Atlantis

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Atlantis Thesen, Tatsachen und Erkenntnisse

Transcript of Atlantis

Während eines Tages und einer Nacht versank Atlantis während eines Erdbebens im Meer (Tim. 25c-d). Ramses III schrieb, er ließe die Seevölker die Macht und Kraft des Wassergottes Nun sehen, wenn er ausbricht und ihre Städte und Dörfer unter einen Schwall Wasser legt (Pl. 102.21), zudem lägen die Berge in ihren Wehen (Pl. 19.11).

Lokalisierung von Atlantis

Platon beschrieb die Lage der atlantischen Hauptstadt eindeutig. Die Hauptstadt (Krit. 115c) lag auf einem allseits niedrigen Berg, der 50 Stadien (9 Kilometer) vom Meer entfernt am Rande einer Ebene lag (Krit. 113c). Diese Ebene war eine rechteckige (Krit. 118c), glatte und gleichmäßige Fläche, die auf der Südseite der Insel (Krit. 118a-b) und zwar in deren Mitte (Krit. 113c) lag. Die Ebene wurde von Bergen umschlossen, die sich bis zum Meer hinzogen (Krit. 118a). Ansonsten war das Land im Ganzen sehr hochgelegen und besaß eine Steilküste (Krit. 118a).

Die Insel Atlantis wurde unter die zehn Söhne Poseidons aufgeteilt (Krit. 113e). Der Erstgeborene Atlas erhielt das größte und beste Gebiet, nämlich die Gegend um die Hauptstadt (Krit. 114a). Der Zweitgeborene Gadeiros erhielt den äußersten Teil, der von den Säulen des Herakles (Gibraltar) bis zum gadeirischen Land (die Gegend um Cadiz) reichte (Krit. 114b).

Da der Erstgeborene Atlas den größten und besten Landesteil erhielt, ist anzunehmen, dass die nachgeborenen Söhne immer kleinere Landesteile erhielten. Demnach wäre der Anteil des Gadeiros der zweitgrößte der “Insel Atlantis”. Dieser Anteil umfasste den Küstenstreifen Spaniens von Cadiz bis Gibraltar. Der Begriff “Insel” sollte hier eher als “Küste” oder “Landschaft” verstanden werden.

Da der Landesteil des Gadeiros lediglich ein Küstenstreifen von etwa 100 Kilometern war und die Landesteile der nachgeborenen Söhne wohl noch kleiner waren, so kann der Landesteil des Atlas nicht weit von Cadiz entfernt gelegen haben.

Tatsächlich existiert nahe Cadiz eine rechteckige (Krit. 118c), glatte und gleichmäßige Ebene, die an einer Südküste liegt (Krit. 118a-b). Es ist die vom Guadalquivir durchflossene Ebene südwestlich von Sevilla. Lag hier die Hauptstadt von Atlantis, wie bereits Schulten vermutete? [5]

Die Braunschweiger Zeitung berichtete am 10.01.2003 und am 19.02.2003, Werner Wickboldt verfüge über Satellitenbilder aus jener Region, die Strukturen zeigen, wie sie Platon von Atlantis berichtet. [6] Eine rechteckige Struktur ist ein Stadion (185 Meter) lang und ein halbes Stadion breit wie der Tempel des Poseidon (Krit. 116c-d).

Platons Atlantis und das Wolkenkuckucksheim des Aristophanes

Thorwald C. Franke

Wer Platons Atlantis für eine Erfindung des Platon hält, sucht in antiken Texten nach möglichen Inspirationen und Vorlagen, die sich in Platons Atlantis wiedererkennen lassen. In diesem Zusammenhang ist die 414 v.Chr. aufgeführte Komödie “Die Vögel” von Aristophanes von besonderem Interesse. Denn hier wird ebenfalls eine fiktive Stadt ersonnen, nämlich das inzwischen sprichwörtlich gewordene Wolkenkuckucksheim.

Kann man bei Aristophanes Motive und Vorlagen ausmachen, nach denen er sein Wolkenkuckucksheim erfand? O ja! Zunächst soll diese Stadt der Vögel ein Gegenbild zu Athen sein. Ihre Gründung wird von Ratefreund angeregt, der Athen verlässt, weil ihm dort zu viel prozessiert wird (40 ff.). Dahinter sehen viele eine Anspielung auf die Flucht des Alkibiades nach Sparta, um einem Prozess in Athen zu entgehen. Diese Deutung wird unterstützt durch den jedoch gleich wieder verworfenen, ersten Namensvorschlag für die neue Stadt: Sparta (812 ff.).

Die neue Stadt wird von Aristophanes wenig beschrieben; hauptsächlich charakterisiert wird sie durch ihre Mauer. Diese wird explizit mit der Ziegelmauer von Babylon verglichen (550 ff.). Die Bauarbeiten werden von Riesenheeren von Vögeln verrichtet, darunter 30000 Kraniche und 10000 Störche (1135 ff.). Am Ende ist die Mauer so groß, dass man auf ihr mit zwei Pferdegespannen aneinander vorbei fahren kann (1125 ff.). Eine unrechtmäßig eingedrungene Gottheit wird sofort von einem Riesenheer von 30000 Falken verfolgt (1179). Als Ersatz für eine Stadtgottheit wird ein persischer Vogel gewählt (832 ff.). Ratefreund, der die Gründung der Stadt anregte, ist faktisch Alleinherrscher und Despot, der die Vögel durch seine Überredungskünste nach Belieben lenkt. Unliebsame Einwanderer werden von ihm nach Despotenart fortgeprügelt (1337 ff.). Am Ende des Stücks erhält Ratefreund die personifizierte Königsherrschaft Basileia von Zeus zur Frau; ihm wird als Gottkönig gehuldigt (1706 ff.).

