Astrologie Bei Den Muslimen

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    Astronomie wird im Arabischen als ilm al-haia 1 oder ilm al-falak ( )

    bezeichnet. Auch ilm an-nugum ( -) wird vorwiegend fur dieselbe Wissen

    schaft verwendet 2. DieAstrologiedagegen wirdilm[bzw.s. in aat]ah.k am an-nug um

    ( ) (kurz auch ilm al-ah.k am)3, ilm qad.aya n-nug um, auch ilm at-

    tan gm 4 undilm an-nigama 5 genannt. Indes werden die Termini nicht immer so prazisverwendet wie es al-Birun in seinem K. Ifr ad al-magqal fi ilm az. -z. ilal

    6 tut, der ilm al-

    haiamit dem griechischenastr unumiyaund s. inaat ah.k am an-nugummit griechisch

    astrul u giyazusammenstellt 7.

    Die Astrologie hat im Zweistromland ihren Ursprung. Ihre Aufnahme bei den Grie-

    chen wird im 6. Jhdt. durch die ionische Naturphilosophie vorbereitet. Die pythagorei-

    sche Schule legt die Grundlagen fur die Erforschung der Bewegungsgesetzte im Weltall

    und stimuliert damit die Astronomie, sie bahnt aber zugleich, in ihren Beziehungen

    zur Orphik, der Astrologie des Ostens den Weg. Aber erst in der Zeit des Hellenismus,

    von Alexander bis Augustus, gewinnt die Astrologie die griechische Welt fur sich.Ein literarisches Zeugnis dafur sind dieBabukymiajdes Berossos, des Priesters desMarduk, der auf der Insel Kos eine Astrologenschule gegrundet haben soll. Sein Werk,

    um 280 vor Chr. verfat und dem Konig Antiochos I. von Syrien gewidmet, belehrt die

    Griechenuber die babylonische Sternkunde und Sterndeutung 8. Zur Zeit der griechi-

    schen Herrschaft ist auch in Agypten der babylonische Sternglaube eingedrungen. Er

    hat sich mitalterenagyptischen Gottervorstellungen9 zu einer

    neuagyptischen Astro-

    logie vereinigt. Sie fand ihre umfassende Darstellung in dem griechisch geschriebenen

    Werk, das dem Konig Nechepso und dem Priester Petosiris zugeschrieben ist und min-

    destens 150 Jahre vor Chr. entstanden ist 10. Es ist die

    eigentliche Astrologenbibel

    (Boll) geworden, neben dem nur das Werk des Klaudios Ptolemaios im 2. Jhdt. nachChr. sich einahnliches Ansehen erwarb. Bis zum Ende des griechisch-romischen Al-

    tertums hat sich die Astrologie, vielfach schattiert, fast aller Bereiche und Richtungen

    der Philosophien, der Religionen und, was fur unser Thema entscheidend ist, der Wis-

    senschaften bemachtigt. Sie dringt in Medizin, Pflanzenkunde und Gesteinskunde ein

    und schafft der Alchemie und Magie die theoretischen Grundlagen, so da diese recht

    eigentlich die jungeren Schwesterwissenschaften der Astrologie werden.

    1 Ih

    wan -s.afa I 114, 12; David Pingree, Art.Illm al-hayain EI2 III 1135 1138.

    2 Yaqubi Tarh

    I 151, 2; Ih

    wan -s.afa I 114, 10; H

    uwarizm Mafat h. 210, 3; 233,2.3 Ih

    wan -s.afa I 114 ult.

