann dabei ein Gebot mindestens in der Höhe des ausstehenden Darlehensbetrages verlangen. Ergeht kein Gebot in dieser Höhe, geht die Immobilie in das Eigentum des Darlehensge-bers über. Der Darlehensgeber wird daraufhin versuchen, die ausstehenden Beträge soweit wie möglich durch die Sa-nierung und den Verkauf der Immobilie wieder zu erlangen.

Je höher die Anzahlung des Darlehensnehmers, desto bes-ser ist der Darlehensgeber gegen Verlust geschützt. Bei ei-ner Anzahlung in Höhe von $ 40.000 auf eine Immobilie mit einem Wert von $ 200.000, umfasst das Hypothekendarle-hen $160.000. Werden die Zahlungen eingestellt und die

Page 141: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

140

Zwangsversteigerung der Immobilie zugelassen, trägt der Darlehensgeber keinerlei Verlustrisiko, solange die Immobi-lie nach wie vor mindestens $ 160.000 wert ist. Hingegen ist es unwahrscheinlich, dass der Darlehensnehmer die Zwangsversteigerung seiner Immobilie zulassen wird, wenn sie noch beispielsweise $ 180.000 wert ist. Eine bessere Alternative für einen Darlehensnehmer, der seine Hypothe-kenzahlungen nicht mehr leisten kann, wäre es, die Immobi-lie zu verkaufen, den Darlehensgeber auszubezahlen und selbst nur $ 20.000 von den als Anzahlung geleisteten $ 40.000 zu verlieren.

Der Wert der Sicherheiten wird in einer Schätzung ermittelt. Hierzu wird die Immobilie von einem Gutachter in Augen-schein genommen und unter Bezugnahme auf den Wert an-derer Immobilien, die kürzlich in derselben Gegend verkauft wurden, bewertet. Der Darlehensgeber trägt ein gewisses Risiko, wenn der in dem Gutachten bestimmte Wert künst-lich in die Höhe getrieben wird. Bei Hypothekendarlehen für den Eigenheimerwerb sind diese Gutachten in der Regel verlässlich, sofern sich nicht mehrere der Beteiligten auf das Erzielen eines falschen Transaktionspreises verständigt ha-ben. Bei Refinanzierungen, für die der Darlehensnehmer ein neues Hypothekendarlehen aufnimmt, um ein altes abzube-zahlen, liegt hingegen keine Kauftransaktion vor, die als Be-zugspunkt für die Bewertung herangezogen werden könnte. Bei einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Betrag des Darlehens und dem geschätzten Wert ist die Sicherheit bei

Page 142: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

141

Refinanzierungstransaktionen mit einem größeren Risiko behaftet als bei Kauftransaktionen.

Das zweite „C“ steht für „Capacity“ und bezeichnet die Fä-higkeit des Darlehensnehmers, die monatlichen Zahlungen zur Tilgung des Hypothekendarlehens leisten zu können. Bei der Vergabe eines erstklassigen Darlehens (Prime Loan) ist der Darlehensgeber darauf bedacht, dieses an eine Person zu vergeben, die einer geregelten beruflichen Tätigkeit nach-geht, die ein ausreichend hohes Gehalt erzielt, damit die Til-gung des Darlehens für den Darlehensnehmer keine über-mäßige Last darstellt. Ist der Darlehensnehmer arbeitslos oder übt dieser eine Tätigkeit mit stark schwankendem Ein-kommen aus wie beispielsweise als Schauspieler oder freier Autor, prüft der Darlehensgeber, ob der Darlehensnehmer über ausreichende Vermögenswerte verfügt, um seiner Zahlungspflicht auch in Zeiten geringerer Einkünfte weiter-hin nachkommen zu können.

Bei erstklassigen Hypothekendarlehen werden die beruf-liche Tätigkeit, die Einkünfte und das vorhandene Vermögen des Darlehensnehmers durch Dritte wie etwa den Arbeitge-ber oder die Bank des Darlehensgebers beigebrachte Nach-weise überprüft. Bei zweitklassigen Darlehen (Subprime Loans) werden hingegen auch schwächere Nachweise akzeptiert. Den Extremfall stellen dabei so genannte NINJA-Darlehen („no verification of income, job or assets“) dar, bei deren Vergabe kei-ne Überprüfung des Einkommens, der beruflichen Tätigkeit oder der vorhandenen Vermögenswerte erfolgt. Ein anderer

Page 143: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

142

Begriff ist das so genannte „Stated-Income“-Darlehen, bei dem der Darlehensgeber den Angaben des Darlehensnehmers bezüglich der Haushaltseinkünfte ohne jegliche Überprü-fung Glauben schenkt. Diese Darlehen werden auch als „Liar Loans“ (Lügner-Darlehen) bezeichnet, da für den Darle-hensnehmer ohne Überprüfung kaum Veranlassung be-steht, die Wahrheit zu sagen. Für die meisten Darlehensneh-mer ist die Überprüfung ihres Einkommens, ihrer beruflichen Tätigkeit oder ihres Vermögens unnötiger Papierkram. An-dererseits lädt ein Unterlassen dieser formellen Überprü-fungen zu Missbrauch und falschen Angaben ein. Nahezu alle Darlehen mit unvollständiger Dokumentation gelten als zweitklassige Darlehen.

An dritter Stelle steht die Kreditwürdigkeit des Darlehens-nehmers („Credit“). In den USA gibt es privatwirtschaftliche Unternehmen („Credit Bureaus“), die überprüfen, wie es um die Zahlungsmoral einzelner Personen im Umgang mit ihren Kreditkarten, Hypothekendarlehen und Automobildarlehen bestellt ist. Diese Unternehmen geben auch Auskunft über mögliche Vorstrafen. Bewirbt sich eine Privatperson um ei-nen Kredit, einschließlich Hypothekendarlehen, ist der Dar-lehensgeber gesetzlich befugt, von diesen Kreditbüros be-stimmte Kreditauskünfte (so genannte „Credit Reports“) einzuholen.

Bis Mitte der 1990er Jahre wurde bei der Auswertung die-ser Credit Reports auf Einzelkreditprüfer zurückgegriffen. Seit-

Page 144: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

143

her hat sich die Praxis hin zu einem Punktesystem mit so genannten „Credit Scores“ verlagert. Dieses Punktesystem ba-siert auf einer statistischen Auswertung des Credit Reports. Während bei einer Auswertung durch Einzelkreditprüfer der Fokus einzig auf erkennbar nachteiligen Merkmalen eines Credit Reports wie ausstehenden Tilgungsraten lag, werden bei einer auf Credit Scores beruhenden Auswertung andere Fak-toren berücksichtigt. Einer dieser Faktoren ist die Inan-spruchnahme: Eine Person mit einer Kreditlinie von $ 20.000 und einem ausstehenden Saldo in Höhe von nur $ 1.000 weist eine geringe Inanspruchnahme und damit einen gün-stigen Credit Score auf. Ein ausstehender Saldo in Höhe von $ 18.000 weist hingegen auf eine starke Inanspruchnahme hin und führt zu einem nachteiligen Credit Score.

Einer der Indikatoren für ein zweitklassiges Darlehen ist ein relativ geringer Credit Score des Darlehensnehmers. Je nach angewandtem System kann somit ein Punktestand von 730 oder mehr als erstklassig, ein Punktestand von 690 oder weniger als zweitklassig betrachtet werden. Credit Scores zwi-schen 690 und 730 können je nach Vergabekriterien der unterschiedlichen Darlehensgeber sowohl als erst- als auch als zweitklassig behandelt werden.

Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen werden meist bei einem der beschriebenen drei „C‘s“ Abstriche gemacht. Stehen sowohl die Sicherheiten als auch die Zahlungsfähig-keit und die Kreditwürdigkeit auf einer sicheren Grundlage, so deutet dies auf ein erstklassiges Darlehen hin. Sind sta-

Page 145: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

144

bile Sicherheiten vorhanden und weisen die Zahlungsfähig-keit und die Kreditwürdigkeit hingegen Schwächen auf, so handelt es sich um ein zweitklassiges Darlehen, auch wenn das Risiko durch die Anzahlung des Darlehensnehmers ver-ringert wird.

Der Umgang mit erst- und zweitklassigen Darlehen hängt von den Kriterien der einzelnen Darlehensgeber ab. Manche Darlehensgeber lehnen die Vergabe von zweitklassigen Darlehen strikt ab. Andere vergeben zwar zweitklassige Darlehen, belegen diese jedoch mit einem sehr viel höheren Zinssatz, um das größere Risiko zu kompensieren. Viele Darlehensgeber verfügen über mehrere Risikokategorien und umfassende Regeln für die Einstufung der Darlehen in diese Kategorien und die Festlegung verschiedener Zinssät-ze für die einzelnen Kategorien.Exkurs Ende

Mit dem Wachsen der Immobilienblase tolerierten die Darle-hensgeber immer höhere Risiken. Eine vielfach genutzte Möglichkeit, die Vergabestandards zu lockern, bestand da-rin, geringere Anzahlungen zu verlangen. In den 1980er Jah-ren lag die Anzahlung für den Erwerb einer Standard-Wohn-immobilie bei 20% des Kaufpreises, die übrigen 80% wurden über ein Hypothekendarlehen finanziert. 2005 waren Anzah-lungen von nur 3% und Darlehen in Höhe von 97% des Häu-serwertes die Regel und manche Darlehensgeber vergaben Hypothekendarlehen ganz ohne Anzahlung. Einigen Hausei-gentümern wurden sogar Hypotheken von über 100% des

Page 146: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

145

Werts ihrer Immobilie zur Refinanzierung ihres Hauses an-geboten.

Durch diese Hypotheken mit niedrigen Anzahlungen wurde der Wohnungsmarkt destabilisiert. Leistet ein Käufer weni-ger als 5% des Kaufpreises als Anzahlung, stammt der Großteil der Eigenmittel des Käufers aus einer Hauspreis-steigerung. Das bedeutet, dass bei steigenden Häuserprei-sen so gut wie jeder in der Lage ist, ein Haus zu kaufen, da nur geringe bzw. gar keine Anzahlungen erforderlich sind. Andererseits ist bei sinkenden Häuserpreisen so gut wie niemand in der Lage, ein Haus zu kaufen, da die Darlehens-geber die mit Grenzkreditnehmern einhergehenden Risiken nicht länger tragen können.

Die Antwort auf steigende Häuserpreise waren ein Bau-boom und spekulative Häuserkäufe. Der Wirtschaftswis-senschaftler William Wheaton schätzt, dass die Baurate in dem Jahrzehnt des Booms die Rate der Haushaltsbildung um 6% überstieg. Experten der US-Notenbank fanden he-raus, dass der Anteil von Häuserhypotheken für nicht als Eigenheim genutzte Immobilien (also von Spekulanten ge-kaufte Immobilien) von weniger als 5% in den 1990er Jah-ren auf etwa 15% in den Jahren 2005 und 2006 anstieg.

Und auch der Eigenheimerwerb erfolgte oft in hochspekula-tiver Weise. Die Darlehensnehmer waren nicht in der Lage, ihre Hypothekenzahlungen abzuleisten. Stattdessen verlie-ßen sie sich darauf, dass sie ihre Hypotheken durch die Re-

Page 147: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

146

finanzierung über neue Darlehen würden abbezahlen kön-nen. Ziel dieser Strategie war es, die Vorteile aus steigenden Häuserpreisen dafür zu nutzen, andere Kreditgeber dazu zu bringen, Kapital für die Refinanzierung zur Verfügung zu stel-len.

Der Anstieg der Immobilienwerte sowie der ausstehenden Hypothekenschulden sind in Abbildung 1 am Ende dieses Beitrags dargestellt. Der inflationsbereinigte Gesamtwert der Wohnimmobilien in den USA verdreifachte sich von 1975 bis 2005, während sich der Umfang der ausstehenden Hypothekenschulden mehr als verfünffachte.

Diese übermäßige Bautätigkeit und spekulativen Exzesse machten den Markt für einen Zusammenbruch anfällig. Mit sinkenden Preisen schnellte die Anzahl der Ausfälle bei spe-kulativen Häuserkäufen und Käufen in die Höhe, die von Darlehensnehmern getätigt wurden, die nicht über das nöti-ge Einkommen verfügten, um ihre Hypothekenzahlungen ab-leisten zu können, und die stattdessen auf die Möglichkeit einer Refinanzierung gezählt hatten. Eine Refinanzierung schied angesichts sinkender Preise jedoch aus, so dass viele Darlehensnehmer plötzlich ihre Hypothekenzahlungen schuldig blieben. Dies wiederum führte dazu, dass das Ei-gentum an den Häusern auf die Darlehensgeber überging und die Preise weiter in die Tiefe gingen, als all diese Häuser zum Verkauf angeboten wurden. Die spekulative Spirale kehrte sich um.

Page 148: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

147

Angesichts der signifikanten Verluste, die Darlehensgeber und spekulative Darlehensnehmer erlitten haben, ist die Stimmung auf dem US-amerikanischen Wohnungsmarkt äu-ßerst zurückhaltend. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bevor Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht kommen.

4. „Suits“ vs. „Geeks“

Ein Merkmal der Verbriefung von Hypotheken war die Kom-plexität des Prozesses. Eine genaue Beschreibung der ver-schlungenen Wege, auf denen die Wall Street durch Hypo-theken unterlegte Wertpapiere strukturierte, um dadurch die Anzahl der Wertpapiere mit AAA-Rating zu maximieren, würde den Rahmen dieses Beitrags übersteigen. Allein maßgeblich ist, dass strukturierte Finanzierungen eine aus-geklügelte Modellierung voraussetzten, für welche kom-plexe computerbasierte Simulationen statistischer Szenari-en erforderlich waren.

Unternehmen, die mit durch Hypotheken unterlegten Wert-papieren handelten, insbesondere die Unternehmen der Wall Street, die diese entwickelt hatten, beschäftigten junge Analysten mit mathematischem und physikalischem Hinter-grund für die komplexen Analysen, die erforderlich waren, um die Wertpapierstrukturen zu entwerfen. Diese Mitarbei-ter wurden als „Quantitative Analysten“ oder „Finanzingeni-eure“ bezeichnet. Ich bevorzuge hingegen den Begriff „Geeks“, der im amerikanischen Englisch umgangssprachlich

Page 149: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

148

junge Männer bezeichnet, die über besondere Fähigkeiten im Umgang mit Computern, jedoch eine eher schwache so-ziale Kompetenz verfügen.

In großen Unternehmen bezeichnen diese Geeks ihre Vorge-setzten als „Suits“. Diese sind für gewöhnlich sozial ge-wandter und legen im Gegensatz zu den Geeks, die lieber in Jeans zur Arbeit erscheinen, meist besonderen Wert auf ihre maßgeschneiderten Anzüge.

Eines der Hauptprobleme des Hypothekenverbriefungs-marktes bestand darin, dass zwischen den Suits und den Geeks eine Kommunikationslücke aufklaffte. Die Suits waren nicht in der Lage, die von den Geeks angewendeten komple-xen technischen Prozesse zu verstehen. Die Geeks ihrerseits waren entweder nicht willens oder nicht fähig, die Grenzen und Risiken ihrer Simulationsanalysen klar verständlich zu kommunizieren.

Aufgrund dieser mangelnden Kommunikation gingen ein großer Teil der Führungskräfte der wichtigsten Finanzunter-nehmen davon aus, dass ihre Unternehmen besser dastan-den, als dies tatsächlich der Fall war, und dachten, die Ge-fahr umfangreicher Verluste läge in weiter Ferne. Tatsächlich war die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignisse eintraten, die hohe Verluste auslösen konnten, deutlich höher, als die Suits annahmen.

Page 150: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

149

In manchen Fällen reichten selbst ausdrückliche Warnungen nicht aus, die Führungsriege zu überzeugen. Sowohl bei Freddie Mac als auch bei Fannie Mae hatten erfahrene Risikoa-nalysten davor gewarnt, dass zu lockere Vergabestandards ein erhebliches Risiko in sich bargen. Diese Warnungen wurden von Top-Führungskräften ignoriert.

Im September 2008 entwarf die Politik kurzfristig einen Vor-schlag für den Aufkauf von „toxischen Vermögenswerten“ – das heißt von durch Hypotheken unterlegten Wertpapie-ren mit schwer zu bestimmendem Wert – durch die US-Re-gierung. Ihre Hoffnung gründete sich darauf, den Wert die-ser Wertpapiere zu steigern und es dadurch einfacher zu ermöglichen, diese zu handeln und zu halten. Viele Geeks warnten die Regierung, dass diese nicht in der Lage sein würde, den Wert dieser Wertpapiere zu bestimmen; der ur-sprünglich von US-Finanzminister Henry Paulson vorgelegte und vom Kongress hastig verabschiedete Plan wurde aufge-geben, bevor überhaupt der Versuch unternommen worden war, „toxische Wertpapiere“ aufzukaufen. Dieser Misser-folg verdeutlicht einmal mehr die Kluft zwischen Suits und Geeks.

5. Schlussfolgerung

Die Krise am Subprime-Markt legte eine Reihe von Schwä-chen des US-amerikanischen Finanzsystems offen. Einige der Probleme spiegelten seit langem bestehende Mängel in der Wohnungspolitik wider. Die meisten Politiker erwarten

Page 151: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

150

jedoch keine Wiederholung der Immobilienblase in näherer Zukunft. Stattdessen sind sie darüber beunruhigt, wie die Probleme bei der Vergabe von Hypothekendarlehen inner-halb des Finanzsystems verstärkt wurden. Die starke Ver-wundbarkeit so vieler großer Unternehmen der Immobilien-branche hatten sie nicht vorhergesehen und das Ziel ihrer Bemühungen besteht nunmehr darin, weitere Überra-schungen durch die Anhäufung so vieler systemischer Ri-siken zu vermeiden.

Eine Darstellung der Vorschläge dazu, wie mit diesen syste-mischen Risiken umgegangen werden könnte, würde den Rahmen dieses Beitrages übersteigen. Stattdessen möchte ich mich auf mögliche Änderungen der Wohnungsmarktpoli-tik konzentrieren, auch wenn solche Änderungen in den USA derzeit keine allzu große Priorität zu haben scheinen.

Die Regierung verfolgt traditionell die politische Linie, den Erwerb von Wohneigentum zu fördern und zu unterstützen. Politiker blicken auf die Wohneigentumsrate als Erfolgsindi-kator für ihre Wirtschaftspolitik. Für die Bush-Administration war es Anlass zu Stolz, dass die Wohneigentumsrate wäh-rend Bushs Präsidentschaft von etwa 65% auf einen Eigen-heimanteil der US-Haushalte von rekordverdächtigen 69% anstieg.

Rückblickend scheint es so, als wäre das Wohneigentum zu stark forciert worden, da zu viele Menschen Häuser kauf-ten, die sie sich nicht leisten konnten. Viele Experten schla-

Page 152: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

151

gen vor, dass Darlehensgeber von Hypothekendarlehen die Darlehensnehmer genauer betrachten, um sicherzustellen, dass diese sich die Häuser, die sie kaufen, auch leisten kön-nen.

Diese Bedenken hinsichtlich der Eignung von Darlehens-nehmern ist relativ neu. Vor der Subprimekrise wurden Dar-lehensgeber von Kongressmitgliedern vielmehr gescholten, nicht genügend Hypothekenkapital für das „unterversorgte“ Wohnungsmarktsegment bereit zu stellen. Darlehensgeber wurden unter Druck gesetzt, größere Anstrengungen hin-sichtlich einer Ausweitung der Darlehensvergabe an Min-derheiten und Familien mit geringeren Einkommen für den erstmaligen Eigenheimerwerb zu unternehmen. Dieser auf Freddie Mac, Fannie Mae und den Banken lastende Druck äu-ßerte sich in Form von „Zielvorgaben für den erschwing-lichen Erwerb von Wohneigentum“, wobei es sich um Ziel-vorgaben für die Vergabe von Darlehen an unterversorgte Märkte handelte, die von den genannten Unternehmen er-reicht werden sollten. Unklar ist jedoch, wie der Druck, die-se Märkte zu bedienen, in Zukunft mit den neuen Bedenken in Einklang gebracht werden soll, dass Antragsteller keine Darlehen erhalten sollten, die ihre Finanzen über die Maßen strapazieren.

Ein weiteres Merkmal der US-amerikanischen Wohnungs-politik ist, dass sie die Verschuldung durch Hypotheken för-dert. Amerikaner haben die Möglichkeit, die zur Tilgung der Zinsen eines Hypothekendarlehens geleisteten Zahlungen

Page 153: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

152

steuerwirksam von ihrem Einkommen abzuziehen. Dies schafft Anreize dafür, das Eigenheim im Wege der Verschul-dung zu finanzieren, anstatt Geld für eine Anzahlung zu spa-ren. Zudem wird der Erwerb von Wohneigentum durch eine Reihe anderer Regierungsstrategien und Institutionen, die den Hauskauf dadurch unterstützen, dass sie Hypotheken-darlehen mit niedrigen Zinssätzen bereitstellen, subventio-niert (FHA, Fannie Mae, Freddie Mac usw.).

Wie sinnvoll diese Politik der Förderung von Hypotheken-darlehen tatsächlich ist, sei dahingestellt. Fest steht, dass die Wohnungsmärkte stabiler wären, wenn die Regierung den Eigenheimerwerb auf Grundlage höherer Anzahlungen anstelle höherer Hypotheken fördern würde. Doch die Poli-tik der Förderung der Hypothekenzinsraten ist fest im poli-tischen System der USA verankert und bislang liegen keine Vorschläge vor, dies zu ändern.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Gesetzgeber trotz der Erfahrungen mit den auf Immobiliengeschäften beru-henden Finanzkrisen der 1930er, 1980er und der ver-gangenen Jahre weiterhin eine Politik aufrechterhalten möchte, die den Hauskauf über regierungsgeförderte Hypo-thekendarlehen unterstützt. Die Reformvorschläge bezie-hen sich bislang allgemein auf die Regulierung der Finanz-märkte und systemische Risiken, ohne dabei jedoch die Politik der Immobilienfinanzierung einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen.

Page 154: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

153

Schließlich muss auch das Versagen der Vorschriften der Basler Eigenkapitalvereinbarungen hinsichtlich des risikoba-sierten Kapitals näher untersucht werden.

Die Aufsichtsbehörden werden den Fehler, es Banken zu ge-statten, Kapitalanforderungen zu umgehen und von den Ra-tingagenturen ein AAA-Rating für riskante Darlehenportfolios zu erhalten, wohl nicht noch ein-mal machen. Doch auch wenn diese einzelne Lücke in der Auf-sichtsstruktur geschlossen wird, sollte man sich immer der Tatsa-che bewusst sein, dass Banken aufgrund ihres ureigenen Ziels der Steigerung ihrer Eigenkapi-talrendite in Zukunft neue Lü-cken finden könnten. Es stellt sich daher grundlegend die Fra-ge, ob es angesichts finanzieller Innovationen und stetiger Be-strebungen des Privatsektors, die Grenzen der Vorschriften auszutesten, überhaupt möglich ist, einen stabilen regulato-rischen Rahmen zu schaffen.