Damit sind deutliche Anspielungen auf Babylon und das Perserreich gesetzt. Da ist die Ziegelmauer. Dann das Fahren auf der Mauer wie in Babylon (vgl. Herodot I 179). Dann der persische Vogel. Dann die Riesenarmeen. Und schließlich der orientalische Despotismus.

Wir sehen hier, wie ein Komödiendichter seine Anspielungen so setzt, dass sie vom Publikum wiedererkannt werden können. Bei Platons Atlantis hingegen suchen wir

vergeblich nach derartigen erkennbaren Anspielungen.

Könnte es denn wenigstens sein, dass sich Platon selbst wiederum an Aristophanes’ Wolkenkuckucksheim orientierte? Aber nein. Auch in dieser Richtung sind keine

erkennbaren Anspielungen auszumachen.

Wir schließen mit der Feststellung, dass das Wolkenkuckucksheim des Aristophanes keine Indizien für eine Erfindung von Atlantis durch Platon liefert. Im Gegenteil können wir am Wolkenkuckucksheim des Aristophanes sehr schön ablesen, was bei Platons Atlantis fehlt, um es als eine anspielungsreiche Erfindung erkennen zu können.

Verwendete Literatur

Aristophanes, Die Vögel – Komödie, Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Christian Voigt (1971), Stuttgart. Philipp Reclam jun. Verlag

Prof. Dr. Wilhelm Brandenstein und sein Beitrag zur Atlantis-Forschung

Thorwald C. Franke

Mit seinem Buch ‘Atlantis – Größe und Untergang eines geheimnisvollen Inselreiches’ hat sich ein Wissenschaftler mit Fachkompetenz zum Thema geäußert. Sein gut fundiertes Fazit: Die Atlantis-Erzählung ist eine historische Überlieferung. Atlantis ist demnach keine Erfindung Platons, sondern war ein realer Ort.

Wilhelm Brandenstein als Atlantis-Forscher

Prof. Dr. Wilhelm Brandenstein (1898-1967) war in erster Linie ein Sprachwissenschaftler, der sich unter linguistischen Gesichtspunkten mit alten Sprachen befasste, darunter Altpersisch und Altgriechisch. In dieser Funktion leitete er über 25 Jahre lang das Institut für vergleichende Sprachwissenschaften an der Universität Graz in Österreich.

Die Atlanter führten einen Kriegszug gegen Europa und Asien (Tim. 24e) und “jedes Land innerhalb der Mündung”, also gegen den östlichen Mittelmeerraum (Tim. 25b). Die Seevölker zerstörten Hatti in Anatolien, Kode und Karkemisch in Nordsyrien, Arzawa in Südwestanatolien und Alasia auf Zypern (Platte 46.16-17) und kämpften gegen Ägypten.

Die Atlanter lebten auf einer Insel (Tim. 24e, 25a, 25d, Krit. 113c) und herrschten über mehrere andere Inseln (Tim. 25a). Auch die Seevölker kamen von Inseln (Pl. 37.8-9, 42.3, 46.16).

Die Atlanter herrschten in Afrika von den Säulen des Herakles (Gibraltar) bis an die Grenzen Ägyptens (Tim. 25a-b). Der Krieg der Seevölker gegen Ägypten erfolgte gleichzeitig mit dem Angriff der libyschen Meshwesh. Nach Ramses’ Bericht schienen sie alliiert zu sein.

Atlantis bestand aus zehn Landesteilen (Krit. 113e-114a, 119b). Gemäß der um 1200 v. Chr. unter Pharao Merenptah geschriebenen Karnak-Inschrift bestanden die Seevölker aus den Ekwesh, Teresh, Lukka, Sherden und Shekelesh. Gemäß Ramses III bestand ihre Konföderation aus der Vereinigung der Länder der Peleset, Theker, Shekelesh, Denen und Weshesh (Pl. 46).

Im Kriegsfalle besaßen die Atlanter mehr als eine Million Soldaten (Krit. 119a-b). Ramses III behauptete, hunderttausende von Feinden geschlagen zu haben (Pl. 18.16, 19.4-5, 27.63, 32.10, 79.7, 80.36, 80.44, 101.21, 121c.7). Gelegentlich sprach er auch von Millionen (Pl. 27.64, 46.4, 46.6, 79.7, 101.21) und Myriaden (Pl. 27.64) von Feinden, die zahlreich wie Heuschrecken (Pl. 18.16, 80.36) oder Grashüpfer (Pl. 27.63) waren.

Die Atlanter besaßen 1200 Kriegsschiffe (Krit. 119b). Die Schiffsflotte der Seevölker drang tief ins Nildelta ein (Pl. 42.5) und zerstörte das kleinasiatische Arzawa, das zyprische Alasia, sowie das nahöstliche Ugarit und Amurru.

Die Atlanter besaßen von Pferden gezogene Streitwagen (Krit. 119a). Die Meshwesh besaßen Pferde (Pl. 75.37) und Wagen (Pl. 18.16, 75.27), die jedoch von Ochsen gezogen wurden (Abb. zu Pl. 32-34).

Die atlantischen Könige herrschten mehrere Generationen lang (Krit. 120d-e) und verloren anschließend ihre guten Gesinnungen (Krit. 121a-b). Ramses III schrieb

über die Seevölker, dass sie eine lange Zeit verbracht hatten und ein kurzer Moment vor ihnen lag, dann traten sie in die bösartige Zeit ein (Pl. 80.16-17).