    4 H

    uwarizm Mafath. 210, 3; b. Nubata Sarh. 234, 7; Maqqar Nafh. I 136 10f./205,16; eine der zwei

    astrologischen Schriften des Nas.r ad-Dn at.-T.us tragt den Titel Muh

    tas. ar f ilm at-tan gm wa-

    marifat at-taqwm; es ist ein Abri der Astrologie und Kalendariographie; seine persische Version

    tragt den TitelS fas. l dar marifat-i taqwm(S. 342 oben).5 a.Sama Raud. atain (Kairo 1288) II 113, 18; Dozy Suppl. 644a.6 Ed. H.aidarabad 1367/1948, p. 69, 9ff.7 Salomon Pines, The Semantic Distinction Between the Terms Astronomy and Astrology According

    to al-Birun, in: Isis 33, 1964, 343 349.8 Schwartz, RE 3, 1 (1897), Sp. 306 316; Boll Sternglaube p. 22 f.;95f.; Gundel Asturlogoumena p.

    45f.9 Vgl. die

    Dekane, unten p. 354.

    10 Diels Handschriften II 82; Nachtrag p. 63; Gundel Astrologumena p. 27 36.

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    Die groe Bedeutung, die die Astrologie im Denken, im politischen und kulturellen

    Leben der Muslime gehabt hat, ist heute nur schwer noch zu ermessen 11. Die Geo-

    graphen teilen die Welt in sieben Klimata ein, deren jedes unter der Herrschaft eines

    Planeten steht. Als al-Mans.ur im Jahre 145/762 die Stadt Bagdad grundet, lat er den

    gunstigsten Augenblick fur dieses Unternehmen von Naubaht und Masaallah berech-nen12. Auch der Zeitpunkt fur die Grundung von al-Mandya in Tunesien im Jahre

    303/916 wird von Astrologen berechnet 13. In der Historiographie spielt die Astrolo-

    gie keine sehr groe Rolle 14, doch sei immerhin daran erinnert, da al-Yaqub den

    Masaallah zitiert und da sich H.amza al-Is.fahan auf abu Masar beruft. Die Me-

    diziner erinnern wiederholt an das Wort des Hippokrates, da die Sternkunde kein

    geringer Teil der Medizin sei. Einige fordern die Beobachtung der Planetenstellung bei

    Diagnose und Therapie, und die Entwicklung des Foetus geschieht, wie man glaubt

    in Abhangigkeit von den Planeten. Naturkatastrophen, Kriege und vor allem die Pest

    des Jahres 1348 werden auf unheilvolle Planetenkonjunktionen zuruckgefuhrt15. In der

    Literatur sind dieHaft Paikardes Niz. am das bekannteste Beispiel fur eine nach astro-logischen Motiven gestaltete Dichtung 16. Sehr eindrucksvoll hat schlielich HARTNER

    gezeigt, wie stark astrologische Vorstellungen in der bildenden Kunst, in der Architek-

    tur, Ikonographie und im Kunsthandwerk ihren Niederschlag gefunden haben. Viele

    Darstellungen sind ohne Kenntnis des astrologischen Systems gar nicht zu verstehen17.

    Zu verstehen ist die auerordentliche Wirkung der Astrologie nur, wenn man be-

    denkt, da sie nicht allein der Versuch war, die Zukunft und das Schicksal des Menschen

    vorauszusagen. Sie war vielmehrAusdruck des Strebens, die Welt ganzheitlich zu deu-

    ten; die menschliche Seele suchte durch sie den Frieden im Universum. Damit aber

    wurde die Astrologie eine gefahrliche Konkurrentin der Religion, und so konnte es

    nicht ausbleiben, da immer wieder Theologen aufstanden, um einen entschiedenen

    und erbitterten Kampf gegen sie zu fuhren.