Page 155: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

154

Michael Voigtländer

Die Privatisierung kommunalen Wohneigentums

1. Einleitung

Wer in Deutschland eine Wohnung mieten möchte, ist es gewohnt auf private Vermieter zu treffen. Hierzulande gibt es rund 24 Millionen Mietwohnungen, 90% davon werden von privaten Vermietern angeboten. Diese bieten von der Luxuswohnung bis zur einfach ausgestatteten Wohnung in der Plattenbausiedlung alle Wohnungstypen an. Auch Sozi-alwohnungen gehören dazu, also öffentlich geförderte Ob-jekte, die nur an bestimmte Haushalte und nach festgelegten Mietgrenzen vermietet werden dürfen. Der gut funktionie-rende private Mietwohnungsmarkt hebt Deutschland inter-national ab und kann als eine besondere Stärke des Woh-nungsmarktes angesehen werden (Voigtländer 2009). Andere Länder, wie Spanien oder Großbritannien, verfügen dagegen nur über einen sehr begrenzten Mietwohnungs-markt, weil die Regierungen in der Vergangenheit den Markt durch exzessive Interventionen, vor allem hinsichtlich der

Page 156: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

155

Mietanpassungen, für Investoren unattraktiv gemacht ha-ben.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Verkauf öffentlichen Wohneigentums naheliegend. Schließlich stellt es ein Gebot der marktwirtschaftlichen Ordnung dar, dass der Staat nur dort unternehmerisch tätig wird, wo der Markt kein Angebot schaffen kann. Die Vermietung durch private Investoren ist offensichtlich eine bewährte und erprobte Praxis. Nichtsde-stotrotz stellt die Privatisierung öffentlicher Wohnungen und Wohnungsgesellschaften ein Politikum dar. Mehrere Privati-sierungen, wie etwa in Freiburg oder Schwerin, sind an dem massiven Protest von Bürgerbewegungen gescheitert. In Berlin haben die politischen Vorbehalte gegenüber Privati-sierungen dazu geführt, dass Real Estate Investment Trusts – das sind Immobilienaktien nach internationalem Standard – nicht in Wohnungen investieren dürfen.

Im Folgenden werden daher die wesentlichen Vorteile der Privatisierung aufgezeigt. Dabei wird auch auf die Argu-mente der Gegner eingegangen, die vor allem eine gerin-gere soziale Absicherung und überhöhte Mietforderungen befürchten. Außerdem werden die Erfahrungen Dresdens vorgestellt, die bislang einzige deutsche Großstadt, die ih-ren Wohnungsbestand vollständig verkauft hat. Weiterhin werden Privatisierungsstrategien diskutiert und ein Ausblick gegeben. Infolge der Finanzkrise ist das Interesse an öffent-lichen Wohnungen eingebrochen, jedoch ist zu erwarten, dass sich Investoren wieder in diesem Segment engagieren

Page 157: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

156

wollen, da der deutsche Wohnungsmarkt als sehr stabil gilt. Als erstes folgt jedoch eine Darstellung des öffentlichen Wohnungsmarktes in Deutschland.

2. Öffentliche Wohnungen in Deutschland

Die meisten öffentlichen Wohnungsgesellschaften in West-deutschland entstanden in der Zeit nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg (Peters 1984). Die Wohnungsnot nach den Weltkriegen war besonders groß, so dass sich der Staat für ein umfangreiches Engagement in der Wohnungs-wirtschaft entschied. Da die Kapitalmärkte in dieser Zeit wenig funktionstüchtig waren und kaum privates Kapital zur Verfügung stand, sah man nur wenig Alternativen zu dem öffentlichen Unternehmertum. Mit dem sozialen Wohnungs-bau wurde jedoch alsbald ein Programm aufgelegt, das auch die privaten Unternehmen einbezog. Hierdurch stand automatisch nach der Mietbindungsdauer ein rein privates Angebot zur Verfügung – ein Schlüssel zur Erklärung des gut aufgestellten Mietwohnungsmarktes in Deutschland.

Im Osten Deutschlands entstanden die kommunalen Woh-nungsgesellschaften hingegen im Zuge des Transformati-onsprozesses. Etwa 57% der Mietwohnungen in der DDR waren in Staatsbesitz. Sofern die ursprünglichen Eigentums-verhältnisse nicht geklärt werden konnten, gingen diese Wohnungen an die jeweiligen Städte und Gemeinden über, denen jedoch das Altschuldenhilfe-Gesetz die schrittweise Teilprivatisierung auferlegte.

Page 158: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

157

Abbildung 1 zeigt die Eigentümerstruktur des deutschen Wohnungsmarktes im Jahr 2006. Knapp 16 Millionen Woh-nungen befinden sich in der Hand von Selbstnutzern, wei-tere 14,5 Millionen Wohnungen werden von privaten Klein-vermietern bewirtschaftet. Nur 9,15 Millionen Wohnungen werden von größeren Wohnungsgesellschaften vermietet, zu denen auch öffentliche Wohnungsgesellschaften zählen. Insbesondere innerhalb des Segments der professionell ge-werblichen Vermieter gab es in den letzten zehn Jahren Ver-schiebungen. So reduzierte sich der Bestand an öffentlichen Wohnungen zwischen 1999 und 2006 um knapp 600.000 Wohnungen (Veser et al. 2007). Nach Angaben des Bun-desamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR 2008)

Page 159: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

158

verkauften der Bund und die Länder zwischen 2006 und 2008 noch einmal 142.000 Wohnungen. Der Gesamtbe-stand der öffentlichen Hand hat sich hierdurch jedoch kaum verändert, da es auch Zukäufe gab. Gekauft wurden die Wohnungen vor allem von ausländischen Beteiligungsge-sellschaften, die erstens auf steigende Preise setzten und zweitens Effizienzpotenziale in der Bewirtschaftung heben wollten. Trotz der Bestandsreduzierungen verfügt die öffent-liche Hand noch über 2,3 Millionen Wohnungen. Der Groß-teil von 2,1 Millionen Wohnungen entfällt dabei auf die Kom-munen, der Rest verteilt sich auf Bund und Länder. Etwa 1,1 Millionen Wohnungen finden sich in Hand ostdeutscher Kommunen.

Zwischen 1999 und 2008 wurden für die öffentlichen Woh-nungen durchschnittlich 44.000 Euro pro Wohnung gezahlt. Auf Basis dieser Verkäufe kann der Wert des öffentlichen Wohneigentums grob auf 101 Milliarden Euro geschätzt werden.

3. Argumente für den Verkauf öffentlicher Wohnungen

Nach diesem kurzen Überblick über den Markt für öffent-liche Wohnungen in Deutschland wird nun erläutert, warum eine Privatisierung des Bestandes – angemessene Preise vorausgesetzt – geboten ist. Dabei ist die Argumentation so aufgebaut, dass auch die Argumente der Privatisierungs-gegner diskutiert werden. Neben den grundsätzlichen Pro-

Page 160: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

159

blemen von öffentlichen Unternehmen in der Wettbewerbs-ordnung wird dargestellt, dass öffentliche Wohnungsgesellschaften mit Risiken für Steuerzahler ver-sehen sind und dass öffentliche Wohnungen ein ungeeig-netes Umverteilungsinstrument sind. Schließlich zeigt die Analyse auch, dass öffentliche Unternehmen privates sozi-ales Engagement verdrängen.

Öffentliche Unternehmen – ein Widerspruch zur Wettbewerbsordnung

Öffentliche Unternehmen haben – nicht nur im Wohnungs-sektor – eine lange Tradition. Schon die mittelalterlichen Herrscher erzielten einen Großteil ihrer Einnahmen über ei-gene Unternehmen, wobei sie sich oftmals über staatliche Monopole eine komfortable Wettbewerbssituation gesi-chert hatten. Beispiele hierfür sind etwa die Salzgewinnung oder auch die Postdienstleistungen.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Monopol-Erfahrungen stehen öf-fentliche Unternehmen in einem freiheitlichen Gesellschafts-system unter besonderer Beobachtung. Generell gilt, dass es zwischen dem Staat und den Unternehmen eine Arbeitstei-lung gibt. Der Staat gibt den Ordnungsrahmen vor, innerhalb dessen Haushalte und Unternehmen agieren und ihre Ziele verfolgen. Als Anbieter tritt der Staat nur bei der Herstellung öffentlicher Güter auf, bei denen gemäß Definition keine pri-vate Bereitstellung erwartet werden kann. Tritt er als Anbieter privater Güter auf, folgen unweigerlich Interessenskonflikte.

Page 161: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

160

Schließlich nimmt der Staat als Unternehmer sowohl die Rolle des Schiedsrichters ein, der die gesellschaftlichen Regeln überwacht, als auch diejenige des Spielers, der unter den ge-gebenen Umständen den größtmöglichen Gewinn erzielen möchte (Brennan und Buchanan 1993). Es besteht daher la-tent die Gefahr, dass die öffentlichen Unternehmen Vorteile zulasten der Konkurrenz ausspielen. Allerdings ist ein anderer Fall wahrscheinlicher und auch häufiger belegt. Da die öffent-lichen Unternehmen von ihren Eigentümern, den Bürgern, nur unzureichend kontrolliert werden können, bestehen für sie we-niger Anreize wirtschaftlich zu arbeiten. Ähnlich wie Bürokra-tien wachsen daher auch öffentliche Unternehmen über das effiziente Maß hinaus und neigen zur Ressourcenverschwen-dung (Niskanen 1971). Bekannt ist auch, dass bei der Beset-zung der Unternehmensführung bisweilen politische vor wirt-schaftlichen Erwägungen stehen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes summierten sich die Verluste öf-fentlicher Wohnungsunternehmen zwischen 2000 und 2005 auf 3,3 Milliarden Euro (Abbildung 2). Aktuellere Ergebnisse liegen leider nicht vor. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gesellschaften andere Bereiche quersubventionieren und da-her so schlechte Ergebnisse ausweisen. Für die politischen Entscheidungsträger besteht schließlich der Anreiz, die öffent-lichen Unternehmen für eigene Zwecke einzusetzen. So wer-den gegebenenfalls über die Unternehmen Projekte finanziert, die über den Haushaltsprozess nur schwer durchgesetzt wer-den können. Doch auch bei Betrachtung der Jahresergeb-nisse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ergibt sich ein Fehlbetrag von 1,5 Milliarden Euro. Die öffentlichen Haushalte

Page 162: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

161

bzw. die Steuerzahler werden daher mit dem öffentlichen En-gagement im Wohnungssektor belastet.

Aus diesen Überlegungen folgt, dass es einer guten Be-gründung für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunter-nehmen bedarf. Nur wenn öffentliche Wohnungsunterneh-men zur Beseitigung von Marktunvollkommenheiten benötigt werden oder aber sie als besonders effiziente Instrumente zur Erfüllung der sozialpolitischen Ziele gewertet werden, lässt sich die Fortführung der Unternehmen trotz marktge-rechter Angebote von privater Seite legitimieren. Entgegen der öffentlichen Diskussion muss aus ökonomischer Sicht die Beweislast also umgedreht werden: Es bedarf keiner Ar-

Page 163: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

162

gumente für den Verkauf, sondern überzeugender Argu-mente, warum nicht verkauft werden sollte.

Sozialpolitik ohne öffentliche Wohnungen

Mit der Gründung der meisten öffentlichen Wohnungsge-sellschaften wurden soziale Ziele verfolgt. Schließlich sollten in Zeiten der Wohnungsnot bedürftige Haushalte mit bezahl-barem Wohnraum versorgt werden. Diese Zielsetzung wur-de auch steuerlich unterstützt, indem den Gesellschaften der Status der Gemeinnützigkeit zugestanden wurde. Dem-nach waren sie von der Besteuerung ausgeschlossen, so-lange sie nur eine moderate Rendite erzielten und sich ihr Angebot vornehmlich an niedrige und mittlere Einkommens-klassen richtete. Im Jahr 1990 wurde die Gemeinnützigkeit der öffentlichen Wohnungsgesellschaften jedoch abge-schafft. Seitdem sind die öffentlichen Wohnungsgesell-schaften in ihrer Zielsetzung frei und bestimmen ihre Mie-tenpolitik im Rahmen der gesetzlichen Regelungen selbst. Wie eine Umfrage unter kommunalen Wohnungsgesell-schaften zeigt, vermieteten etwa 43% der Gesellschaften im Jahr 2006 zu den gleichen Konditionen wie die privaten Anbieter (PWC 2006). Die Unterstützung sozial schwä-cherer Haushalte mit verbilligtem Wohnraum ist unter den kommunalen Wohnungsgesellschaften demnach längst kei-ne Selbstverständlichkeit mehr.

Unter Effizienzgesichtspunkten ist dies ausdrücklich zu be-grüßen. Eine Subvention über verringerte Mieten weist

Page 164: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

163

schließlich die typischen Nachteile eines gebundenen Trans-fers auf. Bei freier Verfügung über die Subvention können die Haushalte regelmäßig ein höheres Nutzenniveau erzie-len, weil ihre Nachfrageentscheidung nicht zugunsten eines bestimmten Gutes verzerrt wird. Vor allem zeigt jedoch das Beispiel des sozialen Wohnungsbaus, dass subventionierte Mieten eine sehr geringe Treffsicherheit aufweisen. Die Fehlbelegungsquote im sozialen Wohnungsbau wird auf 40 bis 50% geschätzt (Kirchner 2006). Dabei ist zu berücksich-tigen, dass etwa ein Viertel aller Mieterhaushalte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat, also das Bedürf-tigkeitskriterium sehr weit gefasst wurde. Durch Wohngeld-zahlungen oder die Übernahme von Unterhaltskosten im Rahmen der sozialen Grundsicherung kann den Haushalten wesentlich zielgenauer geholfen werden, weil die Bedürftig-keit regelmäßig überprüft wird. Alle Versuche, die mangeln-de Treffsicherheit des sozialen Wohnungsbaus über eine Fehlbelegungsabgabe zu kompensieren, sind bislang fehlge-schlagen, weil es neben Verwaltungsproblemen vor allem an dem politischen Willen mangelt, einmal gewährte Vorteile wieder abzuschöpfen.

Aus theoretischer Sicht könnte die Bereitstellung verbilligter Wohnungen nur dann überzeugen, wenn hiermit ein Informa-tionsproblem gelöst werden soll. Bei Transfers kann die Lei-stungsbereitschaft der Empfänger oft nur unzureichend ge-prüft werden. So ist es für die Sozialämter beispielsweise nicht ohne weiteres feststellbar, ob ein Transferempfänger das gebotene Engagement zeigt, um seine Hilfsbedürftig-

Page 165: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

164

keit zu überwinden. Sofern nun die verbilligten Wohnungen in einer Qualität angeboten werden, bei der nur Haushalte mit einer tatsächlichen Bedürftigkeit eine Nachfrage entfal-ten, könnten Fehlanreize aufseiten der Empfänger gemin-dert werden. In der Diskussion um öffentliche Wohnungen wird jedoch der Verkauf der Wohnungen gerade mit der Angst vor fallenden Qualitätsstandards begründet. Außer-dem zeigt die hohe Fehlbelegungsquote im sozialen Woh-nungsbau, dass die Qualität der Wohnungen auch Haushalte aus der Mittelklasse anspricht. Rund die Hälfte der Sozial-wohnungen befindet sich in der Hand öffentlicher Woh-nungsgesellschaften. Daneben sprechen vor allem Segre-gationsprobleme dagegen, Sozialpolitik über qualitativ minderwertige Wohnungen zu betreiben.

Neben dem Zahlungsproblem kann auf dem Wohnungs-markt auch ein Zugangsproblem auftreten. Bestimmte Gruppen von Haushalten können unabhängig von ihrer fi-nanziellen Situation Schwierigkeiten haben, auf dem Woh-nungsmarkt eine passende Wohnung zu finden, weil die Wohnungseigentümer ein erhöhtes Risiko in der Vermietung an diese Gruppen vermuten. Da eine Preisdifferenzierung nicht möglich ist, kommt es zu einer Rationierung des Woh-nungsmarktes für diese Gruppen. Betroffen hiervon sind vor allem Haftentlassene und Drogenkranke, aber auch Ausländer, Alleinerziehende oder Familien mit vielen Kin-dern (Eekhoff et al. 2000). Nach Sautter (2005) sind nun besonders die öffentlichen Wohnungsgesellschaften gefor-dert, diesen Gruppen den Zugang zum Wohnungsmarkt zu

Page 166: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

165

gewähren. Allerdings sind die öffentlichen Gesellschaften hierzu genauso wenig verpflichtet wie zu einer Vermietung unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ob den frag-lichen Gruppen der Zugang also tatsächlich erleichtert wird, hängt von dem Gutdünken der jeweiligen Wohnungsgesell-schaft ab. Darüber hinaus ist es zur Lösung des Zugangs-problems nicht nötig, dass die Kommunen über eigene Woh-nungen verfügen.

Im Kern besteht das Zugangsproblem darin, dass die Ver-mieter für die Übernahme der Vermietungsrisiken bei be-stimmten Gruppen nicht entschädigt werden. Daher ent-scheiden sie sich im Zweifelsfall immer für die Vermietung an das geringere Risiko. Über den Kauf von Belegungs-rechten aus dem Bestand kann dieses Problem jedoch ge-löst werden. Im Gegenzug für einen Einmalbetrag oder eine laufende Vergütung erhält die Kommune das Recht, die Wohnung mit von ihr ausgewählten Haushalten zu belegen. Das Belegungsrecht kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. So könnte die Kommune sich beispielsweise bereit erklären, eine Bürgschaft für die Mietzahlungen zu überneh-men oder eine besondere Betreuung der Haushalte zu ge-währleisten, um die Kosten für das Belegungsrecht gering zu halten. Wichtig ist es in jedem Fall, dass die Auswahl der Haushalte vonseiten der Kommune eng gefasst wird, bei-spielsweise indem sie dem Vermieter bei Freiwerden einer Wohnung mit Belegungsrecht eine Liste mit drei Mietern vorlegt, von denen der Vermieter einen aussuchen muss. Damit hat die Kommune die Möglichkeit, gezielt Haushalte

Page 167: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

166

aus einer Notfallkartei zu berücksichtigen. Im Vergleich zu dem Einsatz eigener Wohnungen besteht für die Kommunen der große Vorteil darin, dass die Belegungsrechte flexibler an den Bedarf angepasst werden können. Schließlich kön-nen weitere Belegungsrechte gekauft werden, sobald der Bedarf sehr hoch ist, oder man verzichtet auf eine Verlänge-rung der Belegungsrechte, wenn der Bedarf zurückgeht. Im Fall der öffentlichen Wohnungen müssten dagegen neue Wohnungen gebaut oder gekauft werden, die auch dann fortbestehen, wenn es keinen adäquaten Bedarf gibt. Letzt-lich werden durch die Bewirtschaftung von eigenen Woh-nungen erhebliche Mittel gebunden und größere Risiken ge-tragen als beim Kauf von Belegungsrechten. Indem die Kommunen Belegungsrechte im Bestand räumlich differen-ziert erwerben, wird außerdem der sozialen Segregation sehr effizient entgegengewirkt. Bei kommunalen Wohnanla-gen können sich dagegen die Problemhaushalte kumulieren, was hohe soziale (Folge-)Kosten nach sich zieht. Je nach Ausgestaltung der Belegungsrechte fallen unter-schiedliche Kosten für die Kommune an. Generell gilt, dass der Wert des Belegungsrechts von der Lage und Qualität des Mietobjekts, dem Umfang der Mitspracherechte bei der Mieterauswahl, den Gewährleistungspflichten der Kommu-ne und vor allem von der allgemeinen Lage am Wohnungs-markt abhängt. Die Kalkulation der Preise für die Belegungs-rechte ist damit nicht einfach. Die Erfahrungen aus Belgien, wo es dieses Instrument seit Anfang der achtziger Jahre gibt, zeigen, dass es eine Weile dauert, bis Angebot und Nachfrage zusammenfinden. In Deutschland ist es erst seit

Page 168: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

167

2001 möglich, die Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau für den Erwerb von Belegungsrechten aus dem Bestand einzu-setzen. Um angemessene Marktpreise zu finden, hat die Ex-pertenkommission Wohnungspolitik (1995) schon 1995 vor-geschlagen, die Preise für die Belegungsrechte über ein Auktionsverfahren zu bestimmen.

Für den Verkauf der kommunalen Wohnungen spielt die Marktpreisbestimmung für Belegungsrechte jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Ähnlich wie bei solchen Verkäufen eine Sozial-Charta ausgehandelt wird, können sich die Kom-munen schließlich die Belegungsrechte für einen Teil der Wohnungen sichern. So hat beispielsweise die Stadt Dres-den beim Verkauf der Woba 8.000 Belegungsrechte behal-ten. Dabei ist es ratsam, dass sich die Kommune bei einem Verkauf an einen Investor nicht die Belegungsrechte für be-stimmte Wohnungen, sondern für eine bestimmte Anzahl an Wohnungen sichert. Damit verhindert sie die Konzentration der Problemhaushalte auf einzelne Standorte. Sofern sich auch andere Kommunen bei einem Verkauf die Belegungs-rechte für einen Teil des Wohnungsbestands sichern, könnte nicht nur dem Zugangsproblem vorgebeugt werden, son-dern auch der Markt für Belegungsrechte in Schwung kom-men.

Verdrängung sozialen Engagements

In jüngerer Zeit wurde als weiteres Argument für öffentliche Wohnungsunternehmen das Thema „Stadtrendite“ in die

Page 169: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

168

Diskussion eingeführt. Unter der Stadtrendite werden dabei die Leistungen der Wohnungsunternehmen subsumiert, die der Stadt neben dem rein betrieblichen Gewinn zugute kom-men. Vor allem Maßnahmen, die die soziale Stabilität in den Wohnvierteln erhöhen, also im weitesten Sinn das Quar-tiersmanagement, werden zu den relevanten Aktivitäten ge-zählt. Beispiele hierfür sind etwa der Abriss baufälliger Ge-bäude, die Organisation von Jugendtreffs, die Beratung und Unterstützung von Arbeitslosen und Obdachlosen oder aber die Förderung der örtlichen Kindergärten und Schulen. Es wird argumentiert, dass diese Leistungen so gewichtig für die Stadt sind, dass sie den oftmals geringen betriebs-wirtschaftlichen Gewinn der öffentlichen Unternehmen deutlich kompensieren. Besonders seit ein Gutachten von Schwalbach et al. (2006) zur Stadtrendite der DEGEWO veröffentlicht wurde, wird hiermit vielfach das Festhalten an öffentlichen Wohnungsunternehmen gerechtfertigt.