Datierung Athens zur Zeit des Krieges gegen Atlantis

In seinen Dialogen ‘Timaios’ und ‘Kritias’ beschrieb Platon den Inselstaat Atlantis, der von den Athenern im Krieg besiegt worden (Krit. 108e) und kurz darauf wegen Erdbeben und Überschwemmungen im Meer versunken sein soll (Tim. 25c-d, Krit. 108e).

Da Platon die Athener Akropolis zur Zeit des Krieges beschrieb (Krit. 111e-112e), lassen sich diese Ereignisse aufgrund archäologischer Erkenntnisse datieren.

Platon erwähnte die im Norden der Akropolis befindlichen Wohnungen der Krieger (Krit. 112b), die im 15. Jh. v. Chr. erbaut wurden, sowie eine während jener Erdbeben verschütteten Quelle (Krit. 112d). Oskar Broneer [1] hat diese Quelle wieder entdeckt, sie wurde durch ein Erdbeben Ende des 13. Jh. v. Chr. verschüttet. Platon schrieb, diese Naturkatastrophen seien nur von den Schriftunkundigen überlebt worden, so dass das Wissen über die griechische Schrift verloren ging (Tim. 23c). Tatsächlich wiesen Ventris und Chadwick [2] nach, dass das mykenische Linear B in einer frühen griechischen Sprache abgefasst war und es bis um 1200 v. Chr. in Griechenland in Gebrauch blieb. Danach besaßen die Griechen bis ins 8. Jh. v. Chr. hinein keine Schrift.

Das von Platon beschriebene Athen kann somit auf die Zeit um 1200 v. Chr. datiert werden.

Vergleich von Atlantis und den Seevölkern

Auch die Atlanter lassen sich historisch nachweisen. Wie zuerst Marinatos [3] erkannte, sind sie mit den Seevölkern identisch. Über diese Seevölker berichten vor allem die Tempelinschriften von Medinet Habu, die um 1180 v. Chr. unter Pharao Ramses III angefertigt und von Edgerton und Wilson [4] übersetzt wurden. Im folgenden werde ich Platons Beschreibung der Atlanter der Beschreibung der Seevölker durch Ramses III gegenüberstellen. Literaturzitate der Tempelinschriften werden in der Kombination von Plattennummer und Schriftzeile angegeben:

Abb. 1: Prof. Dr. Wilhelm Brandenstein

Neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Sprachwissenschaftler befasste sich Brandenstein jedoch auch mit historischen Fragen der antiken Geschichte, die nicht unmittelbar zu seinem Forschungsbereich gehörten. Damit bewies er einerseits eine große Weite seines Horizontes, andererseits ermöglichten es ihm seine sprachwissenschaftlichen Kompetenzen, Probleme unter anderen Gesichtspunkten anzugehen, als andere Disziplinen.

Auch mit der Frage, wie Platons Atlantis-Erzählung zu interpretieren ist, beschäftigte sich Wilhelm Brandenstein, und veröffentlichte dazu 1951 sein Werk ‘Atlantis – Größe und Untergang eines geheimnisvollen Inselreiches’. Anders als Titel und Titelbild vermuten lassen, handelt es sich nicht um eine reißerische und populäre Veröffentlichung, sondern um eine lesbar geschriebene aber niveauvolle wissenschaftliche Untersuchung der Atlantis-Erzählung, die zu dem Schluss kommt: Atlantis war doch ein realer Ort.

Von den meisten Atlantis-Forschern, die Atlantis für einen realen Ort halten, hebt sich Wilhelm Brandenstein dadurch ab, dass er ein Wissenschaftler mit Fachkompetenz ist: Er kennt die alten Sprachen und ihre Literatur, weiß um literarische Gattungen und ist sich des geschichtlichen Kontextes der Atlantis-Erzählung bewusst. Auch wenn seine Thesen sich teilweise als Irrtümer und Kurzschlüssigkeiten erweisen sollten – ein Vorwurf wird dennoch dauerhaft

unzulässig bleiben: Dass hier ein Pseudo-Wissenschaftler am Werke gewesen wäre.

Abb. 2: Titelseite von Brandensteins ‘Atlantis’

Die literarische Gattung der Atlantis-Erzählung

Gleich zu Beginn beweist Brandenstein sein wissenschaftliches Vorgehen: Er stürzt sich nicht mit kühnen Behauptungen Hals über Kopf in das Thema, sondern schaltet erst einmal ein nüchternes, wenn nicht sogar langweiliges Kapitel ein, in dem er darlegt, untersucht und definiert, was wir unter den Begriffen Mythos, Legende, Sage und Märchen zu verstehen haben. Auf dieser Grundlage versucht Brandenstein dann durch konsequente Schlussfolgerungen abzuleiten, mit welcher literarischen Gattung wir es bei der Atlantis-Erzählung zu tun haben.

- Es ist kein Mythos

Für Brandenstein kann die Atlantis-Erzählung kein Mythos sein. Dies erschließt sich zunächst aus der Definition des Mythos, nach der der Kern eines Mythos aus einem unerklärlichen Sachverhalt gebildet wird, der durch den Mythos intuitiv und anthropomorph statt rational erklärt wird. Die Atlantis-Erzählung ist jedoch eine diesseitige und mit mehrfachen Belegen untermauerte Darlegung.

Ein zweites Argument ist der Vergleich mit typischen Beispielen mythischer Erzählungen. Brandenstein destilliert aus ihnen ein Grundschema heraus, das allen diesen Erzählungen zugrunde liegt, und zeigt: Die Atlantis-Erzählung weicht in einem entscheidenden Punkt von diesem Grundschema ab: Am Ende sind nicht nur die „Bösen“, d.h. die Atlanter, sondern auch die „Guten“, d.h. die Ur-Athener, dem Untergang geweiht.

