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Attributionstheorie und Attributionsfehler
Vorlesung Winter, 2012/13Thomas Kessler
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Überblick• Attributionstheorien
– Heiders naive Handlungsanalyse
– Kelleys Kovariations und Konfigurationsmodell
• Attributionsfehler– Fundamentaler Attributionsfehler
– Akteur-Beobachter Divergenz
– Selbstwertdienliche Attribution
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Leitfragen• Wie funktionieren Verhaltenserklärungen im
Alltag?• Wie kann man Verhalten erklären, wenn man
einmalige oder mehrmalige Beobachtungen zur Verfügung hat?
• Welche typischen Fehler unterlaufen uns im Alltag bei Verhaltenserklärungen?
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Begriffe
• Kausalattribution: Kausale Erklärung von beobachtetem Verhalten
• Attributionstheorien: konzeptueller Rahmen, innerhalb dessen zu erklären versucht wird, wie im Alltag Personen zu Erklärungen von Verhaltensweisen kommen.
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Das Problem des Fremdpsychischen
• Das Problem des Fremdpsychischen bedeutet:
– Wie können wir feststellen, dass andere ähnliche psychische Erlebnisse haben wie wir selbst?
– Wie können wir feststellen, dass sie überhaupt psychische Erlebnisse haben?
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Das Problem des Fremdpsychischen
• Wittgenstein in den „Philosophischen Untersuchungen“ (§293):"Angenommen, es hätte jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir „Käfer“ nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. – Da könnte es ja sein, dass jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, dass sich das Ding fortwährend veränderte. [ ....] die Schachtel könnte auch leer sein."
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Mensch als intuitiver Wissenschaftler• Fünf Grundannahmen
– Verhalten drückt Invarianzen aus.– Attribution erschließt Invarianzen aus
Verhalten.– Attribution ist eine vitale Fähigkeit.– Attributionen sind nicht notwendig bewusst.– Attribution ist eine Form der Kausalanalyse.
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Verhalten drückt Invarianzen aus.– Menschen haben stabile psychologische
Eigenschaften, die ihr Verhalten determinieren.
– Jeder Mensch hat einen wahren Charakter, der sich in unterschiedlichen Situationen durch unterschiedliche Verhaltensweisen manifestiert.
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Attribution erschließt Invarianzen aus Verhalten.
– Verhalten ist unterschiedlichen Situationen (z.B. deren Möglichkeiten und Begrenzungen) angepasst.
– Aus dieser Mannigfaltigkeit des Verhaltens wird der wahre Charakter eines Individuums als Invarianz extrahiert.
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Attribution ist eine vitale Fähigkeit.– Die Diagnose einer Charaktereigenschaft
ermöglicht die Vielfalt der Verhaltensmanifestationen unter einem einzigen Konzept zu systematisieren und interpretieren.
– Charaktereigenschaften integrieren eine irritierende Menge an Information in einer ökonomischen Art und Weise.
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Attributionen sind nicht notwendig bewusst.– „Alltagspsychologie“ ist keine Theorie im eigentlichen
Sinne, denn es werden keine Ableitungen aus irgendwelchen Grundannahmen getroffen.
– Die Regeln nach denen die Invarianzen aus dem Verhalten gezogen werden sind genauso unbewusst (intuitiv) wie die Regeln der Wahrnehmung nach denen wir konstante Objekte in unserer Umwelt wahrnehmen.
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Heiders naive Handlungsanalyse
• Attribution ist eine Form der Kausalanalyse. – Zwei große Klassen von Variablen bestimmen
Verhalten: Dispositionen von Individuen und die Umwelt.
– Verhalten ergibt sich daraus, dass ein Akteur sich in einer bestimmten Art verhalten kann und es auch versucht.
– Er muss also die Möglichkeit und die Motivation zu einem Verhalten haben. Die Möglichkeit selbst setzt sich aus seiner Fähigkeit und den Gelegenheiten der Umwelt zusammen.
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Heiders naive Handlungsanalyse
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Umwelt
Intention
Anstrengung
Fähigkeit
Vermögen / Gelegenheit
Motivation
Verhalten
Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen
• Jones & Davies: empirische Umsetzung von Heiders naiver Handlungsanalyse
– Zuschreibung einer Absicht (nicht gemeinsame Effekte)
– Sozialer Konsensus
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Nicht-gemeinsame Effekte- eindeutig -
Mr. Bagby Mr. Caldwell
Mann Mann
Reich Reich
Gute Manieren Gute Manieren
Kinderlieb
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Attribution von Intentionen:
Miss Adams Partnerwahl
Nicht-gemeinsame Effekte- uneindeutig -
Mr. Bagby Mr. Caldwell
Mann Mann
Reich Reich
Gute Manieren Gute Manieren
Humorvoll
Kinderlieb
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Attribution von Intentionen:
Miss Adams Partnerwahl
Sozialer Konsensus
• Verhaltensweisen, die wenig sozial erwünscht sind, werden eher dispositional attribuiert.
• Verhaltensweisen, die sozial erwünscht sind, können nicht eindeutig auf Dispositionen sondern können genauso gut auf die Situation attribuiert werden.
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Kelleys Attributionstheorie
• Kovariationsprinzip
– Attribution auf der Basis der wahrgenommenen Kovariation zwischen dem beobachteten Effekt und seinen möglichen Ursachen (mehrere Beobachtungen).
• Konfigurationsprinzip
– Attribution auf der Basis von nur einer Beobachtung (Verwendung von Kausalschemata)
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Kelleys Attributionstheorie
• Kovariationsprinzip
• Einfluss dreier unabhängiger Variablen auf beobachtbares Verhalten:
– Die Person: Konsistenzinformation (zeigt X dieses Verhalten immer/häufig/selten?)