Maßnahmen, die zu einer Erhöhung der sozialen Stabilität beitragen, dienen immer auch der Internalisierung externer Effekte. Ein baufälliges Gebäude zum Beispiel kann den Vermietungserfolg in den angrenzenden Gebäuden oder aber in ganzen Stadtvierteln beeinträchtigen. Darüber hi-naus können solche Gebäude zu Vandalismus anregen und die Hemmschwelle für weitere Beschädigungen an anderer Stelle senken. Durch den Abriss werden also negative ex-terne Effekte beseitigt, was der Allgemeinheit zugute kommt. Das Problem ist jedoch, dass bei einer kleinteiligen Eigentü-merschaft die Einnahme der Freifahrerposition die dominan-

Page 170: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

169

te Strategie darstellt. Übernimmt nun ein öffentliches Unter-nehmen diese Aufgabe, ist also tatsächlich mit einer Wohlfahrtsverbesserung zu rechnen. Allerdings stellt dies nur ein notwendiges, aber noch kein hinreichendes Kriteri-um für den Staatseingriff dar.

Im Kern stellt sich das Freifahrerproblem als ein Koordinati-onsproblem dar. Alle Eigentümer stellen sich besser, wenn die soziale Stabilität in einem Wohnviertel erhalten bleibt oder verbessert wird. Schließlich droht bei einer Verschlech-terung des Wohnumfelds, beispielsweise auch im Zuge stei-gender Arbeitslosigkeit und zunehmender Resignation der Mieter, Leerstand und damit einhergehend ein geringerer Vermietungserfolg. Allerdings lohnt sich in den meisten Fäl-len die Internalisierung für den Einzelnen nur dann, wenn die Kosten geteilt werden. Da jedoch jeder den größtmöglichen Nutzen erzielt, wenn er sich nicht an den Kosten beteiligt und stattdessen andere die Maßnahme umsetzen, gestalten sich die entsprechenden Verhandlungen als sehr schwierig und führen oftmals nicht zu dem gesamtgesellschaftlichen Optimum. Anders sieht es hingegen aus, wenn es in dem Wohnviertel ein größeres Wohnungsunternehmen gibt. Je mehr Wohnungen ein Unternehmen in einem bestimmten Wohnviertel besetzt, desto wahrscheinlicher wird es, dass es die Internalisierung der externen Effekte aus einem eige-nen Anreiz heraus betreibt. Schließlich konzentriert sich dann der Nutzen aus der Maßnahme auf die eigenen Be-stände, so dass sich die alleinige Kostenübernahme auch rentiert.

Page 171: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

170

Die Erzielung einer „Stadtrendite“ hängt also nicht von dem Eigentümerstatus, sondern im Wesentlichen von der Größe der Wohnungsunternehmen ab. Von daher kann es nicht überraschen, dass gerade auch Unternehmen mit expliziten Renditeinteressen, die zur Optimierung ihrer Bewirtschaf-tungskosten besonders große Wohnungsbestände erwor-ben haben, soziale Verantwortung übernehmen. So verfol-gen alle großen privaten Wohnungsunternehmen explizite Corporate-Social-Responsibility-Strategien und richten in diesem Rahmen Stiftungen für in Not geratene Mieter ein, sanieren Kindergärten oder organisieren Jugendtreffs (Voigt länder 2007). Selbst dann, wenn nur ein kurzfristiges Engagement in der Wohnungswirtschaft geplant ist, können sich die Investoren nur schwer ihrer sozialen Verantwortung entziehen. Schließlich wird der Käufer eines Wohnungsport-folios genau überprüfen, wie es um das Wohnumfeld be-stellt ist.

Da der Verkauf der öffentlichen Wohnungen im Regelfall im Ganzen erfolgt, ist mit einer Verschlechterung der Stadtren-dite folglich nicht zu rechnen. Im Gegenteil, durch die private Übernahme sozialer Aktivitäten werden aufseiten der Kom-mune Mittel eingespart, die dann für die Bereitstellung wei-terer öffentlicher Güter, entweder im sozialen Bereich oder im Infrastrukturbereich, genutzt werden können. Durch die Aktivitäten öffentlicher Wohnungsgesellschaften werden di-ese privaten Engagements dagegen verdrängt. Dabei ist zu betonen, dass die Wohnungsunternehmen und die Kommu-

Page 172: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

171

nen gleiche Interessen verfolgen. Daher eröffnen sich für beide Seiten umfangreiche Kooperationsmöglichkeiten zu beiderseitigem Vorteil. Konterkariert werden könnte der ge-samtwirtschaftliche Vorteil allenfalls durch die Entstehung von Marktmacht. Da der Wohnungsmarkt jedoch nach wie vor kleinteilig organisiert ist und die Haushalte genügend Al-ternativen auf der Anbieterseite vorfinden, ist dies nicht zu erwarten.

4. Erfahrungen mit der Privatisierung öffentlicher Wohnungen

Die bisherige Diskussion zeigt, dass öffentliche Wohnungs-gesellschaften nur schwer zu rechtfertigen sind. Öffentliche Wohnungsgesellschaften stehen in einem Widerspruch zur marktwirtschaftlichen Ordnung, sie belasten die öffentlichen Haushalte, sie leisten keinen Beitrag zu einer effizienten So-zialpolitik und sie verdrängen privatwirtschaftliches soziales Engagement. Allerdings war die bisherige Analyse theore-tisch geprägt. Daher wird nun auf die Erfahrungen mit der Privatisierung näher eingegangen, insbesondere mit Blick auf Dresden, der einzigen Großstadt, die ihre öffentlichen Wohnungsbestände vollständig veräußert hat.

Im März 2006 hat Dresden seine Wohnungsgesellschaft WOBA, die 48.500 Wohnungen bewirtschaftete, an die Be-teiligungsgesellschaft Fortress verkauft. Fortress zahlte hierfür nach Abzug der Verbindlichkeiten der WOBA 981,7 Millionen Euro an die Stadt Dresden. Die Bestände gehören

Page 173: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

172

mittlerweile zur GAGFAH Group, an der Fortress noch eine Beteiligung hält.

Die Stadt Dresden konnte durch den Verkauf ihrer Woh-nungsbestände ihre Schulden in Höhe von 748 Millionen Euro tilgen. Hierdurch entstehen in den Jahren zwischen 2007 und 2012 laut Angaben der Finanzverwaltung Einspa-rungen zwischen 57 und 63 Millionen Euro jährlich, vor allem aufgrund des Wegfalls von Zins- und Tilgungszahlungen. Ohne die Privatisierung wäre der öffentliche Haushalt in eine deutliche Schieflage geraten. So betrug der Fehlbetrag im Jahr 2004 67 Millionen Euro und im Jahr 2005 62 Millionen Euro (Nagler 2007). Erwartet wurde, dass sich die Fehlbe-träge bis Ende des Jahres 2007 auf bis zu 200 Millionen Euro summieren (Regierungspräsidium Dresden 2004). Dies hätte die Handlungsfähigkeit der Stadt Dresden mas-siv eingeschränkt.

Stattdessen war es mit dem Verkauf der WOBA möglich, die Investitionen in die Schulen von bislang 17,9 Millionen Euro jährlich auf 84,1 Millionen Euro im Jahr 2007 zu stei-gern. Auch die Zuschüsse für Kindertagesstätten konnten um 11 Millionen Euro pro Jahr gesteigert werden (Ostrow-ski 2007). Außerdem wurden eine Kultur- und eine Sozial-stiftung mit einem Volumen von 25 Millionen Euro gegrün-det. Dies verdeutlicht, dass sich die Städte stets zwischen alternativen Verwendungsmöglichkeiten entscheiden müs-sen: Das Festhalten an Immobilien bedeutet eben, dass we-

Page 174: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

173

niger Mittel für Investitionen und soziale Zwecke zur Verfü-gung stehen.

Auf Seiten der Mieter gab es hingegen kaum Verände-rungen (Ostrowski 2007). Zwischen April 2006 und Februar 2007 wurden in insgesamt 7199 Fällen, also bei knapp 15% aller Wohnungen, die Mieten erhöht, in 61% der Fälle lag die Erhöhung dabei unter 5%. Nur in 5% der Fälle gab es eine Mieterhöhung von über 15% – diese Erhöhungen waren ent-sprechend dem Mietrecht jedoch deshalb möglich, weil die Mieten bislang deutlich unter der Vergleichsmiete lagen. Durchschnittlich wurden die Mieten im Jahr 2007 um 11,42 Euro pro Monat erhöht. Im öffentlichen Besitz wurden die Mieten teilweise noch wesentlich stärker angehoben: Allein im Jahr 2005 um 24,39 Euro. Weiterhin liegen die Mieten der WOBA mit durchschnittlich 4,50 Euro pro Quadratmeter immer noch unter dem durchschnittlichen Mietpreisniveau von 5,00 Euro in Dresden.

Auffällig ist ferner, dass es nach der Privatisierung keine Proteste mehr auf Seiten der Mieter gegeben hat. Auch bei anderen Privatisierungen liegen kaum Beschwerden über die neuen Eigentümer vor. Lediglich in Kiel gab es Proteste, weil der neue Eigentümer säumige Mieter mit auffälligen Aufklebern an den Briefkästen versah – diese Praxis wurde jedoch nach den ersten Beschwerden schnell wieder einge-stellt.

Page 175: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

174

Das Beispiel Dresden verdeutlicht auch, dass die Befürch-tung, die neuen Eigentümer würden nicht investieren, eben-falls unzutreffend ist. So hat die GAGFAH unmittelbar nach der Übernahme der Bestände 70 Millionen Euro in die Sa-nierung der Wohnungen investiert. Auch eine Untersuchung von Weiß (2007) bestätigt, dass private Investoren in die erworbenen Bestände investieren. Nach einer Auswertung des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) wurden in 66,7% der Wohnungen nach der Privatisierung Modernisierungen durchgeführt. Im Durchschnitt erfolgt nach einem Eigentü-merwechsel jedoch nur in 32% der Fälle eine Modernisie-rung. Bestätigt wird dieses Bild auch durch eine Umfrage von PriceWaterhouseCoopers (2006) unter deutschen Kommunen. 54% derjenigen Kommunen, die den Verkauf ihrer Bestände erwägen, wollen dies tun, um den Investiti-onsstau aufzulösen.

5. Strategien für die Privatisierung öffentlicher Wohnungen

Zwischen 1999 und 2006 wurden bei der Privatisierung öf-fentlicher Wohnungsbestände große Erfolge erzielt. Insbe-sondere angelsächsische Beteiligungsgesellschaften haben öffentliche Wohnungen in dieser Zeit gekauft. Wie die Erfah-rungen zeigen, fehlt der vorgebrachten Kritik an diesen Transaktionen die Grundlage. Nachweise über tatsächliche Fehlentwicklungen gibt es jedenfalls nicht. Dennoch ist die-ser Weg der Privatisierung vermutlich in den nächsten Jah-ren versperrt. Erstens weil der Widerstand in den Kommu-

Page 176: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

175

nen gegen Verkäufe an Beteiligungsgesellschaften so groß und so emotional ist, dass Politiker kaum bereit sein wer-den, diese Option zu vertreten. Gerade nach der Finanzkrise ist zu erwarten, dass die Vorbehalte gegen Beteiligungsge-sellschaften noch zunehmen werden. Zweitens werden je-doch auch die Beteiligungsgesellschaften weniger Interesse an deutschen Wohnungspaketen haben. Schließlich verlan-gen die Banken wieder mehr Eigenkapital und höhere Risi-koprämien, was die Attraktivität der Investitionen schmälert. Renditen von 15% und mehr konnten die Beteiligungsgesell-schaften nur deshalb mit Wohnungen verdienen, weil sie die Gewinne auf ein geringes Eigenkapital konzentrieren konn-ten. Da zu erwarten ist, dass die Kreditvergabe zumindest in den nächsten Jahren konservativer ist, werden sich die Be-teiligungsgesellschaften wieder verstärkt anderen Anlage-formen zuwenden.

Dennoch sollte die Privatisierung vorangetrieben werden, so dass Alternativen zu überlegen sind. Zwei Aspekte sind dabei besonders wichtig. Zum einen sollte sichergestellt werden, dass die Bestände zu angemessenen Preisen ver-äußert werden, zum anderen sollten die Wohnungsbestän-de nicht zu kleinteilig werden. Wie die Diskussion um die Stadtrendite zeigt, gibt es für große Wohnungseigentümer ein Eigeninteresse an der Erhaltung der sozialen Stabilität. Solange also Wohnungsbestände, zumindest in den einzel-nen Vierteln, in der Hand eines Investors bleiben, ist davon auszugehen, dass genügend Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verschlechterung des Umfelds zu vermeiden. Un-

Page 177: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

176

ter dieser Prämisse scheidet damit ein Verkauf an die Mieter aus. Der Einzelverkauf an Mieter hat sich ohnehin als sehr schwierig erwiesen. Einzelne Kapitalanleger wiederum inte-ressieren sich weniger für die soziale Stabilität eines Vier-tels. In der Folge sinkt damit in den Augen der Nutzer die Attraktivität der Wohnanlagen (Voigtländer 2008).

Als eine Alternative zum Verkauf an einen Investor werden immer wieder Genossenschaften genannt (König 2007). Dies ist gerade aus Sicht der Privatisierungsgegner ver-ständlich, da Genossenschaften eine Zwischenlösung zwi-schen Staat und Markt darstellen. Genossenschaften ver-pflichten sich der Förderung ihrer Mitglieder und verzichten auf die Maximierung ihrer Gewinne. Praktisch würden bei einer Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände die Mieter damit Anteilseigner einer Genossenschaft. Entweder wird dabei eine neue Wohnungsgenossenschaft gegründet oder aber eine bereits bestehende Genossenschaft erwirbt die Bestände und die Mieter werden Mitglieder dieser Ge-nossenschaft. Sichergestellt wäre damit, dass die Bestände weiterhin gemeinsam bewirtschaftet werden. Allerdings ist der Verkauf der Bestände an eine Genossenschaft in der Regel mit dem ersten Ziel nicht kompatibel. Zunächst stellt sich als Problem dar, dass nicht alle Mieter der Genossen-schaft beitreten wollen. Selbst wenn dies jedoch gewährlei-stet ist, können die Genossenschaften oft nicht das erfor-derliche Kapital aufbringen, um die Bestände zu erwerben. Jedes Mitglied muss Kapital in die Genossenschaft einbrin-gen, welches der Finanzierung des Erwerbs und gegebe-

Page 178: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

177

nenfalls der Sanierung der Bestände dient. Selbst wenn ein Großteil des Erwerbs mit Fremdkapital finanziert wird, müs-sen die Mitglieder oft noch mehrere 10.000 Euro aufbrin-gen, um den Erwerb der Bestände und den Aufbau der Ge-nossenschaft zu realisieren. Dies überfordert jedoch die Mehrzahl der bisherigen Mieter. Daher müssen zusätzliche Investoren gewonnen werden, die sich an der Genossen-schaft beteiligen. Da die Genossenschaften jedoch ver-gleichsweise geringe Renditen bieten, fällt es ihnen schwer, externe Finanziers zu gewinnen. Faktisch kann die Privati-sierung dann nur mit Hilfe staatlicher Unterstützung erfol-gen. König (2007) nennt als Beispiele hierfür den vergünstig-ten Verkauf kommunaler Immobilien, die Gewährung subventionierter Kredite an die Mitglieder zur Ermöglichung des Kaufs der Genossenschaften und die Wiederbelebung von Zulagen, die früher für den Kauf von Genossenschafts-anteilen gewährt wurden. Hiermit würde jedoch das Ziel der Privatisierung obsolet werden. Schließlich besteht das we-sentliche Ziel darin, dass der Staat sein finanzielles Engage-ment im Wohnungsmarkt beendet und sich ausschließlich auf die Unterstützung hilfebedürftiger Haushalte konzentrie-ren kann.

Präferiert wird daher eine andere Lösung: Die graduelle Pri-vatisierung über die Bildung von Immobilienaktiengesell-schaften. Die Idee dabei ist, dass die Kommunen ihre Be-stände bündeln und in eine Aktiengesellschaft einbringen. Durch die Zusammenführung der Bestände sollen Syner-gien geschaffen werden. Außerdem sind größere Bestände

Page 179: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

178

für private Investoren interessanter. Die Kommunen, die zu-nächst alleinige Aktionäre sind, verkaufen dann einen Groß-teil der Aktien an private Investoren, beispielsweise im Rah-men eines Börsengangs. Bereits im Vorfeld – also bei der Zusammenstellung der Portfolien – sollten möglichst poten-zielle Investoren mit einbezogen werden, um die Ver-kaufschancen zu erhöhen. Wichtig ist dabei, dass private Investoren die Mehrheit an dem Unternehmen erhalten, um Veränderungen anstoßen zu können und um das Unterneh-men zu entpolitisieren. Ansonsten wird es wahrscheinlich nur wenig Interesse an der Beteiligung an einem Staatsun-ternehmen geben. Die Kommunen können jedoch zunächst eine Sperrminorität behalten. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die Kommunen auf den richtigen Zeitpunkt für die Veräußerung warten können, um so einen angemessenen Preis zu erzielen und sie andererseits dafür sorgen können, dass größere Einheiten bestehen bleiben. Vorteilhaft ist au-ßerdem, dass die Kommunen sich schrittweise von den Wohnungsunternehmen trennen können, was die politische Akzeptanz merklich erhöhen wird. Allerdings muss verbind-lich geregelt werden, dass am Ende des Prozesses der voll-ständige Verkauf des Wohnungsunternehmens steht.

Begünstigt würde dieser Privatisierungsweg, wenn zukünf-tig auch Real Estate Investment Trusts (REITs) in Bestandswoh-nungen investieren dürfen. REITs sind Immobilienaktien nach internationalem Vorbild, die sich durch ihre Konzentration auf Immobilien und ihre hohen Transparenzstandards aus-zeichnen. Außerdem ist es ihnen als Bestandshalter unter-

Page 180: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

179

sagt, größere Teile ihres Portfolios zu verkaufen. Die Fokus-sierung auf die Bewirtschaftung sowie die hohe Transparenz, die unter anderem durch die obligatorische Börsennotierung unterstrichen wird, machen den REIT zu einer idealen Unter-nehmensform für privatisierte Wohnungsunternehmen. Schließlich kann es sich ein an der Börse gelistetes und da-mit in der Öffentlichkeit stehendes Unternehmen kaum lei-sten, Mieter zu überfordern oder wichtige Investitionen oder Instandhaltungen zu unterlassen. Umso unverständlicher ist es, dass es REITs als einziger Unternehmensform untersagt wurde, in Wohnimmobilien zu investieren. 6. Ausblick

Mit der Finanzkrise hat die Privatisierung öffentlicher Woh-nungsunternehmen eine Pause eingelegt. Wie die Analyse jedoch zeigt, sollte der Prozess baldmöglichst wieder aufge-nommen werden. Weder aus der theoretischen Diskussion noch aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich Gründe für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunternehmen ableiten. Im Gegenteil, durch den Verkauf der Bestände ge-winnen die Kommunen finanziellen Spielraum, der es ihnen erlaubt, eine effizientere Sozialpolitik zu betreiben und Schul-den zu tilgen. Durch die Sicherung von Belegungsrechten können die Kommunen außerdem gewährleisten, dass sie Haushalten mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt weiterhin helfen können.

Page 181: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

180

Es ist zu erwarten, dass es in näherer Zukunft wieder ein größeres Interesse an der Privatisierung öffentlicher Woh-nungen geben wird. Bei den Kommunen haben sich die fi-nanziellen Schieflagen durch die Rezession verstärkt. Auf-grund des Gewinneinbruchs bei den Unternehmen und der höheren Arbeitslosigkeit sind die Steuereinnahmen deutlich zurückgegangen. Das Interesse an dem Verkauf von Woh-nungsbeständen wird daher wieder zunehmen. Auch auf Seiten der Käufer ist von einem höheren Interesse auszuge-hen. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt zeichnet sich durch eine sehr hohe Stabilität aus. Von allen OECD-Staaten weist der deutsche Markt die geringste Volatilität auf (De-mary et al. 2009). Diese Eigenschaft macht den Markt nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise für Investoren attraktiv. Vor allem institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen wollen wieder verstärkt in sichere Anlagen investieren. Gerade diese Investoren bevorzugen jedoch li-quide und handelbare Anlageformen. Umso wichtiger ist es daher, dass die kommunalen Bestände in Aktiengesell-schaften überführt werden und der Gesetzgeber den Woh-nimmobilienmarkt auch für REITs öffnet.

Page 182: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

181

Literatur

BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2008), Neue Trends beim Handel von Wohnungsportfolios in Deutschland, BBR-Berichte Kompakt 3/2008, Bonn.

Brennan, Geoffrey und Buchanan, James M. (1993), Die Begründung von Regeln, Tübingen.

Demary Markus; Gans, Paul; Meng, Rüdiger; Schmitz Veltin, Ansgar; Voigtländer, Michael und Westerheide, Pe-ter (2009), Wirtschaftsfaktor Immobilien. Die Immobilien-märkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive, in: Zeit-schrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2009.

Eekhoff, Johann; Böschen, Iris; Lemmer, Astrid und Le-pach, Alexander (2000), Wohnungswirtschaft als Partner der Wohnungspolitik: Entwicklungen und Perspektiven in NRW, Gutachten im Auftrag des Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-West-falen, Köln.

Expertenkommission Wohnungspolitik (1995), Wohnungs-politik auf dem Prüfstand, Gutachten im Auftrag der Bun-desregierung, Tübingen.

Page 183: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

182

Kirchner, Joachim (2006), Wohnungsversorgung für unter-stützungsbedürftige Haushalte, Wiesbaden.

König, Barbara (2007), Herausforderungen der Stadtent-wicklung: Wohnungsgenossenschaften und die Privatisie-rung öffentlicher Wohnungsbestände, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 4, S. 233-240.

Niskanen, William A. (1971), Bureaucracy and Representa-tive Government, Chicago/New York.

Nagler, Mike (2007), Ursachen und Auswirkungen von Ent-staatlichung öffentlicher Einrichtungen auf die Stadtentwick-lung im Kontext einer gesamtgesellschaftspolitischen Ent-wicklung (am Beispiel der Privatisierung der WOBA Dresden), Magisterarbeit an der HTWK Leipzig, Leipzig.

Ostrowski, Christine (2007), Ideelle Auswirkungen mit re-alen Folgen, Vortrag im Rahmen des Kommunalen Ge-sprächskreis der Deutschen Bank am 19.11.2007 in Pots-dam.

Peters, Karl-Heinz (1984), Wohnungspolitik am Scheide-weg, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 343, Berlin.