- Es ist keine mythische Allegorie

Brandenstein verwirft auch die Idee, dass es sich bei der Atlantis-Erzählung um eine mythische Allegorie handeln könnte. Dabei handelt es sich um Kunstmythen, die Autoren zu Platons Zeiten ersannen, um ihren Ideen besser Ausdruck zu verleihen. Bei Platon spricht man insbesondere von „Platonischen Mythen“.

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Lage und Datierung von Atlantis

Rainer Kühne

Aufgrund archäologischer Erkenntnisse deutet Rainer Kühne Platons Atlantisbericht als Geschehnisse um das Jahr 1200 v.Chr. So scheint Platon detailliert die Athener Akropolis jener Zeit zu beschreiben. Zudem lässt sich der durch den griechischen Philosophen erwähnte Krieg zwischen Atlantis und den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes auf ägyptische Beschreibungen der Seevölker-Kriege zurückführen. Die Hauptstadt von Atlantis selbst kann laut Rainer Kühne aufgrund Platons Beschreibungen sowie durch Auswertungen moderner Satellitenbilder in Südspanien lokalisiert werden.

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Hauptgrund für diese Ansicht ist Brandensteins Überzeugung, dass die Atlantis-Erzählung ihre Funktion in dem von Platon vorgegebenen Kontext nur dann erfüllen kann, wenn es sich um eine wahre Geschichte handelt. Die Absicht Platons sei es ja, einen Beleg für die Richtigkeit seiner staatspolitischen Thesen zu liefern. Demgemäß enthalte die Atlantis-Erzählung auch eine Beweisführung für ihre Richtigkeit sowie Wahrheitsbeteuerungen, die für die literarische Gattung einer mythischen Allegorie völlig unpassend seien.

- Es ist eine Sage

Brandenstein kommt zu dem Schluss, dass Platons Atlantis-Erzählung der literarischen Gattung einer Sage zuzurechnen sei. Unter einer Sage versteht Brandenstein eine Erzählung, die im Kern auf eine historische Begebenheit zurückgeht. Zwar seien auch mythische und märchenhafte Aspekte enthalten, doch nur am Rande. Diese Sage sei zudem von Solon bzw. Platon durch ehrlich gemeinte aber teils irrige Schlussfolgerungen und Interpretationen ergänzt worden. Dazu gleich mehr.

Platon verarbeitete eine historische Überlieferung

Nachdem Brandenstein ausgeschlossen hat, dass es sich bei Platons Atlantis-Erzählung um einen fiktiven oder mythischen Stoff handelt, untersucht er den Text unter dem Gesichtspunkt, dass Platon eine historische Überlieferung verarbeitet haben muss, und zwar mit der Absicht, als Historiker zu wirken. Dabei erschließen sich weitere Argumente für Brandensteins These, dass es sich bei der Atlantis-Erzählung um eine historische Überlieferung handeln muss.

- Die Funktion der Atlantis-Erzählung

Wie oben schon dargelegt, versucht sich Platon laut Brandenstein als Historiker, um seine staatspolitischen Thesen belegen zu können. Aus der Beweisführung Platons für die Historizität der Geschichte und seinen Wahrheitsbeteuerungen schließt Brandenstein: „Daraus geht wohl zwingend hervor, dass Platon größten Wert darauf legte, mit seiner Atlantiserzählung Glauben zu finden, und dass er keineswegs ‘mit lächelndem Ernst’ Erdichtetes darbieten wollte.“

- Die Atlantis-Erzählung passt schlecht zu ihrer Funktion

Brandenstein legt dar, dass der Plot der Atlantis-Erzählung eigentlich gar nicht zur Absicht Platons passt, die Bewährung seines Idealstaates anhand des Beispieles

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von Ur-Athen darzulegen: Denn am Ende geht nicht nur Atlantis unter, sondern auch die ur-athenische Zivilisation.

Auch weist Brandenstein auf das krasse Missverhältnis zwischen der Menge des Textes hin, die Platon zur Beschreibung von Ur-Athen und Atlantis verwandt hat. Ur-Athen, um das es ja eigentlich geht, wird viel knapper beschrieben, während das vergleichsweise unwichtige Atlantis in epischer Breite dargelegt wird.

Daraus schließt Brandenstein, dass hier keine Erfindung Platons vorliegt, sondern dass Platon vielmehr zum Opfer eines unpassenden Stoffes geworden sei. Deshalb habe Platon seinen Kritias auch nicht vollendet, da die Unstimmigkeiten zwischen dem vorliegenden historischen Stoff und seiner Beweisführungsabsicht unüberbrückbar geworden seien. Hätte Platon die Erzählung erfunden, so hätte er sie viel besser erfunden.

- Platon ergänzte Lücken nicht willkürlich

Ein weiteres Indiz für eine historische Überlieferung und eine historische Absicht bei Platon macht Brandenstein in der Tatsache aus, dass Platon den Stoff nicht willkürlich ergänzt habe. Vielmehr sei erkennbar, dass Platon sich bemüht habe, seine Interpretationen und Schlussfolgerungen an der ihm bekannten Realität zu orientieren.

Beispiele für diese Schlussfolgerungen und Interpretationen seien etwa die Beschreibungen der landschaftlichen Verhältnisse Athens oder die friedliche Aufteilung der Welt unter den Göttern. Dabei ging Platon oft etwas kurzschlüssig vor.