    Allerdings setzte der Islam dem Eindringen der Astrologie zunachst weniger Wider-

    stand entgegen als das Christentum, da das islamische Dogma der Pr adestination mit

    dem Determinismus der Astrologie durchaus Beruhrungspunkte zu haben schien. Mit

    der Ausbildung der mutazilitischen Dogmatik wurden sich jedoch auch die islami-

    schen Theologen der Gefahren bewut, die in dem Glauben an die lebensbestimmendw

    Macht der Sterne fur das Konzent des Monotheismus lag 18

    11 Vgl.: Lyon Thorndike, The True Place of Astrology in the History of Science, in: Isis 46,1955, 273-

    278; Lemay Abu Mashar p. XXXVIff.; Rosenthal Fortleben p. 323; Martin Plessner, Die Bedeutungder Wissenschaftsgeschichte fur das Verstandnis der geistigen Welt des Islams (Philosophie und

    Geschichte 82), Tubingen 1966, p. 11ff.12 Al-Yaqub,K. al-Buld an, ed. Michael Jan de Goeje (Bibliotheca Geographorum Arabicorunt VII),

    Lugduni Batavorum 1892, 238, 14ff.; Birun Atar 270, 12ff.13 Yaqut Buldan IV 693, 2ff.14 Franz Rosenthal, A History of Muslim Historiography, Leiden 1952, p. 98 100.15 S. Hermann Grauert, Meister Johann von Toledo, Sitzungsberichte der konigl. bayer. Akad. d.

    Wissenschaften, phil-hist. Classe, 1901, p. 201ff.; 245ff.; 250ff.; 264ff.; 273ff.16 Rudolf Gelpke, Das astrologische Weltbild in Nizamis Heft Peiker, in: Symbolism 2, 1961, 63 80.17 Willy Hartner, The Pseudoplanetaty Nodes of the Moons Orbit in Hindu and Islamic Iconographies.

    A contribution to the historv of ancient and medieval astrology, in: Ars Islamica 5, 1938, 113 154.18 Ignaz Goldzihcr, Stellung der alten islamischen Orthodoxie zu den antiken Wissenschaften, Abhand-

    lungen der konigl. preu. Akad. d. Wiss. 1915, nr. 8, p. 20-23.

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    Astrologie 3

    Der Neuplatonismus aber ebnete den astrologischen Gedanken die Wege. In der

    Theologie des Aristoteles heit es:

    Die Planeten sind gewissermaen das eingesetzte Werkzeug, das zwischen dem

    Demiurgen und dem Werk vermittelt

    19

    . Die Planeten (as-sayy ara

    ) sind aber nichtdie Ursache des Ubels, denn von der himmlischen Welt (al- alam as-samaw)

    kommt nie etwas Tadelnswertes in die irdische Welt (al- alam al-ard. )20. Das

    Gute wird nur schlecht, wenn es sich mit diesen irdischen Dingen vermischt 21.

    Auch vom Hermetismus ging ein starker Impuls zur Verbreitung und Vulgarisation

    der Astrologie aus. Im ersten Teil derDah

    ra al-iskandar ya 22 sind die Wirkungen der

    Planeten folgendermaen verstandlich gemacht:

    Die Sonne verursacht in den verschiedenen Landern eine unterschiedliche Ve-

    getation, Fauna und verschiedenes Wetter, je nach der Einwirkung ihrer Warme;

    der Mond verursacht Ebbe und Flut; das Wachstum des Kurbis und der Melone

    folgt periodisch der Zu- und Abnahme des Mondes, ebenso die Krisis der Krank-

    heiten. Steht die Venus im Sternbild der Fische und der Mond im Sextilschein

    zu ihr im Sternbild des Stieres, so ereignet sich im Beischlaf eine unglaubliche

    Harmonie der Korper.

    Und in dieser Weise gleitet die Argumentation unmerklich hinuber in unkontrollier-

    bare Behauptungen. Beweise wurden auch zumeist nicht gefordert, denn die Wirkung

    der Planeten auf die sublunare Welt war dem mittelalterlichen Menschen evident.

    MANFREDULLMANN, Die Natur- und Geheimwissenschaften im Islam, Leiden 1972, S. 271ff.