PricewaterhouseCoopers (2006), Kommunale Wohnungs-bestände: Ein Auslaufmodell? – Umfrage unter 204 deut-schen Städten und Gemeinden, Berlin.

Page 184: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

183

Regierungspräsidium Dresden, Pressemitteilung 23/2004 vom 07.06.2004, Dresden.

Sautter, Heinz (2005), Auswirkungen des Wegfalls von So-zialbindungen und des Verkaufs öffentlicher Wohnungsbe-stände auf die Wohnungsversorgung unterstützungsbedürf-tiger Haushalte, Teilabschlussbericht im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsverbundes „Wohnungslosig-keit und Hilfen in Wohnungsnotfällen“, Darmstadt.

Schwalbach, Joachim; Schwerk, Anja; Smuda, Daniel (2006), Stadtrendite der öffentlichen Wohnungswirtschaft – Formalisierung und Operationalisierung des Begriffs „Stadtrendite“ und Anwendung am Fallbeispiel DEGEWO, Berlin.

Veser, Jürgen; Thrun, Thomas und Jaedicke, Wolfgang (2007), Veränderung der Anbieterstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und wohnungspolitische Implikationen, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), For-schungen Nr. 124, Bonn.

Voigtländer, Michael (2007), Der öffentliche Wohnungs-markt in Deutschland, IW-Positionen Nr. 27, Köln.

Voigtländer, Michael (2008), From Owners to Renters, in: Housing Finance International, Heft 2, 2008, S. 47-52.

Page 185: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

184

Voigtländer, Michael (2009), Why is the German Homeow-nership Rate so low?, in: Housing Studies, Vol. 24, No. 3, S. 357-374.

Weiß, Dominik (2007), Doch keine Heuschrecken – Kaum Flurschaden nach der Privatisierung kommunaler Woh-nungen, in: Wirtschaft im Wandel, Heft 12, S. 467-472.

Page 186: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

185

Peter King

Die Privatisierung von Sozial-wohnungen: Das „Right to Buy“ in Großbritannien1

1. Einleitung

Viele Initiativen der Wohnungspolitik werden als wegwei-sende und grundlegende Änderungen angekündigt. Es wäre natürlich befremdlich, wenn Politiker eine bestimmte Politik auf den Weg bringen und dabei nicht behaupten würden, dass diese von ganz besonderer Bedeutung ist. Oft gelingt es politischen Initiativen jedoch nicht, irgendetwas zu verän-dern und sie werden meist schnell von anderen Themen ab-gelöst. Angesichts immer neuer Initiativen, auf die sich alles stürzt und die dieses Mal „wirklich funktionieren werden“ ist über die alten Ideen schnell Gras gewachsen.

In Großbritannien sind im Bereich der Wohnungspolitik nur zwei Maßnahmen zu nennen, die tatsächliche Änderungen und einen reellen nachhaltigen sozialen Wandel bewirkt ha-

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

Page 187: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

186

ben. Die erste dieser politischen Maßnahmen bestand in der nach dem ersten Weltkrieg getroffenen Entscheidung, den Bau von Mietwohnungen durch die örtlichen Behörden finanziell zu unterstützen. Die örtlichen Behörden erhielten im Rahmen dieser Maßnahme die Möglichkeit, eine örtliche Grundsteuer zu erheben und gestützt durch regelmäßige Staatszuschüsse Kredite aufzunehmen, um Wohnungen für Arbeiterhaushalte zu bauen. Im Zuge dieser Politik wurden zwischen 1919 und 1980 in Großbritannien über sechs Milli-onen Wohnungen gebaut (Malpass und Murie 1999), was einem Anteil von 29% des Wohnungsbestandes im Jahr 1980 entsprach. Diese Wohnungen wurden größtenteils zu subventionierten Mieten (die jedoch immer noch höher wa-ren als in bestimmten Bereichen des einer Mietpreiskontrol-le unterliegenden Privatsektors) an Arbeiterhaushalte ver-mietet. Dieses Muster der sozialen Bereitstellung von Wohnraum war in seiner Art nahezu einzigartig und wurde nur von der Republik Irland (die bis 1922 formell Teil des Vereinigten Königreichs war) in ähnlicher Weise umgesetzt.

Die zweite reformpolitische Maßnahme, die eine Verände-rung bewirkte, bestand in dem von der konservativen Regie-rung unter Margaret Thatcher 1980 eingeführten Vorkaufs-recht für Sozialwohnungen, dem so genannten Right to Buy (RTB). Dieses Recht bot Mietern mit einem bestehenden Mietvertrag, ihre Sozialwohnung zum Vorzugspreis zu kau-fen. Selbstverständlich baute diese Politik auf dem ersten beschriebenen Ansatz auf, da zunächst einmal Sozialwoh-nungen vorhanden sein mussten, um diese überhaupt ver-

Page 188: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

187

kaufen zu können. Doch insbesondere in Haushalten der Ar-beiterklasse zeigten sich vergleichbare Folgen im Hinblick auf eine Veränderung der Betrachtungsweise des Woh-nungswesens (King 2010). Seit 1981 wurden auf diese Wei-se 2,5 Millionen Wohnungen verkauft. Diese Verkäufe brachten eine deutliche Senkung des Anteils von Sozial-wohnungen auf unter 10% (wobei Wohnungsbaugesell-schaften einen ähnlichen Anteil besitzen, sodass der Sozial-sektor nach Wilcox (2008) insgesamt auf einen Anteil von 18,5% kommt) und einen beträchtlichen Anstieg des Woh-neigentums mit sich.

Ein Verständnis der britischen Wohnungspolitik ist nur unter Berücksichtigung der Dominanz des selbstgenutzten Woh-neigentums möglich. Diese Form des Wohnens ist für knapp 70% der Haushalte Realität und gilt heutzutage als bevor-zugte Wohnsituation. Die Vermietung von Sozial- und Privat-wohnungen wurde unter lediglich geringer Interaktion zwi-schen diesen beiden Wohntypen an den Rand gedrängt. Angesichts eines Anteils der Mieter von Sozialwohnungen, die von Wohngeld und anderen Sozialhilfeleistungen abhän-gig sind, von über 60% haben sich die Wohnverhältnisse immer mehr polarisiert. Sozialwohnungen werden dabei streng auf Grundlage der Bedarfsprioritäten vergeben, wo-durch das hohe Maß an wirtschaftlicher Abhängigkeit auf-recht erhalten wird. Im Ergebnis hat die Mehrheit der bri-tischen Haushalte keine direkte Erfahrung mit Sozialwoh-nungen und keine besondere Haltung zu diesem Thema.

Page 189: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

188

Das RTB war sicher mit für den Rückgang von Sozialwoh-nungen und den Anstieg von selbstgenutztem Wohneigen-tum vor allem in Haushalten der Arbeiterklasse verantwort-lich. Es setzte dabei auf die Popularität des selbstgenutzten Wohneigentums in Großbritannien und trug gleichzeitig zu dessen weiterer Entwicklung bei.

Der vorliegende Aufsatz soll zunächst das RTB etwas ge-nauer betrachten und den Hintergrund dieser politischen Maßnahme sowie ihre Folgen beschreiben. Dabei wird auf-gezeigt, dass das RTB beispielhaft für eine wirkungsvolle Privatisierung von Staatsvermögen ist. Darüber hinaus ist es jedoch auch eines der wenigen Beispiele für eine funkti-onierende Politik, welche die 1980 von den Konservativen gesteckten Ziele weithin erreicht hat. Dieser Erfolg liegt da-rin begründet, dass die Politik den Kern der menschlichen Natur anspricht: Sie basiert auf klaren Anreizen und legt ihr Augenmerk auf das Eigeninteresse des Einzelnen, anstatt davon auszugehen, dass Wohnraum ein kollektives Gut mit übergreifendem sozialem Zweck ist.

2. Einführung des Right to Buy

Das Right to Buy wurde in einer Zeit des politischen und wirt-schaftlichen Umbruchs entwickelt. Die 1970 gewählte kon-servative Regierung von Edward Heath hatte es mit einer –möglicherweise hausgemachten – Immobilienblase, einer Ölkrise und einer Reihe industrieller Auseinandersetzungen zu tun. Als Heath im Februar 1974 unter dem Motto „Wer

Page 190: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

189

regiert Großbritannien?“ zur Wahl antrat, entschied die Wählerschaft sich nicht für ihn, sondern gab einer Minder-heitsregierung der Labour-Partei den Vorzug (Ramsden 1998). Im weiteren Verlauf des Jahres 1974 wandte sich der Premierminister Harold Wilson erneut an die Wähler und er-hielt eine geringe Mehrheit, die mit der Zeit jedoch brüchig wurde. Die gewählte Labour-Regierung tat nur wenig, um die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Die Krise erreichte ihren Höhe-punkt 1976, als die Regierung den Internationalen Wäh-rungsfonds – eigentlich eine zur Unterstützung von Ent-wicklungsländern bestehende Einrichtung – um ein Notfalldarlehen ersuchte, um den Fortbestand des öffent-lichen Dienstes zu gewährleisten. Die konservative Opposi-tion in Person ihrer neuen Leitfigur Margaret Thatcher er-hielt damit für einen Regierungswechsel bei den Parlamentswahlen 1979 neuen Auftrieb, da die sozialistische Regierung die Kontrolle über die Ereignisse verloren zu ha-ben schien.

Im Nachhinein erscheinen die Veränderungen seit 1979 na-türlich als unumgänglich und fast schon selbstverständlich. Nach über 30 Jahren, in denen zahlreiche politische Um-strukturierungen erfolgten und die wichtigsten politischen Parteien sich neu orientierten, ist es einfach, die von den Konservativen vorgeschlagenen Änderungen als präskrip-tiver und sicherer zu erachten, als sie es damals tatsächlich waren. Dabei wird bisweilen vergessen, in welchem Maße das, was die Konservativen vorschlugen, einen radikalen

Page 191: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

190

Bruch mit dem Konsens der Nachkriegszeit darstellte. Bei der Lektüre von Dokumenten der Konservativen aus den späten 1970er Jahren wird jedoch erkennbar, mit welcher intellektuellen Zuversicht diese präsentiert wurden. Die Do-kumente waren unmissverständlich und wanden sich nicht mit schönen Worten um Tatsachen. Hier ging es nicht um einen Konsens, sondern um die Überzeugung, dass die La-bour-Regierung das Land in die falsche Richtung geführt hatte und die Position der Konservativen die Meinung der Mehrheit widerspiegelte. Im Gegensatz zu jüngeren Doku-menten und Debatten ist dieses Material voller Ideen und Argumente und sorgt sich nicht um die formelle Präsentati-on und markige Sprüche. Es wird deutlich, dass die Argu-mente auf einer bestimmten ideologischen Position fußen und es wird kein besonderer Versuch unternommen, dies zu verbergen.

1976 veröffentlichten die Konservativen ein Dokument mit dem Titel The Right Approach (Konservative Partei 1976). In diesem bedeutenden Dokument wurde eine allgemeine phi-losophische Position skizziert, die von den Konservativen mit dem Wohnen im Eigenheim und dem Verkauf von Sozi-alwohnungen verknüpft wurde. Es handelte sich dabei nicht nur um ein politisches Statement. Das Dokument verfolgte vielmehr das ehrgeizigere Ziel einer Sozialismuskritik und wollte eine kohärente und begründete Alternative dazu bie-ten.

Page 192: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

191

Im Hinblick auf die Bedeutung von privatem Wohneigentum ist das Dokument unmissverständlich: „Was wir anstreben müssen, liegt im Wesen des Konser-

vativismus selbst begründet. Es handelt sich dabei um eine politische Philosophie, die über den Staat und das Individuum hinaus geht und beginnt, das komplexe Netz aus wechselseitigen Rechten und Pflichten in einer ge-ordneten Gesellschaft menschlich zu formulieren.

Eine solche Philosophie erkennt an, dass privates Wohn-eigentum wesentlich ist, wenn wir die persönliche Verant-wortung und die Freiheit, die damit einhergeht, stärken möchten. Eigentum verleiht Macht, erweitert die Ent-scheidungsmöglichkeiten und ist eine wesentliche Quelle der Unabhängigkeit. Da bestimmte Menschen bessere Voraussetzungen und größere Chancen als andere ha-ben, Eigentum zu erwerben, sind soziale und wirtschaft-liche Ungleichheiten vorherbestimmt. Wir Konservativen sind keine Verfechter des Egalitarismus. Wir glauben da-ran, Chancen zu verbessern und zu fördern, nicht daran, diese einzuschränken, da jegliche Vorhaben und Bemü-hungen dadurch im Keim erstickt würden. Dies hätte letztlich eine Verringerung der Ressourcen für die Unter-stützung der sozial Benachteiligten zur Folge. Feindselig-keit gegenüber dem Erfolg, die davon ausgeht, dass Er-folg zu Ungleichheiten führt, ist oft nur schwer von Neid und Habgier zu unterscheiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie – wie Alexander Solschenizyn betonte –

Page 193: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

192

in die Sprache des „Klassenkampfes“ eingebettet ist.“ (S. 17-18)

Im Einzelnen wird insbesondere aus drei Gründen ange-strebt, selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern:

„Zunächst verleiht Wohneigentum den Menschen Unab-hängigkeit: Das Bewusstsein, ein eigenes Heim zu besit-zen, stärkt die Freiheit der Familie. Zweitens möchten die meisten Menschen vor allem aus genau diesem Grunde Wohnungseigentümer werden und sind als Eigentümer glücklicher als sie es als Mieter waren. Und drittens ist die Unterstützung von Menschen beim Eigenheimkauf von Vorteil für die Steuerzahler: Während der Neubau von Sozialwohnungen im ersten Jahr durchschnittlich mit Subventionen von bis zu 1.300 £ gefördert wird, ergibt sich für eine durchschnittliche neue Hypothek eine Steu-ererleichterung von etwa 300 £.“ (S. 51)

Es gibt also gute Gründe dafür, selbstgenutztes Wohneigen-tum zu fördern: Es stärkt die Freiheit und macht die Men-schen glücklicher, so dass sie nach weiterem Glück streben, und es ist im Vergleich zu Sozialwohnungen für den Steuer-zahler günstiger. Der erste Grund stimmt überein mit der konservativen Position bezüglich der Bedeutung von Eigen-tum und wie dieses die Formulierung der Rechte und Pflich-ten innerhalb einer Gesellschaft ermöglicht. Der zweite Grund lässt jedoch erkennen, dass die konservative Partei den Wahlkampf noch nicht vollständig vergessen hatte. Sie

Page 194: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

193

anerkennt die Popularität von Wohneigentum und unter-stützt es daher. Der dritte genannte Punkt zeigt eine wich-tige politische Verbindung auf, denn die Konservativen argu-mentieren, dass die Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum einen Mehrwert gegenüber der Vermietung von Sozialwohnungen darstellt und führen an, dass Steuer-zahler dadurch nicht unerhebliche Geldsummen sparen kön-nen.

Der dritte Grund bietet eine Rechtfertigung des Right to Buy. Selbstgenutztes Wohneigentum wird als günstiger und da-mit als bessere Geldwertnutzung betrachtet. Dieses Argu-ment wird unter Hervorhebung der praktischen Elemente einer Politik des Verkaufs von Sozialwohnungen recht ge-nau ausgeführt:

„Wir möchten die ungerechten Beschränkungen, die für den Verkauf ihrer Wohnungen an Mieter von Sozialwoh-nungen und Wohnungen in den New Towns2 gelten, ein für alle Mal beseitigen. Wir sind der Ansicht, dass diese Mieter per Gesetz das Recht haben sollten, ihre Woh-nungen nach drei Jahren Mietdauer als Grundeigentum oder, bei Wohnungen in England und Wales, als Mietei-gentum zu erwerben. In der Praxis könnte dies so gestal-tet werden, dass Mieter ihre Sozialwohnung kündigen

2 New Town (Neue Stadt): aus Großbritannien stammender städtegeogra-fischer Begriff für eine im 20. Jahrhundert nach modernen funktionalen Ge-sichtspunkten geplante und neu erbaute Stadt. (Anm. d. Ü.)

Page 195: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

194

und ihnen der Rechtsweg offen steht, wenn die Gemein-de den Antrag des Mieters auf Kauf der Wohnung ab-lehnt bzw. behindert.

Geplant ist eine Finanzierung des Verkaufs von Sozial-wohnungen durch Hypotheken von Wohnungsbau- und Versicherungsgesellschaften sowie durch Hypotheken der örtlichen Behörden. Die geringen Kosten für die Steuerentlastungen auf zusätzliche Hypotheken würden durch die höheren Einnahmen aus einem umfassenden Programm zum Verkauf von Sozialwohnungen mehr als kompensiert werden.

Die Bereitstellung von Wohnraum durch örtliche Behör-den ist kostspielig und nicht immer effizient. Bei vielen städtischen Behörden steht zu bezweifeln, dass sie den Wohnungsbestand überhaupt erweitern werden. Viele von örtlichen Behörden durchgeführte Neubauprojekte bestehen im Wesentlichen darin, dass in einem teuren Prozess ganze Gegenden plattgewalzt und zu Schutthau-fen aufgeschoben werden und innerhalb des Mietsektors ein Hebel von privat zu staatlich umgelegt wird.

Der Wohnungsbestand übersteigt heute die Anzahl der Haushalte um mehr als eine Dreiviertelmillion; die Nach-frage nach Sozialwohnungen wurde dabei künstlich in die Höhe getrieben, und zwar durch immer mehr stark sub-ventionierte Mieten (die die Gemeinden „zwingen“, neue Bauvorhaben umzusetzen, da nur relativ wenige leere

Page 196: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

195

Wohnungen zur Weitervermietung zur Verfügung stehen) und durch eine Gesetzgebung, die für einen stark verrin-gerten zur Miete zur Verfügung stehenden Privatbestand gesorgt hat.“ (S. 52-3)

Der Duktus dieser Passage ist negativ und konzentriert sich auf eine Kritik des sozialen Wohnungsbaus sowie dessen Finanzierung. Die implizite Aussage dieses Arguments ist, dass Mieter ohne Grund durch ihre Vermieter davon abge-halten werden, ihre Wohnungen zu kaufen. Tatsächlich hatte die Heath-Regierung ein freiwilliges System zum Verkauf von Sozialwohnungen eingeführt (Sillars 2007), das jedoch von der 1974 gewählten Labour-Regierung nicht weiterge-führt wurde. Wenn diese Politik auf eine gesetzliche Grund-lage gestellt würde, erhielten Mieter die Möglichkeit, ihren Kaufwünschen Ausdruck zu verleihen. Implizit würde da-durch zudem das verhindert, was sie als die verschwende-rischen und destruktiven Gepflogenheiten von Gemeinden betrachten, die als Vermieter und Bauherren agieren.

Bei den Parlamentswahlen 1979 wurde die RTB-Politik be-reits deutlich konkreter formuliert:

„Viele Familien, die in Sozialwohnungen und New Towns leben, würden gerne Wohneigentum erwerben, haben aber entweder nicht die Mittel dazu oder werden von den örtlichen Behörden oder der Labour-Regierung daran ge-hindert, dies zu tun. Es ist an der Zeit, diesen Beschrän-kungen ein Ende zu setzen. In der ersten Sitzung des

Page 197: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

196

neuen Parlamentes werden wir daher Mietern von Sozial-wohnungen und Wohnungen in New Towns unter Be-rücksichtigung der besonderen Gegebenheiten in länd-lichen Gebieten und des Bedarfs an Einrichtungen für betreutes Wohnen für ältere Menschen per Gesetz das Recht verleihen, ihre Wohnungen zu kaufen. Vorbehalt-lich besonderer Regeln im Falle eines Weiterverkaufs, bieten die von uns vorgeschlagenen Bedingungen beim Kauf einer Sozialwohnung einen Nachlass auf deren Marktwert, der die Tatsache widerspiegelt, dass den Mietern solcher Wohnungen nicht ohne weiteres gekün-digt werden kann. Diese Nachlässe steigen von 33% nach drei Jahren mit Fortdauer des Mietverhältnisses bis auf 50% nach zwanzig Jahren an. Darüber hinaus werden wir sicherstellen, dass für den Kauf von Sozialwohnungen und Wohnungen in New Towns eine Vollfinanzierung über Hypotheken möglich ist. Die genannten Mieter sollen zu-dem das Recht haben, befristete Optionen auf ihre Woh-nungen zu erhalten, sodass sie schon im Voraus den Preis, zu dem sie kaufen können, kennen und darauf spa-ren können.“ (Abschnitt 5, keine Seitenangabe)

Diese Politik wird durch die Selbstverpflichtung der Partei, bei der ersten Gelegenheit nach der Wahl eine entspre-chende Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, als eine Pri-orität dargestellt. In der Folge wurde diese Politik überdacht und verfeinert. Mögliche Optionen wie die Bereitstellung von Wohnungen in ländlichen Gebieten und Einrichtungen für betreutes Wohnen wurden dabei ebenso berücksichtigt

Page 198: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

197

wie die praktische Umsetzung von Bewertungen und der tatsächliche Entscheidungsfindungsprozess der Haushalte. Den Haushalten sollte dabei über einen für einen bestimmten Zeitraum festgelegten Wert eine gewisse Sicherheit gege-ben werden.

Wie man an der sehr knappen Art, in der die Konservativen ihre Leitlinien in ihrem Wahlprogramm von 1979 darlegen konnten, sehen kann, war das Vorhaben zu dieser Zeit durch eine besondere Schlichtheit und Verlockung gekennzeich-net. Zu seiner Rechtfertigung waren weder eine besondere Sprache noch komplexe Argumentationsketten erforderlich, wie dies früher oder später in der Wohnungspolitik häufig der Fall war. Das RTB konnte in einfacher Sprache mit Be-griffen erklärt werden, die alle verstehen konnten. Der zu-grunde liegende Mechanismus war klar – Stellen eines An-trags, Erhalt einer für einen bestimmten Zeitraum geltenden Bewertung, Anspruch auf eine Hypothek – und ebenso klar waren auch die Anreize in Form eines großzügigen Nach-lasses. Im Folgenden soll untersucht werden, warum das Gesetz sich nach seiner Umsetzung so schlecht verkaufte.

Die Vorschläge im Rahmen des RTB für England und Wales waren im Wohnungsbaugesetz von 1980 verankert, das schottische Mietrecht von 19803 stimmte in weiten Teilen mit den oben dargestellten Vorschlägen überein. Das Er-

3 Das schottische Wohnrecht unterscheidet sich wie viele Aspekte der Gesetzgebung von den in England geltenden Vorschriften.