Gerade in der friedlichen Aufteilung der Welt unter den Göttern sieht Brandenstein eine wohlmeinende platonische Korrektur der ursprünglichen Überlieferung: Diese ist für Athen nämlich in einem Streit unter den Göttern Athene und Poseidon belegt, an deren Ende Athene siegt, Poseidon jedoch zur Strafe Erdbeben und Flut nach Attika schickt. Letzteres erinnert stark an die Atlantis-Erzählung.

Indem Platon aufgrund seiner religiösen Vorstellungen den Götterstreit wohlmeinend durch eine friedliche Aufteilung der Welt ersetzte, habe er die Motivation für den späteren Untergang der ur-athenischen Zivilisation aus der Geschichte herausgenommen, und sich so die Schwierigkeit bereitet, diesen Untergang anderweitig motivieren zu müssen – woran er offenbar gescheitert sei, wie der unvollendete Kritias zeige.

- Der historisierende Roman entwickelte sich erst später

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Als weiteres Argument führt Brandenstein ins Feld, dass sich der historisierende Roman in der griechischen Literatur erst lange nach Platon entwickelt habe. Platon hätte einer längeren Entwicklung und Entfaltung literarischer Formen weit vorgegriffen und wäre demgemäß bei seinen Zeitgenossen auf kein Verständnis gestoßen, hätte er mit der Atlantis-Erzählung so etwas wie einen historisierenden Roman vorlegen wollen. Das sei praktisch unmöglich.

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Dombrowski, D. A. (1981): “Atlantis and Plato’s Philosophy”, in: Apeiron 15 (1981) 117 – 128.

Dusanic, S. (1982): “Plato’s Atlantis”, in: L’Antiquité Classique 51 (1982) 25 – 52.

Folin, L. de (1892): “Les mollusques spéciaux à la région extrême sud-ouest de la France et l’Atlantide”, in: Revue des Sciences Naturelles de l’Ouest 2 (1892) 324 – 329.

Zu Platons Zeiten hätten also historische Erzählungen immer auch einen gewissen Wahrheitsanspruch gehabt, alles andere wäre nicht verstanden worden. Auch der literarische Kunstgriff, eine fingierte Überlieferung zu präsentieren, sei erst viel später entwickelt worden.

Damit hat Brandenstein ein sehr ernstes und starkes Argument präsentiert, dem sicherlich große Aufmerksamkeit zu widmen ist, zumal schon Spyridon Marinatos dieser Auffassung war. Eine Lücke in seiner Argumentation existiert dennoch: Es ist fraglich, ob es genügt, auf den historisierenden Roman zu sehen. Platon selbst verstand sich auch als Erfinder von erzieherischen Mythen, weshalb Brandensteins Argumentation noch unvollständig erscheint. Aber vielleicht kann diese Lücke behoben werden? Dann wäre die Atlantis-Erzählung mit großer Beweiskraft als historische Überlieferung erkannt.

- Platon war kein Romanautor

Abgesehen von der Zeit, die den historisierenden Roman noch nicht entwickelt hatte, war Platon auch selbst alles andere als ein geborener Romanautor. Dazu zieht Brandenstein die Auffassung von Wilamowitz bei: Platon habe nie eine Erzählung geschrieben, geschichtliche Stoffe hätten ihn nie gereizt, die Historiker seines Volkes habe er ganz beiseite gelassen. Seine Lust am Fabulieren sei schon längst erstorben gewesen. Es wäre also „wahrlich merkwürdig“, wenn Platon einen Roman geschrieben hätte.

Brandenstein über andere Atlantis-Hypothesen

Natürlich kommt auch Brandenstein nicht umhin, sich mit der Fülle der Atlantis-Hypothesen zu befassen, doch hält er sich dabei nur sehr kurz auf, da er als klares Ziel seine eigenen Ideen zum Thema vor Augen hat.

- Romantiker

Hauptsächlich wendet er sich gegen die “Romantiker”, wie er sie nennt, die an ein Atlantis glauben, dass tatsächlich vor 10000 Jahren im Atlantik versunken sein soll. Ihnen hält er entgegen, dass in der Steinzeit niemand von einer solchen Insel hätte wissen können, und dass Untersuchungen des Meeresbodens zweifelsfrei ergeben

Forsyth, Phyllis Young (1980): Atlantis – the Making of Myth. Montreal

Frost, K. T. (1913): “The Critias and Minoan Crete”, in: Journal of Hellenic Studies 33 (1913) 189 – 206.

Galanopoulos, Angelos G. (1960): On the Location and Size of Atlantis, in: Praktika Akademia Athen 35 (1960) 401 – 418.

hätten, dass eine solche Insel niemals existiert habe.

Den Romantikern fehle die nötige Vorstellungskraft und Einfühlungsgabe, um die Problematik zu erfassen; statt dessen hätten sie ihre Freude am Fortwuchern ihrer eigenen Phantasien.

- Skeptiker

Romantikern wie Skeptikern macht Brandenstein den Vorwurf, dass sie “kühn darüber hinweggegangen” seien, dass die Ortsbestimmung der Insel Atlantis zeitgebunden verstanden werden müsse und deshalb ein Interpretationsfehler aus Solons bzw. Platons Zeit vorliegen könne.

Der Schluss, dass es überhaupt kein Atlantis gegeben habe, wenn es im Atlantik kein Atlantis gegeben habe, ist für ihn nicht bündig. Das sei, wie wenn Kolumbus gefolgert hätte, dass es überhaupt kein Indien gebe, wenn es im Atlantik kein Indien gebe.