– Die Umstände: Konsensusinformation (zeigt nur X das Verhalten, oder auch andere Personen?)
– Der fokale Stimulus: Distinktheit (zeigt X das Verhalten nur gegenüber dem fokalen Reiz oder auch gegenüber anderen Reizen?)
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Kelleys Attributionstheorie- Kovariationsprinzip Beispiele -
• Dispositionale Attribution
– Hohe Konsistenz
– Geringer Konsens
– Geringe Distinktheit
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Kelleys Attributionstheorie- Kovariationsprinzip Beispiele -
• Stimulusattribution
– Hohe Konsistenz
– Hoher Konsens
– Hohe Distinktheit
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Kelleys Attributionstheorie- Kovariationsprinzip Beispiele -
• Situative Attribution (uneindeutig)
– Niedrig Konsistenz
– Hoher Konsens
– Hohe Distinktheit
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Konfigurationsmodell
• Wenn man nur eine Beobachtung eines Verhalten hat, dann müssen zur Ursachenerklärung zusätzliche Vorannahmen gemacht werden.
• Kausalschemata: vorgefertigte Meinungen, Vorannahmen
– Multiple hinreichende Ursachen
– Multiple notwendige Ursachen
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Kausalschemata• Multiple hinreichende Ursachen
– Verschiedene Ursachen liegen vor, die alle auch allein das Verhalten erklären können. Hier werden nach dem Abwertungsprinzip einige der Ursachen abgewertet, wenn andere plausible Ursachen zur Verfügung stehen.
– Nach dem Aufwertungsprinzip werden Ursachen dann zur Erklärung herangezogen, wenn ein Effekt trotz hemmender Kräfte auftritt.
• Multiple notwendige Ursachen
– Hier müssen verschiedene Ursachen gemeinsam auftreten, um den Effekt zu produzieren.
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Begriffe: Attributionsfehler
• Attributionsfehler: – Von logischen Attributionstheorien
abweichende Zuschreibung von Ursachen.• Beispiele:
– Fundamentale Attributionsfehler– Akteur-Beobachter-Divergenz– Selbstwertdienliche Attributionsmuster
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Fundamentale Attributionsfehler
• Konsensus-Unterschätzung
• Korrespondenzverzerrung
• Personalismus
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Fundamentaler Attributionsfehler
• Beispiel:• Reden halten für oder gegen ein populäres
Thema (Jones & Harris, 1967):• Versuchspersonen sollten jemanden beurteilen,
der eine Rede für oder gegen Fidel Castro gehalten hat.
• Information: Der Redner hat das Thema freiwillig gewählt bzw. nicht selbst gewählt.
• AV: Einschätzung der Einstellung zu Fidel Castro
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Fundamentaler Attributionsfehler
28
0
25
50
75
Choice
Degree of choice
Writ
ers´
atti
tude
Pro-Castro speech
Anti-Castro speech
No-choice
Pro-Castro
Anti-Castro
Source Source based on data from Jones and Harris, 1967.based on data from Jones and Harris, 1967.
Quellen der Verzerrung
• Motivationale Faktoren:– Bei hoher Relevanz z.B. Selbstbezug.
Wenn positive oder negative Konsequenzen folgen.
• Kognitive Faktoren: – Welche Information steht den Beurteilern zu
Verfügung bzw. werden in das Urteil einbezogen?
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Beobachter-Akteur Divergenz
• Attributionsunterschiede zwischen Akteur und Beobachter einer Handlung:
– Der Akteur betont die situativen Faktoren
– Der Beobachter betont die dispositionalen Faktoren
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Beobachter-Akteur Divergenz
• Wahrnehmungsfokus: Beobachter konzentrieren sich auf den Akteur, wogegen der Akteur sich auf die Umwelt konzentriert.
• Selbstwissen: Akteure wissen mehr über sich und die situativen Anforderungen als Beobachter wissen können.
• Unterschiedliche Ziele: Akteure verfolgen instrumentelle Ziele, wogegen Beobachter Information zur Vorhersage künftiger Verhaltensweisen durch den Akteur suchen.
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Selbstwertdienliche Verzerrung
• Attributionen, die den Selbstwert erhalten oder verbessern:
• Eigene Erfolge werden dispositional und eigene Misserfolge situativ attribuiert.
• Self-Handicapping: Man stellt plausible externale Gründe her, die eigenes Versagen erklären können.
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Selbstwertdienliche Verzerrung- Self-handicapping -
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0
25
50
75
100
LösbarTyp des Puzzle beim ersten Durchgang
Pro
zent
der
Ver
such
sper
sone
n
Actavil - Verbessert Leistung
Pandocrin -Verringert Leistung
Nicht lösbar
Zusammenfassung
• Attribution meint kausale Verhaltenserklärung
• Bei einzelnen Verhaltensbeobachtungen werden Attributionen mittels Kausalschemata vorgenommen, bei mehreren Beobachtungen durch das Kovariationsmodell (Konsens, Konsistenz und Distinktheit)
• Bei kausalen Verhaltenserklärungen entstehen verschiedene Fehler, wie fundamentaler Attributionsfehler, Akteur-Beobachter-Divergenz, Konsensusüberschätzung usw.
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Literatur
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Gilbert, D. T. (1998). Ordinary personology. In Fiske, Gilbert, & Lindzey (4th ed.), The handbook of social psychology, Vol. 2. New York, NY, US: McGraw-Hill. (pp. 89-150)
Fincham & Hewstone (2001). Attributionstheorie und -forschung. In Stroebe et al. (Hrsg.), Sozialpsychologie, 4. Auflage, Kap. 7, S. 216-228.