Page 199: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

198

messen der örtlichen Behörden, ihre Wohnungen zu verkau-fen, wurde durch ein Gesetz ersetzt, das Mietern, die ihre Wohnung seit mindestens drei Jahren bewohnten, ein Recht auf den Kauf dieser Wohnung verlieh. Diese Regelung galt für die meisten Bestandsmieter einschließlich aller Sozial-wohnungen, New Towns und nicht gemeinnützigen Woh-nungsverbände. Bestimmte Wohnungstypen wie betreute Einrichtungen für ältere Menschen und Wohnungen in länd-lichen Gebieten waren von der Regelung ausgenommen. Insgesamt war das Ziel jedoch, so viele Wohnungen wie möglich mit in das Programm aufzunehmen. Um die Verfah-ren und die Verwaltung Bürgern im gesamten Land gleicher-maßen zugänglich zu machen, wurde ihnen Unterstützung angeboten und der Minister erhielt die Befugnis, in das Ver-fahren einzugreifen und dieses zu überwachen. Die dem zu-grunde liegende Befürchtung war, dass bestimmte Gemein-den versuchen würden, ihre Mieter in der Ausübung ihrer Rechte zu behindern. Diese Befürchtung sollte sich als be-gründet erweisen (Malpass und Murie 1999).

Das Gesetz sah eine Methode zur Immobilienbewertung und ein auf der Dauer des Mietverhältnisses beruhendes Nachlasssystem vor, das nicht zwangsläufig auf die aktuelle Wohnung bezogen sein musste. So konnten Mieter nach drei Jahren einen Kauf gemäß RTB mit einem Nachlass von 33% beantragen. Der Nachlass stieg dabei um 1% jährlich bis auf maximal 50%.

Page 200: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

199

Verkauften die Mieter ihre Wohnung innerhalb der ersten fünf Jahre, sah das Gesetz die Rückzahlung des gesamten bzw. eines Teils des Nachlasses vor, der sich für jedes volle Jahr um 20% verringert.

Ein weiterer dem Wahlprogramm entnommener Aspekt be-traf den Anspruch auf eine Vollfinanzierung durch eine Hy-pothek zu vom Ministerium festgelegten Konditionen. Für den Fall, dass ein Mieter seinen Kauf verschieben wollte, bestand zudem die Möglichkeit, die ermittelte Bewertung für bis zu zwei Jahre einzufrieren.

All diese Maßnahmen zeigen das Bild eines genau ausgear-beiteten Gesetzes, das einige der zentralen Probleme der Umsetzung eines solchen Programms wie den Widerstand der örtlichen Behörden und die Schwierigkeit der Bereitstel-lung von Wohnungen mit besonderen Merkmalen aufgreift. Seit seinem Bestehen wurde das RTB jedoch vielfach er-gänzt und angepasst. Unter der konservativen Regierung zielten diese Änderungen größtenteils auf eine Ausweitung des Systems ab, während die seit 1997 durch die Labour-Regierung beschlossenen Anpassungen restriktiver waren. Trotz dieser Änderungen bleibt das RTB weiterhin in Kraft und scheint, soweit heute absehbar, unumstößlich zu sein.

3. Die Folgen des Right to Buy

Wie bereits angedeutet und wie in Tabelle 1 dargestellt hat-te das RTB beachtliche Folgen. An erster Stelle ist hierbei

Page 201: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

200

die Tatsache zu nennen, dass das RTB knapp über 2,5 Milli-onen Mietern zu einem Eigenheim verhalf. Man kann dem gleichgültig gegenüberstehen, doch handelt es sich um eine durchaus beeindruckende Zahl. Bedenkt man, dass es 2006 in Großbritannien insgesamt nur 2,6 Millionen Sozialwoh-nungen gab, erhält man vielleicht eine Vorstellung von den tatsächlichen Folgen dieser politischen Maßnahme. Knapp 40% der Sozialwohnungen wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt und 2,5 Millionen Haushalte erhielten Zugang zu einem eigenen Vermögenswert, finanzieller Unabhängig-keit und persönlicher Verantwortung, Faktoren, die die kon-servative Partei für den Aufbau einer postsozialistischen Gesellschaft für wichtig erachtete.

Eine andere Wohnungspolitik mit ähnlich umfassenden Fol-gen ist nur schwer vorstellbar. Einzig der soziale Wohnungs-bau selbst, mit über sechs Millionen neuen Wohnungen zwi-schen 1923 und 1980, kommt dieser Entwicklung nahe, wenn auch in einem deutlich längeren Zeitrahmen.

Das RTB hatte gegenüber anderen politischen Maßnahmen – einschließlich des sozialen Wohnungsbaus – sicher einen wesentlichen Vorteil: Die einfache Tatsache, dass die Res-sourcen für dieses Gesetz unmittelbar zur Verfügung stan-den. Die direkten Kosten des RTB im Vergleich zu einem massiven Wohnungsbau waren zu vernachlässigen und ein großer Teil davon entfiel nicht direkt auf die Zentralregie-rung, sondern wurde von den örtlichen Behörden als Eigen-tümer des Bestands getragen. Das RTB konnte eine solche

Page 202: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

201

direkte Wirkung entfalten, da sechs Millionen Wohnungen unmittelbar für den Verkauf infrage kamen. Eine langwierige und umfangreiche Vorbereitung zur Bereitstellung der Res-sourcen für das Gesetz war damit nicht erforderlich. Zudem erforderte das RTB keine umfangreichen Veränderungen bei den betroffenen Haushalten; sie konnten Wohnungsei-gentümer werden, ohne erst umziehen zu müssen. Das RTB war also von einer großen Einfachheit geprägt. Insgesamt kann das Projekt als eine politische Maßnahme für eine Ge-neration angesehen werden, die von dem glücklichen Zu-sammentreffen von Angebot, Nachfrage, Gelegenheiten und einem besonderen System profitierte, was folgende Zahlen verdeutlichen:

Tabelle 1: RTB-Verkäufe

Jahr England Schottland Wales Großbritannien1980 55 2157 0 22121981 66321 10096 7196 843331982 174697 13544 16088 2043291983 120659 17321 9088 1472081984 86315 15248 5650 1072131985 78433 14473 5622 983281986 77144 13322 5420 958561987 86845 18594 5609 1110481988 132980 31480 9605 1740651989 144754 38443 12753 1959501990 96729 32535 6487 135751

Page 203: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

202

1991 53462 22694 3503 796591992 42280 23521 3823 686241993 42034 19787 2814 636351994 45875 21128 3132 701351995 34553 16636 2369 535581996 34161 13023 2093 492771997 44375 17369 2632 643761998 44256 14948 2614 618181999 58462 14227 3466 761552000 61956 14935 3522 804132001 58955 14095 3446 764962002 68996 17343 4288 906272003 85934 20698 6924 1135562004 67160 15203 5063 874262005 36353 13033 2090 513762006 24190 10487 1366 360432007 16410 7420 1017 24847Gesamt 1884214 483560 137540 2505314Quelle: Wilcox, 1999, 2008.

Noch deutlicher werden die Folgen des RTB bei der Betrach-tung der in Tabelle 2 zusammengefassten Daten über die Ver-änderung der Wohnsituation zwischen 1981 und 2006. Die hier aufgeführten Zahlen zeigen, inwiefern sich die Wohnsitu-ation in den einzelnen Teilen Großbritanniens verändert hat. Daraus geht hervor, dass der Eigentumsanteil seit Einführung des RTB-Gesetzes deutlich gestiegen und der Wohnungsbe-stand der örtlichen Behörden in noch höherem Maße gesun-ken ist. Letzteres ist auf das RTB zurückzuführen, jedoch

Page 204: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

203

auch auf eine Verlagerung des Bestandes (der teilweise für das Wachstum von Wohnungsbaugesellschaften verantwort-lich ist, ebenso wie die Tatsache, dass alle neu gebauten So-zialwohnungen in diesem Sektor erfolgten). Der Rückgang der Sozialwohnungen schlägt sich am deutlichsten in Schott-land nieder, wo nur noch 35% des Bestands von 1981 (ge-genüber 43,5% in England) vorhanden sind, wenngleich die-ser Anteil in Bezug auf den Gesamtbestand noch immer höher ist.

Tabelle 2: Änderung der Wohnsituation, 1981-2006 (%)

1981 2006EnglandEigennutzung 59,8 70,2Privatvermietung 11,3 11,9Wohnungsbaugesellschaft 2,3 8,4Örtliche Behörde 26,6 9,5

SchottlandEigennutzung 36,4 67,1Privatvermietung 9,7 7,4Wohnungsbaugesellschaft 1,8 10,5Örtliche Behörde 52,1 15,1

WalesEigennutzung 61,9 72,7Privatvermietung 9,6 10,4Wohnungsbaugesellschaft 2,2 5,0Örtliche Behörde 26,4 11,9

Page 205: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

204

GroßbritannienEigennutzung 57,7 70,1Privatvermietung 11,1 11,4Wohnungsbaugesellschaft 2,2 8,4Örtliche Behörde 29,0 10,1Quelle: Wilcox, 2008.,

Angesichts dieser Zahlen sollte festgehalten werden, dass zwar der Wohnungsbestand der Wohnungsbaugesell-schaften (um bislang knapp 400%) angestiegen ist, dass dies jedoch nicht ausgereicht hat, den Rückgang bei den Sozialwohnungen auszugleichen. Beide Sektoren gemein-sam kamen 1981 auf 31,2% gegenüber 18,5% im Jahr 2006. Das zeigt deutlich, dass die Absicht der Konservativen Er-folg hatte, die Bedeutung von Sozialwohnungen zu reduzie-ren. Die politische Folge ist, dass Sozialwohnungen selbst in Schottland, wo diese einst die am weitesten verbreitete Wohnsituation darstellten, heute politisch zu vernachlässi-gen sind. Sozialwohnungen sind heute eine Wohnform, die zwar existiert, die den Politikern und der Bevölkerung allge-mein aber nur geringfügige Unterstützung abverlangt. Es be-steht weiterhin Bedarf an Sozialwohnungen (Hills 2007) und die Regierung akzeptiert das, doch bedeutet dies keines-wegs, dass das Thema eine Priorität wäre. Einzig hinsichtlich der Vorherrschaft selbstgenutzten Wohneigentums sind Sozialwohnungen nach wie vor von politischer Bedeutung, so dass die Regierung der Auffassung ist, dass es notwen-dig ist, die Wohnungsmärkte zu verwalten und Immobilienei-gentümern ihre Unterstützung anzubieten (CLG, 2007).

Page 206: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

205

4. Argumente gegen das Right to Buy

Hat sich das RTB unter vielen Mietern als populär erwiesen und genießt breite politische Unterstützung, so äußert sich ein Großteil der akademischen Literatur grundsätzlich ableh-nend gegenüber dieser politischen Maßnahme. Die Literatur über das RTB bietet ein breites Spektrum an Kritik. Zahl-reiche Studien erheben den Anspruch, die nachteiligen Fol-gen des RTB aufzuzeigen und argumentieren für seine Ab-schaffung. Es ist jedoch nur allzu deutlich, dass den Kritikern die Argumente ausgehen. Die Labour-Partei war anfangs gegen das RTB, wurde jedoch durch die Realität der Wahl-kampfpolitik gezwungen, diesen Weg 1987 zu akzeptieren und unterstützt seither das RTB und selbstgenutztes Woh-neigentum allgemein ebenso lautstark wie die Konserva-tiven. Viele der Argumente gegen das RTB können daher ignoriert werden und sei es nur deshalb, weil sie von gerin-ger praktischer Bedeutung waren. Worauf in diesem Zu-sammenhang hingewiesen werden sollte ist, dass sich die Kritik in weiten Teilen nicht gegen die Vorteile selbstge-nutzten Wohneigentums an sich richtete, sondern gegen die Folgen des RTB für den Sozialwohnungssektor. Das RTB wurde daher nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern vielmehr deshalb, weil es als ein Einschnitt in den Sozial-staat empfunden wurde. Wie aus obigen Tabellen hervor-geht, hatte das RTB einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Sozialwohnungssektor. Dies führte dazu, dass Kritiker vorbrachten, die Gesellschaft sei durch dieses Gesetz we-

Page 207: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

206

niger gut in der Lage, mit Bedarfsprioritäten und Obdachlo-sigkeit umzugehen.

Dieses Argument legt nahe, dass zwischen einer kollektivi-stischen und einer individualistischen Sichtweise der Woh-nungspolitik unterschieden werden sollte. Die Kritiker des RTB sehen das Gesetz mit kollektivistischen Augen und blei-ben daher mit Themen wie Maßnahmen zur Sicherung der Wohnstandards und allgemeinen Fragen zur Wohnungs- und Finanzpolitik abstrakt an der Oberfläche. Bei jedem Haushalt, der sich für einen Wohnungskauf entschied oder einen sol-chen anstrebte, handelte es sich jedoch um eine individuelle, auf den eigenen Wünschen und Zielen beruhende Entschei-dung. Dies setzte keine Abstraktion, sondern vielmehr die Entschlossenheit voraus, eine bestimmte Beziehung zur eige-nen Wohnung aufzubauen. Dies vorausgesetzt kann unter-sucht werden, aus welchen Gründen das RTB für viele so reizvoll war und warum es so einfach war, sich über die Kriti-ker dieses politischen Ansatzes hinwegzusetzen. Gemein-schaftliche Fragen konnten und sollten nicht schwerer wiegen als die materiellen Belange Einzelner.

Trotz allem soll auf drei Argumente gegen das RTB etwas ge-nauer eingegangen werden. Das erste Argument betrifft die Tatsache, dass der große Erfolg des RTB größtenteils, wenn nicht ganz, auf die angebotenen Preisnachlässe zurückzufüh-ren war. Das RTB bot Mietern mit einem bestehenden Miet-vertrag die Möglichkeit, ihre Wohnung mit einem Preisnach-lass von mindestens 32% bis zu maximal 60% zu kaufen. Der

Page 208: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

207

tatsächliche Grund für den Erfolg des RTB hatte folglich nichts mit dem sehnlichen Wunsch nach einem Eigenheim zu tun, sondern beruhte auf finanziellen Anreizen. Mit anderen Wor-ten: 2,5 Millionen Haushalte in Großbritannien wurden gewis-sermaßen „bestochen“, eine Eigentumswohnung zu kaufen, so dass davon auszugehen ist, dass die meisten dieser Haus-halte ohne das RTB und die im Zuge dessen gebotenen finan-ziellen Anreize vermutlich kein Wohneigentum erworben hät-ten. Die Nachlässe trugen also dazu bei, die Politik attraktiver zu machen und verleiteten sicher viele Haushalte dazu, das ih-nen auf dem Silbertablett dargebotene Angebot anzuneh-men. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele dieser Haushalte wenig bis keine Erfahrung mit Wohneigentum hat-ten. Es handelte sich um Haushalte, die noch nie eine eigene Immobilie besessen hatten und die nicht aus Verhältnissen stammten, in denen Wohneigentum die Regel war. Diese Arbeiterhaushalte benötigten vielleicht gerade deshalb eine Art Belohnung dafür, dass sie, wie die konservative Regie-rung es wünschte, Eigentum erwarben. Diese Haushalte, so könnte man sagen, mussten erst an den Gedanken selbst-genutzten Wohneigentums gewöhnt werden.

Dieses Argument rechtfertigt jedoch noch nicht die ge-währten Preisnachlässe. Meist wird an dieser Stelle vorge-bracht, dass die Mieter bereits einige Jahre über Miete be-zahlt hatten und die Nachlässe dies honorieren sollten. Darauf könnte man entgegnen, dass es sich bei Mietzahlungen um

Page 209: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

208

eine Art Nutzungsgebühr handelt und damit nur die Bereit-stellung von Wohnraum betrifft. Mietzahlungen sind insofern nichts anderes als eine Kinokarte oder das Mieten eines Au-tos. In keinem der genannten Fälle wird angeregt, aufgrund dieser Zahlungen einen Nachlass zu gewähren.

Mietzahlungen stehen jedoch in keinerlei Zusammenhang zu Produktionskosten oder laufenden Kosten, die eher durch nationale Gesetze festgesetzt werden. Mietzahlungen ba-sieren auch nicht auf Ist-Kosten, sondern werden von der Regierung auf Grundlage von bestimmten Zielen festgelegt, die je nach gewünschter Höhe der Unterstützung bestimmt werden. Darüber hinaus besteht auch keine Verbindung zwi-schen Mietzahlungen und den Bedingungen von Angebot und Nachfrage. Eine Marktmiete oder marktbasierte Miete gibt es ebenso wenig wie einen besonderen Bezug zu den laufenden Bereitstellungskosten. Entsprechend hat ein Mie-ter in einem älteren Wohnhaus möglicherweise deutlich mehr bezahlt, als den Investitionskostenbetrag der Woh-nung sowie die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass Mieter von Sozialwohnungen schon immer finanziell unterstützt wurden. Die Mehrheit der Mieter erhält das in Großbritannien gesetzlich vorgesehene Wohngeld und ge-gebenenfalls geleistete Mietzahlungen liegen unterhalb der üblichen Marktwerte. Es ist also nicht zutreffend, dass nur RTB-Haushalte vom Staat unterstützt wurden. Der durch-

Page 210: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

209

schnittliche Nachlass 2006/074 in England belief sich auf 24.970 £. Dabei handelt es sich wie gesagt um eine einma-lige Beihilfe; eine weitergehende staatliche Unterstützung erfolgt nicht.

Mieter von Sozialwohnungen haben hingegen über weite Zeiträume eine finanzielle Unterstützung in beträchtlichem Umfang erhalten. 2006 betrug die durchschnittliche Wo-chenmiete in England 57,69 £ gegenüber einem durch-schnittlichen Mietzins in Höhe von 115,55 £ auf dem pri-vaten Mietmarkt. Das bedeutet, dass die Mieter von Sozialwohnungen eine effektive Unterstützung in Höhe von 57,86 £ pro Woche bzw. 3008,72 £ pro Jahr erhalten (Wil-cox 2008).

Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Mieter von Sozialwohnungen die Möglichkeit haben, in zweierlei Weise finanzielle Unterstützung zu erhalten. 2006 wurde an 53% der Bewohner von Sozialwohnungen Wohngeld in Höhe von durchschnittlich 51,70 £ pro Woche bzw. 2.688,40 £ pro Jahr bezahlt. Summa summarum greift der Staat folglich ei-nigen dieser Mieter mit 5.697,12 £ pro Jahr finanziell unter die Arme (Wilcox 2008). Insgesamt betrachtet kann ein Mie-ter einer Sozialwohnung damit innerhalb von 4,3 Jahren auf eine staatliche Hilfe in Höhe des durchschnittlichen RTB-Nachlasses kommen. Diese Tatsache ist insbesondere aus

4 Die Wahl fiel auf dieses Bezugsjahr, da für dieses zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrages die letzten vollständigen RTB-Daten vorlagen.

Page 211: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

210

dem Grund von Bedeutung, dass Mieter ihre Wohnung heu-te fünf Jahre bewohnen müssen, um einen Antrag auf RTB stellen zu können.

Mieter von Sozialwohnungen, die zudem Wohngeld bezie-hen, erhalten demnach eine beträchtliche staatliche Finanz-hilfe, die vergleichbar ist mit dem Betrag, der RTB-Haushal-ten gewährt wird. Im Gegensatz zu diesen müssen diese Mieter sich jedoch nicht erst über einen bestimmten Zeit-raum für diese Beihilfe qualifizieren und müssen zudem kei-ne eigenen Ressourcen aufwenden. Anders als von RTB-Haushalten wird von Haushalten, die Wohngeld beantragen, keine Gegenleistung für die Unterstützung verlangt. Man könnte vorbringen, dass Haushalte, die Wohngeld beziehen, die Hilfe aufgrund der Situation, in der sie sich befinden, eher verdienen als die RTB-Haushalte. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Situation dieser Haushalte nicht von diesen selbst verschuldet ist und dass ihnen keine Alterna-tiven offen stehen.

Was hierdurch suggeriert werden soll ist, dass RTB-Haus-halte nicht die einzigen sind, die in den Genuss einer staatli-chen Unterstützung kommen, und dass die Mieter von Sozi-alwohnungen vergleichbare Beihilfen erhalten, die zudem unter weniger scharfen Bedingungen gewährt werden. Das bedeutet, dass die diesen Haushalten gewährten Beihilfen im Vergleich zu den aktuellen finanziellen Regelungen in Be-zug auf Sozialwohnungen nicht übermäßig hoch sind. Es muss daher zu der normativen Frage zurückgekehrt wer-

Page 212: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

211

denn, ob Bedürftigkeit – im Sinne der Unterstützungsfähig-keit durch Wohngeld – schwerer wiegt als konsequentes Verhalten und der Bedarf nach einer persönlichen finanzi-ellen Unterstützung.

Es gibt natürlich viele weitere finanzielle Fragen, die an die-ser Stelle diskutiert und als Gegengewicht zu den hier dar-gelegten Argumenten vorgebracht werden könnten. So könnten zum Beispiel entgangene Mieteinnahmen, die Ge-rechtigkeit von Kapitalerträgen für Käufer usw. berechnet werden. Das zentrale Anliegen dieser kurzen Diskussion be-stand jedoch darin aufzuzeigen, dass die finanziellen Fragen sich keineswegs eindeutig darstellen und dass sich stets nachweisen lassen wird, dass Nachlässe im Vergleich zu Beihilfen für die Mieter von Sozialwohnungen in finanzieller Hinsicht gerechtfertigt sind.

Dennoch rechtfertigt diese auf die Finanzen bezogene Dis-kussion nicht zwangsläufig die betroffenen Grundsätze. Un-abhängig von der jeweiligen Situation der Mieter von Sozial-wohnungen stellt sich die Frage, ob es grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, Eigenheimbesitzern Beihilfen zu gewähren. Diese Frage führt zu unserem zweiten Argument gegen das RTB, das vom rechten Flügel des politischen Spektrums vorgebracht wurde.

Man könnte annehmen, dass das RTB von der gesamten Rechten begrüßt würde. Doch wäre dies eine eher vereinfa-chende Annahme bezüglich der Homogenität der Rechten.

Page 213: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

212

Während viele Konservative nichts Falsches an einer Inter-vention der Regierung finden können (je nachdem, worauf eine solche Intervention abzielt), gibt es bei der so genann-ten Neuen Rechten, die die Regierung von Margaret That-cher beeinflusste, eine starke Strömung, die klassisches li-berales bzw. libertäres Gedankengut verficht (Green 1987; King 2006). Diese besondere Strömung stellt infrage, ob eine Regierung in die Wohnungsmärkte eingreifen sollte. Stattdessen sind ihre Vertreter der Ansicht, dass die Rolle der Regierung einzig darauf begrenzt sein sollte, für niedrige und stabile Zinssätze zu sorgen. Wenn Mieter von Sozial-wohnungen folglich eine Wohnung kaufen möchten, steht es ihnen selbstverständlich frei, dies zu tun – doch sollten sie dabei nicht auf finanzielle Beihilfe durch den Staat vertrauen können. Einzelne Libertäre akzeptieren zwar, dass Mietern die Möglichkeit geboten werden sollte, ihre Sozialwohnung zu kaufen, um sie dadurch von der Kontrolle durch den Staat zu befreien, doch möchten auch sie keinen Preisnachlass gewährt wissen.