    19 Inna l-kawakiba hiya ka-l-ad ati l-maud.uati l-mutawassit.ati baina s. -s.anii wa-s. -s.anati, Ps. Arist..

    Utul. 74, 7 entsp. Plotin Enneaden IV 4, 39, 9.20 Ps. Arist

    .. Utul. 75,1 ff. = Plotin Enneaden IV 4, 39,23 ff.

    21 Ps. Arist.. Utul. 75,12 = Plotin Enneaden IV 4, 39, 29.22 Dah

    ra iskand. fol. 6a ult. ff.

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    4 Astrologie

    Der Bereich derIndividualastrologieumfat die Geburtshoroskopie, die Katarchen-

    horoskopie und die Fragen.

    I. Die Geburtshoroskopie oder Genethlialogie (cemehkiakocij, nativitates) ist die

    Fixierung des Gestirnstandes zur Zeit der Geburt eines Menschen an einem bestimmtenOrt. Diese Konstellation determiniert das gesamte Leben des Menschen, so da es (fast)

    unabhangig von dun sukzessiven Veranderungen des Firmamentes ist. Dieses System,

    das den Katarchen und Interrogationen prinzipiell keinen Raum lat, wird mit dem

    Fachausdrucktah.awl sin l-mawald(revolutiones annorum nalivitatum) bezeichnet.

    Nach ihm werden die tropischen Jahre oder Bruchteile der tropischen Jahre, die seit

    der Geburt verflossen sind, berechnet.

    II. Katarchenhoroskopie (jataqwa,ih

    tiy ar at,electiones) ist die Beobachtung der

    Sternstellung im Hinblick auf bestimmte Handlungen, furdiedergunstigste Augenblick

    bestimmt werden soll 23. Die Lehre von den jataqwa ist den Arabern insbesondere

    durch das funfte Buch des Dorotheos vermittelt worden, und Dorotheos wird denn auchbei ibn ab r-Rigal und an-Nus.air im Zusammenhang mit den durch die Mondstationen

    bestimmten Katarchen ausfuhrlich zitiert 24.

    III. Fragen (qytseir, masail, interrogationes). Dieser Teil der Astrologie gibt

    Auskunftuber konkrete Anfragen, z. B. nach dem Ergeheneines entfernten Verwandten,

    nach einem Dieb, nach dem Ort, an dem sich ein fluchtiger Sklave verbirgt. Eines der

    bedeutendsten Werke dieser Gattung ist das K. al-Mas aildes Qas.ran.

    Im Gegensatz zur Individualastrologie macht dieMundanastrologie (potekeslatij

    jahokij,al-ah.k am ala umur al-alam) Aussagenuber das Schicksal von Landern,

    Volkern, Stadten,uber Kriege, Epidemien, Uberschwemmungen, uber Wetter, Winde,Jahreszeit,uber Konige und Herrscher. Diese Aussagen konnen basieren

    a) auf den Planetenkonjunktionen (qir an at),

    b) auf der Stellung des

    hinweisenden Planeten (vtgr, haila g, dall) in dem Au-

    genblick, in dem die Sonne in das Tierkreisbild des Widders eintritt, d. h. zu Beginn

    jeden tropischen Jahres. Diese Berechnungen fallen unter den Begriff dertah.awl

    sin l-alam(revolutiones annorum mundi). Die Aussagen konnen auch beruhen

    c) auf denMondstationen oder dem Aufgang des Sirius zur Wettervorhersage (tagayyur

    al-haw a).

    MANFREDULLMANN, Die Natur- und Geheimwissenschaften im Islam, Leiden 1972, S. 357f.

    23 Vgl. Bouchg-Leclercq 458ff.; Taufiq Fahd, EI2 III 1063 f.; Fafd Divination 483 488; Wilhelm

    Gundel, Sternglaube, Sternreligion2

    66f.24 Zwei solcher Listen in byzantinischer Ubersetzung sind publiziert CCAG V 3, p. 90 93. Incipit:

    >Ejkoca tm lqym ...