Den Skeptikern hält er entgegen, dass es “völlig untragbar” sei zu glauben, dass Platon die Herkunft des Atlantis-Berichts aus Ägypten einfach erfunden hätte. Brandenstein betont, “dass Platon größten Wert darauf legte, mit seiner Atlantiserzählung Glauben zu finden, und dass er keineswegs ‘lächelndem Ernst’ Erdichtetes darbieten wollte”.

- Andere

Lokalisierungen im westlichen Mittelmeerraum schließt Brandenstein aus. Die Spanien-Hypothese sei von Hans Herter bereits widerlegt worden. Überhaupt habe es im Westen vor den Karthagern und Etruskern keinerlei Seemächte gegeben.

Abb. 3: Die Dreifachringstruktur von Atlantis nach Brandenstein

Die Interpretation der Eckpunkte der Atlantis-Erzählung

Bevor Brandenstein dazu übergeht, nun seinerseits einen Lokalisierungsversuch für Atlantis zu unternehmen, versucht er, Interpretationen für die Eckpunkte der Atlantis-Erzählung zu geben. Bis hierher konnte Brandenstein mit guten und starken Argumenten aufwarten. Ab jetzt jedoch beginnt die Argumentation von Brandenstein zu schwächeln.

Anmerkungen

[1] Mitchell 1877; de Folin 1892; Mortillet 1897; Verneau 1898; Scharff 1903; Scharff 1909; Wilckens 1913; Termier 1913; Germain 1913; Termier 1915; Babcock 1917; Matthew 1920; Germain 1924a; Germain 1924b; Germain 1924c.

[2] Mitchell 1877.[3] Termier 1913; Termier 1915.[4] Scharff 1903; Scharff 1909.[5] de Folin 1892.[6] Verneau 1898.[7] Babcock 1917.[8] Schuchert 1917a; Schuchert 1917b; Schuller 1917; Kukal 1984.

[9] Frost 1913; Leaf 1915; Balch 1917; Marinatos 1950; Brandenstein 1951; Andrews 1967.

[10] Marinatos 1950.[11] Galanopoulos 1960.[12] Jessen 1925; Hennig 1925; Hennig 1927; Schulten 1927; Schulten 1939.[13] Borchardt 1927a; Borchardt 1927b; Herrmann 1927.[14] Bérard 1929.[15] Gidon 1934.[16] Zangger 1993.[17] Renfrew 1992.[18] Bloedow 1994.[19] Collina-Girard 2001; Collina-Girard 2002; Collina-Girard 2003.[20] Kühne 2004.[21] Broneer 1939.

[22] Kluge 1910; Rudberg 1917; Robert 1917; Herter 1928; Taylor 1928; Taylor 1929; Heidel 1933; Herter 1944; Hackforth 1944; Pallottino 1952; Corbato 1953; Rosenmeyer 1956; Vidal-Naquet 1964; Schott 1967; Vitaliano 1971; Rexine 1975; Gill 1977; Remage 1978; Gill 1979; Forsyth 1980; Dombrowski 1981; Dusanic 1982; Giovannini 1985; Szlezak 1993.

[23] Taylor 1928; Pallottino 1952.[24] Rudberg 1917; Corbato 1953.[25] Pallottino 1952; Corbato 1953.[26] Vidal-Naquet 1964; Dusanic 1982.[27] Taylor 1928; Herter 1944; Giovannini 1985.[28] Forsyth 1980.[29] Leaf 1915.[30] Kluge 1910; Vidal-Naquet 1964; Gill 1979.[31] Schott 1967.[32] Harrison 1971; Tarling 1978; McKusick 1980; Smith 1985.

Literatur

Andrews, P. B. S. (1967): “Larger than Africa and Asia?”, in: Greece and Rome 14 (1967) 76 – 79.

Babcock, William H. (1917): “Atlantis \& Antilla”, in: The Geographical Review 3 (1917) 392 – 395.

Gestützt auf die Berichte Herodots und Diodors über ein Libyervolk namens Atlantioi, das am Triton-See beim Atlas-Gebirge gelebt haben soll, vermuteten Borchardt und Herrmann ein bronzezeitliches Atlantis am Schott el Djerid in Tunesien [13]. Bérard nahm an, Atlantis habe in Nordtunesien nahe bei Karthago aber zeitlich vor ihm existiert [14].

Gidon vermutete ein bronzezeitliches Atlantis zwischen Irland und Aremorika [15]. Jedoch ist dieser Teil des Kontinentalschelfs bereits im Mesolithikum versunken.

Zangger setzte Troja mit Atlantis gleich [16]. Seine Ansicht wurde kritisch besprochen [17] und zurückgewiesen [18]. Wie auch das minoische Knossos oder Phaistos stimmt auch Troja nicht mit Platons Beschreibung von Atlantis überein.

Collina-Girard vermutete, Atlantis sei die Majuan-Bank gewesen, die während der letzten Eiszeit eine Insel, “Spartel Insel” genannt, innerhalb der Straße von Gibraltar gewesen war [19]. Diese Ansicht kann jedoch Platons Beschreibung von Athen und der Kultur von Atlantis nicht erklären.

Ich vertrete die folgende Ansicht [20]. Laut Broneer bezieht sich Platons Beschreibung von Urathen auf das endbronzezeitliche Athen [21]. Der Krieg von Atlantis gegen die Länder des östlichen Mittelmeerraumes beruht laut Marinatos auf einer ägyptischen Darstellung der Seevölker-Kriege. Die Beschreibung der Geographie und Kultur von Atlantis bezieht sich auf das eisenzeitliche Tartessos [12].