Von diesem Standpunkt aus wird das RTB als illegitimes So-cial Engineering betrachtet, da es versucht, die Entschei-dungen Einzelner zu manipulieren und ihr Verhalten durch besondere Anreize zu beeinflussen, mit dem Ziel, die be-stimmten Ziele anderer zu erreichen. Selbstgenutztes Woh-neigentum ist aus dieser Sicht zwar eine gute Sache, doch sollte dies nicht anderen durch den Einsatz von Anreizen aufgenötigt werden. Dabei ist es kaum relevant, dass das Ziel dieser besonderen Form des Social Engineering das

Page 214: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

213

Schaffen von Unabhängigkeit und persönlicher Verantwor-tung ist.

Dies wirft die allgemeinere Frage auf, ob der Staat in der Lage ist, Menschen durch sein Handeln freier zu machen oder ob alle Entscheidungen von den Individuen selbst ge-troffen werden sollten (Narveson 1988). Hier könnte es zu einer gewissen Spannung zwischen Freiheit und Verantwor-tung kommen. Das RTB zeigt in der Tat die Unterschiede zwischen den libertären und konservativen Positionen auf, von denen gesagt wird, sie haben die konservative Partei in der Thatcher-Ära beeinflusst. Erstens: Das RTB fördert Un-abhängigkeit, persönliche Verantwortung, Selbstständigkeit und Freiheit von staatlicher Intervention. Doch zweitens ist dies nur in Ausübung der Staatsgewalt einer Regierung möglich, die zu wissen glaubt, was für ihre Bürger am be-sten ist. Das RTB beruht also auf einem Top-down-Ansatz und auf staatlichen Beihilfen, die sich an besonders bedürf-tige Gesellschaftsgruppen wenden.

Eine Möglichkeit, damit umzugehen besteht darin, das RTB nicht als Social Engineering zu begreifen, sondern einfach als eine Art Privatisierung. Unter diesem Blickwinkel ver-setzt das RTB Wohnraum schlicht in seinen „natürlichen“ Zustand als Teil eines Marktes zurück und zwar dorthin, wo er vor der staatlichen Intervention gewesen wäre. An dieser Stelle könnte die Frage diskutieren werden, was genau mit „natürlich“ gemeint ist: Es könnte im Sinne Hayeks als Er-gebnis nicht zielgerichteter Gestaltung, sondern einfacher

Page 215: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

214

menschlicher Interaktion verstanden werden (Haye 1988). Dies wäre jedoch Haarspalterei, denn Fakt ist, dass das RTB Wohnraum in dem Zustand belässt, in dem er sich auch ohne staatliche Intervention befände.

Unabhängig vom Wert dieses Arguments müssen wir je-doch anerkennen, dass das RTB primär auf einer konserva-tiven und nicht auf einer libertären Politik fußte. Wie bereits in A Conservative Consensus? (King 2006) dargelegt, stellte das RTB wie viele politischen Handlungen der Thatcher-Ära die Dominanz der praktischen und pragmatischen Reaktion auf das unmittelbar Ideologische unter Beweis. Solange das RTB auf einer klaren ideologischen Grundlage stand, ging es den Konservativen darum, dass eine bestimmte poli-tische Entscheidung, wenn sie erst einmal getroffen war, auch so gut wie möglich umgesetzt werden sollte. Der bri-tische Konservatismus ist eine Ideologie, der es eher auf den Prozess als auf das Ergebnis ankommt. Dieser extrin-sische Ansatz ist von Bedeutung für das Verhältnis zu Sach-verhalten wie Eigeninteresse, persönliche Verantwortung und Erwartungen sowie für das Gespür dafür, was praktika-bel und möglich ist. All diese Begriffe betreffen ein ober-flächliches Gespür für die Dinge und eine Unmittelbarkeit von Erfahrungen und Reaktionen. Der Konservativismus ist im Gegensatz zum Libertarismus und den Ideologien des linken Spektrums willkürlich und befasst sich damit, wie Ein-zelne auf Anreize zur Schaffung einer sozialen Stabilität rea-gieren. Das RTB ist ein konkretes Beispiel für diesen kon-servativen Ansatz. Das mag alle Libertäre enttäuschen,

Page 216: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

215

Konservative hingegen würden sicher argumentieren, dass der Zweck die Mittel rechtfertigt.

Doch verschafft sich heute noch ein weiteres Argument über die Rolle der Regierung bei der Unterstützung des Ei-genheimerwerbs Raum, das auf den Zusammenbruch der Immobilienmärkte infolge der Kreditverknappung in den Jahren 2007 und 2008 zurückzuführen ist. Sicher kann an dieser Stelle argumentieren werden, dass es deshalb zu die-ser Krise kam, weil die Regierung selbstgenutztes Wohnei-gentum unterstützt und das Ziel verfolgt hat, Haushalten zu einem Leben im Eigenheim zu verhelfen (Ferguson 2008; Shiller 2008). Der Subprime-Immobilienskandal in den USA und der Zusammenbruch von Northern Rock in Großbritan-nien im Jahr 2007 entstanden auf Grundlage der allgemei-nen Förderung des Erwerbs von Wohneigentum durch die Regierungen und ihre Aufsichtsbehörden.

Auch das RTB wurde von dem Wunsch geleitet, Wohnei-gentum zu besitzen, sodass angesichts der Geschehnisse seit 2007 die Frage aufgeworfen werden kann, ob die Re-gierung diesen Wunsch unterstützen und zu seiner Befriedi-gung öffentliche Ressourcen verwenden sollte. Dabei kann wie von anderen Kommentatoren und Politikern auch nach den Auswirkungen der Kreditverknappung und der Immobi-lienrezession auf das RTB gefragt werden. Verändert sich dadurch die Haltung gegenüber dem RTB wesentlich?

Page 217: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

216

Im Dezember 2008 forderte die National Housing Federati-on5 (NHF) angesichts der Immobilienkrise die Aussetzung des RTB (Beattie 2008). Sie stützte ihre Forderung darauf, dass die hohe Anzahl von Wiederinbesitznahmen und der Mangel an Neubauten die Nachfrage nach Sozialwohnungen steigern würden und es daher nicht sonderlich sinnvoll sei, eben diese nicht in ausreichender Anzahl vorhandenen So-zialwohnungen zu verkaufen.

Austin Mitchell, Parlamentsabgeordneter der Labour-Partei, geht noch einen Schritt weiter als die NHF und fordert die Abschaffung des RTB (Beattie 2008). Mitchell ist Vorsitzen-der des Ausschusses für sozialen Wohnungsbau des bri-tischen Unterhauses und führt an, dass nach dem Rückzug privater Investoren aus dem Geschäft die Förderung des so-zialen Wohnungsbaus das einzige Mittel sei, die Baubran-che anzuregen. Auf den ersten Blick erscheint dieses Argu-ment sehr reizvoll: Ist es nicht unmoralisch, Sozialwohnungen unter Gewährung von Preisnachlässen zu verkaufen, wäh-rend viele Haushalte gleichzeitig darum kämpfen, ihre Hypo-theken ableisten und ihr Haus behalten zu können?

Doch nach einem Augenblick des Nachdenkens wird klar, wie opportunistisch eine solche Forderung nach einer Aus-setzung bzw. Abschaffung des RTB tatsächlich ist. Keine der 2008 verkauften Wohnungen und auch keine der Woh-nungen, die 2009 verkauft werden, stünde leer und damit

5 Englischer Interessenverband der Wohnungsbaugesellschaften.

Page 218: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

217

zur Neuvermietung zur Verfügung. Würde das RTB ausge-setzt, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese Mieter nicht ausziehen würden, da sie kaum auf ande-rem Wege als über das RTB an ein Eigenheim kommen könnten. Die Lage auf den Wohnungsmärkten hat dieser Gesellschaftsgruppe sowie Personen mit Hypothekenrück-ständen alle anderen Alternativen verbaut. Zudem war eine Folge der Rezession ein starker Einbruch bei den RTB-Ver-käufen. Dies bedeutet, dass eine Abschaffung des RTB nur wenig Wirkung zeigen würde, selbst wenn alle Wohnungen neu vermietet werden könnten. Die Äußerungen der NHF sind daher eher zu verstehen als ein Beispiel für unzuläng-liche Gedankengänge oder als Versuch, die Rezession auf den Immobilienmärkten dazu zu nutzen, eine Politik anzu-greifen, der sie seit jeher ablehnend gegenüberstand.

Interessant war jedoch zu beobachten, wie schnell und wie nachdrücklich die Antwort der Regierung an die NHF er-folgte. Die Argumentation der Regierung lautete, dass das RTB ein wesentlicher Teil ihrer wohnungspolitischen Strate-gie sei und daher keinesfalls ausgesetzt werden könne. Ebenso interessant war die Tatsache, dass die NHF in ihrem Anliegen von anderer Seite kaum offen unterstützt wurde und das Thema damit schnell ad acta gelegt war. Es kam zu keiner Kampagne gegen das RTB. Dies deutet darauf hin, dass offenbar kein echtes Interesse daran bestand, das Thema anzugreifen, vielleicht in dem Wissen, dass die Re-gierung seine Abschaffung als politischen Selbstmord be-greifen würde. Und obwohl das RTB heute nur noch margi-

Page 219: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

218

nale Wirkung zeigt, hat die namentlich links von der Mitte angesiedelte Regierung noch immer das Gefühl, diese Poli-tik offen unterstützen zu müssen.

Aber wirkt das RTB trotz der nachhaltigen Unterstützung durch die Regierung in Zeiten einer Rezession nicht doch etwas unangebracht? Man könnte vorbringen, dass die Bei-hilfen für den Wohneigentumserwerb besser an diejenigen ausbezahlt werden sollten, die Gefahr laufen, ihre Wohnung zu verlieren, anstatt andere zu einer Änderung ihrer Wohnsi-tuation zu ermutigen. Doch auch hier zeigt eine genaue Be-trachtung der zentralen Wesenseigenschaften des RTB, dass diese Überlegungen inkohärent sind. Um Zugang zu den Beihilfen für RTB-Haushalte zu erhalten, müssten die Vermieter von Sozialwohnungen ihre Wohnungen verkau-fen. Das liegt daran, dass die im Rahmen des RTB ge-währten Beihilfen nicht wie die Sozialhilfe oder andere Zu-schüsse einfach ausbezahlt werden, sondern die Form von Kapital annehmen, das vom Verkaufswert der Immobilie ab-gekoppelt wird. Die Beihilfe ist damit so lange in der Woh-nung gebunden, bis ein RTB-Antrag gestellt und der Verkauf bewilligt wird6 und kann daher nicht für andere Zwecke ver-wendet werden, sofern die Regierung nicht beschließt, RTB-Haushalte mit einem Betrag in Höhe eines Teils oder des gesamten gewährten Preisnachlasses zu besteuern. Eine solche Steuer würde nur im Falle eines Weiterverkaufs wirk-

6 Man könnte auch argumentieren, dass die Beihilfe nur dann realisiert wird, wenn die Wohnung vom RTB-Haushalt weiterverkauft wird.

Page 220: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

219

sam und könnte dabei als eine Art Dauerüberweisung fun-gieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine Regierung auf der einen Seite die Unterstützung von Wohneigentum fordert und auf der anderen Seite eine solche Steuer vor-schlägt.

Besonders interessant ist bei allen genannten Argumenten zum RTB, dass die Kritik nicht aus Sorge um den sozialen Wohnungsbau an sich, sondern aufgrund der schweren Kri-se des Wohneigentums entstanden ist. Das von Austen Mit-chell vorgetragene Argument für mehr Sozialwohnungen be-ruht auf der Notwendigkeit, Ersatz für die Wohnungen zu schaffen, die nicht von privaten Investoren gebaut werden. Die NHF wendet ein, dass die wachsende Anzahl von Wie-derinbesitznahmen und der Mangel an Neubauten die Nach-frage nach Sozialwohnungen steigern wird. Doch keines der genannten Argumente fußt auf einer klaren und auf Prin-zipien beruhenden Unterstützung des sozialen Wohnungs-baus. Vielmehr scheinen diese Argumente sich auf die Nor-malität von Wohneigentum als Hauptform des Wohnens und die Möglichkeit, der soziale Wohnungsbau könne in einer Krise unterstützend wirken, zu berufen. Darin verborgen lie-gen die implizite Annahme der zentralen Rolle von Wohnei-gentum sowie die These, der soziale Wohnungsbau könne nur als diesem untergeordnete Form des Wohnens gerecht-fertigt werden. In diesen Argumenten, mit denen zur Been-digung einer Politik aufgerufen wird, die Wohneigentum för-dert, liegt eine geradezu bewusste Perversion, da gerade

Page 221: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

220

Sozialwohnungen zur Unterstützung von Wohneigentum be-nötigt werden.

Die Diskussion hat eine Veränderung im Wesen der geäu-ßerten Kritik aufgezeigt. Es ist heute nicht mehr die Sorge um den sozialen Wohnungsbau, welche die Gemüter be-wegt, sondern die Lage auf den Immobilienmärkten und die mögliche Rolle anderer Wohnformen bei deren Unterstüt-zung. Wir könnten nun darauf verweisen, dass wir in einer Zeit nach dem RTB leben, in der die Argumente, die gegen dieses vorgebracht werden, von der ernsthaften oder gleich wie anders gearteten Sorge um die Lage des Wohneigen-tums herrühren. Vielleicht ist diese Haltung rein opportuni-stisch und die Kritiker, die diese vorführen standen dem RTB schon immer ablehnend gegenüber. Doch unabhängig davon zeigt sie uns, dass sich die Debatte über das RTB grundlegend geändert hat. Vieles weist darauf hin, dass di-ese Veränderung zumindest teilweise den Folgen des RTB im Bereich der Förderung des selbstgenutzten Wohneigen-tums geschuldet ist.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es auch in Zu-kunft Kritik am RTB geben wird, weil es immer Verfechter der Interessen des sozialen Wohnungsbaus geben wird. Es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, dass diese Kritik mehr Erfolg haben wird. Alle großen politischen Parteien stehen klar für eine Förderung von selbstgenutztem Woh-neigentum und dem RTB kommt als Nachweis dieser Förde-rung eine symbolische Bedeutung zu. Das wurde durch die

Page 222: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

221

Rezession nur noch deutlicher. Die Frage, die offen bleibt ist, was das RTB so einzigartig macht: Ist sein Erfolg rein zufällig und auf ein bloßes glückliches Zusammentreffen von Interessen und Umständen zurückzuführen oder können da-raus für künftige politische Entscheidungen allgemeinere Lehrengezogen werden?

5. Gründe für den Erfolg des Right to Buy

Die Wohnungspolitik hat einen großen Vorteil bei der Re-form der öffentlichen Ordnung (King 2003; 2009). Sie bietet mehr Raum für die Privatwirtschaft als dies bei Gesund-heits- und Bildungspolitik der Fall ist. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Bedarf an Wohnraum beständig und vorhersehbar ist. Wohnraum wird immer benötigt und unsere Bedürfnisse verändern sich in dem Bereich für ge-wöhnlich nicht so schnell wie der unvorhersehbare Bedarf im Gesundheitswesen. Selbst die Bedürfnisse von obdach-losen Haushalten können einfach erfasst werden und blei-ben stabil. Bedeutend ist dabei natürlich die Fähigkeit einzel-ner Haushalte, ihre Bedürfnisse zu befriedigen (King 2003). Diese Vorhersehbarkeit führt im Ergebnis dazu, dass wir un-sere Wohnraumbedürfnisse besser begreifen und entspre-chend planen können. Das wiederum bedeutet, dass Wohn-raum eher marktbasiert verfügbar gemacht werden kann. An dieser Stelle kann der Einwand vorgebracht werden, dass Wohnraum schon immer eher Zielscheibe von Privati-sierungsbestrebungen war als andere Sozialleistungen.

Page 223: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

222

Doch erklärt das allein noch nicht die verändernde Wirkung des RTB. Worauf ist der Erfolg des RTB also zurückzufüh-ren? Hierfür gibt es eine Reihe stichhaltiger Gründe. Einige davon sind der Maßnahme inhärent, andere eher allgemei-ner Natur.

Der erste Punkt ist, dass das RTB immer sehr klare Ziele verfolgte. Die Absicht dieser Maßnahme war immer leicht verständlich und auch der Nutzen lag auf der Hand. Sie ge-reichte offenkundig dem Einzelnen zum Vorteil. Ein zweiter wesentlicher Faktor ist, dass das RTB als politische Maß-nahme nicht schon bald wieder abgeschafft wurde. Im Ge-genteil: Es gelang ihm, schnell Fuß zu fassen und die ge-wünschte Wirkung zu erzielen. Das RTB verfügte über eine enorme Triebkraft und wurde schnell Teil des wohnungspo-litischen Arbeitsalltags. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 1983 wurde schnell klar, dass es sich breiter politischer Un-terstützung erfreute und nicht untergehen würde. Drittens war es ebenso wichtig, dass mit der Maßnahme ein kon-kretes Ziel verfolgt wurde und die Zielgruppe dieses Ge-setzes war groß genug, um eine echte Rolle zu spielen. Die Anzahl berufstätiger Mieter von Sozialwohnungen, die aus-reichend Kapital für einen Wohnungskauf angespart hatten, die aber bereits in einer Wohnung lebten, die ihnen vertraut war und in der sie sich wohl fühlten, war sehr hoch. Diese Haushalte verfügten über ein ausreichend hohes, regelmä-ßiges Einkommen, das ihrem Wunsch nach einem Eigen-heim den Rücken stärkte. Das RTB hatte dadurch einen Vorteil gegenüber anderen politischen Maßnahmen z.B. zur

Page 224: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

223

Förderung von Teileigentum (was bedeutet, dass ein Haus-halt einen Prozentsatz der Immobilie kauft und für den ande-ren weiterhin Miete bezahlt), die nur einen Teilbereich um-fassen, den Menschen nur eine geringe Auswahl bieten und sich an diejenigen richten, die per definitionem nicht genug Geld haben, um auf dem freien Markt eine Immobilie zu kau-fen. Viertens handelte es sich um etwas, was sich sehr viele Mieter wünschten.

Fünftens handelte es sich beim RTB um eine begrenzte po-litische Maßnahme, die sich nur an bestimmte Wohnungen und Haushalte richtete und wenige Variablen aufwies, die von der Regierung problemlos kontrolliert werden konnten. Zudem konnten Widerstände gegen dieses Gesetz einfach durch Regulierung und Anreize gelenkt werden (Malpass und Murie 1999; Sillars 2007). Mit anderen Worten: Die Re-gierung hatte die Möglichkeit, die Maßnahme zu kontrollie-ren und sicherzustellen, dass sie Mietern und ihr selbst zum Vorteil gereichte. Es handelte sich um eine Maßnahme, die nicht ohne weiteres von bestimmten Branchen oder ande-ren Interessensgruppen für sich beansprucht werden konn-te.

Sechstens: das RTB war eine rein proaktive politische Maß-nahme, die bis ins Detail geplant werden konnte und daher bei null anfing. Es ergab sich nicht als Reaktion auf be-stimmte Ereignisse, Probleme oder Krisen. Die Regierung konnte diese Politik ganz nach ihren Vorstellungen und ih-

Page 225: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

224

rem Zeitplan gestalten und sie daher mit einer gewissen Überzeugung umsetzen.

Die oben genannten Faktoren sind recht allgemeiner Natur und beziehen sich nicht zwangsläufig auf die besonderen Merkmale des Kaufs und Verkaufs von Sozialwohnungen. Es gibt jedoch eine Reihe spezifischerer Gründe, weshalb das RTB so gut funktionierte und als Vorbild für andere Po-litikbereiche herangezogen werden kann. Ein wichtiger Punkt ist in dem Zusammenhang, dass sich das RTB eher an Einzelne als an die Öffentlichkeit wendet. Es beruht auf dem Eigeninteresse und nicht auf einem abstrakten Altruis-mus. Es knüpft an die tatsächlichen Hoffnungen und Sehn-süchte des Einzelnen an, Wohneigentum zu besitzen und nicht an eher vage Begriffe wie Solidarität, die von uns ein starkes Gefühl gegenüber uns unbekannten Dritten ver-langt. Darüber hinaus ermutigt das RTB Haushalte dazu, die ständige und kontinuierliche Kontrolle über ihre Ressourcen zu behalten und bietet ihnen damit eine gewisse Planungssi-cherheit für die Zukunft und die Möglichkeit, ihr Vermögen nach Belieben einzusetzen. Das RTB ist nicht bedarfsab-hängig oder umstandsbedingt. Es verhilft Haushalten zu ei-ner reellen und dauerhaften Veränderung. Und diese Verän-derung, die ebenfalls für Sicherheit und Beständigkeit in den Entscheidungen der Haushalte sorgt, rückgängig zu ma-chen, zöge hohe politische und finanzielle Kosten nach sich.

Das RTB ist deshalb so wichtig, weil es das Verhältnis zwi-schen dem Einzelnen und dem Staat grundlegend und nach-

Page 226: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

225

haltig verändert. Es setzt einer späteren staatlichen Inter-vention in den Haushalt Grenzen. Haushalte sind damit nicht länger an eine bürokratische Intervention und Entschei-dungen gebunden, die andere gemäß Prioritäten treffen, die nicht die des Haushaltes sind. Das RTB besteht in einer Bei-hilfe, die jedoch auf einen anfänglichen Preisnachlass be-grenzt ist und keine weitergehende Unterstützung bietet. Diese Beihilfe hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Regierungsausgaben oder die Steuerlast der Einzelnen. Im Gegenteil könnte man sogar sagen, dass es die Finanzlast der Regierung durch eine Senkung der Staatsverschuldung auf längere Sicht erleichtert. Das RTB hat so den deutlichen Vorteil, dass die Verantwortung gegenüber dem Steuerzah-ler im Gegensatz zur Leistung von Wohngeld begrenzt ist, denn der Zugang eines Haushalts zu anderen Beihilfen wie z.B. Wohngeld wird durch den Kauf eines Eigenheims ver-sperrt7.

Das RTB zwingt die Menschen, für sich selbst und ihre Nächsten zu sorgen und diese Verantwortung kann nicht einfach auf den Staat zurückprojiziert werden. Nach Schmidtz (1998) sollte die Politik ihre Anstrengungen darauf verwenden, bei den Menschen ein eigenes Verantwor-tungsbewusstsein zu verinnerlichen, anstatt sie zu zwingen, sich auf externe Kräfte wie den Staat zu verlassen. Schmidtz

7 Wohngeld steht ausschließlich Haushalten mit geringem Einkommen in Mietverhältnissen zur Verfügung, nicht jedoch Besitzern selbstgenutzten Wohneigentums.