Zahlreiche Autoren betrachten Atlantis als eine Fiktion Platons [22]. Der Krieg beziehe sich auf die Perserkriege [23]. Die Beschreibung der Stadt von Atlantis sei Platons Kenntnissen von Syrakus [24], Karthago [25] und Athen [26] entlehnt. Der Untergang von Atlantis sei dem Untergang der griechischen Stadt Helike [27] oder der Insel Atalante nahe Euböas [28] entlehnt.

Sowohl Befürworter der Existenz von Atlantis [29] als auch die Vertreter einer literarischen Fiktion [30] wiesen auf die Ähnlichkeiten von Atlantis mit Scheria, Homers Insel der Phäaken, hin.

Zu zwei der bekanntesten Atlantis-Lokalisierungen existieren in der wissenschaftlichen Literatur lediglich Gegendarstellungen, nämlich zur Helgoland-Lokalisierung [31] und zur Bimini-Lokalisierung [32].

- Der Überlieferungsweg

Wie schon gesehen, hält Brandenstein den in der Atlantis-Erzählung selbst geschilderten Überlieferungsweg für wahr, weil eine Erfindung desselben literarisch nicht in die Zeit gepasst hätte, und weil Platon seine Absichten mit seiner Atlantis-Erzählung nur dann erfüllen kann, wenn sie wahr ist.

Brandenstein glaubt, dass Solon zwei verschiedene Erzählungen irrtümlich zu einer verknüpfte: Aus Ägypten habe er Kenntnisse über die Seevölkerkriege gehabt, aus Athen hingegen Überlieferungen über die Auseinandersetzungen zwischen Kreta und Athen, wie sie tatsächlich in bekannten Mythen belegt sind. Damit glaubt Brandenstein, dass nur ein Teil der Atlantis-Überlieferung aus Ägypten stamme.

- Die Zeit: 9000 Jahre?

Brandenstein führt die in der Atlantis-Erzählung genannten 9000 Jahre auf die iranische Chronologie zurück. In Kontext der iranischen Weltjahrlehre schließt er, dass der Atlanterkrieg erst später statt fand. Einen Beleg für die iranische Chronologie sieht Brandenstein darin, dass Platons Akademie auch von einem iranischen Priester besucht worden sein soll.

Wesentlich besser belegt sind Brandensteins Überlegungen zur Einordnung des Atlanterkrieges in die mykenische Chronologie. Damit grenzt er den Zeitpunkt zwischen 1700 v.Chr. und dem Trojanischen Krieg um 1200 v.Chr. ein.

- Die Größenangaben

Die teils kaum glaublichen Größenangaben von Insel und Bauten seien der literarischen Gattung geschuldet: Eine Sage neige typischerweise zu Übertreibungen. Außerdem spiegele sich in der Größe der Insel Atlantis deren militärische Größe wieder.

- Der Ort: Im Atlantik?

Die Vorstellung, dass die Insel Atlantis im Atlantik gelegen habe, habe Platon aus dem Wissen seiner Zeit geschlossen. Der originale Atlantis-Bericht habe aber über den Atlantik noch nichts berichten können, weil dieser noch außerhalb der damals bekannten Welt gelegen habe. Vielmehr gebe es nur eine Insel, die als Seemacht am Rande der damals bekannten Welt gelegen habe: Kreta.

Brandensteins Lokalisierung: Kreta = Atlantis

Über die Hypothese, dass Kreta Atlantis sei, sagt Brandenstein manches Bedenkenswerte, im Ganzen jedoch weist seine Argumentation immer mehr Lücken auf bzw. gleitet in Spekulationen ab. Da die Kreta-Hypothese aufgrund neuerer Forschungen sehr fraglich geworden ist, wollen wir Brandensteins Thesen an dieser Stelle nicht mehr weiter ausbreiten.

Was bleibt

Eines bleibt: Ein Wissenschaftler mit Fachkompetenz hat eine niveauvolle Argumentation vorgelegt, die die Atlantis-Erzählung als eine historische Überlieferung sieht, und die die Idee einer Erfindung durch Platon zurückweist.

Dass derselbe Wissenschaftler wie viele andere – denken wir an Spyridon Marinatos, John V. Luce oder Eberhard Zangger – daran gescheitert ist, eine konkrete Lokalisierung für Atlantis anzugeben, kann dieses Verdienst nicht schmälern.

Bildnachweis

[1] Studien zur Srachwissenschaft und Kulturkunde, Gedenkschrift für Wilhelm Brandenstein, Innsbruck 1968; http://titus.uni-frankfurt.de/personal/galeria/brandens.htm[2] Wilhelm Brandenstein, Atlantis, 1951.[3] Wilhelm Brandenstein, Atlantis, 1951.

Verwendete Literatur

Wilhelm Brandenstein, Atlantis – Größe und Untergang eines geheimnisvollen Inselreiches, Heft 3 aus der Reihe: Arbeiten aus dem Institut für allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft Graz, herausgegeben von Wilhelm Brandenstein,Verlag Gerold \& Co., Wien 1951.

J.V. Luce, Die literarische Perspektive – Die Quellen und die literarische Form von Platons Atlantis-Erzählungen, enthalten in: Edwin S. Ramage (Hrsg.), Atlantis: Mythos, Rätsel, Wirklichkeit?, Umschau-Verlag Frankfurt am Main 1979. S. 65 – 101.

Spyridon Marinatos, On the Legend of Atlantis, 1950; enthalten in: General Direction of Antiquities and Restoration (Hrsg.), Some Words about the legend of Atlantis by Sp. Marinatos, Reihe: Archaiologicon Deltion, Band 12, Athens 1971.