Page 227: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

226

stellt fest, dass Verantwortung „verinnerlicht wird, wenn die Betreffenden selbst Verantwortung übernehmen: für ihr ei-genes Wohlergehen, ihre Zukunft oder die Konsequenzen ihres Handelns“ (S. 8). Er weist darauf hin, dass „Eigentums-rechte für Einrichtungen, die die Menschen dazu bringen, selbst Verantwortung für ihr Wohlergehen zu übernehmen, von herausragender Bedeutung sind“ (S. 22). Er geht sogar so weit zu behaupten, dass der „Aufbau von Eigentum das umfänglichste und erfolgreichste Experiment im Hinblick auf eine Verinnerlichung von Verantwortung ist“ (S. 25). Einzel-nen Eigentumsrechte zu verleihen schafft also mehr als alles andere Verantwortungsbewusstsein.

Etwas kontroverser könnte man vielleicht sagen, dass das RTB die Möglichkeit eröffnet, Immobilienvermögenswerte zu recyceln und damit Einfluss auf die Wirtschaft im wei-teren Sinne nimmt. Sozialwohnungen sind gewissermaßen totes Vermögen, das nicht für die Aufnahme von Darlehen herhalten kann und damit unzugängliches Kapital darstellt. Über das RTB wird dieses Kapital für die Wirtschaft freige-setzt, indem es Wohnungen und Haushalte in den allgemei-nen Wohnungsmarkt eingliedert, anstatt sie in einem Rand-bereich zu isolieren.

Einige der hier genannten Faktoren sind freilich von eher un-tergeordneter Bedeutung. Voraussetzung für das RTB wa-ren ein vorhandener Wohnungsbestand und eine Reihe be-reitwilliger Teilnehmer. Sein Erfolg ist jedoch mit Sicherheit mehr als den bloßen Umständen geschuldet. Mit der poli-

Page 228: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

227

tischen Maßnahme wurden nachhaltige und unumkehrbare Veränderungen herbeigeführt, die den Beteiligten materiell zum Vorteil gereichten. Aus diesem Grund nutzte es private Interessen in deutlicher und leicht zu verstehender Weise aus. Dabei kam es besonders darauf an, dass die betref-fenden Haushalte infolge der politischen Maßnahme in der Lage waren, ihre Wohnung in anderer Weise zu nutzen.

6. Schlussfolgerungen

Das RTB ist nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein besonderes Beispiel einer Privatisierung. Es umfasste den Ausverkauf von Staatsvermögen, doch im Gegensatz zu an-deren Privatisierungen in Großbritannien in den 1980er und 1990er Jahren handelte es sich dabei um eine direkte Über-tragung der Vermögenskontrolle an Privatpersonen. Die Pri-vatisierung öffentlicher Gas- und Elektrizitätsbetriebe sowie der Eisenbahn setzte voraus, dass an die Stelle staatlicher Einrichtungen private Einrichtungen traten, was jedoch nicht zwangsläufig unmittelbare Folgen für den Einzelnen hatte. Das RTB übergab die Kontrolle hingegen direkt an den Nut-zer und übertrug diesem auch die Verantwortung für den betreffenden Vermögenswert. Die Veränderung war somit unmittelbar greifbar. Zudem handelte es sich dadurch, dass die Regierung jegliche Einflussmöglichkeit auf den Vermö-genswert verloren hatte, im Gegensatz zu privatisierten Versorgungsbetrieben, bei denen die Aufsichtsbehörden der Regierung nach wie vor Preise, Kapitalrendite und Be-dingungen und die erbrachten Dienstleistungen festlegen

Page 229: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

228

konnte, um eine dauerhafte Übertragung der Verantwor-tung. Das RTB kann damit als eine grundlegende Form der Privatisierung betrachtet werden, mit welcher die Kontrolle direkt an Einzelhaushalte übertragen wurde.

In den vergangenen Jahren hat das RTB an Bedeutung ver-loren und die Rezession des Jahres 2007 hat dazu geführt, dass kaum noch Verkäufe auf Grundlage dieses Gesetzes abgewickelt werden. Doch ist das RTB nach wie vor weit davon entfernt, abgeschafft zu werden und man kann davon ausgehen, dass es auch in Zukunft weiter Bestand haben wird. Man könnte nun einwenden dass es heute nurmehr eine symbolische Rolle spielt, doch verringert dies die Macht, die es noch immer auf die politischen Entscheider ausübt, in keiner Weise. Das RTB ist und bleibt ein starkes Symbol für den Wunsch nach Wohneigentum.

Und auch wenn die Verkaufszahlen heute kaum mehr nen-nenswert sind, lässt sich die historische Bedeutung des RTB, das 2,5 Millionen Haushalten und damit nahezu allen Angehörigen der Arbeiterklasse die Möglichkeit eröffnet hat, Wohneigentum zu erwerben und damit zum ersten Mal in ihrem Leben zu spüren, was es bedeutet, Eigentümer zu sein, nicht von der Hand weisen. Das RTB hatte dadurch eine en-orme Wirkung auf die Wünsche und Ziele von Millionen von Menschen und trug wesentlich zur Schaffung einer ganzen neuen Generation bei, für die der Traum vom Eigenheim Wirk-lichkeit wurde.

Page 230: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

229

Literatur

Beattie, J. (2008), ‘Maggie Thatcher’s council house scheme must go say MPs’, Daily Mirror, 29 November 2008, abge-rufen am 15. März 2009 unter: http://www.mirror.co.uk/news/top-stories/2008/11/29/maggie-thatcher-s-council-house-scheme-must-go-say-mps-115875-20933805/.

CLG (Communities and Local Government) (2007), Homes for the Future: More Affordable, More Sustainable, London: The Stationery Office.

Ferguson, N. (2009), Der Aufstieg des Geldes: Die Wäh-rung der Geschichte, Berlin: Econ Verlag, Berlin.

Green, D. (1987), The New Right: The Counter-Revolution in Political, Economic and Social Thought, London: Har-vester-Wheatsheaf.

Hayek, F. (2001), Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtü-mer des Sozialismus, Tübingen: Mohr Siebeck.

Hills, J. (2007), Ends and Means: The Future Roles of So-cial Housing in England, London: London School of Econo-mics and Political Science.

King, P. (2003), A Social Philosophy of Housing, Aldershot: Ashgate.

Page 231: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

230

King, P. (2006), A Conservative Consensus? Housing Poli-cy Before 1997 and After, Exeter: Imprint Academic.

King, P. (2009), Understanding Housing Finance: Meeting Needs and Making Choices, 2. Aufl., London: Routledge.

King, P. (2010), Housing Policy Transformed: The Right to Buy and the Desire to Own, Bristol, Policy Press.

Konservative Partei (1976), The Right Approach, London: Konservative Partei, abgerufen am 3. März 2009 unter: http://www.margaretthatcher.org/archive/displaydocu-ment.asp?docid=109439.

Konservative Partei (1979), Conservative General Election Manifesto 1979, London: Konservative Partei, abgerufen am 3. März 2009 unter: http://www.margaretthatcher.org/archive/displaydocument.asp?docid=110858.

Malpass, P. und Murie, A. (1999), Housing Policy and Prac-tice, 5. Aufl., Basingstoke: Macmillan.

Narveson, J. (1988), The Libertarian Idea, Philadelphia: Temple University Press.

Ramsden, J. (1998), An Appetite for Power: A History of the Conservative Party since 1830, London: Harper Collins.

Page 232: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

231

Schmidtz, D. (1998), ‘Taking responsibility’, in D. Schmidtz und R. Goodin (1998) Social Welfare and Individual Respon-sibility, Cambridge: Cambridge University Press, S. 1-96.

Shiller, R. (2008), The Sub-Prime Solution: How Today’s Global Financial Crisis Happened and What to do About it, Princeton: Princeton University Press.

Sillars, R. (2007), ‘The development of the Right to Buy and the sale of council houses’, Economic Affairs, Band 27, Nr. 1, S. 52-7.

Wilcox, S. (1999), Housing Finance Review, 1999/2000, York: Joseph Rowntree Foundation.

Wilcox, S. (2008), UK Housing Review, 2007/2008, York: Chartered Institute of Housing/Council for Mortgage Len-ders.

Page 233: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

232

Gijs Dröge

Der niederländische Wohnungsmarkt: gegenseitigeBehinderung von Miete und Eigentum1

1. Einleitung

Wohnen ist Politik

Der niederländische Wohnungsmarkt unterteilt sich in zwei Hauptsegmente: den Mietmarkt (44%) und den Eigentums-markt (56%). Diese Teilung ist symbolisch für die Herange-hensweise der Politik an beide Segmente: Menschen mit geringeren Einkommen, Studenten und jüngere Menschen werden vorrangig über den Mietmarkt bedient und dabei stark finanziell unterstützt, um die Mietwohnungen für sie erschwinglich zu machen, wohingegen Eigentümer (begin-nend mit mittleren Gehältern) als Ausgleich für die progres-sive Einkommenssteuer von Steuerabzügen profitieren. Po-

1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.

Page 234: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

233

litiker der linken Parteien interessieren sich eher für den Mietmarkt, die der Parteien des rechten Spektrums fördern Wohneigentum.

Diese Situation hat sich seit den 1960er und 1970er Jahren nach und nach in dieser Form entwickelt, als Mietbeihilfen für Privatpersonen eingeführt und durch die Möglichkeit, Hypothekenzinsen von den Steuern abzuziehen, Anreize für den Erwerb von Wohneigentum geschaffen wurden.

Die beiden Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in dieser Situation gegenseitig aus und hindern einander daran, die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine Marktöffnung nötig sind. Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt, dass der niederlän-dische Wohnungsmarkt einer Neuordnung bedarf, um als Markt richtig funktionieren zu können. Die staatliche Einfluss-nahme lastet schwer auf allen Beteiligten, die regierenden Sozialisten halten jedoch weiterhin große Stücke darauf. Der Wohnungsmarkt sollte liberalisiert werden – zumindest nach Meinung der niederländischen Liberalen (VDD), die in dieser Legislaturperiode Teil der parlamentarischen Opposition sind.

Die Finanzkrise

Die Finanzkrise führte zu einem Stillstand auf dem nieder-ländischen Wohnungsmarkt: Neubauprojekte werden ver-schoben, weil die Bauherren keine Käufer finden können, Eigentümer können keine Käufer finden, weil keine Hypothe-ken vergeben werden. Die Banken zögern aufgrund der ver-

Page 235: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

234

schärften Regeln (höchstens das Fünffache des persön-lichen Jahreseinkommens des Darlehensnehmers), Hypotheken zu gewähren und fürchten, dass die Immobilien-preise einbrechen und Darlehen zu einem Risiko werden könnten.

Die niederländische Regierung hat zur Bekämpfung der Kri-se ein Paket geschnürt, das finanzielle Beihilfen für neue Wohnungsbauprojekte (insbesondere Sozialwohnungen) und Investitionen in Isolierungen und erneuerbare Energien (Wind- und Solarenergie), höhere Darlehensbürgschaften von bis zu 350.000 Euro sowie Hilfsprogramme für die Ret-tung und Umstrukturierung der am stärksten betroffenen In-dustriezweige der großen Städte vorsieht. Dies verlieh den sozialen Wohnungsbaugesellschaften neuen Aufschwung, der private Wohneigentumsmarkt leidet hingegen noch im-mer unter den Folgen der Krise. Die Eigenheimkäufe sind auf 50% und weniger zurückgegangen. Unter den Liberalen wurden Forderungen nach weiteren Maßnahmen insbeson-dere zur Unterstützung von Wohneigentümern laut. Die Re-gierung stimmte lediglich der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen für Hypotheken in den Fällen zu, in denen eine neue Immobilie gekauft, die alte jedoch noch nicht ver-kauft wurde und ein Käufer damit einer doppelten Belastung ausgesetzt ist.

In der Zwischenzeit fallen die Immobilienpreise weiter um durchschnittlich 10%, was an sich noch nicht besonders problematisch ist. Die Anzahl der Zwangsversteigerungen

Page 236: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

235

liegt bei unter 1%. Der Preisverfall um nahezu 50% in man-chen Gegenden muss unter dem Blickwinkel der Preisent-wicklung der vergangenen Jahre betrachtet werden. Sicher ist die Anzahl der Angebote auch deshalb gesunken, weil die Menschen mit dem Verkauf ihrer Immobilie warten, bis der Preis stimmt und sie einen angemessenen Gewinn er-zielen können. Dieses Verhalten sowie die Verknappung neuer Immobilien sorgen dafür, dass die Preise auf ihrem aktuellen Niveau verharren.

Es wird erwartet, dass es weitere zwei Jahre dauern wird, bevor der Wohnungsmarkt in den Niederlanden wieder das Niveau erreichen kann, auf dem er sich vor der Krise be-fand. Die derzeitige Regierungskoalition aus Christdemo-kraten (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA) stellte von Be-ginn an bereits weit vor der Krise klar, dass sie keine Umstrukturierung des Marktes anstrebt. Die Regierung ist aufgrund der Krise gezwungen, scharfe Einschnitte in ihren Haushalt vorzunehmen; die Ausgaben für das Wohnungs-wesen dürften einen Teil davon ausmachen. Eine Möglich-keit bestünde darin, die Steuerabzugsmöglichkeit auf Hypo-theken bis zu einer Million Euro auszuweiten. Derzeit ist noch unklar, welche Maßnahmen die Regierung tatsächlich plant und kritische Kommentare aus Opposition und Gesell-schaft sind an der Tagesordnung.

Vorausgesetzt, die aktuelle Regierung bleibt im Amt, wer-den die nächsten Wahlen 2011 über die Zukunft der Woh-nungspolitik zu entscheiden haben.

Page 237: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

236

2. Der Wohnungsmarkt: ein kurzer Blick zurück

Der Wohnungsbestand nach Bereichen

Die Niederlande sind ein dicht bevölkertes Land. Die Bevöl-kerungszahl von 11,4 Millionen Menschen im Jahr 1960 war Anfang 2007 auf mehr als 16,3 Millionen Einwohner ange-stiegen. Die Anzahl der Haushalte ist in Relation dazu noch sprunghafter in die Höhe gegangen: von drei auf knapp sie-ben Millionen innerhalb desselben Zeitraums. Die durch-schnittliche Bevölkerungsdichte lag am 1. Januar 2007 bei 482 Menschen pro Quadratkilometer. Im städtisch ge-prägten Westen des Landes liegt diese Zahl bei knapp 1.000.

In den Niederlanden gibt es über 6,9 Millionen Wohnimmo-bilien. 80% davon wurden nach dem Zweiten Weltkrieg ge-baut. Dieser Wohnungsbestand kann in drei Bereiche unter-teilt werden:

– Sozialwohnungen; – Mietwohnungen; – Eigentumswohnungen.

Zu den Sozialwohnungen zählen auch Wohnimmobilien im Ei-gentum von sozialen Wohnungsbaugesellschaften. Der Be-reich der Mietwohnungen setzt sich zusammen aus Wohnim-mobilien in Privatbesitz und Wohnimmobilien gewerblicher Investoren (wie Pensionsfonds und Versicherungsgesell-

Page 238: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

237

schaften). Der Wohneigentumssektor (Eigentumswoh-nungen) schließlich umfasst Immobilien, die den Menschen gehören, die in ihnen wohnen.

Anteile der einzelnen Bereiche am niederländischen Woh-nungsbestand

Bereiche 1993 1997 2001 2006 Eigentumswohnungen 47% 50% 53% 56% Mietwohnungen 15% 13% 11% 10%Sozialwohnungen 35% 37% 35% 34%Gesamt (x 1.000) 6.044 6.366 6.649 6.913

Quelle: Ministerium für Wohnungswesen

Innerhalb des niederländischen Wohnungsbestandes ist ins-besondere der Anteil der von ihren Eigentümern selbstge-nutzten Wohnungen im Anstieg begriffen. Im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern ist Wohneigen-tum in den Niederlanden jedoch nicht allzu stark verbreitet. Die Vermieter von Sozialwohnungen spielen bei der Förde-rung von Wohneigentum durch den Bau von Eigentumswoh-nungen (7.200 im Jahr 2005) und durch den weitreichenden Verkauf ihres eigenen Wohnungsbestands (durchschnittlich 19.000 jährlich zwischen 2001 und 2006) eine bedeutende Rolle. Darüber hinaus wurde es Wohnungsbaugesellschaften jüngst gestattet, Anfangsdarlehen zu vergeben, so dass die Möglichkeit, ein Eigenheim zu erwerben nun auch für Familien mit geringeren Einkommen in greifbare Nähe gerückt ist. Steuervergünstigungen tragen ebenfalls stark zu den Wachs-

Page 239: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

238

tumszahlen von Wohneigentum bei. Selbst nach einer grund-legenden Revision der Steuervorschriften im Jahr 2001 kann in den Niederlanden (für selbstgenutztes Wohneigentum) der Hypothekenzins über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren beinahe nahezu uneingeschränkt von der Einkommenssteuer abgezogen werden. Steuerliche Vergünstigungen sind zum Teil mit dafür verantwortlich, dass das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem niederländischen Woh-nungsmarkt aus dem Gleichgewicht geraten ist und der Markt damit für einige Zeit zusammenbrach.

Anstieg der Wohnungsnachfrage

Holland ist von einer starken Wohnungsbauaktivität geprägt. Dennoch besteht weiterhin eine große Nachfrage nach Wohnimmobilien. Hierfür können verschiedene Erklärungen angeführt werden. Die niederländische Bevölkerung wächst stetig, wenn auch etwas langsamer als früher. Die starke Nachfrage hat jedoch unter anderem auch mit neuen Immi-granten zu tun. In den vergangenen Jahren hat sich diese Si-tuation etwas beruhigt, da die Regierung eine strenge Ein-wanderungspolitik verfolgt hat. Für das Jahr 2030 wird eine Bevölkerung von 17,9 Millionen erwartet.

Mehr als alles andere kann der Wohnungsbedarf jedoch dem Anstieg der Anzahl der Haushalte zugeschrieben werden. Dieses Wachstum ist insbesondere auf die sinkende Anzahl an Personen je Haushalt zurückzuführen, was wiederum mit der veränderten Zusammensetzung von Haushalten zu tun

Page 240: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

239

hat. Die Anzahl der Haushalte wächst unter anderem aus dem Grund, dass die Menschen deutlich länger leben und länger ein unabhängiges Leben führen können. Ein weiterer Grund sind die hohen Scheidungs- und Trennungsraten.

Holland sieht sich einem Reife- und Alterungsprozess der Be-völkerung gegenüber, was bedeutet, dass die Anzahl junger Menschen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist und es immer mehr ältere Menschen gibt.

Nach Angaben des Niederländischen Zentralamts für Stati-stik (CBS) wird die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte bis 2010 auf 2,7 Millionen ansteigen. Dem stehen 2,4 Millionen Haushalte, in denen zwei Personen leben, gegenüber. Da-raus ergibt sich nicht nur, dass ein hoher Bedarf an Neubau-wohnungen bestehen wird, sondern auch, dass genau ge-prüft werden muss, welche Art von Wohnungen für wen und zu welchem Preis gebaut wird.

Entwicklung der Haushaltsanzahl

Jahr Bevölkerung(x 1.000)

Haushalte(x 1.000)

Durchschnittl. Personenanzahl

1900 5.104 1.113 4,51 1930 7.832 1.958 4,00 1960 11.417 3.171 3,561680 14.091 5.006 2,972000 15.848 6.824 2,32 2006 16.357 7.146 2,29 2012 (Prognose) 16.,497 7.450 2,21

Quelle: CBS

Page 241: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

240

Momentan liegt die Zahl der Ein-Personen-Haushalte bei 2,6 Millionen. Für 2050 sehen die Prognosen 3,6 Millionen Ein-Personen-Haushalte voraus, was auf einen geringeren Nutzungsdurchschnitt (heute etwa 2,2 Personen je Haus-halt), wachsenden Wohlstand und die Überalterung der Ge-sellschaft zurückzuführen ist.

Raumplanungspolitik

In den Sechzigerjahren unternahm die Regierung den Ver-such, Bevölkerung und Beschäftigung über das Land zu ver-teilen. In den 1980er Jahren wurde in den so genannten Tra-bantenstädten wie Almere, Zoetermeer und Nieuwegein so viel wie möglich gebaut. Der in den großen Städten im We-sten des Landes (der so genannten „Randstad“) verfügbare Raum reichte nicht aus, um der Wohnungsnachfrage ge-recht zu werden. Aus diesem Grund wurden neue Städte gebaut, bestehende Städte erweitert und Kleinstädte in große Wohngebiete umstrukturiert. Kleinere Gemeinden er-hielten nur die Genehmigung, in kleinerem Rahmen zu bau-en, was für gewöhnlich nicht ausreichte, um mit dem natür-lichen Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.

Diese Politik der Trabantenstädte wurde beendet und zwar vornehmlich deshalb, weil die Beschäftigung den Menschen nicht in die neuen Wohngebieten folgte, was zu einem starken Anstieg des Pendlerverkehrs auf den Straßen führte.

Page 242: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

241

Eine weitere nachteilige Folge war, dass Familien mit Kin-dern in diese Trabantenstädte zogen und in den übrigen Städten nur Senioren, junge Menschen und Bewohner ko-stengünstigerer Wohnungen zurückblieben. Im Gegensatz zu Großstädten wie London und Paris ist in niederländischen Städten der Anteil an preisgünstigeren Wohnungen recht hoch.

In den 1990er Jahren wurde im Zuge des Landschafts-schutzes einer Städtepolitik der Vorzug gegeben, die Neu-bauten soweit wie möglich innerhalb der größeren Städte bzw. in deren Einzugsgebiet konzentrierte. Diese Standorte erhöhten die Aufnahmekapazitäten der Städte insbesonde-re im Dienstleistungs- und Kulturbereich.

Menschen mit höheren Einkommen ziehen häufig aus Woh-nungen mit niedrigerer Miete aus und eröffnen so Haushal-ten mit geringerem Einkommen die Möglichkeit, eine (finan-ziell) geeignete Wohnung zu finden. Das Grundsatzpapier zur Raumordnung von 2005 gewährt kleineren Gemeinden und Ortschaften das Recht, sich in ihren Baumaßnahmen am eigenen Bevölkerungswachstum zu orientieren.

Page 243: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

242

3. Aktuelle Politik und Beteiligte

Der Einflussnahme der Regierung im Einzelnen

Die Einflussnahme der Regierung auf den Wohnungsmarkt hat eine lange Geschichte und es ist per definitionem sehr viel einfacher, neue, ergänzende Vorschriften zu verabschie-den als bestehende Vorschriften abzuschaffen. Die Anzahl der Vorschriften neigt daher dazu, sich in jeder Legislaturpe-riode weiter zu erhöhen, was jedoch von der letzten Regie-rung ernsthaft zu ändern versucht wurde. Der Erfolg dieses Vorhabens ist dem liberalen Minister Dekker zuzuschreiben. Die gegenwärtige Regierung mit einem sozialistischen Mini-ster hat nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Krise und der sozialen Schwierigkeiten in 40 Großstadtbezirken ande-re Prioritäten. Das Interesse der Politik für die Problematik schrumpfender Städte und Ortschaften wächst.

Die Wohnungspolitik legte ihr Augenmerk in den ver-gangenen Jahren auf eine kontrollierte Planung, Anreize für den Eigentumserwerb durch die Abzugsfähigkeit von der Einkommenssteuer und Maßnahmen, mit denen angemes-sene Häuser auch für Menschen mit geringeren Einkommen erschwinglich gemacht werden sollten. Das Ministerium war in sozialistischer Hand, was sich in den Regelungen und Vorschriften sowie der dem Sozialwesen beigemessenen Priorität niederschlug.

Page 244: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

243

Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Maßnah-men:

1. Hypothekenzinsen für den Eigentumserwerb sind vorbe-haltlich einiger Beschränkungen von der Einkommens-steuer abzugsfähig. Dieser Steuerabzug wird jedoch gleichzeitig durch die Tatsache gemindert, dass ein be-stimmter Prozentsatz des Häuserwertes auf das Einkom-men aufzurechnen ist. Für Personen ohne Hypothek be-steht die Möglichkeit, sich von dieser Steuer befreien zu lassen. Die Steuerabzüge übersteigen insgesamt einen Betrag von 10 Milliarden Euro und schlagen sich deutlich im Staatshaushalt nieder.

2. Hauseigentümer bezahlen bei Kauf eines bestehenden Hauses eine Transaktionssteuer in Höhe von 6%. Neu-bauten sind von dieser Steuer befreit, unterliegen jedoch einer Mehrwertsteuer in Höhe von 19% auf die Gesamt-kosten für den Bau des Hauses.

3. Hauseigentümer bezahlen eine örtliche Grundsteuer auf den Gesamtwert ihres Hauses an die örtlichen Behör-den. Diese Steuer wurde für Mieter vor einigen Jahren abgeschafft.

4. Bauprojekte (vor allem für den sozialen Wohnungsmarkt), die Sanierung von Altbauten sowie zusätzlich anfallende In-frastruktur- und Baukosten werden als Ausgleich für die Grundstückskosten von der Regierung subventioniert. Die-

Page 245: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

244

se Subventionen werden zwischen den örtlichen Behörden für gewöhnlich im Rahmen von Verträgen mit sozialen Wohnungsbaugesellschaften aufgeteilt und können je Haus bis zu 20% der Grundstücks- und Baukosten erreichen.

5. Etwa einer von drei Miethaushalten erhält je nach persön-lichem Einkommen und Mietkosten Sonderzuschüsse.

6. Renovierungsmaßnahmen mit ökologischem Hintergrund wie bspw. Isolierungen zur Senkung der Energiekosten und Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen (Wind, Solar) werden besonders bezu-schusst.

7. Haushalte mit geringeren Einkommen können zur Förde-rung des Wohneigentumserwerbs von besonderen Kon-struktionen und Zuschüssen profitieren: Bis zu 350.000 Euro können sich Hauseigentümer um eine Dar-lehensbürgschaft bewerben (durch die sich der Zinssatz verringert), Haushalte mit geringeren Einkommen können besondere Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch neh-men (einkommensbasierte monatliche Zinszahlung, Ge-winnaufteilung bei Verkauf des Hauses).

8. Die Entscheidung darüber, in welchen Gebieten neue Häu-ser gebaut werden dürfen, obliegt den örtlichen Behörden und muss der Politik und den Richtlinien der Staatsregie-rung und der Provinzverwaltungen folgen. In der Praxis sind diese Verfahren für gewöhnlich langwierig.

Page 246: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

245

9. Die Regierung stellt hohe Anforderungen an die Errich-tung neuer oder den Umbau bestehender Häuser. Für Räume, Türen und Fenster gelten so beispielsweise be-stimmte Abmessungen, für den Energieverbrauch be-stimmte Kriterien (mit den Kraftstoffverbrauchsnachwei-sen für Autos vergleichbarer Energiepass).

10. Darüber unterliegen die Architektur, Entwürfe und Ab-messungen neuer Häuser bestimmten Vorschriften der örtlichen Behörden, die von diesen jedoch unterschied-lich streng gehandhabt werden.

Rolle des Privatsektors

Der Privatsektor spielt bei der Entwicklung und der Errich-tung neuer Häuser eine wichtige Rolle, da ein Großteil der Grundstücke sich in der Hand privater Unternehmen befin-det. Seit den 1980er Jahren wurde der meiste Grund und Boden, der für den Siedlungsbau verfügbar gemacht wer-den konnte, von Immobiliengesellschaften aufgekauft.

Diese Entwicklungsgesellschaften, bei denen es sich häufig um Tochtergesellschaften großer Baukonzerne handelt, do-minieren das Siedlungswesen heute. Der Grundbesitz ver-leiht diesen Gesellschaften die Sicherheit eines anhaltenden Baustroms. Sie einigen sich mit den örtlichen Behörden da-rüber, was geplant und gebaut werden soll, sowie über Preiskategorien, Stil und Architektur. Bisweilen kontrollieren

Page 247: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

246

sie angesichts eines Mangels an Alternativen auch den lo-kalen Neubaumarkt.

Aufgrund dieser Verknappung sind die Grundstückspreise gegenüber den Immobilienpreisen deutlich angestiegen, so dass diese heute etwa ein Drittel der Gesamtkosten eines Neubaus ausmachen. In manchen Gegenden beläuft sich der Anteil der Grundstückskosten auf bis zu 50%. Die ört-lichen Behörden, die Grundstücke verkaufen, profitieren da-bei von den steigenden Preisen sowie nach dem Verkauf von der örtlichen Grundsteuer, die auf dem Gesamtwert der Immobilie beruht.

Das System, in dem Immobiliengesellschaften tätig sind, ar-beitete in den vergangenen Jahrzehnten profitabel und bricht nun aufgrund der Krise in sich zusammen. Es bedarf daher einer neuen Herangehensweise an den Bau neuer Häuser, durch die die Kosten (insbesondere für die Grund-stücke) gesenkt und die Produktion zur Bekämpfung der Neubauknappheit angeregt werden können. Die Umsetzung eines solchen Wandels hin zu Grundstückspreisen, die im Hinblick auf mehr Wettbewerb ausreichend niedrig sind, wird ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Ideale Marktbedingungen zu schaffen wird immer schwierig sein, da Grund und Boden in den Niederlanden aufgrund einer Bevölkerungsdichte, die (insbesondere im Westen des Landes) zu den höchsten weltweit zählt, besonders knapp sind.

Page 248: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

247

Der Anteil der pro Jahr neu gebauten Häuser liegt gerade einmal bei 1% der Gesamtanzahl an Häusern in den Nieder-landen. Die Regierung möchte diesen Prozentsatz gerne steigern, sieht sich jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass Raumplanungsverfahren langwierig und die Subventi-onsmöglichkeiten aufgrund von Haushaltsbeschränkungen begrenzt sind. Und sowohl Immobiliengesellschaften als auch Grundbesitzer (bei denen es sich oft um örtliche Be-hörden handelt) profitieren im Grunde von einer solchen auf die beschriebene Knappheit zurückzuführenden Preisent-wicklung.

Soziale Wohnungsbaugesellschaften bauen ihre Position auf dem Eigentumsmarkt durch den Verkauf ihres Mietei-gentums und die Umsetzung von gemischten Eigentums- und Mietbauprojekten weiter aus, um dadurch die Kosten vom Miet- auf den Eigentumssektor zu verlagern und die Mietkosten innerhalb eines sozial verträglichen Rahmens zu halten.

Verbesserte Verbraucherposition

Verbraucher nehmen beim Hauskauf die Dienste von Mak-lern in Anspruch und greifen daneben immer häufiger auch auf Informationen aus dem Internet zurück. Die dafür zur Verfügung stehenden Seiten stärken die Position der Ver-braucher und bieten eine bessere Übersicht über die Markt-situation. Bei ausgeglichenen Marktbedingungen können Verbraucher so stärker auf den Markt Einfluss nehmen. Bis

Page 249: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

248

zum Beginn der Krise schränkte das knappe Angebot den Handelsspielraum insbesondere der Haushalte mit nied-rigeren Einkommen leider erheblich ein. Die Anzahl neu ge-bauter Häuser konnte die Nachfrage dabei nicht ausglei-chen. Die Preise richteten sich damals (aufgrund der niedrigen Zinssätze und der Steuerabzugsmöglichkeiten) eher danach, was Käufer zahlen konnten, als nach dem tat-sächlichen Immobilienwert. In manchen Jahren stiegen die Preise für die schönsten Häuser infolge der hohen Nachfra-ge überdurchschnittlich an.

Aufgrund der Krise und einiger Regierungsmaßnahmen wie den Beschränkungen bei der Vergabe von Hypotheken ist der Markt insgesamt verbraucherfreundlicher geworden, da diese nun ihre Wünsche äußern können und nicht darauf an-gewiesen sind zu akzeptieren, was ihnen der Markt bietet. Bestehende Häuser stehen durchschnittlich mindestens sechs Monate zum Verkauf, was dazu führt, dass sinkende Preise und Sonderangebote (kostenloses Auto bei Kauf eines Hauses) nicht mehr die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel sind. Um der Nachfrage von Erstkäufern auf dem Häusermarkt (meist junge Paare) gerecht zu werden und den Erwerb von Wohneigentum für Mieter von Sozialwoh-nungen attraktiver zu gestalten, werden günstigere Häuser gebaut. Der durchschnittliche Baupreis für ein kleines Einfa-milienhaus liegt so häufig bei nur 100.000 Euro oder weni-ger, wobei der Gesamtpreis vom Grundstückspreis be-stimmt wird. Bei den aktuellen Zinssätzen ist es möglich, für Hypothekenraten von nur wenigen Hundert Euro im Monat

Page 250: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

249

Wohneigentum zu erwerben; ein Preis, der sich kaum mehr von den üblichen Mietpreisen unterscheidet.

4. Schlussfolgerungen

Die liberale Position

2008 debattierte die VVD das Thema Wohnungspolitik und verständigte sich auf eine neue Position. Zentraler Punkt da-bei ist die Überzeugung, dass jeder Einwohner der Nieder-lande selbst entscheiden können sollte, wie und wo er leben möchte. Jeder sollte auf Grundlage realistischer Preise und ohne allzu starke Eingriffe durch die Regierung die Wahl zwi-schen Mietwohnung oder Eigenheim haben. Die Aufgabe der Regierung sollte dabei nur in der Überwachung von Min-destqualitätsstandards bestehen. Der Markt muss von den meisten bestehenden Vorschriften, insbesondere den häu-fig durch eine finanzielle Unterstützung der örtlichen Behör-den und sozialen Wohnungsbaugesellschaften verschlei-erten Beihilfen für Sozialwohnungen befreit werden. Nur diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich einen grundle-genden Lebensstandard zu finanzieren, sollten von der Re-gierung unterstützt werden. Diese Personengruppe sollte dabei 10% der Gesamtbevölkerung nicht übersteigen. Ein Beispiel: Etwa 50% des Gesamtwohnungsbestandes in Amsterdam sind Sozialwohnungen und werden damit in der einen oder anderen Weise subventioniert.

Page 251: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

250

Die VVD schlägt vor, die sechsprozentige Transaktionsab-gabe abzuschaffen, da diese Steuer all diejenigen benach-teiligt, die in die Nähe ihre Arbeitsstätte oder ihre Familie ziehen oder aus anderen Gründen umziehen möchten. Zu-dem ist diese Steuer nach Meinung der VVD mit für die all-täglichen Verkehrsstaus verantwortlich und erhöht die Prei-se, da die Menschen diese Steuer im Falle eines Verkaufs wieder hereinholen möchten. Um hinsichtlich des Vor-schlags, die Transaktionsabgabe abzuschaffen, zu einem politischen Konsens zu gelangen, muss zunächst eine Fi-nanzierungsmöglichkeit im Staatshaushalt eröffnet werden, was sich angesichts notwendiger Budgetkürzungen als nicht ganz einfach erweisen dürfte.

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen – ein besonders sensibles Thema

Nach Auffassung der VVD sollte das System der steuer-lichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen Teil der Steu-erpolitik, nicht der Wohnungspolitik sein. Es handelt sich da-bei um ein politisch sensibles Thema, da die Politiker unter den Wählern keine Angst und Unsicherheit hinsichtlich ihrer finanziellen Zukunft schüren wollen. Der Steuerabzug von bezahlten Zinsen ist Teil desselben Systems, in dem für Sparanlagen erhaltene Zinserträge besteuert werden. Wenn also bezahlte Zinsen nicht länger abzugsfähig sein sollen, sollte auch die Besteuerung von Zinserträgen entfallen. Die Frage ist, ob dies für das Finanzministerium eine attraktive Alternative darstellt. Steuerabzüge sind auch ein Mittel, die

Page 252: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

251

progressiven Besteuerungssätze im niederländischen Steu-ersystem und insbesondere die Zinsen, die auf höhere Ein-kommen erhoben werden, auszugleichen. Träfe die Regie-rung also die Entscheidung, das System der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen neu zu gestalten, würde dadurch im Grunde das gesamte Steuersystem in-frage gestellt.

Die auf dem nationalen Parteitag der VVD im vergangenen Jahr verabschiedete Position gibt einen wichtigen Input für das Parteiprogramm für die Wahlen 2011. Im Falle einer Re-gierungsbeteiligung der VVD erhielte sie damit die Möglich-keit, ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Im Falle der poli-tischen Opposition ist eine kurzfristige Umsetzung der liberalen Position hingegen eher unwahrscheinlich. Das be-weist allein die Tatsache, dass es im vorigen Kabinett selbst unter liberaler Führung nicht gelang, eine Liberalisierung des Mietmarktes durch das Parlament zu bringen. Fest steht, dass sich die Parteien des linken und des rechten Flügels gegenseitig daran hindern, ihre Ideen und politischen Visi-onen umzusetzen. Die Unterschiede in den Auffassungen sind zu grundlegend und die Gefahr einer Abstrafung durch die Wähler zu groß. Die im vergangenen Jahrzehnt geführten Debatten über den Wohnungsmarkt zeigen, wie schwierig und offenbar nicht dringlich genug es bis heute ist, Kompro-misse zu finden.

Page 253: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

252

Breite Akzeptanz

In dieser Situation verfolgt die VVD die offizielle Linie, das Steuerabzugssystem nicht zu debattieren, da dies nur zu Unruhe unter den Eigenheimbesitzern führen und den Par-teien des linken Flügels die Möglichkeit bieten würde, die Realbesteuerung (Steuersatz abzüglich aller Abzüge) für hö-here Einkommensstufen anzuheben. Eine Reihe wichtiger Stellen wie der Rat des Ministeriums für Wohnungswesen, der frühere Parlamentsbeirat und im Übrigen auch die OCDE fordern eine Überprüfung des Steuerabzugssystems und die Suche nach anderen Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Regierung auf den Markt.

Eine Veränderung des niederländischen Wohnungsmarktes ist den meisten Berufsverbänden, Regierungsberatern und Branchenvertretern zufolge unabdingbar. Auch verschie-dene politische Parteien fordern einen Wechsel – mit unter-schiedlichen Schwerpunkten und Schlüssen. Bis es soweit ist, könnten noch einige Jahre ins Land ziehen, doch fest steht: Wenn der Markt weiterhin unter Ineffizienz und man-gelnder Dynamik leidet, wird früher oder später politische Einigkeit über die Notwendigkeit eines Wechsels herrschen.

Ziel des gewünschten Wandels sind weniger Unterschiede im Umgang mit dem Miet- und dem Eigentumsmarkt, eine geringere Einflussnahme der Regierung und eine höhere Markteffizienz durch Wettbewerb, eine den Tatsachen ent-sprechende Preisbildung, eine schnelle Planung und ein

Page 254: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

253

ausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Gleichzeitig wird der Druck auf die Kosten der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und Beihilfen für das soziale Wohnungswesen steigen und die Lösungsfin-dung weiter erschweren und verkomplizieren. Ein neues Steuersystem (Pauschalsteuer) könnte dem Wohnungs-markt die so dringend notwendige Öffnung bringen. Die VVD sollte in diesem Prozess eine führende Rolle überneh-men.

Page 255: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

254

Über die Autoren

Dr. Reiner Braun, Diplom-Volkswirt, Mitglied des Vor-standes der empirica AG Forschung und Beratung (Berlin), Studium der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Os-nabrück und Bonn, Promotion an der Universität zu Köln. 1994 bis 1998 war Reiner Braun Projektleiter bei der empi-rica GmbH, Bonn. Von 1999 bis 2003 war er als selbstän-diger Autor und Berater tätig, im Jahr 2003 wurde er in den Vorstand der empirica AG Berlin berufen. Die Arbeits-schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Wohnungs-märkte, Einkommens- und Vermögensanalysen sowie Al-tersvorsorge.

Gijs Dröge ist niederländischer Unternehmer im Bereich Kommunikation, public affairs und soziale Verantwortung in seinem Unternehmen „Public Green“. Seine Interessenge-biete sind die Entwicklung des Immobilienmarktes, Bauwirt-schaft und Finanzdienstleistungen. Gijs Dröge ist langjäh-riges Mitglied der niederländischen liberalen Partei VVD. Er ist Mitglied des Ausschusses für Raumplanung und Woh-nungswesen und veröffentlichte jüngst einen Artikel über die liberale Sicht des Wohnungsmarktes im wissenschaft-lichen Magazin der VVD.

Dr. Kerstin Funk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Li-beralen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-heit. Sie studierte Politikwissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in Mün-

Page 256: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

255

chen und promovierte an der Freien Universität Berlin. Im Liberalen Institut der Stiftung für die Freiheit ist sie zustän-dig für die Stiftungsinitiative „umSteuern – Freiheit braucht Mut!“

Dr. Peter King ist Lektor für Sozialphilosophie an der De Montfort Universität in Großbritannien. Er ist der Autor von 13 Büchern und zahlreichen Artikeln über so unterschied-liche Themen wie Immobilienfinanzierung, Subventionen, Bedarf, Auswahl und die Bedeutung von Immobilien. Sein jüngstes Buch ist „Housing Policy Transformed: the Right to Buy and the Desire to Own” (Reformierte Wohnungspolitik: Das “Right to buy” und das Streben nach Besitz), das im Januar 2010 von Policy Press veröffentlicht werden wird.

Arnold Kling ist Mitglied der “Financial Markets Working Group” am Mercatus Centre der George Mason Universität in Fairfax, Virginia. Er ist der Autor von „Not What they Had in Mind: A History of Policies that Produced the Financial Cri-sis of 2008,“ (papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1474430). Seine aktuellen Bücher sind “Crisis of Abun-dance: Rethinking How We Pay for Health Care”, herausgegegeben vom Cato Institut, “From Poverty to Pro-sperity: Intangible Assets, Hidden Liabilities and the Lasting Triumph over Scarcity” (gemeinsam mit Nick Schulz) sowie “Unchecked and Unbalanced: How the Discrepancy Bet-ween Knowledge and Power Caused the Financial and Thre-atens Democracy”,. Er schreibt außerdem für econlog (econlib.org).

Page 257: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

256

Prof. Dr. Ulrich van Suntum hat in Münster und Bochum Ökonomie studiert. Er lebt mit seiner Familie in Nordkirchen im Münsterland. Er war Generalsekretär des Sachverstän-digenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und lehrte an den Universitäten Bochum, Köln und Witten-Herdecke. Seit 1995 ist er Professor für Volks-wirtschaftslehre an der Universität Münster. Dort leitet er das Institut für Siedlungs-und Wohnungswesen und ist Grün-der und Geschäftsführender Direktor des Centrums für an-gewandte Wirtschaftsforschung der Universität. In der For-schung beschäftigt er sich neben Regionalprognosen und Wohnungspolitik auch mit Steuerfragen sowie mit Kapital- und Zinstheorie, zuletzt im Rahmen eines mehrmonatigen Forschungsaufenthaltes an der Universität Cambridge (2008).

Dr. rer. pol. Michael Voigtländer studierte Volkswirtschafts-lehre in Münster und Köln und war von 2000 bis 2005 wis-senschaftlicher Assistent am Wirtschaftspolitischen Semi-nar der Universität zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff. Seit Oktober 2005 ist er am Institut der deutschen Wirt-schaft Köln tätig und seit Januar 2008 ist er Leiter der For-schungsstelle Immobilienökonomik innerhalb des Wissen-schaftsbereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik. Er ist außerdem Dozent für Immobilienwirtschaft an der Ber-gischen Universität Wuppertal und an der Bauakademie Bi-berach.

Page 258: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

257

Dr. Peter Westerheide ist stellvertretender Leiter des For-schungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanz-manangement“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsfor-schung GmbH (ZEW) in Mannheim. Er hat an der Universität Witten-Herdecke Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach seinem Abschluss als Diplom-Ökonom im September 1994 war er zunächst für ein Jahr im Forschungsbereich Internati-onale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW tätig. Von September 1995 bis Ende 1998 war er Assistent von Prof. Dr. Ulrich van Suntum an der wirtschaftswissenschaft-lichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Mün-ster. Dort promovierte er im Herbst 1998 mit einer Disserta-tion über Ziele und Wirkungsmöglichkeiten der Vermögenspolitik im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Im-mobilienmärkte und Immobilienfinanzierung, kapitalgedeckte Alterssicherung sowie Vermögensbildung und Vermögens-politik. Er koordiniert das Leibniz-Netzwerk Immobilien und Kapitalmärkte (www.recapnet.org).

Page 259: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

258

Page 260: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

259

Page 261: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

260

Page 262: Aspekte des Wohneigentums, Kerstin Funk, Hrsg., 2009

Kers

tin F

unk

(Hrs

g.):

Aspe

kte

des

Woh

neig

entu

ms

liberal Verlag

Aspekte des WohneigentumsKerstin Funk (Hrsg.)

Argu

men

te d

er F

reih

eit,

Band

25

Argu

men

te d

er F

reih

eit 2

5

Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohnei-gentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwor-tung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Ver-antwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.

Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohnei-gentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutsch-land, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.

Mit Beiträgen von:Reiner BraunGijs DrögeKerstin FunkPeter KingArnold KlingUlrich van SuntumMichael VoigtländerPeter Westerheide

ISBN 978-3-920590-39-4