Eberhard Zangger, Atlantis – Eine Legende wird entziffert, Droemer Knaur Verlag, München 1992

Atlantis in der wissenschaftlichen Literatur

Rainer W. Kühne

Das Thema Atlantis ist vor allem durch populärwissenschaftliche, pseudowissenschaftliche und esoterische Schriften bekannt. Diese einseitige Wahrnehmung hat vielfach zur Ansicht geführt, die Beschäftigung mit Atlantis sei unwissenschaftlich. Jedoch existiert eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur zum Thema. In diesem Beitrag erstelle ich eine kommentierte Liste wissenschaftlicher Abhandlungen zum Thema Atlantis.

Die bekanntesten Lokalisierungen von Atlantis wurden in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert.

Zahlreiche Autoren lokalisierten Atlantis im Nordatlantik und datierten seinen Untergang an das Ende der letzten Eiszeit [1]. Mehrere Argumente schienen diese Ansicht zu stützen. Mitchell interpretierte den neu entdeckten Mittelatlantischen Rücken als Überrest eines versunkenen Gebirges [2]. Das in der Tiefsee nahe der Azoren aufgefundene Vulkangestein Tachylith schien laut Termier auf versunkenes Land hinzudeuten, da er annahm, Tachylith könne nur an der freien Luft entstehen [3]. Auch zoologische und anthropologische Argumente wurden vorgebracht. Scharff verwies auf die Ähnlichkeiten der mittelamerikanischen und südeuropäischen Tierwelt [4]. Der Marquis de Folin vertrat die Ansicht, sowohl die Basken als auch die in den Pyrenäen beheimateten Mollusken seien dem übrigen Europa fremd und daher aus einem nordatlantischen Kontinent eingewandert [5]. Verneau interpretierte die Ureinwohner der Kanarischen Inseln, die Guanchen, als Cro Magnon Menschen, die seiner Ansicht nach aus Atlantis stammten [6]. Babcock schließlich interpretierte legendäre Inseln wie Antilla als Überreste von Atlantis [7]. Die Lokalisierung von Atlantis im Nordatlantik gilt heute als widerlegt, da gezeigt wurde, dass der Boden des Atlantiks nicht nur Jahrtausende, sondern bereits Jahrmillionen alt ist [8]. Mehrere Autoren vertraten die Ansicht, das minoische Kreta sei Atlantis gewesen [9]. Marinatos vermutete, die atlantische Kultur beziehe sich auf das minoische Kreta, sein Untergang beziehe sich auf den Ausbruch des Vulkans Thera-Santorin nördlich von Kreta und der atlantische Krieg beziehe sich auf die Seevölker-Kriege [10]. Galanopoulos vertrat die ähnliche Ansicht, das minoische Thera sei Atlantis gewesen, der Vulkanausbruch habe den Untergang von Atlantis verursacht [11].

Gemäß einer dritten Ansicht war Atlantis mit dem eisenzeitlichen, in Südspanien gelegenen Tartessos identisch [12].

Eine unmittelbar benachbarte quadratische Struktur besitzt eine Seitenlänge von einem Stadion und könnte den Tempel der Kleito und des Poseidon (Krit. 116c) darstellen. Diese Strukturen sind von konzentrischen (Teil-)kreisen umgeben, wie von Platon beschrieben (Krit. 115e-116a). Diese Teilkreise stimmen annähernd maßstabsgetreu mit Platons Angaben überein.

Schlussfolgerung

Sollte die Hauptstadt von Atlantis tatsächlich im Mündungsbereich des Guadalquivirs gelegen haben, so ergeben sich zwei Möglichkeiten. Entweder muß die über einhundert Jahre alte Lehrmeinung (Maspero 1873) korrigiert werden [7], gemäß der die Seevölker aus dem Raum der Ägäis stammen, oder aber Platons Atlantisbericht vermischte einen Bericht über die Seevölker und das Athen jener Zeit mit einem Bericht über eine spanische Stadt, die möglicherweise mit dem im 6. Jh. v. Chr. von Karthagern zerstörten Tartessos identisch war.

Anmerkungen

[1] vgl. Broneer 1939[2] vgl. Ventris und Chadwick 1953[3] vgl. Marinatos 1950[4] vgl. Edgerton und Wilson 1936[5] vgl. Schulten 1927; Schulten 1939[6] vgl. Wöstmann 10.01.2003; Wöstmann 19.02.2003[7] vgl. Maspero 1873

Literaturverzeichnis

Broneer, Oskar (1939): “A Mycenaean Fountain on the Athenian Acropolis”, in: Hesperia 8, 317-429.

Edgerton, William F. und Wilson, John A. (1936): Historical Records of Ramses III. The Texts in Medinet Habu. University of Chicago Press.

Marinatos, Spyridon (1950): “Peri ton Thrulon tes Atlantidos”, in: Kretica Chronica 4, 195-213.

Maspero, Gaston (1873): “Review of F. Chabas’s Etudes”, in: Revue Critique d’Histoire et de Litérature, S. 81-86.

Schulten, Adolf (1927): “Tartessos und Atlantis”, in: Petermanns geographische Mitteilungen 73, 284-288.

Schulten, Adolf (1939): “Atlantis”, in: Rheinisches Museum für Philologie 88, 326-346.

Ventris, Michael und Chadwick, John (1953): “Evidence for Greek Dialect in the Mycenaean Archives”, in: Journal of Hellenic Studies 73, 86-103.

Wöstmann, Frank (10.01.2003): “Atlantis lag in Südwest-Spanien”, in: Braunschweiger Zeitung.URL: http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2164/artid/1146232

Wöstmann, Frank (19.02.2003): “Forscher meldet: Atlantis gefunden”, in: Braunschweiger Zeitung.